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Full text of "Jahrbücher für classische Philologie"

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V     l-tj.      ^L'-i^l 


Harvard  College 
Library 


FROM  THE  FUND  OIVEN  BY 

Stephen  Salisbury 

Chnof  1817 
OP  WORCB8TBR,  MASSACHUSETTS 

For  Oreek  and  Latin  Literatore 


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JAHRBÜCHER 


für 


classisehe  Philologie. 


Herausgegeben 


Alfred  Fleckeisen. 


EIFTER  SÜPPIEMENTBANB. 


Leipzig,  1880. 

Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 


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Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

1.  Die  Fragmente  des  L.  Goelins  Antipater.     Von  Wilhelm 

Sieglin 1—92 

2.  lieber  den  gallischen  Brand.    Eine  qaellenkritische  Skizze 

ZOT  Utem  römischen  Geschichte.    Von  Georg  Thouret  .   .      93  —  188 

3.  Die  handschriftliche  Ueberliefenmg  des  Ansonias.«    Von 

B.  Peiper 189—353 

4.  Philologische  Studien  zn  griechischen  Mathematikern.  I.  II. 

Von  J.  Ij.  Heiberg 356—398 

5.  De  Snidae  biographicomm  origine  et  fide.  Scripsit  A.  Datib    401—490 

6.  Verh&ltnis  der  griechischen  Vasenbilder  zu  den  Gedichten 

des  epischen  Ejklos.    Von  H.  Luckefibach 491—638 

7.  Ares  und  Aphrodite.    Eine  Untersuchung  über  Ursprung 

und  Bedeutung  ihrer  Verbindung.     Von  Karl  Tümpel .    .     639—752 


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JAHRBÜCHER 

FÜR        "msmz 

CLASSISCHE  PHILOLOGI 


Herausgegeben 


Cr  y^ 


l>jr.     A-lfred  Fleckeisen, 

Profeisoi  in  Dresden. 


JBl:(ter  Supplementband. 

Erstes  Heft. 


Leipzig, 

^ry^xJL^s-^    «.»d  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 

1880. 


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DIE  FRAGMENTE 


L.  COELITJS  ANTIPATER 


WILHELM  3IEGLIN, 


«•Inb.  t  «iMt.  rbüol  SnvpL  Bd.  XL 


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Vorwort. 


Die  Yorliegende  Abhandlung  hat  im  Wesentlichen  den  Zweck^ 
den  Nachweis  für  die  Richtigkeit  der  von  Meursius  und  Plüss  auf- 
gestellten These  beizubringen,  dass  Coelius  Antipater  ausser  der  Ge- 
schichte des  zweiten  punischen  Krieges,  im  höheren  Alter  ein  zweites 
Werk,  Historien  benannt,  yerfasst  habe;  weiter  soll  der  Inhalt  und 
die  Oeconomie  dieser  beiden  Werke  dargelegt,  endlich  eine  Prüfung 
der  einzelnen  Fragmente  vorgenommen  werden  in  Betreff  des  Zu- 
sammenhangs, dem  sie  entnommen  sind,  und  yornehmlich  auch  der 
Berechtigung,  mit  der  sie  Coelius  zu-  oder  aberkannt  werden.  Die 
von  Coelius  benutzten  Quellen  sind  gleichfalls  besprochen  worden. 

Nothgedrungen  musste  bei  diesen  Untersuchungen  eine  stete  Be- 
zugnahme auf  die  jüngst  erschienene  Schrift  you  Otto  Gilbert  stattfinden, 
'die  Fragmente  des  L.  Coelius  Antipater,  Separatabdruck  aus  dem  zehn- 
ten Supplementbande  der  Jahrbücner  für  classische  Philologie';  und  so 
soll  die  yorliegende  Abhandlung  gleichzeitig  eine  Antwort  auf  diese 
Schrift  sein,  die  nach  ihrer  Anlage  wie  nach  ihrer  Ausführung  yer- 
fehlt  erscheint,  so  dass  sie  einer  durchgehenden  Beleuchtung  bedarf. 
Neues  bietet  dieselbe  freilich  genug,  so  besonders  die  Hypothesen 
über  die  ungleichmftssige  Behandlung  des  Bellum  Punicum,  über  die 
Tendenz  und  den  Inhalt  dieses  Werkes,  dass  es  nicht  eine  Geschichte 
des  zweiten  punischen  Krieges  habe  sein  sollen,  sondern  nur  eine 
Partei-  und  Lobschrift  auf  Scipio;  sodann  die  Aufstellungen  über  die 
Quellen  des  Coelius  u.  s.  w.;  aber  alles  dies  ist  wohl  durch  seine 
Kühnheit  überraschend,  beruht  jedoch  zum  grössten  Theil  auf  Irr- 
thun.  Dies  ist  aber  nicht  der  einzige  Mangel.  Mehrere  wichtige 
Fragen  aus  dem  behandelten  Gebiete,  deren  Untersuchung  nicht  nur 
wttnschenswerth,  sondern  geradezu  nothwendig  erscheinen  musste, 
sind  mit  Stillschweigen  übergangen,  wie  überhaupt  die  Forschungen 
früherer  Gelehrter  mit  Vorliebe  ignorirt  sind,  wenn  sie  den  yor- 
gebrachten  neuen  Thesen  widersprachen.  Bei  diesen  Eigenheiten 
bnn  die  Gilbert'sche  Schrift  nicht  genügen;  die  Fragmente  des 
Coelius  haben  einer  nochmaligen  Untersuchung  unterworfen  werden 
müssen. 


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4  Vorwort. 

Bei  den  maimigfaehen  Richtangen,  nach  denen  hin  dies  ge- 
schehen musste,  bot  die  Grappinmg  des  Stoffes  einige  Schwierig- 
keiten. Sämmtliche  Fragmente,  mit  Ausnahme  der  in  Livius  er- 
haltenen,  mussten  einzeln  untersucht  werden;  und  sollten  Wieder- 
holungen  sich  nicht  zu  sehr  häufen  —  ganz  Hessen  sie  sich  nicht 
vermeiden,  —  musste  diese  Untersuchung  dem  Ganzen  yoraus- 
geschickt  werden^  damit  man  später  nach  Bedürfhiss  darauf  zurück 
greifen  konnte.  Ich  that  dies,  obwohl  auf  diese  Weise  der  Nach- 
theil eintrat,  dass  durch  die  Menge  von  unzusammenhängenden 
Einzelfragen  der  Gesammtentwicklungsgang  sich  etwas  verschleppte. 
Ich  kann  nichts  thun,  als  für  diesen  Missstand  'um  Nachsicht 
bitten;  ich  vermochte  ihn  nicht  zu  vermeiden,  ohne  in  grösseren  zu 
verfallen. 

An  die  Oeconomie  der  Oilbert'schen  Vorlage  habe  ich  mich 
nicht  halten  können.  Dagegen  habe  ich  fEtöt  überall  auf  ihn  geziemend 
Bezug  genommen^  mit  Ausnahme  weniger  Fälle,  wo  eine  Widerlegung 
zu  unbedeutend  erschien.  Unberücksichtigt  gelassen  habe  ich  aber 
seinen  ganzen  zweiten  Theil,  und  dies  aus  sattsamen  Gründen.  Der- 
selbe bildet  nur  den  Ausbau  des  im  AnfEUige  aufgeführten  Grund- 
stocks: Nachdem  Gilbert  p.  367 — 396  zu  zeigen  versucht  hat,  dass 
Coelius  fOr  die  Eriegsereignisse  der  ersten  Hälfte  des  Hannibalischen 
Krieges  die  Hauptquelle  des  Livius  nicht  hat  sein  können  — 
wegen  der  Dürftigkeit  seines  Inhalts,  —  erfolgt  im  weiteren  Ver- 
laufe consequenter  Weise  die  Ausführung,  dass  Livius  den  Coelius 
nachweislich  als  Hauptquelle  auch  nicht  herangezogen  habe,  son- 
dern zu  einer  directen  Benutzung  des  Silen,  Fabius  u.  s.w.  zurück- 
gegangen sei.  Die  Widerlegung  des  ersten  Satzes  halte  ich  für  ge- 
nügend; ich  fürchte,  den  Leser  zu  ermüden,  wenn  ich  ihm  bis  zu 
Ende  vordemonstrire,  dass  Behauptungen,  die  auf  falschen  Prämissen 
beruhen,  unbewiessen  sind.  Wo  es  noüi  thut,  werde  ich  auf  die 
Gilbert'schen  Auslassungen  in  späteren  Untersuchungen  zurück- 
kommen, die  unter  dem  Titel  ^Der  zweite  punische  Krieg  und  seine 
Quellen'  im  Verlage  von  B.  G.  Teubner  ich  zu  veröffentlichen  ge- 
denke; die  erste  Abtheilung  derselben  wird  wohl  sicher  vor  Ablauf 
eines  Jahres  noch  erscheinen. 

Bei  der  durchgreifenden  Umgestaltung,  die  sich  für  die  Orup- 
pirung  der  Coelianischen  Fragmente  ergeben  hat,  wird  es  manchem 
nicht  überflüssig  erscheinen,  wenn  im  Anhange  eine  nochmalige 
Zusammenstellung  derselben  nach  diesem  neuen  Principe  gegeben 
wird,  um  so  ein  anschaulicheres  Bild  von  den  beiden  Werken  des 
Coelios  zu  ermöglichen  und  die  Handhabe  der  Fragmente  zu  er- 
leichtem. Ich  habe  im  Laufe  der  Abhandlung  mehrfach  auf  diesen 
Anhang  verwiesen. 

Zum  Schlüsse  ist  es  meine  Pflicht,  Herrn  Oberbibliothekar  Dr. 
B«  Köhler  in  Weimar  herzlichen  Dank  auszusprechen  für  die  Zuvor- 
kommenheit, mit  der  er  mich  bei  dem  Suchen  nach  einer  Parallele  für 


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Vorwort.  5 

den  Traum  Hannibals  beim  Ebroübergang  (p.  67)  in  der  deutseben  Sage 
unterstfitzt  hat.  Mir  war  nur  das  Bechstein^sebe  Märchen  selber  be- 
kannt gewesen;  ich  verdanke  ihm  die  Mittheilimg^  woher  Bechstein 
seinen  Stoff  hauptsfichlich  genommen,  den  Hinweis  auf  Zuccalmaglios 
Sammlung  deutscher  Volkslieder. 

Zu  aufrichtigem  Danke  fühle  ich  mich  auch  gegen  den  Oeneral- 
director  Herrn  G.  Fiorelli  in  Bom  verpflichtet,  der  so  freundlich  war, 
mir  die  wfinschenswerth  gewordene  Collation  des  Cod.  Neapolit.  zu 
Charisius  p.  126  K.  (p.  16,  fr.  7)  zu  besorgen. 

Leipzig,  15.  Juli  1879. 

Wilhelm  Sieglin. 


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Die  Fragmente  des  L.  Coeliis  Antipater. 
Cap,  I. 

Es  ist  schon  lange  aufgefallen,  dass  von  den  Fragmenten,  die 
uns  von  dem  Bellum  Punicum  des  L.  Coelius  Antipater  erhalten 
sind,  ein  bedeutender  Bruchtheil  sich  mit  denjenigen  Inhalt  nicht  in 
Einklang  bringen  lässt,  den  man  nach  dem  Titel  der  Schrift  voraus- 
setzen durfte.  Eine  Reihe  von  Fragmenten  behandeln  die  Urgeschichte 
Boms  beziehungsweise  Italiens,  andere  die  Geographie  dieses  Landes; 
eines  fSHi  in  die  Zeit  der  Latinerkriege,  wieder  eines  in  die  der 
Oracchen ;  zusammengenommen  bilden  sie  eine  so  bedeutende  Anzahl, 
dass  es  schwer  begreiflich  ist,  wie  sie  alle  sollten  Digressionen  sein 
innerhalb  einer  Geschichte  des  Hannibalischen  Krieges. 

Meursius  in  seinem  Commentar  zu  Macrob.  Sat.  1,  4,  24^)  ist 
meines  Wissens  der  erste,  der,  —  jedoch  wesentlich  veranlasst  durch 
einen  weiteren  Umstand,  dass  neben  dem  Titel  Bellum  Punicum  resp. 
Annales,  auch  der  Titel  Historiae  überliefert  ist,  —  den  Gedanken 
fasste:  Coelius  werde  zwei  Werke  geschrieben  haben;  ausser  der  Ge- 
schichte des  zweiten  punischen  Krieges  noch  Historien,  die  ganze 
Geschichte  Boms  begreifend.  Da  die  Hypothese  in  ungeschickte 
Form  gekleidet  war  und  der  Beweise  ermangelte,  so  wurde  sie  nicht 
weiter  beachtet.  Voss,  in  seinen  Historici  Latini^,  wie  früher  Anto- 
nius Augustinus')  und  Popma^)  in  den  Fragmentsammlungen  der 
römischen  Historiker  hielten  an  der  Annahme  eines  einzigen  Werkes 
fest,  imd  ihre  Auctorität  war  für  die  folgenden  Jahrhunderte  mass- 
gebend. 

Das  Jahr  1820  brachte  neue  Anregung  in  die  Frage.  Fast  gleich- 
zeitig gestellte  Preisthemen  der  Göttinger  wie  der  Lejdener  Philo- 
sophischen Facultftt  gaben  Veranlassung  zu  den  Schriften  von  Lach- 
mann, De  fontibus  Livii,  in  zwei  Abhandlungen,  Göttingen  1822  und 
1828,  und  von  Groen  van  Prinsterer  und  B.  A.  Nauta,  De  Coelio 
Antipatro,  Lejden  1821;. in  ihnen  wurde  Coelius  zum  ersten  Male 
gründlich  imd  eingehend  behandelt.  Nauta  und  Groen  haben  haupt- 


')  Macrobii  opera  cozd  notis  Pontani,  Meursii^  GronoTÜ,  Lugd.  Bai 
1670  p.  202. 

*)  Ed.  novissima,  Franoof.  1677  p.  88. 

')  Ani  Augustinus,  Coli,  fragm.  Eist.  Lat.  Antv.  1596  p.  82. 

*)  Aus.  Popma,  Fragm.  Hist.  vet.  Lat  Amstelod.  1620  p.  44. 


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Die  Fragmente  des  L.  CoeliuB  Antipaier.  7 

sScblich  die  Fragmente  durchgesehen,  sie  vermehrt,  geordnet  und 
erklftrt,  Lachmann  die  Quellen  des  Coelins  und  seine  Benützung  durch 
Livius  untersucht. 

Auch  zu  unserer  Frage,  ob  Coelius  ein  oder  zwei  Werke  ge- 
schrieben habe,  nahmen  alle  drei  Stellung.  Nauta  p.  10  und  Groen 
p.  13  stellten  sich  mit  Entschiedenheit  auf  den  alten  Boden  durch 
Annahme  eines  einzigen  Werkes,  des  Hannibalischen  Krieges.  Alle 
Fragmente,  die  ttber  den  Rahmen  des  letzteren  hinausgehen,  erklärten 
Bie  einfach  für  Digressionen,  mit  Ausnahme  weniger,  bei  denen  dies 
zu  viel  Schwierigkeiten  machte:  diese  gaben  sie  preis  und  erklärten 
sie  fttr  unächt.  Nur  Ein  Werk  nahm  zwar  auch  Lachmann  an  II, 
p.  20,  aber  die  Mittel  Nautas  und  Groens  verschm&hend ,  griff  er 
zu  dem  Auswege,  Coelius  habe  das  unter  dem  Titel  Bellum  Punicum 
veröffentlichte  Werk  fortgesetzt  und  es  dabei  ausgedehnt  bis  zur 
Gracchenzeit. 

Dieser  Hypothese  schloss  sich  zwar  mit  Lebhaftigkeit  Krause^) 
an,  wenngleich  mit  der  leichten  Modificirung,  dass  er  glaubte,  Coelius 
habe  bereits  mit  dem  ersten  punischen  Kriege  begonnen,  sonst  fand 
dieselbe  ^  aber  nirgends  Anklang.  Sie  war  durch  die  überlieferten 
zahlen  der  Bücher  von  vornherein  widerlegt.  Im  ersten  Buche  wird 
schon  die  Belagerung  Sagunts  (fr.  7  S. ;  1 0  F.),  die  Expedition  des  Consuls 
Sempronius  nach  Sicilien  und  dessen  beabsichtigte  Landung  in  Afrika 
(fr.  11  S.;  12  F.);  endhch  die  Schlacht  bei  Cannae  (20  S.;  22  F.)  er- 
zählt; im  siebenten  (fr.  47  S.;  44  F.)  die  Gefangennahme  des  Syphax 
551/203.  Der  erste  punische  Krieg  fand  demnach  keinen  Flatz,  er 
müsste  denn  nur  kurz  in  der  Einleitung  skizzirt  gewesen  sein,  wozu 
jeder  Anhalt  fehlt.  Andrerseits,  wäre  etwa  der  dritte  Krieg  dem 
zweiten  angefügt  und  die  Geschichte  desselben  fortgesetzt  gewesen 
etwa  bis  auf  634/120,  wie  Lachmann  und  Krause  nach  fr.  50  F.; 
p.  88,  14  S.  annahmen,  so  müssten  diese  80  Jahre,  da  sie  zum 
grössten  Theil  in  die  Lebenszeit  des  Verfassers  fallen^  mindestens  in 
nicht  geringerer  Ausführlichkeit  geschildert  sein  als  der  Hannibali- 
sche  Krieg;  und  doch  verstummen  mit  dem  Ende  desselben  plötzlich 
die  Fragmente.  Aber  sehen  wir  selbst  von  diesen  Bedenken  ab,  so 
ist  noch  nichts  geholfen.  Die  Hauptschvnerigkeit  in  der  Anordnung 
der  Coelianischen  Fragmente  besteht  ja  darin,  dass  mehrere  derselben 
die  älteste  Zeit  Borns  und  Italiens  behandeln  und  diese  wird  von 
der  Laehmann-Krause'schen  Hypothese  nicht  berührt. 

Da  griff  Flüss  den  Gedanken  von  Meursius  wieder  auf  und 
stellte  im  Anhange  seiner  Dissertation:  De  Cinciis,  Bonnae  1865  als 
sechste  These  auf:  Coelius  Antipater  praeter  belli  Funici  historiam 
aetate  iam  provectior  rerum  Bomanarum  annales  scripsit.  Meltzer, 
De  Coelio  Antipatro,  diss.  inaug.  Lips  1867  p.  10  und  H.  Feter,  Yet. 
Hisi  Rom.  Bell.  p.  CCXYI,  welcher  Meltzer  fast  in  allen  Stücken 


^  Yitae  et  fragm.  vet.  Bist.  B^m.  Berol.  1823  p.  184. 

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8  Wilhelm  Sieglin: 

folgt,  gingen  zwar  über  Pltlss  wieder  hinweg,  indem  sie  sich  den 
Besultaten  Nantas  und  Groens  anschlössen ;  doch  wird  eine  genauere 
Betrachtung  der  Coelianischen  Fragmente  ergeben,  dass  Plüss  das 
richtige  gefunden  hat.  Coelius  schrieb  mehr  als  Ein  Werk;  ausser 
dem  Bellum  Punicum  noch  Historien;  nur  dass  die  letzteren  nicht 
sowohl  annalistische  Historien  sind,  als  eine  Art  Origines,  eine  Ur- 
geschichte von  Italien  und  Born,  dabei  fortgesetzt  wie  das  Werk 
Catos  bis  in  die  historische  Zeit« 

Wir  halten  eine  Untersuchung  über  die  vorliegende  Frage  für 
um  so  gebotener,  als  der  jüngste  Aufsatz  über  die  Fragmente  des 
Coelius  von  0.  Gilbert  dieselbe  unberücksichtigt  lässt  und  damit 
offenbar  für  abgeschlossen  erklärt  zu  Gunsten  der  jetzt  herrschenden 
Meinung,  die  von  Meltzer,  Peter,  Teuffei,  Bemhardj  und  Wölfflin 
vertreten,  an  Einem  Werke  festhält.  Weiter  hat  Gilbert  aus  den 
der  Geschichte  des  Hannibalischen  Krieges  nicht  zugehörigen  Frag- 
menten eine  Beihe  von  Schlüssen  gemacht,  die  zum  Theil  berechtigt 
erscheinen  könnten  und  zum  Theil  nicht  unwichtige  Beiträge  zur 
Charakteristik  des  Coelianischen  Werkes  liefern  würden,  wenn  eben 
die  Fragmente,  aus  denen  sie  gezogen  sind,  dem  Bellum  Punicum 
angehörten. 

Wir  geben  im  Folgenden  eine  Analyse  der  Coelianischen  Frag- 
mente mit  jedesmaliger  Bemerkung,  in  welchen  T^eil  der  Geschichte 
dieselben  eingefügt  werden  können;  wir  folgen  dabei  vielfach  dem 
Vorgänge  von  Nauta  und  Meltzer -Peter.  Wir  zählen  die  Frag- 
mente in  der  Beihenfolge  auf,  wie  wir  sie  in  unsem  Quellen  finden. 


L 
NoniuB  MaroelluB  überliefert  18  Fragmente. 

1. 

Non.  p.  29.  M.  fr.  57  P.  Coelius  Annali:  Ipse  cum  cetera  cqpia 
pedetemptm  sequUur. 

Das  vorliegende  Fragment  bezieht  sich,  wie  Nauta  p.  44  er- 
kannt hat  und  Gilbert  p.  456  beistimmt,  auf  den  nächtlichen  Ueber- 
fall  des  Lagers  von  Syphaz  durch  Scipio  551/203.  Letzterer  hatte, 
um  denselben  einzuleiten,  die  Hälfte  seiner  Armee  unter  Laelius 
vorausgeschickt  und  folgte  selber  mit  dem  Beste  langsam  nach.  In 
diesem  Zusammenhange  finden  sich  unsere  Worte  Pol.  14,  4,  4: 
auTÖc  bk  xfjv  Xoi7rf|v  crparidv  dvaXaßdiv  iiroieiTO  Tf|v  6p|uif|v 
^ttI  töv  *Acbpoüßav.  (fjv  bk  aurtjj  cuXXeXoTicjui^vov  |ui#|  TTpörepov 
iTX€ip€Tv,  ?u)c  öv  ol  TTcpi  TÖV  AalXiov  irpuiTOi  tö  irOp  d|LißdXu)ci 
Toic  iToXeiiioic.)  o\5toc  juifev  Toiaurac  ?x^v  dTTivoiac  ßdbr]v 
ircouxro  Tf|V  7rop€(av.    Vgl.  Liv.  30,  5;  App.  Lib.  21. 


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Die  Fragmente  des  L.  Goelius  Antipater. 


2. 

Non.  p.  80  M.  fr.  5  P.  Coelias:  Tandum  heHum  suscitare  conari  ad- 
verscarios  contra  heUosum  genus. 

Cod.  Guelferb.  (W.  Saec.  XI;  beste  Handschrift)  liest:  Caecilius. 
Gehört  das  Fragment  dennoch  Coelius  und  dem  Hannibalischen 
Kriege  an,  so  würde  es  einer  Bede  aus  der  Zeit  des  Ausbruchs  der 
Feindseligkeiten  zuzuweisen  sein,  die  vom  Kriege  abmahnt.  Das 
bellosum  genus  wären  die  Römer,  die  adyersarii  die  Barcinen,  der 
Sprecher  offenbar  Hanno,  der  langjährige  politische  Gegner  der  letz* 
teren,  der  Liv.  21,  10  zum  Frieden  räth,  und  die  Carthager  warnt, 
ne  Bomanum  suscitarent  bellum.  Wirklich  fassen  das  Fragment  so 
Nauta  p.  22,  Weissenbom  und  Wölflflin  zu  Liv.  21,  10,  3,  und  es 
Ifisst  sich  für  den  Fall  der  Aechtheit  desselben  nichts  dagegen  ein- 
wenden« Wir  haben  aber  die  Lesart  Caecilius  ohne  Zweifel  bei- 
zubehalten, da  die  unter  diesem  Namen  citirten  Worte  ein  deutlich 
rhythmisches  Gewand  tragen: 

T&ntum  bellum  suscitare  cönari  advers&rios 

contra  bellosum  genus. 

An  der  Lücke  ist  kein  Anstoss  zu  nehmen;  so  citirt  Nonius  p.  652 
unter  Titinius  Barbato: 

ita  spürcus 

Anim4tur  ira  in  pro61ium:  y6les  eques  recipit  se 
n6que  ferit  quemquam  höstem. 

Aehnliche  Fälle  sind  nicht  selten  bei  Nonius.  Auch  citirt  letz- 
terer die  Fragmente  des  Coelius  nie  anders  als  unter  Zufügung  von 
^aimali'  oder  ^annali  libro  . . .' ;  es  wäre  dies  der  einzige  Fall  von 
zwOlfen,  wo  nur  ^Coelius'  stünde. 


3. 

Non.  p.  89  M.  fr.  44  P.  Coelius  annali  Ubro  VII :  Ipse  regis 
eminus  equo  ferü  pectus  advarsum,  congmuculat  percussuSy  ddicit 
dominum. 

Diese  Worte  finden  sich  fast  unverändert  App.  Lib.  26;  Liy. 
30,  12,  1  und  schildern  die  unvermuthete  Gefangennahme  des  Königs 
Sjphax  von  Mauretanien  in  der  Schlacht  bei  Cirta  551/203.  App.  a. 
a.  0.  Tpair^vrec  o\  toö  CucpaKoc  eic  cputi^v  töv  TTOxaiiöv  ^Ti^piüv. 
fv9a  TIC  aÖTOö  CiicpaKOC  töv  Yttttov  ?ßaX€V,  6  b'  ÄTrecei- 
caxo  TÖV  bectrÖTiiv.  Liv.  a.  a.  0.  ibi  Syphax  dum  obequitat  ho- 
stium  tnrmis  equo  graviter  icto  effusus  opprimitur  capiturque. 
VgL  Sil.  ItaL  17,  134—140. 

Der  tapfere  Bömen  der  so  die  Gefangennahme  des  Syphax  her- 
beifülirte,  soll  C.  Butmus  geheissen  haben  (Sueton?  in)  Laur.  Ljd. 
de  mens.  4,  63.  Doch  vermengt  Lydus  diese  Erzählung  mit  einer 
andern  davon  nnabhängigen  Sage,  die  durch  einen  etymologischen 


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10  Wilhelm  Sieglin: 

Versuch  zum  Worte  ^Caes&r',  welches  dem  Maurischen  ^Elephant' 
ähnlich  lautete,  entstanden  war.  Nach  der  in  Serv.  ad  Aen.  1,286 
vgl.  Spartian.  HeL  2,  3  p.  28  P.  erhaltenen  Belation  ¥rar  es  der  Oross- 
▼ater  des  Julius  Caesar,  des  Dictators,  gewesen,  der  in  Afrika  einen 
Elephanten  erlegte  imd  daher  seinen  Beinamen  erhielt.  Diesen  Mann 
nun  hält  Lydus,  indem  er  den  Unterschied  der  Zeit  sowohl  wie  des 
Geschlechtes  übersieht,  für  identiseh  mit  denjenigen,  der  Syphax 
gefangen  nahm^  Iftsst  in  Folge  dessen  letzteren  statt  auf  einem  Pferde 
auf  einem  Elephanten  reiten,  und  macht  den  C.  Rutilius,  der  ob 
seiner  Heldenthat  den  Beinamen  ^Elephant'  d.  h.  *  Caesar'  erhftlt, 
so  zum  Ahnherren  der  Caesaren.  —  Den  ganzen  Bericht  des  Lydus 
für  ein  Missyerständniss  aus  Sil.  Ital.  17,  126  zu  erklftren,  wie 
Gilbert  p.  457  will,  dazu  liegt  kein  Grund  vor. 


4. 

Non.  p.  94  M.  (fehlt  bei  Peter)  L.  Coelius:  Caput  coüo  stMten- 
tatur^  truncus  st^stmeä^r  a  coxendicibus. 

Um  dieses  Fragment  hat  uns  Quicherat  bereichert  Ueberliefert 
ist  ^Lucilius';  und  nur  da  Quicherat  in  den  von  Nonius  überlieferten 
Worten  kein  Metrum  finden  konnte,  hat  er  dieselben,  allerdings 
mit  leichter  Aenderung  einem  Prosaiker  zugewiesen.  Zu  dieser 
Correctur  ist  jedoch  keine  Berechtigung.  ^Sustinetur'  ist  Glossem 
zu  ^sustentatur'y  und  mit  L.  Müller  (Lucili  Satur.  Bei.  p.  155 
fr.  CXXIX)  zu  lesen: 

C4put  ut  colo,  süstentatur  truncus  coxendlcibus. 

Vielleicht  ist  auch  ^a  colo'  zu  schreiben;  jedenfalls  liegt  zur 
Aenderung  des  Namens  keinerlei  Grund  vor.  Isidor  Or.  11,  1,  72 
überliefert  ein  Fragment  des  Nigidius,  der  sich  an  Lucilius  yielfeuüi 
gebildet  (L.  Müller  a.  a.  0.  p.  285);  in  diesem  finden  sich  unsere 
Worte  nachgeahmt: 

Vehitur  collö  caput, 
Truncus  sustent&tur  coxis  gönibus  atque  crüribus. 


5. 

Non.  p.  98  M.  fr.  30  P.  Coelius  annali  libro  HI:  Imperator  con- 
damai  de  media,  ut  veUtes  in  sinisiro  comu  removeantur,  GaUis  non 
dMbüaUm  inmütantur. 

Die  Handschriften  bieten  *libro  DI'  und  *libro  IIII'.  Etwas  sicheres, 
welcher  Schlacht  die  vorliegende  Scene  entnommen  sei,  ist  nicht 
aufzustellen,  da  Hannibal  hftufig  die  Gallier  auf  dem  linken  Flügel  zu 
postiren  pflegte,  so  in  der  Schlacht  am  Trasimener  See,  Pol.  3, 83,  4; 
bei  Cannae  Liy.  22,  46,  3;  —  und  da  ebenso  die  römischen  Consuln 
fast  regelmässig,  wenn  sie  allein  waren,  im  Centrum  commandirten; 
nur  wenn  sie  mit  ihrem  Collegen  zugleich  im  Felde  standen,  nahmen 


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Die  Fragmente'  des  L.  CoeliuB  Antipater.  11 

beide  auf  den  Plügeln  Stellimg.  Gleich  stereotype  Verwendung  finden 
die  Telites.  Nachdem  sie  das  Qefecht  eröfEnet,  ziehen  sie  sich  auf  die 
Flägel  zurück,  yon  wo  sie  nach  Bedürfhiss  wieder  verwandt  werden 
können.  Der  berichtete  Vorfall  konnte  also  so  ziemlich  in  jeder 
Schlacht  des  zweiten  punischen  Krieges  sich  ereignen.  H.  Peter  hat 
nun  den  Vorschlag  gemacht,  und  ihm  ist  Qilbert  p.  369  gefolgt,  die 
Worte  auf  die  Schlacht  bei  Senagallia  zu  beziehen,  Liy.  27,  48.  Dort 
hatte  nSmUch  der  Consul  Claudius  den  rechten  römischen  Flügel  inne 
gehabt,  Livius  den  linken;  ersterem  gegenüber  waren  die  Gallier  ge- 
standen. Claudius  hatte  diese  nicht  angreifen  können^  weil  schwer 
flbersteigbare  Höhen  zwischen  ihnen  und  ihm  sich  befanden^  und  so 
Bchien  der  von  ihm  befehligte  Flügel  von  der  Theilnahme  an  der 
Schlacht  ausgeschlossen.  Dies  behagte  dem  Consul  nicht,  und  um 
nicht  unthfttig  bleiben  zu  müssen,  führte  er  rasch  entschlossen  meh- 
rere Cohorten  hinter  der  römischen  Schlachtlinie  herum,  griff  Bömem 
und  Carthagem  gleich  unvermuthet  die  Carthager  auf  deren  rechten 
Flügel  in  der  Flanke  und  im  Bücken  an,  und  drang  siegreich  bis 
nun  Centrum  vor.  Dass  er  an  dieser  Stelle  den  Befehl  gegeben, 
die  velites  des  linken  römischen  Flügels  sollten  die  unbeschäftigten 
Gallier  angreifen,  ist  —  vorausgesetzt,  dass  die  velites  zur  Hand 
waren  —  möglich,  doch  nirgends  überliefert,  nicht  in  leisester 
Andeutung.  Nach  unsem  Quellen  kommen  diese  Gallier  überhaupt 
kaum  in  Kampf.  Ebenso  gut,  vielleicht  sogar  mit  relativ  grösserer 
Wahrscheinlichkeit,  könnte  man  das  Fragment  auf  die  Schlacht 
zwischen  Hannibal  und  Marcellus,  Liv.  27,  12,  15;  Flut.  Marcell.  25 
med.,  oder  auch  auf  Liv.  27,  42  beziehen;  ein  Gegenbeweis  lässt 
sich  wenigstens  nicht  beibringen.  Ich  für  meinen  Theil  verzichte 
auf  eine  Erklftrung.  Gegen  die  Schlacht  bei  Senagallia  spricht  aber 
das,  dass  der  Consul  Claudius  nicht  Imperator  war,  folglich  auch 
von  CoeUus  nicht  als  solcher  bezeichnet  werden  konnte;  zweitens  da 
nicht  er  Oberbefehlshaber  über  die  vereinigte  römische  Armee  war, 
sondern  sein  College  Livius  Salinator,  der  auf  dem  linken  Flügel 
stand,  so  war  es  militftrisch  überhaupt  unstatthaft,  dass  Claudius 
dem  linken  Flügel  ein  Commando  ertheilte. 


Non.  p.  137  M.  fr.  41  F.  Coelius  annali  libro  VI:  Ornnes  smud 
ierram  cum  dassi  accedmU,  fMvüms  aique  scaphis  egrediu/ntwr,  castra 
mäoH  Signa  stalmmt. 

Liv.  29,  27,  15  berichtet  die  Landung  des  Sdpio  in  Afrika 
550/204  und  hebt  dabei  als  die  Darstellung  des  Coelius  hervor: 
(Coeüns  ezponit)  scaphis  milites  cum  ingenti  tumultu  in  terram 
evansse.  Ezpositis  copiis  Bomani  castra  in  proxinüs  tumulis 
metaniur. 


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12  Wilhelm  Sieglin: 


Non.  p.  108  M.  fr.  46  P.  Coelius  Antipater  libro  IUI:  Bespuhlica 
amissa  exftmdato  pukherrimo  oppido. 

Nach  der  Zerstörung  von  Syracus  klagt  Liv.  26, 32, 3  T.  Manilas 
Torquatus  im  römischen  Senate:  ^Der  Vortheil  des  römischen  Staates 
sei  nicht  gewahrt  worden  durch  die  Zerstörung  dieser  nrbs  pul- 
cherrima  ac  nobilissima,  da  sie  ehedem  ein  horreum  atque  aerariom 
populi  Bomani  gewesen  sei,  und  nun  keinen  Nutzen  Born  mehr 
biete  könne'.    Flui  Marc.  23. 

In  den  meisten  Handschriften  ist  zwar  überliefert  *lib.  Uli'. 
Aber  in  den  letzten  Jahren  des  Krieges  war  keine  bedeutende  Stadt 
mehr  zerstört  worden;  und  so  ist  mit  cod.  Laurent,  (von  H.  Peter 
verglichen)  ^lib.  im'  zu  lesen,  unsere  Beziehung  hat,  wie  ich  sehe, 
schon  Nauta  vorgebracht  p.  4 1 .  Syracus  fast  sprüchwörtlich  die  schönste 
Stadt  im  Alterthume,  Timaeus  in  Gic.  de  rep.  3,  31 ;  vgl.  Liv.  25, 24, 11. 

8. 

Non.  p.  157  M.  fr.  43  P.  Coelius  annali  libro  VI:  ConsuUo  non 
poMciens  arcessUum. 

Vor  seiner  üeberfahrt  nach  Afrika  550/204  h&lt  Scipio  Liv. 
29,  24,  5,  eine  Bede  an  seine  Soldaten,  in  der  er  entwickelt:  *nach- 
dem  er  so  oft  gerufen  worden  sei  von  Massinissa  29,  4;  28,  35; 
nun  von  Sjphaz,  sei  jetzt  der  Augenblick  gekommen,  da  er  nach 
Afrika  übersetzen  wolle'.    App.  Lib.  10;  Zon.  9,  12  p.  284  Dind. 

9. 

Non.  p.  176  M.  fr.  23  P.  Coelius  annali  libro  I:  iVjmum  malo 
pubUco  groHas  singukUm  namma(ri). 

Die  Zahl  des  Buches  zeigt,  dass  diese  Aufforderung  zum  Danke 
der  Geschichte  der  ersten  Eriegsjahre  entnonunen  ist;  der  Ausdruck 
*malum  publicum',  dass  dieselbe  römische  Angelegenheiten  be- 
handelt. Peter  und  eingehender  Gilbert  p.  368  haben  dieselbe  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  den  Senatsverhandlungen  zugewiesen,  die 
Liv.  22,  59;  60  unmittelbar  nach  der  Schlacht  bei  Cannae  statt- 
fanden. Nach  Liv.  c;  60  ^  wo  T.  Manlius  die  Verdienste  der  Mftnner 
preist,  die  sich  in  diesen  ünglückstagen  um  das  Vaterland  verdient 
gemacht  und  61,  14,  wo  der  Senat  officiell  dem  Consül  dankt,  quod 
de  republica  non  desperasset,  scheinen  die  Worte  einer  Bede  zu- 
zuweisen zu  sein,  ^welche  beantragte,  dass  in  einem  besonderen 
Senatsbeschluss  den  M&nnem,  die  sich  in  und  nach  der  Schlacht  bei 
Cannae  um  das  Vaterland  verdient  gemacht  hatten,  mit  namentlicher 
Bezeichnung  derselben  der  öffentliche  Dank  ausgesprochen  werde'. 
Ob  diese  Bede  die  des  Manlius  selber,  oder  von  einem  andern  Senator 
gehalten  ist,  ist  von  untergeordneter  Bedeutung. 


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Die  Fragmente  des  L.  C!oeliaB  Antipater.  13 

10. 

Non.  p.  205  M.  fr.  38  P.  Coelius  annali  libro  Y:  Äd  aUquain 
huie  hello  finem  facere. 

D^OL  Frieden  hat  das  römische  Volk  oft  gewünscht  im  Laufe 
des  Hannibalischen  Krieges.  Liy.  22,  34,  7  beklagt  sich  die  Plebs, 
um  den  Krieg  zu  beenden  gäbe  es  nur  Ein  Mittel,  einen  Consul  aus 
dem  Yolke  zu  wählen,  der  dessen  Interessen  wahre.  Bequem  passen 
die  Worte  zu  Liv.  27,  9,  5  (545/209),  woselbst  die  bis  dahin  treu 
ausharrenden  Latiner  der  endlosen  Kriegslasten  müde  werden  und 
drohend  Süssem,  Mer  Krieg  daure  zu  lang;  man  müsste  den  Bö- 
mem  neue  Gontingente  yerweigem,  um  so  dem  Kriege  ein  Ende  zu 
machen'* 

11. 

Non.  p.  280  M.  fr.  9  P.  Coelius  in  annalium  libro  I:  Legati  quo 
missi  su/iU  vemunt^  dedicant  mandata. 

Von  den  drei  Gesandtschaften,  die  zu  Beginn  des  Krieges  von 
Livius  berichtet  werden:  einer  saguntinischen  nach  Bom  mit  der  Bitte 
um  Hilfe  (21,  6,  2);  einer  römischen  an  Hannibal  6,  8,  die  diesen 
jedoch  nicht  antrifPt  c  9,  3;  imd  einer  zweiten  römischen,  die  nach 
der  Eroberung  Sagunts  in  Carthago  ein  Ultimatum  stellt,  passt  das 
Fragment  am  besten  auf  die  letzte.  Ueber  sie  drückt  sich  Livius 
c  18,  1  ähnlich  wie  Coelius  aus:  Bomani  postquam  Cartha- 
ginem  venernnt,  Q.  Fabius  nihil  ultra  quam  unnm  quod  man- 
datum  erat,  percunctatus  (est).  Vgl.  Pol.  3,  20,  9  in  demselben 
Zusammenhange:  7TapaT€V0|Li^vu)V  bk  Td»v  'Puijiiaiuiv  Kai  irap- 
€X8övTU)V  eic  tö  cuv^bpiov  kqi  biacacpouvTiwv  laOra,  bucxe- 
pujc  fiKOuov  o\  Kapxvi^<^vioi  ifjv  aKpeciv  tuiv  t^apaTelvo^^vu)v. 


12. 

Non.  p.  508  M.  fr.  7  P.  Coelius  annali  libro  I:  (kim  jure  sine 
periado  heUum  geri  poteratur. 

Diese  Worte  sind  zu  allgemein,  um  sie  sicher  unterbringen  zu 
können.  Vielleicht  sind  sie  ein  Bruchstück  aus  der  Bede  Hannos, 
der  Liy.  21,  10,  9  die  Carthager  fragt:  Varum  sind  wir  im  letzten 
Kriege  besiegt  worden?  Nur  weil  wir  die  Verträge  gebrochen  haben. 
Mit  dem  Bechte  auf  unserer  Seite  konnten  wir  den  Krieg  glücklich 
führen,  aber  eventus  belli  velut  accus  iudex  unde  ius  stabat  ei  vi- 
ctoiiam  dedit'. 

13. 

Non.  p.  508  M.  fr.  45  P.  Coelius  annali  übro  VTL:  Duos  ä  5Cp- 
tttognUa  Uctoris  dovmim  deportavisse  fasds,  qm  duäoribus  hostvum  ante 
soluernU  ferri. 

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14  Wilhelm  Sieglin: 

Geht  nach  der  VermnthTing  von  Nauta  p.  46  auf  Liy.  30,  28,  5 
zurück,  wo  dieser  erzählt,  vor  der  Entscheidungsschlacht  bei  Zama 
sei  den  Bömem  bang  geworden.  ^Scipio  werde  ein  Heer  zu  bekSm- 
pfen  haben,  perfusum  milliens  cruore  Romano,  exuvias  non  militum 
tantum,  sed  etiam  imperatorum  portantem.  Multos  occursuros  Sei- 
pioni  in  acie,  qui  praetores,  qui  consules  Bomanos  sua  manu  occi- 
dissent;  non  esse  hodie  tot  fasces  magistratibus  populi 
Bomani,  quot  captos  ex  caede  imperatorum  praeferre 
posset  Hannibal/  Drei  Consuln  waren  in  den  Kämpfen  mit 
Hannibal  gefallen,  Flaminius  Liy.  22, 6, 4;  Aemilius  Paulus  22, 49, 12; 
Marcellus  27,  27,  7;  ein  Proconsul  27,  1,  12;  ein  Prttor  22,  8,  1; 
einen  Proconsul  nahm  Hannibal  gefieuigen  25, 16,  24;  —  diese  hatten 
zusammen  66  Fasces  vor  sich  hergetragen;  es  fehlen  so  sechs.  Letz- 
tere kommen  auf  Rechnung  des  Gonsul  Crispinus,  dem  Liv.  27,  27,  8 
in  der  Schlacht  bei  Venusia  schwer  verwundet,  wie  er  war,  ein  Theil 
seiner  Lictoren  getödtet  oder  gefangen  wurde. 


Es  ergibt  sich,  dass  Nonius  das  ihm  vorliegende  Werk  des 
Goelius  immer  mit  einem  und  demselben  Namen  ^Annales'  bezeich- 
net, mit  Ausnahme  von  fr.  7  (46  P.),  das  er  statt  ^Goelius  annali' 
unter  ^Goelius  Antipater'  citiri  Letztere  Stelle  dürfte  darum  nach 
Peters  Vorschlag  geändert  werden.  Alle  von  Nonius  erwähnten  Er- 
eignisse lassen  sich  in  den  zweiten  punischen  Krieg  einfügen.  Bei 
einigen  musste  wegen  ihres  zu  allgemeinen  Gharakters  auf  eine  ge- 
nauere Bestimmung  verzichtet  wei*den;  aber  auch  bei  ihnen  hinderte 
wenigstens  nichts  die  Annahme,  dass  sie  einer  Geschichte  des 
punischen  Krieges  entnommen  sind,  ohne  dass  wir  uns  genöthigt 
sahen,  zu  diesem  Zweck  zur  Aufstellung  einer  Digression  die  Zu- 
flucht zu  nehmen.  Nonius  hat  offenbar  nur  Ein  W^k  des  Goelius 
vor  sich. 


n. 

Chariniu  überliefert  7  Fragmente. 

1. 

Ghar.  p.  54  K.  fr.  27  P.  Nucerum  enim  Goelius  dixit. 

Das  Fragment  findet  eine  passende  Stelle  in  Liv.  23,  19,  12, 
wo  die  Bömer  bei  der  Belagerung  von  Gasilinum  durch  Hannibal 
538/216  und  der  in  Folge  dessen  dort  ausgebrochenen  Hungersnoth 
als  letztes  Mittel  Haufen  von  Nüssen  in  den  Yoltumus  werfen,  damit 
sie  die  hungernden  Gasiliner  in  Netzen  auffe^ngen.  Diese  Erzählung 
wird  noch  Frontin  3,  14,  2;  Fest  p.  173,  5  M.  erwähnt. 


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Die  Fragmente  des  L.  Ooelins  Antipater.  15 


2. 

Cbar.  p.  143  K.  fr.  10  P.  Sagumimorum  CoeliuB,  SagwUiium 
SalluBtiaSy  at  Paulus  in  Coelii  historia  Ubro  I  notat. 

Bezüglich  der  Lesart  ist  zu  bemerken,  dass  statt  ^Saguntium' 
^Sagnntinuin'  zu  lesen  ist,  wie  auf  Münzen  und  Inschriften  ge- 
wöhnlich steht,  s.  WölfQin,  Antiochus  etc.  p.  37;  Hübner,  C.  J.  L.  H. 
p.  611b. 

3. 

Ghar.  p.  203  E.  fr.  15  P.  Coelius  historiarum  I:  Duodeciens 
c&Uena  müia  passuum  lange. 

Diese  Zahl  bestinunt  die  Meilenlftnge,  die  HannibaL  auf  seinem 
Marsche  von  Carthago  Nova  nach  Italien  durchzog;  vgL  Pol  3,  39, 11 
wer'  elvoi  Touc  irdvrac  ^k  Kaivf^c  tröXeiwc  cxabiouc  Trepi  iwa- 
KicxiXiouc,  oOc  £b€i  bieXOetv  auTÖv.  9000  Stadien  sind  =  1,125,000 
Schritt. 


Char.  p.  203  K,  fr.  12  P.  Coelius  historiarum  I:  Sempromus  Lüy- 
iHieo  cdocem  m  Africam  mittUy  visere  locum,  ubi  exercüum  exponat. 

Es  ist  die  Expedition  des  Consuls  Sempronius  nach  Afrika 
536/218,  die  freilich  nie  zur  Ausführung  kam.  Liv.  21,  17,  6; 
49 — 51;  Pol.  3,  41,  2;  App.  Jb.  14.  Auffallend  ist,  dass  diese  hier 
Yon  Coelius  erw&hnte  Massregel  von  keinem  der  uns  erhaltenen 
Schriftsteller  sonst  erwShnt  wird;  mit  dem  Berichte  des  Livius  steht 
sie  sogar  &8t  im  Gegensatz.  Es  geht  daraus  hervor,  dass  Livius 
seiner  Darstellung  der  sicilischen  Ereignisse  des  Jahres  536/218 
den  Coelius  nicht  zu  Grunde  gelegt  hat.  Pol.  3^  41,  2  deutet  den 
Yorüedl  von  weitem  an:  Ttß^pioc  ZefiTTpidvioc  eic  Aißuiiv  ^Karöv 
££if)KOVTa  CKdqpcct  ircvTTipiKOic  (dE^TrXei),  olc  oötu)c  KaxanXriKTiKCüc 
^TreßäXero  TToXeincTv  Ka\  TOiauiac  ^TroieiTo  Trapctaceuäc  dv  r(^ 
AtXußaiifi,  Trdvrac  Kai  iravraxöGev  dOpoiZuiv,  ibc  euOdiüc  ^k 
KardirXou  woXiopKificiwv  auTfjv  xfjv  Kapxn^<iva. 

Gilbert  erblickt  p.  420  imd  465  in  den  Worten  des  Coelius  wie  des 
Poljbius  *eine  tendenziös  gefärbte  Darstellung  der  überstürzten  und 
schliesslich  doch  resultatlosen  Zurüstungen  des  Sempronius'.  Dass 
die  Zurüstungen  des  Sempronius  sehr  energisch  und  mit  grosser 
Schnelligkeit  vollzogen  waren,  sagt  Polyhius,  dass  sie  aber  ^über- 
stürzt' gewesen  seien,  ist  neu.  Besultatlos  waren  sie;  doch  hiefür 
trifft  die  Schuld  nicht  Sempronius,  sondern  die  unvermuthete  An- 
kunft Haimibals  in  Italien,  und,  wenn  man  weiter  gehen  will,  den 
römischen  Senat.  Sollte  aber  Sempronius  ein  Vorwurf  dennoch 
treffen,  so  ist  ein  solcher  wenigstens  in  Poljbius  und  Coelius  nicht 
ausgedrückt. 

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16  Wilhelm  Sieglin: 


Char.  p.  217  E.  fr.  24  P.  Coelius  historiarum  I:  Commodum  est, 
satis  videtur.  Nee  enim  pro  ^sufficienti',  inquit  Paulus,  accipi  debet, 
sed  pro  *pari'  et  *  aequo'. 

Gilbert  übersetzt  p.  405  richtig:  ^Es  ist  einerseits  vortheilhaft, 
andrerseits  billig';  aber  die  Erklärung,  die  er  gibt,  ist  gezwungen. 
Er  legt  die  Worte  einer  Bede  des  Fabius  im  römischen  Senate  bei, 
^als  Formulirung  dessen  gemässigter,  vermittelnder  Forderung',  Han- 
nibals  Auslieferung  von  den  Carthagem  zu  verlangen.  Des  Fabius 
Ausdrucksweise  wäre  so  recht  schief;  auch  kennt  Livius  eine  ganze 
derartige  Bede  nicht.  Jedermann  wird  auf  die  Unterbringung  eines 
Wortes  verzichten  wollen,  das  unendlich  oft  gesprochen  werden 
konnte;  denn  welcher  Bedner  hält  nicht  seinen  Antrag  für  vortheil- 
haft  und  recht?  Das  naheliegendste  wäre  noch  das  Fragment  mit 
der  Bitte  des  M.  Junius,  Liv.  22,  59  in  Verbindung  zu  bringen,  der 
nach  der  Schlacht  bei  Cannae  im  römischen  Senat  beantragte,  die  von 
Hannibal  gefangenen  Bömer  loszukaufen,  und  dabei  sowohl  das  Vor- 
theilhafte  wie  das  Billige  eines  solchen  Schrittes  hervorhob.  Aber 
auch  dies  hat  keinen  Ausspruch  auf  Sicherheit;  es  hat  nur  für  sich,  dass 
der  in  Coelius  ausgedrückte  Gedanke  hier  wenigstens  überliefert  ist. 


Char.  p.  220  E.  fr.  60  P.  Submde  Nepos  de  illustribus  viris  11. 
Sed  et  Brutus  et  Coelius  frequenter  eo  usi  sunt 

üeber  die  Bedeutung  des  Wortes  ^subinde'  s.  Wölfflin,  Antiochus 
p.  84.  Brutus,  der  Epitomator  des  Coelius,  hat  dieselbe  vermuthlich 
letzterem  nachgeahmt. 


Char.  p.  126  K.  (fehlt  bei  Peter).  Dii  p.  die  sive  diei  lucan 
paulus  enim  libra  die  somniq.  pares  ubi  fecer.  h.  @ . . .  •  n  teils  arguit 

d 

diiq.  ut  sis  p.  legendum  ee  definit  itq.  in  coeU  bist.  lib.  I.  cum .... 
ere  dephendes. 

Um  die  Stelle  zu  erklären,  ist  Gell.  9,  14  zuzuziehen:  Sic 
pleraque  aetas  veterum  declinavit:  ^haec  facies,  huius  facies',  quod 
nunc  propter  rationem  grammaticam  ^faciei'  dicitur.  Corruptos 
autem  quosdam  libros  repperi,  in  quibus  ^faciei'  scriptum  est,  illo 
quod  ante  scriptum  erat,  obüterato.  Meminimus  etiam  in  Tiburti 
bibliotheca  invenire  nos  in  eodem  Claudii  libro  scriptum  utrum- 
que  'facies'  et  'facii'.  Sed  *facies'  in  ordinem  scriptum  foit 
et  contra  per  i  geminum  'facii',  neque  id  abesse  a  quadam  con- 
suetudine  prisca  existimavimus;  nam  et  ab  eo,  quod  est  'hie  dies' 
tarn  'huius  dies',  quam  'huius  dii',  et  ab  eo,  quod  est  'haec  fiames', 

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Die  Fragmente  dei  L.  Coelins  Antdpater.  17 

tarn  ^hnins  fiomis',  quam  ^hnius  fand'  dizerunt.  —  Quocirca  factum 
hercle  est,  nt  &cüe  his  credam,  qui  scripseront,  idiographum  librum 
Yergilii  se  inspexisse,  in  quo  iüi  scriptum  est: 

Libra  dies  somnique  pares  ubi  fecerit  horas 

id  est  *  libra  diei  somnique'.  Sed  sicut  hoc  in  loco  dies  a  Yergilio 
scriptum  yidetur,  ita  in  iUo  versu  [Aen.  1,  636]  non  dubium  est, 
quin  dii  scripserit  pro  diei: 

Munere  laetitiamque  dii, 

quod  imperitiores**Dei'legunt,  ab  insolentia  scilicet  vocis  istius  abhor- 
rentes.  Sic  autem  ^dies,  dii'  a  yeteribus  declinatum  est,  ut  ^fames, 
fami*,  *pemicies,  pemicii*,  ^progenies,  progenii',  Muxuries,  luxurii', 
^acies,  acii'.  —  Aut  *facies'  ergo  in  casu  patrio  aut  ^facii'  Quadrigarium 
scripsisse  existimandum  est;  ^facie'  autem  in  nullo  veteri  libro  scriptum 
repperi.  Ausser  der  getadelten  Lesart  *diei'  war  die  letztgenannte 
und  ebenfalls  zurückgewiesene  auf  *e',  d.  h.  *die'  an  unserer  Stelle 
sehr  häufig,  Prise  VIT,  p.  366;  367;  XYII,  p.  189;  Prob.  p.  3,  wozu 
noch  Seryius  zu  vergleichen  ist  zu  Aen.  1,  636.  So  schlage  ich 
vor  zu  lesen: 

Dii  pro  die  seu  diei  Lucanus.  Paulus  enim  in 

Libra  die  somnique  pares  ubi  fecerit  horas 

corruptmn  *die'  arguit,  *dii'que  aut  *dies'  potius  legendum  esse  de- 
finit,  idque  in  Coeli  historia  libro  I  eum  disserere  deprehendes. 

Dass  der  citirte  Vers  nicht  in  Lucan,  sondern  Verg.  Georg. 
1,  208  steht,  wird  nichts  zur  Sache  thun.  Die  Verwechselung  ge- 
schah vermuthlich  durch  das  ähnlich  klingende  Luc.  8,  467 

Tempus  erat,  quo  libra  pares  examinat  horas. 

Das  Wort  *dii'  wird  aber  ebenso  unter  die  Fragmente  des 
Coelius  zu  reihen  sein^  wie  ^subinde',  ^nucerum',  ^calvaria'  und 
andere. 


Abgesehen  von  den  beiden  letzten,  die  nur  aus  vereinzelten 
Worten  besianden,  Hessen  sich  alle  7  Fragmente  in  Coelius*  Bellum 
Punicum  einreihen.  Citirt  sind  5  unter  dem  Titel  ^Historiarum  lib.  I'; 
zwei,  fr.  1  und  6  (27  und  60  P.)  unter  'Coelius'.  Dreimal,  fr.  2,  ö,  7 
(10  und  24  P.)  verweist  Charisius  auf  Paulus,  den  Grammatiker  und 
Freund  des  Gellius,  und  ihm  wird  er  wohl  auch  die  übrigen  Frag- 
mente verdanken.  Er  nennt  das  Werk  'Historien',  nicht  'Annalen', 
wie  es  Nonius  gethan  hatte;  dies  aus  Willkür.  Seit  langer  Zeit 
waren  beide  Worte  so  gut  wie  gleichbedeutend  geworden  Serv.  ad 
Aen.  1,  373;  Gell.  5,  18  und  Krause,  Vitae  et  fragm.  vet.  Hist. 
Born.  p.  12  f.  Oft  genug  gebrauchen  die  Grammatiker  von  einem 
und  demselben  Werke  beide  Namen. 

Jfthrb.  t  oUu.  Phüol.  SuppL  Bd.  XI.  ^         /^  T 

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18  Wilhelm  Sieglin: 

m. 

PriBoiaxi  hat  11  Frasmente« 

1. 

Priac.  m,  p.  98  H.  fr.  22  P.  Coelius  in  L  historianun:  Dextu 
mos  in  dexkis  scida  wibet  habere. 

Nach  der  Schlacht  bei  Cannae  fordert  Sempronius  Tuditanus 
die  abgeschnittene  Besatzung  des  kleineren  römischen  Lagers  aof, 
sich  durch  die  nmherstreifenden  Carthager  durchzuschlagen  und  mit 
den  10,000  Mann,  die  im  grösseren  Lager  sich  befanden,  das  1000 
Schritte  entfernt,  auf  dem  jenseitigen  Ufer  lag,  sich  zu  vereinigen. 
Die  Römer  folgen  seiner  Mahnung:  links  sind  sie  durch  den  Fluss 
gedeckt,  rechts  Hranslatis  in  dextrum  scutis',  Liv.  22^  50,  11,  und 
so  entrinnen  sie. 

Dextimos  glaubt  Gilbert  p.  367,  habe  Superlativbedeutung,  ent- 
gegen den  Zeugnissen  von  Nonius  p.  94  M.:  dextima  pro  dextra, 
mit  folgendem  Beleg  aus  Yarro;  Fest.  p.  74  dextimum  et  sinistimum 
antiqui  dixerunt;  vgL  Sali.  lug.  100,  2  Sulla  cum  equitatu  apud  dexti- 
mos, in  sinistra  parte  A.  Manlius;  Stellen,  die  bekimden,  dass  dexti- 
mus  trotz  der  Form  dieselbe  Bedeutung  wie  dexter  hat.  Damit  nun, 
dass  dextimi  den  Süsser sten  rechten  Flügel  bedeute,  will  Gilbert 
eine  Differenz  des  Coelius  und  Livius  entdecken,  um  so  einen  weiteren 
Beweis  zu  bekonmien,  dass  letzterer  den  Coelius  in  der  ersten  Httlfbe 
der  dritten  Dekade  nur  wenig  benützt  habe. 

2. 

Prise.  VI,  p.  198  fr.  26  P.  Coelius:  NMae  nationi  tot  tantas  tarn 
continuas  Victorias  tarn  hrevi  spatio  datas  arhitror  Qtuun  vöbis. 

Nach  der  Niederwerfung  der  Eömer  bei  Cannae  wurde  Mago 
von  Hannibal  nach  Carthago  gesandt,  um  dem  dortigen  Senate  Be- 
richt über  den  bisherigen  Erfolg  des  Krieges  zu  erstatten.  Mago 
zählte  alle  Siege  seines  Bruders  auf  und  forderte  die  Carthager  auf, 
Liv.  23,  11,  12  pro  his  tantis  totque  victoriis  verum  esse 
grates  deis  immortalibus  agi  haberique. 

3. 

Prise.  VI,  p.  226  H.  fr.  37  P.  Coelius  in  Y:  NuUius  aUus  rei  nisi 
amcUuie  eorum  causa, 

Hannibal  erklttrt  den  Italem  zu  wiederholten  Malen,  dass  er 
nur  ihnen  zu  Liebe  und  um  sie  von  der  römischen  Herrschaft  zu  be- 
freien, nach  Italien  gekommen  sei;  nach  der  Schlacht  an  der  Trebia 
Pol.  3,  77,  6,  nac]^  der  Schlacht  am  Trasimener  See  PoL  3,  85,  4; 
nach  Cannae  Liy.  22,  58,  2  und  ofL     Aber  auch  die  Römer  lassen 


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Die  Fragmente  des  L.  Ooelioa  Antipater.  19 

es  ertönen.  Im  Jahre  542/212  versichern  sie  den  von  ihnen  be- 
lagerten nnd  hart  bedrängten  Syracusanem,  dieselben  brauchen  keine 
Furcht  zu  haben,  es  sei  nur  ein  Act  der  Freundschaft,  wenn  sie  ihre 
Stadt  belagern,  Liv.  25,  28,  7  Bomanis  causam  oppugnandi  Sjracusas 
fuisse  caritatem  Sjraoasanorum;  Shnlich  24,  33,  5;  und  so  finden  sich 
eine  Beihe  von  Stellen,  wo  das  Fragment  untergebracht  werden  kann. 


Prise.  Vni,  p.  383  H.  fr.  2  P.  Coelius:  Ex  scriptis  eorum  gm 
veri  arbüraniur,  passive,  UTToXajußdvovTai. 

Dies  Fragment  wird  seit  Nauta  p.  1 6  dem  Proömium  zugeschrieben, 
vgl.  Cic.  Or.  69,  230  (fr.  1  P.).  Coelius  erklärt,  er  wolle  bei  der  Ab- 
fassung seines  Werkes  schöpfen  *aus  den  Schriften  solcher  Männer, 
die  fOr  wahrheitsliebend  und  zuverlässig  gelten'. 

Nach  Gilbert  p.  377  u.  462  ^zeigen'  uns  die  vorliegenden 
Worte,  ^dass  Coelius'  Werk  weniger  auf  selbstständigen  Unter- 
suchungen beruht,  als  aus  Excerpten  aus  anderen  Darstellungen 
des  zweiten  punischen  Krieges,  d.  h.,  dass  er  eine  Verarbeitung  der 
ziemlich  zahlreichen  Werke  von  Zeii^enossen,  die  jenen  Krieg  be- 
handelten^  gab'.  Dass  dies  in  des  Coelius'  Worten  enthalten  sein 
soU,  habe  ich  nicht  finden  können. 


5. 

Prise!  Vm,  p.  386  H.  fr.  62  P,  Lucius  Coelius:  UM  senatus 
inURexü  populum  depecvXari. 

Peter  p.  CCXXXÜI  stösst  sich  daran,  dass  hier  allein  von  11 
FlÜlen  Priscian  dem  Coelius  den  Vornamen  zuweist;  hält  das  Frag- 
ment darum  für  unächt  und  schreibt  es  Lucius  Caesar  und  dessen 
Schrift  ^Auguralia'  zu.  Abgesehen  davon,  dass  L.  Caesar  selbst  in 
den  beiden  Malen,  da  er  von  Priscian  citirt  wird,  das  eine  Mal  mit, 
das  andere  ohne  Vornamen  genannt  wird,  die  Schwierigkeit  also 
nicht  gehoben,  nur  auf  diesen  übertragen  wird,  ist  es  bei  Priscian 
Überhaupt  Begel,  nach  Belieben  in  der  Benennung  der  von  ihm  er- 
wähnten Autoren  abzuwechseln,  nach  Belieben  oder  nach  Vorlage 
seiner  Quellen.  So  citirt  er  Cato  unter  ^M.  Cato'  auch  nur  einmal, 
Vn,  p.  293;  unter  'Cato'  dagegen  V,  p.  152;  182;  VI,  227;  264; 
vm,  383;  IX,  487;  X,  537  u.  ö.;  unter  'Cato  Censorius'  IV;  129. 
Ebenso  citirt  Priscian  den  L.  Cassius  Hemina  mit  dem  Vornamen 
nur  einmal  IX,  482;  unter  'Cassius  Emina'  VII,  347;  IX,  537;  XII, 
587;  unter  'Emina'  VH,  294;  unter  'Cassius'  VIII,  380.  Den 
Claudius  Quadrigarius  erwähnt  er  unter  'Quadrigarius'  X,  541 ;  unter 
'Claudius'  VI,  232;  VII,  347;  VIII,  484;  welche  Beispiele  genügen 
werden.  Ist  das  Fragment  aber  acht,  so  ist  mir  nur  Eiae  Steile  be- 
kaimt,  wo  es  untergebracht  werden  könnte.   Ich  vermuthe,  dass  von 

2* 

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20  Wühelm  Sieglin: 

den  pnblicani  Postomius  Pjrgensis  und  Pomponius  Yejentanus  die 
Bede  ist,  die  542/212  durch  ihre  grossartigen  Betrügereien  da« 
Volk  ausplünderten,  so  dass  der  Praetor  Aemilius  dem  Senat  dar- 
über Bericht  erstattete.  Der  Senat  sah  das  Unwesen  zwar  ein,  wagte 
jedoch  nicht,  energisch  aufzutreten,  Liy.  25,  3,  12. 


6. 

Prise.  VIII,  p.  399  H.  fr.  8  P.  Coelius  ia  I:  Qm  mteUegunt  quae 
fkmt,  dissentiunhir. 

Die  Worte  gehören  Verhandlungen  an;  vermuthlich  also  den 
Eriegsverhandlungen  des  Jahres  536/218  oder  den  Mlheren  Debatten 
des  carthagischen  Senats,  die  nach  Livius  über  Hannibals  militärische 
Ausbildung  in  demselben  stattfanden.  Auf  diesen  letzten  Fall  passen 
sie  am  besten,  Liv.  21,  3,  auf  die  Bede  Hannos,  der  den  Bath 
gab,  den  jungen  Hannibal  nicht  nach  Spanien  in  Hasdrubals  Lager 
gehen  zu  lassen,  sondern  ihn  in  Carthago  zurückzubehalten  und  ihn 
zu  lehren,  gleich  seinen  Altersgenossen,  wie  man  den  Gesetzen  ge- 
horche. Die  Verständigen,  die  einsahen,  was  kommen  werde,  hatten 
da  Hanno  zugestimmt  und  dem  Antrag  Hasdrubals  sich  widersetzt; 
Liy.  c.  4,  1  pauci  ac  forme  optimus  quisque  Hannoni  ad- 
sentiebantur,  sed  ut  plerumque  fit,  maior  pars  meliorem  vicit. 


7. 

Prisa  Vin,  p.  432  H.  fr.  36  P.  Coelius  in  V:  Morhostm  factum, 
tU  ea  qtMC  apartuermt,  facta  non  smt. 

Morbosus  ist  ein  seltenes  Wort  und  heisst,  wie  aus  Gell.  4,  2 
hervorgeht,  in  der  gewöhnlichen  Volksrede  ^mit  einem  Fehler  be- 
haftet'. Es  heisst  *krank',  Cato  de  r.  r.  2  extr.;  Varro  d.  r.  r.  2, 1, 21; 
Fest.  p.  139;  dagegen  in  übertragener  Bedeutung  ^schünmi',  *nnheil- 
Yoll'  Catull  57,  6;  Priap.  46,  2.  Diese  letztere  Bedeutung  hat  es  in 
unserem  Falle,  da  das  Fragment  sonst  einen  schiefen  Sinn  giebt  und 
in  der  abhängigen  Bede  das  Subject  schwer  ergänzt  wird.  Bei  den 
häufigen  Vorwürfen,  die  die  römische  Aristokratie  von  der  Plebs  hat 
hören  dürfen,  *für  ihre  langsame  und  energielose  Eriegsführung'  ist 
es  müssig,  Conjecturen  aufzustellen,  welchem  genaueren  Zusammen- 
hange unser  Fragment  nun  entnommen  ist 


8. 

Prise.  IX,  p.  484  H.  fr.  32  P.  Coelius  in  IUI:  Custodibus  dis- 
cessis  muUi  interficmniur. 

Auf  die  Erklärung  dieses  Fragments  muss  verzichtet  werden; 
der  Inhalt  derselben  'findet  sich  in  keinem  der  uns  erhaltenen  Schrift- 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Antipater.  21 

steller  des  Hanmb&üschen  Krieges.  Vermatlüich  sollte  die  üeber- 
nunpelnng  irgend  einer  italischen  Stadt  geschildert  werden;  man 
yergleiche  die  von  Tarent,  Liy.  25,  9,  15. 


9. 

Prise.  X,  p.  510  H.  fr.  6  P.  Coelius  in  I:  Qui  cum  is  Ua 
foedus  icistis. 

Ist  aus  der  Bede  Liv.  21,  18,  die  ein  gewisser  Hasdrubal  im 
carthagischen  Senate  hielt:  Yos  enim,  quod  C.  Lutatius  consul  primo 
nobiscnm  foedus  icit.  Vgl.  Wölfflin^  Antiochus  p.  34;  Weissen- 
bom  zu  Liy.  a.  a.  0. 

10. 

Prise,  xm,  p.  8  H.  fr.  3  P.  Coelius  in  I:  Neque  ipsi  eos  äUi 
modi  esse  atque  Ämücar  dixü  ostmdere  posstmt  älUer, 

Abermaliges  Bruchstück  aus  den  Hannonischen  Beden;  die  Mpsi' 
sind  die  Barcinen;  unter  ^eos'  sind  die  Bömer  gemeint. 


11. 

Prise,  xm,  p.  8  H.  fr.  4  P.  Coelius  in  I:  ÄfUequam  Barcha 
perierat,  ailU  rei  causa  in  Africam  missus. 

Trotz  Wölfflins  Ausführung,  Antiochus  p.  46,  halte  ich  mit 
Nauta  p.  21  daran  fest,  dass  mit  dem  Fragmente  Hannibal  gemeint 
ist,  nicht  HasdnibaL  Es  sollte  damit  Liv.  21,  1,  4,  wonach  der  neun- 
jährige Hannibid  mit  seinem  Vater  Hamilcar  nach  Spanien  gegangen 
war,  mit  einer  andern  Tradition  21,  3,  1  vermittelt  werden,  die  den 
mannbar  gewordenen  Hannibal  als  in  Carthago  aufgewachsen  voraus- 
setzt. Das  ünver^bare  dieser  beiden  Traditionen  hat  Wölfflin  selbst 
a.  a.  0.  nachge¥ne8en.  Wäre  Hasdrubal  mit  Beziehung  auf  Diodor 
25,  14  gemeint,  so  müsste  damit  eine  weit  ausführlichere  Vor- 
geschichte des  zweiten  punischen  Krieges  als  Einleitung  in  Coelius' 
erstem  Buche  vorausgesetzt  werden,  als  Livius  und  Dio-Zonaras 
bieten,  und  zu  einer  solchen  Annahme  haben  wir  keine  Veranlassung. 


Prisdan  nennt  meist  nur  das  Buch,  aus  dem  die  Fragmente 
genommen  sind,  nicht  den  Titel  des  Werkes;  an  einer  Stelle  gibt  er 
'Historiae'  als  denselben  an,  fr.  1  (22  P.).  Alle  Fragmente  bei 
Prisdan  behandeln  Ereignisse  des  zweiten  punischen  Krieges,  oder 
besser  zu  sagen,  da  einige  wegen  ihres  allgemeinen  Inhalts  nicht 
sicher  zu  erkl&ren  waren,  sie  legten  einer  Einsetzung  in  eine  Ge< 
schichte  dieses  Krieges  nichts  in  den  Weg.  Auch  Priscian  hat  offen- 
bar nur  Ein  Werk  des  Coelius  vor  sich. 


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22  Wilhelm  Sieglin: 

IV. 
Gtolliiu  hat  2  Fragmente. 


Gell.  10,  24,  6  fr.  25  P.  Suppeiit  etiam  Coelianum  iUud  ex 
libro  historiamim  secundo:  si  vis  mihi  eguitatum  dare,  et  ipse  cum 
cetero  exercOu  me  sequi,  dieguinti  Bomae  in  CapOölium  curäbo  tibi 
cena  sÜ  cocta.  Et  historiam  autem  et  verbum  hoc  sumpsit  Coelius 
ex  origine  M.  Catonis,  in  qua  ita  scriptum  est:  Igiiur  didatarem 
Carihoffimensittm  magister  equitum  monuit:  Mute  mecum  Eamam  egui- 
tatum', diequinti  in  Capitolio  tibi  cena  cocta  erit. 

Es  ist  das  bekannte  Wort  des  Maharbal,  als  dieser  unmittelbar 
nach  der  Schlacht  bei  Cannae  Hannibal  aufforderte,  stehenden  Fusses 
nach  Bom  zu  eilen  und  die  Stadt  im  ersten  Schrecken  zu  überrumpeln. 
Liv.  22,  51,  2:  immo  ut  quid  hac  pugna  sit  actum  scias,  die  qninto 
Victor  in  Capitolio  epulaberis.  sequere;  cum  equite,  ut 
prius  venisse  quam  venturum  sciant,  praecedam.'  Plut. 
Fab.  17;  Val.  Max.  9,  5  ext.  3;  Flor.  1,  22,  9;  Zon.  9,  1  extr.;  Sil. 
ItaL  10,  374;  Hist.  Mise.  3,  9. 

Diequinti  oder  diequinte,  sagt  Gellius  a.  a.  0.,  war  in  Giceros 
und  den  älteren  Zeiten  die  gewöhnliche  Ausdrucksweise  fttr  die 
quinto:  pleraque  omnis  yetustas  sie  locuta  est.  Gilbert  p.  383  in 
seltsamem  Widerspruch  mit  p.  389  ist  der  Ansicht,  Coelius  *yer- 
rathe  überhaupt  eine  entschieden  archaisirende  (!)  Tendenz' 
und  behalte  darum  *den  alterthümlichen  Ausdruck'  diequinte  ^ab- 
sichtlich' bei.  • 

2. 

Gell.  10,  1,  3  fr.  59  P.  Tertio  et  quarto  consul  non  tertium 
quartiumque,  idque  in  principio  libri  f  Coelium  scripsisse. 

Die  Zahl  ist  nach  ^libri'  ausgefallen;  doch  ist  dieselbe  nicht 
schwer  zu  bestimmen.  Im  Laufe  des  zweiten  punischen  Eiieges 
kommen  nur  einmal  zwei  Consuln  vor,  von  denen  der  eine  zum 
dritten,  der  andere  zum  vierten  Male  ihr  A.mt  bekleideten,  im  Jahre 
540/214.  Es  waren  Q.  Fabius  Maximus  lY.  und  M.  Claudius  Mar- 
cellus  in.  Da  nun  Coelius  das  erste  Buch  mit  Sagunt  536/218  be- 
gonnen und  dasselbe  bis  zur  Schlacht  bei  Cannae  538/^16  herab- 
geführt hat  (Prise.  III,  98  fr.  22  P.;  Non.  p.  176  fr.  23  P.);  im  An- 
fange des  zweiten  Buches  mit  den  Ereignissen  unmittelbar  nach  der 
Schlacht,  d.  h.  Sommer  536/216  fortfahr  (Gell.  10,  24,  6;  fr.  25  P.), 
so  kann  dasjenige  Buch,  mit  dem  Coelius  das  Jahr  540/214  beginnt, 
nur  das  dritte  sein.  Dieser  Schluss  ist  um  so  sicherer,  als  das  Ver- 
fahren des  Coelius  auf  diese  Weise  mit  dem  des  Livius  übereinstimmt. 
Livius  erzählt  in  Buch  XXII  nach  der  Schlacht  bei  Cannae  die  nn- 


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Die  Fragmente  des  L.  Coeline  Antipater.  23 

mittalbar  auf  die  Niederlage  folgenden  Ereignisse  anf  römischer 
Seite,  bricbt  dann  das  Buch  ab,  ftngt  Bnch  XXTTT  mit  den  gleich- 
zeitigen auf  carthagischer  Seite  an  und  endigt  dasselbe  mit  Herbst 
539/215  Liv.  23,  48,  4,  vgl.  Weissenbom  zu  24,  1.  1.  Es  entspricht 
aUo  Coeüus  lib.  I  —  Liy.  XXI  und  XXII;  Coel.  lib.  11  =  Liv.  XXIII. 
Coelius  war  nur  in  sofern  consequenter  denn  Livius,  als  er  den  vor- 
liegenden Vor&ll  als  in  das  carthagische  Lager  gehörig  in  Buch  n 
erzfthlte.        • 

V. 

*  Maorob.  Excerpt.  Bob.  p.  651  E.  fr.  16  P.  Coelius  in  primo:  lUis 
faciUus  est,  heUum  tradare;  hoc  est  diu  trahere. 

Entstammt  einer  Bede;  vermuthlich  einer  der  vielen  Eriegs- 
reden  zu  Eröffnung  des  Feldzuges,  speziell  einer  carthagischer  Seits 
gehaltenen.  Denn  die  Bömer  sind  es,  denen  es  leichter  fällt  vermöge 
ihrer  ausgezeichneten  und  ausgebildeten  Heeresorganisation  und  der 
ungeheuren  Menge  von  Beservetruppen,  einen  l&nger  dauernden  Krieg 
auBzuhalten,  als  die  Carthager,  wie  der  Erfolg  im  Hannibalischen 
Kriege  und  vorher  in  den  Kämpfen  um  Sicilien  bewiesen  hat.  In 
den  Beden  von  Hanno  finden  sich  zwar  von  diesem  Gedanken  keine 
Spuren,  wohl  aber  ein  dem  Fragment  ähnlicher  in  der  Bede  Hanni- 
bals  an  seine  Armee  vor  der  Schlacht  am  Ticin  Liv.  21,  44,  8.  Dort 
fahrt  Hannibal  aus:  ihren  Gegnern  stehen  für  den  Fall  einer  Nie- 
derlage gesicherter  Bückzug  und  neue  Hilfsmittel  zu  Gebot;  diese 
brauchen  darum  auf  keine  Entscheidung  zu  drängen:  illis  timidis  et 
ignavis  esse  licet;  sie  jedoch,  die  das  alles  nicht  haben,  haben  in 
der  konunenden  Schlacht  für  Leben  -und  Freiheit  zu  kämpfen.  So 
beziehen  wenigstens  das  Fragment  Peter  p.  151,  und  Weissenbom 
zu  Liv.  a.  a.  0. 

VI. 

Flav.  Caper  de  orthogr.  p.  100  K.  *Calva'  Kpdviov  vocatur,  licet 
Coelius  et  Varro  cäkariam  dicani 

Auch  von  Cn.  Gellius,  dem  Annalisten,  ist  überliefert,  dass  er 
das  Wort  gebrauchte,  Char.  p.  139  K.  s.  v.  osse:  Quamvis  GeUius 
libro  XXXm  dixerit:  Calvariaeque  eins  ipsum  ossum  expurgarunt 
inauraveruntque;  und  vielleicht  beziehen  sich  beide  Fragmente  — 
denn  schwerlich  wird  Coelius  in  Gellius  geändert  werden  müssen 
—  auf  dieselbe  Angelegenheit.  Des  Gellius  Worte  finden  sich  Liv. 
23,  24,  11  (538/216):  Postumius  (praetor  in  Gallia)  omni  vi  ne 
caperetur,  dimicans  oocubuit.  Spolia  corporis  caputque  praecisum 
dncis  Boi  ovantes  templo,  quod  sanctissimum  est  apud  eos,  intulere. 
Pnrgato  inde  capite,  ut  mos  iis  est,  calvam  auro  caelavere, 
idque  sacmm  vas  iis  erat,  quo  solemnibus  libarent,  poculumque 
idem  sacerdoti  esse  ac  templi  antistibus. 


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24  Wilhelm  Sieglin: 

Wir  haben  somit  nach  Ausscheidung  von  2  Fragmenten,  die  wir 
andern  Schriftstellern  zuweisen  mussten,  33  Fragmente  des  Coelias 
aus  6  Autoren  gewonnen,  die  sich  sSmmtlioh  auf  dessen  BeUum 
Punicum  zurückführen  Hessen«  Bei  einigen,  die  zu  sehr  aus  dem. 
Zusammenhang  herausgerissen  waren,  konnte,  wie  bemerkt,  nfiheree 
über  Zeit  und  Ort  nicht  mehr  bestimmt  werden;  bei  keinem  jedoch 
erfand  sich  der  Inhalt  als  unvereinbar  mit  der  Geschichte  des  Hanni- 
balischen  Krieges;  keines  gab  Veranlassung,  eine  Bigression  an- 
zunehmen. Diese  33  Fragmente  nöthigen  ein  einheitliches  Werk 
Yoräuszusetzen,  aus  dem  sie  alle  entnommen  sind. 

Ihnen  stehen  nun  gegenüber: 

I. 
PliniUB  mit  8  Fragmenten. 


Flin.  N.  H.  2,  67,  169  fr.  56  F.  Hanno  Carthaginis  potentia 
florente  circumvectus  a  Gadibus  ad  finem  Arabiae  navigationem 
eam  prodidit  scripto,  sicut  ad  extera  Europae  noscenda  missus  eodem 
tempore  Himilco.  Fraeterea  Nepos  Cornelius  auctor  est,  Etidoxium 
guendam  sua  aäate^  cum  Lathyrum  regem  fuger ä,  Äräbko  sinu  egressum 
Gades  usque  pervedum,  multoque  ante  cum  Coelius  Antipater  vidisse 
sc,  gui  navigasset  ex  Hispania  in  Äeihiapiam  commerm  gratia. 

lieber  die  Umschiffung  Afrikas  vergleiche  Fosidonius  bei  Strabo 
2,  3,  4  p.  99;  Fomp.Mela  3,  5,  9,  in  denen  die  hier  erwähnten  Fahr- 
ten fast  alle  erwähnt  sind.  Mari  Cap.  6,  621  nach  Plinius:  Coelius 
Antipater  se  hominem  vidisse  conflrmat,  qui  negotiationis  ardore  in 
Aethiopiam  ex  Hispania  navigasset. 


Flin.  3, 19, 132  fr.  13  F.  Alpes  in  longitudinem  ducenta  qumqtM- 
ginta  müia  passuum  patere  a  supero  mari  ad  inferum  Coelius  tradit, 
Timagines  viginti  quinque  müia  passwum  deductis;  in  latitudinem 
autem  Cornelius  Nepos  centum  müia;  T.  Livius  tria  müia  stadiorum, 
uterque  diversis  in  locis. 

Die  Zahl,  die  Coelius  angab,  ist  in  den  Handschriften  verschrie- 
ben; durch  eine  leichte  Umstellung  ist  ccL  cIo  zu  cIo  clo  —  der 
vierfachen  Höhe  —  geworden.  Strabo  6,  1,  3  p.  211  finden  wir 
das  richtige. 

Unser  Fragment  gibt  die  Entfernung  zwischen  Genua  und  Aqui- 
leja  an.  Man  kann  schwanken,  ob  das  Fragment  einem  Berichte 
über  Hannibals  Alpenübergange  und  einem  die  Geographie  dieses 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelius  Antipater.  26 

(Gebirges  betreffenden  Exourse  entnommen  ist,  oder  ob  es,  wie  bei 
Strabo  a.  a.  0.,  dnrch  die  Angabe  der  grössten  Breite  die  Grösse  von 
Gallia  Gisalpina  bestimmen  solL  Letztere  Beziehung  scheint  die 
wahrscheinlichere,  wenngleich  die  Frage,  losgelöst  wie  die  Worte 
sind,  nicht  entschieden  werden  kann.  Immerhin  ist  zuzugeben,  wenn 
sich  Coelius  durch  die  Expedition  Hannibals  veranlasst  fühlte,  die 
von  diesem  durchzogenen  Gegenden,  die  Länge  des  Wogs  und  die 
Schwierigkeiten,  die  zu  überwinden  waren,  zu  schildern  imd  zu  er- 
klftren,  so  war  bei  den  Aipen  eine  Angabe  über  deren  Breite  oder 
auch  deren  Höhe  zu  erwarten,  nicht  über  die  Entfernung  der  äusser- 
sten  Enden,  da  das  erstere  allein  für  Hannibal  in  Betracht  kam  und 
für  den  Leser  und  dessen  Verstftndniss  Bedeutung  hatte,  und  doch 
wird  gerade  für  diese  Breite  nicht  Coelius,  sondern  Nepos  und  eine 
nicht  erhaltene  Stelle  des  Livius  als  Beleg  angeführt.  Nehmen  wir 
gleichwohl  an,  Coelius  habe  beides  berichtet,  L&nge,  Höhe  und  Breite 
des  Gebirges,  mit  andern  Worten,  —  was  auch  die  gewöhnliche  An- 
nahme ist,  —  er  habe  eine  förmliche  Beschreibung  der  Alpen  ge- 
geben, so  würde  es  nahe  liegen,  dass  Plinius,  der  die  vorliegende 
Partie  des  Coelius  gelesen  hat  und  einmal  zu  Bathe  zieht,  dieselbe 
da,  wo  er  die  Aipen  und  ihre  Bewohner  schildert,  benützt,  im  Anfange 
seines  dritten  Buches.  Eine  Alpenbeschreibung  von  Seiten  des  Coelius 
wäre  eines  der  ältesten  und  schätzbarsten  Hilfsmittel  für  FUnius  ge- 
wesen. In  seltsamer  Inconsequenz  verschliesst  sich  jedoch  derselbe 
auch  an  dieser  Stelle  gegen  die  naheliegende  und  gekannte  Quelle; 
erst  zu  Ende  des  Buches,  da  Plinius  die  Aipen  bereits  verlassen  hat 
und  da  er  sich  anschickt,  die  Geographie  Oberitaliens  zu  geben, 
nimmt  er  den  Coelius  zur  Hand,  Brunn,  De  auctor.  indic.  Plinian.  p.  5. 
Auch  in  Livius  und  Cassius  Dio,  die  auf  Coelius'  Bellum  Punicum 
zurückgehen  und  die  beide  geographische  Beschreibungen  oft  genug 
ihren  Quellen  entnommen  haben,  —  auch  in  ihrer  Darstellung  von 
Hannibals  Alpenübergang  hat  sich  nicht  die  geringste  Spur  erhalten, 
dass  ihre  Quelle  in  eine  derartige  Digression  sich  ergangen  hat. 
Halten  wir  nun  diesem  Strabo  entgegen,  von  dem  wir  eine  Benützung 
des  Coelius  mehrfach  wahrnehmen  werden,  und  den  Zusammenhang, 
in  dem  Strabo  die  in  unserem  Fragmente  erhaltene  Zahlangabe 
brachte,  so  ergibt  sich  als  berechtigtere  Annahme,  dass  dieselbe 
nicht  Hannibals  Alpenübergang  ihren  Ursprung  zu  verdanken  hat, 
sondern  einer  Schilderung  Oberitaliens  entnommen  ist,  zumal  da  uns 
noch  durch  ein  Fragment  des  Coelius  selbst  bezeugt  ist  (fr.  31  P.  Serv. 
ad  Georg.  1,  77),  dass  dieser  eine  solche  Beschreibung  gegeben. 


3. 

Plin.  31j  2,  21  £r.  51  P.  Ctesias  tradit,  Siden  vocari  stagmm  in 
Indis,  m  quo  tUhü  innatet,  omnia  tnergantur;  Coelius  apud  nos  in 
Averno  etiam  folia  sUbsidere;  Yarro  aves^  quae  advolaverint,  emari. 

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26  Wilhelm  Sieglin: 

Die  Angabe  des  Ciesias  findet  sieb  noch  Diod.  2,  87,  7;  Antäg. 
Eist.  Mir.  146  p.  95  W.  (an  welchen  beiden  Stellen  die  Qnelle  CiXXa 
oder  CtXa  genannt  wird);  Isid.  Orig.  13, 13,  7  und  Sotion  Excerpt  3 
p.  183  W. 

Letzterer,  der  vielfach  Notizen  aus  Ctesias  überliefert,  beruft 
sich  auch  hier  ausdrücklich  auf  denselben,  obgleich  er  auffallender 
Weise  den  Vorgang  anders  erzfthlt:  Kf)f\vr\  dv  IvboTc,  fl  touc 
KoXujußoivrac  iix\  Tf|v  t^iv  dxßdXXei  ibc  ätt*  öpTcivou,  die  icTopci 
KTr)Ciac.  Es  ist  dies  desshalb  zu  erwl^inen,  w^  Sotion  an  einer 
andern  Stelle  28,  p.  188  auch  das  vorliegende  Fragment  des  Coelius 
wiedergibt,  gleichfalls  etwas  ausführlicher  und  darum  gleichfalls  nicht 
aus  Plinius  schöpfend.  Nur  nennt  er  den  Namen  des  Coelius  nicht 
A,  a.  0.  'Aoudpvöc  kri  XijlIVti  dv  IxaXiiji  Trepl  Koüjüiac,  elc  flv  rd  iK 
Tflc  irepvceijüidvTic  öXt|c  djiiirlTrTovTa  (puXXa  f\  Kdpqpri  dqpavfi  Tiverai, 
ßueiZöjLieva  TrapaxpfiiLia.  Der  ganze  Vorfall  ist  von  Coelius  aus  Ti- 
maeus  entlehnt  fr.  17  M.  (Antig.  H.  M.  152  p.  97  W.),  nur  dass  dessen 
Bericht  um  ein  wenig  harmloser  ist:  dKeivo  jüidvToi  \4.^ex  6  Ti|Liaioc, 
biÖTi  cuvbdvbpuiv  TÖTTUJV  dTTiKeijiidvuJv  aÖTiJ  (tQ  'AopviTi),  Kai  TTOXXdiV 
KXdbuiV  Kai  qpuXXujv  bid  rd  TTveu/iiaTa  tujv  jli^v  KaraKXuijLidvuJV 
Tujv  bk  dTToceiojLievuiV,  oübdv  cctiv  Ibciv  iix*  aörq  dcpecxTiKÖc,  dXXd 
biajLidveiv  KaSapdv.    VgL  Anon.  Mir.  ausc.  102  p.  32  W. 

4. 

Noch  ein  viertes  Mal  hat  Plinius  den  Coelius  nachweislich  be- 
nützt, in  Buch  XXXVI,  wie  die  Quellenangabe  zu  demselben  zeigt. 
Coelius  steht  dort  als  zweite  Quelle  aufgeführt,  er  wurde  also,  da 
ja  Plinius  seine  Quellen  in  derselben  Beihenfolge  aufzählt,  wie  er  sie 
benützt,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  fllr  die  Frage  von  Plinius  ver- 
wandt, ^Quis  primus  peregrino  marmore  columnas  habuerit  Bomae'. 

Von  diesen  4  Fallen  haben  drei  mit  dem  Hannibalischen  Kriege 
nichts  zu  thun;  bei  einem  musste  die  Beziehung  zweifelhaft  bleiben; 
aber  auch  für  dieses  ergab  sich  eine  höhere  Wahrscheinlichkeit,  dass 
es  ausserhalb  dieses  Zusammenhangs  seinen  Ursprung  zu  suchen  hat. 


n. 

Serviufl  und  die  sonatigen  Commentare  su  Virgil  mit 
9  Fragmenten. 


Serv.  ad  Aen.  3,  402  fr.  53  P.  Hie  iäa  duds  Mdiboei  parva 
Phüoctetae  suhmxa  Petüia  mwroj  Multi  ita  intelligunt,  non,  ^  Philo- 
ctetae  Petilia',  sed  *  Phüoctetae  muro';  nam  ait  Cato,  a  Phüocteta, 
candita  iam  pridem  civUate,  murum  tantum  factum.  Alii  ^subnixam' 
ideo  accipiunt,  quia  imposUa  est  excdso  muro,  ut  Coelius  historicus  ait. 


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Die  Fragmente  des  L.  CoelinB  Anüpater.  27 

Ist  einer  Beschreibung  der  Stadt  Petelia  in  Bmttium  entnonunen. 
Petelia  wird  im  Hannibalisclien  Kriege  einige  Male  erwähnt,  nie  je- 
doch seine  Befestigungsweise,  Liv.  23,  20,  4;  23,  30,  1;  27,  26,  5; 
PoL  7, 1;  3 ;  App.  Hann.  29 ;  57 ;  60.  Was  das  gleichzeitig  überlieferte 
Fragment  des  Cato  betrifft,  so  wird  dasselbe  von  allen  Herausgebern 
dem  dritten  Buche  der  Origines  —  nnde  qnaeque  civitas  orta  sit 
lialica  —  zugeschrieben,  nicht  dem  fünften,  dem  zweiten  punischen 
Kriege,  Jordan,  Catonis  quae  extant  p.  15,  fr.  3;  Peter  p.  71  fr.  70. 

ImpoHta  est  excdso  fmro']  vgl  Strab.  6,  1,  3  p.  254  lpu|Livf| 
b'  dCTlV. 


Serv.  ad  Aen.  4,  206  fr.  55  P.  Coelius  :Jlfauru«n  qui  juxta  Ocea- 
num  coUmt, 

Die  Mauren  und  Maurusier  werden  von  Livias  manchmal  ge- 
nannt 21,  22,  3;  23,  26,  11,  einmal  sogar  mit  der  Zufdgung,  dass 
sie  im  ftussersten  Westen  in  der  Nfihe  des  Oceans  wohnen,  Liv.  24, 
49,  5  Sjphax  cum  paucis  equitibus  in  Maurusios  ex  acie  Numidas 
—  extremi  prope  Oceanum  adversus  Gades  colunt  —  refugit,  ad- 
fluentibusque  ad  famam  eins  undique  barbaris  ingentes  prope  copias 
armavit.  Doch  kann  das  Fragment  ebenso  gut  mit  fr.  56  P.  Pliu. 
2,  67,  169  in  Verbindung  gebracht  werden,  wo  von  der  ümschiffung 
Afrikas  die  Bede  war.  Strabo  wenigstens,  der  2,  2,  4  p.  99  Cas. 
ausführlich  über  die  Möglichkeit  des  genannten  Unternehmens  redet, 
und  gleichfalls  von  einer  von  Cadix  aus  bewerkstelligten,  aber  un- 
freiwilligen ümschiffung  berichtet,  erzählt  i^abei,  wie  dieselbe  ent- 
standen. Die  Gaditanischen  Fischer,  sagt  er,  pflegen  der  Fischerei 
wegen  bis  an  die  Nordküste  Mauretaniens  zu  fahren;  einige  beherzte 
sogar  den  Ocean  entlang  bis  zum  Lixus,  Manche,  fügt  er  hinzu, 
haben  sich  selbst  über  diese  Grenze  noch  hinausgewagt,  so  das  er- 
wähnte Schiff.  Dieses  sei  nun  bei  dieser  Gelegenheit  von  einem 
Sturm  überrascht  und  in  langer  Irrfahrt  bis  Aethiopien  verschlagen 
worden.  Yermuthlich  war  eine  solche  von  ihm  selbst  oder  von  einem 
andern,  ganz  oder  nur  bis  in  den  Süden  Afrikas  gemachte  Irrfahrt 
der  Weg^  der  auch  dem  von  Coelius  erwtthnten  Kaufriann  zu  seinem 
kühnen  Entschlüsse  verhalf;  wie  hätte  er  sonst  die  Ausführbarkeit 
seines  Unternehmens  vernehmen  können?  Gab  nun  Coelius,  was  sehr 
wahrscheinlich  ist,  an,  wie  sein  Kaufmann  auf  die  Idee  gekommen, 
die  verrufenen  Pfa^e  zu  betreten,  so  musste  er  nothwendig  die  Mau- 
rasier  erwtimen,  die  *am  Ocean  wohnend'  die  Veranlassung  zu  der- 
selben gaben. 

3. 

S^rv.  ad  Aen.  4,  390  fr.  58  P.  Coelius  historiarum:  DeUnquere 
frumenkm^  Sarämiam  hostes  tenere. 

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28  Wilhelm  Sieglin: 

Das  Fragment  scbeint  einer  indirecten  Bede  zu  entstammen,  die 
aber  in  die  Zeit  des  zweiten  panischen  Krieges  schwer  einzufELgen 
ist  Es  werden  zwei  Missstände  aufgeführt,  es  fehle  an  Getreide, 
und  Sardinien  sei  von  den  Feinden  besetzt.  Ein  Römer  nun  kann 
die  Worte  nicht  wohl  gesprochen  haben;  Sardinien  war  20  Jahre  Yor 
Beginn  des  Krieges  römisch  geworden,  und  wurde  seitdem  —  von 
zwei  unbedeutenden  Flünderungszügen  abgesehen,  Liv.  23,  40 — 41 ; 
27,  6,  13  —  von  den  Carthagem  nicht  mehr  angegriffen,  geschweige 
erobert.  Auf  einen  Carthager  passen  die  Worte  um  nichts  besser; 
am  wenigsten  der  Anfang  derselben:  frumentum  delinquere.  Die 
ganze  nordwestliche  Küste  Libyens,  Afrika,  Numidien  und  Maure- 
tanien war  ja  im  Alterthum  von  ungewöhnlicher,  sprichwörtlicher 
Fruchtbarkeit,  ein  Land,  wo  der  Waizen  150&ltige  Frucht  trug  und 
zweimal  im  Jahre  geemfet  wui*de  (Plin.  15,  2,  8;  17,  5,  41;  18,  10, 
94;  Flut.  Caes.  55;  Tac.  Ann.  12,  43).  Eine  Hungersnoth  konnte  im 
carthagischen  Reiche  schwer  entstehen;  jedenfalls  ist  uns  von  keiner 
berichtet,  dass  wir  unser  Fragment  darauf  beziehen  könnten. 

Der  Verlust  Sardiniens  aber  —  Sardiniam  bestes  teuere  —  war 
im  Jahr  536/218  ein  sehr  altes  und  längst  verschmerztes  üebel;  er 
war  durch  die  Eroberung  Spaniens  zehnfach  aufgewogen. 

Wohl  zahlt  Polybius  1,  82,  6  unter  den  UnglücksftQlen,  die  die 
Carthager  während  des  Söldnerkrieges  im  Jahre  515/239  betroffen 
haben,  auf:  rdc  7TapaKO|LiiZo|Li^vac  dtopötc  ^k  tüüv  Trop*  auroic  Ka- 
Xouji^vuiv  *€|LiTrop(a)v,  iq>*  alc  eixov  xcic  jLietiCTac  ^Xirtbac  irepi 
T€  ttJc  Tpoqpfjc  Kai  tüüv  äXXuiv  ^TriTTibetujv  biaqpOapfivai  cuv^ßri 
Kaxd  GdXaxTav  öXocxepdic  öttö  X€iMWVoc;  aber  auf  diesen  Vorfall 
unser  Fragment  zu  beziehen,  wie  Gilbert  p.  406  will,  geht  nicht 
wohl  an,  trotzdem  dass  die  Insurrection  der  carthagischen  Söldner 
auf  Sardinien  gleichzeitig  begann  Pol.  1,  82,  7.  Dass  das  Fragment 
auf  den  Hannibalischen  Krieg  selbst  nicht  passt,  hat  Gilbert  ein- 
gesehen und  er  versucht  so  diesen  Ausweg,  um  demselben  in  einer 
die  Vorgeschichte  des  Krieges  umfassenden  Einleitung  gleichwohl 
Platz  in  Coelius'  Bellum  Punicum  zu  verschaffen.  Als  Einleitung 
zum  Hannibalischen  Kriege  eine  Geschichte  des  Söldnerkriegs 
vorauszusetzen,  ist  jedoch  misslich;  um  so  misslicher,  da  das  Frag- 
ment allem  Anschein  nach  einer  indirecten  Rede  entstammt,  —  denn 
an  einen  inf.  bist  ist  nicht  zu  denken,  —  die  zu  Hilfe  gerufene  Ein- 
leitung demnach  sehr  ausführlich  gedacht  werden  müsste.  Gilbert 
fasst  die  Worte  des  Polybius  viel  zu  einseitig  auf.  Der  Untergang 
einer  mit  Kriegsvorräthen  beladenen  Flotte  war  gewiss  ein  schmerz- 
licher Verlust  für  die  carthagische  Regierung;  aber  das  Beklagens- 
werthe  an  dem  ün&ll  war,  wie  aus  Polybius  hervorgeht,  nicht  sowohl 
der  dabei  zu  Grunde  gegangene  Proviant,  als  die  verlorene  Flotte 
und  die  Kriegsvorräthe.  Da  ein  Jahr  des  Misswachses  nicht  voraus- 
gegangen war,  war  der  Proviant  von  geringerer  Bedeutung  und  es 
hiesse  die  Mücke  zum  Elephanten  machen,  wenn  Coelius  davon  in 


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Die  Fragmente  des  L.  GoeliiiB  Antipater.  2d 

einer  Bede  Lärm  geschlagen  hätte.  Der  nächste  Verlauf  des  Söldner- 
kriegs zeigt  keine  auch  nur  irgend  bemerkbare  Lähmung  der  Ope- 
rationen, die  der  Verlust  zur  Folge  gehabt  hätte;  es  geht  daraus 
hervor,  dass  eben  ein  ^Mangel'  an  Getreide  zu  Carthago  im  Jahre 
515/239  nicht  existirt  hat  Dazu  kommt,  dass  die  Besetzung  Sar- 
diniens durch  die  Römer  keineswegs  gleichzeitig  mit  dem  Untergang 
der  carthagischen  Flotte  stattgefunden  hai  Denn  wer  sollte  unter 
den  ^hostes'  verstanden  sein?  unmöglich,  dies  wird  Jedermann  zu- 
geetehn,  carthagische  Söldner,  wenn  sie  auch  in  Empörung  gegen 
ihre  Begierung  begriffen  waren;  die  ^hostes'  können  nur  auswärtige 
Feinde,  Bömer  sein.  Mit  den  letzteren  standen  aber  im  genannten 
Jahre  keinerlei  Zwistigkeiten  in  Aussicht.  Im  Gegentheil:  die  Bömer 
imierstatzten  die  Oarthager  in  ihrem  Kampfe  durch  ausgesprochene 
Begünstigungen^  und  als  endlich  nach  zwei  Jahren  ein  Conflict  sich 
erhob,  der  durch  die  Wegnahme  Sardiniens  durch  die  Bömer  endete, 
ist  von  keinem  ^frumentum  delinquere'  mehr  die  Bede.  Aus  allen 
diesen  Gründen  ist  die  Gilbert'sehe  Hypothese,  auf  deren  Völlige 
Sicherheit'  der  Verfasser  selber  verzichtet,  zurückzuweisen,  obwohl 
sie  der  einzig  mögliche  Versuch  war,  das  Fragment  mit  der  Ge- 
schichte  des  Hannibalischen  Krieges  in  Verbindung  zu  bringen. 


4. 

Serv.  ad  Aen.  6,  9  fr.  54  P.  Coelius  enim  de  Cumano  ApoUine 
ait:  Est  in  fano  Signum  ÄpoUinis  ligneum  aUmn  non  minus  pedes  quinr 
dedm,  cuius  meminisse  putatur  Vergilius. 

Weder  der  Tempel  noch  das  Bild  des  Apollo  von  Oumae  wird 
in  irgend  einem  Schriftsteller  des  Hannibalischen  Krieges  erwähnt. 
—  Beschrieben  findet  sich  der  Tempel  Virg.  Aen.  6,  14 f.;  erbaut 
war  derselbe  von  Daedalus,  Virg.  a.  a.  0. 


Serv.  ad  Aen.  10,  145  fr.  52  P.  Coelius  Troiamim  Capyn  condi- 
disse  Capuam  tradidit,  eumque  fuisse  Äeneae  söbrmum, 

Coelius  stellt  sich  hier  in  Gegensatz  zu  Cato,  der  fr.  69  P. 
(VelL  1,  7,  2)  Capua  von  den  Tuskem  gegründet  sein  lässt  und  auch 
die  Zeit  der  Gründung  bedeutend  später  ansetzte  als  Coelius,  nämlich 
•260  Jahre  vor  der  Eroberung  durch  die  Bömer'  d.i.  283/471.  Ver- 
muthlich  hat  darum  Coelius  ausführlicher  über  seine  Ansicht  ge- 
sprochen und  sie  begründet.  Entlehnt  ist  dieselbe  von  Hecataeus 
fr.  27  M.  (Steph.  Byz.  p.  357  W.)  und  findet  sich  noch  bei  Ariaethus 
in  Dion.  H.  1,  49  p.  123:  xdc  xe  KoXouiii^vac  Kamiac  Alveiou  xe  Kai 
Tpiiuiv  dirÖKTiciv  cTvai,  KaTniac  dvojiiacGeicac  ditö  xoö  TpujiKoO 
KdiruDC.   X^t€xai  bt  xaOxa  fiXXoic  xe  Ka\  'ApiatGiii  TpotM^avri  xd 


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30  Wilhelm  Sieglin: 

'ApKabtKd;  Eustath.  zu  DioiL  Per.  357;  Suet.  Caes«  81;  Etym.  Magn. 
s.  V.  KaTTUTi  p.  490;  Verg.  a.  a.  0. 

6. 

Serv.  ad  Georg.  2,  197  £r.  35  P.  Item  Satori  locus  iuxta 
Tarentom,  quem  Coelius  in  V  libro  Historiarum  dicit  nomen  accepisse 
a  Saiwra  pueUa,  quam  Neptwnius  compressiL 

Auch  die  Stadt  Saturi  oder  Saturia  kommt  in  keiner  Darstellung 
des  Hannibalischen  Krieges  vor.  Die  hier  erwähnten  ^Historiae' 
können  schon  desshalb  wohl  nicht  identisch  mit  dem  Bellum  Punicum 
des  C!oeliu8  sein,  da  der  Abfall  von  Tarent  sich  in  den  früheren 
Büchern,  selbst  die  Wiedereroberung  der  Stadt  im  vorigen  Buche 
sich  abgespielt  hatte.  Mit  dem  Jahre  543/211,  dem  letzten  ver- 
geblichen Angriffe  Hannibals  auf  Tarent,  tritt  dasselbe  von  dem  Schau- 
platz der  Begebenheiten  ab;  und  in  Buch  IV  sind  die  Eriegsereignisse 
bis  zum  Jahre  544/210  hinabgeführt,  s.  p.  12.  Geändert  kann 
die  Zahl  V  nicht  werden,  da  unser  Fragment  auch  in  den  Schol. 
Bern,  ad  Georg.  2,  197  sich  findet,  wo  es  lautet:  Saturum  Coelins 
in  libro  quinto  historiarum  dicit  nomen  accepisse  a  Satura  puella, 
quam  Keptunus  compressit.  Es  wäre  auch  eine  eigenthümliche,  jeden 
Leser  ermüdende  Sitte  von  Seiten  des  Coelius,  wenn  er  bei  der 
Namensnennung  jeder  Stadt,  die  ihm  im  Laufe  des  Krieges  begegnete, 
deren  Etymologie  und  Gründungsgeschichte,  in  unserem  Falle,  wo 
es  sich  um  Tarent  handelt,  die  der  umliegenden  Städte  geben  wollte. 

7. 

Schol.  Veron.  ad  Aen.  5,  251  fr.  63  P.  Lucretius  in  11:  lam 
tibi  barbaricae  vestes  meliboeaque  fulgens  Purpura.  CoeUus:  Mean .... 
factum  Meandro  duplici ....  lana  est  qualis  a  Melibea . . . .  ut  velum .... 
Sic  alius  eum  errantem,  alius  ludentem  dicit.  An  potius  duo  opera 
Meandri  in  cblamjde  texta?   Placet  hoc  magis. 

Das  Fragment  ist  verstümmelt.  Aber  ich  denke,  das  ist  deutlich, 
dass  es  nichts  mit  dem  zweiten  punischen  Kriege  zu  thun  hat,  son- 
dern vom  Flusse  Mäander  handelt  und  seinem  gekrümmten -Laufe, 
der  gewissen  kunstvoll  verschlungenen  Zeichnungen  auf  bunten,  ge- 
stickten Gewändern  seinen  Namen  gab. 

8. 

Serv.  ad  Georg.  1,  77  fr.  31  P.  Dicit  (Virgilius)  frumenta 
serenda  non  esse.  Nam  licet  manu  legantur  et  sint  inter  legumina: 
viribus  tamen  frumentis  exaequantur.  Coelius  libro  tertio  seri 
avenam  ostendit 

Recht  ansprechend  ist  die  Erklärung  Gilberts  p.  388:  ^Der 
Hafer  war  ursprünnglich  nur  als  Unkraut  in  Italien  bekannt:  als 
solchen  erwähnt  ihn  Cato  r.  r.  37;  vgl.  Cic.  de  fin.  5,  30,  91;  Verg. 


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Die  Fragmente  des  L.  Ck)eliiia  Antipater.  81 

ecL  5,  37;  Georg.  1,  154;  namenüicb  Plin.  n.  h.  18,  17,  149.  Die 
Worte  den  Coelius  zeigen,  dass  diese  Getreideart  zu  Coelius'  Zeit  in 
Born  unbekannt  war  und  dass  Coelius  ihre  Verwendung  bespricht 
und  erklfirt.  Es  scheint  nun  der  Norden,  speciell  das  gallische  Gebiet 
zu  sein,  von  wo  die  Benutzung  des  Hafers,  wenigstens  als  Futter- 
kraut  nach  dem  eigentlichen  Italien  hin  sich  allm&hlich  verbreitet 
hat.  Nach  Plin.  18,  17, 149  sind  es  Germani  populi  (qui)  eamserunt 
neque  alia  pulte  vivunt.  Nach  demselben  18,  24,  205  sind  es  die 
Transpadani,  welche  in  Bezug  auf  linum,  avenam  und  papaver  eine 
bestimmte  Regel  in  der  Aussaat  beobachten.  Das  Fragment  des 
Coelius  scheint  darum  auf  die  gallischen  Gebiete  Norditaliens,  speciell 
auf  den  ager  Grallicus  bezogen  werden  zu  müssen',  und  ist  wohl  einer 
Darstellung  ^über  Land,  Volk  und  Sitten  dieser  Landschaft'  ent- 
nommen. —  Eine  solche  ist  nach  dem  Vorbilde  Catos  gemacht,  der  den 
gallischen  Weinbau  fr.  43,  Mohnbau  fr.  35,  die  gallische  Schweine- 
zucht fr.  39  geschildert  hatte,  den  gallischen  Volkscharakter  fr.  34. 


9. 

Fhilar.  ad  Georg.  2,  345  fr.  48  P.  Coelius  in  VII:  Consuetudine 
uxoriSy  indulffUate  liberum. 

Auf  die  Möglichkeit,  dieses  Fragment  mit  dem  zweiten  punischen 
Eiiege  in  Verbindung  zu  bringen^  haben  Nauta,  Green,  Meltzer,  Peter 
verzichtet.  Nauta  p.  49  bemerkt:  equidem  in  toto  hello  Punico  se- 
cundo  neminem  offendi,  qui  vel  ob  singularem  in  suos  pietatem  lauda- 
retur,  vel  quem  ista  causa  ab  reipublicae  bellique  curis  averteret,  Tel 
in  quem  alio  quocunque  modo  couTeniret  hoc  fragmentum;  und  Green 
p.  65  ruft  verzweifelnd  aus:  is  autem,  qui  probaliter  dixerit,  quorsum 
haec  Coelii  verba  referenda  sint^  erit  mihi  magnus  Apollo;  auch  wir 
müssen  uns  diesem  Verzicht  anschliessen. 

Gilbert  hat  p.  461  eine  Erklärung  gefunden.  Hannibal  soU  in 
Carthago  552/202  eine  Bede  gehalten  haben,  in  der  er  darlegte,  wie 
sein  Vater  der  consuetudo  uxoris,  der  indulgitas  liberum,  d.  h.  jedem 
Familienleben  und  Familienglück  entsagt  habe,  um  ausschliesslich 
dem  Vaterlande  zu  dienen;  dass  er  selbst  (Hannibal)  von  frühester 
Kindheit  an  in  das  Lagerleben  hineingezogen,  die  grössten  Thaten 
gethan;  dass  sein  Verdienst  also  wohl  unz weifelbar,  sein  Bath  also 
auch  beachtenswerth  sei;  und  hieran  habe  er  die  Aufforderung  ge- 
knüpft, unter  jeder  Bedingung  mit  Bom  Frieden  zu  schliessen.  Diese 
Bede  ist  natürlich  nirgends  überliefert,  sondern  von  Gilbert  selbst  ge- 
macht. Bei  der  Erfindung  derselben  hat  dieser  nur  vergessen,  dass 
Hamilkar  die  consuetudo  seiner  Gattin  so  sehr  genoss,  dass  er  3 
Söhne  und  mindestens  2  Töchter  zeugte;  der  Verzicht  auf  das  Zu- 
sammenleben mit  seinen  Kindern  bestand  aber  darin,  dass  er  diese 
bekanntlich  alle  —  von  vieren  wissen  wir  es  bestimmt  —  selbst 
nach  Spanien  mit  sich  nahm. 


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33  Wilhelm  Sieglin: 

m. 

SolinuB  mit  2  Fraermenten. 

1. 

SoUn.  2,  28  p.  42  M.  Coehns  Äeet€ie  tre$  ßias  dielt,  Af^iam, 
Medeam,  Circen.  Circen  Circeios  insedisse  numteSy  canmnum  mcLU- 
ficHs  varias  imaginum  fades  mentientem;  ÄnffUiam  vicina  Fucino 
occupavisse  ibique  salubri  scientia  adver sus  morhos  resistentem,  cwm 
dedisset  homines  vivere,  deam  habiiam;  Medeam  ab  lasone  Buthroti 
sepultam  fiUumque  (jus  Marsis  itnperasse. 

Ich  lese  mit  cod.  Par.  und  Bas.  ^Coelius'  statt  ^C.  Goelius'  oder 
*Caecilius\  H.  Peter  coi^jicirt  ^Cn.  Gellius',  was  aus  dem  Grunde  un- 
richtig ist,  weil  dieser  Historiker  im  Gegensatz  zu  dem  vorliegenden 
Fragment  die  Marser  mit  Marsjas,  dem  Führer  der  Ljder,  in 
etymologischen*  Zusammenhang  hringt  Plin.  3,  12,  108  (fr.  8). 
^Wahrscheinlich  hatte  der  archetypus  ^Coelius'  in  ^Caecilius'  ver- 
schrieben gehabt,  eine  Form,  welche  für  den  Namen  des  Goelius  in 
den  Citaten  der  verschiedenen  Schriftsteller  handschriftlich  fast  ebenso 
häufig  überliefert  ist,  als  der  richtige  Name  Caelius  oder  Goelios; 

hatte  den  Schreibfehler  corrigirt,  also  etwa  Gecilius  oder  Cecilius; 

und  so  sind  die  Lesarten  Gelius  (Goelius,  Gaelius),  Gecilius,  aber 
auch  G.  Gelius  und  daraus  G.  Gelius  resp.  Gaius  Gelius  (Goelius, 
Gaelius)  leicht  zu  erklären.  Monmisen  setzt  deshalb  auch  richtig 
Goelius:  nur  ist  das  von  ihm  gehaltene  G.,  wie  angedeutet,  als  ans 
dem  ersten  G.  des  ursprünglichen  Namens  Gecilius  entstanden  zu 
streichen'.  (Gilbert  p.  384).  Einen  Historiker  G.  Goelius  giebt  es 
nicht,  und  so  weisen  wir  das  Fragment  mit  Gilbert  Goelius  Anti- 
pater  zu. 

2. 

Solin.  1,  7  p.  7  M.  De  temporibus  urbis  conditae  ambiguitatum 
quaestiones  excitavit,  quod  quaedam  ibi  multo  ante  Bomulum  culta 
sint.  Quippe  aram  Hercules,  quam  voverat,  si  amissas  boves  rep- 
perisset,  punito  Gaco  patri  Inventori  dicavit.  Qui  Gacus  habitavit 
locum,  cui  Salinae  nomen  est:  ubi  Trigemina  nunc  porta.  Hie,  ut 
Gaelius  tradit,  cum  a  Tarchone  Tyrrheno^  ad  quem  Ugatus  venerat, 
missu  Marsyae  regis  socio  Megale  Phryge,  custodiae  foret  dahis, 
frustratus  vincula  et  unde  venerat  redux  praesidiis  amplioribus  oecu- 
pato  circa  VoUumum  et  Campaniam  regno^  dum  attrectare  etiam 
ea  audct^  quae  concesserant  in  Ärcadum  iura,  duce  Bereute  qui  tunc 
forte  aderat,  oppressus  est,  Megäten  Säbini  receperunt  disciplincun 
augurandi  ab  eo  docti.  Suo  guoque  nunUni  idem  Hercules  instituit 
aram,  quae  maxima  apud  pontifices  habetur,  cum  se  ex  Nicostrate^ 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Antipater.  33 

Eucmdri  matrey  guae  ä  vaticiinio  Carmentis  dida  est,  immortälem  com- 
pmssä.  Consae^tum  etiam  mtra  quod  rUus  sacrorum  facHs  hovicidüs 
docuU  PotiUos^  saceUum  HercuU  in  Boario  foro  est,  in  quo  argumenta 
ei  eofmvii  et  tnaiestatis  ipsius  rema/nent. 

Diese  sonderbare  DarsteUung  des  Cacus  nicht  als  Hirten,  son- 
dern als  König  findet  sich  einzig  noch  in  der  Cumanischen  Chronik, 
die  Hjperochus  herausgegeben  Fest.  p.  266,  und  Dion.  Hai.  1,  42. 

Die  Handschriften  haben  statt  ^Coelius'  ^Cellius'  und  ^Gellius'; 
doch  ist  nach  Strabo  5,  3,  3,  p.  230  ^Coelius'  zu  lesen,  wie  auch  die 
meisten- Ausgaben  thun.  Die  Strabostelle  lautet  im  Zusammenhange: 

AÖTTi  jüitv  ööv  f|  jLidXiCTa  TricTeuojLievTi  tfic  Td))i»ic  kticic  dcxiv. 
Sk\r\  bi  TIC  TipoT^pa  Kai  jiiueiübTic  'ApKabiirf|V  X^TOuca  T^v^cGai  Tf|v 
dTrciKiav  vrr'  €udvbpou.  TouTip  V  d7TiH€VUi0f]vai  töv  'HpaKX^a 
^Xauvovxa  xdc  rnpuövou  ßoöc.  TruOöjLievov  bk  tfic  jiiriTpöc  Niko- 
crpdTnc  TÖV  eöavbpov,  (eTvai  b'  aöröv  jiiavTiKfic  ?jLi7reipov),  Sri  ti& 
'HpaKXcT  7r€7rpuü|Li€Vov  ?iv  reXecavTi  toüc  fiGXouc  Geqj  T€V^c0ai,  cppdcai 
Te  Tipdc  TÖV  'HpoKX^a  raöra  Kai  Tdjüievoc  dvab€i2ai  Kai  öücai  Guciav 
'eXXriviKrjv,  fiv  Kai  vöv  fxi  (puXdTTccOai  tiö  'HpaKXeT.  Kai  8  y€  KoiXioc, 
6  TÄv  'Pujjiiadüv  cuTTpaq>€Üc,  toOto  xiGexai  CTijLieTov  tou  '€XXt|viköv 
clvai  KTicjüia  -rfjv  Tiü|lit|V,  tö  irap'  aurrl  Tf]v  TrdTpiov  Guciav  '6XXti- 
viKÖv  eTvai  tiu  ^HpaKXeT. 

Die  Handschriften  sind  auch  hier  ungenau  und  haben  itacistisch 
&  t^  KuXioc,  auch  6  K€kuXioc,  statt  6  t^  koiXioc;  doch  Hest  KoiXioc 
schon  Krämer,  Lachmann  (De  fönt.  Livii  I,  30,  A.  3)  und  Meineke. 
Die  Handschriften  des  Solinus  und  Strabo  stützen  sich  gegenseitig; 
wenn  gleich  in  beiden  verschrieben,  kann  nur  Coelius  resp.  KoiXioc 
der  ihnen  gemeinsame  Name  sein.  Schwegler,  K  G.  1,  80  conjicirt 
6  T*  'AkiXioc,  Veil  Coelius  Antipater,  der  sonst  gemeint  wäre,  nur 
eine  Geschichte  des  zweiten  punischen  Krieges  geschrieben  hat  und 
nicht  abzusehen  ist,  wie  er  hier  Veranlassung  zu  jener  Bemerkung 
gehabt  haben  soll.  Auch  hat  Coelius  lateinisch  geschrieben,  während 
Strftbo  nur  griechische  Quellen  citirt'.  Schweglers  erster  Grund 
bietet  keine  Veranlassung  zur  Aenderung,  da  wir  bis  jetzt  schon 
13  — 14  Fragmente  gefunden,  die  mit  dem  Hannibalischen  Kriege 
nichts  zu  thun  haben.  Sein  zweiter  ist  nicht  richtig:  14,  2,  25  p.  660; 
17,  1,  13  p.  791  citirt  Strabo  Cicero;  4,  1,  1  p.  177  Caesars  Bellum 
Gallicnm;  4,  3,  3  p.  193  Asinius  PoUio;  11,  13,  3  p.  523  Dellius; 
Strabo,  der  mehrere  Jahre  in  Bom  lebte,  konnte  das  Lateinische  keine 
Schwierigkeiten  machen.  Auch  drückt  dieser  sich  3,  4,  19  p.  166 
über  die  Benützung  römischer  Quellen  also  aus:  o\  bk  tüjv  TuijLiaiuuv 
cuTTpacpeic  juijaouvrai  \xkv  touc  "EXXnvac,  dXX'  ouk  im  ttoXu.  Ka\ 
ydp  fi  X^TOuci  Tiapd  toiv  *6XXt)Vuüv  jüieracp^pouciv,  il  iavxijjv  bk 
oö  TToXi)  jLifev  TTpocq)^povTai  TÖ  cpiXeibriiiov,  ujct'  ÖTröxav  fXXeiipic 
T^vnxai  Tiap'  dK€ivu)v,  ouk  ?cti  ttoXu  tö  dvairXnpoüiLievov  üttö  tujv 
^T^puiv.  Man  sieht,  ein  Misstrauen  hatte  Strabo  gegen  die  römischen 
Scriptoren  und  er  benützte  sie  gewiss  möglichst  wenig;  aber  sein 

Jtteb.  1  oUsi.  PhüoL  Snppl.  Bd.  XI.  S^^  ^^  GoOQIc 


34  Wilhelm  Sieglin: 

Misstrauen  richtete  sich  gegen  den  Inhalt  ihrer  Werke,  nicht  gegen. 
die  Sprache,  in  der  sie  schrieben.  Es  war  eben  für  gewöhnlich 
herzlich  wenig  Neues  in  ihnen  zu  finden.  Als  er  jedoch  bei  der 
Geographie  Italiens  an  die  Geschichte  Borns  kam,  war  er  natürlich 
gezwungen,  römische  Quellen  zu  gebrauchen.  Ob  sie  dann  lateinisch 
oder  griechisch  geschrieben  waren,  machte  ihm,  der  Jahre  lang  in 
Rom  lebte,  wenig  unterschied;  er  gebraucht  Fabius  (5,  3,  1  p.  288) 
so  gut  wie  Caesar,  Asinius  Pollio  und  hier  Coelius.  Dass  Strabo 
ausser  Fabius  keinen  einzigen  römischen  griechisch  schreibenden 
Autoren  citirt,  zeigt  am  evidentesten,  dass  wir  keinerlei  Berechtigung 
haben,  die  von  ihm  citirten  römisch  Schreibenden  in  gräcisirende 
zu  verwandeln. 


Die  so  gewoimenen  Fragmente  des  Strabo  und  Solinus  sind  ganz 
im  Einklänge  mit  den  Citaten  aus  Semus;  sie  behandeln  die  Urzeit 
Italiens  und  haben  wie  diese  die  Tendenz,  dasselbe  mit  Griechenland 
in  Verbindung  zu  bringen. 


IV. 

Anon.  de  dub.  nom.  p.  590  E.  fr.  61  P.    Salientes  aquarum  ge- 
neris  masculini  ut  Coelius  perpekmm  säUentem. 


V. 
Quintüian  mit  2  Fragmenten. 


Quint.  1,  5,  61.  Ne  in  V  quidem  atque  ^s'  litteras  elire  te- 
mere  masculina  Graeca  nomina  recto  casu  patiebantur,  ideoque  et 
apud  Coelium  legimus  Pdia  dncmnatus  et  apud  Messalam  hene  facit 
Euthia,  et  apud  Ciceronem  Hermagora,  ne  miremur  quod  ab  anti- 
quorum  plerisque  Aenea  et  ÄncMsa  sit  dictus. 

Ob  dieses- Fragment  Coelius  Antipater  zuzuweisen  ist,  oder  dem 
Redner  Coelius  Bufas,  muss  zweifelhaft  bleiben.  Für  den  letzteren 
spricht  die  Zusammenstellung  mit  Messala  und  Cicero  und  der  Um- 
stand, dass  Quintilian  Coelius  Bufus  auch  sonst  hftufig  erwähnt;  für 
Antipater  jedoch  die  Thatsache,  dass  dieser  nach  Sohn.  2,  28,  wie 
wir  gesehen  haben,  die  Geschichte  der  Medea  und  des  Jason  aus- 
führlicher behandelte,  in  welcher  ja  der  Name  Pelias  eine  Hauptrolle 
spielt.  Wir  dürfen  wohl  behaupten,  dass  Antipater  in  diesem  Theil 
seiner  Geschichte  eine  Erwähnung  des  Pelias  kaum  vermeiden  konnte. 
Dieser  Umstand  wäre  fast  entscheidend  zu  Gunsten  unseres  Histo- 
rikers; aber  ein  Zufall  wollte  es,  dass  ein  ähnliches  Moment  auch 

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Die  Fragmente  des  L.  Coelius  Antipater.  35 

bei  Bofos  eintritt  Sempronius  Atratinus  hatte  in  jenem  famosen 
Process  gegen  Eufds  letzteren  wegen  seines  Verhältnisses  zur  Clodia, 
die  er  verlassen,  den  ^polchellus  Jason'  genannt  (Cur.  Fortnnat.  A. 
Bh.  Schol.  p.  92  Cap.),  wie  Cicero  die  Clodia  *die  römischß  Medea' 
die  ^Palatina  Medea'.  Dass  Bufas  in  seiner  Antwort  höhnend  seine 
Bilder  gleichfalls  ans  der  Mythologie  hervorholte,  wissen  wir  ans 
Qnint.  8,  6,  53 ;  nnd  daes  er  die  Vergleichong  mit  Jason  in  beissen- 
dem  Spotte  aufgriff  und  seinen  Gegner  einen  ^Pelias'  nannte  und  ihm 
das  Schicksal  desselben  prophezeite,  ist  wenigstens  möglich;  H.Meyer 
hat  diese  Yermuthung  aufgestellt  Orat.  Bom.  Fragm.  p.  486.  So  ist 
es  nicht  zu  entscheiden^  wem  unser  Fragment  gehört,  wenngleich 
die  Wagschale  sich  mehr  zu  Antipater  zu  neigen  scheint.  Auffallend 
ist*,  dass  Quintilian,  der,  so  offc  er  Coelius  Bufus  erwähnt;  diesen  zur 
Unterscheidung  von  dem  bekannteren  Coelius,  unserem  Historiker, 
als  M.  Coelius  hervorhebt  (l,  6,  29;  4,  2,  27;  4,  2,  123;  6,  3,  39; 
6,  3,  41;  11,  1,5 1)  oder  wo  er  dies  unterlässt,  ausdrücklich  als 
Bedner  bezeichnet  (8,  6,  63;  9,  3,  58;  11,  1,  115;  12,  10,  11; 
12,  11,  6),  nirgends  jedoch  Zweideutigkeit  zulässt,  einzig  an  unserer 
und  an  der  folgenden  Stelle  eine  nähere  Bezeichnung  unterlässt.  Da 
Coelius  Bufas  bis  jetzt  (l,  5,  61)  noch  nicht  genannt  war,  Quintilian 
dagegen  kurz  vorher  den  Fabius  Pictor  (l,  6,  12)  Varro  de  in.  urb. 
Bom.  (ibid)  und  Sisenna  (l,  5,  13)  —  gleich&lls  aus  sprachlichen 
Gründen  —  erwähnt  hatte,  so  lag  es  dem  Leser  bei  Vorführung  des 
Namens  Coelius  und  bei  den  aus  diesem  vorgebrachten  Worten,  da  sie 
einen  geschichtlichen  Inhfilt  hatten,  näher  an  Coelius  den  Histo- 
riker zu  denken.  Wenn  aber  Quintilian  Coelius  den  Bedner  meinte, 
so  bleibt  es  unverständlich,  warum  er  gerade  hier  von  der  sonst 
streng  iimegehaltenen  Begel  abgewichen  und  einem  naheliegenden 
Missverständniss  Baum  gab.  Wie  wir  aus  den  Granunatikem  und 
Cicero  ersehen,  wurde  unter  ^Coelius'  kot'  iioxf\v  immer  Coelius  Anti- 
pater verstanden;  meinte  man  einen  andern,  wurde  es  hinzugefügt, 
ähnlich  wie  wir  unter  ^Cato'  zuerst  Cato  Censorius  verstehen,  unter 
Yarro  den  Beatinus  und  fast  nur  im  entgegengesetzten  Falle  ein 
ütioensis  oder  Atacinus  u.  s.  w.  hinzufügen.  Dürfen  wir  diesen  Um- 
stand premiren,  so  hätten  wir  eine  gewisse  Wahrseheinlichkeit  für 
Coelius  Antipater  gewonnen. 


2. 

Quini  1,  6,  42.  Neque  enim  tuburchinabtmdum  et  Jurchina-' 
Imndwm  iam  in  Bobis  quisquam  ferat,  licet  Cato  sit  auctor,  nee  hos 
lodiees  qnamquam  id  Pollioni  placet,  nee  gktdMa  atqui  Messala  dicit, 
nee  parridßMum  quod  in  Coelio  vix  tolerabile  videtur. 

Auch  bei  diesem  Fragment  ist  natürlich  zweifelhaft,  ob  Coelius 
Bufas  oder  Antipater  gemeint  isi  Es  theilt  vermuthlich  das  Schicksal 
des  vorigen  und  gehört  demselben  Autor  an. 

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36  Wilhelm  Sieglin: 

VI. 
Cicero  mit  5  Fragmenten. 


Cic.  Or.  69, 229  fr.  1  P.  Sed  magnam  exerdtationem  res  flagitat, 
ne  quid  eorum,  qui  genus  hoc  secaü  non  tenuenmt,  simile  fadamus, 
ne  aut  yerba  kaiiciamus  aperte,  quo  melius  aut  cadat  aut  volyatur 
oratio.  Quod  se  L.  Coelius  Antipater  in  prooemio  belli  Punici  nisi 
necessario  factumm  negat.  0  yirum  simplicem,  qui  nos  nihil  celet, 
sapientem,  qui  serviendum  necessitati  putel  Sed  hie  omnino  rudis; 
nobis  autem  in  scribendo  atque  dicendo  necessitatis  excusatio  non 
probatur;  nihil  est  enim  necesse,  et  si  quid  esset,  id  necesse  tarnen 
non  erat  confiteri.  Et  hie  quidem,  qui  hanc  a  Laelio,  ad  quem  scripsit, 
cui  se  purgat,  veniam  petit,  et  utitur  ea  traiectione  verborum  et 
nihilo  tarnen  aptius  explet  concluditque  sententias. 

Mit  dieser  Bemerkung  des  Coelius  über  seine  Schreibweise  ist 
zu  vergleichen  Fronte  p.  62  N.  Bari  admodum  yeterum  scriptonim 
in  eum  laborem  studiomque  et  periculum  industriosius  quaerendi 
sese  commisere.  —  Poetanun  multo  maxime  Ennius,  eumque  stndiose 
aemulatus  L.  Coelius. 


2. 

Cic.  De  diy.  1,  24,  48  fr.  34  P.  Hannibiüem  Coelius  scribit  cum 
columnam  auream,  quae  esset  in  f<mo  Imonis  Lacmiae,  auferre  veOet, 
dUbüaretque  utnm  ea  soUda  esset  an  extrinsecus  maurata,  pertere- 
bravisse,  eumque  solidam  invenisset^  statuisse  toUere;  ei  secundum  quietem 
visam  esse  lunanem  praedicere,  ne  id  faceret,  minarique  si  fedsset,  se 
curahuram,  tä  eum  quoque  ocuktm,  quo  bene  videret,  amitteret;  idque 
ab  hamine  acuta  non  esse  negledum.  Itaque  ex  eo  auro,  quod  extere- 
bratum  esset,  baculam  curasse  fadendam  et  eam  in  summa  cökmma 
cofüocavisse. 

Hannibals  Gelüste  nach  den  Schätzen  der  Juno  Lacinia  werden 
erzählt;  yergL  Liy.  24,  3,  6  und  28,  46,  16. 

3. 

Cic  De  diy.  1,  24,  49  fr.  11  P.  Hoc  item  in  Sileni,  qnem  Coelius 
sequitur,  Graeca  historia  est;  is  autem  diligentissime  res  Hannibalis 
persecutus  est:  Hannibalem,  cum  cepisset  Sagunium,  visum  esse  in 
somnis  a  love  in  deorum  concHium  vocari;  quo  cum  venisset,  lovem 
imperavisse,  ut  Italiae  bellum  inferret,  ducemque  ei  unum  e  concUio 
datum,  quo  iüum  ulentem  cum  exercUu  progredi  coqnsse;  tum  ei  ducem 
mum  praecepisse,  ne  re^nceret;  ißiim  autem  id  diuHus  facere  non  jpo- 
tuisse  elaiumque  cupidUcUe  respexisse;  km  visam  beluam  vastam  et 

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Die  Fragmente  des  L.  CoeliuB  Antipater.  37 

wumanf^m  circuMpUcaiam  serpmtibus,  guacunque  incederä,  omnia  ar- 
husia,  virguUap  teda  pervertere;  et  eum  admircUum  quaesisse  de  deo, 
guodnam  ülud  esset  täte  monstrum^  et  deum  respondisse^,  vasHtatem 
esse  ItaUae,  praecepisseque  ui  pergerä  protmus;  quid  retro  cUque  a 
tergo  fieret  ne  UAorarä. 

Der  berOlmite  Traum  Hannib&ls  beim  Ebroübergang  536/218, 
Idv.  21,  22,  6;  Zon.  2,  22  p.  238  D.;  Val.  Max.  1,  7  ext  1;  Sil.  Ital. 
3,  168 —  214;  Bist.  Mise.  3, 5.  Die  Zeitbestimmung^  die  Cicero  angibt 
(cnm  cepisset  Saguntnm),  ist  etwas  ungenau,  doch  nicht  verschieden 
Ton  der  des  Livius  und  Zonaras,  wie  WölfElin,  Antiochus  p.  27  an- 
nahm, da  Sagunts  Fall  und  der  Ebroübergang  Hannibals  zeitlich 
unmittelbar  aufeinanderfolgten,  nur  von  wenigen  Wochen  getrennt, 
vergl.  Sieglin,  die  Chronologie  der  Belagerung  von  Sagunt,  diss. 
inaug.  Leipzig  1878  p.  14;  34. 


4. 

die.  de  div.  1,  26,  55  fr.  49—50  P.  Omnes  hoc  historici,  Fabii, 
Gellii,  sed  proxume  Coelius:  Cum  heUo  Laiino  ludi  votivi  maximi  pri- 
mum  fierent,  cwitiis  ad  arma  repente  est  excitata,  itaque  ludis  inter- 
missis  iustaurcUivi  constUuti  sunt.  Qui  anteguam  fierent,  cumque  tarn 
populus  consedisset,  servus  per  circum,  cum  virgis  caederetur^  furcam 
ferens  ductus  est,  Exin  cuidam  rustieo  Bomano  dormienti  visus  est 
venire,  qui  diceret  praesulem  sihi  nan  placuisse  ludis;  idque  ab  eodem 
iussum  esse  eum  senatui  nuntiare;  ülum  tum  esse  ausum.  Iterum  esse 
idem  iussum  et  monitum,  ne  vim  siMm  experiri  veUet;  ne  tum  quidem 
eum  ausum,  Exin  fiUum  eius  esse  mortuum,  eandem  in  somnis  ad- 
momtianem  fuisse  tertiam.  Tum  idium  etiam  debilem  factum  rem  ad 
amicos  dehdisse,  quorum  de  sententia  ledicula  in  curiam  esse  delatum, 
cumque  senatui  somnium  enarravisset,  pedibtis  suis  sdtvum  domum 
revertisse.  Itaque  somnio  comprdbato  a  senatu  ludos  ülos  iterum  in- 
stauraios  memoriae  proditum  est.  C.  vero  Gracchus  multis  dixü, 
ut  scriptum  apud  eundem  Coelium  est,  sibi  in  somnis  quaesturam 
petefre  dubitajnti  Tiberium  fratrem  visum  esse  dicere,  quam  veUet 
cundaräur,  tamen  eodem  sibi  leto,  quo  ipse  ifUerisset,  esse  pereundum. 
Hoc,  antequam  tribunus  plehi  C,  Gracchus  factus  esset,  et  se  audisse 
scribit  Coelius  et  dixisse  muUis. 

Eine  Wundergeschichte  aus  dem  Latinerkrieg  264/490  wird  er- 
zShlt;  ihre  Glaubwürdigkeit  dargelegt  durch  eine  von  Coelius  selbst 
erlebte  Begebenheit,  üeber  dieselbe  s.  Mommsen,  Eh.  M.  f.  Ph.  XTV 
(1859)  p.  79  f;  Hermes  IV  (1870)  p.  1  — 26.  —  Hertz,  de  Hist.  Rom. 
EeL  Quaest,  Vratisl.  1871  p.  18  von  C.  F.  W.  Müller  N.  J.  f.  Ph. 
LXXXIX  p.  607  auf  die  genauere  Wiedergabe  von  Ciceros  Worten 
bei  Plutarch  aufmerksam  gemacht,  C.  Qracch.  c.  1.  cpeuTOVTt  iroicav 
dpx^iv  Kat  ^€9'  ficuxiac  f)pTm^V(fi  2;f)V,  schlftgt  vor  die  Lücke 
in  Ciceros  Text  grösser  anzunehmen  und  zu  lesen:  quaesturam  pete[re 


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38  Wilhelm  Sieglin: 

nolenti  et  vitam  tranquillam  qnaereJntL  C.  F.  W.  Müller  in  seiner 
kürzlich  erschienenen  Ausgabe  von  Cicero  vol.  IV  scheint  dies  über- 
sehen zu  baben. 


5. 

Cic.  De  div.  1,  3ö,  77  fr.  20  P.  Quid?  hello  Punico  secundo 
nenne  C.  Plaminius  consul  iterum  neglexit  signa  rerum  futuraruxn 
magna  cum  clade  reipublicae?  Qui  exercUu  ludrato  cum  Arretium 
versus  castra  movisset,  et  contra  Eamitbälem  legiones  duceret,  et  ipse 
et  equus  eius  ante  Signum  lovis  Statoris  sine  causa  rezente  concidit, 
nee  eam  rem  habuü  rdigioni,  obiecto  signo,  ut  peritis  videbatur,  ne 
commUteret  proelium.  Item,  cum  iripudio  auspicaretur,  puUarius  diem 
proelii  committendi  differehat.  Tum  Flaminii^  ex  eo  quaesivü,  si  ne 
postea  quidem  pulli  pascerentur,  quid  faciendum  censeret.  Cum  iUe 
quiescendum  respondisset,  Flaminius:  Praedara  vero  auspicia,  si  esti- 
rientibus  puUis  res  geri  poierU,  saturis  nihü  gereturi  Itaque  signa 
convdli  et  se  sequi  iussU.  Quo  tempore  cum  signifer  primi  hastaü 
Signum  non  posset  movere  hco  nee  qwicquam  proficeretur,  plures  cum 
accederent,  Flaminius  re  nuntiata  suo  more  neglexit.  Itaque  tribus  iis 
horis  concisus  exercitus,  atque  ipse  interfectus  est.  Magnum  illud  etiam 
quod  addidit  Coelius^  eo  tempore  ipso  cum  hoc  cälamüosum  proelium 
fieret,*  tantos  terrae  motus  in  Liguribus,  QaUia  compluribusque  instdis 
totaque  in  Italia  factos  esse,  wt  m/uUa  oppida  conruerint,  nrnltis  locis 
läbes  factae  sint  terraeque  desederint,  ftummaque  m  contrarias  partes 
fluxerM  atque  in  amnes  mare  influxerit. 

Die  Prodigien  vor  der  Schlacht  am  Trasimener  See  werden  von 
Cicero  noch  einmal  erwähnt  de  nat.  deor.  2, 3, 8  fr.  19  P.  C.Flaminium 
Coelius  religione  neglecta  cecidisse  apud  Trasumenum  scribit  cum 
magno  rei  publicae  yulnere;  vergl.  Liv.  22,  3, 11;  Plut.Fab.  3;  Flor. 
1,  22,  14;  Zon.  8,  25  p.  244  D.;  VaL  Max.  1,  6,  6;  Sü,  Ital.  5,  611; 
PHn.  N.  H.  2,  84,  200. 


Fassen  wir  einen  Bückblick  auf  die  letztvorgebrachten  22  Frag- 
mente, so  wurde  darin  behandelt: 

1)  Die  Frage  über  die  Möglichkeit  der  ümschiffong  A&ikas; 
Coelius  aufgeführt  neben  Hanno  und  Nepos. 

2)  Der  Umfang  Italiens.    Dessen  grösste  Breite  auf  der  Linie 
zwischen  Genua  und  Aquileja. 

3)  Beschreibung  des  Avemersees  und  seiner  Merkwürdigkeiten; 
neben  Varro  und  Etesias. 

4)  Beschreibung  von  Petelia;  neben  Catos  Origines. 

5)  Geographische  Lage  der  Maurusier. 
6^  War  nicht  zu  bestunmen. 

7)  Eine  Beschreibung  des  Apollotempels  zu  Cumaew 


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Die  Fragmente  des  L.  CoeliuB  Antipater.  39 

8^  Gründling  und  Etymologie  von  Capua. 
9)  Gründung  und  Etymologie  von  SaturL 

10)  Eine  ethnographische  Notiz. 

11)  Nachrichten  über  den  Feldbau  in  Gallia  Cisalpina. 

12)  Nicht  zu  bestimmen  (Liebe  einer  Gattin  und  ihrer  Kinder). 

13)  Der  König  Aeetes  und  seine  drei  Töchter,  mit  deren  Be- 
ziehungen zu  Italien. 

14^  Aelteste  Nachrichten  über  Born. 
15)  Aelteste  Nachrichten  über  Bom. 
16^  Eine  Quelle,  die  unversiegbar  sei 
17^  Bemerkung  über  Pelias. 
18^  Ein  Parricidium. 

19)  Hannibal  am  Tempel  der  Lacinischen  Juno. 

20)  Hannibals  Traum  beim  Ebroübergang. 

21)  Eine  Geschichte  aus  dem  Latinerkrieg  264/491  mit  an- 
gefügter Erzählung,  die  Coelius  selbst  erlebt 

22)  Die  Prodigien  Tor  der  Schlacht  am  Trasimener  See. 

Wir  hatten  oben  34  Fragmente  des  Coelius  gehabt,  die  wir 
theils  als  sicher,  theils  als  wahrscheinlich  in  den  zweiten  punischen 
Krieg  passend  haben  festsetzen  können;  jetzt  sind  es  deren  37,  denen 
jedoch  nicht  weniger  als  17,  oder  wenn  wir  die  beiden  Fragmente  in 
Quintilian  zuzfthlen,  19  gegenüberstehen,  die  in  keinem  Zusammen- 
hang mit  diesem  Kriege  standen.  Es  wird  schwer  Jemand  glauben, 
dasB  diese  17  resp.  19  Fragmente  sollten  alle  Digressionen  sein. 
Digressionen  sind  naturgemäss  in  jedem  Werke  etwas  vereinzeltes. 
Selbst  wenn  Coelius  mehr  als  andere  Autoren  sich  deren  erlaubt 
hfttte,  so  wäre  ei  ein  sonderbarer  Zufall,  wenn  ein  solch  gewaltiger 
Procentsatz  derselben  in  die  uns  überlieferten  Fragmente  sollte  ein- 
gedrungen sein;  sie  bildeten  ein  volles  Drittel.  Der  Zufall  wäre  um 
so  grösser,  da  wir  in  den  Fragmenten  aller  übrigen  Eüstoriker,  des 
Cato,  Piso,  des  Gellius,  des  Claudius  Quadrigarius,  Sisenna,  Valerius 
Antiae,  um  von  andern  zu  schweigen,  von  denen  wir  nur  wenige 
Fragmente  haben,  so  gut  wie  keine  Digressionen  entdecken  können. 
Die  Fragmente  des  Coelius  würden  deren  mehr  bieten  als  die  aller 
übrigen  zusanmien.  Bei  der  Mehrzahl  versteht  man  aber  die  Mög- 
lichkeit nicht,  wie  eine  Darstellung  des  zweiten  punischen  £[riegs  zu 
denselben  Veranlassung  geben  konnte,  besonders  zu  denen  bei  Plinius, 
bei  Strabo  und  Solinus,  mit  König  Aeetes,  mit  Hercules,  der  üm- 
schiflPong  Afrikas  u.  s.  w.,  die  nebenbei  auch  einen  Umfang  haben, 
der  über  das  gewöhnliche  Mass  hinausgeht  Etymologische  Notizen, 
wie  sie  Servius  zum  Theil  hat,  wären  denkbar,  aber  warum  ist  keine 
Spur  in  Livius  übergegamgen?  Etwas  gesichtet^  konnten  sie  Leben 
in  die  Darstellung  bringen,  und  Livius  ist,  wie  bereits  bemerkt, 
sonst  nicht  der  IKfann,  der  aus  seinen  Quellen  derartiges  streicht. 
Hier  hat  er  keine  einzige  aufgenommen. 


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40  Wilhelm  Sieglin: 

Schon  diese  Betrachtungen  zusammengenommen,  lassen  die 
Yermuthung  in  uns  aufsteigen,  <iass  wir  zwei  verschiedene  Werke 
des  Coelius  vor  uns  haben.  Nun  ist  aber  weiter  die  Erscheinung  zu 
fage  getreten,  dass  in  derselben  Art^  wie  wir  die  Fragmente  ihrem 
Inhalt  nach  zu  scheiden  haben,  diese  geschieden  in  unsem  Quellen 
bereits  überliefert  sind,  dass  unsere  Grammatiker  Nonius,  Charisius, 
Priscianus,  Gellius,  welche  Fragmente  brachten;  die  in  den  Hanni- 
balischen  Krieg  hineinpassten,  ausschliesslich  solche  brachten, 
keine,  bei  denen  eine  Digression  angenommen  werden  muss.  um- 
gekehrt war  es  mit  Servius,  Plinius  u.  s.  w.;  diese  hatten  nur 
solche,  die  nichts  mit  dem  Kriege  zu  thun  hatten :  Bei  einem  solchen 
Spiel  hört  der  Zufall  auf.  Einzig  Cicero  hatte  Fragmente  aus  beiden 
Werken.  Dieses  an  sich  auffallende  VerhSltniss  wird  bald  erklär- 
lich. Servius,  der  einen  Commentar  zu  einer  Art  Urgeschichte  Borns 
schreiben  wollte,  ihm  war  eine  Geschichte  des  zweiten  punischen 
Kriegs  keine  Quelle,  die  er  verwenden  konnte,  ebensowenig  Plinius, 
wenn  dieser  bei  der  Geographie  Italiens  und  ähnlichen  Disciplinen 
nach  Hilfsmitteln  sich  umsah,  oder  Solinus  und  Strabo.  Umgekehrt 
und  doch  nicht  anders  ist  es  mit  den  Grammatikern.  Auch  diese 
hielten  Auslese  bei  der  Benützung  der  literarischen  Produkte,  die 
ihnen  zu  Gebot  standen,  da  für  ihre  Zwecke  ihnen  meist  Ein  Werk 
eines  Schriftstellers  genügte,  um  dessen  Schreibweise  oder  die  seiner 
Zeit  zu  charakterisiren.  So  wird  Cato  De  re  rustica  von  den  Gramma- 
tikern nie  citirt,  denselben  Grammatikern,  die  aus  Gates  Origines  und 
Catos  Beden  Dutzende  von  Fragmenten  überliefern.  Der  vielgelesene 
Calpumius  Piso  wird  von  den  Grammatikern  so  gut  wie  ignorirt, 
einzig  Priscian  erwähnt  ihn  an  einer  einzigen  Stelle.  Bezeichnender 
noch  ist  Sisenna.  Dessen  Historien  werden  von  Nonius  nicht  ganz 
150  Mal  citirt,  von  Charisius  nicht;  umgekehrt  Sisennas  Milesia  von 
Charisius  4  Mal,  seine  Commentarii  Plautini  3  Mal,  während  Nonius 
die  beiden  letzten  Werke  nicht  kennt,  unverändert  zeigt  sich  unser 
Fall  bei  Butilius  Bufus,  dessen  Schrift  ^De  vita  sua'  wohl  von 
Charisius  und  Diomedes  benützt  ist,  während  dessen  Historien  kein 
Grammatiker  kennt.  Analoge  Fälle  lassen  sich  noch  genug  auf- 
zählen. Von  Coelius  werden  wir  später  zeigen,  dass  er  von  den 
gewonnenen  beiden  Werken  das  Bellum  Punicum  ziemlich  früher 
geschrieben  hat,  als  das  andere;  Grund  genug  für  die  Grammatiker, 
mit  dem  älteren  Werke  sich  zu  begnügen,  als  dem  sprachlich  wich- 
tigeren. 

Anders  endlich  als  diese  beiden  Kategorien  handelte  Cicero. 
Dessen  Zweck  war  in  seiner  Schrift  De  Divinatione  möglichst  viele 
Fälle  aus  der  römischen  Geschichte  aufzuzählen,  in  denen  die  Gott- 
heit sichtbar  den  Menschen  ihren  Willen  kundgegeben  und  sie  vor 
Unglück  gewarnt  habe.  Dafür  war  ihm  umfangreicheres  Material 
von  Nöthen,  und  so  zieht  er  ausser  dem  Bellum  Punicum  das  zweite 
Werk  des  Coelius  zu  Bathe,  das  die  älteste  Geschichte  Böms  behau- 


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Die  Fragmente  des  L.  GoelinB  Antipater.  41 

delte^  in  der  Wunderdinge  sieb  zahlreicher  ereigneten,  als  in  der 
sich  aofklSrenden  spStem  Periode,  tind  darum  branchbarer  war.  Er 
verwendet  es  neben  Fabius  Pictor  (l,  21,  43;  26,  55)  und  Gellius 
(1,  26,  55).  Diese  Benützung  von  zwei  Werken  des  Coelius  bezeugt 
Cicero  selbst,  indem  er  im  Juni  709/45  mit  der  Ab&ssung  von  De 
Divinatione  beschäftigt  an  Atticus  schrieb  (ad  A.  13,  8),  er  möge 
ihm  nach  Tusculom  die  ^epitome  Bruti  Coelianorum'  senden,  was 
doch  nur  heissen  kann  die  Epitome  des  Brutus  aus  den  Coeliana, 
den  Coelianischen  Werken.  Schon  dies  ist  eine  unzweideutige  Stütze 
für  unsere  Behauptung,  aber  wir  haben  noch  eine  zweite  Stelle.  Aus 
Cic  Or.  69,  229  (p.  36, 1)  sehen  wir,  dass  Coelius  das  Bellum  Punicum 
seinem  Freunde  Laelius  gewidmet  hat;  aus  De  Div.  1, 26, 56  (p.  37, 4) 
aber,  dass  Coelius  die  an  diesem  Orte  von  Cicero  erwähnte  Schrift  nach 
dem  Tode  des  C.  Gracchus,  nach  dem  Jahre  633/121  geschrieben.  Aus 
De  am.  27,  104  geht  endlich  hervor,  dass  Laelius  bald  nach  Scipios 
Tod  um  das  Jahr  626/128  gestorben  ist,  vgl.  auch  Lahmeier  z.  d.  St. 
Demnach  ist  die  Geschichte  des  Bellum  Punicum  nicht  identisch 
mit  dem  Werke,  in  dem  Coelius  den  Latinerkrieg  und  den  Tod  des 
Grachus  erzählte. 

Sehen  wir  uns  die  ausgeschiedenen  Fragmente  näher  an  und 
betrachten  wir  ihren  Lihalt,  so  zeigt  sich,  dass  alle  einen  einheit- 
lichen Charakter  tragen;  sie  bestehen  aus  italischen  Gründungs-  und 
StSdtesagen,  verbunden  mit  geographischen  Betrachtungen,  und  weisen 
darum  auf  ein  einheitliches  Werk  hin.  Dasselbe  ist  eine  Art  Origines 
und  da  sein  Titel  *  Historien'  ist  (in  der  älteren  Bedeutung;  wir 
werden  darauf  zurückkommen)  p.  36,  3;  p.  30,  6  und  wir  ein 
Fragment  haben,  das  im  Jahre  264/490  spielt,  so  vermuthen  wir 
weiter,  dass  es  wie  das  Catonische  Werk  eine  Geschichte  Boms  war, 
die  die  Urzeit  Gesammtitaliens  auf  breiter  Gruncilage  behandelnd 
auch  auf  spätere  Zeiten  sich  erstreckte.  Wie  weit  über  das  Jahr 
264^490  hinaus  Coelius  ging,  lässt  sich  nicht  bestimmen.  Aus  Cic. 
De  div.  1, 56  (p.  37, 4)  zu  schliessen,  dass  sein  Werk  noch  die  Gracchen- 
zeit  umfasst  habe,  wäre  übereilt  Ich  halte  fdr  wahrscheinlich,  dass 
die  Erzählung  von  Ti.  Gracchus  nur  ein  Beleg  sein  sollte  für  die 
Glaubwürdigkeit  des  erzählten  Wunders  aus  dem  Latinerkriege,  wie 
Coelius  die  Möglichkeit  der  ümschiffung  Afrikas  durch  Eigenerlebtes 
belegt,  Plin.  2,  67,  169  (p.  24,  1),  dass  das  Werk  vor  Beginn  des 
zweiten  punischen  Krieges  aufhörte,  sei  es,  dass  Coelius  durch  den 
Tod  verhindert  wurde,  sei  es,  dass  er  diesen  nicht  zum  zweiten  Male 
schreiben  wollte.  Bis  auf  den  Ständekampf  scheinen  die  Historien 
jedenfalls  sich  erstreckt  zu  haben.  Festus  citirt  s.  v.  topper  p.  352  M. 
eine  Stelle  aus  Coelius:  Coelius  lib.  VII:  ita  uti,  si  se  quisque  vobis 
studeat  aemulari  in  statu  reip.,  eadem  re  gesta,  topper  nihilo  minore 
negotio  acto,  gratia  minor  esset  Ein  siebentes  Buch  ist  von  den 
Historien  so  gut  bezeugt,  wie  vom  bellum  Punicum  (p.  31,  9). 
Im  Hannibalischen  Kriege  haben  wir  keinen  Fall,  weder  zu  Bom, 

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42  Wilhelm  Sieglin: 

noch  EU  Carthago,  auf  dem  die  Bede  passen  könnte;  Nauta,  Oroen, 
Meltzer  und  Peter  ^)  haben  darum  auf  die  Erklärung  auch  dieses 
Fragments  verzichtet  Auf  den  Stttndekampf  passt  es  vorzüglich,  be- 
sonders fllr  die  Zeit,  da  die  Plebejer  ihre  ersten  Aemter  bekleideten, 
aber  von  den  Patriciem  beständig  den  Vorwurf  hören  mussten,  dass 
ihre  Amtsführung  verkehrt  und  ungeschickt  sei.  Ein  anderes  Frag- 
ment bei  Festus  p.  181  fr.  64  P.:  Coejlius  histonarum  [libro  • . .  oonci-] 
tantur  ocissime,  ist  zu  verstümmelt,  um  benützt  zu  werden.  Von 
fr.  48  P.  PhiL  ad  Verg.  Oeorg.  2,  345  Co^us  in  VU:  oonsuetndine 
uxoris,  indulgitate  liberum,  wäre  es  ja  nicht  unmöglich,  da  es  nach 
der  Buchzahl  in  die  ältere  Bepublik  gehört,  dass  es  vielleicht  auf 
Coriolan  sich  bezöge,  Liv.  2, 40,  der  nur  durch  die  Thränen  von  seiner 
Gattin  und  seinen  Kindern  sich  bewegen  liess,  von  Born  abzuziehen. 
Fr.  58  P.  Serv.  ad  Aen.  4,  390  (p.  27,  3):  Ddinquere fnimentum, 
Sardiniam  hostes  tenere  ist  einzig  nicht  zu  erklären.  Ich  vermuthe,  dass 
^Sardiniam'  verdorben  ist,  denn  ich  weiss  keinen  Fall  in  der  Zeit  der 
ganzen  römischen  Bepublik ^  auf  den  die  Worte ^  wie  sie  lauten,  be- 
zogen werden  könnten;  sie  müssten  denn  den  alten  Kämpfen  der 
Etrurer  um  die  Insel  entnommen  sein,  was  ich  kaum  wage  anzu- 
nehmen. Ich  glaube,  wir  müssen  ändern.  Im  Jahre  262/492  und 
263/491  war  in  Bom  grosse  Hungersnoth,  Liv.  2,  34,  2;  34,  7; 
Coriolan,  der  dieselbe  zu  Gunsten  der  Patricier  ausnützen  wollte,  hatte 
in  die  Verbannung  gehen  müssen;  er  zog  nun  rachedürstend  an  der 
Spitze  der  Volsker  gegen  das  römische  Gebiet  und  nahm  die  wichtige 
Stadt  Satricum  weg,  das  südlichste  Bollwerk  Boms  Liv.  2,  39,  3.  Da- 
durch brachte  er  Bom  in  die  äusserste  Noth,  er  eroberte  eine  römische 
Feste  nach  der  andern  und  rückte  vor  die  Stadt  selbst.  SoUte  hierauf 
unser  Fragment  bezogen  werden  können?  Satricum,  verschrieben  in 
Sarticum,  die  Endung  wie  gewöhnlich  abgekürzt,  konnte  leicht  in 
Sardiniam  verändert  werden,  zumal  wenn  ein  Abschreiber  Satricum 
nicht  kannte,  und  so  hätten  wir  den  Angstruf  der  römischen  Plebs 
vor  den  heranziehenden  Volskem,  bei  der  Unfähigkeit,  sich  wegen  der 
herrschenden  Noth  zu  vertheidigen,  ausgedrückt:  firumentum  delin- 
quere,  Satricum  hostes  tenere.  Doch  mag  das  gerne  zweifelhaft  bleiben. 


^  Gilbert,  der  es  versteht,  alle  Fragmente  des  Goelius  dem  Hannibali- 
Bchen  Kriege  anzupassen,  versteht  dies  auch  hier.  Er  coi^icirt  4ta  uti' 
ne  si . . .',  statt  'esset'  'eit',  fasst  'uti'  nicht  als  Conjunction,  sondern  als 
Inf.,  legt  das  Wort  einem  Carthager  beim  Friedensschlüsse  552/202  in 
den  Mund,  der  um  milde  Bedingungen  bittet  und  übersetzt  (p.  460):  Ge- 
braucht fdas  Glück,  welches  auch  das  Schicksal  in  der  Besiegung  unserer 
Vaterstadt  zugeworfen  hat,]  so,  dass  jeder  Staat  Euer  Verfahren,  f welches 
Ihr  dem  Besiegten  zu  Theil  werden  lasset,  billigt  und]  sich  bestrebt, 
[dasselbe]  nachzuahmen,  damit,  wenn  ihm  einst  das  Glück  einen  gleichen, 
vielleicht  noch  grösseren  Erfolg  [Euch  gegenüber]  gewährt,  die  Gunst- 
erweisung,  [die  Milde,  die  Ihr  dann  erfiahrt]  eine  nicht  geringere  sei  [als 
-wie  Ihr  sie  uns  jetzt  zu  Theil  werden  lasset].  Die  Klammem  habe  ich 
zugesetzt;  ich  hielt  sie  fOr  den  eprechendsten  Gommentar. 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Antipater.  43 

Damit  haben  wir  genügendes  Material  bekommen,  um  auch 
einen  Einblick  in  die  Oekonomie  des  Werkes  thon  zu  können.  Im 
dritten  Buche  war  Oberitalien  (Oallia  Cisalpina)  behandelt,  s.  p. 
30,  8,  im  fünften  Tarent  und  ünteritalien  p.  30,  6,  im  siebenten 
die  Anfüge  des  Ständekampfes  p.  41.  Nach  der  Analogie  von 
Catos  Origines,  die  zuerst  die  Urgesqfiichte  Roms,  dann  die  Urge- 
schichte Italieiis,  in  derselben  zuerst  Oberitalien,  dann  Mittelitalien 
und  endlich  ünteritalien  behandelten''),  hierauf  zu  Rom  zurückkehrten 
und  die  Zeit  der  Republik  schilderten^),  wird  Coelius  in  Buch  I — 11 
Rom,  Buch  IQ — V  Italien  geschildert  haben,  und  zwar  in  III  Ober- 
italien, rv  Mittelitalien,  Y  Unteritalien,  um  in  Buch  VI  zur  römi- 
schen Bepublik  überzugehen,  die  er  in  Buch  YII  bis  auf  die  An- 
f&nge  des  St&ndekampfes  führte.  Vorausgeschickt  waren  dem  ganzen 
Werke  vexmuthlich  einige  geographische  Betrachtungen  über  Italien 
und  d^sen  Umfiäng,  wie  p.  24,  2  über  Cisalpina;  (ebenfEÜls  nach 
der  Analogie  Yon  Cato  fr.  38;  fr.  50  P.)  wie  es  scheint  auch  über  die 
Gestalt  der  Erde  überhaupt,  die  als  Scheibe,  umflossen  vom  Ocean, 
angenommen  wurde,  p.  24,  1. 

Die  Bestimmung  des  Titels  macht  einige  Schwierigkeiten,  da 
die  Alten  in  Wiedergabe  derselben  oft  ungenau  waren.  Werden  doch 
selbst  Gates  Origines  h&uflg  unter  anderen  Namen  wiedergegeben; 
heissen  'Historiae'  Nep.  Cato  3,  1;  Flut.  Cato  20,  4;  25,  1;  Serv. 
ad  Aen.  6,  842;  'Annalen'  Plin.  8,  5,  11;  Liv.  Per.  49  p.  54  L 
Doch  macht  die  Uebereinstimmung,  mit  der  die  Commentare  zu 
Yergil,  und  Festus  das  Werk  als  Historiae  bezeichnen,  wahrscheinlich, 
dass  dies  der  wirkliche  Titel  gewesen  ist,  mit  der  griechischen  Be- 
deutung von  'Forschungen',  'Untersuchungen'  über  die  alte  Zeit. 
Historien  in  der  späteren  Bedeutung  gab  es  damals  noch  nicht;  der 
Unterschied  zwischen  Chronik  und  pragmatischer  Zeitgeschichte  wurde 
noch  durch  'Annales'  und  'Res  gestae',  'Res  Romanae',  'Res  gestae 
Romanorum'  bezeichnet.  So  sagt  Sempronius  Asellio  im  Anfange 
seiner  pragmatischen  Greschichte  (GelL  5,  18,  8  fr.  1  P.):  Verum 
inter  eos  qui  annales  relinquere  Yoluissent  et  inter  eos,  qui  res  gestas 
a  Romanis  perscribere  conati  essent,  omnium  rerum  hoc  interfait: 
annales  libri  tantum  modo  quod  factum,  quoque  anno  gestum  sit,  ea 
demonetrabant  ita  quasi  qui  diarium  scribunt,  quam  Oraeci  lq>r)jLi€p(ba 
Yocant.  Nobifl  non  modo  satis  esse  video,  quod  factum  esset^  id  pro- 
nuntiare,  sed  etiam  quo  consilio,  quaque  ratione  gesta  essent,  demon- 
strare,  und  zeigt  dadurch  evident,  dass  ihm  'Historiae'  noch  nicht  in 
der  Bedeutung  bekannt  ist,  wie  sie  Gell.  5,  18;  Serv.  ad  Aen.  1,  373; 
Isid.  Orig.  1,  40,  1  und  andere  spftter  definiren.  Dass  dies  die  all- 
gemeine Anschauung  war^  zeigt  Clodius  Licinius,  der  seine  Geschichte, 


^  Dies  zeigen  die  Fragmente;  vergl.  Wagener,  M.  Forcii  Catonis 
Originum  fragm.  Bonn  1849  p.  8;  Peter  p.  CXXJLVnil;  Jordan  p.  XXXY. 
^  Nepos,  Cato  3,  3. 


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44  Wilhelm  Sieglin: 

die  mit  dem  Jahre  200  begami  ^Bes  Bomanae'  nicht  ^Historiae'  be- 
titelte (Liv.  29,  22,  10;  Noiu  p.  221 ;  p.  636  M.). 

Die  Abfassungszeit,  jedenfalls  von  Buch  VI  oder  YII  an,  er- 
folgte nach  Cic.  de  diy.  1,  26,  56  (p.  37,  4)  nach  dem  Tode  des  C. 
Oracchus,  nach  dem  Jahre  633/121. 

An  Quellen  hat  Coelius«  nachweislich  benützt  Fabius  (de  Diy. 
1,  26, 55).  Von  Cato  ist  es  zwar  nur  ftlr  das  Bellum  Punicum  bezeugt 
(Gell.  N.  A.  10,  24,  6),  doch  auch  für  die  Historien  wohl  selbstyer- 
ständlich;  und  es  scheint  sogar  manchmal,  als  habe  Coelius  Cato  direct 
Opposition  machen  wollen  (p.  29,  5 ;  p.  32, 1).  Auch  griechische  Quellen 
zog  er  zu  Bathe,  die  ihm  die  natürlichen  Hilfismitt«!  waren  bei  seiner 
ausgesprochenen  Tendenz,  in  den  italischen  Städten  griechische  Colo- 
nien  zu  erblicken,  so  Timaeus  (p.  26,  3)  und  Hecataeus  (p.  29,  5). 
Ob  Coelius  in  irgend  einem  Yerhftltniss  zur  Chronik  yon  Cumae 
stand,  mit  der  er  eine  ungewöhnliche  Aufstellung  tbeilt  (p.  33)  ist 
nich1>  ersichtlich,  doch  ist  eine  Einsicht  derselben  wohl  möglich. 

Benützt  wurden  die  Historien,  wie  die  Fragmente  zeigen,  yiel- 
fach.  In  älterer  Zeit  zeigt  sich  ihr  Einfluss  dadurch,  dass  bald  nach 
ihrem  Erscheinen  eine  Beihe  yon  Werken  erschienen,  in  denen  in  der- 
selben ungemein  ausführlichen  Weise  die  älteste  Zeit  Borns  behandelt 
war,  so  besonders  Cn.  Oellius  und  Valerius  Antias.  Im  dritten  Buche 
ist  Gellius  noch  mit  Bomulus  beschäftigt  (fr.  15  F.),  im  ftlnfzehnten 
mit  dem  gallischen  Brande  (fr.  25);  Yalerius  im  zweiten  mit  Numa 
(fr.  5;  6  F.).  Aus  dem  Verhältniss  ihres  ümfanges  zu  ihren  Vor- 
gängern Fiso  und  Cato  sieht  man  deutlich  die  Spuren  des  Mittel- 
gliedes, das  den  Stoff  zusammengetragen  und  den  Weg  geebnet. 

Aber  auch  in  der  Blüthezeit  der  römischen  Literatur  wurden 
die  Historien  des  Coelius  yiel  gelesen.  Brutus  machte  einen  Auszug 
aus  ihnen  (Cic.  ad  Att  13,  8;  yergl.  p.  41);  Strabo^),  Verrius 
Flaccus,  Cicero  benützten  sie,  wobei  letzterer  sie  auf  eine  Stufe  mit 
den  Annalen  des  Fabius  und  Gellins  stellt.  ^^)  Auch  Yirgil,  sagt 
Seryius,  soll  sie  zu  Bathe  gezogen  haben.  ^^)  Yon  Fronto,  der  den 
Coelius  so  hoch  schätzte,  ist  nicht  erkennbar,  ob  er  beide  Werke  des 
Coelius  las,  doch  wohl  bei  dieser  Sympathie  yorauszusetzen;  ebenso 
ist  es  mit  Quintiliän  nicht  sicher,  um  so  bestimmter  wissen  wir  es 
yon  Plinius,  Solinus,  und  Sotion,  der  ein  Fragment  yon  Coelius 
überliefert  (p.  26,  3),  wenn  auch  ohne  Namensnennung.  Auf- 
fidlender  Weise  erwähnt  Dionys  yon  Halicamass  Coelius  nicht,  ob- 
wohl man  es  yon  ihm  erwarten  durfte:  wer  mag  es  entscheiden,  ob 
dies  aus  Zufall  oder  Absicht  geschah?  Coelius  theilt  so  das  Schicksal 


*)  In  Strabo  finden  aich  Spuren  yon  Coelius,  ausser  dem  Citate  be- 
treffend Hercules  und  dessen  Verhältniss  zu  Rom,  bei  Gallia  Cisalpina 
Cp.  24,  2)  und  bei  Petelia  (p.  27,  1). 

^^)  Cic.  de  diy.  1,  26,  66:  Omnes  hoc  historici,  Fabii,  Gellii,  sed 
proxume  Coelius:  Cum  beÜo  Latino  etc. 

»)  Ad  Aen.  6,  9  (p.  29,  4), 


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Die  Fragmente  des  L.  CoeliiiB  Antipater.  45 

Ton  Casdns  Hemina,  von  Albinas  und  daudios  Qnadrigarias,  die 
Dionys  gleicbfaUa  nicht  anführt,  ohne  dass  wir  den  Grund  er- 
kennen kennen. 


Cap.  n, 

§1. 

Weitaus  den  meisten  Buhm  erntete  Coelius  mit  seinem  frtLheren 
Werke,  dem  Bellum  Punicum.  Coelius  Begabung  lag,  wie  die  Zeug- 
nisse der  Alten  schon  bekunden,  in  der  Bede;  ein  gelehrtes  Werk 
über  die  Gründungen  der  italischen  Stfidte  bot  klarer  Weise  einer 
Darstellung  nicht' deigenigen  B^um,  stilistische  und  rhetorische  Kunst 
zu  Migen,  wie  die  Darstellung  des  Hannibalischen  Krieges,  einer  Zeit, 
die  bereits  die  grossartigste  MachtentfiEÜtung  des  römisch -italischen 
Beiches  hervorgerufen  hatte  und  zudem,  weil  noch  fast  dem  lebenden 
Geschlechte  gehörig,  bis  in  die  Einzelheiten  bekannt  war.  Freilich 
^die  nagende  Zeit  und  die  Ungunst  des  Alters,  die  alles  zerstören', 
haben  auch  dieses  Werk  yemichtet;  schwache  Trümmer  sind  auf 
uns  gekommen  und  nur  ein  mühsamer  und  sporadischer  Einblick  ist 
una  in  die  ursprüngliche  Gestalt  desselben  gesiattet  Immerbin  sind 
wir  aber  günstiger  gestellt  als  bei  den  JSistorien,  da  zwei  uns  er- 
haltene Schriftsteller,  Livius  und  Dio-Zonoras  das  Bellum  Ponicum 
sicher  benutzt  haben  und  wir  in  ihnen  die  Spuren  dieser  Quelle 
häufig  ISngere  Zeit  verfolgen  können,  so  dass  bisweilen  sogar  Bück- 
blicke auf  die  Vorlage  mit  Erfolg  verstattet  sind. 

Was  zuerst  die  Oekonomie  des  Bellum  Punicum  betrifft,  so  ist 
dieselbe,  wie  bei  den  Historien  noch  zu  erkennen.  Wir  haben  zwar 
nur  wenig  Fragmente,  bei  denen  beides,  nicht  nur  der  Zusammen- 
hang, sondern  auch  die  Zahl  des  Buches,  aus  welchem  sie  entnommen 
sind,  über  dem  Zweifel  steht;  haben  aber  doch  folgende  Einzelheiten 
bestimmen  können: 

In  Buch  I  waren  Ereignisse  enthalten  aus  den  Jahren  536y218 
und  638/216,  s.  p.  15,  2;  15,  4;  p.  18,  1;  p.  12,  9. 

Buch  II  begann  mit  538/216,  den  Ereignissen  nach  der  Sohlacht 
bei  Cannae,  s.  p.  22,  1. 

Buch  m  begann  mit  dem  Jahre  540/214,  s.  p.  22,  2. 

Buch  nn  enthielt  die  Yerhandlungen  des  römischen  Senats 
über  Sjracus  54^10,  s.  p.  12,  7. 

Buch  Y  das  Jahr  545/209,  s.  p.  13,  10. 

Buch  VI  die  Landung  Scipios  in  Africa  550/204,  s.  p.  11, 6;  12, 8. 

Buch  YII  die  Gefangennahme  des  Königs  Syphax  551/203,  s. 
p.  9,  3  und  die  Ereignisse  vor  der  Schlacht  bei  Zama,  s.  p.  13,  13. 

Daraus  geht  ^e  ziemlich  gleichmässige  Yertheüung  des  Stoffes 
auf  alle  7  Bücher  hervor.  Nun  waren  die  Ereignisse  in  der  dritten 
Dekade  des  Livius  also  vertheilt: 


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46 


Wilhelm 

i  Sieglin: 

uc 

h     XXI  Tunfasste  die  Jahre 

)  686/218. 

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XXII 

V 

»» 

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637/217  —  688/216  med. 

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XXIII 

« 

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638/216  med.  —  239/216  extr. 

1> 

XXTV 

V 

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640/S14  — 641/213. 

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XXV 

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642/212. 

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« 

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« 

643/211  — 644/210  med. 

»1 

XXVIl 

J» 

« 

n 

644/210  med.  —  647/207  med. 

« 

xxvm 

tf 

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u 

547/207  med.  —  648/206. 

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XX3X 

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?» 

»> 

649/206  —  660/204. 

>? 

XXX 

»» 

w 

« 

661/203  —  662/202. 

Wir  sehen,  Livius  hat  die  Eintheilmig  des  Coelius  so  ziemlich 
heibehalten;  er  hat  aus  sieben  Bttchem  durch  Ausführung  des  Stoffes 
und  Zuziehung  von  neuem  Material  am  andern  Quellen  zehn  gemacht, 
indem  er  drei  verdoppelte  und  vier  unverftndert  liess.  Wir  erhalten 
mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  folgende  weitere  Einzelheiten^^): 

Coel.  Buch    I  —  Liv.  21— 22;  —  536/J21d  —  538/J216  med. 
„        „     n  ==  Liv.  23;  —  538/216  med.  —  639/215 
„in  —  Liv.  24—26;  —  54(>/^i4  — 642/212 
„         „    IV  —  Liv.  26—27,  7;  —  USßll  —  544/J^lO 
„        „      V  —  Liv.  27,  7— 28;  —  54Ö/J209—b^ßOe 
„         „    VI  =  Liv.  29;  —  649/206  —  550/^4 
„  Vn  =  Liv.  30;  -  551/203 --5521202. 

Diese  so  gewonnene  Eintheilung  der  Bücher  des  Coelius  ISsst 
sich  praktisch  verwenden  zur  Ernirung  der  Oekonomie  des  Cassins 
Dio  in  seiner  Geschichte  des  zweiten  pmdschen  Krieges,  der  nach 
Posners  ^')  Forschungen  Coelius  gleichfalls  als  Hauptquelle  benützt 
hat.  Dio  hatte  den  ersten  punischen  Krieg  im  elften  Buche  vollendet 
(fr.  43,  30— 32b);  behandelte  im  zwölften  die  Ereignisse  zwischen 
diesem  und  dem  Hannibalischen  Kriege  (fr.  43,  32  c— d),  mit  Buch 
Xin  begann  er  demnach  den  letzteren,  den  er  in  Buch  XVII  —  zu- 
sammen in  6  Büchern  —  beendete  (fr.  57,  78—80). 

üeber  Buch  XIV  des  Cassius  Dio  erfahren  wir  aus  den  Frag- 
menten selber  nichts;  es  wird  aber  ohne  Zweifel  da  begonnen  haben, 
wo  nach  Du  Cange  Buch  VIUI  seines  Excerptors  Zonaras  beginnt, 
mit  Frühjahr  638/216,  den  Ereignissen  unmittelbar  vor  der  Sohlacht 
bei  Cannae. 

Buch  XV  nun  behandelt  Ereignisse  aus  dem  Jahre  544/210 
fr.  57,  46  (—  Zon.  9,  6  p.  267,  10  D). 

Buch  XVI  war  bis  zu  dem  Jahre  648/206  herabgeführt,  fr.  67, 47 
(Zon.  9, 10,  p.  280,  1  D). 

Buch  XVII  bis  zum  Jahre  662/202,  fr.  67,  78  (Zon.  9,  14,  p. 
291,  29). 


^  Die  durch  die  Fragmente  direot  ermittelten  Zahlen  sind  durch 
den  Druck  gekennzeichnet.  .     ,   „     ^ 

Tando  U8U8 

yGoogk 


urucK  geKennzeicnnei;. 

^')  QuibuB  anctoribuB  in  hello  Hannibalico  enarrando  usus  Bit  Dio 
CassiuB.    Bonnae  1874. 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Antipater.  .47 

Stellen  wir  nun  diese  Daten  neben  die  des  Goeliiis,  so  erhalten 
wir  als  nngefthre  Eintheilnng  des  Cassius  Dio: 
DioXni  =  Coel.  1  in.— 1  med.=Liv.21— 22, 35;  536j218'-537l217 
„    XIV  =  CoeL  1  med.  —  2  =  Liv. 22, 36—23;  556?/5i5— 639/516 
„     XV  =  CoeL  3—4  =  Liv.  24—26;  640/214— 544/^m 
„    XVI  =  Coel.  6  =  Liv.  27—28;  6 A5ß09— 548/206. 
^  XVn  —  CoeL  6—7  =  Liv.  29— 36;  649/206-652/202. 

Mit  diesem  Resultate  stimmt  der  umfang  der  Epitome  des  Zo- 
naras  überein^  der  die  Jahre  613/241—636/219  auf  10  (Teubner'- 
sehen)  Seiten  behandelt,  die  Jahre  636/218—637/217  zwar  dadurch 
auf  17  bringt,  dass  er  in  sonst  ungewöhnlicher  Weise  die  römischen 
Prodigien,  den  Traum  Hannibals  am  Ebro,  und  zweimal  grössere  geo* 
graphische  Beschreibungen  ungekürzt  wiedergibt,  aber  die  Jahre: 
638/216—539/216  vollendet  er  wieder  auf  12  Seiten, 
540/214-54^210  auf  9  Seitin, 
546/209—548/206  auf  11  Seiten, 
549/205—662/202  auf  11  Seiten. 
Der  gleiche  üm&ng  in  der  Epitome  bestätigt  den  gleichen  um- 
£Emg  im  OriginaJL 

Cassius  Dio  hat  also  die  7  Bücher  des  Coelius  in  6  zusammen- 
gesogen; durch  die  weitläufige  AjisfÜhrung  der  Beden,  die  zu  Beginn 
des  Krieges  im  römischen  und  carthagischen  Senat  (fr.  66,  1 — 9; 
Zon.  8,  22  p.  236—237)  und  in  beiden  Kriegslagem  (fr.  67,  4—6; 
Zon.  8y  23  p.  240  u.  ö.)  gehalten  werden,  auch  wohl  durch  Aufriahme 
weiteren  Stoffes  durch  Zuziehung  mehrerer  Quellen,  vermochte  er 
im  Buch  XTU  die  Ereignisse  des  Jahres  538/216,  die  er  bei  Coelius 
noch  im  ersten  Buche  vorfand,  nicht  mehr  zu  bewftllägen;  iih  Fol- 
genden fiisste  er  sich  kürzer  und  holte  Coelius  schon  ein.  Für  den 
Best  des  Krieges  nahm  er  je  4  Jahre  in  einem  Buche  zusammen. 

Cassius  Dio,  wenigstens  in  Buch  XVI  und  XVH,  deren  Umfang 
durch  die  Fragmente  sicher  ist,  stützt  umgekehrt  wieder  die  von 
uns  aufgestellte  Einüieünng  des  Coelius,  und  so  wird  im  Ganzen  und 
Grossen  an  der  letzteren  schwerlich  viel  zu  ändern  sein.  Wir  haben 
uns  nur  noch  mit  den  Aufstellungen  Gilberts  a.  a.  0.  p.  367  ff.  aus- 
einander zu  setzen,  die  im  schroffsten  Gegensatze  zu  unsem  Besul- 
taten  sich  befinden.    Nach  Gilbert  war: 

Coel.  Buch    I  =«  Liv.  21—22;  636/218—538/216 

„     n  =  Liv.  23,  1  —  26,  40;  638/216  —  54^210 
„         „    III  —  Liv.  26,  41  —  27;  «44/210  —  547/207 
„         „    IV  =  Liv.  28,  1  —  38,  11;  547/207  —  648/206 
^         „      V  =  Liv.  28,  38,  12  -:-  29, 12;  549/205 
„         „    VI  -=  Liv.  29,  13  —  30,  6;  560/204  — 651/203  in. 
„         „  Vn  —  Liv.  30,  7  —  45;  561/203  in.  — 653/201. 
Es  enliiielten  so  nach  Gilbert  die  ersten  3  Bücher  die  ersten 
12  Kiiegsjahre,  und  waren«gleich  7  Büchern  des  Livius;  während 
umgekehrt  in  den  letzten  4  Büchern  5  Jahre,  nur  3  Büchern  des 

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48  Wilhelm  Sieglin: 

Livius  entsprechend  behandelt  waren.  Wlthrend  sich  factisch  in 
Coelius  eine  gleichmässige  Vertheilang  des  Stoffes  ergab,  ist  nach 
Gilbert  die  Anordnung  desselben  gftnzHch  verschoben;  die  erste 
Hälfte  des  Eiieges  ist  unyerhältnissmftssig  kurz,  die  zweite  nm  so 
ausführlicher  gedacht;  und  zwar  geschah  dies  zu  Gunsten  Scipios, 
von  dem  Gilbert  annimmt,  dass  ihn  und  seine  Thaten  vorzugsweise 
Coelius  in  seinem  Werke  habe  schildern  wollen,  während  fOr  die 
Thaten  Hannibals  und  für  den  ganzen  italischen  Kriegsschauplatz 
nur  eine  kurze  ^summarische  Darstellung'  beabsichtigt  war.  Die 
weitere  Folge  der  Gilbert' sehen  Aufstellungen  ist,  dass  Coelius  die 
Hauptquelle  für  die  erste  Hälfte  der  dritten  Dekade  des  Livius  nicht 
mehr  sein  kann,  da  ja  jetzt  dieser  den  nöthigen  Stoff  in  Coelius  nicht 
mehr  finden  konnte.  Wirklich  zieht  Gilbert  diese  weittragenden 
Consequenzen. 

Die  Beweise  aber  für  dieSe  auffollende  Neuerung,  die  wenn  sie 
richtig  ist,  alles  umstürzt,  was  wir  bisher  über  Coelius  und  sein 
Verhältniss  zu  den  späteren  Historikern  geglaubt  haben?  Ich  weiss 
nicht,  ob  es  verstattet  ist,  dass  der  Verfasser  einer  Abhandlung  den 
Gang  der  Untersuchung  unterbricht  und  von  den  Nebengedanken 
spricht,  die  ihn  beim  Niederschreiben  begleiteten;  ich  meinestheils 
gestehe,  dass  mich  ein  gewisses  peinliches  Gefühl  überkommt,  f^at 
ein  Gefühl  der  Verlegenheit,  da  ich  mich  anschicke,  die  ünhaltbarkeit 
der  Gilbert'schen  Hypothese  darzulegen.  Ich  suche  nach  den  Stütz- 
punkten Gilberts,  um  sie  herauszugreifen  und  zu  widerlegen; 
aber  es  will  mir  nicht  gelingen,  solche  zu  finden,  wo  ich  das  mit 
gutem  Gewissen  thun  kann.  Gilbert  hat  wohl  eine  Menge  Gründe, 
mit  denen  er  seine  Ansichten  zu  stützen  sucht;  aber  er  hat  die  eigen- 
thümliche  Gewohnheit,  vor  jedem  derselben  zu  erklären,  dass  er 
selbst  ihm  keinerlei  Beweiskraft  beilegen  wolle,  vielmehr  er  seine 
These  nur  als  möglich,  als  wahrscheinlich,  als  einen  Versuch,  als 
eine  solche  aufstelle,  gegen  welche  er  wenigstens  keinen  Gegen- 
beweis vorzubringen  vermöge;  hernach  aber  vergisst  er  die  Ein- 
leitung und  gebraucht  praktisch  die  These  als  feste  Basis,  die  ihm 
erlaubt,  Text  und  üeberlieferung  beliebig  zu  ändern,  wo  sich  Frag- 
mente finden,  die  nicht  mit  seiner  Aufstellung  übereinstimmen.  Bei 
jedem  der  Gilbert'schen  Argumente,  das  ich  herausgreifen  und  an- 
greifen will,  fürchte  ich  unter  diesen  ümst-änden  an  dem  Verfasser 
ein  unrecht  zu  begehen,  dass  ich  ihm,  der  selber  an  die  Beweiskraft 
des  von  ihm  Vorgebrachten  gar  nicht  glaubt,  fälschlich  und  willkürlich 
diesen  Glauben  unterschiebe,  und  dies  wäre  ein  grosses  Verbrechen. 

Ich  nehme  also  denjenigen  seiner  Gründe  heraus,  den  er  mit 
der  mildesten  Bescheidenheitsformel,  mit  einem  Venn'  einleitet,  und 
der  zugleich  sein  Hauptstützpunkt  ist,  die  Deutung,  die  er  fr.  30  P. 
gibt:  Coelius  Annali  libr.  III:  Imperator  conclamat  de  medio,  ut 
velites  in  sinistro  comu  removeantur^  Gallis  non  dubitatim  in- 
mittantur.  Gilbert  bezieht  das  Fragment  auf  die  Schlacht  bei  Senagallia 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Antipater.  49 

bUl^Ol.  Zwar  ist  von  Cod.  Leid.  Voss.  116  'libr.  Illl'^überüefert, 
und  bei  der  Güte  der  Handschrift  die  Zahl  darum  etwas  unsicher, 
dies  ignorirt  jedoch  Gilbert,  und  so  ist  für  ihn  mit  Einem  Schlage 
bewiesen,  dass  Coeüus  in  Buch  in  seine  Darstellung  bis  auf  das 
Jahr  547/207  herabgeführt  hat,  und  zwar  obgleich  in  keinem  der 
OBS  erhaltenen  Berichte  von  der  Schlacht  eine  solche  Scene  über- 
liefert ist,  wie  sie  die  Worte  des  Coelius  enthalten.  Wir  haben 
p.  10,  5  gezeigt,  dass  die  Möglichkeit,  dass  eine  solche  Begebenheit 
eintreten  konnte,  bei  Senagallia  vielleicht  vorhanden  war,  obwohl 
das  factische  Eintreten  derselben  aus  mehreren  Gründen  sich  als 
unwahrscheinlich  ergab;  jedenfisklls,  —  was  die  Hauptsache  ist,  — 
nach  unsem  Berichten  ist  sie  nicht  eingetreten.  Wohl  aber  tritt  die 
Möglichkeit y  dass  der  erwähnte  Vorfall  sich  ereignete,  in  vielen 
andern  Schlachten  zu  Tage,  in  allen  Kämpfen  mit  den  Galliern,  be- 
sonders Liv.  23,  24,  8;  Pol.  3,  118,  6;  dann  aber  auch  in  sämmt- 
lichen  Schlachten  der  Römer  mit  Hannibal,  in  welchen  dessen  gallische 
Httlfsvölker  nicht  auf  dem  rechten  Flügel  standen;  thatsächlich  finden 
sich  dem  Fragmente  ähnliche  Momente  Liv.  27,  12;  Flut.  Marc.  25; 
Liv.  27,  42;  23,  29  u.  ö.  H.  Peter,  der  die  von  Gilbert  aufge- 
nommene Beziehung  des  Fragments  angeregt  hat,  ist  Angesichts 
dieser  Umstände  so  vorsichtig,  dieselbe  mit  einem  'nescio  an'  einzu- 
kleiden; auch  so  gewissenhaft  an2ugeben,  dass  Poljbios,  der  gewich- 
tigste Zeuge,  überhaupt  auch  nur  einer  activen  Theilnahme  der  galli- 
schen Hülfsvölker  an  der  Schlacht  bei  Senagallia  keinerlei  Erwähnung 
thut,  geschweige  denn  die  genannte  Operation  gegen  dieselben  berichtet: 
jeder  besonnene  Forscher  wird  sich  seiner  Vorsicht  anschliessen  und 
darauf  verzichten,  mit  der  willkührlichen  Deutung  dieses  Fragments 
zu  operiren:  Gilbert  gebraucht  dieselbe  als  Basis  seiner  Forschungen, 
um  die  weitgehendsten  Consequenzen  daraus  zu  ziehen. 

In  fr.  32  P.  (p.  20,  8)  Coelius  in  TTTT:  custodibus  discessis  multi 
interficiuntur  soll  die  Eroberung  der  spanischen  Stadt  Orongis  durch 
L.  Scipio  547/207,  Liv.  28,  3  geschildert  sein.  Diese  Eroberung  war 
in  folgender  Weise  vor  sich  gegangen.  Nach  einem  ersten  vergeb- 
lichen Angriffe  bestürmte  Scipio  die  Stadt  gleichzeitig  auf  zwei  Seiten. 
Das  unvermuthete  dieser  That  flösste  in  der  Stadt  einen  solchen 
Schrecken  ein,  dass  die  Bürger  bald  verzweifelnd  von  den  Wällen  liefen. 
Die  pnnische  Besatzung,  in  der  Meinung,  die  Stadt  sei  verrathen,  hielt 
es  unter  diesen  Umständen  für  geboten,  die  Vertheidigung  der  Wälle 
aufzugeben  und  sich  an  einem  festen  Puncte  zu  concentriren.  Damit 
war  die  Stadt  natürlich  verloren,  und  um  nun  eine  milde  Behandlung 
vom  Sieger  zu  erflehen,  strömten  die  Bürger  vor  die  Thore  zum 
feindlichen  Lager  hinaus.  In  Folge  eines  Missverständnisses  wui'den 
sie  aber  grossentheils  dennoch  niedei^emacht;  dann  drangen  die 
Römer  durch  das  offene  Thor  ein. 

Wo  ist  hier  die  Aehnlichkeit  mit  unserem  Fragmente?  Ich  finde 
keine.    Gilbert  &sst  die  ^custodes'  als  die  punische  Armee,  die  in 

Jahrb.  f.  oUsi.  Philol.  Suppl  Bd.  XI.  *      /^  ^  ^  ^T  ^ 

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50  Wilhelm  Sieglin: 

der  Stadt  lag,  trotz  des  Sprachgebrauchs,  der  unter  ^custodes'  nie 
einen  militärischen  Posten  versteht,  und  trotzdem,  dass  diese  Armee 
keineswegs  unbedeutend  war,  denn  allein  2000  Mann  derselben  waren 
bei  dem  ersten,  für  die  Carthager  noch  siegreichen  Sturme  gefallen; 
versteht  unter  ^custodibus  discessis'  die  Concentrirung  des  punischen 
Heeres ;  mit  ^multi  interfidunter'  glaubt  er,  sei  das  Blutbad  unter  den 
Städtern  gemeint  Bei  dem  Fehlen  aller  Zwischenereignisse  würden 
dies  andere  für  eine  mindestens  unverständliche  Ausdrucksweise  hal- 
ten. Gilbert  findet  darin  (p.  407)  von  Seiten  des  Coelius  ^eine  äusserst 
prägnante  Zusammenfassung  einer  längeren  Darstellung  der  Quelle 
in  wenige  Worte'.  Das  ürtheil  Gilberts  wirkt  um  so  treffender, 
als  wir  kurz  vorher  von  ihm  belehrt  worden  sind,  dass  Coelius  die 
Thaten  der  Scipionen  in  fast  doppeltem  umfange  wie  Livius 
schrieb.  Aber  das  ist  kein  Hindemiss.  Für  Gilbert  ist  bewiesen, 
dass  das  vierte  Buch  des  Coelius  entsprechend  dem  von  ihm  aufge- 
stellten Inhalt  von  Buch  III  bis  zum  Jahre  647/207  sich  noch  er- 
streckt habe,  dass  in  Buch  III  die  italischen,  in  Buch  IV  die  spa- 
nischen Ereignisse  des  genannten  Jahres  enthalten  waren. 

Nicht  besser  lässt  sich  das  folgende  an.  Gerade  diejenigen 
Fragmente,  auf  deren  Erklärung  wegen  ihres  allgemeinen  Inhalts 
verzichtet  werden  musste,  diese  gi-eiffc  Gilbert  als  brauchbare  Werk- 
zeuge heraus,  giebt  ihnen  eine  beliebige  Deutung  und  verwendet  sie 
nun  für  seine  Zwecke.  Entgegenstehende  Ansichten  hält  er  in  den 
seltensten  Fällen  der  Mühe  werth  zn  widerlegen:  kein  Wunder,  dass 
er  auf  diese  Weise  alles  beweisen  kann. 

So  i^t  fr.  37  P.  Coelius  in  Y:  nullius  alius  rei  nisi  amidtiae 
eorum  causa  ein  Wort,  das  Hannibal  alle  Augenblicke  den  römischen 
Bundesgenossen  gegenüber  erklärt,  dass  er  nur  aus  Freundschaft  za 
ihnen,  und  um  sie  von  der  römischen  Herrschaft  zu  befreien,  nach 
Italien  gekommen  sei,  ein  Wort,  das  wir  noch  in  einer  Reihe  von 
Fällen  lesen,  die  wir  p.  18,  3  aufgezählt  haben.  Wer  kann  also 
wissen,  wen  Coelius  in  dem  vorliegenden  Falle  gemeint  hat?  Gilbert 
weiss  es,  und  legt  das  Wort  dem  römischen  Senate  in  den  Mund,  bei 
Anlass  der  saguntinischen  Gesandtschaft,  die  549/205  mit  Dank  und 
Bitte  nach  Rom  gekommen  war.  Der  Senat  soll  nach  ihm  den  Sagun- 
tiner  erklären,  ^aus  keinem  andern  Grunde,  als  aus  Freundschaft  zu 
ihnen,  habe  er  den  Erleg  mit  Hannibal  unternommen'.  Das  Gegen- 
theil  lässt  sich  natürlich  nicht  beweisen.  Die  Antwort  lautet  bei 
Livius:  et  dirutum  et  restitutum  Saguntum  fidei  socialis  utrimque  ser> 
vatae  documentum  onmibus  fore.  Es  muss  bei  Gilbert  erst  vorausge- 
setzt werden,  dass  des  Livius  Quelle  eine  ausführlichere  Rede  brachte, 
wo  dieser  selber  nur  ein  einzelnes  Wort  uns  bietet;  —  was  möglich 
ist,  aber  wir  wissen  es  nicht;  weiter,  dass  in  derselben  die  Römer 
eine  so  geschmacklose  Uebertreibung  sich  zu  Schulden  kommen  liessen, 
wie  diese  wäre,  —  was  wieder  möglich  ist,  aber  wir  wissen  es  nicht. 
Wenn  wir  den  Zusammenhang,  in  den  die  Fragmente  eingefügt  werden 


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Die  Fragmente  des  L.  CoelioB  Antipater.  51 

sollen,  statt  ihn  zu  snchen,  jedesmal  selber  uns  erst  kfinstlioh  schaffen, 
ohne  Bücksieht,  wie  das,  was  allein  das  Ausschlaggebende  sein  kann, 
wie  die  üeberlieferung  sich  dazu  verhält,  so  ist  bald  kein  Buch  vor- 
handen, in  das  nicht  jedes  Fragment  eingesetzt  werden  kann.  Nur 
Schade,  dass  bei  einem  solchen  Spiele  die  aufgewandte  Arbeit  ihren 
Werth  verloren  hat. 

Fr.  38  P.  (p.  13, 10)  Coelius  annaU  libro  Y:  ad  aliquam  huic  hello 
finem  ^äcere,  soll  Scipio  549/205  erklärt  haben  als  Motivirung,  warum  er 
nach  Africa  übersetzen,  und  nicht  lieber  vorher  Hannibal  in  Italien 
angreifen  wolle  und  diesen  von  italischem  Boden  verdrängen.  Eine 
Bede  hält  Scipio  allerdings  in  dem  genannten  Jahre,  aber  der  vor- 
liegende Qedanke  steht  wiederum  nicht  darin;  er  muss  Scipio  eigens 
zugeschoben  werden,  damit  er  die  Worte  sprechen  kann.  Dagegen 
steht  der  Wunsch,  dem  Kriege  ein  Ende  zu  machen  Liv.  26,  26; 
27,  9;  22,  34  u.  ö. 

Besser  vermag  Gilbert  seine  Hypothese  nicht  zu  stützen.  Wie 
hilft  er  sich  aber  über  die  ihm  entgegenstehenden  Schwierigkeiten 
hinweg?  Ich  glaube,  wenn  die  Deutung  irgend  eines  der  Coelianischen 
Fragmente  sicher  ist,  so  ist  es  die  von  fr.  59  P.  (p.  22,  2),  und  so  mag  dies 
Beispiel  genügen,  um  zu  zeigen,  wie  Gilbert  Schwierigkeiten  hinweg- 
räumt. Das  Fragment  lautet  Gell.  10, 1, 3 :  ^tertio'  et  ^quarto  consul',  non 
^tertinm  quartum'que,  idque  in  principio  libri  f  Coelium  scripsisse  et  Q. 
Clandium  in  libro  XIX  ^C.Marium  creatum  septimo  consulem'  dixisse. 
Die  Zahl  des  Buches  bei  Coelius  ist;  wie  bemerkt,  ausge&Uen ;  da  jedoch 
nur  Ein  Consulpaar  im  Laufe  des  Hannibalischen  Krieges  vorkommt, 
von  dem  der  eine  *zum  dritten',  der  andere  ^zum  vierten  Male  Consul' 
war,  nämlich  540/214,  und  da  Buch  I  mit  dem  Sommer  538/216  schloss. 
Buch  n  mit  Sommer  538/216  begann,  wie  auch  Gilbert  nicht  zu 
leugnen  vermag,  so  kann  die  ausgefallene  Zahl  frühestens  *UI'  sein. 
Damit  ist  Gilberts  Hypothese  hinfällig,  da  dieser  das  dritte  Buch 
bereits  mit  dem  Jahre  544/210  beginnen  lassen  muss.  Aber  um 
einen  Ausweg  ist  dieser  nicht  verlegen.  Er  meint,  man  dürfe  aus 
den  Worten  des  GeUius  nicht  schliessen,  dass  die  von  ihm  ange- 
führten Worte  des  Coelius  in  diesem  auch  wirklich  gestanden  haben, 
und  man  dürfe  *nur  das  aus  ihnen  entnehmen,  dass  Coelius  im  An- 
fange eines  Buches  Formen  der  OrdinaHa  auf  -o  in  Verbindung 
mit  consul  geschrieben  hatte,  und  er  erkenne  die  fragliche  Stelle  des 
Coelius  in  dem  Consulpaare  des  Jahres  545/209  Q.  Fabius  Maximus  Y^ 
Q.  Fabius  Flaccus  IV.  GeUius,  resp.  der  Freund  desselben,  hat  ent- 
weder irrthümlich  aus  der  Erinnerung  schreibend  gemeint,  es  komme 
hier  HI  und  IV  vor,  oder  hat,  weil  in  diesem  Falle  gänzlich  ir- 
relevant, es  nicht  für  nöthig  gehalten,  ausdrücklich  zu  bemerken,  dass 
hier  nicht  tertio  und  quarto,  sondern  quinto  und  quarto  stehe,  da  ja 
jene  Form,  um  die  es  sich  hier  handelte,  in  gleicher  Weise  durch 
das  quinto  wie  durch  das  tertio  seine  Bestätigung  erhielt'.  —  Zur 
rechten  Zeit  die  nöthige  Kühnheit  zu  besitzen^  ist  schön.  Die  Grösse 

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52  Wilhelm  Sieglin: 

der  Eühnbeit,  die  uns  hier  geboten  wird,  wird  durch  die  Zuziehung 
des  Claudius  Quadrigarius  von  Seiten  des  Oellius  treffend  illustrirt. 
Gilbert  verschmSht  es  aber  auf  halbem  Wege  stehen  zu  bleiben. 
Er  begnügt  sich  nicht  damit,  den  Inhalt  des  Fragments  ^tertio' 
et  ^quarto  consul'  für  ein  Missverständniss  zu  erklären;  auch  über 
die  Angabe  des  Oellius,  dass  es  ^in  principio'  eines  gewissen  Buches 
gestanden  habe,  wird  als  eine  Ungenauigkeit  hinweggegangen,  weil 
sie  sonst  in  das  System  nicht  passt.  Da  des  Coelius  Bellum  Puni- 
cum  nach  Gilbert  nicht  eine  Geschichte  des  Hannibalischen  Krieges, 
sondern  eine  Geschichte  der  Thaten  Scipios  ist,  xmd  da  weiter  die 
Eriegsereignisse  in  Italien  536/218  —  544/210  nur  die  Einleitung 
des  eigentlichen  Werkes  bilden  sollen  in  Buch  I — ^11,  so  beginnen 
nach  ihm  die  ausführlichen  Schilderungen  der  ersten  Thaten  Scipios 
im  dritten  Buche,  Sommer  544/210,  Wenn  er  nun  oben  zu  dem  ver- 
zweifelten Auswege  gegriffen  hat  und  die  Worte  des  Gellius,  die 
dem  Jahre  540/214  entnommen  waren,  auf  das  Jahr  545/209  bezog, 
so  stehen  diese  damit  nicht  4n  prindpio'  des  betreffenden  Buches 
des  Coelius,  wie  doch  Gellius  angiebt^  Tielmehr  fi&st  in  der  Mitte 
desselben,  —  es  gehen  18  livianische  Capiiel  voraus  — ;  und  Gil- 
bert sieht  sich  gezwungen,  auch  über  diese  Bemerkung  als  un- 
richtig hinwegzugehen.  Freilich  thut  er  dies  nur  stillschweigend; 
Gilbert  hält  es  für  zu  unbedeutend  auf  den  letztgenannten  Wider- 
spruch aufmerksam  zu  machen:  geräuschlos  vollzieht  er  p.  378  die 
Aenderung. 

Endlich  ist  man  durch  die  etwas  ungewohnte  Beweisführung 
hindurchgekommen.  In  Müsse  ist  es  uns  verstattet,  in  seinem  neuen 
Gewände  Coelius  zu  betrachten.  Die  neun  ersten  Jahre  des  Krieges 
absolvirt  Coelius  in  zwei  Büchern  in  summarischer  Darstellung;  diese 
2  entsprechen  beinahe  6  des  Livius.  Die  8  letzten  Jahre 
vollendet  er  in  5  Büchern;  diese  entsprechen  umgekehrt 
nur  4  des  Livius.  Trotz  der  darum  nothwendigen  Kürze  der  ersten 
beiden  enthalten  diese  aber  nach  Gilbert  selbst  nicht  nur  die  Senats- 
verhandlungen und  Senatsreden,  die  Livius  und  besonders  Cassius  Dio 
in  diesen  Büchern  überliefern,  ungekürzt  —  und  bei  Livius  nehmen  sie 
allein  ca.  80Capitelin  Anspruch;  —  sondern  noch  eine  Menge  an- 
derer Reden,  die  Gilbert  p.  396  f.  eigens  erfindet.  Buch  I  enthielt 
ausserdem  eine  Geschichte  des  Söldnerkrieges  (p.  406),  Details  der 
sicilischen  E^edition  des  Sempronius,  die  Livius  nicht  hat  (p.  420)* 
eine  Beschreibung  der  Alpen  lässt  Gilbert  vorhanden  sein  p.  419- 
die  Gründungsgeschichte  einer  Reihe  von  italischen  Städten,  auch 
solcher,  über  die  die  Fragmente  schweigen,  p.  464. 

Man  begreift,  dass  der  ^eigentliche,  thatsächliche  Stoff^  in  diesen 
Büchern  unter  diesen  Umständen  immer  ^kürzer  und  zusammenfassen- 
der', ^auf  ein  Minimum  des  ümfangs  beschränkt'  werden  muss,  um  nur 
der  Menge  der  genannten  Beilagen  Raum  zu  schaffen.  Von  einer  halb- 
wegs detaillirten  Erzählung  kann  keine  Bede  mehr  sein;  auch  davon 

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Die  Fragmente  des  L.  Coeliaa  Antipater.  53 

nicht,  daes  Coelias  eine  der  Hauptquellen  des  Livins  für  die  Geschichte 
des  Hannibalischen  Krieges  war,  denn  wo  sollte  Liyins  den  nöthigen 
StoflF  in  Coelins  gefonden  haben?  —  Gilbert  übersieht,  und  wo  er 
das  nicht  thut,  hilft  er  sich  mit  allzuleichten  Mitteln  darüber  hinweg, 
dass  wir  im  Gegensatz  zu  seinen  Aufstellungen  Fragmente  haben,  die 
uns  evident  zeigen,  dass  Coelius  sehr  ausführlich  auch  den  ersten 
Theil  des  Hannibalischen  Krieges  beschrieben  hat;  man  yergleiche  be- 
sonders fr.  11;  12;  17;  18;  20;  22;  26  (lO;  11;  15;  16;  18;  20; 
24  S.),  die  den  Traum  Hannibals  beim  Uebergang  über  den  Ebro, 
die  sicilische  Expedition  des  Sempronius,  die  Schlacht  am  Ticin,  die 
darauffolgenden  Marschbewegungen  Hannibals  am  Po,  den  Auszog 
des  Consuls  Flaminius  aus  Bom,  mehrere  Scenen  nach  der  Schlacht 
bei  Cannae  theils  sehr  ausführlich  schildern,  theils  einzelne  Mo- 
mente einer  offenbar  ausführlichen  Darstellung  geben.  Wie  breit 
und  bis  in  die  Details  genau  Coelius  den  ersten  Theil  des  Krieges 
schilderte,  geht  am  evidentesten  aus  Liv.  23,  6,  8  hervor,  wo  Livius 
aus  dem  Schweigen  des  Coelius  über  ein  von  ihm  namhaft  ge- 
machtes Ereigniss  die  Nichtexistenz  desselben  folgert. 

So  hat  Gilbert  kein  einziges  Moment  beigebracht,  um  seine 
Hypothese  wahrscheinlich  zu  machen. 

§2. 

Wir  gehen  zu  den  Quellen  des  Bellum  Punicum  über.  Die 
wichtigste  Quelle  für  Coelius  war  natürlich  die  Geschichte  des  Fabius 
Pictor,  der  in  seiner  Darstellung  gewissermassen  den  officiellen  römi- 
schen Standpunkt  vertrat  Ohne  dass  wir  genügend  directe  Zeug- 
nisse über  die  Benützung  des  Fabius  durch  Coelius  aus  dem  Alter- 
thume  haben,  haben  die  Untersuchungen  von  C.  Peter,  Nitzsch, 
Böttcher  und  anderen  dennoch  längst  klar  gelegt,  in  welch  bedeu- 
tendem Umfange  derselbe  von  Coelius  verwerthet  worden  ist.  Ohne 
uns  einer  Divination  hinzugeben,  die  das  Unwissbare  wissen  will, 
können  wir  mit  ziemlicher  Sichei^heit  behaupten,  dass  fast  die  meisten 
Angaben,  die  wir  in  den  von  Coelius  abhängigen  Schriftstellern  über 
specifisch  römische  Angelegenheiten  finden,  zumal  Senatsbeschlüsse, 
HeeresaufsteBungen  und  ähnliche  Dinge  aus  Fabius  ihren  Ursprung 
genommen  haben.  Eine  Benützung  der  Origines  des  Cato,  der  im 
G^ensatze  zu  dem  alten  Adel  des  Fabius  die  römiscdie  Ydkspartei 
vertrat,  bezeugt  Gell.  N.  A.  10,  24,  6;  die  Zuhilfenahme  des  Ennius 
Fronto  p.  64  N.  Das  Geschichtswerk  des  Silen,  das,  aus  dem  carthagi- 
schen  Hauptquartier  hervorgegangen  und  in  dessen  Geiste  geschrieben, 
unschätzbares  Material  bot,  nicht  nur  um  einseitige  Auffassungen 
der  römischen  Autoren  zu  corrigiren  und  in  ihr  richtiges  Ver- 
haltniss  zurückzuführen,  sondern  auch  deren  Berichte  da  zu  er- 
gänzen, wo  diese  aus  Unkenntniss  der  Vorgänge  im  carthagischen 
Hauptquartier  lückenhaft  gewesen  waren;  —  dieses  Werk  von  Silen 


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54  Wilhelm  Sieglin: 

wurde  von  Coelius  gleichfalls  zu  Bathe  gezogen  imd  wie  seit  Bajack 
bekannt  und  anerkannt  ist,  vielfach  als  Hauptquelle  zu  Grunde  ge- 
legt Im  ferneren  Verlaufe  des  Krieges  hat  Coelius  weiter  die  Lau- 
datio des  Marcellus  zugezogen  Liv.  27,  27,  11,  die  von  dessen  Sohne 
verfasst,  eine  ausführliche  Geschichte  (ygl.  Fol.  6,  53,  2)  desselben 
und  seiner  Wirksamkeit  während  des  Hannibalischen  Krieges  gab. 
Endlich  hat  Keller  in  seinem  Buche  Mer  zweite  panische  Krieg  und 
seine  Quellen',  Marburg  1875,  das  zwar  sonst  des  Falschen  viel  ent- 
hält, p.  77  —  126;  178;  189—192  eine  eingehende  Benützung  der 
Memoiren  des  älteren  Scipio  überzeugend  nachgewiesen,  sei  es  dieser 
selbst,  oder  einer  Ueberarbeitung  derselben  durch  seinen  Sohn^^), 
was  Keller  annimmt. 

Damit  hat  Coelius  ein  umfassendes  Quellenmaterial  zugezogen, 
das  durch  seine  Beichhaltigkeit  ihm  ermöglichte,  seinem  Werke  einen 
umfang  zu  geben,  der  den  aller  seiner  Vorgänger  weit  überra^gte; 
das  durch  den  umstand,  dass  alle  Parteistandpunkte  darin  vertreten 
waren,  Carthager  und  Römer,  Adel  und  Volkspartei,  einer  objectiven 
Geschichtsschreibung  Baum  gab.  Ob  Coelius  ausser  den  genannten 
Autoren  noch  andere  verwandte,  wissen  wir  nicht. 

Gilbert  will  ausser  den  von  uns  genannten  Autoren  durch 
Coelius  benützt  wissen  Fhilinus,  die  Memoiren  des  Laelius,  die 
Annales  maximi  ^sporadisch';  was  die  Scipionenschrift  betri£Ft,  so 
löst  Gilbert  den  Streit  dadurch,  dass  er  p.  394  annimmt,  Coelius 
habe  beides  benützt,  die  Schrift  des  Vaters  und  des  Sohnes.  Nach- 
dem Gilbert  einzig  dadurch,  dass  gegen  die  Benützung  dieser 
stattlichen  Anzahl  von  Autoren  der  Gegenbeweis  nicht  beigebracht 
werden  kann,  deren  Benützung  bewiesen  hat^  kommt  er  zu  dem 
Resultate,  *  Coelius  habe  vielleicht  das  Bestreben  gehabt,  durch  die 
Benützung  einer  so  umfangreichen  Literatur  zu  glänzen  und  zu 
imponiren'  und  schliesst  nun  weiter,  es  sei  bei  diesem  Bestreben 
^wenigstens  nicht  unwahrscheinlich',  dass  Coelius  ^selbst  so  unbe- 
deutende Werke  wie  diejenigen  des  Chaereas  und  Sosilus,  oder  so 
specielle,  wie  die  Memoiren  des  Cincius  eingesehen  habe'.  Nach  diesem 
überraschenden  Schlüsse  fährt  Gilbert  in  einem  Athemzuge  fort 
(p.  396):  *Die  übrigen  Vorgänger  des  (Melius  lasse  ich  dagegen  ganz 
unberücksichtigt,  weil  hier  keine  besouderen  Indicien  für  ihre  Benützung 
vorhanden  sind,  so  das  vierte  Buch  des  ersten  Antiquars  Roms,  des 
Cassius  Hemina;  sodann  das  Werk  des  Fiso';  und  diese  eigenthümliche 
Logik  gipfelt  in  dem  Satze:  ^Denn  da  das  Zeitverhältniss  des  Fiso,  we- 
nigstens der  Fublication  seines  Werkes,  in  Beziehung  zu  Coelius  ganz 
unsicher  ist  (und  da  Fiso  femer  keine  andern  Quellen  im  Allgemeinen 
hat  benützen  können,  als  Coelius  auch),  so  darf  man,  selbst  wenn  des 
Fiso  Werk  dem  Coelius  vor  der  Herausgabe  des  seinigen  noch  be- 
kannt geworden  wäre,  annehmen,  dass  dasselbe  jedenfalls  ohne  Ein- 


*)  Vgl.  Cic.  Brut  19,  17. 

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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Antipater.  55 

flnss  auf  diesen  geblieben  ist'.  Gilberts  Quellenantersacliiingen  sind 
seine  schwächste  Seite.  Dies  war  in  seinem  früheren  Werke,  *Bom 
und  Garthago',  der  Fall,  und  ist  es  auch  hier. 

Wir  hatten  6  Quellen  gehabt,  die  Coelius  bei  Abfassung  der 
Geschichte  des  Hannibalischen  Krieges  zu  Bathe  gezogen  hat:  Fabius, 
Enniufi,  Gate,  Scipio,  Marcellus  und  Silen.  Diese  hat  er  benützt,  um 
den  Süsseren  Stoff  für  seine  Geschichte  daraus  zu  entnehmen. 

Es  ist  nun  nicht  uninteressant,  zu  beobachten,  welche  Hilfs- 
mittel Coelins  für  den  inneren  Ausbau  seines  Werkes  angewandt 
für  die  Darstellungsweise  und  seinen  Stil,  um  diese  kunstgerecht  zu 
bilden.  Das  meiste  entzieht  sich  natürlich  unsem  Blicken;  aber  was 
wir  wahrnehmen  können  ist  genüg,  um  unser  Interesse  zu  erwecken. 
Hit  Coeliüs  hat  sich  ein  grosser  Fortschritt  in  der  römischen  Lite- 
ratur mit  einem  Male  vollzogen;  Coelius  ist  es,  der  der  jungen  römi- 
schen Geschichtsschreibung  einen  plötzlichen  Aufschwung  gab,  der 
als  der  erste  den  Boden  der  dürren  Annalistenschreiberei  yerUess, 
und  es  verstand  pragmatische  Geschichte  zu  schreiben,  der  sich 
desshalb  in  seiner  Darstellung  auf  die  jüngst  vergangene,  historisch 
sichere  Zeit  beschränkte.  Wer  sein  Lehrmeister  gewesen  ist,  wissen 
wir  nicht;  das  Geschieh ts werk  aber,  an  dem  er  sich  bildete,  war  kein 
geringeres  als  das  des  Thucjdides. 

21,  1,  1  gibt  Livius  eine  Einleitung  zum  zweiten  punischen 
Kriege.  Es  könnte  sich  die  Frage  erheben,  ob  dieselbe  von  ihm 
selbst  herrührt,  oder  ob  er  sie  in  seiner  Quelle  vorgefunden  hat 
Ausser  Livius  geben  noch  Florus  und  Dio-Zonaras  eine  Einleitung 
zu  diesem  Kriege.  Dio-Zonaras  geht  grossentheils  auf  Coelius  ^^) 
zurück;  von  Florus  wissen  wir,  dass  er  im  Hannibalischen  Kriege 
unabhftagig  von  Livius  ist.^^) 

Nun  sagt  Livius  c.  1,  2  in  dieser  Einleitung:  *adeo  varia  fortuna 
belli  ancepsque  Mars  foit,  ut  propius  periculum  fuerint  qui  vicerunt'. 
Man  vergleiche  damit  Flor.  1,  22,  1:  *ecce  alterum  bellum,  minus 
quidem  spatio,  nee  enim  amplius  decem  et  octo  annos  habet,  sed 
adeo  cladium  atrocitate  terribilius,  ut  —  similior  victo  sit  populus 
ille,  qui  vicit'.  Sollte  der  Satz  *ecce  alterum  bellum'  bis  ^terribilius' 
Zusatz  des  Florus  sein?  Aug.  De  civ.  D.  3,  19  schreibt  in  merk- 
würdiger Uebereinstimmung  mit  Florus:  Secundo  autem  Punico  hello 
nimis  longum  est,  commemorare  clades  duoriim  populorum  tam  longo 
86cum  lateque  pugnantium^  ita  ut  his  quoque  fatentibus,  qui  non  tam 
narrare  bella  Bomana,  quam  Bomanum  imperium  laudare  instituerint, 
ämilior  victo  fuerit  ille  qui  vicit. 

Noch  übereinstimmender  mit  dem  ersten  Theil  des  Florns-Satzes 
als  Livius  ist  Zonaras  8,  21  xai  6  iröXefiioc  oOtoc  t(\>  ixtv  XP^vqi 


^*)  Posner,  Quibas  auctoribus  in  hello  Hannibalico  enarrando  nsut 
fdt  Dio  CassiuB.    Bounae  1874. 

^•)  Euasner,  Jahresbericht  über  Florus,  Philologus  XXXVII  (1877). 


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56  Wilhelm  Sieglin: 

noXu  dXdccuiv  toO  irpor^pou  cu|i߀ßfiK€,  toic  b*  ipTOic  toic  t€ 
TraOfiiiaa  xai  iiciJiüv  xal  x^XeTTiÖTepoc. 

Daraus  geht  als  wahrscheinlich  hervor,  dass  eine  Einleitung 
zum  zweiten  panischen  Kriege  existirte,  die  Livius  und  Dio-Zonarae 
vorlag,  und  die  Floras,  wenn  auch  durch  zweite  Hand  vermittelt, 
kannte. 

Vorher  sagt  Livius:  nam  neque  validiores  opibus  ullae  inter  se 
civitates  gentesque  contulerunt  arma,  neque  his  ipsis  tantum  unquam 
virium  aut  roboris  fuit.  Aehnliches  findet  sich  in  Gellius  10,  27,  1 
in  literis  veteribus  memoria  extat,  quod  par  quondam  fuit  vigor  et 
acritudo  amplitudoque  populi  Romani  atque  Poeni.  Neque  immerito 
aestimatum.  Er  setzt  hinzu:  cum  aliis  quidem  populis  de  unius- 
cuiusque  republica,  cum  Poenis  autem  de  omnium  terrarum  imperio 
decertatum. 

Wir  finden  eine  dritte  Spur.  §  5  f&ngt  Livius  an  specieller  zu 
werden.  Er  gibt  als  Grund  des  Krieges  an:  angebaut  ingentis  viri 
spiritum  —  womit  Hamilcar  gemeint  ist  —  Sicilia  Sardiniaque 
amissae :  nam  et  Sidliam  nimis  celeri  desperatione  rerum  concessam 
et  Sardiniam  inter  motum  Africae  fraude  Romanorum  stipendio  etiam 
insuper  imposito  interceptam.  Flor.  a.  a.  0.  urebat  nobilem  populum 
mare  ablatum,  raptae  insulae,  dare  tributa,  quae  iubere  consueverat. 

Ich  denke,  es  ist  klar,  dass  des  Livius  Einleitung  zur  drit- 
ten Dekade  nicht  von  ihm  selbst  ist,  dass  er  sie  in  seiner  Quelle 
vorgefonden  hat:  grosse  Stücke  von  ihr  finden  sich  in  andern  von 
ihm  unabhängigen  Schriftstellern,  und  hat  er  sie  einmal  entlehnt, 
so  kann  sie  nur  auf  Coelius  zurückgehen,  als  Einleitung  zu  dessen 
Bellum  Punicum;  so  ist  dann  erklärt,  dass  Cassius  Dio  sie  benützt  hat. 

Die  Einleitung  des  Livius  beginnt  mit  den  Worten:  Li  parte 
operis  mei  licet  mihi  praefari,  quod  in  principio  summae  totius  pro- 
fessi  sunt  plerique  rerum  scriptores,  bellum  omnium  maxime 
memorabile,  quae  unquam  gesta  sint,  me  scripturum,  quod 
Hannibale  duce  Garthaginienses  cum  populo  Romano  gessere.  nam 
neque  validiores  opibus  ullae  inter  se  civitates  gentesque  contu- 
lerunt arma,  neque  his  ipsis  tantum  unquam  virium  aut 
oboris  fuit.  Wem  föllt  bei  diesen  Worten  nicht  Thucyd.  1,  1  ein, 
^eouKubibric  'AOnvaToc  SuvetpaM^e  t6v  ttöX€|uiov  tiöv  TTcXonowriciuiv 
Kttl  *AeTivatu)V,  dbc  dTToX^iiTicav  -rrpöc  dXXyjXouc,  dpgdjLievoc  eöOuc 
KaeiCTa|Li^vouKaldXTr(cac|Li^Tttv  t€  £c€c6ai  küi  dEioXoTtüTarov 

TU)V    TrpOT€T€VTm^VUIV,    T€K|Liaip6|Ul€V0C,    ÖTl    dK|Uldt0VT^C     T€ 

fScav  de  aÖTÖv  d|uiq)6Tepa  7rapacK€ü§  Tr|  irdcij  xal  rö  äXXo 
'GXXnviKÖv  6paiv  guvicrdimcvov  irpöc  ^Kax^pouc,  tö  imfev  eöeuc,  tö  bk 
xai  biavooü|i€VOV.  k(vticic  top  «ötti  |ui€tictti  bf|  toic  "€XXticiv 
ifiy€TO  Kai  M^pei  tivi  täv  ßapßdpujv,  die  bfe  elneiv,  kqi 
tnx  TrXciCTov  dvepuiiruiv. 

Livius  fährt  dann  fort:  et  haud  ignotas  belli  artes  inter  sese 
sed  expertas  primo  Punico  conferebant  hello.   Ein  ähnlicher  Gedanke 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelios  Antipater.  57 

findet  sich  Thuc.  1,  18,  3  uicT*  dird  tüüv  MnblKUJV  de  Tovbe  del 
TÖv  iröXenov  xd  |ifev  crrevboMeva,  td  hk  troXe^ouvTec  t\  dXXrj- 
Xoic  fi  ToTc  ^auTUJV  £uMMdxoic  dcpicraMevoic  €u  irap- 
€CK€udcavTO  Td  TToX^^ia  Kai  dMireipötepoi  dT^vovTO 
Mexd  Kivbuviwv  rdc  fi^l^^Tac  iToiou|i€Voi. 

Nach  einer  Abschweifung  kommt  Thucydides  1,  22,  2  wieder 
auf  sein  Werk  zu  sprechen  und  gibt  die  Quellen  an,  denen  er  seine 
Mittheilungen  verdanke.  Dass  er  ex  scriptis  eorum,  qui  veh  arbi- 
trantur  schöpfen  Wolle,  hatte  Coelius  versprochen.  Thucydides  drückt 
sich  aus:  xd  b'  Ipfa  xuiv  itpaxOdvxuiv  iv  xi^  itoX^^(|i  oök  Ik  xoO 
iTopaxuxövxoc  iruvOavöfbievoc  i^£iuKa  Tpd<p€iv,  oub*  die  iiioi  dbÖKei, 
dXX*  oic  x€  airr6c  irapfiv  xai  irapd  xuüv  dXXwv,  öcov  buvaxöv 
dKpißeiqi  irepi  ^Kdcxou  direScXOdiv. 

Jetzt  geht  Thucydides  l»  23, 1  an  eine  Yergleichung  des  früheren 
medischen  Krieges  mit  dem  peloponnesischen,  und  vergleicht  deren 
Yerh&ltmss  nach  ihrer  Dauer  und  der  iraOrjiiaxa,  die  sie  zur  Folge 
gehabt  Vor  dem  peloponnesischen  Kriege,  sagt  er,  war  der  modische 
der  bedeutendste  gewesen;  hatte  jedoch  nur  eine  kurze  Dauer  gehabt; 
xouxoü  bt  xoO  TToX^MOu  futfiKÖc  X€  }xiya  Trpoußii,  iraOriiuiaxd  xe  £uv- 
ffV^XÖn  tev^cöai  iy  auxCf»  xfj  'GXXdbi  da  oöx  ^xcpa  iv  Icijj  XPÖvijJ. 
Wenn  Coelius  dies  nachahmt,  und  eine  Parallele  zwischen  der  Lttnge 
und  den  iraOrjiicnra  des  ersten  und  zweiten  punischen  Krieges  zieht, 
so  kann  dieselbe  dem  Inhalte  nach  selbstverständlich  nicht  ganz 
gleich  ausfEdlen,  da  der  modische  Krieg  eine  kürzere  Dauer  als  der 
peloponnesische  hatte,  der  erste  punische  Krieg  dagegen  eine  längere 
als  der  zweite.  Die  Form  jedoch  ist  bei  beiden  dieselbe:  Zon.  a.  a.  0. 
Kai  6  TTÖXeMOC  oöxoc  xai  \xtv  xpövtji  ttoXu  dXdccwv  xoO  npox^pou 
cuMß^ßnK€,  xoTc  b*  fpTOic  xoTc  xe  iraöriiiaci  Kai  ^eiZujv  Kai  xaKe- 
irurrepoc. 

Im  Folgenden  gibt  Thucydides  eine  kurze  Geschichte  der  Zeit 
zwischen  dem  medischen  £[riege  und  dem  von  ihm  beschriebenen, 
um  die  Ursache  seines  Ausbruchs  klar  zu  legen:  dies  finden  wir  in 
Coelius  nachgeahmt,  der  Liv.  21, 2 — 4;  Zon.  8, 21  die  Jahre  zwischen 
514/240  und  536/218  zu  gleichem  Zwecke  seinen  Lesern  berichtet. 
Diese  IJebereinstimmung  setzt  sich  consequent  fort  in  der  sorgfUl- 
tigen  detailHrten  Aufzählung  der  Streitkräfte  der  sich  bekämpfenden 
Länder  zu  Beginn  des  Krieges  Thuc.  2,  9  «»Liv.  21, 17  u.  21— 22; 
in  den  ausführlichen  Verhandlungen  und  Beden  zu  Bom,  zu  Carthago 
und  im  carthagischen  Hauptquartier  Liv.  c.  9 — 10^  18 — 21;  Zon.  8, 
21—22  =  Thuc  1,  67—87;  119—126;  139—145;  2,  10—12 
(die  Livius  bei  keinem  Kriege  sonst  so  eingehend  widergibt);  in  der 
gasizen  Darstellungsweise  der  Ereignisse.  An  Thacjdides  und  den 
Griechen  hat  Coelius  sich  gebildet;  ersteren  vornehmlich  hat  er  in 
all  den  Dingen  nachgeahmt,  in  denen  er  sich  von  seinen  römischen 
Yorgängem  unterscheidet:  in  der  Auswahl  des  Stoffes  aus  der  nächsten 
Vergangenheit;  der  pragmatischen  Behandlung  desselben;  der  Auf- 

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58  Wilhelm  Sieglin: 

nähme  von  Beden.  Dann  hat  er  im  Einzelnen  dessen  Darstellung 
in  vielen  Punkten  nachgeahmt,  hat  sogar  manche  Gedanken  in  be- 
denklicher Abhängigkeit  von  seinem  Meister  entlehnt.  Ich  verzichte 
darauf,  alle  Parallelen  aufzuzählen  zwischen  Schilderungen,  die  sich 
in  CoeliuB  und  die  sich  in  Thucydides  finden,  da  uns  meist  die  Mög- 
lichkeit genommen  ist,  zu  controliren,  wie  weit  die  üebereinstimmun- 
gen  dem  Zufall  ihren  Ursprung  verdanken,  wie  weit  sie  künstlich 
gemacht  sind.  Doch  sei  es  mir  erlaubt,  einige  F&lle  herauszugreifen, 
die  die  bewusste  Nachahmung  allzudeutlich  verrathen. 

Wir  wissen  aus  Liv.  29,  27,  14,  dass  Coelius  eine  poetisch 
ausnmlende  Schilderung  jener  Ueberfahrt  des  Scipio  von  Liljbaeum 
nach  Afiica  gegeben,  die  dem  Hannibalischen  Kriege  ein  rasches 
Ende  machen  sollte.  Alle  Bürger  und  die  anwesenden  Fremden 
strömten  an  den  Hafen  herab  29,  26,  7,  um  das  grossartige  Schaa- 
spiel  der  abfahrenden  Flotte  zu  gemessen.  Wem  fällt  hier  nicht 
Thuc.  6,  30,  2  ein,  wo  dasselbe  von  den  Athenern  gesagt  wird,  als 
deren  Flotte  zur  sicilischen  Expedition  abfuhr,  dass,  um  deren  Ab- 
fahrt anzusehen  6  fiXXoc  öjitXoc  äitac  6  dv  t^  iröXei  xal  äcrwv  xai 
Hvwy  in  den  Piraeeus  gezogen  sei?  Wem  bei  dem  feierlichen  Gebete 
und  Opfer  Scipios  vor  dem  versammelten  Heere,  ehe  die  Anker  ge- 
lichtet wurden,  nicht  der  gleiche  gottesdienstliche  Act  Thuc.  6,  32? 
An  das  ganze  Unternehmen  knüpft;  Coelius  eine  Bemerkung  an,  29, 
26,  1:  Viele  römische  Flotten,  sagt  er,  waren  aus  Sicilien  und  jenem 
Hafen  schon  ausgefahren;  aber  niemals  war  eine  so  gi*ossartig  ge- 
wesen. Zwar  war  die  Flotte  des  Begulus  im  früheren  Kriege,  die 
auch  hier  ausgefahren,  äusserlich  grösser,  aber  durch  die  Bedeutung, 
die  auf  die  jetzige  gelegt  war,  erregte  diese  ein  weit  grösseres  Auf- 
sehen. Thuc.  6,  31,  1  sagt:  Unter  allen  Flotten,  die  ein  hellenischer 
Staat  je  gesehen  hat,  war  die  hier  abgehende  die  kostspieligste  und 
grossartigste.  Zwar  war  die  Flotte  unter  Pericles  gegen  Epi- 
dauros  einst  keineswegs  kleiner  gewesen;  dieser  jetzige 
Zug  überragte  dieselbe  aber  dennoch  weit  durch  die  Be- 
deutung, die  ihm  zugemessen  war. 

Nicht  geringer  ist  die  Uebereinstimmung  bei  der  Schilderung 
der  Pest  in  Syracus,  Liv.  25,  26,  mit  der  Pest  in  Athen  Thuc.  2, 
51  f.  Thucydides  ist  abermals  nachgeahmt.  Man  verglqiche  Liv.  c. 
26,  8  curatio  ipsa  et  contactus  aegrorum  volgabat  morbos,  nt  aat 
neglecti  desertique  qui  incidissent  morerentur,  aut  adsidentis  curantis- 
que  eadem  vi  morbi  repletos  secum  traherent,  cotidianoque  funere 
et  mors  ob  oculos  esset,  et  undiqne  dies  noctesque  ploratus  andirentor 
mit  Thuc  2,  51,  4  beivötaTOV  hi  iravidc  f\\  toö  KaKoO  f^  t€  dOufLiia, 
ÖTi  ?T€poc  dq)*  ^T^pou  eepairdac  dva7rl^^TXd^evol  djcirep  xd  irpößaTa 
lOv^CKOV.  Ktti  TÖv  TrXcicrov  q)9öpov  toöto  dv€iTo(€i.  €!t€  xdp  jifi 
edXoieiv  b€biÖT€C  dXXtiXoic  Ttpoci^vai  dTriöXXuvro  dpflfuioi,  Kai  oiKfai 
TToXXai  dKevuiOricav  dirop^  toO  eepaireucavTcc  Der  Tod,  fiüirt 
dann  Thucydides  fort,  forderte  so  zahkeiche  Opfer,  dass  toc  öXo- 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Anüpater.  59 

q>upc€tc  Tuiv  dTTOTiTvoim^vujv  TeXeuxdiVTec  xai  o\  oiKCioi  iH^xajLivov 
\m6  ToO  noXXoö  KttKOö  vticui)üi€Voi.  —  öircpßioZo^^vou  tou  KttKoO  oi 
ävOpumoi  oux  Ixovrec  ö  xi  Y^vwvrai,  de  öXtTuipiav  dTpdrrovro  xai 
kpuiv  xai  öctujv  Ö)lio(u)c.  viS^oi  t€  irävTcc  JuvexapaxGTicav,  olc 
txp&vxo  TTpÖTcpov  7r€p\  TOC  TQcpdc,  iGaTTTOv  bfe  dbc  ?KacTOC  dbüvaxo. 
xai  iroXXot  elc  dvaicxövTouc  OiiKac  dTpiirovro  credvci  tuiv  imvf]" 
b€iuiv  h\ä  TÖ  cuxvouc  fjbTj  TrpOTeGvdvai  ccplciv.  Livius  gibt  das 
wieder:  postremo  ita  adBaetadine  mali  efferayerant  animos,  ut  non 
modo  lacrimis  iastoque  conplorata  prosequerentur  mortuos,  sed  ne 
efferrent  qaidem  ant  sepelirent,  iacerentque  strata  exanima  corpora  in 
confipectu  similem  mortem  exspectantiiim.  Beachtenswerth  ist  dabei, 
wie  Coelios  das  in  der  Vorlage  erwfthnte  ausmalend  steigert  und 
übertreibt  *Die  Menschen  verwilderten  so  weit/  hatte  Thucydides 
nur  gesagt,  ^dass  sie  sich  um  das  alte  Herkommen  bei  den  Be- 
erdigungen nicht  mehr  kümmerten  und  jeden  begruben,  wie  sie  gerade 
konnten,  selbst  schamlose  Mittel  nicht  scheuend',  und  hatte  dies  an- 
geführt durch  Beispiele,  wie  die  Leute  ihre  Todten  auf  fremde  Scheiter- 
haufen legten,  die  für  andere  errichtet  waren,  indem  sie  dieselben 
heimlich  vorher  anzündeten,  oder,  w&hrend  eine  andere  Leiche  ver- 
brannt wurde,  die  ihrige  oben  darauf  warfen  und  wegliefen.  Coelius 
macht  daraus^  dass  die  Leichen  überhaupt  nicht  beerdigt  wurden 
und  auf  der  Strasse  liegen  blieben.  Starke  Farben  aufzutragen  ist 
überhaupt  seine  Force.  Bei  der  Expedition  nach  Sicilien  hatte  Thucy- 
dides so  erw&hnt,  c.  30,  2,  dass  auch  die  Fremden  bei  der  Abfahrt 
an  den  Piraeeus  herabgezogen  seien,  um  das  Schauspiel  zu  gemessen. 
So  einfEUih  genügt  das  Coelius  noch  nicht:  bei  ihm  sind  die  Fremden 
eigens  aus  den  sicilischen  Stftdten  nach  Liljbaeum  gesandt,  der  ab- 
fahrenden Flotte  beizuwohnen.  Die  Scene  ist  so  malerischer  und 
grossartiger,  und  dennoch  ist  es  nicht  genug.  ^So  zog  denn,  wenn 
ich  so  sagen  darf,  die  gesammte  Yolksmasse  in  der  Stadt, 
Bürger  wie  Fremde,  an  den  Piraeeus  hinab',  war  der  genaue  Wort- 
laut in  Thucydides  gewesen.  Man  vergleiche  Liv.  29,  25,  4  Coelius 
ait:  tantam  multitudinem  conscendisse  naves,  ut  nemo  mortalium 
aut  in  Italia,  aut  in  Sicilia  relinqui  videretur. 

So  ist  denn  genügend  dargelegt,  dass  Thucydides  in  der  That 
des  Coelius  Darstellung  ein  Vorbild  gewesen;  vermuthlich  wird  auch 
der  viel  benützte  Silen  ein  solches  gewesen  sein,  der  wie  aus  den 
Livius  und  Polybius  gemeinsamen  Reden  der  dritten  Decade  hervor- 
geht, sein  Geschichtswerk  gleichfalls  rhetorisch  gehalten  hatte. 

Stilistisch  war  das  Vorbild  des  Coelius  Ennius.  Plernmque, 
sagt  Fronte  p.  14,  ad  orationem  faciendam  versus,  ad  versificandum 
oratio  magnum  adiuvat;  so  war  Coelius  naturgemäss  auf  Ennius  hin- 
gewiessen,  und  studiose  eum  aemulatus  est,  bezeugt  Fronte  p.  64. 
Die  Spuren  davon  sind  noch  vielfach  selbst  in  der  Ueberarbeitung, 
die  Coelius  durch  Liyius  erlitten  hat,  zu  erkennen,  nicht  nur  in  der 
sprachlichen  IJeb^reinstimmung  einer  Reihe  von  Ihmius-Fragmenten 


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60  Wilhelm  Sieglin: 

mit  LiviuSy  sondern  sogar  an  mehreren  Versen  und  Yersstttcken,  die 
in  LiviuB  und  Coelius  übergegaDgen  sind,  da  Coelius,  wie  aus  GelL 
10,  24,  6  ersichtlich  ist,  sich  sprachlich  eng  an  seine  Vorlage  an- 
geschlossen hat.  Die  bekannteste  Spur  dieser  dichterischen  Vorlage 
steht  Liv.  22,  50,  10  in  der  poetischen  Schilderung,  wie  nach  der 
Schlacht  bei  Cannae  Sempronius  Tuditanus  die  verzweifelnden  Römer 
im  kleinen  Lager  auffordert,  sich  durch  die  Menge  der  Feinde  durch- 
zuschlagen und  sich  dem  Staate  zu  erhalten. 

Haec  ubi  dicta  dedit  stringit  gladium  cuneoque 

Facto  per  medios  vadit 
hostes,  föhrt  Livius  fort,  schwerlich  hier  selber  dichtend,  unmittelbar 
vorher,  Liv.  22,  60,  9  findet  sich 

ut  si  nihil  obstet 

Disiicias. 
Liv.  21,  9,  3 

arma]  nee  Hannibali  in  tanto  discnmine  rerum; 
vgl.  darüber  Hagen,  J.  f.  cl.  Ph.  CIX  (1874),  p.  276.  Grösser  ist 
die  Anzahl  der  Ennianischen  Fragmente,  die  hier  Beachtung  verdienen. 
In  seiner  Bede  vor  der  Schlacht  am  Tidn  versprach  Hannibal 
den  carthagischen  Bundesgenossen,  wenn  sie  sich  tapfer  halten,  Liv. 
21,  45,  6,  qui  sociorum  oives  Carthaginiensium  fieri  vellent,  pote- 
statem  facturum.  Böttcher,  Die  Quellen  des  Livius,  p.  398  hat  Ifingst 
nachgewiesen,  dass  die  Livius  hier  vorliegende  Quelle  römischen 
Ursprungs  ist.  Die  Vorlage  der  citirten  Stelle  findet  sich  Ennius 
V.  284  V. 

Hostem  qui  feriet  mihi  erit  Carthaginiensis 
Quisquis  erit. 

Nun  nähern  sich  die  Heere.  Ausgemalt  wird  die  allmfthlige 
Berührung  der  Gegner,  die  beide  von  ihrer  geringen  Entfernung  noch 
nichts  wissen.  Von  dem  Fusstritt  der  Massen  erhebt  sich  mächtiger 
Staab;  nun  erst  erkennen  beide  Parteien  ihre  Nähe:  Enn.  286 

lamque  fere  pulvis  ad  coelum  vasta  videtur. 
Breiter  in  Liv.  21,  46,  4  densior  deinde  incessu  tot  hominum  equorum- 
que  oriens  pulvis  propinquantium  hominum  fuit. 

Von  dramatischer  Wirkung  ist  die  Schilderung  des  üeberfalls 
von  Syracus  durch  Marcellus  Liv.  26,  24«  Marcellus  hatte  in  Er- 
fahrung gebracht,  dass  die  Sjracusaner  ein  grosses  Fest  der  Artemis 
feiern,  verbunden  mit  Festmahl  und  Trinkgelage.  Dieses  und  dessen 
Wirkungen  will  er  ausnützen.  Er  wartet  die  Nacht  ab,  bis  die  Bürger 
vom  Trinken  und  vom  Festtaumel  überwältigt  in  sichern  Schlaf 
versunken  waren.  Alles  geht  nach  Wunsch:  magna  pars  hostium  in 
turribus  epulati  aut  sopiti  vino  erant  aut  semigraves  potabant.  Auch 
Ennius  hatte  die  Scene  so  malend  gegeben  v.  291: 

nunc  hostis  vino  domiti  somnoque  sepultL 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Antipaier.  61 

Man  beachte  dabei,  wie  oft  des  Ennins  Fragmente  gerade  da 
eintreten,  wo  wir  in  Livins  lebhafte  dramatische  Schilderang  haben. 

Liv.  29,  27,  14  berichtet  von  der  üeberfahrt  Scipios  nach 
AfrÜEa,  dass  die  meisten  Schriftsteller  sie  als  rahig  yerlaafen  hin- 
stellen, Coelins  dagegen  von  einem  grossen  Sturme  wisse  ^  und  dass 
Scipios  Soldaten  com  ingenti  tamalta  in  terram  (Africam)  evasisse. 
In  frappanter  üebereinstimmung  befinden  sich  damit  des  Ennius 
Worte  V.  311: 

Africa  terribili  tremit  horrida  terra  tiunaltu. 
Y.  310  lautet,  yermathlich  auch  hierher  gehörend: 

navibus  explebant  sese  terrasqne  replebant. 

In  der  Relation  des  Coelius  sind  einfach  die  Reiseabenteuer  des 
Octayius  Liv.  30,  24  auf  Scipio  übertragen.  Eine  etwas  bedenkliche 
Freiheit  in  der  Verwendung  des  Stoffes,  nxir  am  mehr  Effect  zu  er- 
zielen, ist  bei  Ennius  nichts  fremdes;  vgl.  meine  Abhandlung,  Die 
Chronologie  der  Belagerung  von  Sagunt  p.  28 — 35.  Wenn  unsere 
Vermuihung  nicht  trügt,  so  ist  die  von  den  andern  Schriftstellern 
abweichende  Darstellung  der  Expedition  des  Scipio  durch  Coelius 
nach  seinem  ersten  Theile  (der  Abfahrt)  nach  Thucjdides,  nach  dem 
zweiten  (der  Üeberfahrt)  nach  Ennius  zusammengesetzt. 

Auch  hier  verzichten  wir  darauf,  alle  Fälle  aufruzählen,  in  denen 
sich  üebereinstunmung  zwischen  Ennius  und  Coelius  beziehungsweise 
lävins  zeigt,. weil  sich  zn  häufig  unserer  Controle  entzieht,  ob  die 
üebereinstimmang  auf  einer  Benützung  des  Ennius  durch  Coelius 
bemht,  oder  ob  sie  etwa  von  einer  gemeinsamen  Quelle  herrührt. 
Auf  einem  Gebiete  so  difßcüer  Art  wie  das  vorliegende  ist  Vorsicht 
anzuwenden.  Doch  Einen  Werth  haben  diese  Parallelen  immer,  der 
für  QueUenuntersuchungen  von  nicht  zu  unterschätzender  Wichtig- 
keit ist:  wir  erhalten  daraus  Mittheilung  über  das  Alter  der  beiden 
Autoren  gemeinsamen  Begebenheiten  und  Aufstellungen,  ob  sie 
Eigenthum  des  Coelius ,  oder  ob  sie  früheren  Datums  sind. 

So  ist  es  von  Interesse  zu  erfahren,  dass  die  Charakterschilderung, 
die  Liv.  21,  4  vonHannibal  gibt,  Ennius  schon  gab.  Den  Hunger  und 
den  Durst  rühmt  darin  Livius,  konnte  Hannibal,  wie  alle  körper- 
lichen Bedürfhisse  in  hervorragendem  Maasse  bezwingen.  Silius 
Italicas,  der,  wie  wir  seit  Wezels^')  und  Heynachers^®)  Untersuchungen 
wissen,  den  Ennius  in  umfangreichen  Maasse  benützte,  drückt  sich 
dabei  über  die  Ertragung  des  Durstes  aus  1,  260: 

Exercetque  sitim  et  spectato  fönte  recedii 
In  Ennius  findet  sich  v.  546 : 

Contempsit  fontes  quibus  sese  erugit  aquae  vis. 


*^  E.  Wesel,  De  C.  Silii  Italic!  com  fontibus,  tum  exem^lis.  Lipa.  1873. 

^^  M.  Heynacher,  üeber  die  Stellung  des  Silius  ItalicuB  unter  den 
Quellen  zum  zweiten  punischen  Kriege.  Berlin,  Weidmann  1877  (Pro- 
gramm der  Ilfelder  Elotterschule)  68  pp. 


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62  Wilhelm  Sieglio: 

Weiter  ersieht  man,  dass  die  Scene,  die  im  carthagischen  Senate 
nach  der  Schlacht  bei  Cannae  sich  abspielte,  wie  Mago  die  Siege 
seines  Bruders  aufzählte  und  zum  Beweise  einen  Scheffel  Ringe  in 
der  Curie  zu  den  Füssen  des  Senats  ausschüttete,  wie  da  höhnend 
einer  den  alten  Hanno  an  seine  düstem  Weissagungen  zu  Beginn  des 
Krieges  erinnerte,  die  sich  ja  so  treMch  erfüllt  haben,  und  dieser  zün- 
dend antwortet,  Liy.  23,  12 — 13,  dass  diese  Soene  in  Ennius  bereits 
ihren  Platz  fand.  Hanno  leugnete  darin  den  Sieg  über  die  Bömer, 
da  diese  selber  sich  noch  nicht  besiegt  geben,  da  keine  latinische 
Stadt  zu  Hannibal  übergegangen  sei  und  die  Bömer  noch  nicht  um 
Frieden  gebeten: 

Qui  vincit  non  est  yictor,  nisi  yictus  fatetur 
Enn.  y.  485 ;  und  Hanno  schliesst  bei  Ennius  mit  den  Worten  y.  486 : 
Den  Frieden  bekommen  wir  nicht 

Dum  quidem  unus  homo  Bomanus  toga  superescit 

In  Fabius  kann  diese  Schilderung  nicht  gestanden  haben,  da 
Coelius  der  erste  römische  Prosaiker  war,  der  selbstyerfasste  Reden 
in  sein  Geschichtswerk  aufiiahm;  Cato  hatte  nur  die  yon  ihm  persön- 
lich gehaltenen  Beden  in  die  Origines  übergehen  lassen«  Diejenigen 
Bruchstücke  yon  Beden  also,  die  sich  in  Coelius  und  Ennius  gemein- 
sam finden,  schliessen  ein  Entlehnen  yon  Fabius  aus:  Ennius  ist  in 
denselben  die  Vorlage  des  Coelius  gewesen. 


§3. 

Da  der  Zweck  der  yorliegenden  Abhandlung  nicht  ist,  Quellen- 
untersuchungen im  gewöhnlichen  Sinne  über  Coelius  anzustellen,  son- 
dern nur  die  Namen  seiner  Quellen  und  Hilfsmittel  soweit  zu  eruiren, 
als  sich  aus  den  Fragmenten  selbst,  beziehungsweise  aus  der  üeber- 
arbeitung  des  Werkes  durch  Liyius  ergibt,  so  ist  mit  dem  bisher 
Vorgebrachten  unsere  Aufgabe  erledigt.  Eine  interessant-e  Frage,  die 
bei  dem  Verhältnisse,  das  sich  yon  Seiten  des  Coelius  zu  Thucjdides 
und  Ennius  ergab,  doppelte  Aufmerksamkeit  erweckt,  deren  Beant- 
wortung für  künftige  Untersuchungen  yon  hoher  Bedeutung  wäre, 
konnten  wir  nur  flüchtig  berühren,  das  ist  das  Verhältniss  des  Coelius 
zu  Silen,  und  der  Einfluss,  den  dieser  auf  den  Innern  Ausbau  des 
Coelianischen  Werkes  einnahm.  Leider  ist  uns  jedoch  bis  jetzt  jede 
Möglichkeit  genommen,  irgend  etwas  sichereres  hierüber  aufzustellen. 
Durch  etwaige  directe  Zeugnisse  aus  dem  Alterthume  wissen  wir  so 
gut  wie  nichts  über  Silen;  Fragmente  sind  uns  nur  drei  als  dem 
Bellum  Hannibalicum  angehörig  überliefert,  zwei  Cic.  De  diy.  1, 24, 48, 
die  den  Traum  Hannibals  beim  Ebroübergange  und  einen  späteren 
Traum  am  Lacinischen  Vorgebirge  berichten,  ein  drittes  ohne  Be- 
deutung, Liy.  26,  49,  3,  in  dem  Silen  die  Zahl  der  bei  der  Einnahme 
Neucarthagos  544/210  erbeuteten  Scorpione  angibt. 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelias  Antipater.  63 

Was  nim  bei  diesem  gelingen  Material  philologische  Kritik  den- 
noch leisten  konnte,  hat  sie  getreulich  geleistet  Konnten  die  wenigen 
Fragmente  uns  auch  nichts  bieten  in  Beziehung  aof  den  Einfluss,  den 
Silen  auf  die  formelle  Gestaltung  des  Ooelianischen  Werkes  ausübte, 
wie  wir  es  Ton  Thucydides  noch  deutlich  festsetzen  konnten,  so  war 
die  Ausbeute  xmi  so  grösser,  die  dafür  für  die  Quellenfrage  sich  ergab. 

Seit  Nitzsch^s  scharfsinnigen  Untersuchungen  und  denen  seiner 
Schüler  Bujack  und  Böttcher,  die  einzig  von  dem  Traume  Hannibals 
am  Ebro  ausgehend  die  Spuren  Silens  immer  weiter  verfolgten,  indem 
sie  den  Traum  mit  der  gleichlautenden  Erz&hlung  in  Liyius  verglichen 
und  einer  Polemik,  die  sie  gegen  die  Geschichte  in  Poljbios  3,  47  fan- 
den; —  seit  diesen  haben  wir  gelernt,  dass  Silen  in  allen  Hannibal  und 
das  carthagische  Lager  betreiSienden  Ereignissen  von  Coelius  in  der 
umfassendsten  Weise  verwerthet  worden  ist,  und  andere  haben  ihre 
Arbeit  fortgesetzt.  Grosse  Stücke  aus  Livius,  Poljbius,  Dio-Zonaras 
wurden  herausgeschftlt,  in  denen  man  die  Chronü:  Silens  erkannte, 
und  wenn  auch  über  einzelne  Partien  sich  noch  Streit  erhebt  und 
femer  erheben  wird,  die  Grundlage  für  weitere  Forschungen  ist 
gelegt  Diese  Grundlage,  die  sich  jetzt  auf  eine  stattliche  Anzahl 
der  unzweideutigsten  Spuren  specifisch  carthagischer  Auffassung  in 
den  Geschichtswerken  des  Livius  und  Polybius  stützt,  ist  so  sicher, 
dass  sie  nicht  mehr  erschüttert  werden  kann,  selbst  dann  nicht, 
wenn  der  Ausgangspunkt,  von  dem  aus  sie  gewonnen  wurde,  nach- 
trSglich  in  unsicherem  Lichte  erscheinen  sollte. 

Der  Traum  am  Ebro,  der  in  Coelius  enthalten  aus  Silen  seinen 
Ursprung  genommen  haben  soll,  lautet  also:  ^Als  Hanniba]  Sagunt 
erobert  hatte  und  nun  den  Krieg  gegen  Bom  eröffiiete,  da  trftumte 
er  beim  Ueberschreiten  der  Grenze,  er  werde  von  Jupiter  in  die 
Götterversammlung  gerufen.  Hier  erhielt  er  den  Auftrag,  nach  Ita- 
lien zu  ziehen,  und  dort  den  Krieg  zu  führen.  Zugleich  wird  ihm 
einer  der  anwesenden  Götter  als  Führer  gegeben.  Hannibal  erhält 
die  Weisung,  diesem  zu  folgen,  wobei  ihm  jedoch  das  Verbot  auf- 
erlegt wird,  irgend  um  sich  zu  blicken.  Hannibal  folgt  dem  Gotte  mit 
einem  Heere,  und  eine  Zeit  lang  gehorcht  er  auch  dem  Gebote.  Hernach 
aber  vermag  er  sich  nioht  länger  zu  bezwingen;  er  verletzt  das  Gebot 
und  schaut  um  sich«  Da  sieht  er  einen  ungeheuren  Drachen,  der  alles 
um  sich  herum  verwüstet,  lärmend  und  tobend.  Hanniba  ist  ver- 
wundert und  fragt  den  Gott,  was  das  bedeute;  dieser  antwortet,  der 
Drache  und  sein  Thun  gehe  auf  ihn  und  bedeute  die  Verwüstung 
Italiens  durch  ihn:  im  übrigen  solle  er  guten  Muths  sein  und  der 
Zukunft  vertrauen'.  An  der  Form  der  Erzählung  ist  ein  Anstoss 
zu  nehmen.  Der  Gott  legt  Hannibal  das  Verbot  auf,  das  Göttliche 
durch  das  menschliche  Auge  nicht  zu  entweihen  und  nicht  um  sich 
zu  blicken;  Hannibal  bricht  das  Verbot;  und  was  ist  die  Strafe? 
Die  Aussicht,  in  Italien  grosse  Siege  zu  erfechten.  Hier  muss  eine 
Ungeschicklichkeit  in  der  Darstellung  vorliegen;  denn  so  formulirt 


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64  Wilhelm  Sieglin: 

widerspricht  die  Erzählung  aller  antiken  Anschanong.^^)  Eine  Strafe 
muss  hier  erfolgen,  wie  das  Beispiel  des  Orpheus  nnd  andere  zeigen. 
Suchen  wir  eine  solche,  so  kann  in  unserem  Falle,   wo  einerseits 
das  Streben  Hannibals  ist,  Italien  sich  za  unterwerfen,  andrerseits 
das  Schicksal  und  Thun  des  Drachen  ein  Vorbild  auf  diesen  ist,  die 
Strafe  nur  darin  bestehen,  dass  Hannibal  Italien  nicht  bezwingt  und 
unterwirft,  sondern,  wie  der  Drache  es  thut,  nur  verwüstet.    Die 
einfachste  Erklilrung  ist  die:  Solange  als  Hannibal  mit  dem  Gotte 
einherschreitet,  treibt  der  Drache  seine  Verwüstung.     Bricht  nun 
Hannibal  das  Gebot  früh,  so  kann  der  Drache  nur  wenig  verwüsten, 
Hannibals  Erfolge  in  Italien  werden  also  gering  sein;  bricht  er  ee 
sp&ter,   so  ist  die  Th&tigkeit  des  Drachen  iSnger  andauernd  und 
Hannibals  Erfolge  grösser.     Bricht  er  es  gar  nicht,  folgt  er  dem 
Gotte  bis  zu  Ende,  so  verwüstet  auch  der  Drache  bis  zu  Ende,  und 
Hannibals  Sieg  ist  ein  vollständiger.  Die  Strafe  für  Hannibal  Hegt  also  in 
der  ünvollst&ndigkeitdes  Sieges.  Diese  Erklärung  wird  durch  SiUus 
bestätigt,  der  3, 208  den  Traum  gleichfalls  erzählt^  und  die  Auffassung, 
dass  der  Grad  der  Verwüstung  des  Drachen  ein  Vorbild  auf  Hanni- 
bal sei,  theilt.    Er  legt  dem  Gotte  die  Worte  in  den  Mund  a.  a.  O.: 
Quant  US  per  campos  populatis  montibus  actas 
Contorquet  Silvas  squalenti  tergore  serpens. 
Et  late  humectat  terras  spumanti  veneno: 
Tantus  perdomitis  decurrens  Alpibus  atro 
Involves  beUo  ItaHam,  tabtoque  fragore 
Eruta  convulsis  prostemes  oppida  muris. 
Für  den  Fall,  dass  er  gehorche,  hatte  der  Gott  Hannibal  ver- 
heissen  3,  181: 

Bespexisse  veto;  monet  hoc  pater  ille  Deorum: 
Victorem  ante  altae  statuam  te  moenia  Bomae. 
Ist  diese  unsere  Deutung  richtig,  so  ist  klar,  dass  wir  bei  dem 
Traume  Hannibals  nicht  ein  historisches  Factum  vor  uns  haben, 
sondern  eine  Sage,  die  sich  nach  Beendigung  des  Krieges  gebildet. 
Dieselbe  ging  aus  von  dem  anfänglichen  Erfolge  Hannibals  und  dem 
Siege  bei  Cannae,  nach  welchem  dieser  statt  unverrückt  vorwärts 
dem  gesteckten  Ziele  entgegen  zu  gehen,  indem  er  Bom  angriff,  nach 
minder  wichtigen  Dingen  in  seinem  Bücken  schaute,  und  um  die  nutz- 
lose Kraft  unteritalischer  Städte  sich  mehr  kümmerte,  als  um  die  ita- 
lische Hauptstadt.  An  diese  Deutung  knüpft  sich  aber  eine  wichtige 
Consequenz.  Cicero  a.  a.  0.  gibt  an,  Coelius  habe  die  Erzählung  von 
dem  Traume  aus  Silen  entlehnt;  der  Glaube,  dass  dies  richtig  ist, 
wird  durch  dieselbe  erschüttert. 

Es  ist  etwas  gewagtes,  an  dem  festen  Boden  eines  solch  directen 
Zeugnisses  zu  rütteln,  und  nur  bei  zwingenden  Gründen  findet  es  seine 


*»)  Vgl.  Bucol.  8, 102 ;  Odyss.  10, 528 ;  AcBch.  Choeph.  99 ;  Theoer  24  91 
Ov.  Met.  1,  888;  899  u.  a.  '      * 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelius  Antipater.  65 

Bechifertigniig:  docli  glaube  ich,  dass  die  Bedenken,  die  sich  gegen 
Ciceros  Angabe  erheben,  mindestens  beachtenswerth  sind.  Der  Traum 
in  seiner  Weissagung  auf  den  Verlauf  des  Krieges  setzt  mit  unbeding- 
ter Nothwendigkeit  das  Ende  desselben  voraus;  Silen  starb  aber*^) 
vor  Beendigung  des  Krieges,  wie  auch  in  den  letzten  Btlchem  des 
Livius  jede  Spur  seiner  Darstellung  schwindet 

Schon  dieses  könnte  genügen.  Den  Traum  träumt  femer  Han- 
nibal  der  Carthager.  Es  ist  selbstverstftndlich,  dass  Gedanken  und 
Trftume,  die  Hannibal  gehabt  haben  soll,  den  Vorstellungen  ent- 
sprechen müssen,  von  denen  dieser  in  Wirkliphkeit  erfüllt  war.  So 
wenig  ein  Christ,  wenn  er  sich  in  einem  Traume  Gott  gegenüber 
denken  sollte,  diesen  sich  etwa  an  der  Seite  von  Muhammed  er- 
scheinen lassen  wird,  oder  von  griechischen  Göttern  begleitet,  so 
wenig  wird  Hannibal  sich  seine  Götter  anders  träumen,  als  mit 
seiner  Beligionsvorstellung  vereinbar  ist.  Nicht  als  ob  man  sich  an 
^Jupiter'  siossen  dürfte,  oder  an  Mercur,  dem  ^Jüngling  göttlicher 
Gestalt',  wie  ihn  Livius  nennt,  —  solche  Umschreibungen  für  phöni- 
cische  Namen  sind  wir  gewöhnt;  wir  dürfen  sie  nicht  anders  erwarten. 
Aber  Dinge,  wie  eine  Götterversammlung,  in  die  Hannibal  tritt,  aus 
deren  Händen  er  sein  Mandat  empfangt,  widersprechen  allen  cartha- 
giscben  Beligionsbegriffen  total;  ein  Mythus,  der  einen  derartigen 
Inhalt  hat,  kann  nicht  in  der  Umgebung  Hannibals  aufgekommen 
sein;  ein  Mann,  der  das  carthagische  Volk  und  Sitten  kennt,  kann  ein 
solches  Unding  seinen  Lesern  nicht  aufgetischt  haben.  Ist  also  die 
Krzfthlnng  eine  Sage,  so  kann  sie  nur  eine  nicht-carthagische,  eine  rö- 
mische, vielleicht  auch  eine  unteritalisehe  Sage  gewesen  sein,  und  ist, 
da  Coelius,  wie  wir  ja  wissen,  mündliche  Traditionen  gerne  in  sein 
Werk  aufnahm,  als  solche  in  dessen  Bellum  Punicum  gekommen. 

Dies  wird  äusserlioh  schon  dadurch  bestätigt,  dass  in  Dio-Zonaras 
der  Tranm  unter  den  römischen  Prodigien  steht  und  dort  eine 
die  Sagenbildung  deutlicher  verrathende  Einkleidung  sich  erhalten 
hat|  Zon.  8,  2^  p.  338  D.  T«j)  hk  'Avviß<)i  6iipla  mWä  koI  ärvwcTa 
TÖv  "Ißnpa  biaßaivovTi  irpoKaOriTncctTOy  Kai  öqnc  öveipou  i(p&)n\. 
Mit  unserer  Annahme  stimmt  aber  weiter  die  Thatsache  überein, 
dasB  die  beiden  Momente»  die  sich  in  der  Erzählung  von  dem  Traume 
finden,  einerseits  der  Drache  und  Mercur,  die  Hannibal  zu  Anüeuig 
den  Weg  zeigen,  andrerseits  die  Vorbedeutung,  dass  dasjenige,  was 
mit  dem  Drachen  vorgeht,  ein  Symbol  sein  soll  auf  die  Thaten  dessen, 
der  es  sebaut,  beide  auch  sonst  in  der  römisch-griechischen  Sage  er- 
scheinen. 

Das  erste  Moment  zeigt  sich  überraschend  ähnlich  noch  im 
selben  Kriege  bei  Scipio  dem  Aelteren,  als  dieser  die  das  Schicksal 


*^  Nep.  Hann.  18,  8  huiua  belli  geeta  multi  memoriae  prodidemnt, 
•ed  ex  bis  duo,  qui  cum  Hanmbale  in  castris  fderont  simnlqae  vixerunt, 
qnamdiu  fortuna  passa  est,  Silenns  et  Soailas  Lacedaemonius. 


Jthxb.  t  elAM.  Phil.  Sappl.  Bd.  ZI. 


>gle 


66  Wilhelm  Sieglin: 

des  Feldzugs  besiegelnde  That  vollbrachte  und  nach  Africa  über- 
setzte. Nach  der  Landung  zeigte  sich  vor  dem  Lager  Scipios  gleich- 
falls ein  Drache,  der  diesem  den  Weg  nach  Carthago  wies  und  ihm 
dorthin  voraneilte.  Scipio  erkannte  auch,  dass  dies  eine  Vorbe- 
deutung auf  ihn  sei  und  das  was  er  thun  solle;  er  folgte  der  gött- 
lichen Mahnung  und  brach  muthig  in  das  Innere  des  Landes  auf.'^) 

Aehnlich  zeigte  sich  als  Caesar  am  Bubikon  stand  und  zögerte, 
den  yerh&ngvoUen  Schritt  zu  thun  und  Überzusetzen,  plötzlich  eine  hohe 
Gestalt,  die  ihm  auf  dem  Wege  voranging  und  an  das  andere  Ufer 
hinüberschwebte,  Suet.  Caes.  32.  Ein  Drache  war  es  nicht  mehr, 
dazu  waren  die  Zeiten  zu  aufgeklSrt  geworden.  Im  übrigen  war  es 
wie  bei  Scipio:  die  Oestalt  entriss  einem  Soldaten  die  Tuba,  gab  das 
Zeichen  zum  Angriff  und  schwebte  voran.  Auf  denn,  rief  Caesar, 
die  Götter  wollen  es;  cunctanti  ostentum  tale  factum  est;  er  folgte 
dem  wunderbaren  Wesen  und  rückte  vor. 

Der  zweite  Theil  des  Traumes,  die  Vorbedeutung,  dass  die  Art, 
wie  der  Drache  sein  Wesen  treibt,  und  die  Zeitdauer,  wie  lange  er 
es  treibt,  Hannibals  Klopfe  in  Italien  darstellen,  findet  sich  gleich- 
falls in  einem  entscheidenden  Moment  der  römischen  Geschichte,  bei 
Begulus.  Als  dieser  in  Africa  landete,  zeigte  sich  ein  ungeheurer 
Drache  von  120  Fübs  Länge,  der,  ein  Symbol  der  harten  und  mör- 
derischen Kämpfe,  die  Born  mit  Carthago  bevorstanden  und  des  end- 
lichen Sieges  Borns,  anf&nglich  viele  Bömer  tödtete,  bis  er  endlich 
mit  Mühe  erlegt  wurde  Val.  Max.  1,  8  ext.  19;  Gell.  6, 3;  Liv.  Per.  18 ; 
Sü.  Ital.  6,  140  ff;  Sen.  epp.  82,  25;  Hin.  18,  14,  37.") 

Aehnliches  findet  sich  femer  Plut.  Alex.  24,  nur  dass  der  Drache 
hier  wieder  vertauscht  ist.  Als  Alexander  vor  Tyrus  lag,  träumt  er, 
ein  Satyr  zeige  sich  ihm,  den  er  fangen  wolle,  und  doch  vermochte 
er  es  nicht.  Immer  wieder  haschte  er  nach  ihm,  immer  entrann 
derselbe.  Endlich  nach  vieler  und  andauernder  Mühe  glückte  ihm 
der  Fang.  Besorgt  fragte  er  vom  Schlaf  erweckt  die  Seher  um  die 
Deutung.  Das  lange^  vergebliche  Haschen  zeigte  die  lange  Belage- 
rung von  Tyrus  an;  in  einer  Zeit,  wurde  ihm  zur  Antwort,  deren 
Ausdehnung  er  nach  dem  Fangen  des  Satyr  bemessen  könne,  werde 
er  Tyrus  einnehmen.  • 

Eine  interessante  Parallele   mit  Coelius   bietet   endlich   eine 


'*)  CasBius  Die  fr.  67,  68  p.  106  D.  xd  wX^icia  öpn  KaxaJcxövTec  crpa- 
TÖir€66v  T€  iy  imTr]bei{\}  iiroi/icavTO  xal  iröv  oötö  croupiOinaa  Trept^9paEav. 
Xdpaxac  ^ir'  ainö  toöt*  4v€TK<iM€voi.  dpxi  t€  KorcocciiacTO,  koI  bpdKuiv  itap 
aÖTÖ  M^ac  h\ä  ttJc  liri  ti?|v  Kapx^böva  (pcpoOoic  66o0  iTap€(picvc€v,  tüctc 
Kai  *K  toOtou  t6v  Cxtiriiuva  kctA  t^jv  ircpl  toütuiv  . . . .  teuroO  (pfifiiiv  ^- 
6apd|cavTa  itpo6updiTcpov  Tf|v  t€  x^po^  icopef^cai  Kai  Töte  nöXca  irpocfilHai. 

")  Einen  weiteren  f^all  Aesch.  Coeph.  626  ff.  übergehen  wir  als  zu 
unbedeutend,  in  welchem  Cljtemn&stra  trftamt,  ein  Drache  liege  an  ihrer 
Brust  und  trinke  ihr  Blut:  ihr  Tod  durch  ihren  Sohn  Orestes  war  damit 
angedeutet.  Immerhin  aber  sehen  wir  auch  aus  dieser  Enäblung,  wie  sehr 
in  der  griechisch-römischen  Sage  der  Drache  als  Symbol  des  Menschen 
beliebt  war. 

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Die  Fragmente  des  L.  GoeliiiB  Antipater.  67 

dentsche  Sage,  am  Niederrhein  zu  Hause,  die  sich  (mit  dieser  Quellen- 
angabe) in  Bechsteins  Märchensammlung  findet;  etwas  verkürzt,  wie 
leider  so  manches  andere  schöne  Lied,  in  Zuccalmaglio,  *  Deutsche 
Volkslieder'  p.  48.  So  kindllich  und  naiv  sie  ist,  mag  sie  doch  ihren 
Platz  hier  finden.  Ein  Reiter  hat  ein  Pferd,  das  hat  er  von  dem 
Herrn  Jesus  Christus  selber  als  Pathengescheiüc  erhalten.  Auf  diesem 
zieht  der  Reiter  fort  über  Land  und  wie  er  eine  Zeit  lang  geritten  ist, 
findet  er  eine  schOne  Feder  am  Boden  liegen.  Diese  will  er  auf- 
heben und  sich  damit  schmücken.  Das  Pferd  verbietet  es  ihm  aber 
und  er  ftlgt  sich  auch.  Bei  einer  zweiten  schöneren  Feder  wiederholt 
sich  dasselbe  Spiel;  auch  bei  einer  dritten,  noch  schöneren.  Bei 
dieser  jedoch  vermag  sich  der  Jüngling  nicht  mehr  zu  bezwingen; 
er  hebt  sie  trotz  des  Verbotes  auf.  Bald  kommt  er  in  eine  Stadt; 
da  ziehen  ihm  die  Bürger  jubelnd  entgegen  und  begrüssen  ihn  als 
König.  Das  Pferd  aber  spricht  zu  ihm:  Hättest  du  die  erste  Feder 
aufgehoben,  wärest  du  Oraf  geworden;  bei  der  zweiten  Herzog. 
Nun  da  du  die  dritte  gegen  mein  Verbot  nahmst,  bist  du  König 
geworden.  Hättest  du  auch  diesmal  gehorcht,  würdest  du  eine 
vierte  Feder  gefunden  haben,  bei  der  ich  dich  selber  aufforderte, 
sie  aufzunehmen;  dann  wäre  das  höchste  Ziel,  die  Kaiserkrone,  dein 
Lohn  gewesen.  Wir  haben  hier  denselben  Gedankengang  wie  Coelius. 
Die  Aehnlichkeit  liegt  nicht  nur  in  der  Steigerung  dessen,  das  dem 
Helden  zu  Theil  werden  soll,  die  sich  richtet  nach  dem  Grad  des 
Gehorsams,  sondern  wesentlich  auch  in  dem  charakteristischen  Merk- 
mal, dass  eine  gewisse  Gunsterweisung  dem  Helden  von  vornherein 
gesichert  ist,  selbst  für  den  Fall,  dass  derselbe  gleich  anfangs  sich 
gegen  das  göttliche  Verbot  vergeht,  und  dass  &ctisch  beide  Helden 
erst  unmittelbar  vor  dem  vollständigen  Erringen  ihres  Zieles  sich 
versündigen.  Ohne  Zweifel  steht  unsere  deutsche  Sage  in  einem 
Zusammenhange  mit  der  römischen,  der  natürlich  nicht  in  einem 
Entlehnen,  sondern  in  einem  gemeinsamen  Ursprünge  zu  suchen  ist 

Aus  diesen  Gründen  schliesse  ich,  dass  wir  eine  indogerma- 
nische Sage  vor  uns  haben,  die  uns  in  Coelius  in  einer  Bearbeitung 
vorliegt.  An  der  mannigfachen  Verschiedenheit  der  Form  der  vor- 
gebrachten Sagen  wird  sich  niemand  stossen,  der  Sagenbildungen 
bei  verschiedenen  Völkern  und  über  verschiedene  Zeiten  hinaus  ver- 
folgt hat.  Die  uns  hier  in  Coelius  vorliegende  Sage  ist  zusammen- 
gesetzt einerseits  aus  der  Form,  wie  sie  uns  bei  Scipio  und  Caesar 
entgegentritt,  andrerseits  aus  der  am  Rhein  erhaltenen  deutschen 
Sage.  Solche  Zusammensetzungen  und  Vermengungen  sind  gleich- 
fialls  etwas  ganz  gewöhnliches ,  man  sehe  nur  die  zahlreichen  Bei- 
spiele in  J.  G.  V.  Hahn,  Griechische  und  Albanesiche  Märchen,  2  TheilC; 
Leipzig  1864  und  andenu 

Jedermann  wird  uns  jetzt  mit  unserer  Auffassung  beistimmen, 
wenn  nur  nicht  das  Zeugniss  des  Cicero  wäre,  das  unserer  Aus- 
einandersetzung widerspricht 

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68  Wilhelm  Sieglin: 

Woher  hat  jedoch  Cicero  die  Eenntniss,  woraus  Coelias  seine 
Erz&hlung  genommen?  Selbst  wird  Coelius  den  Bilen  hier  schwer- 
lich citirt  haben;  jedermann  weiss,  dass  die  Alten  nnr  citiren^  wenn 
sie  die  Ansicht  ihrer  Quellen  bekilmpfen  und  zn  einer  Bek&mpfdng 
lag  hier  kein  Grund  vor.  Nun  ist  aber  sicher,  dass  beim  Nieder- 
schreiben des  Fragments  Silen  dem  Cicero  nicht  yorgelegen  hat,  wie 
Wölfflin,  Antiochus  etc.  p.  25  evident  nachgewiesen.  Ciceros  An- 
gabe ist  also  nicht  aus  einem  Vergleiche  Silens  mit  Coelius  hervor- 
gegangen, sondern  ist  nur  eine  Vermuthung,  die  durch  die  Thatsache 
hervorgerufen  wurde,  dass  Coelins  allerdings  für  gewöhnlich  fast  in 
allen  die  Persönlichkeit  Hannibals  angehenden  Angelegenheiten  den 
Silen  seiner  Darstellung  zu  Grunde  gelegt  hat,  und  die  durch  den 
ZuüelU  noch  provocirt  wurde,  dass  Coelius  thatsSchlich  das  Fragment, 
das  Cicero  unmittelbar  vorher  besprach,  das  gleichfalls  einen 
Traum  Hannibals  (am  lacinischen  Vorgebirge)  behandelte,  aus 
Silen  geschöpft  hatte.  Eine  solche  Vermuthung  Ciceros  hat  aber 
wohl  eine  hohe  Wahrscheinlichkeit,  mit  der  wir  unter  allen  ümst&nden 
zu  rechnen  haben^  für  sich,  nicht  jedoch  die  Kraft  eines  endgültgen 
Beweises,  durch  den  Jedem  entgegenstehenden  Bedenken  die  Berech- 
tigung entzogen  werden  düifte.  Hat  sich  durch  die  Interpretation,  die 
wir  der  Erzählung  von  dem  Traume  Hannibals  am  Ebro  zukommen 
lassen  mussten^  dieselbe  als  eine  Sage  herausgestellt,  und  zwar  als 
eine  solche,  die  in  einem  Lande  entstanden,  das  mit  carthagischen 
Verhältnissen  weniger  vertraut  war,  so  ist  dies  von  einer  Bedeutung, 
die  der  des  Zeugnisses  von  Cicero  ebenbürtig  zur  Seite  steht  Wäh- 
rend wir  uns  aber  recht  gut  zu  erklären  vermögen,  wie  Cicero  dazu 
gekommen  sein  kann,  einen  Irrthum  zu  begehen,  können  wir  für  den 
Fall,  dass  Cicero  Recht  hätte,  die  jetzt  sich  erhebenden  Schwierig- 
keiten auf  keinerlei  Weise  hinwegräumen;  und  je  sorgfältiger  und 
genauer  wir  den  Traum  betrachten,  um  so  weniger  können  wir  dfes. 

Aus  mehreren  Fragmenten  und  den  in  diesem  Puncte  ganz 
richtigen  Untersuchungen  Gilberts  wissen  wir,  dass  Coelius,  vielfach 
sich  nicht  begnügend  mit  den  schriftlichen  Quellen,  die  ihm  zu  Ge- 
bote standen,  zu  mündlichen  Traditionen  gegriffen  hat.  In  der  Auf- 
nahme dieser  Sage  haben  wir  ein  weiteres  Beispiel  derselben.  Aus 
rhetorischen  Gründen  hat  aber  Coelius  den  Schluss  geändert;  er 
hat  nicht  die  Strafe,  aber  das  Aussprechen  der  Strafe  für  Hannibals 
Beginnen,  die  Verheissung  des  endlichen  Misserfolges,  flülen  lassen. 
Natürlich,  wenn  Hannibal  zum  Voraus  vom  Gotte  weiss,  dass  er 
nicht  siegen  wird,  unterlässt  er  lieber  den  ganzen  Krieg.  Coelius  hat 
darum  sich  begnügt,  den  Gott  erklären  zu  lassen:  Der  Drache  und 
sein  Thun  gehe  auf  ihn;  im  übrigen  solle  er  alles  dem  Schicksal 
überlassen.^')  Der  Schluss  ist  somit  etwas  matt  geworden,  aber  durch 

")  Dies,  dass  in  dem  Fragmente  die  Sage  verstAmmelt  vorliegt, 
ist  ein  weiterer  Beweis,  dass  sie  nicht  aas  Silen  ihren  Urspruns  ge- 
nommen haben  kann.    Ein  Schriftsteller,   der  das  Interesse   Cartnagos 


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Die  Fragmente  des  L.  Goelius  Antipater.  69 

die  Zweideutigkeit  des  Spruches,  die  sich  ergab,  die  nothwendig 
Hannihal  irre  fähren  musste,  ist  wenigstens  ein  verwendbarer  Er- 
satz geschaffen.  Hannibal  wurde  so  jener  Reihe  von  Männern  bei- 
gesellt, die  mit  Ejtösus  anhebt  und  dem  trügerischen  Spruche,  den 
dieser  vom  pythischen  Apollo  erhalten,  die  mit  Pyrrhus  schüesst. 
Nichts  wirkt  mehr  auf  das  menschliche  Oemüth,  als  wenn  Helden^ 
die  grosses  wollen,  aber  am  Ende  von  der  Uebermacht  der  entgegen- 
stehenden Gewalten  überwältigt  werden,  wir  von  trügerischem 
Orakelspruche  geblendet  und  getäuscht  sehen.  Diesen  Effect  wollte 
Goelius  mit  dem  neuen  Schlüsse  erzielen,  der  anders  unverständlich 
bleibt,  der  doppelt  unverständlich  wäre,  wenn  er  von  Silen  seinen 
Ursprung  hätte. 

Das  im  Vorausgegangenen  gewonnene  Resultat  in  Betreff  des 
Traumes  von  Hannibal  lässt  sich  praktisch  verwerthen  für  die  Fest- 
stellung der  Abfassungszeit  des  Bellum  Punicum  von  Seiten  des 
Goelius,  indem  sich  ergibt,  dass  Polybius  in  seinem  dritten  Buche 
auf  die  Erzählung  von  dem  Traume  Bezug  nimmt.  Goelius  hat  dem- 
nach vor  Poljbius  geschrieben.  3,  46,  8  polemisirt  Polybius  da- 
gegen, dass  es  Schriftsteller  gebe,  die  beim  Hannibalischen  Kriege 
Geouc  Ktti  GeOjv  iraibac  eic  TrpaT|iaTiKf|v  ktopiov  TrpoeicdTOuciv. 
Des  Poljbius  Worte  gehen  zweifellos  auf  Hannibals  Traum,  wie  all- 
gemein anerkannt  ist^  Nitzsch,  römische  Annalistik  p.  15;  Böttcher, 
Quellen  des  Livius  p.  378;  Wölfflin,  T.  Liv.  Lib.  XXI,  p.  XXIII;  Peter 
a.  a.  0.  p.  CGXXL  Mit  den  Oeoi  ist  die  Götterversfunmlung,  mit 
9€uiv  Tiaibec  der  Führer  gemeint,  der  Hannibal  den  Weg  zeigt.  So 
ist  kein  Zweifel,  dass  Poljbius  den  Goelius  vor  sich  gehabt  hat.  Nun 
schrieb  Poljbius  Buch  ni  und  die  folgenden  nach  Werner,  De  Poljbii 
vita  ac  itineribus,  Lips.  1877  p.  39  non  ante  annum  610/144,  nach 
Nitzsch,  Poljbius,  Kiel  1842  p.  137—138  und  Hertzberg,  Geschichte 
Griechenlands  I,  p.  302  in  den  Jahren  613/141—620/134.  Goelius 
hat  denmach  jedenfalls  vor  diesen  Jahren  sein  Werk  abgefMst. 

Es  ergibt  sich,  wenn  auch  nicht  sicher,  so  doch  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  noch  ein  genaueres  Datum.  Wir  haben  p.  55 
gezeigt,  dass  Goelius  eine  Einleitung  zum  Hannibalischen  Kriege 
gegeben.  In  dieser  sagt  Goelius  (Liv.  21,  1,  2):  neque  validiores 
opibus  ullae  inter  se  civitates  gentesque  contulerunt  arma,  neque 
bis  ipsis  tantum  unquam  virium  aut  roboris  fuit.  Goelius 
behauptet  also,  dass  bis  zu  seiner  Zeit  noch  das  römische  Beich  in 
den  Jahren  des  zweiten  punischen  Krieges  an  Quantität  (vires)  wie 
an  Qualität  (robur)  die  höchste  Macht  gehabt  habe.     Ich  glaube, 

vertrat,  wenn  er  den  Tadel,  der  in  der  Sage  auf  Hannibal  fällt,  ver- 
meiden wollte,  hätte  die  Geschichte  unterdrückt,  nicht  Jedoch  eine  vom 
carthagischen  Standpunkt  gelesen  gehaltlose  und  völlig  unverständliche 
Verstfimmelung  gegeben. 


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70  Wilhelm  Sieglin: 

daes  dorans  hervorgeht}  dass  Coelins  speciell  vor  dem  Jahre  608/146 
geschrieben  hat.  Denn  nach  dem  Jahre  608/146,  wo  das  römische 
Volk  nach  Zerstörung  von  Carthago  und  Eorinth^  Macedonien,  Achaia 
und  Afrika  unter  seine  BotmSssigkeit  brachte,  ist  der  Ausdruck  nicht 
mehr  wahr,  selbst  bei  der  grössten  Begeisterung^  die  ein  Mann  für 
die  Zeiten  des  zweiten  pimischen  Krieges  haben  konnte.  Borns  quan- 
titative Macht  hat  um  608/146  die  des  zweiten  punischen  Krieges 
weit  überragt,  die  qualitative  ist  erst  spftter  gesunken. 

Es  ist  wahr^  man  könnte  einen  Augenblick  an  die  Abnahme  der 
Bevolkertmg  Italiens  denken,  die  durch  die  Verheerungen  Hannibals 
erfolgt  war,  und  an  deren  Folgen  Italien  noch  lange  Jahre  zn- leiden 
hatte;  man  könnte  an  diese  denken,  um  auch  nach  der  Machtver- 
grösserung  des  zweiten  Jahrhunderts  des  Coelius  Behauptung  zu 
rechtfertigen.  Diese  Abnahme  war  jedoch  nm  das  Jahr  608/146 
bereits  wieder  ausgeglichen.  Von  270,213  römischen  Bürgern,  die 
im  Jahre  534/220  gezählt  wurden**),  war  im  Jahre  550/204,  als 
Hannibal  Italien  verliess,  die  Zahl  gesunken  gewesen  auf  214,000*^; 
im  Jahre  560/194  war  sie  jedoch  wieder  gestiegen  auf  243,704*^, 
566/188  anf  258,318*^),  um  bereits  580/174,  nicht  ein  Menschen- 
alter  nach  Beendigung  des  Krieges,  die  alte  St&rke  zu  erreichen  mit 
269,015  Bürgern.*^)  An  den  Verlust  von  Menschenleben  kann  so 
Coelius  nicht  gedacht  haben.  Seine  Behauptung  muss  demnach  vor 
der  Eroberung  Carthagos  und  Corinths,  d.  h.  vor  dem  Jahre,  in  dem 
Rom  seine  Weltherrschaft  sich  errang,  geschrieben  worden  sein. 

Coelius  Antipater  war  geboren  etwa  um  das  Jahr  574/180. 
Nach  Cic.  De  legg.  1,  2,  6  war  er  Pannii  aetati  coniunctus,  welch' 
letzterer  577/177  geboren  war;  Brutus  26,  96  rechnet  Cicero  den 
Coelius,  verglichen  mit  dem  Zeitalter  eines  C.  Papirius  Carbo  (ge- 
boren 591/163),  zu  den  *seniores';  und  Ähnlich  nach  Vell.  Pat.  2,  9,  4 
war  Coelius  vetustior  Sisenna,  als  dessen  ^aequalis'  noch  C.  Rutilius 
Rufus  (geboren  596/158)  im  selben  Zusammenhange  gilt.  Coelius 
war  demnach  etwa  32—34  Jahre  alt,  als  er  sein  Bellum  Poenicum 
niederschrieb,  im  selben  Alter  wie  Livius,  der  mit  32  Jahren  an 
seine  Aufgabe  heranging.  Um  634/120  schrieb  Coelius  seine 
Historien;  25  volle  Jahre  lagen  zwischen  der  Abfossung  seines 
ersten  und  seines  zweiten  Werkes.  In  die  Mitte  zwischen  beiden 
Werken  fiLllt  so  die  Veröffentlichung  von  den  Annalen  des  Piso 
(geb.  580/174).  Dieses  chronologische  Verhältniss  des  Piso  zu  Coelius 
scheint  Cicero  anzudeuten,  wenn  er  Brut.  26,  102  Coelius  vor  Piso 
erwfthnt;  De  legg.  1,  2,  6  nach  demselben.  Beide  Angaben  des  Cicero 
sind  richtig. 


**)  Liv.  Perioch.  XX. 

«•)  Liv.  29,  37,  6. 

'*)  Liv.  85,  9,  2;  Lange,  Bömische  Alterthüiner  II,  p.  20i  Anm.  1. 

•»)  Liv.  88,  36,  10. 

")  Liv.  42,  3. 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelios  Antipater.  71 

Wie  weit  die  Benützung  des  Coelius  durch  Polybius  sich  er- 
streckte, ob  es  eine  sporadische,  ob  es  eine  eingehende  war,  iässt  sich 
aus  den  Fragmenten  allein  nicht  ermessen;  die  Untersuchung  wird 
an  anderem  Orte  geftlhrt  und  von  uns  veröffentlicht  werden.  Für 
jetzt  ist  einzig  die  Thatsache  der  Benützung  zu  constatiren. 

Die  Ungunst  des  Schicksals,  die  es  mit  sich  gebracht  hat,  dass 
beide  Werke,  Coelius  und  der  grösste  Theil  von  Polybius,  uns  verloren 
gingen,  hat  auch  das  gefügt,  dass  von  den  erhaltenen  Fragmenten 
des  Coelius  nur  acht  solche  Ereignisse  schildern,  die  auch  in  Polybius 
erhalten  sind,  fr.  9,  12,  14,  16,  17,  18,  28,  57  P.  (fr.  6,  11,  12, 
13,  15,  16,  32,  46  S.).  Von  diesen  widersprechen  dem  Polybius 
drei  17,  18,  28  P.  (15,  16,  32  S.);  vier  finden  sich  selbst  dem 
Wortlaute  nach  in  Polybius  fr.  9,  14,  15,  57  P.  (6,  12,  13,  46  S.); 
das  achte  ir,  12  P.  (11  S.)  stimmt  mit  Polybius  überein,  ohne  dass 
dieser  jedoch  die  Sache  so  ausführlich  schildert  wie  Coelius.  Die 
vier  in  Polybius  erhaltenen  Fragmente  des  Coelius  zählen  wir  im 
Folgenden  auf. 

Coelius  hatte  die  Länge  des  von  Hannibal  zurückgelegten  Weges 
auf  dem  Marsche  von  Carthago  Nova  nach  Italien  angegeben  auf 
^duodeciens  centena  milia  passuum',  p.  15.  Diese  Berechnung  finden 
wir  unter  allen  Schriftstellern  .  allein  von  Polybius  übergenommen 
3,  39,  11  dicT*  clvai  touc  TtdvToc  ^k  Kaivfic  ttöXcujc  crabiouc  Tiepl 
^vvaKicxiXiouc^  oöc  Ibei  bieXOeiv  auTÖv. 

In  Betreff  des  Passes,  den  Hannibal  beim  üebersteigen  der 
Alpen  wählte,  waren  im  Alterthume  drei  verschiedene  Ansichten 
vorhanden.  Man  schwankte  zwischen  den  cottischen  (Mont  Gendvre), 
grajischen  (kl.  St.  Bernhard)  und  poeninischen  Alpen  (gr.  St.  Bern- 
hard). PoL  3,  56,  4  entschied  sich  für  die  grajischen,  Livius  für  die 
cottischen  21,  38,  6.  Polybius  theilte  so  die  Ansicht  des  Coelius,  der 
Liv.  21,  38,  7  Hannibal  gleichfalls  über  die  grajischen  Alpen  hatte 
ziehen  lassen, 

Coel.  fr.  p.  13,  11  Legati  quo  missi  sunt  veniunt,  dedicant  man- 
data  findet  sich  Pol.  3,  30,  9  TtapaT€VO|üi€VWV  tujv  'Puijiaiujv 
(irpecßeuTujv)  Kai  trapeXGövTujv  elc  tö  cuv^bpiov  xal 
biacaqpouvTUiv  raura. 

Coel.  fr.  p.  8,  1  ipse  cum  cetera  copia  pedetemptim  sequitur 
findet  sich  Pol.  14,  3,  4  so  gut  wie  wörtlich:  aÖTÖc  bk  TfjV  XoiirfjV 
CTpatidv  dvaXaßuiV  dtroieTTo  Tf|v  6pjLif|V  tiA  töv  'Acbpoußav.  — 
Toiaurac  fx^v  dmvoiac  ßdbriv  dtroieTTO  xfjv  Tropeiav.  *Pede- 
temptim'  ist  hier  mit  *ßdbTiv*  wiedergegeben.  Doch  ist  es  selbst- 
verständlich, dass  wir  auf  diese  vier  Fragmente  wenig  Werth  legen. 
Immerbin  scheint  Polybius  die  Coelianische  Einleitung  zum  Kriege 
eingesehen  und  einige  Gedanken  daraus  verwerthet  zu  haben.  Als 
Grund  des  Krieges  gibt  Coelius  in  Livius  an:  angebaut  ingentis  viri 
Spiritus  vimm  Sicilia  Sardiniaque  amissae,  nam  et  Siciliam  nimis  celeri 
desperatione  rerum  concessam,  et  Sardiniam  inter  motum  Africae  fraude 


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72  Wilhelm  Sieglin: 

Bomanorum  stipendiis  etiam  insuper  impositis  interceptam.  Florus 
1,  27, 1  gibt  das  wieder  mit:  urebat  nobilem  popalam  mare  ablatum, 
raptae  insnlae,  dare  tributa,  quae  iubere  consueverat.  Dieser  Satz 
findet  sich  unverändert  in  Folybins,  doch  nicht  zu  Livius,  sondern  zu 
Florus  hinneigend  3,  13,  1:  Kapxn^<5vioi  fCLQ  ßap^uic  jitv  fcpepov 
Kai  Tf|V  uTT^p  ZiKeXiac  fj-rrav,  cuv€7t^t€iv€  b*  aöruiv  Tf|V  öpT^v  td 
KttTd  Zopböva  Ktti  TÖ  Tuiv  cuvree^VTWv  xpr\\i&r{X)v  irXfleoc.  Vorher 
sich  mehr  Livius  nfthemd,  sagt  Polybius  (3,  9,  6)  vo|liict^oy  TipiüTTiv 
alTiav  ToO  TToXeiLiou  x^TOvevai  töv  'A|üi(Xkou  Ou^öv,  toO  Bdpxa 
dTTiKaXoujuievou.  '0  *A|üIiXkou  Ou/iöc  ist  dem  ^ingentis  viri  spiritus' 
nachgebildet,  üeberhaupt  scheint  bei  einer  Vergleichung  Coelius  für 
die  einleitenden  Bemerkungen  Pol.  3,  9  und  3,  11  (mehr  natürlich 
nicht)  im  wesentlichen  die  Grundlage  gebildet  zu  haben. 

Einige  sprachliche  Spuren  finden  sich,  dass  Polybius  yom 
dritten  Buche  an  eine  lateinisch  geschriebene  Quelle  mit- 
unter zu  Bathe  gezogen  hat.  Sie  finden  sich  in  Ausdrücken  wie 
'f|  xae*  f]|Liäc  edXacca'  für  *mare  nostrum'  3,  37,  6;  37,  10;  femer 
3,  39,  4,  in  einem  Capitel,  in  welchem  wir  schon  bei  der  Besprechung 
der  Fragmente  (p.  16  u.  71)  Spuren  von  Coelius  wahrgenommen  haben, 
unzweideutig.  Im  zweiten  Buche,  wo  Polybius  das  westmittelländische 
Meer  offc  genug  zu  nennen  hatte,  war  dessen  Name  noch  ^ZapbifOV 
TT^XaTOc'  gewesen,  oder  *Zik€Xik6v',  TußpnviKÖv',  wenn  es  noth- 
wendig  war  auch  ^XiKeXiKÖv  Kai  Tuß^riviKÖv',  aber  nie  ^tö  Ka6' 
f^äc'.  Der  Name  ^mare  nostrum'  kam  erst  im  zweiten  Jahrhundert 
auf^  als  das  westmitteUändische  Becken  durch  die  Eroberung  Spaniens 
und  Liguriens  fast  ein  römischer  Binnensee  geworden  war,  kann 
demnach  selbst  Fabius  Pictor  —  um  von  der  Sprache  abzusehen  — 
noch  nicht  entnommen  sein. 

Ferner  'ol  KeXrol  ol  ^m  tdbe*  3,  34,  4  für  'Galli  Cisalpini'. 
Dieses  letzte  Beispiel  ist  um  so  schlagender,  als  der  Abschnitt^  in 
dem  es  sich  befindet,  ursprünglich  carthagischer  Quelle  entstammt 
(Bött«cher,  QueUen  des  Livius^  §  4).  Der  Carthager  hatte  schwerlich 
Oallia  Cisalpina  gesagt  für  Gallien  südlich  der  Alpen,  sondern  ent- 
weder o\  iv  IraXicf  KeXroi  oder  oi  irepi  töv  TTdbov,  wie  auch  Poly- 
bius sie  gewöhnlich  nennt  im  Gegensatze  zu  ol  Tiepi  t^v  'Pobavöv'^). 
Den  Anschauungen  eines  Griechen,  der  in  Griecheuland  wohnt  und 
schreibt,  wäre  eine  solche  Bezeichnung  fremd,  und  in  den  Augen  des 
Carthagers  sind  ol  KeXroi  ol  im  rdbe  die  Bewohner  von  Narbo- 
neusis.  Wenn  das  Wort  trotzdem  in  diesem  Capitel  und  in  dieser 
Bedeutung  sich  findet,  ist  es  ein  Beweis,  dass  es  römische  Ueber- 
arbeitung  erlitten  hatte. 


••)  Hc^i  t6v  ndbov  2,  17,  8;  2,  19,  18;  2,  81,  8;  2,  86,  4;  3,  84,  2; 
8,  39,  10;  3,  47,  4;  —  ol  ^^  'haXi(f  1,  18,  4;  2,  18,  7;  —  ol  ircpl  t6v 
•Pobavöv  2,  22,  1. 


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Die  Fragmente  des  L.  Goelios  Antipater.  73 

§6. 

Wir  sind  mit  der  Behandlung  der  Fragmente  des  Coelius  zu 
Ende.  Wir  haben  uns  jetzt  ein  Gesammtbild  seiner  Persönlichkeit 
zusammenzustellen. 

Mit  dem  Kreise  der  Scipionen,  eines  Laelius,  F^nuius  und  ohne 
Zweifel  auch  Polybius  vertraut,  hat  Coelius  sich  die  Ideen,  die  in 
diesem  Kreise  herrschten^  angeeignet  Er  hat  erkannt,  dass  Geschichts- 
schreibung in  dem  Chroi^^stil  eines  Fabius,  Cincius  oder  Cato  werth- 
los  ist,  dass  einzig  die  pragmatische  Geschichte  Anspruch  auf  den 
Namen  Histonk  habe,  dass  aber  diese  bei  dem  Mangel  an  genügen- 
dem und  zuyerlSssigejn  Material  nur  dann  einen  Höhepunkt  erreichen 
kann,  wenn  der  Geschichtsschreiber  mit  der  selbsterlebten  Zeit  oder 
der  zunächst  Torhergehenden  sich  begnügt. 

Ein  junger  Mann  yon  einigen  30  Jahren  hat  er  sich  so  die 
Aufgabe  gestellt,  den  grössten  aller  Ejriege,  die  Bom  je  geführt,  den 
Hannibalischen  Krieg  zu  beschreiben,  der,  kaum  60  Jahre  beendet 
und  seitdem  durch  keine  bedeutende  Waffenthat  in  Schatten  gestellt, 
noch  in  frischem  Gedftchtniss  war.  Noch  lebten  in  Bom  eine  Beihe 
TOB  Mfinnem,  die  den  Krieg  selber  gesehen  hatten.  Ausgerüstet 
mit  nicht  unbedeutenden  Kenntnissen  in  der  griechischen  wie  in  der 
romischen  Literatur,  rhetorisch  gebildet^)  und  von  einem  hervor- 
ragenden Darstellungstalent,  das  auch  die  Alten  anerkannten'^), 
unterstützt  von  den  besten  HilfsmittelQ,  griff  er  sein  Werk  an,  das 
trotz  mannigfacher  Mftngel,  die  au  ihm  hafben  blieben,  einen  neuen 
Aufschwung  in  der  römischen  Historiographie  herbeiführen  sollte.'*) 

Die  Quellen,  die  Coelius  dieser  Erstlingsschrift  zu  Grunde  gelogt 
hat,  haben  wir  bereits  aufgezählt;  es  sind  die  Darstellungen  aller 
Parteien,  und  es  ist  dies  ein  Umstand,  der  von  vorn  herein  zu  Gunsten 
seiner  Wahrheitsliebe  spricht  Aus  dem  hohen  Lobe  aber,  das  ihm 
Livius  zu  Theil  werden  iSsst,  der,  so  oft  er  Coelius  nennt,  dessen 
Meinung  fast  niemals  zurückweist,  immer  mit  einer  Anerkennung 
aufftQirt,  die  um  so  beachtenswerther  ist,  wenn  wir  des  Livius  IJr- 
theile  z.  B.  über  Yalerius  Antias  und  andere  gegenüber  halten;  — 
aus  dem  Lobe  des  Livius,  sagen  wir,  und  dem  Umstände,  dass  selbst 
Polybius  ihn  zu  Bathe  gezogen  hat,  kö|men  wir  ermessen,  dass 
Coelius  mit  Gewissenhaftigkeit  und  Wahrheitsliebe  seine  Quellen 
benützt  hat.    Welch'  aufrichtige  Mühe  sich  Coelius  gegeben^  die 

■^  Brut  «6,  lOS  ftdt  ut  temp^oribus  illis  luculentos,  iuris  valde  peri- 
tofl,  moltormn  etiam  ut  L.  CrasBi  magister.  Pomp.  Dig.  1,  2,  2,  40  sed 
plus  eloquentiae  q^nam  adentiae  iuris  operam  dedit.  Cass  Coelius,  um 
dies  nebenbei  zu  bemerken,  praktischer  Advokat  war,  geht  aus  De  orat. 
2,  13,  65  hervor:  nemo  enim  atudet  eloquentiae  nostrorum  hominum,  nisi 
nt  in  camis  atque  in  foro  eluceat. 

'0  Oic.  De  Orat.  2,  12,  5i;  De  legg.  1,  2,  6;  Pompon.  a.  a.  0.;  Spart 
Hadr.  16,  6  p.  17,  1  P. 

••)  Cic.  a.  a.  0. 


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74  Wilhelm  Sieglin: 

Wahrheit  zu  erforechen,  zeigt  una  fr.  36  S.,  p.  86  (Liv.  27,  27,  11), 
wo  er  vom  Tode  des  Marcelltts  handelt  und,  nicht  zufrieden  mit  der 
Darstellung  des  eigenen  Sohnes  des  Marcellus,  da  sie  ihm  in  einigem 
unglaubhaft  erschien,  auch  nicht  mit  der  landlftufigen  Erzählung, 
die  seiner  Kritik  gleichfalls  Bedenken  einfKsste,  sich  eine  eigene  neue 
Ansicht  selbst  aus  diesen  combinirte.  Dass  er  aber  dabei  so  ehrlich 
war  und  dieses  sein  Thun  den  Lesern  offen  angab,  daraus  geht  her- 
vor, dass  er  sicli  der  Verantwortung  bewusst  war,  die  der  Geschichts- 
schreiber seinen  Lesern  gegenüber  zu  tragen  hat. 

Nicht  minder  erkennen  wir  seine  Wahrheitsliebe  aus  fr.  15  S,,  p.  82 
(Liv.  21,  46,  10)  in  dem  Bericht  von  der  Schlacht  am  Ticin  und  der 
Bettung  des  schwer  verwundeten  Consuls  Scipio,  wo  er,  entgegen 
der  Darstellung,  die  in  dem  Scipionenkreise  herrschte  und  in  Laelius 
hauptsächlich  ihren  Vertreter  fand  (Pol.  10,  3,  2),  die  das  Haupt- 
verdienst Scipios  Sohn,  dem  späteren  Africanus  zuschob,  und  ent- 
gegen seinen  persönlichen  Sympathien,  diesen  Ruhm  einem  ligu- 
rischen  Sclaven  gewahrt  wissen  wollte.^) 

Freilich,  zu  viel  darf  man  aus  diesem  Lobe,  das  Coelius  trifft, 
auch  wieder  nicht  schliessen;  am  wenigsten^  dass  es  ihm  etwa  in 
uneingeschränktem  Maasse  zuzuerkennen  sei.  Coelius  wollte 
gewiss  niemals  die  Unwahrheit  berichten  oder  gar  fischen  gegen 
sein  besseres  Wissen;  und  dennoch  hat  er,  so  paradox  es  klingt, 
Fetisch  manchmal  nicht  die  Wahrheit^  sondern  selbst  Erfundenes  vor- 
gebracht, Dieser  Widerspruch  hängt  mit  Coelius*  Absicht  zusammen, 
eine  lebendige  und  anschauliche  Darstellung  aller  einzelnen  Momente 
des  Krieges  seinen  Lesern  zu  gewähren,  eine  DarsteUung,  die  bis  in 
die  Details  geht  und  die  Details  malt 

Seine  Quellen  boten  Coelius  dazu  natürlich  keinen  Stoff;  diese 
waren  sänuntlich  viel  zu  kurz  gehalten  —  in  zwei  bis  drei  Büchern 
den  ganzen  Krieg  beschreibend;  —  so  hat  denn  Coelius  beim  Aus- 
malen wesentlich  sein  rhetorisches  Talent  zu  Hilfe  genonunen.  So- 
lange ja  nicht  das  Gegentheü  dessen,  was  man  schrieb,  überliefert 
war,  femd  Niemand  im  Alterthum^)  etwas  schlimmes  dabei,  wenn 
ein  Historiker  seine  Phantasie  in  der  Darstellung  lebendig  walten 
Hess.  Coelius  war  hier  das  Kind  seiner  Zeit;  wenn  er  fehl  ging, 
trifft  ihn  persönlich  kein  Vorwurf. 

Aus  demselben  Grunde  verdient  Coelius  keinen  Tadel,  wenn  er 
in  Syracus  die  Pest  zu  schildern  hatte,  und  die  Beschreibung  der- 
selben der  Thucjdideischen  nachbildete;  warum  sollte  es  unmöglich 


")  In  solchen  Zeichen  seiner  Selbständigkeit  und  Wahrheitsliebe 
findet  Gilbert  p.  462  'Eigensinn'  des  Coelius  und  das  Streben  'interessant 
sein  zu  wollen  . 

^)  So  sagt  noch  Qnintil,  10,  1,  81  historia  est  poesis  maxima  et'quo- 
dammodo  carmen  solutum,  et  scribitur  ad  narrandum,  non  ad  probandum^ 
und  Cicero  Brut.  11,  12  sogar:  quoniam  concessum'  est  rhetoribus 
ementiri  in  historiis,  ut  aliquid  dicere  possint  argutius. 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelios  Anüpaier.  75 

sein,  dass  die  äusseren  ümstSnde  der  Pest  in  Syracus  denen  zu 
Athen  ähnlich  gewesen  sind?  Oder  wenn  er  den  feierlichen  Moment 
der  Ab£&hrt  Scipios  yon  Liljbaeum  der  athenischen  Expedition  nach 
Sicilien  zum  Theil  nachbildet;  —  gegen  die  positive  historische  Ueber- 
liefening  hat  er  sich  dabei  ja  nicht  yerstossen«  Charakteristisch  aber 
ist  ftlr  Coelius  bei  dieser  Schildemng,  dass  er  wohl  das  Gewühl  und 
den  Lftrmen,  der  bei  der  Abfahrt  erfolgte,  in  drastischer,  yielleicht 
allzu  drastischer  Weise  schilderte:  Die  Vögel  am  Himmel  seien  vom 
Geschrei  der  Soldaten  zur  Erde  gefallen,  und  der  letzteren  seien  es 
so  yiele  gewesen,  dass  es  schien,  als  bleibe  in  ganz  Italien  oder 
Sicilien  kein  Mann  mehr  zurück;  —  aber  eine  bestimmte,  demgemftss 
yergrösserte  Zahl  der  Truppen  mit  Namen  zu  nennen,  wie  es  ein 
Valerius  Antias  gethan  hätte,  dazu  hat  er  doch  zu  grosse  Scheu.*^) 
Mit  welchem  Aufwand  yon  Kritik  und  welchem  Verständniss 
Coelius  bei  diesem  Streben  die  Wahrheit  zu  schreiben  nun  das  vor- 
handene Material  aus  seinen  Quellen  auszuwählen  wusste,  dies 
im  Einzelnen  zu  beurtheilen  fehlt  uns  leider  der  Anhalt.  Dass  er 
Kritik  anwandte,  zeigt  uns  der  Fall  mit  Marcellus  und  einige  Bei. 
spiele,  wo  er  Fabius  und  Silen  yerlassend,  sogar  zur  mündlichen 
Tradition  gegriffen  hat.  Im  Allgemeinen  scheint  aber  Coelius,  wenn 
wir  seine  Fragmente  vergleichen  mit  den  ihnen  entgegenstehenden 
Ansichten  anderer  Schrittsteller,*nicht  weniger  und  mehr  Verständniss 
gehabt  zu  haben,  als  ein  gut  gebildeter  Römer  seiner  Zeit,  um  Na- 
men zu  nennen,  als  etwa  Liyius,  der  das  eine  Mal  mit  guten  Argu- 
menten scheidet  zwischen  wahrscheinlichem  und  unwahrscheinlichem, 
das  andere  Mal  jedoch  desshalb  sich  fdr  eine  Angabe  bestimmen  lässt, 
weil  sie  seinem  römischen  Nationalbewusstsein  mehr  wohlthut,  oder 
weil  einfach  die  Mehrzahl  seiner  Quellen  diesen  Standpunkt  theilt. 
Jedenfalls  hat  Coelius  eine  Kritik,  —  dies  geht  aus  seiner  fast  naiven 
Abhängigkeit  von  Thucydides  und  seinem  Verhältnisse  zu  dem  Dicht- 
werke des  Ennius  hervor,  z.  6.  bei  der  mehrfach  erwähnten  üeber- 
fahrt  Scipios,  oder  bei  der  Belagerung  von  Sagunt  (Sieglin  a.  a.  0.),  — 
die  nur  bei  wichtigeren  und  grösseren  Dingen  einzutreten  sich  ver- 
anlasst fühlte,  die  Nebensächliches  nicht  bemerkt,  oder  als  zu  un- 
bedeutend ausser  Acht  lässt  Besonders  tritt  auch  ein  starker  Aber- 
glaube bei  ihm  zu  Tage;  vertrauensvoll  erzählt  er  uns  nicht  weniger 
als  4  Träume  (p.  36,2  —  37,  4),  die  von  der  Gottheit  den  Menschen 
geschickt  waren,  um  diesen  ihren  Willen  zu  verkünden;  er  berichtet 
uns   die  Prodigien  vor  der  Schlacht  am  Trasimensersee,  die  den 


'^  Den  nachfolgenden  Sturm,  den  Coelius  berichtet,  den  Lirius  an 
■einer  Darstellung  aussetzt,  weil  er  der  üeberlieferong  widerspreche,  die 
nur  von  einer  ruhigen  Üeber&hrt  wisse,  diesen  hat  Coelius  nicht  selbst 
dazu  gethan;  —  eine  solche  Eigenmftohtiffkeit  ^st  sich  von  ihm  nicht 
nachweisen.  Er  hat  ihn  in  Ennius  gefunden,  wie  zwei  erhaltene  Frag- 
mente beweisen  (p.  61^,  und,  weil  er  zu  der  begonnenen  poetischen 
Schilderung  passte,  diesem  nachgebildet. 


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76  '      Wilhelm  Sieglin: 

Bömem  ihre  Niederlage  vorher  gesagt^  imd  er  glaubt  dabei  ernst- 
haft;, das8  der  Untergang  des  Flaminius  und  des  gesammten  Heeres 
eine  Strafe  gewesen  sei  für  den  frevelhafben  Leichtsinn,  mit  denen 
der  Consul  sich  über  die  göttlichen  Warnungen  hinweg  gesetzt 
(p.  38, 5).  In  den  Historien  zeigt  sich  Coelius  noch  von  den  Schrecken 
und  Wundem  des  Avemersees  überzeugt  (p.  25,  3),  der  ja  den  Ein- 
gang zur  Hölle  bildete;  er  glaubt  noch  an  geschlechtliche  Verbindung 
der  Götter  mit  den  Menschen  (p.  30,  6).  Es  beruht  diese  Eigenthüm- 
licheit  des  Coelius,  man  mag  von  derselben  halten,  was  man  will^ 
zum  Theil  jedenfalls  auf  einem  gewissen  Mangel  an  ausreichender 
Kritik,  und  es  ist  dieselbe  um  so  auffallender,  als  Panaetius,  dessen 
Schule  Coelius  als  gebildeter  Bömer  und  besonders  als  Mitglied  des 
Exeises  der  Scipionen  wohl  genossen  haben  muss,  gegen  die  Mantik 
mit  Ernst  vorgegangen  war.  Doch  mag  dieser  religiöse  Olaube  des 
Coelius  kritisch  nicht  tiefer  stehen  als  der  Iftchelnerweckende  Batio- 
nalismus  eines  Piso. 

Der  Quelle  selber,  wenn  Coelius  sich  ihr  eixmial  dem  Inhalte 
nach  rückhaltslos  angeschlossen  hatte,  schloss  er  sich  nach  der  Sitte 
der  Alten,  der  sogar  Poljbius  huldigt,  auch  im  Wortlaut  an,  sie 
leicht  nach  seiner  Stilweise  färbend,  wie  das  Fragment  p.  22,  1 
verglichen  mit  Cato  zeigt.  Sonst  natürlich,  und  dies  war  bei  der 
ungemeinen  Verbreiterung,  die  er  mit  seinen  Quellen  anstellte,  und 
den  vielen  Beden,  die  er  selbstständig  in  die  Darstellung  aufnahm, 
das  gewöhnliche,  entwickelte  er  sich  ungezwungen  seinen  eigenen  Stil. 

Die  SorgMt,  die  er  auf  diesen  letzteren  verwandt,  ersehen  wir 
aus  Cic.  Orat  69,  229  (fr.  l).  Fronte  p.  62  rühmt  von  Coelius,  dass 
er  zu  den  Schriftstellern  gehöre,  die  in  laborem  studiumque  et  pericu- 
lum  verba  industhosius  quaerendi  sese  oommisere;  und  bei  diesem  Lobe 
berichtet  derselbe  p.  114  von  Coelius,  dass  seine  Sprache  einfach 
und  ungekünstelt  gewesen  sei^^  im  Gegensatze  zu  Cato,  der  Verbis 
multiiugis'  geschrieben  habe.  H.  Feter  p.  CXXXXVIIII  erklärt 
Verba  multiiuga'  richtig  mit  Häufung  von  Synonymen  und  führt 
als  passendes  Beipiel  dazu  auf  Cato  fr.  95a  F.:  Scio  solere  pleris- 
que  hominibus  rebus  secundis  atque  prolixis  atque  pro- 
speris  animum  excellere  atque  superbiam  atque  ferociam 
augescere  atque  crescere.  Als  Beispiel  der  knappen  Sprache  des 
Coelius,  an  der  zwei  Dinge  besonders  bemerkenswerth  sind,  die  asjm- 
detisch  neben  einander  gereihten  Sätze  und  das  constante  Praesens 
hiBtoricum  in  der  fortlaufenden  Erzählung,  stellen  wir  diesem  fr. 
p.  9,  3  gegenüber:  ipse  regis  eminus  equo  ferit  pectus  adversum, 
congenuculat  percussus,  deiicit  dominum;  oder  fr.  p.  13,  11  Legati 
quo  missi  sunt  veniunt,  dedicant  Jmandata;  und  besonders  ir.  p.  11,  6 
Omnes  simul  terram  cum  dassi  accedunt,  navibus  atque  scaphis  egre- 
diuntur,  castra  metati  signa  statuunt. 


'")  Historiam  quoque  Bcripsere— verbis  Cato  multiiugis,  Coelius  singulis. 

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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Antipater.  77 

Das  Praesens  historicum  ist  diejenige  Eigenthümlicbkeit  der 
Coeliamschen  Sprache,  die  tms  am  hSnfigsten  gegenttbertritt.  Der 
Procentsatz  genommen  ans  vereinzelten  Fragmenten  berechtigt  allein 
zwar  noch  zu  keinem  Rückschluss  auf  das  ganze  Werk;  aber  anf- 
fallend  genng  ist  es,  dass  gleich  in  sSmmtlichen  dem  Worüant 
nach  erhaltenen  Bmchstttcken  des  Goelius,  die  ans  der  fortlanfenden 
ErzShlnng  genommen  waren,  das  Praesens  steht,  fr.  8,  9,  12,  22,  30, 
32,  41,  44,  57  P.  (4,  6,  11,  20,  31,  34,  44,  46,  47).  Anch  diese, 
offenbar  mit  Absicht  angestrebte  Ausdrucksweise  bewirkt  eine  kurze, 
dabei  lebendige  und  anschauliche  Sprache,  eine  Sprache,  die  den  Leser 
fesselt,  und  die  CoeHus  weit  über  Cato  mit  seinen  schwerflllligen 
SStsen  stellt  oder  über  Piso,  dessen  Darstellnngsweise  wieder  allzu 
kunstlos,  fast  kindlich  za  nennen  ist 

Solche  Eigenschaften,  die  des  Goelius  Bellum  Punicum  nach 
seinem  Inhalte  wie  nach  seiner  Form  hatte,  sicherten  Goelius  auf  meh- 
rere Jahrhunderte  hinaus  hohes  Ansehen.  Es  trug  ihm  das  Lob  Giceros 
und  vollgültige  Anerkennung  von  Seiten  Frontos  ein.  Brutus  machte 
einen  Auszug  aus  ihm,  der  selbst  in  den  Buchhandel  kam  (Cic.  ad 
Att.  13,  8)  und  noch  im  zweiten  Jahrhundert  gelesen  wurde  (Fronte 
p.  253),  in  dem  die  Begeisterung  fOr  die  einfachere  Form  der  Siteren 
Literatur  wieder  allgemein  wurde.  Hadrian  zog  Goelius  selbst  dem 
Sallust  vor.  Spart  Hadr.  16,  6  p.  17, 1  P.  Junius  Paulus,  der  Freund 
des  Qellius  und  Gommentator  des  Afranius,  schrieb  einen  Gemmen- 
tar  zu  Goelius  Ghar.  p.  127;  143;  217;  und  die  Grammatiker  Gha- 
risius,  Priscian,  Gellius,  Nonius  haben  ihn  mit  Vorliebe  untersucht. 
Die  angesehensten  Historiker  haben  ihn  benützt,  Livius  und  Gassius 
Dio^;  selbst  Poljbius,  —  dieser  wohl  hauptsSchüch  wegen  des 
gleichen  politischen  Standpunktes  und  der  Menge  des  gesammelten 
und  gesichteten  Materials,  das  er  in  Goelius  finden  konnte  — ^  hat 
den  jüngeren  nicht  verschmfiht.  Nach  dem  Umfange  der  Bücher  zu 
schliessen  lag  Goelius  Yalerius  Antias  zu  Grunde;  vermuthlich  femer 
Plutarch*^  in  der  Vita  des  Fabius  und  theilweise  des  Marcellus^^); 
der  Quelle  des  Florus  und  Aurelius  Victor;  endlich  wurde  er  von 
Frontin**)  und  Valerius  Mazimus^^)  in  deren  Sammelwerken  zu 
Hathe  gezogen. 

Mit  dem  Ruhme,  den  ihm  sein  Bellum  Punicum  eintrug,  war 
Goelius  nicht  zufrieden.  In  höherem  Alter  befasste  er  sich,  beeinflusst 
von  der  Strömung,  die  in  der  Gracchenzeit  sich  in  den  wissenschaft- 
lichen Kreisen  allmShlich  immer  mehr  geltend  machte,  auch  mit  Alter- 

**)  Posner,  Quibus  anctoribuB  in  hello  Hannibalico  enarrando  usus 
sit  Dio  GassiuB.    Bonn  1874. 

^  Soltau,  De  fontibus  Plutarchi  in  secnndo  hello  Punico  enarrando. 
Bmm  1870. 

^  Soltao  a.  a.  0.  p.  69;  Wölfflin,  Antioohus  etc.  p.  28;  79. 

*^  Wölfflin  a.  a.  0.  p.  77. 

*^)  Peter  a.  a.  0.  p.  CCXXIV;  Kranz,  Beitr&ge  zur  Quellenkritik  des 
Valerius  Mazimus,  Posen  1876,  p.  24. 

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78  Wilhelm  Sieglin: 

thnmawiasenBohaft,  und  das  Product  dieser  Studien  waren  die  Histo- 
rien. Cato  war  der  erste  Römer  gewesen,  der  in  seinen  Origines 
nicht  nur  die  Urgeschichte  Borns,  sondern  auch  der  italischen  St&dte 
und  Völkerschaften  schilderte;  dessen  Vorgang  schloss  sich  Coelius 
an.  Er  sammelte  die  Oründungssagen  der  Mehrzahl  der  italischen 
Städte,  Oallia  Cisalpina  inbegriffen,  und  unter  Benutzung  yon  Cato, 
aber  auch  yon  Timaeus  und  Hepataeus  Hess  er  sich  über  dieselben 
aus.  Auch  über  den  Urspnmg  Roms  sprach  er  ausführlicher.  Als 
wesentliche  Tendenz  des  Werkes  erscheint  nebenbei  Griechenland 
mit  Bom  in  Verbindung  zu  bringen,  in  den  italischen  Städten  das 
Werk  griechischer  Ansiedler  zu  suchen  und  zu  erblicken.  Capua  soll 
nach  Coelius  von  Capjs,  dem  Trojaner  gegründet  sein,  fr.  9  S.;  die 
Marser  haben  ihren  Namen  yon  Medea  fr.  7  S.;  Bom  bringt  er  in 
Zusammenhang  mit  Hercules  und  Euander  fr.  3;  fr.  4  S.,  der  Sabiner 
Kunst,  den  Willen  der  Götter  zu  erforschen,  leitet  er  auf  den  Phryger 
MegaJes  zurück  fr.  3.  Diese  Sucht,  Italien  als  ein  Kind  Griechenlands, 
Italiens  Ciyilisation  als  ein  Geschenk  desselben  zu  betrachten,  lag 
in  dem  Zeitgeiste,  der  Bom  im  zweiten  Jahrhundert  beherrschte,  doch 
schmeichelte  der  Glaube  an  diese  Entwickelung  auch  wohl  dem 
Nationalbe wusstsein  des  Antipater,  der  das  Griechenblut  in  sich 
noch  fühlte.  Das  so  begonnene  Werk  setzte  Coelius  bis  in  die  histo- 
rische Zeit  fort,  jedenfalls  bis  in  die  Anfänge  des  Ständekampfes, 
und  yon  hier  an  war  dasselbe,  wie  das  Bellum  Pnnicum,  rhetorisch 
gehalten  (fr.  17  S.,  p.  92). 

Des  Coelius  Eigenthümlichkeit,  den  gegebenen  Stoff  zu  yerbrei- 
tem,  tritt  auch  bei  den  Historien  zu  Tage.  Hatte  Cato  in  3  Büchern 
die  Urgeschichte  yon  Gesammtitalien  (indusiye  Bom)  behandelt, 
so  that  es  Coelius  in  5;  und  war  Cato  im  ersten  folgenden  (yierten) 
Buche  bereits  bis  zum  Ende  des  ersten  punischen  Krieges  gelangt, 
so  war  Coelius  in  zwei  Büchern  kaum  bis  zu  den  Decemyiren  ge- 
langt. Wie  beim  Bellum  Funicum  zeigt  sich  hier  der  Einfluss  der 
Schrift  sofort  dadurch,  dass  mit  ihrem  Erscheinen  die  auffallend 
ausführliche  Behandlung  des  yorliegenden  Stoffes  unter  den  Histo- 
rikern sich  mehrt,  wie  wir  bereits  p.  44  dargelegt  haben*  Cato  hatte, 
wie  bemerkt,  im  yierten  Buche  den  ersten  punischen  Krieg  yoUendet; 
Cassius  Hemina  im  dritten;  Piso  im  dritten  oder  yierten:  bereits 
Cn.  Gellius  aber  gelangt  im  yierten  Buche  nur  noch  bis  zur  Ver- 
treibung der  Könige,  ist  im  fünfrehnten  erst  am  gallischen  Brande 
und  Valerius  Antias  ist  im  dritten  am  Tode  Numas.  Wie  yiel  die 
Historien  des  Coelius  selbst  in  der  Blüthezeit  der  römischen  Litteratur 
und  später  noch  gelesen  wurden,  haben  wir  gleichfiedls  p.  44  gezeigt. 

Von  glücklicheren  Nachfolgern  .ausgenützt  und  ausgeschrieben, 
yielleicht  auch  nicht  mit  der  anziehenden  Frische  yer^Eisst,  wie  seine 
Jugendarbeit,  das  Bellum  Funicum,  —  wer  will  es  wissen?  —  haben 
aber  die  Historien  auf  die  Länge  der  Jahrhunderte  nicht  den  Buhm 
yor  sich  hergetragen,  wie  Coelius'  erste  SchrifL    Fomponius  Jnris- 


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;Die  Fragmente  des  L.  Coeliua  Aniipater.  79 

consnlius  kannte  sie  noch;  von  einem  Mann  wie  diesem  und  in 
dem  Znsammenhange,  in  dem  er  die  Bemerkung  bringt,  kann  mit 
^Coelius,  qm  historias  conscripsit'  nur  die  Schrift  über  die  ältesten 
Zeiten  Roms,  nicht  der  zweite  pnnische  Krieg  gemeint  worden  sein. 
Dann  aber  theilte  sie  das  Schicksal  so  vieler  andern  und  wurde  yer- 
schollen.  Dass  sie  bald  selbst  dem  Namen  nach  vergessen  wurde, 
daran  war  wesentlich  ihr  eigenthttmlicher  Titel  Schuld,  ^Historien' 
in  der  griechischen  Bedeutung  von  *  Forschungen'.  Da  dieser  spftter 
nur  von  der  Geschichte  der  eigenen  Zeit  oder  der  unmittelbar  vorher 
gebraucht  wurde,  so  konnte  das  Bellum  Punicum  gleichfalls  mit 
diesem  Titel  benannt  worden  un4  eriüelt' denselben  auch  nachweis- 
lich reichlich.  Eine  Verwechslung  war  unter  diesen  umständen  unaus- 
bleiblich und  von  den  -verhänfniäbvollst^n  Folgen.  Ins  L^ben  rufen 
kennen  wir  die  Historien  des  Coelius  nicht  mehr.  Wenn  es  aber 
unserer  Schrift  gelungen  sein  seilte,  wenigstens  die  Thatsache  ihrer 
ehemaligen  Existenz  der  Vergessenheit  zu  entreissen,  so  ist  ihre 
Hanptanfgabe  erfüllt 


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L.  COELII  ANTIPATBI 

BELLI  POENICI  POSTERIORIS 

RELLIQUIAB. 


EX  LIB.  I. 
1. 
Cic.  Or.  69,  229  (p.  36,  l).  Sed  magnam  exercitationem  res 
flagitat,  ne  quid  eorum,  qui  genus  hoc  secuti  non  texLnerunt,  siinile 
faciamus,  ne  aut  verba  traiiciamas  aperte,  quo  melius  aut  cadat  aut  toI- 
vatur  oratio,  quod  se  L.  Coelius  Antipater  in  prooemio  belli  Punici  nisi 
necessario  facturum  negat  0  yirum  simplioem,  qui  nihil  nos  oelet, 
sapientem,  qui  serviendum  necessitati  putet  Sed  bic  omnino  mdis; 
nobis  autem  in  scribendo  atque  in  dicendo  necessitatis  excusatio  non 
probatur.  Nihil  est  enim  neoesse  et,  si  quid  esset,  id  necesse  tarnen 
non  erat  confiterL  Et  hie  quidem,  qui  hanc  a  Laelio,  ad  quem 
scripsit,  cui  se  purgat,  yeniam  petit,  et  utitur  ea  traiectione  yerbo- 
rum  et  nihilo  tarnen  aptius  explefc  concluditque  sententias. 


2. 

Prise.  Vm,  p.  383  H.  (p.  19,  4;  p.  67).    Coelius:  Ex  scriptis 
eorum  qui  yeri  arbitrantur. 

3. 
Prise.  Xm,  p.  8  H.  (p.  21,  11).  Coelius  in  I:  Antequam  Bareha 
perierat,  alii  rei  causa  in  Africam  missus. 


4. 

Prise,  vm,  p.  399  H.  (p,  20,  6).  Coelius  in  I:  Qui  intellegunt 
quae  fiant,  dissentiuntur. 

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W.  Sieglin:  Die  Fragmente  des  L.  Coelias  Antipater.  81 

5. 
Non.  p.  508  M^  (p.  13,  12).    Coelius  annali  libro  I:  Cum  iure 
sine  periculo  bellum  geri  poteratur. 


6. 
Kon.  p.  280  M.  (p.  13,  11).  Coelius  im  annaliuin  libro  I:  Legati 
quo  miasi  sunt  veniunt,  dedicant  mandata. 


7. 

Char.p.  143  K.  (p.  15, 2).  ^Saguntinorum'  Coelius,  ^Saguntinum' 
Sallustius,  ut  Paulus  in  Coelii  historia  libro  I  notat. 


8. 
Prise.  X  p.  510  H.  (p.  21,  9).    Coelius  in  I:   Qui  cum  is  ita 
foedus  icistis. 

9. 
Prise.  XUI,  p.  8  H.  (p.  21,  10).  Coelius  in  I:  Neque  ipsi  eos  alii 
modi  esse  atque  Hamilcar  dixit>  ostendere  possunt  aliter. 

10. 
Cic.  De  div.  1,  24,  49  (p.  36,  3;  p.  62  f.).  Hoc  item  in  Sileni,— 
quem  Coelius  sequitur  Graeca  historia  est;  is  autem  diligentissime  res 
Hannibalis  peraecutus  est:  Hannibalem,  cum  cepisset  Saguntum,  yisum 
esse  in  somnis  a  loye  in  deorum  concilium  vocari.  Quo  cum  venisset, 
Jovem  imperavisse,  ut  Italiae  bellum  inferret,  ducemque  ei  unum 
e  conciüo  datum,  quo  illum  utentem  cum  exercitu  progredi  coepisse. 
Tum  ei  ducem  illum  praecepisse,  ne  respiceret,  ülum  autem  id  diutius 
&cere  non  potuisse,  elatumque  cupiditate  respexisse:  tum  visam  belu- 
am  yastam  et  immanem,  circumplicatam  serpentibus,  quacunque  in- 
cederet,  omnia  arbusta,  virgulta,  tecta  pervertere.  Et  eum  admiratum 
quaesisse  de  deo,  quodnam  illud  esset  talemonstrum:  £t  deum  respon- 
disse,  yastitatem  esse  Italiae,  praecepisseque  ut  pergeret  protinus;  quid 
retro  atque  a  tergo  fieret,  ne  laborarei 


11. 
Char.  p.  203  K  (p.  15,  4).  Coelius  bistoriamm  I:  Sempronius^ 
Liljbaeo  celocem  in  Africam  mittit,  yisere  locum,  ubi  ezercitum^^^ 
ezponai 

J^hrb.  f.  olut.  PhUol.  Suppl.  Bd.  XI.  Digiti  J^  by  Google 


82  Wilhelm  Sieglin: 

12. 

Char.  p.  203  E.  (p.  16,  3).   Coelins  historianim  I:  Duodeciens 
centena  milia  passuum  longe. 


13. 
^  Liv.  21f  38,  6  (p.  71).  Tanrini  Oalliae  prozima  gens  erat  in 
Italiam  degresso  (HaimSbdU).  Id  cum  inter  omnes  constet,  eo  magis 
miror  ambigi,  quanam  Alpes  transierit,  et  vulgo  credere  Poenino  — 
atqne  inde  nomen  ei  iugo  Alpium  inditum  —  transgressum,  Coelium 
per  Cremonis  iugom  dicere  tranaisse;  qui  ambo  saltus  eom  non  in 
Taonnos  aed  per  SalasBOs  Montanes  ad  Libyoa  (}aUoe  deduzissent. 


14. 

Macrob.  Excerpt.  Bob.  p.  651  E.  (p.  23,  5).  Coelins  in  I:  ^Illia 
facilins  est  bellmn  tractare';  hoc  est  din  trahere. 


15. 
^        Liv.  21,  46, 10  (p.  73).  Servati  consnlis  [F,  CameUi  Sc^mnis  in 
prodio  Ticmensi]  decus  Coelins  ad  servum  natione  Ligurem  delegat. 
Malim  eqnidem  de  filio  verum  esse,  qnod  et  plures  tradidere  anctores 
et  fama  obtinnit. 


16. 
—  Liv.  21,  47,  4  Coelins  auctor  est  Magonem  ßpost  prodUim 
TMnense]  cnm  eqnitatn  et  Hispanis  peditibns  flnmen  extemplo 
transnasse;  ipsnm  Hannibalem  per  snperiora  Padi  vada  exercitum 
tradnxisse  elephantis  in  ordinem  ad  sustinendnm  impetum  fluminis 
oppositis. 


17. 

---  Cie.  De  deor.  nat.  2, 3, 8  (p.  38, 5).  C.  Plamininm  Coelins  religione 
negleeta  cecidisse  apud  Trasumennm  scribit  cnm  magno  rei  pnblicae 
vnlnere. 


18. 

^         Cic  De  div.  1, 35, 77  (p.  38, 6).  Quid?  Belle  Punico  secundo  nonne 

C.  FlamiBius  consiil  itemm  neglezit  signa  rernm  fvtnzamm  magna  cum 

elade  rei  publicae?  Qui  exercitu  luatrato  cnm  Arretium  veraus  aigna 

movisset  et  contra  Hannibalem  legiones  duceret,  et  ipse  et  equua  ^iuB 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelius  Antipater.  83 

ante  signom  lovis  Statoris  sine  cansa  repente  concidit,  nee  eam  rem 
habnit  religioni,  obiecto  signo,  ut  peritis  videbatnr,  ne  committeret 
proelinm.  Item  com  tripudio  anspicaretnr,  pullarius  diem  proelii  com- 
mittendi  differebat.  Tum  FlaminiuB  ex  eo  quaesiTit,  si  ne  postea 
qxddem  polli  pascerentnr,  quid  fiEMdendnm  censeiret.  Cum  ille  qoie- 
Bcendmn  respondisset,  FlaminioB :  ^praeelara  vero  anspioia,  si  eetirienti- 
boB  pnllia  res  geri  potent,  saturis  nihil  geretnr'.  Itaqne  signa  con- 
Yelli  et  se  seqni  iussit.  Quo  tempore  com  signifer  primi  hastati  signnm 
non  posset  movere  loco,  nee  quicqnam  proficeretor,  plnres  cnm 
aocederent,  Flaminins  re  nnntiata  suo  more  neglexit.  Itaque  tribus  üs 
horis  concians  exercitas  atque  ipse  interfectus  est.  Magnum  illud  etiam, 
quod  addidit  Coelins,  eo  tempore  ipso,  cum  hoc  calamitosum  {Hroelium 
fieret,  tantos  terrae  motns  in  Lignribus,  Oallia  oomplnribusque  in- 
sulis  totaque  in  Italia  factos  esse,  ut  multa  oppida  conruerint,  multis 
lods  labes  factae  sint,  terraeque  desederint,  fluminaque  in  contrarias 
partes  fluxerint  atque  in  amnes  mare  influxerit. 


!»•  637 

LiT.  22,  31,  8.  Ommum  prope  amiales  Fabium  d^tatorem  ad-g^y 

yersus  Hamdbalom  rem  gessisse  tradunt.  Coelius  etiam  eum  primum 

a  populo  oreatum  diotatorem  scribit. 


,      20. 
Prise  m,   p.  98   H.  (p.  18^  1).    Coelius  in  primo  hi8toria-2ie 
nun:  Dextimos  in  dextris  scuta  iubet  habere. 


21. 

Char.  p.  217  K.  (p.  16,  5).  Coelius  historiarum  I:  ^Commodum 
est,  satis  yidetur'.  Nee  enim  pro  ^sufficienti',  inquit  Paulus,  accipi 
debet,  sed  pro  'pari'  et  'aequo'. 

22. 
Non.  p.  176  M.  (p.  12,  9).    Coelius  annali  libro  I:  Primum 
male  publico  gratias  singulatdm  nominarL 

23. 
Char.  p.  120  K.  (p.  16,  7).    *Dii'  pro  'die'  sive  'diei'  Lucanus. 
Paolis  enim  in 

'labra  dia  somniqite  pares  ubi  feeerit  horas' 
corruptom  'die'  arguit,  'dii'que  aut  'dies'  potius  legendum  ease  de- 
fiiüt,  idque  in  Coeli  historia  libro  I  eum  disserere  deprehendes. 

6*  edby  Google 


84  Wilhelm  Sieglin: 

EXLIB.  IL 

24. 
|~         Gell.  N.  A.  10,  24,  6  (p.  22,  1).    Suppetit  etiam  Coelianiim 
illud  ex  Ubro  historiarum  secundo:  Si  vis  mihi  equitatom  dare  et 
ipse  com  oetero  exerdtu  me  soqui,  diequiuti  Bomae  in  Capitoliom 
curabo  tibi  cena  ait  coeta. 


25. 
Prise.  VI,  p.  198  H.  (p.  18,  2).    Coelins:  Nallae  nationi  tot, 
tantas,  tarn  continnas  victorias  tarn  breyi  spatio  datas  arbitror  quam 
vobis. 


26. 
—  Liy.  23,  6,  5.  Postremo  yindt  [Capuae]  sententia  plariam,  nt 
idem  legati,  qui  ad  consulem  Bomanum  ierant,  ad  Hannibalem 
mitterentur.  Quo  priasquam  iretur  ceirtuiaque  defectioiiis  consilium 
esset,  Bomam  legatos  missos  a  Gampanis  in  quibusdam  annalibas  in- 
venio  postulantes,  ut  alter  consol  Campanas  fieret,  si  rem  Bomanam 
adiuyari  vellent;  indignatione  orta  snbmoveri  a  curia  iussos  esse 
missumqne  lictorem,  qui  ex  urbe  educeret  eos  atque  eo  die  manere 
extra  finis  Romanos  iuberet  Quia  nimis  compar  Latinorum  quon- 
dam  postulatio  erat,  Coeliusque  et  alii  id  haud  sine  causa  praeter- 
miserant  scriptores,  ponere  pro  certo  sum  veritus. 


27. 
Cap.  De  orthogr.  p.  100  K.  (p.  23,  6),  ^Calva'  Kpdviov  Tocatur, 
licet  Coelius  et  Yarro  ^calvariam'  dicant. 


Char.  p.  54  K.  (p.  14,  1).    ^uoerum'  enim  Coelius  dixit 

EX  LIB.  m. 

29. 

^         GeU.  N.  A.  10,  1,  3  (p.  22,  2;  p.  61).     'Tertio'  et  'quarto 
^^^consul'  non  ^tertium  quartum'que,  idque  in  principio  libri  m  Coelium 
scripsisse. 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelius  Antipater.  85 


30. 
Prise.  YlLl,  p.  386  H.  (p.  19,  5).   Lucius  Coelius:  Ubi  senatusö.« 
intellexit  populum  depeculari. 


31. 
Non.  p*  98  M.  (p.  10,  5).    Coelius  annali  libro  III:  Imperator 
conclamat  de  medio,  ut  yelites  in  sinistro  comu  removeantur,  Gallis 
non  dubitatim  inmittantur. 


EX  LIB.  im. 

32. 
Liv.  26,  11,  8  Inde  [a  TtUia  flumine  Hannibäl]  ad  lucum51? 
Feroniae  pergit  ire,  templum  ea  tempestate  indutum  divitüs.  Cape- 
nates  aliique,  qui  accolae  eius  erant,  primitias  frugum  eo  donaque 
alia  pro  copia  portantes  multo  auro  argentoque  id  exomatum 
habebant.  lis  omnibus  donis  tum  spoliatum  templum.  Aens  acervi, 
cum  rudera  milites  religione  inducti  iacerent,  post  profectionem  Han- 
nibaHs  magni  inventL  Huius  populatio  templi  hatid  dubia  inter 
scriptores  est.  Coelius  Bomam  euntem  ab  Ereto  devertisse  eo  Han- 
nibalem  tradit,  iterque  eius  ab  Beate  Cutilüsque  et  ab  Amitemo 
orditur:  ex  Campania  in  Samnium,  inde  in  Paelignos  peirenisse, 
praeterque  oppidum  Sulmonem  in  Marrucinos  transisse,  inde  Albensi 
agro  in  Marsos,  hino  Amitemum  Forulosque  yicum  venisse. 


33. 
Non.  p.  108  M.  (p.  12,  7;  p.  14).  Coelius  Annali  libro  IIII:  ßes^ 
publica  amissa  exfundato  pulcherrimo  oppido. 


34. 
Prise.  Vim,  p.  484  H.  (p.  20,  8;  p.  49).     CoeHus  in  IIH: 
Custodibt»  diQcessis  multi  interficiuntur. 


EX  LEB.  V. 

35. 
Non.  p.  206  M.  (p.  13,  10;  p.  öl).    Coelius  annali  libro  V: 
Ad  aliquam  huic  bello  finem  facere. 


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86  Wilhelm  Sieglin: 

36. 
-—  Liy.  27, 27, 11  (p.  74).  Mors  Marcelli  cum  alioqui  miserabilis  fuit, 
tum  qaod  nee  pro  aetate  —  maior  enim  iam  sexaginta  annis  erat  — 
neque  pro  veteris  prudentia  ducis  tarn  improvide  se  conlegamqne  et 
prope  totam  rempublicam  in  praeceps  dederat  Mnltos  circa  unam 
rem  ambitus  fecerim,  si,  quae  de  Marcelli  morte  variant  auctores, 
omnia  exequi  velim.  üt  omittam  aHos,  Coelins  triplicem  gestae  rei 
originem  edit:  xmam  traditam  ÜEuna,  alteram  scriptam  landatione 
filii,  qni  rei  gestae  interfaerit,  tertiam  quam  ipse  pro  inqtiisita  ac 
Bibi  comperta  adfert  Ceterom  ita  fama  variat,  nt  tarnen  pleriqne 
loci  speculandi  causa  castris  egresstun,  omnes  insidiis  Gircumyentum 
tradant 

37. 
—  Liy.  28,  46,  14.  Eisdem  diebus  nayes  onerariae  Poenorom  ad 
octoginta  circa  Sardiniam  ab  Cn.  Octayio,  qui  proyinciae  praeerat, 
captae.  Captas  eas  Coelius  frumento  misso  ad  Hannibalem  conune- 
atuque  onnstas,  Valerins  praedam  Etmscam  Liguromqne  et  Monta- 
norum  captiyos  Carthaginem  portantis  tradii 

38. 
— -  Cic.  De  diy.  1, 24, 48  (p.  36, 2).  Hannibalem  Coelius  scribit,  cum 
columnam  auream,  quae  esset  in  fano  lunonis  Laciniae,  auferre  yellet, 
dubitaretque,  utrum  ea  solida  esset  an  extrinsecus  inaurata,  per- 
terebrayiflse,  cumque  solidam  inyenisset,  statuisse  tollere;  ei  secnndum 
quietem  yisam  esse  lunonem  praedicere,  ne  id  faceret,  minarique,  si 
fecisset,  se  curaturam,  ut  eum  quoque  ooulum,  quo  bene  videret, 
amitteret;  idque  ab  homine  acute  non  esse  neglectum.  Itaque  ex  eo 
auro,  quod  exterebratum  esset,  baculam  curasse  fadendam  et  eam  in 
summa  columna  conlocayisse. 

39. 
Prise.  VI,  p.  226  H.  (p.  18,  3;  p,  50).    Coelius  in  V:  Nullius 
alius  rei  nisi  amicitiae  eorum  causa. 


40. 
Prise.  Vm,  p.  432  H.  (p.  20,  7).    Coelius  in  V:  Mörbosum 
factum,  ut  ea  quae  oportuerint,  fsusta  non  sint. 

EX'  LIB.  VI. 
41. 
Non.  p.  157  M.  (p.  12,  8).    Coelius  amiali  libro  VI:  Consulto 


non  pauciens  arcessitum. 


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Die  Fragmente  des  L.  Coelins  Anidpater.  87 

42. 
Liv.  29,  26,  1  (p.  59;  p.  75).  QnaAtum  militmn  in  Africam  [a  P.^ 
Scipione]  transportatnm  sit,  non  parvo  numero  inter  aoctores  diadrepat. 
Alibi  decem  millia  peditum  duo  millia  et  dueentos  equites,  alibi  sedeoim 
millia  peditum  mille  et  sexcentos  equites,  alibi  parte  plns  dimidia 
rem  auctam,  quinqne  et  triginta  millia  peditnm  equitumque  in  naves 
imposita  invenio.  Qnidam  non  adiecere  nnmemm,  inter  qnos  me  ipse 
in  re  dubia  poni  malim.  Coelius  ut  abstinet  numero,  ita  ad  immen- 
snm  multitadinis  speciem  anget:  volucres  ad  terram  delapsas  clamore 
militom  ait,  atqne  tantam  mnltitndinem  ooneoendisse  naves,  nt  nemo 
mortalium  aut  in  Italia  ant  in  Sicilia  relinqni  videretur. 

43. 
Liv.  29, 27,  14  (p.  58;  p.  61).  Prosperam  navigationem  [P.Scipio-— 
ms  tn  Africam]  sine  terrore  ac  tmnnltn  fmsse  permultis  Graecis  Latinis-^^^ 
qae  anctoribns  credidi.  Coelins  praeterquam  quod  non  mersas  fluctibus 
naves,  ceteros  onmes  caelestis  maritimosque  terrores,  postremo  ab- 
reptam  tempestate  ab  Africa  classem  ad  insulam  Aegimumm^  inde 
aegre  correctnm  cnrsum  exponit,  et  prope  obrutis  navibns  iniussn 
imperatoris  scaphis,  band  secus  quam  naufragos,  milites  sine  armis 
cum  ingenti  tomnltu  in  terram  evasisse. 


44. 

Non.  p.  137  M.  (p.  11,  6).  Coelius  annali  libro  VI:  Omnes  simul— 
terram    cum  cla38i  accedunt^  navibus  atque  scaphis  egrediuntur, 
castra  metati  Signa  statuuAt. 

45. 
Liv.  29;  35,  2.   Duos  eodem  nomine  [Hannonis]  Cartbaginien-— 
siom  duces  duobus  equestribus  proelüs  [ad  Salaecam  urbemj  inter- 
fectos  non  onmes  auctores  sunt,  veriti,  credo,  ne  falleret  bis  relata 
eadem  res.    Coelius  quidem  et  Yalerias  captum  etiam  et  Hannonem 
tradunt. 


EX  LIB.  VII. 
46. 
NoB.  p.  29  M«  (p.  8;  1).   CoeUoB  amiaU:  Ipse  cum  cetera  copia!^ 
pedetemptim  aequitur« 

47. 
NoB.  p.B9  M.  (p.  9, 3).  Coelius  annali  libro  VII:  Ipse  regis  eminus^ 
equo  ferit  pectus  advorsum,  congenuculat  percussus,  deiicit  dominum.  ^^ 

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88  Wilhelm  Bieglin: 

48. 
Non.  p.  508  M.  (p.  13,  IB).    Coalias  annali  libro  YII:  Duos 
et  septuaginta  lictoris  domom  deportavisse  fwois,  qoi  dpctoribus 
hostiiini  ante  soluerint  fem. 


mCERTAE  8EDIS  PRAGMENTUM. 

49. 

Char.  p.  220  E.  (p.  16,  6),     ^Snbinde'  Nepos  de  illustribus 
viris  II,  sed  et  Brutus  et  Coelius  frequenter  eo  usi  sunt. 


L.  COELH  ANTIPATRI 

HISTOßlARUM  RELLIQüIAE. 


EX  LIB.  L 

1. 

Serv.  ad  Aen.  4, 206  (p.  27,  2).  Coeliufl :  Maurusü  qui  iuxta  Ooea* 
num  colunt. 


Plin.  N.  H.  2,  67,  169  (p.  24,  1).  Hanno  Carthaginis  potentia 
florente  circumvectus  a  Gadibus  ad  finem  Arabiae  navigationem  eam 
prodidit  scripto,  siout  ad  eiztera  Eioropae  noscenda  missus  eodem 
tempore  Himilco.  Praeterea  Nepos  Cornelius  auctor  e^t^  Eudoxum 
quendam  sua  aetate,  cum  Lathjrum  regem  fugeret,  Arabico  sinu 
egressum  Gades  usque  pervectum,  multoque  ante  eum  Coelius  Anti- 
pater  vidisse  se  qui  navigasset  ex  Hispania  in  Aethiopiam  commerci 
gratia. 


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Die  Fragmente  des  L.  GoeUus  Antipater.  89 

3. 

Soliiu  1;  7,  p.  7  M.  (p.  32,  2).  Cacus  habitavit  locum,  cui  Salinae 
Bomen  est:  ubi  Trigemina  nunc  porta.  Hie,  ut  Coelins  tradit,  cum  a 
TajTchone  Tyrrheno,  ad  quem  legatus  venerat,  missu  Marsyae  regis 
socio  Megale  Phryge,  custodiae  foret  datus,  frustratns  vincula  et  unde 
Yenerat  redux  praesidiis  amplioribus  occupato  circa  Yoltumum  et 
Campaniam  regno,  dum  attrectare  etiam  ea  audet^  quae  concesserant 
in  Arcadum  iura,  duce  Hercule  qui  tunc  foi*te  aderat,  oppressus  est. 
Megalen  Sabini  receperunt  disciplinam  augurandi  ab  eo  doctL  Suo 
quoque  numini  idem  Hercules  instituit  aram,  quae  maxima  apud 
ponldfices  habetur^  cum  se  ex  Nicostrate,  Euandri  matre,  quae  a  vati- 
cinio  Carmentis  dicta  est^  immortalem  comperisset.  Consaeptum  etiam 
intra  quod  ritus  sacrorum  factis  bovicidiis  docuit  Potitios,  sacellum 
Herculi  in  Boario  foro  est,  in  quo  argumenta  et  convivü  et  maiestatis 
ipsius  remanent. 


Strabo  5,3,3,p.230C.(p.33).  Aöxti  jLifev  oöv  f]  jnaXicxa  mcrevoiiivr] 
TiicTuijLitic  KTicic  dcriv.  fiXXti  bi  Tic  irpoT^pa  Kai  jüiuGuübric  'ApKabiicf|V 
XeTOuci  T€v^c0ai  Tf|V  ÄTToiKiav  ött'  Gödvbpou.  toutiu  b*  iTTiHevujOiivai 
TÖv  'HpaxXea  dXaiivovra  idc  ftipuövou  ßoOc.  ttu0Ö|li€Vov  bi,  ttic 
^^Tpöc  NiKOCTpdTTic  Tov  Guavbpov  (elvai  b*  airrf|V  jnavTiKfic  f iLiireipov) 
6ti  tä  'HpaKXeT  Treirpuifi^vov  fjv  leXecavTi  touc  fiOXouc  0€1|j  T€v^c9ai, 
q>päcai  b^  TTpdc  töv*  HpaKX^a  raOra  Kai  T^jiievoc  dvab€i2ai  xai  eOcai 
euciav  'eXXriviKyiv,  f)V  Kai  vOv  ?ti  q)uXdTT€C0ai  tä  'HpaKXei.  Kai 
6  je  KoiXioc,  6  tujv  Twjiaiujv  cuTTpa^pcuc,  toOto  TiGexai  crmeiov 
ToO  *6XXtiviKdv  elvai  KTiciiia  Tf|v  *Pu)|üitiv,  tö  irap*  aurfl  -rfiv  ird- 
Tpiov  Buciav  'eXXtiviKov  elvai  t^  'HpaKXei.  Kai  rfjv  jüinT^pa  bk  toO 
€udvbpou  njüidlci  Tuj^aToi,  jiiav  rdiv  vü|üi<p(Iiv  vofAicavTec,  Kapjüt^VTiiv 
M6Tovo|iacd€icav. 

EX  LIB.  m. 
5. 
Plin.  N.  H.  3,  19,  132  (p.  24,  2).  Alpes  in  longitudmem  du- 
centa  quinquaginta  milia  passuum  patere  a  supero  mari  ad  inferum 
Coelius  tradit,  Timagines  viginti  quinque  milibus  passuum  deductis; 
in  latitudinem  autem  Cornelius  Nepos  centum  milia;  T.  Livius  tria 
milia  stadiorum,  uterque  diversis  in  locis. 

6. 
Serv.  ad  Georg.  1,  77  (p.  30,  8).    Dicit  [Vergüius]  frumenta 
seienda  non  esse;  nam  licet  manu  legantur  et  sint  inter  legnmina: 
viribus  tarnen  fhuaentis  exaequantur.  Coelius  libro  tertio  seri  avenam 
ostendit. 


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90  Wilhelm  Sieglin: 

EX  LIB.  IV. 

7. 

Solin.  2,  28,  p.  42  M.  (p.  32, 1).  Coelius  Aeetae  tres  filias  dicit, 
Angitiam,  Medeam,  Circen.  Circen  Circeios  insedisse  montes,  carmi- 
num  maleficüs  varias  imaginum  facies  mentientem;  Angitiam  yicina 
Fucino  occupayisse  ibique  salubri  scientia  adversus  morbos  resisten- 
tem, cum  dedisset  homines  vivere,  deam  habitam;  Medeam  ab  lasone 
Buthroti  sepultam  filiamqne  eins  Marsis  imperasse. 

8. 
Quint.  1,  5,  61  (p.  34,  l).    Apud  Coelium  legimus  ^Pelia  cin- 
cinnatos'. 

EX  LIB.  V. 

9. 
Serv.  ad  Aen.  10,  145  (p.  29,  6).    Coelius  Troianum  Capyn 
condidisse  Capuam  tradidit,  eumque  fuisse  Aeneae  sobrinimu 

10. 
Serv.  ad  Aen.  6,  9  (p.  29, 4).  Coelius  de  Cumano  Apolline  ait:  Est 
in  fano  Signum  Apollinis  ligneum  altum  non  minus  pedes  quindecim. 


11. 
Plin.  N.  H.  31,  2,  21  (p.  25,  3).    Coelius  apud  nos  [iradü] 
in  Avemo  etiam  folia  subsidere;  Yarro  aves,  quae  adyolayerint,  emori. 


12. 

Serv.  ad  Georg.  2,  197  (p.  30,  6).  Saturi  locus  iuxta  Tarentum, 
quem  Coelius  in  quinto  libro  Historiarum  dicit  uomen  accepisse  a 
Satura  puella,  quam  Neptunus  compressit 


13. 

Serv.  ad  Aen.  3,  402  (p.  26,  l).  Hie  illa  ducis  Meliboei  parva 
Philoctetae  subnixa  Petelia  muro.]  Multi  ita  intelligunt,  non  Thi- 
loctetae  Petelia',  sed  Thiloctetae  muro';  nam  ait  Oato  a  Philocteta 
condita  iam  pridem  civitate  murum  tantum  factum.  Alii  ^subnixam' 
ideo  accipiunt,  quia  imposita  est  excelso  muro,  ut  CoeUus  histo- 
ricus  ait. 


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Die  Fragmente  des  L.  CoeUas  Antipater.  91 

EX  LIB.  VIL 
U. 

Cic  De  div.  1, 26, 56  (p.  37, 4).  Oinnes  hoc  historici,  Fabii,  Gellii,^ 
sed  proxume  Coelios:  Cum  bello  Latino  ludi  votivi  maximi  primuin 
fierent,  civitas  ad  arma  repente  est  excitata;  itaqae  ludis  intermissis 
instatiratiYi  constitati  sunt.  Qtii  antequam  fierent,  comque  iam  populus 
coneedisset,  serrüs  per  circum  cum  virgis  caederetnr^  forcam  ferens 
dactns  est.  Exin  cuidam  rustico  Romano  dormienti  yisus  est  venire 
qui  diceret,  praesulem  sibi  non  placnisse  ludis,  idque  ab  eodem  iussnm 
esse,  eum  senatai  nimtiare;  illiun  non  esse  ausum.  Iterom  esse  idem 
iussnm  et  monitum,  ne  vim  suam  experiri  vellet;  ne  tum  quidem  eum 
ausum.  Exin  filium  eins  esse  mortuum,  eandem  in  somnis  admoni- 
tionem  fnisse  tertiam.  Tum  illum  etiam  debilem  feu^tum  rem  ad 
amicos  detulisse,  quorum  de  sententia  lecticula  in  curiam  esse  dela- 
tum,  cumque  senatui  somnium  enarravisset,  pedibus  suis  salvum  do- 
mum  revertisse.  Itaque  somnio  comprobato  a  senatu  Indes  illos 
iterum  instauratos  memoriae  proditum  est.  C.  vero  Gracchus  multis 
dixit,  ut  scriptum  apud  eundem  Coelium  est,  sibi  in  somnis  quaestu- 
ram  petere  diMtanH  et  vUam  tranguiMam  guaermü  Tiberium  fratrem 
Visum  esse  dicere,  quam  yellet  cunotaretur^  tamen  eodem  sibi  leto, 
quo  ipse  interisset,  esse  pereundum.  Hoc  antequam  tribunus  plebi 
C.  Gracchus  factus  esset,  et  se  audisse  scribit  Coelius  et  dixisse 
multis. 

15. 

264 

Sery.  ad  Aen.  4,  390  (p.  27,  3;  p.  42).    Coelius  historiarum:— 
Delinquere  frumentum,  Satricum  hostes  tenere. 

16. 
Philar.  ad  Georg.  2,  345  (p.  31,  9;  p.  42).    Coelius  in  VII: 
Consuetudine  uxoris,  indulgitate  liberum. 


17. 

Festus  8.  T.  topper,  p.  352  M.  (p.  41).  Coelius  lib.  VII:  ita  uti  si 
se  quisque  vobis  studeat  aemulari  in  statu  reipublicae,  eadem  re  gesta 
topper  nihilo  minore  negotio  acto,  gratia  minor  esset. 


INCEBTAB  SEDIS  FRAGMENTA. 
18. 
SchoL  Veron.  ad  Aen.  5,  251  (p.  30,  7).   Lucretius  in  II:  Iam 
tibi  barbaricae  yestes  meliboeaque  f ulgens  Purpura.  Coelius :  Mean .... 

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92        Wilhelm  Sieglin:  Die  Fragmente  des  L.  Goelius  Antipater. 

factum  Meandro  duplici. . . .  lana  est  qualis.  a  Melibea. . . .  ut  yelum .... 
Sic  alius  enm  errantem,  alias  luden temdicit.  An  potius  dno  opera 
Meandri  in  chlamye^  texta?  Placet  hoc  magis. 


19. 

Anon.  de  dub.  nom.,  p.  590  E.  (p.  34,  4).    Salientes  aquarom 
generis  neiasculini,  ut  Coelius  ^perpetuum  salientem'. 

20. 

Quini  1,  6,  42  (p.  35,  2).    ^Parricidatum',  quod  in  Coelio  vix 
tolerabile  yidetur. 

21. 

Fest,  p,  181  (p.  42).  Cöc]lius  historiarum  ßibro cowci/tantur 

ocissime. 


Berichtigungen. 

S.  24,  Z.  10  y.  u.  lies  müibus  statt  milia, 
S.  31,  Z.  5  y.  n.  lies  4  Söhne  statt  3  Söhne. 
S.  33,  Z.  15  y.  o.  lies  aÜTiP|v  statt  aÖTÖv. 


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UEBER  DEN  GALLISCHEN  BRAND. 


EINE  QÜELLENERITISCHE  SKIZZE  ZUR  AELTEREN 
ROEMISCHEN  GESCHICHTE 


GEORG  THOURET. 

DB.  PHIL. 


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Dass  Bom  OL  98,  1  oder  98,  2,  nach  Niebuhr*)  OL  99,  3,  oder 
endlich,  wie  TJnger  will^,  OL  99, 4  von  einem  keltischen  Stamme  be- 
setzt worden  ist,  kann  als  eine  unzweifelhafte  Thatsache  bezeichnet 
werden.  Nicht  so  steht  es  meiner  Ansicht  nach  mit  dem  „Gallischen 
Brande''.  Einnahme  und  Brand  darf  man  aber  auseinanderhalten: 
deim  nach  den  übereinstimmenden  Zeugnissen  des  Alterthums  ist  Bom 
nicht  im  Sturm  erobert,  sondern  ohne  irgendwelchen  Widerstand 
den  Kelten  überlassen  worden.  Folgerichtig  wird  daher  die  Zerstö- 
rung der  Stadt  nicht  als  die  natürliche  Consequenz  der  Einnahme, 
sondern  als  ein  mit  Tollem  Bewusstsein  ausgeführter  Bacheakt  dar- 
gestellt 

Heutzutage  wird  Niemand  mehr  die  Utere  und  älteste  römische 
Geschichte  gerade  wegen  des  gallischen  Brandes  in  Zweifel  ziehen.') 
Da  das  Eapitol  jedenfalls  stehen  geblieben  ist,  so  darf  man  mit  Becht 
annehmen,  dass  ein  Theil  der  wichtigsten  Urkunden  der  Vernichtung 
entging.  Weniger  überzeugend  ist  es,  wenn  man  geltend  macht,  dass 
die  Bömer  vollkommen  Zeit  gehabt  hätten,  nicht  nur  Lebensmittel 
und  Kostbarkeiten^),  sondern  auch  die  werthvollsten  öffenttichen 
Denkmäler  und  schriftlichen  Aufzeichnungen  auf  die  Burg  zu  retten. 
Die  Gallier  besetzen  zwar  erst  am  vierten  Tage  nach  der  Schlacht 
an  der  AUia^)  die  Stadt,  aber  nach  dem  detaillirten  Bericht  Dio- 
dors^  yerweüen  sie  nur  einen  Tag  auf  dem  Schlachtfelde  und 
lagern  den  zweiten  und  dritten  über  bereits  vor  den  Thoren.  Dass 
dabei  an  ein  überlegtes  Bettungswerk  kaum  mehr  zu  denken  war, 
scheint  mir  auf  der  Hand  zu  liegen«'') 

Nun  wird  Jeder  zugeben,  dass  die  gallische  Verwüstung  weder 
in  der  Gesdhichte  noch  in  dem  Gedächtniss  der  Bömer  eine  grosse 
Bolle  gespielt  hat.  Die  E[atastrophe  geht  zwar  nicht  spurlos  an  der 
politischen  Machtstellung  Boms  vorüber,  aber  mit  Becht  hat  man 
sich  stets  über  die  unglaublich  schnelle  Erholung  des  Staates  ge- 
wundert 


>)  B.  G.  n  S.  684.  —  *)  S.-B.  der  Münch.  Ak.  1876  Heft  V  S.  66«  ff.  — 
*)  Ich  verweise  hier  auf  Bröckers  Unters,  üb.  d.  Glaubwürd.  der  altrOm. 
Gesch.  Basel  1866.  Kap.  1.  —  *)  Weiter  wiid  nach  Liv.  V  39, 10  u.  Diod. 
XIV  116, 4  Nichts  gerettet.  —  »)  Pol.  H  18  u.  Diod.  XIV 116, 6.  —  «)  XIV 
115,  5.  —  ^  Einen  andern  Auswe^^  schlägt  H.  Peter  vor.  Er  läast  (rell. 
^pnA,  p.  XXAVn)  wie  Manlios  Capit.  so  mehrere  andere  vornehme  Bömer 
(vor  allen  die  Fabii)  auf  dem  Eapitol  wohnen ,  um  die  „tablina^zu  retten. 

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96  Georg  Thouret: 

Auf  der  andern  Seite  ist  es  bekannt,  dass  noch  die  Schriftsteller 
der  ersten  Eaiserzeit  das  Vorhandensein  der  Originalurkunden  einiger 
Verträge  aus  der  Königszeit  und  der  nächstfolgenden  Epoche  der 
Republik  bezeugen^),  und  dass  sich  dem  allgemeinen  Glauben  nach 
in  Rom  Eunstdenkmäler  erhalten  haben,  deren  Beziehung  auf  Per- 
sonen oder  Ereignisse  lange  vor  der  gallischen  Verwüstung  unzweifel- 
haft ist.^)  Wir  dürfen  uns  füglich  wundem,  wie  Dergleichen  die 
Zerstörung  der  Stadt  überdauern  konnte.  JedenÜEkUs  ist  zu  consta- 
tiren,  dass  die  Schriftsteller  bei  keiner  Urkunde,  bei  keinem  Denk- 
mal bemerken,  dass  es  trotz  des  Brandes  unversehrt  blieb.  Nur 
Eins  wird  ausdrücklich  als  ^gerettet*  bezeichnet,  nämlich  —  der 
Erummstab  des  Bomulus.^^)  Die  litterarischen  Denkmäler  bleiben 
besser  bei  Seite.  Jedoch  halte  ich  es  der  Erwähnung  werth,  dass 
Cicero  offenbar  nicht  an  eine  Unterbrechung  der  annales  maximi 
durch  den  gallischen  Brand  gedacht  hat.^^)  Dieser  hat  also  in  dem 
Gedächtniss  der  Nachwelt  nicht  die  Stelle,  welche  man  erwarten 
dürfte.  Um  hiefür  noch  ein  Beispiel  anzuführen,  welches  sich  auf 
topographische  Verhältnisse  bezieht,  so  wollte  Varro  noch  in  dem 
Bom  seiner  Zeit  Spuren  der  Satumischen  Stadt  entdecken.^*) 

Ebensowenig  aber  sagen  die  Schriftsteller  in  bestimmten  Wor- 
ten, was  eigentlich  vernichtet  wurde.  Die  bekannten  Worte  des  Li- 
vius  VI  1,  2,  *dass  der  grösste  Theil'  der  schriftlichen  Aufeeich- 
nungen  zu  Grunde  gegangen  sei,  besagen  wegen  ihrer  Allgemeinheit 
nichts,  ebensowenig  das  Zeugniss  eines  gewissen  Clodius,  welches 
uns  Plutarch  (Numa  c.  1)  erhalten  hat.  Bestimmtere  Angaben  aber 
suchen  wir  vergebens.  So  sieht  z.  B.  die  Thatsache  fest,  dass  die 
zwölf  Tafeln  zu  der  Zeit,  als  die  Historiker  schrieben,  nicht  mehr 
vorhanden  waren*'),  über  den  Verbleib  derselben  aber  schweigt  die 
Ueberlieferung  vollständig.**)  Waren  die  Gesetze  in  Erz  gegraben 
und  standen  die  Tafeln  auf  dem  Comitium*^),  so  ist  die  allgemeine 
Annahme,  dass  die  Gallier  sie  —  da  Erz  Geld  war  —  als  will- 
konmiene  Beute  mitfoi^tnahmen*^,  ausserordentlich  naheliegend.  Frei- 
lich wird  damit  zugleich  die  Ansicht  sehr  problematisch,  dass  die 


«)  Vgl.  SchwgL  I  8.  18  ff.  —  •)  Schwgl.  I  8.  M.  —  »«)  Cio.  de  däv. 
I  17,  30;  Fast.  Praen.  a.  d.  Z  KaL  Apr.  (G.  I.  L.  I  p.  815);  Dien.  XIV 
fr.  5;  Plut.  Cam.  82.  —  »»)  Vgl.  de  orat.  II  12,  62:  Erat  enim  hiatoria 
nihil  aliud  nisi  annalium  confecüo;  cuius  rei  memoriaeqne  pnblicae  reü- 
nendae  causa  ab  initio  rerum  Bomanarum  usque  ad  F.  Mucium  ponti- 
ficem  mazimum  res  omnes  singulomm  annorum  mandabat  litteris  ponti- 

fex  mazimus ;  ei,   qui  etiam  nunc  annales  maximi  nominantor. 

VgL  auch  de  rep.  II  15,  28;  de  rep.  I  16,  25  ist  kein  Gegenbeweis.  — 
")  De  L  1.  V  5,  42  M.  p.  16.  —  ")  VgL  SchwgL  I  8.  20.  —  ")  Vgl. 
Becker  Top.  S.  27  u.  A.  48.  Die  einzige  mir  bekannte  Stelle  in  Besag 
hierauf  ist  Macrob.  Sat.  III  17,  8  (ed.  lanna).  —  >')  Dion.  X  57  extr.  Diod. 
XII  26.  —  *•)  Vgl.  SchwgL  I  S.  21;  Becker  Top.  S.  27  A  43  urtheilt 
etwas  anders,  jedoch  hegt  auch  er  entschiedenen  Zweifel,  ob  die  Tafeln 
die  Verwüstung  der  Stadt  überdauern  konnten. 


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üeber  den  gaUisohen  Brand.  97 

Römer  Kaltblütigkeit  genug  bewahrt  hätten,  die  wichtigsten  Ur- 
kunden auf  das  Eapitol  zu  retten. 

Somit  hoffe  ich  die  Berechtigung  eines  Zweifels  an  dem  Faktum 
des  gallischen  Brandes  überhaupt  zugestanden  zu  erhalten.  Es  wäre 
nun  freilich  wahrhaft  verwegen ,  beweisen  zu  wollen,  dass  Rom 
nicht  zerstört  worden  isi  Aber,  woher  wissen  wir  überhaupt  vom 
gallischen  Brande?  Das  Ilauptkriterium  für  denselben  lässt  ims  im 
Stich.  Ich  meine,  sagten  die  stolzen  Worte  des  Livius  (VI  1,  3): 
clariora  deinceps  certioraque  ab  secunda  origine  velut  a  stirpibus 
laetius  feraciusque  renatae  urbis  gesta  domi  militiaeque  exponentur 
die  Walurheit,  dann  hätte  die  Tradition  einen  gewichtigen  inneren 
Grund  für  sich.  Aber  es  ist  eine  einfache  Thatsache,  dass  die  Ge- 
schichte des  folgenden  Jahrhunderts  ebenso  getrübt,  ebenso  ver- 
fälscht,  ja  fast  noch  dunkler  ist  als  die  der  früheren.  Dieses  innere 
Kriterium  fehlt  dem  gallischen  Brande.  Wir  wissen  also  von  ihm 
nur  aus  den  Berichten  der  Schriftsteller.  Man  wird  es  daher  nicht 
verwegen  nennen,  wenn  ich  die  Frage  auf  werfe:  Wie  steht  es  denn 
eigentlich  mit  diesen  Berichten?  Ich  bin  zu  der  Ueberzeugung  ge- 
kommen^ dass  dieselben,  wenn  man  sie  fest  anpackt,  zusammen- 
stürzen. Von  allem  Andern  sehe  ich  ab:  meine  Aufgabe  besteht 
einzig  und  allein  in  dem  Nachweise,  dass  wir  nach  Lage  der 
Quellen  berechtigt  sind,  den  sogenannten  gallischen  Brand  und  die 
Zerstörung  Roms  überhaupt  aus  der  Geschichte  zu  streichen.  Dass 
ich  einen  schweren  Stand  haben  werde,  weiss  ich  sehr  wohl.  Kein 
Anderer  als  Niebuhr  ist  es,  der  einmal  sagt:  *Dass  Rom  eingeäschert 
wurde ^  ist  gewiss'.*'') 

Die  Untersuchung  wird  folgenden  Gang  nehmen: 
1«  werde  ich  den  Nachweis  versuchen,  dass  die  älteste  und  beste 

Quelle  noch  nichts  vom  gallischen  Brande  weiss; 

2.  werde  ich  die  vorhandenen  Berichte  Punkt  für  Punkt  durch- 
gehen, ihre  innere  ünwahrscheinlichkeit  und  ihre  Unvereinbar- 
keit mit  der  ältesten  Quelle  darlegen; 

3.  werde  ich  den  Grund  des  Widerspruchs  auf  eine  gänzlich  ver- 
schiedene Auffassung  des  geschichtlichen  Vorgangs  Seitens  der 
Quellen  zurückführen; 

4.  will  ich  versuchen,  den  Gang  der  Tradition  klarzustellen  und 
den  Punkt  zu  bezeichnen,  wo  die  Bildung  der  Vulgata  an- 
setzte, 

5.  werde  ich  das  gewonnene  Resultat  anderweitig  zu  stützen  suchen, 
und  endlich 

6.  anhangsweise  die  Quellenfrage  erörtern. 


")  Vortr.  üb.  R.  G.  I  S.  882.  Die  SkepsiB  von  Lewis  stützt  sich 
nicht  eum  kleinsten  Theil  auf  die  römische  Tradition,  dass  der  grÖBste 
Theil  der  geschichüichen  Aufzeichnungen  im  gaUisohen  Brande  zu  Grunde 
ging.  Er  zieht  mit  unerbittlicher  Strenge  die  Consequenzen  daraus.  Vgl. 
die  üebers.  v.  Liebrecht.  2.  Aufl.   1868.  I  S.  161. 

Jahrb.  1  elMt.  FhUoL  Sappl.  Bd.  XL  "^       r^  T 

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98  Georg  Thonrei: 

I. 
Folybiiis. 

Vorbemerkung. 

Wäre  es  richtig,  was  C.  Peter  in  seiner  Bömischen  Geschichte 
(I  S.  190)  sagt,  Mass  die  Yerbreijnmig  Borns  durch  die  Gallier  das 
erste  Ereigniss  der  römischen  Geschichte  gewesen  sei,  von  dem  die 
Griechen  Kunde  bekommen,  und  dass  derselben  von  den  nur  wenig 
späteren  Schriftstellern  Heraklides  von  Pontus  und  Aristoteles  ge- 
dacht worden  sei',  —  wäre  dies  richtig,  so  stünde  es  um  mein  Unter- 
nehmen sehr  schlimm.  Die  betreffenden  Zeugnisse  —  es  sind  drei  ■ — 
lauten  aber  folgendermassen: 

Plin.  n.  h.  III  9,  57:  Theopompus,  ante  quem  nemo  mentio- 
nem  habuit,  urbem  dumtaxat  a  GaUis  captam  dicit  etc. 

Plut  Cam.  22  'HpttKXelbric  t^p  6  TTovtiköc  ou  ttoXu  täv 
Xpövwv  iKcivwv  u7ToX€i7TÖ|ui€Voc  iv  TÄ  TTcpl  ipuxnc  c\rffßa}xpiaTl 
<pT]Civ  ....  übe  CTpttTÖc  ii  TTrcpßop^wv  dXGujv  ßuj6€V  f|pr|KOi 
TTÖXiv  *6XXiiviba  Tübjuiiiv  Kti 

Plut.  ib.  *ApicTOT^XT]C  bk  6  <piX6co(poc  TÖ  jLi^v  dXujvai  -rfiv 
TTÖXiv  UTTÖ  KcXtwv  dKpißiöc  b^Xöc  IcTiv  äkiikouic,  töv  hl  cdicavTa 
AeuKiov  elvai  (priciv*  Man  wird  einräumen,  dass  in  allen  drei  Stellen 
nichts  von  einer  Verwüstung  steht,  und  dass  Rom  von  den  Kelten 
eingenommen  worden  ist,  leugne  ich  nicht.  Natürlich  bin  ich  weit 
entfernt,  die  angeführten  Stellen  für  mich  verwerthen  zu  wollen. 
Man  könnte  mit  Recht  einwenden,  dass  für  die  Griechen  die  Er- 
oberung Roms  wichtiger  war  als  die  Zerstörung.*®)  Ich  wiD  mir 
aber  den  Rücken  gegen  diese  Stellen  decken:  sie  sagen  nichts  gegen 
meine  Ansicht. 

Nach  dieser  Vorbemerkung  gehe  ich  zu 
Polybius 
über,  der  nach  der  (bisher)  allgemein  gültigen  Ansicht  die  älteste 
und  Iseste  Quelle  für  die  gallischen  Kriege  ist. 

Polybius  spricht  an  drei  Stellen  von  der  Einnahme  Roms  durch 
die  Gallier,  an  einer  vierten  thut  er  derselben  beiläufig  Erwähnung. 
Da  diese  Stellen  die  Grundlage  der  ganzen  vorliegenden  Arbeit  bil- 
den, so  setze  ich  sie  vollständig  her,  obwohl  sie  natürlich  höchst  be- 
kannt sind: 

I  6   iTOCJxkV  OÖV  iV€lCTllK€l  |Ll€Td  T^IV  ^V  AltÖC  TT0Ta|Ll0Tc  VttU- 

jLiaxiav  dweaKaib^KttTov iv  & faXarai  (bk)  Kaid  Kpd- 


'")  Eb  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  wir  nicht  deutlich  erkennen  kön- 
nen, was  Memnon  in  seinem  vorzüglichen  Geschichtswerk  eigentlich  über 
die  Einnahme  Roms  gesagt  hat.  Im  Excerpte  des  Photius  heisst  eine 
Stelle  (üb.  Xm  fr.  25,  2,  Müller  fr.  bist.  Gr.  III  p.  688):  öimic  bi  öirö 
faXariöv  Tuj|id!oi  i^rrfiOncav  xal  1\\\u  dv  ^j  iröXic,  €l  |Lif|  Kd^iXXoc  ^i- 
ßor)Oi^cac  Tf)v  iröXiv  tppOcaro.  Müller  warnt  mit  Recht  vor  voreiligen 
Schlüssen  bei  der  Knappheit  des  Ausdrucks. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  99 

Toc  ^X6vT€C  aÖTf|v  Tf|v  *Pi&|iiiv  KatcTxov  TrXf|V  toO  KaTre- 
tujXiou.  irpöc  oOc  iTOiiicdjucvoi  Tiu|uiaToi  CTrovbdc  Kai  bioXuceic 
euboKOUfi^vac  faXdiaic  kqI  t€v6jli€Voi  irdXiv  dveXiriCTUJC  xflc 
iraTpiboc  it^paTcTc  xai  Xaß6vT€c  olov  dpxfjv  rflc  cuvauE/jceiüc, 
iiroX^lLiouv  iv  ToTc  i&\c  xpövoic  rrpöc  Toiic  dcTUTcltovac. 

II  18  Tdc  jifev  oöv  dpxdc  oö  ^6vov  ttic  x^^^pac  direKpdiouv, 
dXXd  Ktti  Tujv  cöveYT^c  ttoXXouc  ötttiköouc  diretroiTivro  ....  |üi€Td 
bi  Tiva  xpdvov  jmdxq  viKificavTCC  Tu)^a(ouc  kqi  touc  |i€Td  toötujv 
7rapaTa£o|Li^vouc,  ^iröiiievoi  toic  qjeütouci  xpici  Tf]c  indxTic  fm^paic 
öcTcpov  KttT^cxov  auTfjv  Tf|V  'Pul^l^v  trXfjv  ToO  KaTr€TU)Xiou. 
Tevojüi^vou  b'  dvnctrdc|uiaToc  Ka\  toiv  Oöcv^tiüv  IjißaXövruiv  clc 
Tfjv  x^pav  aÖTÄv,  t6t€  ji^v  tronicdjuicvoi  cuv6l^Kac.trpöc  Ttüjialouc 
Kttl  Tf|v  TTÖXiv  dTTobövTCC  i7TavfiX0ov  clc  Tfiv  okciav  Kid. 

ibid.  trapaT€VO|Li^vu)v  bk  irdXiv  tiSv  KcXtuiv  de  *'AXßav  CTpa- 

TCU^OTl  |Ll€TdXlü  ^€Td  xfjV  tflc  TTÖXciliC  KtttdXnVlV  It€1  ipitt- 
KOCrtf^  KTi 

U  22  (Die  Boier  und  Insubrer  fordern  die  transalpinischen 
Gallier  zum  Kampf  gegen  Rom  auf)  —  dva|LiijLiviricKOVT€C  (bk)  liic 
TLÜV  ibiuiV  TTpOTÖVlüV  TTpdgeUIC  aÖTOtJC,  iv  5  ^K€lVOl  CTpaT€iicavT€C 

oö  jLiövov  Ivtiaicav  ^ax6|i€V0l  'Puiindouc,  dXXd  Ka\  jüictd  Tfiv  ^dxnv 
ii  icpöbou  KttT^cxov  aörfjv  Tf|V  'Pi&jutiv,  T€v6)üievoi  bk  xal  tül»v  öirap- 
XÖVTUJV  dirdvTUJV  ItKpaTeTc  Kai  ttic  tröXeiüc  autf^c  iixrä  |üif]VOC 
Kupi€ÜcavT€c,  T^oc  IOcXovtI  Ka\  |Li€Td  xdpiToc  trapaböv- 
T€C  Tf|v  tröXiv,  dOpaucToi  Ka\  dciveic  ?xovt€C  t^iv  dxp^Xeiav  elc 
xfjv  oiKciav  iTravf^XOov. 

Ich  constatire  zunächst  die  Thatsache,  dass  Polybius  mit  keiner 
Silbe  von  einem  Brande  oder  einer  Zerstörung  spricht.^^  Im  Gegen- 
theü,  er  sagt  zweimal:  tf\v  ttöXiv  d7To(Trapa)b6vT€C.  Diese  That- 
sache  ist  ausserordentlich  auffallend.  Nur  zwei  Erklärungen  sind 
möglich:  entweder  fand  Polybius  in  seiner  Quelle  nichts  von  einer 
Verwüstung,  oder  er  überging  dieselbe,  üeberging  er  sie,  so  wollte 
er  entweder  die  vulgäre  Tradition  zurückweisen,  oder  er  hielt  die 
Erwähnung  nicht  für  nöthig.  Denn  den  Gedanken,  dass  er  dieses 
für  das  römische  Gefühl  so  schmerzliche  Ereigniss  aus  Zartgefühl 
oder  dergl.  nicht  berühren  wollte,  wird  wohl  Niemand  ernstlich  in 
Erwägung  ziehen,  da  er  ja  die  vollständige  Niederlage  der  römi- 
schen Waffen  mit  dürren  Worten  einräumt, 

Polybius  giebt  die  Vorgeschichte  der  gallischen  Kriege  in  grossen 
Zügen,  im  Besum6.  Man  könnte  also  sagen,  in  einem  so  ausser- 
ordentlich knappen  Abriss  des  gewaltigen  Kampfes  zweier  Nationen 


^')  Seit  Brock  er  (S.  22  a.  a.  0.)  scheint  man  dies  faktisch  ver- 
gmen  zn  haben.  Bröcker  aber  verbaute  sich  selbst  den  Weg  durch 
■eine  merkwürdige  und  man  muss  sagen  unmethodische  Ünterschätzung 
des  Polybius  (vgl.  z.  B.  a.  a.  0.  S.  119  ff.).  Lewis  dagegen  hat  in  seiner 
E[ritik  des  Bröcker'schen  Werkes  (II S.  454  ff)  den  schwerwiegendsten  Pankt 
—  das  Schweigen  des  Polybius  —  übersehen. 

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100  Georg  Thouret: 

sei  es  erklärlich,  dass  Polybius  die  Zerstörung  der  Stadt  überging. 
Indessen  ist  fesizuhalten,  dass  er  die  Oeschichte  der  gallisclien  In- 
vasionen durchaus  vom  römischen  Standpunkte  aus  schreibt  Nun 
ist  nicht  sowohl  die  Einnahme  der  Stadt  —  da  die  Feinde  wieder 
abziehen  — ,  als  vielmehr  die  Zerstörung  derselben  für  den  römi- 
schen Staat  die  Hauptsache,  der  im  Wesentlichen  weiter  Nichts  als 
Rom  war. 

Polybius  stimmt  genau  mit  der  gesammten  IJeberlieferung  da- 
rin überein,  dass  die  Römer  sofort  nach  dem  Abzüge  der  Kelten  in 
schwere  Kriege  mit  den  umwohnenden  Italikem  verwickelt  werden. 
Er  hat  das  volle  Bewusstsein  von  der  Bedeutung  der  gallischen  Kata- 
strophe, denn  er  sagt  16;  Kai  tevöjaevoi  irdXiv  dveXiriCTUJC  Tf\c 
TTttTpiöoc  ^tTcpaieic  Kai  XaßövTCC  olov  dpx^v  ific  cuvauHii- 

CeUIC,  ^TTOX^ILIOUV  iV  TOTC  iif\C  XPÖVOIC  TTpÖC  ToOc  dcTUYCiTOvac 

um  so  merkwürdiger  muss  es  erscheinen,  dass  er  niemals  die 
geringste  Andeutung  von  einer  Zerstörung  Roms  giebt:  denn  bei  dem 
sofort  sich  erhebenden  Sturm  der  Feinde  war  doch  das  Allerwich- 
tigste,  dass  die  Stadt  in  Trünunem  lag.  Und  lag  sie  in  Trümmern: 
dann  zeugt  die  schnelle  Erhebung  und  Erholung  des  Staates  für 
seine  gewaltige  Leistungsfllhigkeit.  Also  gerade  in  einem  Resum6 
ist  die  Stelle  für  die  gallische  Verwüstung. 

Einen  deutlichen  Fingerzeig  aber  gewährt  uns,  wie  ich  glaube, 
die  letzte  Stelle  II  22.  Die  Boier  und  Insubrer  rühmen  die  Thaten 
ihrer  Vorfahi^en.  Sie  sagen:  *  Erinnert  euch,  wie  unsere  Väter  die 
Römer  besiegt,  im  ersten  Anlauf  Rom  eingenommen,  geplündert  — 
schliesslich  aber  freiwillig  und  aus  Gefälligkeit  den  alten  Besitzern 
zurückgegeben  haben',  —  ja  vermisst  man  da  nicht  eigentlich  die 
Hauptsache?  Erwartet  man  nicht,  dass  sie  hinzufügen  würden:  Wd 
wie  sie  die  Stadt  dem  Erdboden  gleichgemacht'?  Hier,  behaupte 
ich,  ist  die  Stelle,  wo  Polybius,  wenn  er  etwas  vom  gallischen  Brande 
wusste  (oder  wissen  wollte),  ihn  kaum  übergehen  konnte.  Wusste 
er  nichts  davon,  dann  ist  selbstverständlich  Alles  in  Ordnung.  Und 
nun,  machen  wir  einmal  die  Gegenprobe.  Der  Gedanke,  welchen 
ich  oben  vermisste,  widerspricht  sicher  nicht  dem  Gemüthszustande 
eines  Kelten.  Setzen  wir  ihn  also  probeweise  hinzu;  so  ergiebt 
sich  dvalL4l^vr|CK0VT€C  .  .  .  Tfjc  trpoEeuic  ...  ^v  §  ^Keivoi  ^vikti- 
cav  . . .  *Puj)ia(ouc  .  .  .  Kai  Kar^cxov  .  •  .  *Pul^T]V'  t€VÖjüi€Voi  bk 
Ka\  TUJV  tÖTTapxövTUiv  dtrcivTUJV  it^pateic  [und  nachdem  sie  die 
ganze  Stadt  zerstört  hatten]  Kai  Tf|C  tröXeuJC  avi^c  imä  fuinvac 
Kupieucavrec  t^Xoc  ieeXovri  Kai  juteid  x&pnoc  tropaöövrcc   rfjv 

TTÖXlV  KT^.^) 

Hier  zeigt  sich  meiner  Ansicht  nach  mit  Evidenz,  dass  der  zu- 
gesetzte Gedanke  absolut  nicht  zu  dem  Uebrigen  passt  Der  Satz: 
Kai  TT^c  tröXeuJC  . . .  Kupteucavrec  kann  nur  heissen:  ^nachdem  sie 


•^  Oder:  Kai  xflc  ir6X€uic  aörfjc  . .  .  KupicOcavrcc  [....]  t^Xoc  kt^. 

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Ueber  den  gaUifchen  Brand.  101 

sieben  Monate  HeiTn  der  Stadt  gewesen'.  Dass  nämlich  iröXtc 
nicht  etwa  =  Gebiet  za  verstehen ,  beweist  zunächst  das  beigesetzte 
^auTf)c'  und  dann  der  Zusammenhang,  dessen  Spitze  direct  gegen 
die  Stadt  Born  gerichtet  ist. 

Mag  man  nun  jenen  Gedanken  einschieben  wo  man  will  (vgl. 
Anm.  20),  das  Folgende  wird  absurd,  —  mithin  kann  deijenige, 
welcher  dies  schrieb,  d.  h.  Poljbius,  diesen  Gedanken  nicht  gedacht 
habrn**) 

Hier  mubs  ich  einem  möglichen  Einwand  begegnen.  Man  könnte 
meinen,  Polybius  habe,  um  die  Worte  der  Kelten  besonders  höhn- 
voll  zu  machen,  sie  gerade  mit  Absicht  sagen  lassen:  *  Erinnert 
euch,  wie  unsre  Yor&hren  die  Römer  vollständig  in  ihrer  Hand 
hatten  und  ihnen  nur  aus  Gnade  und  Barmherzigkeit  die  Stadt  zu- 
rfidcgegeben  haben',  (womöglich  noch  gegen  ein  Lösegeld,  worüber 
sich  Polybius  nicht  klar  ausspricht).^  Hiegegen  mache  ich  geltend, 
dass  es  wahrlich  nicht  weniger  höhnend  klingt,  wenn  die  Boier  sagen : 
^Erinnert  euch,  dass  unsre  Vorfahren  die  Bömer  besiegt,  die  Stadt 
eingenommen  und  zerstört,  —  und  endlich  ihnen  die  Trümmerhaufen 
(resp.  die  Brandstätte)  noch  verkauft  haben'.  Was  aber  die  Haupt- 
sache ist:  die  Kelten  sprechen  hier  nicht  zu  Bömem,  sondern  zu 
ihren  Stammbrüdem  jenseits  der  Alpen.  Sie  wollen  in  erster  Linie 
nicht  höhnen,  sondern  den  Muth  entflammen:  ^Die  Bömer  sind  nicht 
unbesiegbar,  denn  erinnert  euch'  u.  s.  w.  und  dabei  lassen  sie  ge- 
rade den  gröBsten  Erfolg,  welchen  keltische  Waffen  jemals  errungen, 
bei  Seite!?  Endlich  erscheint  in  der  gesanmiten  nachpolybianischen 
üeberlieferung  der  Zug  der  Gallier  von  Clusium  gegen  Bom  als  ein 
BaehezQg:  sie  wollen  Bom  zerstörenl  Sie  führen  ihre  Absicht 
aus,  sie  zerstören  Bom:  und  gerade  dies  übergehen  die  Kelten  in 
ihren  Buhmeswortenl 

Ich  behaupte,  dass  eine  höchst  geschraubte  Interpretation  der 
angeführten  Stellen  dazu  gehört,  um  es  glaublich  zu  machen,  dass 
Polybius  ein  so  tief  einschneidendes  Faktum  der  römischen  Geschichte 
absichtslos,  ja  zuföllig  überging.  That  er  es  aber  absichtlich,  so  ist 
seine  Autorität  gross  genug,  um  auch  uns  zu  veranlassen,  die  gal- 
liache  Verwüstung  aus  der  Üeberlieferung  zu  streichen. 

Dass  Polybius  die  ältere  römische  Geschichte  nicht  aus  sich 
heraus,  sondern  nach  Quellen  schrieb,  ist  an  sich  klar,  da  er  weder 
Augenzeuge  noch  überhaupt  Bömer  war.  Die  ganz  bestimmten  Zah- 
len aber,  welche  gewissermassen  das  Gerippe  dieser  Vorgeschichte 
der  gallischen  Kriege  bei  Polybius  bilden  (I  18  ffl),  beweisen,  dass 
er  nicht  nach  Hörensagen  und  aus  dem  Gedächtniss,  sondern  nach 


'^)  Wie  will  man  übrigens  an  der  Hand  der  Vulgata  das  mehrmalige 
Ti?Jv  iröXtv  (irapa)äito6dvT€c  überhaupt  interpretiren.  ?  —  **)  Ixovtcc  t^v 
dKp^ciav  (H  22)  besdeht  sich  wahrscheinlich  nur  auf  die  Beute.  Dagegen 
liegt  wohl  in  der  Bezeichnung  der  cirovöal  als  eii&OKoO|Li€vai  ToAdTatc  (I  6) 
eine  Andeutung  des  Lösegeldes. 


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102  Georg  Thouret: 

Excerpten  diesen  kurzen  Abriss  niederschrieb.  Diese  Erwägungen 
führen  naturgem&ss  zu  dem  Schluss,  dass  er  in  seiner  Quelle  wirk- 
lich nichts  von  einem  Brand  oder  einer  Zerstörung  der  Stadt  gefun- 
den hat.  Bei  der  Frage  nun,  welcher  Quelle  er  gefolgt  ist,  brauche 
ich  nicht  lange  zu  verweilen.  Die  Ansicht  Niebuhrs  (Vortr.  II  S.  52), 
dass  die  Geschichte  des  letzten  Kampfes  zwischen  Born  und  den  Kel- 
ten kurz  vor  Ausbruch  des  HannibaL  Krieges  bei  Polybius  11  25  ff. 
aus  Fabius  geschöpft  sei,  ist  heute  die  allgemeine,  von  allen  Autori- 
täten gebilligte.  Den  Hauptgrund,  worauf  diese  Ansicht  sich  stützt, 
hat  zuletzt  Niese  dahin  formulirt'^),  ^dass  die  XJebersicht  über  die 
römische  Wehrkraft,  die  Polybius  (U  24)  wie  die  übrigen  erhalte- 
nen Chroniken  bei  Gelegenheit  des  letzten  grossen  gaUischen  Krieges 
mittheilen,  nach  Eutrop  (UI  5)  imd  Orosius  (lY  13)  von  Fabius  ge- 
geben ward'.**)  Die  Frage,  ob  diese  Zahlen  richtig  oder  überhaupt 
glaubwürdig  sind*^),  gehört  nicht  in  den  Zusammenhang  der  vor- 
liegenden Untersuchung.  Mögen  die  Zahlen  bei  den  einzelnen  Schrift- 
stellern abgebeugt  und  zum  Theil  (namentlich  bei  Orosius)  verderbt 
sein:  soviel  steht  nunmehr  fest,  dass  sie  alle  auf  eine  Quelle  zurück- 
gehen, und  dass  Fabius  Pictor  als  diese  Quellö  anzusehen  ist.*^  Um 
dieses  Resultat  anzuerkennen,  hat  man  nach  meiner  Meinung  gar 
nicht  nöthig,  die  verderbten  Zahlen  zu  bessern,  —  was  immerhin 
gefithrlioh  ist.  Nach  Orosius  (a.  a.  0.,  oder  vielmehr  seiner  Quelle) 
standen  bei  Fabius  mindestens  zwei  Summen,  und  zwar  einmal  die 
Gesammtzahl  der  ganzen  waffenflihigen  Mannschaft  und  zweitens 
die  Summe  der  Bömer  und  Campaner;  —  diese  beiden  Addirungen 
finden  sich  nun  auch  unter  den  dreien  des  Polybius  (a.  a.  0.).  Ge- 
rade diese  Hervorhebimg  der  militärischen  Gleichstellung  der  Cam- 


")  Hennea  XIII  1878  S.  410.  —  »*)  Die  übrigen  Stellen  sind:  Diod. 
XXV  fr.  18  Dind.  (W.  p.  611),  der  sie  dem  PolybiuB  entnahm;  Liv.  p.  20; 
Plin.  n.  h.  III  20,  138.  —  '^)  Sie  haben  verschiedeoe  BeurtheiluDg  und 
verschiedeno  Behandlung  erfahren:  vgl.  Nieb.  Vorlas.  II S.  52 ;  Kitzsch. :  die 
Gracchen  etc.  S.  19 ff.;  Wietersheim:  Gesch.  der  Völkerw.  I  S.  169 ff.; 
Lange:  Rom.  Alterth.  IP  S.  147;  Ihne:  Rom.  G.  II  S.  402  ff.;  Mommsen 
Hermes  XI 8. 49  ff.  Die  in  ihren  Consequenzen  peinliche  Meinung  H.  Petera 
(rell.  p.  36  adnot.  23),  dass  die  Summe  der  einzelnen  Posten  bei  Polybius 
800,300  M.  ergäbe,  während  Polybius  selbst  (11  24  eztr.)  als  Gesammt- 
zahl (üb.)  700,000  p.  und  (geg.)  70,000  equ.  d.  h.  überhaupt  c.  770,000  M. 
angiebt,  beruht  auf  einem  Versehen.  Mir  ergeben  sich  als  Summe: 
699,200  p.  69,100  equ.  d.  h.  zus.  768,300  M.,  eine  Zahl,  welche  auch  in 
allen  ol^n  citirten  Werken  angestellt  ist.  Da  Peter  genau  32,000  M. 
mehr  herausrechnet,  so  fflanbe  ich  nicht  zu  irren,  wenn  ich  seinen  Irr- 
thum  auf  die  unrichtige  Interpretation  einer  Stelle  des  Polybius  (II  24,  2) 
zurückfahre.  Polybius  sagt  nämlich:  |li€T&  ^iv  hi\  T(£rv  ÖTrdTuiv  ^SeXiiXO- 
Bei  Tdrrapa  crparöircöa  TwjüiaiKd,  .  .  .  cufütjüiaxoi  bi  ^cO'  ^KUT^puiv  i^cav 
ol  cujLid|üi<pu)  ircZiol  ^kv  TpiCfuiOpioi,  6icx(Xtoi  6'  iiriTdc.  Die  letzten  Worte 
können  nur  heissen :  „an  Bundesgenossen  befanden  sich  bei  beiden  (cons. 
Heeren)  zusammen  30,000  p.  2000  equ.  Peter  theilt  offenbar  jedem 
Consnl  soviel  zu,  so  rechnet  er  32,000  M.  zu  viel.  —  ••)  Vgl.  hierüber 
bes.  Mommsen  Hermes  XI  S.  50  ff. 


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Ueber  den  gaUisoben  Brand.  103 

pflBier  und  Römer,  welche  sieber  mit  d.  J.  543  a.  xu  aufhörte,  spricht 
für  eine  direct  zeitgenössische  Au&eicbnung. 

Zu  diesem  Zahlenzengniss  konmit  hinzu  die  gleiche  Erklärung 
des  galliBchen  Wortes:  Oaesati  (Taicärai)  »»  ^Söldner'  bei  Polybius 
II  22  in.  u.  Orosius  IV  13  (flaverk.  p.  133).*^  Wenn  endlich  noch 
innere  Gründe  von  Nöthen  sein  sollten,  so  sprechen  auch  diese  für 
Fabius.  Vor  Allem  spricht  für  einen  Augenzeugen  —  und  dies  war 
ja  Fabius^,  —  die  Klarheit  und  Anschaulichkeit  der  Darstellung. 
Einen  speciell  Fabischen  Charakter  aber  trftgt  die  von  Polybius  (11 
21  extr.)  unumwunden  ausgesprochene  Antipathie  gegen  Flaminius. 
Ja  Polybius  sagt  sogar  mit  dürren  Worten  (11  33),  dass  bei  der 
Ungeschicklichkeit  des  führenden  Flaminius  nur  die  militftiische 
Tüchtigkeit  der  Eriegstribune  den  Bömem  den  Sieg  über  die  In- 
Bubrer  gegeben  habe.    Fabius  war  aber  damals  Eriegstribun. 

Ist  somit  Fabius  des  Polybius  Quelle  für  die  Geschichte  des 
letzten  gatlischen  Krieges,  so  ist  freilich  noch  nicht  bewiesen, 
dass  auch  die  knappen  Notizen  über  die  früheren  Kfimpfe  aus  ihm 
stammen.  Wenn  aber  irgendwo  die  Wahrscheinlichkeit  an  die  Stelle 
eines  Beweises  treten  kann,  so  ist  es  hier,  üngers  Ansicht^),  ^dass 
der  Bericht  über  die  römisch-gallischen  Kriege  von  der  Alliaschlacht 
bis  zur  Unterwerfung  der  Boier  aus  einem  griechischen  Historiker, 
entweder  Timaeus  oder  Hieronymus  abgeleitet  sei',  ist  so  seltsam, 
dass  er  sie  hätte  begründen  müssen.  Jetzt  hat  Kiese  wenigstens  so 
viel  nachgewiesen^),  dass  Polybius  römischer  Chronologie,  mithin 
einer  römischen  Quelle  folgt.  Wir  sind  daher,  so  lange  kein  Gegen- 
beweis gebracht  wird,  berechtigt,  Fabius  als  Quelle  für  die  Geschichte 
der  gallischen  Invasionen  bei  Polybius  zu  bezeichnen.'^) 

Kehren  wir  nun  an  der  Hand  dieses  Resultats  zu  unsrer  Unter- 
suchung zurück,  so  ergiebt  sich  —  die  Stichhaltigkeit  meiner  obigen 
Deductionen  vorausgesetzt  —  dass  im  Fabius  noch  Nichts  von  einem 
gallischen  Brande  oder  einer  Zerstörung  Roms  durch  die  Gallier  ge- 
standen hat.  So  auffeilend  diese  Behauptung  klingt,  so  bitte  ich 
doch,  sie  vorläufig  gelten  zu  lassen.  Die  Hauptargumentation  kann 
erst  dann  ihre  Stelle  finden,  wenn  wir  die  vulg&re  Tradition  genau 
übersehen  werden. 

Dieses  vorläufige  Ergebniss  wird  nun  aber  einfach  über  den 
Haufen  geworfen,  wenn  Mommsens  Ausführungen  über  das  Yerhältniss 
Diodors  zu  Fabius'^)  als  richtig  anerkannt  werden  müssen.  Monunsen 

*^  Nach  Servius  ad  Sen.  VII  664  ist  gessa  (gesa)  »  hasta  Boma- 
normn  »>  sarissae  Macedoomn;  und  zu  Vlll  660  sagt  er:  nam  etiam  vi- 
roe  foriCB  Galli  gaesos  (al.  gesos)  vocant.  Diese  ErUämng  vereinigt  sich 
YortrefOich  mit  der  des  Namens  'Gaesati'.  —  '^)  Vgl.  PUn.  n.  h.  X  71; 
Batr.  III  6;  Oros.  IV  18.  —  »•)  a.  a.  0.  (ob.  S.  96  A.  2)  S.  663.  —  »«0  Her- 
met Xm  S.  401  ff.,  was  Monunsen:  die  gall.  Katastrophe  Hermes  XITT 
8.  647  n.  A.  1  anerkennt.  ^  '^)  Es  wird  weiter  unten  ein  Punkt  zur 
Sprache  kommen,  der  geeignet  ist,  diese  Ansicht  zu  stützen.  —  ")  Ta- 
bins  und  Diodor'  im  Hermes  XITT  S.  806 ff.;  dazu  ein  Nachtrag:   die 

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104  Georg  Thonret: 

führt  Polybius  sowohl  wie  Diodor  auf  Fabius  zurück;  da  nnn  Dio- 
dor  die  Zerstörung  Borns  durch  die  Gallier  (XIY  115,  6)  und  ebenso 
den  Wiederaufbau  der  Stadt  berichtet  (ebenda  116 ,  8  ff.),  so  wusste 
Fabius  bereits  davon,  —  und  dann  hätte  Poljbius  in  der  That  die 
Zerstörung  zuflülig  übergangen  oder  gestrichen. 

Ich  erinnere  zunächst  daran,  dass  Niebuhr,  welcher  auch  Dio- 
dor auf  Fabius  zurückführte ^  gerade  das  XTTT  und  XIV.  Buch,  also 
auch  unsre  Partie,  als  nicht  Fabianisch  bezeichnet  hai^')  Leider 
hat  er  nirgends  seine  Gründe  dafOr  angegeben. 

Selbstverständlich  steht  Diodor  ein  gut  Stück  von  der  späteren 
Tradition  entfernt^)  Er  kennt  nicht  die  Gesandschaft,  nicht  das 
Eriegstnbunat  der  drei  Fabier,  er  weiss  nichts  von  der  Begegnung 
des  Camillus  und  Brennus  auf  dem  römischen  Forum,  —  aber  er 
erzählt  bereits  die  Wiedergewinnung  des  Lösegoldes  durch  den  Dicta- 
tor  Camillus  (XIV  117,  4).  Im  Polybius  kommt  bekanntlich  Camil- 
lus gar  nicht  vor,  und  bisher  hat  man  allgemein  daraus  gefolgert, 
dass  Diodor,  da  er  diese  handgreifliche  Fälschung  bereits  hat,  eine 
jüngere  Epoche  der  römischen  Annalistik  vertrete  als  Polybius,  dass 
also,  wenn  dieser  aus  Fabius  schöpfe,  Fabius  in  der  vorliegenden 
Partie  nicht  die  Quelle  Diodors  sein  könne.  Es  ist  ein  eigenthüm- 
licher  Zufall,  dass  Niese  ^  demselben  Orte  dieser  Ansicht  noch  ein- 
mal Ausdruck  verlieh^),  an  welchem  Mommsen  sie  verwirft. 

Mommsen  sagt  nun  S.  322:  ^Was  Poljbius  aus  römischen  An- 
nalen  entlehnt  hat,  darf  im  Grossen  und  Ganzen  auf  Fabius  zurück- 
geführt werden,  und  ausser  Anderem  passen  die  Erzählung  der 
gallischen  Katastrophe  bei  Poljbios  (2,  18)  und  die  bei  Diodor  (14, 
115)  nicht  blos  völlig  in  einander,  sondern  stimmen  auch  gegen 
andere  Versionen  darin  überein,  dass  die  Gallier  erst  nach  dreitägi- 
gem Verweilen  auf  dem  Schlachtfeld  in  die  Stadt  einrücken  '.^^)  Dazu 
konunt  noch  als  Hauptsache  die  Anm.  3:  ^Dass  nach  Polybios  die 
Gallier  nach  Empfang  des  Lösegeldes  in  die  Heimath  abziehen, 
stimmt  auch  mit  der  Diodonschen  Erzählung.  Wenn  nach  dieser 
später  bei  der  Entsetzung  einer  etruskischen  Stadt  die  Römer  Beute 
und  Lösegeld  zurückgewinnen,  so  ist  dies  ein  verschiedener  Waffen- 
gang, den  übrigens  Polybios  fdglich  schon  darum  übergehen  konnte, 
weil  er  ihm  die  Erdichtung  ansah '.'^) 

^llische  Katastrophe,  ebd.  S.  515  ff.  *-  »^  B.  G.  11  S.  629/80.  —  ^)  Worauf 
ich  im  zweiten  AbBchnitt  eingehen  werde.  Hier  berücksiditige  ich  Dio- 
dor nur  insoweit  er  Polybius  gegenüber  in  Fftge  kommt  Dies  bemerke 
ich  ausdrücklich,  um  voreiligen  Vorwürfe^  zu  entgehen.  —  '^)  Hermes 
XIll  S.  412.  —  s«)  Auch  im  Nachtrag  (S.  526)  sagt  Mommsen:  'Dass  die 
Kelten  erst  am  vierten  Tage  nach  der  in  unmittelbarer  Nähe  Borns  ge- 
lieferten Schlacht  vor  den  Mauern  derselben  erscheinen,  berichtet  über- 
einstimmend die  ältere  Version,  das  ist  Polybius  und  Diodor.'  Indessen 
verweilen  nach  Diod.  XIV  115,  5  die  Kelten  nur  einen  Tag  auf  dem 
Schlachtfeld  und  erscheinen  am  zweiten  bereits  vor  den  Thoren,  vgl  ob. 
S.  91.  —  »^  Vgl.  d.  Nachtr.  S.  540. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  105 

Ehe  idi  auf  den  entscheidenden  Punkt  eingehe,  möchte  ich  mich 
gegen  den  ersten  Satz  dieser.  Anmerkung  wenden.  Im  Nachtrag 
(8.  540)  sagt  Mommsen  eben&lls:  ^Auch  Diodors  Erzählung  zufolge 
sind  die  Senonen,  wie  Polybius  sagt,  nach  der  Gapitulation  Borns  im 
J.  364  unverletzt  und  ungeschädigt  mit  ihrer  Beute  nach  Hause  ge- 
langt; dass  sie  diese  im  Folgejahr  in  einem  andern  Kriege  wieder 
einbüssten,  lindert  daran  streng  genommen  nichts'.  Polybius  sagt 
allerdings  zweimal  ausdrücklich:  dTravf^XOov  €ic  Tf|V  olKeiav  (U  18 
und  22).  Diodor  dagegen  nur  (XIV  116,  7):  ^tretcGiiTav  x^^i^tc 
Xaß6vT€C  XtTpac  xP^ciou  Tf|V  ttöXiv  dKXmcTv  Kgi  ^k  xiic  *Piw)Liaiujv 
Xu»pac  anaXXatfivai.  Genau  ebenso  drückt  sich  z.  B.  Plutarch  aus 
(Ctan.  28);  uijLioXoTriOr|  Touc  |üiäv  x»Xiac  XCipac  xp^ciou  KaraßaXeTv, 
Touc  b€  Xaßövrac  ix  rfic  iröXeufc  aÖTiKa  Kai  xfic  x^pac  dvaxwpeiv 
(£a8t  wörtlich  ebenso  Zon.  YII  23).  Diodor  giebt  nirgends  auch  nur 
eine  Andeutimg  davon,  «dass  die  Kelten  in  die  Heimath  zurück- 
kehrten.  Vielmehr  sagt  er  an  der  sp&teren  Stelle  (c  117,  4)  nur, 
dass  die  Gallier,  welche  Camillus  schlägt,  aus  Rom  abgezogen  seien 
(rohf  b'  dTieXriXueÖTUiv  raXaxwv  dirö  Tuijunc  OuedcKiov  x^v  ttöXiv 
....  iropGouvTWv,  I^rl0^^€voc  auroic  6  auTOKpdTuip,  xal  touc  irXei- 
crovc  äTroicreivac,  ttJc  dtrocKfufic  irdciic  iicupUucev,  iv  fj  Kai  tö 
Xpuciov  ijv  6  €lXfiq>€cav  ...  Kai  cx€böv  diravTa  rd  bnipiraciii^va 
Kord  Tf|v  Ti)c  TTÖXeuic  dXuiciv).  Wer  diese  Worte  uubef^gen  er- 
wSgt,  wird  sie  kaum  anders  verstehen  können,  als  dass  Diodor  habe 
sagen  wollen,  die  mit  Beute  beladenen  GaUier  seien  auf  dem  Bück- 
zuge von  Bom  durch  Camülus  vernichtet  worden.-  Dass  die  Be- 
lagerung von  OÖ€dcKiov(?)  ein  Kriegszug  gewesen,  den  die  Gallier 
nach  ungefährdeter  Bückkehr  in  die  Heimath  von  Neuem 
(und  zwar  die  Beute  wieder  mitschleppend)  unternommen  hätten, 
sagt  Diodor  nicht.  Nach  dem  stricten  Wortlaut  müssen  wir  also 
anerkennen,  dass  in  Bezug  auf  das  Verlassen  des  römischen  Gebie- 
tes Diodor  zu  Polybius  genau  so  steht  wie  die  jüngeren  Quellen 
überhaupt.    Halten  wir  dies  fest! 

Nun  zur  Hauptsache!  Versichern  wir  uns  zunächst,  so  weit 
wir  dies  können,  dass  der  6ieg  des  Camillus  über  diese  Gallier  in 
der  Hauptquelle  Diodors  stand  und  nicht  etwa  eine  Variante  ist. 
Diodor  erzählt  nach  dem  Wiederaufbau  der  Stadt  (c.  116,  8,  9)  die 
Kriege  gegen  Volscer,  Aequer,  Etrusker  unter  Führung  des  Dicta- 
tors  Camillus  (c.  117, 1 — 4)«  Hieran  fügt  er  ohne  Weiteres  die  oben 
dtirten  Worte:  Camillus  trifft  die  ans  Bom  abgezogenen  Gallier  bei 
der  Belagerung  einer  bundesgenössischen  Stadt  (im  Text:  Oued- 
ociov)^!  haut  den  grössten  Theil  derselben  zusammen  und  nimmt 
ihnen  Lösegold  und  Beute  wieder  ab.    Trotz  dieser  grossen  Thaten 


^  Die  Bedenken,  welche  sich  einer  Verbesserung  dieses  Namens  in 
Piaaumm  (auf  Grand  von  Servius  ad  Aen.  VI  286)  entgegenstellen  giebt 
Mommsen  selbst  an,  vgl.  S.  638. 


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106  Geoig  Thouet: 

sei  er  dennoch  durch  die  SGssgiinBt  der  Yolkstribnne  am  Triumph 
yerhindert  worden.  Nnn  fährt  Diodor  fort  (117,  5):  fvioi  bi  qKXCtv 
auTOV  äiTÖ  ToiicKuiv  Opiajiißov  äTorrcTv  tni  XeincoO  TcOpiTnrou  kt^. 
Das  bezeichnende  Ivtot  bi  qxiciv  rechfertigt  yollkommen  die  An- 
nahme, dass  dieser  Triumph  *eine  zweifelhafte  "Variante'^  seL  Auf 
der  andern  Seite  haben  wir  nach  den  Gesetzen  der  QuellenlEritik 
kein  Becht,  auch  das  Vorhergehende  als  Variante  au&u£aissen.  Denn 
wo  sollen,  wo  können  wir  dann  noch  eine  Grenze  ziehn?  Vielmehr 
müssen  wir  die  Behauptung,  dass  Diodor  den  Sieg  des  Camillus  in 
derselben  Quelle  fand,  welcher  er  in  der  ganzen  Partie  gefolgt  ist, 
als  unwiderlegbar  bezeichnen  und  —  fes&alten. 

Die  Worte  des  Poljbius  nun,  welche  dem,  was  Diodor  erz&hlt, 
schnurstracks  widersprechen,  stehen  in  der  bereits  citirten  Botschaft 
der  Boiw  und  Insubrer  an  die  Transalpiner  (11  22).  Sie  erinnern 
daran,  dass  ihre  Vor&hren 

T^Xoc  ^OcXovtI  Kat  jüterä  x^iptTOC  iropabövrec  tf|v  tröXiv, 
äOpaucrot  Kai  äcivcic  Ixovrcc  Tf|v  dMp^Xeiav  ic  Tf|v  oketov 
^TravnXOov. 

Mommsen  ist  der  Ansicht,  PoL  habe  gelesen,  was  im  Diodor 
steht,  habe  aber  die  Gamillusanekdote  als  handgreiflich  erfunden 
gestrichen  und  dafür  die  citirten  Worte  gesetzt.^)  Ist  dies  richtig, 
so  widerspricht  sich  PoL  und  Diod.  nicht  direct,  —  beide  können 
eine  gemeinsame  Quelle,  nftmlich  Fabius  benutzt  haben. 

Ich  gebe  f&r  einen  Augenblick  dies  zu,  fahre  aber  fort:  Wenn 
Fabius  den  grössten  Theil  der  abgezogenen  Gallier  unter  dem  Schwerte 
des  Camillus  fEÜlen  liess,  so  kann  er  nichts  mehr  über  die  weiteren 
Schicksale  derselben  in  der  Heimath  berichtet  haben.  Finden  wir 
daher  bei  PoL  dergleichen  Nachrichten,  so  hat  er  diese  entweder 
ans  sich  heraus  geschrieben^^),  oder  einer  andern,  —  mithin  älteren 
Quelle  (da  sie  noch  nichts  von  Cam.  wusste),  entnonunen. 

Die  Worte  äOpaucroi  xai  äctveic  finden  sich,  wie  gesagt,  nicht 
an  der  eigentlichen  Stelle  der  Erzählung.  An  dieser  aber  (11  18, 
also  Torher),  steht  Folgendes: 

levoM^vou  b*  dvTtciTdcfioeTOC  xal  tuiv  OdeWTuiv  ^jütßoXövruiv 
6tc  Tf^v  xuipov  oirruiv,  t6t€  iikv  iroiiicä^cvoi  cuvOnKCtc  trp6c  'Pui- 
paiouc  Ktti  Tf|V  it6Xiv  dirobovrcc  £iravnX6ov  ek  Tf|V  olKciav*  ^crä 
hi  Taöxa  toic  d)yiq)uXtoic  cuveixovxo  iroX^fiotc*  ?vioi  bk 
xai  Tüjv  T&c  "'AXiretc  KaTOiKOUVTuiv  6p)yiäc  dirotoCvTO  xai 
cuvT]6poi2IovTo  iroXXdxic  dir'  auTouc,  OeuipoCvrec  ^k  na- 
pa6^C€U)C  Tf|V  TrapaT€T€Vii|yi^viiv  auToTc  eubai|yiovtav. 

Hier,  glaube  ich,  giebt  es  keinen  Ausweg.  Wenn  nSmlich  Je- 
mand einwirft:  PoL  spreche  in  den  letzten  Sfitzen  Ton  den  Galliern 
überhaupt,  er  könne  nicht  nur  diejenigen  Ton  ihnen  meinen,  welche 


**)  VeL  Mommsen  8. 317  18  u.  5S7  ff.  —  ^  Vgl.  den  Kachtrag  S.  540. 
—  *■)  D.  K  auf  deutach:  gelogen. 

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Ueber  den  gaUischen  Brand.  107 

Rom  erobert  hatten,  da  diese  ein  Conglomerat  allermöglichen  Stämme 
gewesen,  man  aber  von  einem  znsammengewttrfelten  Haufen  nicht 
sagen  könne:  cuveixovTO  toic  ^jüicpuXtoic  iroX^inoic  —  so  halte  ich 
einfiach  den  Worüant  dagegen.  Nach  diesem  nnd  nach  dem  Zusam- 
menhang können  die  Gallier,  deren  irapaT€T€Vii|Li€Viiv  eubaijucviav 
die  Nachbarn  mit  neidischen  Augen  betrachten,  nur  die  Bezwinger 
fioms,  nur  die  Plünderer  Boms  sein.^^) 

Aber  auch  sonst  ist  der  Einwand  hinflKllig.  Poljbius  spricht 
freilich  immer  nur  Yon  TaXorai'.  Aber  dass  auch  ei*  einen  be- 
stimmten Stamm  derselben  vorzüglich  im  Auge  hat,  geht  aus  den 
Worten  hervor;  xai  Torv  Oöcvdxwv  i^ßaX6vTu;v  €lc  tfjv  x^pav 
auTiJV.  Von  einem  Heimathland  der  gallischsn  Nation  konnte  er 
füglich  so  nicht  sprechen.  Endlich,  schöpft  Diodor  aus  Fabius,  so 
hatte  Fabias  bereits  den  einzelnen  Stamm  der  Senonen  in  bestimmten 
Worten  als  den  Kern  des  gallischen  Heeres  bezeichnet  (vgl  Diod.  XIV 
113,  3);  eine  Auffassung,  welche  in  der  gesammten  römischen  Litte- 
ratiur  die  herrschende  ist.^^  Ziehn  nun  auch  die  Öenonen,  bevor  sie 
sich  auf  Rom  stürzen,  Verstärkungen  von  allen  Seiten  her  an  sich 
(Diod.  JLLV  114,  1),  so  konnte  Fabius  doch  mit  vollem  Eecht  nach 
dem  Ahsag  den  Kern  des  Haufens,  —  nämlich  die  Senonen,  beson- 
ders heimgeleiten  und  von  ihren  weiteren  Schicksalen  berichten. 

Die  letzten,  ganz  harmlosen  Bemerkangen  über  das  Schicksal 
der  Plünderer  Boms  muss  also  Polybius  entweder  erdichtet  —  oder 
anderswoher  genommen  haben:  denn  derjenige,  welcher  den  grössten 
Theil  der  abziehenden  Gallier  durch  das  Schwert  des  CamiUus  um- 
kommoi  Hess,  kann  das  nicht  geschrieben  haben,  was  im  Pol.  steht. 
Die  Annahme  nun,  dass  Pol.  im  Grossen  und  Ganzen  die  Quelle 
Diodors  seinem  Auszug  zu  Grunde  legt,  in  diesem  Punkte  aber  ver- 
wirft und  auf  einen  älteren  Bericht  zurückgeht  (welchen?),  scheint 
mir  völlig  unmöglich.  Sollen  wir  also  die  Ansicht  Mommsens  auch 
dann  festhalten,  wenn  sie  zu  der  Consequenz  nöthigt,  Pol.  einer 
grossen  Willkürlichkeit  zu  beschuldigen?  Endlich  was  die  Worte 
iOpaucTOi  xai  dcivcTc  anbetrifft,  welche  in  ihrer  prägnanten  Kürze 
allenfiaUs  eine  polemische  Färbung  zeigen  könnten^),  —  so  erweisen 
sie  sich  nunmehr  meines  Erachtens  als  einfaches  Resultat  aus  der 
ausführlicheren  eigentlichen  Erzählxmg  (ü  18)^   die  absolut  nichts 


*")  So  versteht  auch  Lewig  die  Stelle  (Liebr.)  II  S.  269.  —  *»)  Vgl. 
Lir.  y  35,  d;  Plin.  n.  h.  UI  15,  11«;  Sil.  Ital.  Pnn.  I  624;  Sueton  Tib.  3; 
Flor.  I  7,  13;  de  vir.  ill.  23,  6;  Eutrop.  I  20;  Ampel.  18;  20;  Gros.  II  19; 
Serr.  ad  Aen.  Vm  666;  Fest.  p.  339;  372  M  ;  Paul.  p.  64  M.;  Strabo  V 
1,  6  p.  212;  Flut.  Com.  15.  Wenn  wir  Polybius  mit  der  allgemeinen 
Ueberhefenmg  verbinden,  so  würde  das  Heer  der  Gallier  aus  Senonen, 
Boiem  und  Insubrern  zusammengesetzt  sewesen  sein.  Damit  stimmt  vor- 
trefflich die  Notiz  des  Coro.  Nepos  (bei  Plin.  n.  h.  III  17,  125),  dass  eben 
diese  drei  Stämme  vereinigt  die  Stadt  Melpum  an  demselben  Tage  zer- 
stört hätten,  an  welchem  CamiUus  Veji  eroberte.  —  **)  Wie  Mommsen 
S.  640  a.  E.  andeutet 


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108  Geoig  Thonret: 

Polemisches  enthftlt,  zusammengefasst  und  ohne  jeden  Hinter- 
gedanken Yon  Pol.  den  Galliern  in  den  Mund  gelegt  (11  22). 

So  wage  ich  zu  behaupten,  dass  die  Quelle  des  Poljbius  in  der 
That  kein  Wort  von  der  Gandllussage  enthielt,  —  dass  mithin  Diodor 
in  diesem  Theile  seines  Werkes  eine  jüngere  Stufe  der  Tradition 
vertritt. 

Dasselbe  Resultat  ergiebt  sich  ans  der  Betrachtung  eines  zweiten 
Punktes.  Ich  frage:  Was  veranlasst  die  Gallier,  Rom  zu  lilumen? 
Nach  Diodor  (XIY  116,  7),  wie  nach  der  gesammten  späteren  Tra- 
dition^^): die  Unmöglichkeit,  das  Eapitol  den  Römern  zu  entreissen, 
nach  Polybius  (ü  18)  ein  ^dvTiciraciuia'  und  der  Einfall  der  Veneter 
in  ihr  Heimathland.^^)  Jeder  wird  zugeben,  dass  der  letzte  concreto 
und  wahrhaft  historisch  klingende  Grund  sich  vortheilhaft  von  der 
vulgären  Tradition  unterscheidet,  der  man  die  römische  Tendenz 
sofort  ansieht.  Und  doch  ist  man  bei  der  Ansicht  Mommsens  sofort 
gezwungen  anzunehmen,  dass  die  gemeinsame  Quelle  Fabius  beide 
Gründe  anführte,  und  dass  nur  Poljbius  sich  diesen,  Diodor  jenen 
auswählte.  Nun  dann  aber  düi'fte  man  erwarten,  dass  folgerichtig 
nun  auch  die  Gallier  in  ihr  bedrohtes  Heimathland  zurückkehren 

—  wie  bei  Polybius  — ,  dass  sie  sich  aber  nicht  —  wie  bei  Diodor 

—  noch  mit  der  Belagerung  und  Zerstörung  von  etruskischen  Städten 
so  lange  aufhalten^  —  bis  sie  der  Dictator  Camillus  erreichen  und 
vernichten  kann.*^ 

Ich  glaube  somit  nachgewiesen  zu  haben,  dass  die  Ansicht 
Monamsens:  PoL  habe  die  Gamillusanekdote,  welche  schon  bei  Fabius 
stand,  verworfen  und  auf  eigne  Hand  seine  Quelle  rectificirt,  —  un- 
haltbar ist.  Will  man  dennoch  Fabius  als  Quelle  Diodors  statuiren, 
so  ist  man  zu  der  Annahme  genöthigt^  dass  Fabius  s»  Poljb.  -|'  Diod. 
ist,  d.  h.  dass  schon  Fabius  die  Gamillusanekdote  als  Variante  ge- 
geben hat,  eine  Annahme,  welche  höchst  bedenklich  ist,  weil,  wie 
wir  oben  (S.  106)  gesehen,  im  Diodor  wohl  der  Triumph  des  Camillus 
mit  dem  weissen  Viergespann,  aber  nicht  der  Sieg  desselben  über 
die  Gallier  als  Variante  auftritt 

Um  aber  vollkommen  gerechtfertigt  zu  sein  dafür,  dass  ich 
Fabius  hier  nicht  als  Quelle  Diodors  anerkenne,  stelle  ich  die  An- 


*»)  Vgl.  Liv.  V  48,  7;  Dionys  XIII  fr.  12;  Plut.  Cam.  28  (daraus  Zon. 
VIl  28);  Flor.  I  7,  17  (Halm);  Eutrop.  I  20.  —  *•)  Auf  Grund  von  Diodor 
XX  86,  4  verstehe  ich  t€vo|li^ou  5'  dvncirdcjuiaToc  =•  als  ihre  Aufmerk- 
samkeit abgelenkt  wurde,  —  nämlich  durch  den  Einfall  der  Veneter.  — 
^')  Zwischen  dem  Abzuff  und  der  Niederlage  fallen  nach  Diod.  der  Wieder- 
aufbau der  Stadt  und  drei  Kriege  (vgl.  ob.  S.  101).  Alles  dies  geschieht 
bei  ihm  in  ein  und  demselben  Jahre  wie  die  Schlacht  an  der  AUia.  Für 
unsere  Frage  ist  es  gleichgültig,  ob  wir  hierin  Diodor  folgen  oder  mit 
Mommsen  (S.  687)  die  Ereignisse  nach  dem  Wiederaufbau  in  das  n&chste 
Jahr  setzen  wollen.  Denn  wichtig  würde  diese  Trennung  erst  werden, 
wenn  nachgewiesen  werden  könnte  (was  nicht  möglich  ist,  vgl.  ob.  S.  106), 
dass  Diodor  gerade  an  diesem  Punkte  die  Quelle  wechselt. 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  109 

nahmen  Eusammen,  welche  nöihig  sind,  wenn  Folybius  und  Diodor 
einer  Qaelle  folgten.    Man  muss  annehmen: 

1.  Fabins  erzfthlte:  Die  Gallier  flEuiden  sich  bereit,  Rom  zn  ver- 
lassen, weil  sie  das  Eapitol  nicht  erobern  konnten  nnd  weil  ihr 
Heimathland  dtiroh  die  Veneter  bedroht  wurde;  —  Polybius  ent- 
schied sich  ftlr  den  letzten  Grund,  Diodor  nahm  nur  den  ersten  auf. 

2.  Fabius  berichtete:  Die  Gallier  kehrten  unbehelligt  und  mit 
der  Beute  in  ihre  einheimischen  Sitze  zurück.  Es  geht  aber  die 
Sage,  dass  Gamillus  sie  vorher  vernichtete,  ihnen  Lösegeld  und  Beute 
wiedersbnahm;  —  Polybius  kümmerte  sich  um  diese  Anekdote  nicht, 
Diodor  dagegen  nahm  nur  sie  in  seine  Darstellung  auf. 

3.  Fabius  berichtete  von  der  Zerstörung  der  Stadt  durch  die 
GMlier  und  schilderte  den  Wiederaufbau;  —  Diodor  erzfthlte  ihm 
nach,  Polybius  überging  beides.**) 

Ich  gestehe,  dass  eine  Ansicht,  welche  sich  auf  solche  An- 
nahmen stützen  muss,  unannehmbar  ist.  Bedenken  wir  aber,  dass 
Alles  und  dass  gerade  Alles,  worin  Diodor  von  Polybius  abweicht, 
sich  mit  der  vulgären  Tradition  deckt:  so  sind  wir  nach  quellen- 
kritischer Methode  berechtigt,  hier  einen  Widerspruch  zu  constatiren 
und  zu  behaupten,  dass,  wenn  Fabius  die  Quelle  des  Pol.  ist,  Diodor 
ihn  hier  nicht  benutzt  hat. 

Alles  spricht  dafür,  dass  bei  Pol.  Fabius  zu  Grunde  liegt,  und 
hiezu  möchte  ich  noch  Folgendes  bemerken.  Man  darf  wohl  fragen: 
Woher  weiss  ein  römischer  Historiker,'  dass  ein  Einfall  der  Veneter 
in  die  Poebene  die  Gallier,  welche  Rom  besetzt  hatten,  bewog,  nach 
Hause  zu  eilen?  Dass  dies  nicht  römische  Tradition  ist,  liegt  auf 
der  Hand:  dieser  ist  vielmehr  der  andere  Grund:  die  Unmöglichkeit, 
das  Eapitol  zu  erobern,  in  jeder  Beziehimg  angemessener.  Nach  der 
Darstellung  des  PoL  verdankt  Rom  streng  genommen  den  Venetern 
seine  Bettung.  Die  Veneter  sind  also  gewissermassen  die  Freunde 
Borns.  Das  BSthsel  löst  sich  meiner  Ansicht  nach,  wenn  wir  uns 
erinnern,  dass  die  Veneter  auch  im  Jahre  529  a.  u.  Freunde  Borns 
sind«  Sie  erscheinen  mit  den  gallischen  Cenomanen  in  der  Liste  der 
Wehrfllhigen  bei  Pol.  II  24.  Ja  noch  mehr.  Wie  die  Insubrer  und 
Boier  Botschaft  schicken  an  die  transalpinischen  Stämme  imd  sie 
auffordern,  das  Schwert  zum  Entscheidungskampfe  gegen  Rom  zu 
ziehen,  —  so  senden  die  Veneter  und  Cenomanen  nach  Bom  und 
bieten  ein  Bündniss  an  (Pol.  II  23).  Wie  Polybius  ausdrücklich  her- 
vorhebt (a.  a.  0.),  kam  dieses  Bündniss  den  Römern  sehr  zu  Statten, 
denn  die  Kelten  mussten  einen  Theil  ihrer  Streitkräfte  zurücklassen, 
um  sich  den  Bücken  imd  die  linke  Flanke  zu  sichern.  Die  Boier 
und  Insubrer  erinnern  ihre  Stammgenossen  jenseits  der  Alpen  an 


**)  JBüer  könnte  ich  mit  demselben  Rechte  ans  dem  Schweigen  des 
Polybius  folgern,  dass  Fabius  die  Zerstörung  Roms  —  als  Variante  an- 
gefahrt hat. 


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110  Georg  Thonret: 

die  Thaten  der  Vorfahren,  welche  Born  gedemttthigt,  —  sollten  viel- 
leicht die  Veneter  ihrerseits  bei  Gelegenheit  der  Gesandschaft  daran 
erinnert  haben,  dass  ihre  Vorfahren  schon  einmal  Born  den  Hfinden 
der  Gallier  entrissen  häfcten?  Dies  ist  nur  ein  Gedanke  und  will 
weiter  nichts  sein.  JedenÜEdls  wurden  die  Bömer  damals  auf  die 
Veneter  besonders  aufmerksam.  Wenn  nun  die  Quelle  des  Polybius 
die  einzige  ist,  welche  bei  Gelegenheit  der  ersten  gallischen  Invasion 
die  Veneter  erwähnt,  so  darf  man  nach  dem  vorher  Bemerkten  wohl 
behaupten,  dass  dieser  Umstand  die  Autorschaft  des  Fabius,  des  Zeit- 
genossen des  letzten  gaUischen  Krieges,  sehr  wahrscheinlich  macht. 
Ich  halte  somit  daran  fest,  dass  Fabius  die  Quelle  des  Polybius 
ist  und  die  Diodors  nicht  ist.  Bei  der  vorliegenden  Untersuchung 
kann  Diodor  erst  an  zweiter  Stelle  in  Frage  kommen:  Genügt  Poly- 
bius, eine  Entscheidung  zu  fUUen,  ob  wir  an  die  gallische  Verwüstung 
glauben  sollen  oder  nicht,  —  dann  muss  sich  Diodor  ohne  Weiteres 
beugen. 

IL 
Die  naobpolybianiBohen  Quellen. 

§  1.  Cato,  Varro,  Cicero. 

Diese  drei  bedeutendsten  Gewährsmänner  ziehe  ich  zuerst  heran 
und  frage,  ob  wir  bei  ihnen  directe  Zeugnisse  fELr  die  Zerstörung 
Boms  durch  die  Gallier  finden. 

Wenn  Cato  überhaupt  eine  Darstellung  der  ersten  gallischen 
Invasion  gegeben  hat  —  was  nach  der  Anlage  der  origines  zweifel- 
haft bleibt  — ,  so  kann  er  es  nur  im  zweiten  Buch  gethan  haben, 
welches  von  den  gallischen  Völkerschaften  handelt.  Nach  dem  Vor- 
gang Wageners  bezieht  Jordan*^)  das  von  Gellius  (XVII 13,  4)  über- 
lieferte Fragment  des  2.  Buchs  der  or.:  neque  satis  habuit  quod  eam 
in  occulto  vitiaverat,  quin  eins  famam  prostitueret,  —  auf  die  von 
Livius  (V  33,  3)  beiilhrte,  von  Dionys  (XTTT  14  u.  15  exe.  ambr.) 
ausführlich  behandelte  Ei-zählung,  dass  der  Clusiner  Arruns  die 
Gallier  herbeigerufen  habe,  um  sich  an  dem  jungen  Lucumo  für  den 
mit  seinem  Weibe  begangenen  Incest  zu  rächen.  Ist  diese  Beziehung 
richtig  —  imd  es  lässt  sich  nichts  dagegen  einwenden  — ,  so  hat 
Cato  die  Ankunft  der  Gallier  in  Italien  geschildert  Da  diese  Wen- 
dung der  Sage^)  aber  innig  mit  dem  Weiterdringen  der  Barbaren 
von  Clusium  gegen  Bom  zusammenhängt,  so  ist  es  möglich,  dass 
Cato  auch  die  Einnahme  der  Stadt  berichtet  hat.    An  dieser  Mög- 


")  P.  XXXIX  vgl.  p.  10  No.  3.  Ebenso  urtheilt  Peter  p.  61  No.  36 
nebst  adn.  —  '^)  Nach  derselben  soll  Arruns  die  Gallier  zuerst  mit  dem 
Safte  der  Reben  bekannt  gemacht  haben.  Anders  lautet  die  Massilien- 
sische  UeberlieferuDg,  nach  welcher  die  Gallier  von  den  Massilioten  Wein- 
und  Oelbau  gelernt  haben,  vgl.  Justin  XLIU  4,  2. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  111 

liehkeit  mtlssen  wir  uns  genügen  lassen,  weil  nunmehr  das  Material 
völlig  yersiegt. 

Um  einem  Missverständniss  vorzubeugen,  muss  ich  noch  ein 
anderes  Fragment  berühren.  Festus  bringt  p.  241  M.  (p.  67  Jord.) 
eine  Notiz  aus  Catos  Bede  de  auguribus.  Er  sagt:  probrum  virginis 
Yestalis  ut  capite  puniretur,  vir,  qui  eam  incestavisset,  yerberibus 
necaretur:  lex  fixa  in  atrio  Libertatis  cum  multis  aliis  legibus  in> 
cendio  consumpta  est,  ut  ait  M.  Cato  in  ea  oratione,  quae  de  Augu- 
ribus inscribitur. 

Wir  kennen  weder  genau  die  Lage  des  atrium  Libertatis  ^^), 
noch  wissen  wir  etwas  über  das  Alter  desselben.^')  Man  könnte 
also  meinen,  dass  Cato  unter  dem  incendium  den  gallischen  Brand 
verstehe.  Da  er  indessen  dies  nicht  ausdrücklich  bemerkt,  so  müssen 
wir  seine  Worte  auf  die  letztvoraugegangene  Zerstörung  des  Oebäudes 
beziehen.  Nun  heisst  es  bei  Livius  XXXI Y  44,  5  unter  d«  J.  560  a.  u.: 
atrium  Libertatis  et  villa  publica  ab  e  isdem  (sc.  censoribus)  refecta 
amplificataque.  Im  Jahr  vorher  war  Cato  Consul  gewesen  und  in 
eben  dieses  Jahr  fftUt  seine  erste  mit  Sicherheit  nachzuweisende 
Bede.^^)  Wann  die  Rede  de  auguribus  gehalten  worden  ist,  wissen 
wir  nicht,  jedoch  dürfen  wir  sie  später  als  das  Jahr  560  a.  u.  setzen. 
Daraus  folgt,  dass  Cato  an  diese  jüngste  Zerstörung  des  atrium  Lib. 
gedacht  haben  muss,  weil  er  sonst  von  seinen  Zuhörern  nothwendiger 
Weise  missverstanden  wurde.  Es  ergiebt  sich  also,  dass  wir  nach 
dem  Stand  der  üeberliefemng  nicht  wissen  können,  ob  Cato  an  die 
gallische  Verwüstung  geglaubt  hat  oder  nicht. 

Zu  demselben  Resultat  kommen  wir  bei 
Varro. 

Im  Ganzen  kommen  hier  vier  Stellen  in  Betracht: 

de  1.  L  V  157  (M.  p.  61):  Busta  Gallica,  quod  Roma  recuperata 
Gallorum  ossa,  qui  possederunt  urbem,  ibi  coacerTata  ac  consepta. 

ib.  VI  18  (M.  p.  80):  Dies  Poplifugia  videtur  nominatus,  quod 
eo  die  tumultu  repente  fugerit  populus;  non  multo  enim  post  hie 
dies,  quam  decessus  Gallorum  ex  urbe  etc. 

ib.  VI  32  (M.  p.  85):  Dies  Alliensis  ab  AUia  fluvio  dictus;  nam 
ibi  exercitu  nostro  fugato  Galli  obsederunt  Romam. 

de  vii  pop.  R.  II  bei  Non.  p.^340"):  ut  noster  exercitus  ita  sit 
fogatus,  ut  Galli  Romae[nisi]  Capitolii  sint  potiti  neque  inde  ante 
sex  menses  cesserint.  —  In  allen  Stellen  steht  nichts  von  einer  Zer- 
störung Roms.  In  der  Hauptsache  deckt  sich  Varro  mit  Poljbius. 
Die  von  Pol.  abweichende  Angabe  über  die  Dauer  der  Occupation 


»")  Vgl.  Becker  Top.  S.  458  ff.;  Mommsen  Staatsr.«  IP  S.  348  A.  5. 
—  *•)  Es  wird  zuerst  erwähnt  Liv.  XXV  7,  12  im  J.  640  a.  u.  (Becker 
a.  a.  0.).  —  ")  Vgl.  Jordan  p.  LXIII.  —  ")  Ed.  Gerlach  et  Roth  Baa.  1842. 
Im  Text  steht:  ut  Galli  Homae  Capijbolii  sint  potiti.  Hier  muss  etwas 
verderbt  sein.  Mir  scheint  die  Ergänzung  von  Popma  (nisi)  der  Streichung 
von  'GapitoÜi'  vorgezogen  werden  zu  müssen. 


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112  Georg  Thonret; 

tritt  noch  später  (bei  Florus)  in  der  römischen  Litteratur  anf  und 
ist  mithin  von  Wichtigkeit  für  die  zum  Schluss  anzustellende  Quellen- 
unterBuchung.  Desgleichen  weicht  Varro,  um  dies  hier  anzufügen, 
von  der  yulgSren  üeberlieferung  darin  ab,  dass  er  die  Höhe  des 
Lösegelds  auf  2000  Pfund  und  nicht  wie  diese  auf  1000  Pfund  an- 
giebt^^),  eine  Abweichung,  welche  ebenfalls  bei  der  Quellenfrage 
zur  Sprache  kommen  wird. 

Wir  kommen  endlich  zu  Cicero. 

Auch  bei  Cicero  haben  wir  die  Thatsache  zu  constatiren,  dass 
er  nirgends  in  deutlichen  Worten  von  einer  Verwüstung  Boms  durch 
die  Gallier  spricht,  Suchen  wir  aus  den  zerstreuten  Notizen  seine 
Stellung  zur  Vulgata  zu  gewinnen,  so  ergiebt  sich  Folgendes: 

Cicero  kennt  die  Verurtheilung  des  Camillus  in  den  Centuriai- 
comitien  und  seine  (freiwillige?)  Verbannung  (de  domo  32,  86;  ad 
Com.  Nep.  11  4),  die  Schlacht  an  der  Allia  (ad  Ati  IX  5,  2),  die 
Einnahme  der  Stadt  (Tuscul.  dispui  I  37,  90),  die  Belagerung  des 
Kapitels  (pro  Font.  10,  20),  die  Bettung  desselben  durch  M.  Man- 
lius  (de  domo  38,  101),  das  unglückliche  Schicksal  des  Manlius  (ad 
Corn.  Nep.  H  4;  de  re  pubL  H  27;  Philipp.  I  13,  32;  H  44,  144). 
Ich  habe  oben  (S.  96,  Anm.  10)  die  Stelle  de  diy.  I  17,  30  citirt  als 
Zöugniss  für  die  Fabel,  dass  der  Erummstab  des  Bomulus  nach  dem 
gallischen  Brande  unversehrt  wieder  aufgefanden  wurde.  Ich  glaube 
auch,  dass  man  sie  in  diesem  Sinne  verwenden  darf.^  Hier  jedoch 
kommt  es  auf  den  Wortlaut  an.    Dieser  ist: 

Quid?  lituus  iste  vester,  quod  clarissimum  insigne  auguratus, 
unde  vobis  est  traditus?  Nempe  eo  Bomulus  regiones  direzit  tum, 
cum  urbem  condidit.  Qui  quidem  Bomuli  lituus,  [id  est  incurvum  et 
leviter  a  summo  inflexum  bacillum,  quod  ab  eins  litui,  quo  oanitur, 
similitudine  nomen  invenit]  cum  situs  esset  in  curia  Saliorum,  quae 
est  in  Falatio,  eaque  deflagravisset,  inventus  est  integer. 

Die  Worte  sagen  nicht,  ob  Cicero  den  gallischen  Brand  dabei 
im  Auge  gehabt  hat,  wie  die  gewöhnliche  Üeberlieferung  lautet  (vgl. 
oben  S.  96,  A.  10).  Wenn  man  bedenkt,  wie  viele  solcher  Fabeleien 
gerade  an  den  gallischen  Brand  angeknüpft  wurden,  so  könnte  man 
versucht  sein,  auch  hier  Fabel  und  Anknüpfung  zu  trennen,  d.  h. 
aus  der  Stelle  bei  Cicero  zu  schliessen,  dass  die  Sage  ging,  der 
Augurstab  des  Bom.  sei  bei  einem  Brande  der  Kurie  der  Springer 
unversehrt  geblieben,  und  dass  die  Verbindung  mit  dem  gallischen 
Brand  eine  weitere  Erfindung  sei,  welche  Cicero  füglich  gar  nicht 
gekannt  zu  haben  braucht.  Mag  man  sich  aber  entscheiden  nach 
welcher  Seite  man  will,  so  erlaubt  die  angeführte  Stelle  nimmermehr 
den  Schluss,  dass  Cicero  an  die  Tradition  geglaubt  hat. 

Dagegen  kömien  wir  mit  Bestimmtheit  in  Bezug  auf  einen  an- 


*^)  Bei  Non.  lü  p.  156  8.  v.  torquem.  —  ^  Vgl.  Mommsen  a.  a.  0. 
S.  627  A.  3. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  113 

dem  Punkt  einen  direkten  Widerspruch  zwischen  ihm  und  der  Tra- 
dition verzeichnen.  In  der  Bede  pro  Caecina  macht  Cicero  gelegent- 
lich einige  Bemerkungen  über  die  Bedeutung  des  Wortes  *unde'. 
Er  fragt  c.  30,  87:  unde  deiecti  Galli?  —  a  Capitolio.  Und  fügt 
hinzu  (88):  ut,  si  Galli  a  maioribus  nostris  postularent,  ut  eo  resti- 
tuerentur,  unde  deiecti  essent  et  aliqua  vi  hoc  assequi  possent :  non, 
opinor,  eo8  in  cuniculum^  qua  adgressi  erant,  sed  in  Capitolium 
restitui  oportet.  Denselben  cuniculus  erwähnt  er  beilSuflg  noch  ein- 
mal (Philipp,  in  8,  20).  Vielleicht  Cicero  folgend,  stellt  Servius  ad 
Aen.  Vni  662  die  beiden  Traditionen  gegenüber:  (Qalli)  quos  alii 
per  dumeta  et  saxa  aspera,  alii  per  cuniculos  dicunt  conatos  ascen- 
dere.  Diese  Nachricht,  dass  die  Gallier  versuchten,  durch  einen 
Minengang  auf  das  Kapitol  zu  gelangen,  ist  sonst  völlig  verschollen. 
SSmmtliche  uns  vorliegende  Berichte  lassen  die  Gallier  auf  einem 
FuBspfad  die  Burg  ersteigen.  Da  aber  diese  letztere  Version  mit 
der  wunderbaren  That  des  Pontius  Cominius  —  die  ja  an  und  für 
flieh  nicht  unmöglich  ist  — ,  weiter  aber  mit  der  noch  viel  wunder- 
bareren Bettung  des  Kapitels  durch  die  Gftnse  der  Juno  eng  zu- 
sammenhängt, so  dürfte  man  nur  zu  geneigt  sein,  die  einsame  Notiz 
über  die  Mine  fttr  älter  zu  halten.  Ciceros  Worte  zeigen  an  beiden 
Stellen  keine  ironische  Färbung,  er  muss  also  diese  Geschichte  zum 
Mindesten  für  möglich  gehalten  haben.  Auch  sonst  bringt  er  be- 
kanntlich oft  die  ältesten  Nachrichten.  Wenn  nun,  wie  es  der  Fall, 
sämmtliche  Berichte  die  Vulgata  aufweisen,  so  möchte  man  von  vorn- 
herein über  ihr  Alter  nicht  zu  günstig  urtheilen. 

§  2.   Die  Vulgata. 

£b  würde  zwecklos  sein,  alle  einzelnen  Zeugnisse  fOr  die  Tra- 
dition zusammenzuBtellen,  welche  wir  bei  Schriftstellem  zweiten  Ban- 
ges finden«  Ich  werde  mich  daher  im  Folgenden  überall  an  die 
Hauptpunkte  der  Tradition  selbst  halten. 

Ich  setze  die  Ausbildung  derselben  und  ihre  litterarische  Fixi- 
mng  auf  Grund  des  ersten  Abschnittes  in  die  Zeit  nach  Fabius.  Es 
fragt  sich  nun,  wann  ist  sie  abgeschlossen? 

Das  Fragment  des  Ennius: 

Qua  Galli  furtim  noctu  summa  arcis  adorti 
Moenia,  concubia,  vigüesque  repente  cruentant, 
welches  Macrobius  (I  4)  aus  dem  VU.  Buch  der  Annalen  citirt  und 
dessen  Beziehung  auf  die  Eroberung  Roms  im  J.  364  a.  u.  nur  durch 
die  Aenderung  von  VII  in  im  möglich  wird^^),  ist  auf  jeden  Fall 


*')  ^gl-  Vahlen  quaest.  p.  XLV  und  rel.  p.  28.  Die  Aenderung  ist 
eine  leichte.  Aber  ich  kann  Vahlen  nicht  beistimmen,  dass,  wenn  die 
Besiehung  des  Fragments  richtig  iat,  die  Abweichung  der  Ennian.  Dar- 
stelltmg  von  der  Livianischen  eine  unbedeutende  sei  (p.  XLV).  Ennios 
h&ite  stark  übertrieben  -~  und  nicht  zu  Gunsten  der  ROmer. 


Jahrb.  f.  clMf.  PhU.  Snppl.  Bd.  XI.  n;.;.;.S.  k  CjOOQIc 


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114  Georg  Thouret: 

zu  dürftig,  als  dass  wir  daraus  ersehen  könnten,  in  wie  weit  Ennius 
bereits  der  Tradition  gefolgt  ist. 

Haben  wir  unter  dem  bei  Appian  de  reb.  Gall.  fr.  6  (Becker 
S.  39)  auftretenden  Kaücioc  6  PuijiiaToc^)  den  Cassius  Hemina  zu 
verstehen,  was  man  im  Allgemeinen  geneigt  ist  anzunehmend^),  so 
wäre  Hemina  der  erste,  bei  dem  wir  Spuren  der  Vulgata  direkt  naeh- 
weisen  können.  Das  betreffende  Fragment  erzählt  die  wunderbare 
That  des  Fabius  Dorsuo.  Auch  schliesst  man  weiter,  dass  Appian 
nicht  blos  diese  Stelle,  sondern  die  ganze  Partie  aus  Hemina  ent- 
nommen, und  Appian  kennt  die  Tradition  in  ihrer  yollen  Ausbildung 
(vgl.  Fragm.  1).  Diese  Annahme  bleibt  bei  dem  Stand  der  Ueber- 
Ueferung  zweifelhaft 

Die  Fragmente  der  Schriftsteller  aus  der  Oracchischen  Periode 
geben  uns  keinen  Anhalt^pimki  Dagegen  können  wir  mit  voller 
Sicherheit  behaupten,  dass  in  Sullanischer  Zeit  die  Vulgata  fertig 
ist.  Ich  meine  hier  nicht  sowohl  das  Zeugniss  des  von  Plutarch 
(Num..l)  citirten  *KXi£)biöc  Tic*,  der  *dv  dX^TXH*  XP^viwv'  die  Ältere 
römische  Geschichte  wegen  des  gallischen  Brandes  für  gänzlich  un- 
sicher erklärte,  von  dem  man  aber  sonst  nichts  weiss  ^),  als  vielmehr 
die  Fragmente  des  Claudius  Quadrigarius,  von  denen  sich  die  auf  die 
gallische  Katastrophe  bezüglichen  mit  Livius  vollständig  decken.^^) 
Ja,  wir  können  sogar  noch  einen  Schritt  weiter  zurückgehen,  wobei 
uns  wiederum  der  Erummstab  des  Bomulus  leiten  wird. 

In  den  Praenestin.  Fasten  steht  bei  a.  d.  X  KaL  Apr. :  (C.  I.  L.  I. 
p.  316):  tubil  —  (feriae)  Marti  hie  dies  apellatur  ita  quod  in  atrio 
sutorio  tubi  lustrantur  quibus  in  sacris  utuntur.  Lutatius  quidem 
clavam  eam  ait  esse  in  ruina  Pala(ti  in)censi  a  Gallis  repertam  qua 
Bomulus  urbem  inauguraverit.  Diese  Fabel  hängt  so  innig  mit  der 
Tradition  zusammen,  dass  wir  beide  nicht  trennen  dürfen.  Auch 
wenn  die  Anknüpfung  erst  ein  späteres  Machwerk  sein  sollte  (vgl. 
ob.  S.  112),  so  muss  doch  die  TJeberlieferung  des  gallischen  Brandes 
schon  existirt  haben.  Ich  stimme  Peter  durchaus  bei,  dass  unter 
diesem  Lutatius  —  Lutatius  Catulus  zu  verstehen  sei  (rell.  p.  194 
fr.  11).«»)  Dieser  tödtete  sich  selbst  im  J.  667  a.  u.  (87).^)  Mir 
scheint  hiemach  das  Besultat  unzweifelhaft  zu  sein,  dass  die  Anna- 
listen der  SuUan.  Zeit  die  Tradition  ausgebildet  vorÜEuiden  und  dass 
die  litterarische  Fixirung  derselben  in  den  Ausgang  des  VI.  Jahr- 
hunderts d.  St.  zu  setzen  ist. 


^^  So  die  Handschr.  Die  Aendenmg  Kdccioc  stammt  von  Valesius, 
vgl.  Schweigh.  I  p.  81.  —  *•)  Z.  B.  H.  Peter  p.  101  fr.  19,  vgl.  Mommsen 
a.  a.  0.  S.  628  u.  648.  —  •^)  Peter  trennt  (p.  CCXXXXV)  diesen  Clodius 
von  Quadrigarius  auf  Grand  von  Cic.  de  le^.  1  2,  6  (wonach  er  älter  ist 
als  Sempr.  Asellio);  Unger  dagegen  identificirt  beide  nach  dem  Yoiffange 
von  Niebnhr  und  Schwegler  (vgl.  ünger:  die  röm.  Quellen  des  Livius  in 
der  4.  n.  6.  Dekade;  Pbilologus  1878  8.  Supplementband  2.  Abth.  S.  12). 
—  «»)  Vgl.  Peter  p.  206  ff.,  namentl.  No.  4,  6,  6.  —  «•)  Vgl.  auch  Momm- 
sen a.  a.  0.  S.  627  A.  3.  —  «^)  Die  Stellen  siehe  bei  Peter  p.  CCLXXI  not.  4. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  115 

§  3.   Die  Bericlite. 

Oelegentliche  Darstellangen  bei  Dichtern  (z.  B.  Ovid  Fast  VI 
351  ff«),  Gommentatoren  (wie  Servius  ad  Aen.  VIII  672)  und  Spe- 
dalschriftstellem  (wie  Frontin  strat.  U  6,  1;  in  13  1;  15,  1)  über- 
gehe ich.^)  Bemerkenswerthe  Abweichungen  werden  an  ihrer  Stelle 
verwerthet  werden.    Ich  wende  mich  nunmehr  zu  den  Historikern. 

Eigentliche  Berichte  oder  doch  Fragmente  von  solchen  finden 
sich  bei  folgenden  Schriftstellern: 

LiyiuSj  Florus,  dem  sog.  Anrelius  Victor,  Eutrop,  Orosius,  Diodor, 
Dionjs,  Flutarch,  Appian,  Dio  Cassius,  Zonaras.  Diese  Zahl  ver- 
ringert sich  aber  sofort  für  die  weitere  Betrachtung.  Zonaras  nftm- 
lieh  können  wir  Yon  vornherein  von  der  Debatte  ansschliessen,  da  er 
lediglich  Plutarchs  Biographie  des  Camillus  ausgeschrieben  hat.^) 
Die  Fragmente  Dios  femer  (Beck.  p.  23  fr.  25)  decken  sich  bis  auf 
ganz  geringfügige  Abweichungen  so  vollkommen  mit  Livius,  dass 
wir  auch  Dio  bei  Seite  lassen  dürfen.  Endlich,  da  es  sich  um  die 
Berichte  über  die  gallische  Verwüstung  handelt,  so  scheiden  auch 
Aurelius  und  Eutrop,  welche  davon  nichts  berichten,  zunächst  aus 
der  Betrachtang  aus.  Es  bleiben  somit  übrig:  Diodor,  Livius,  Dionjs, 
Appian,  Flutarch,  Florus,  Orosius.  Aber  auch  diese  Beihe  dürfen 
wir  noch  verkürzen.  Man  könnte  zu  der  Untersuchung  Feters  über 
Plutarchs  Camillus^)  noch  Manches  hinzuftlgen:  das  Resultat  der- 
selben aber,  dass  Flutarch  aus  Dionys,  vielleicht  zum  Theil  aus  Li- 
vius^  geschöpft  hat,  kann  als  feststehend  bezeichnend  werden. 

Vergleicht  man  weiter  Dionys -Flutarch  mit  Livius,  so  kann 
auch  darüber  kein  Zweifel  bestehen,  dass  bei  beiden  nur  ein  Bericht 
zu  Grunde  liegt.  Da  es  mir  hier  nur  darauf  ankommt^  das  Quellen- 
verhSltniss  in  grossen  Zügen  zu  bezeichnen,  so  brauche  ich  nicht 
auf  die  schwierige  Frage  einzugehen,  wo  Antias  und  wo  Macer  die 
Quelle  ist  Soviel  steht  nach  den  Untersuchungen  von  Nitzsch^) 
und  Glason^)  fest,  dass  Dionjs -Flutarch  und  Livius  in  den  unsre 
Frage  angehenden  Fartieen  Schriftstellern  der  Sullanischen  Zeit  ge- 
folgt sind. 

Was  femer  Florus  anbetrifft,  so  zeigt  sich  hier  besonders  deut- 
lich, dass  die  gewöhnliche  Ansicht,  er  sei  ein  Ausschreiber  des  Li- 
vius, unrichtig  ist  Auf  der  andern  Seite  aber  ist  zuzugeben,  dass 
die  geniale  Darstellung  des  Livius  einen  unverkennbaren  Einfluss  in 
der  späteren  Litteratur  behauptet.  Hinsichtlich  des  gallischen  Brandes 


^*)  Kaom  erw&hnenswerth  sind  die  unglaublichen  Fabeleien  eines 
Poljaen  (VIII  26,  1,  vgl.  Lewis  II  S.  272).  —  •»)  JedenfaUs  bringt  Zo- 
nana  sor  Sache  nichts  Neues,  worauf  es  hier  nur  ankommt.  —  ^  Die 
QaeUen  Plutarchs  etc.  S.  17  ff.  —  "^  Für  das  sinnlose  'KaTaKoXouey|cavTi' 
in  Flut.  Cam.  6  wird  man  kaum  eine  andere  Erklärung  finden  vlLb  die 
fiilsche  Uebeisetzung  des  Liyian.  ^prosecuisset'  (V  21)  a«  proseoutus  esset 
—  ••)  Vgl.  Böm.  Ann.  S.  168.  —  ")  Rom.  Gesch.  II  S.  66  —  88. 

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116  Georg  Thonrei: 

deckt  sich  Florus  mit  Livius  yollkommen.  Orosius  endlich  folgt  zum 
Theil  dem  Florus.  Was  er  anders  oder  mehr  als  dieser  bringt,  findet 
sich  bei  Livius  wieder. 

So  bleiben  schliesslich  als  die  drei  Hauptetappen  Diodor,  Appian 
und  Livius -Plutarch  übrig.'®) 

Auf  den  ersten  Blick  schon  theilen  sich  diese  Schriftsteller  in 
zwei  scharf  geschiedene  Gruppen.  Auf  der  einen  Seite  steht  Diodor 
allein,  auf  der  andern  alle  übrigen.  Geben  wir  den  unterschied 
nach  den  Hauptdifferenzpunkten  an,  so  kennt  Diodor  nicht 

1.  Die  Gesandschaft  und  das  darauf  folgende  Eriegstribunat 
der  drei  Fabier; 

2.  Die  volle  Ausbildung  der  Camillussage. 

Auf  der  andern  Seite  lassen  sich  zwei  Recensionen  unterscheiden: 
Appian  —  und  Livius -Plutarch. 

Das  VerhältnisB  dieser  drei  Etappen  wird  durch  ein  Beispiel 
am  deutlichsten  werden.  Das  schlagendste  ist  die  Gesandschafk 
nach  Clusium  und  das  Schicksal  der  Gesandten. 

a.  Diodor  XIV  113,  6  ff. 
Die  Bömer  schicken  zwei  Gesandte  nach  Clusium,  um  Kund- 
schaft über  die  Gallier  einzuholen.  Die  Boten  mischen  sich  dort 
in  den  Kampf.  Einer  von  ihnen  tödtet  einen  gallischen  Anführer, 
worauf  die  Gallier  die  Auslieferung  des  Missethäters  vom  Senat 
verlangen.  Der  Senat  bietet  zunächst  Geld  als  Sühne  an.  Als  dies 
zurückgewiesen  wird,  beschliesst  er  die  Auslieferung.  Der  Vater 
des  Auszuliefernden  jedoch  bewirkt  einen  das  Votum  des  Senats 
cassirenden  Volksbeschluss.    (Namen  werden  nicht  genannt.) 

b.  Appian  de  reb.  GalL  fr.  2  u.  3.'*) 
Bei  ihm  erscheint  schon  die  Vulgata.  Drei  Fabier  werden 
auf  das  Hülfegesuch  der  Clusiner  an  die  Gallier  abgesandt  Die 
weitere  Entwicklung  ist  dieselbe  wie  bei  Diodor.  Dann  aber  be- 
schliesst der  Senat  nicht  mehr  förmlich  die  Auslieferung,  und  weiter 
werden  die  drei  Fabier  zu  Kriegstribunen  gewählt.  Worin  unter- 
scheidet sich  nun  Appian  von  Livius? 

1.  Er  sucht  den  Völkerrechtsbruch  zu  mildem  und  zu  entschul- 
digen. Die  Hülfesendung  wird  bei  ihm  begründet:  (fr.  2)  oö  TrdXai 
bk  o\  KXoucivoi  TwjLiaioic  ävcnovbox  T€TOVÖT€c  in  auroöc  Kax- 
^(puTOV.  Femer  werden  bei  ihm  die  Fabier  nicht  den  Galliern  zum 
Hohn  zu  Tribunen  gewählt,  sondern  damit  man  sie  nicht  auszuliefem 
brauche.     A.  sagt  (fr.  3):   x^ipoTOVoOci  toöc  Oaßiouc   i-nx  t#|v 


^^  So  will  ich  diese  Recension  bezeichnen,  da  Livius  durch  Dionys- 
Plutarch  ergänzt  wird,  die  Fragmente  des  Dionys  aber  an  dieser  Stelle 
nnbeiücksichtigt  bleiben  dürfen,  da  die  auf  die  Zerstörung  bezüglichen 
Stöcke  der  Erzählung  völlig  verloren  gegangen  und.  —  ^')  Diese  Stellung 
Appians  hat  zum  ersten  Mal  Mommsen,  dem  ich  folge,  deutlich  gemacht, 
vgl.  d.  Nachtr.  S.  620  n.  643. 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  117 

iTifjciov  dpx^v  xtXtdpxouc,  Kai  toic  Trpecßcuouci  toiv  KcXtuiv  £<pacav 
ov  buvacOai  vOv  oub^v  ic  touc  Oaßiouc  äpxovrac  f{br\.  toO 

b*  i7ri6vTOC   ?TOUC  f^K€lV   ttUTOÜC,   ÖV   ?Tl   jLlTlviuiClV,   dK^XcUOV. 

2.  Appian  hat  einen  Zng  nur  noch  mit  Diodor  gemeinsa^i,  näm- 
lich den  Yersnch  des  Senats,  die  Gallier  durch  Geld  zu  beschwich- 
tigen (fr.  3).  Endlich  bringt  er  Notizen  von  frischer  ürsprüngliohkeit; 
z.  B.  sucht  sich  nach  ihm  Brennus  für  die  Botschaft  an  den  römischen 
Senat  die  iSngsten  tmd  gewaltigsten  Gestalten  aus  (a.  a.  0.)J') 

c.  Livius-Plutarch. 

Hier  tritt  nun  der  grenzenlose  Hochmuth  der  Bömer  den  Bar- 
baren gegenüber  unverhüllt  zu  Tage.  Die  Bömer  befehlen  einfach 
den  Galliern,  von  Clusium  abzustehen,  obgleich,  wie  Livius  (V  35,  4) 
ausdrücklich  sagt,  Clusium  in  keinem  Bundesverhältniss  zu  Bom 
stand.  Die  Ernennung  der  drei  Fabier  zu  Kri^stribunen  ist  ein  aus- 
gesprochener Hohn  gegen  die  Gallier  (Liv.  Y  36,  10;  Flut  Cam.  18). 

Dieses  Beispiel  genügt,  die  Stellung  der  drei  Gruppen  zu  ver- 
anschanlichen.  Die  Quelle  Appians  hatte  bereits  die  ausgebildete 
Ynlgata  vor  sich.  Die  Darstellung  aber  verrSth  eine  ältere  Epoche 
der  römischen  Annalistik  als  die  ist,  welcher  die  Quelle  von  Livius- 
Plutarch  angehört.  Diodors  Bericht  repräsentirt  die  iQteste  Fassung. 

§  4.  Der  sogenannte  gaUisclie  Brand. 

Diodors  Bericht  ist  auch  hier  der  kürzeste  und  einfachste.  Er 
sagt  (XIY  116,  6):  t(|  T€T<ipTq  b*  i\Viip(f.  TVÖVTCC  Tf|V  dXrjeeiav 
(nämlich,  dass  die  Stadt  ohne  Yertheidiger  sei),  rdc  Te  TTuXac  il- 
eKO^Hiv  xal  Tf|v  iröXtv  dXujLiaivovro  x^P^^  öXitiüv  oktuiv  dv  Tip 
TToXaTi^i- 

Hält  man  sich  streng  an  die  Worte,  so  spricht  er  überhaupt 
von  keinem  Brande;  dXu)LiaivovTO  heisst  nur:  ^sie  verheerten'  die 
Stadt.  Und  da  er  später  beim  Wiederaufbau  sagt  (o.  116,  8):  tujv 
yjiv  oiKiOüV  KaT€CKamu^vuJv  (aedibus  dirutis),  so  könnte  man  daraus 
folgern,  Diodors  Quelle  habe  sich  die  Zerstörung  der  Stadt  als  ein 
Niederreissen  und  Einrennen  mit  Mauerbrechern  vorgestellt.'*)  Da 
nun  Diodor  die  älteste  Tradition  vertritt,  so  hätten  wir  immerhin 
kein  Becht,  die  eingebürgerte  Yocabel  ^gallischer  Brand'  fernerhin 
zu  gebrauchen.  Ich  für  mein  Theil  möchte  die  Worte  Diodors  bei 
ihrer  ausserordentlichen  Knappheit  nicht  derartig  pressen,  —  denn 


^')  Auf  der  andern  Seite  erscheinen  bei  ihm  offenbare  XJebertreibun- 
gen.  So  tödten  die  drei  Fabier  iroXXoCic  KcXtCjv  (fr.  3),  oder  gar  iroXO 
ffXifOoc  (fr.  2).  —  ^")  Mommsen  spricht  sich  auch  im  Nachtrag  nicht 
denthch  darüber  aus,  was  er  eigentlich  vom  sogen.  ^Gall.  Brande'  hSIt. 
Seine  Worte  (S.  587):  ^Es  folgt  Schleifung  der  Häuser  und  die  Yerhee- 
nmg  der  Stadt  durch  die  Fremden'  geben  genau  den  Diodor.  Bericht 
wieder,  den  M.  allerdings  von  vornherein  als  den  'relativ  reinsten'  be- 
zeichnet (8.  616).    Aber  das  ist  ja  gerade  die  Frage! 


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HS  Georg  Thonret: 

sonet  könnte  man  mit  demselben  Rechte  die  gleich  darauf  folgenden 
Worte  (c.  115,  6)  pressen,  woraus  sich  dann  die  ungeheuerliche  Vor- 
stellung ergäbe,  dass  die  Gallier  in  wenigen  Tagen  die  Stadt  flugs 
eingerissen  hätten  und  dann  erst  zu  der  Belagerung  des  Kapitels 
geschritten  wären.^^) 

Einer  Vocabel  wegen  habe  ich  diese  Arbeit  nicht  unternommen. 
Um  aber  gegen  jeden  Vorwurf  gesichert  zu  sein,  will  ich  erst  die 
Verbrennung  und  dann  die  Niederreissnng  Roms  als  unhaltbar  naeh> 
zuweisen  yersuchen. 

§  5.   Der  Brand. 

Die  ersten  Worte  des  1.  Fragments  von  Appian  enthalten  in 
nuce  die  vulgäre  Tradition:  KeXroi  Twjiiaioic  dTrexetpticav  TrpuiToi, 
Kttl  TfjV  'PUJ)LIT1V  elXoV  aV€U  TOO   KaTTlTUlXlOU  Koi  i|LiTr€7rpTiKaci. 

Ich  gehe  nun  näher  auf  das  Einzelne  ein: 

1.   Veranlassung  des  Brandes. 

Die  Gallier  finden  die  Thore  offen  und  kommen  in  eine  ver- 
lassene, freiwillig  geräumte  Stadt  (Liv.  V  41,  4;  Flut  Cam.  22  in.; 
Flor.  I  7,  14;  Oros.  H  19  Hav.  p.  67;  Zon.  VII  23).  Livius,  Flu- 
tarch,  aus  ihm  Zonaras  (alle  a.  a.  0.)  haben  übereinstimmend  die 
bekannte  Erzählung,  dass  ein  vorwitziger  Gallier  den  M.  Fapirius, 
einen  der  in  der  Stadt  zurückgebliebenen  Greise,  am  Barte  zupft. 
Als  dieser  dem  Frechen  dafür  einen  Schlag  mit  seinem  Stabe  giebt, 
werden  alle  Greise  ermordet,  Flünderung  imd  Brand  beginnen.  Auch 
Florus  (a.  a.  0.)  sagt,  dass  ^e  Niedermetzelung  der  Greise  das  Signal 
zum  Anzünden  der  Stadt  gewesen  sei.  Orosius  (a.  a.  0.)  endlich 
widerspricht  dem  nicht,  nur  verzerrt  er  das  Entsetzliche  zum  Ab- 
surden, indem  er  die  Alten  sämmtlich  noch  durch  das  Feuer  um- 
kommen lässt. 

Das  Ergebniss  ist:  die  Anzündung  Borns  ist  der  freie  Wille 
der  Gallier.  Sie  betreten,  wie  Livius  sagt,  sine  ira,  sine  ardore  ani- 
morum  die  Stadt,  die  sie  dann  aus  üebermuth  und  Flünderungssucht 
an  allen  vier  Ecken  anstecken. 

2.    Zeit  und  Dauer  des  Brandes. 
Nach  allen  Berichten  beginnt  der  Brand  gleich  am  ersten  Tage, 
üeber  die  Dauer  wird  nichts  Bestimmtes  gesagt.    Nach  dem  Erfolg 
zu  urtheilen  muss  das  Feuer  tagelang  gewüthet  haben. 

3.    Erfolg  des  Brandes. 
Nach  Flutarch  Cam.  31  ist  so  ziemlich  Alles  verbrannt.     Da 
die  Römer  später  die  Mauern  wieder  aufbauen  müssen  (c.  32  med. 


'^)  Anders  sind  die  folgenden  Worte  nicht  zu  verstehen:  . . .  TToXariip* 
ficxA  bi  TaOxa  irpocßoX&c  iroioOiiievoi  xae'  ^m^pav  irp6c  6xv)poüc  Tdirouc, 
o<)hbf  ixiy  dßiöXoTOv  ^ßXaTrrov  loijc  öirevovrCouc,  laurCOv  bi  iroXXoOc  dir- 
^ßaXXov  kt£.    Die  öxi^pol  TÖiroi  können  nur  das  Eapitol  sein. 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  119 

ygL  Zon.  YII  23  extr.),  so  sind  also  auch  diese  zerstört.  Sicher  un- 
versehrt* blieb  nur  der  Erummstab  des  Romulus  (c.  32  extr.). 

Dieselbe  Ausdehnung  giebt  Florus  der  Zerstörung.  ^  Er  sagt 
(I  7, 14):  facesque  tectis  iniciunt  ^t  totam  urbem  igni  ferro  manibus 
ezaequant 

Orosius  äussert  sich  ebenso  (II  19).  In  seiner  Weise  malt  er 
in  düsteren  Farben  ein  grauenvolles  Bild  der  Verwüstung. 

LiviuB  ist  in  sich  widersprechend.  Nach  der  eigentlichen  Dar- 
stellung brennt  Alles  nieder.  Die  Bömer  auf  dem  E^apitol  hören 
das  Prasseln  der  Flammen,  das  Dröhnen  der  einstürzenden  Häuser 
(Y  24;  4).  Das  Endergebniss  ist:  omnia  flammis  ac  minis  aequata 
(y  42,  7;  48,  2).  Später  aber  fordert  Camillus  ndt  flammenden 
Worten  die  Seinigen  auf,  ^im  Angesicht  der  fana  deorum'  tapfer  zu 
kämpfen  (Y  49,  3).  Damach  müssen  einige  Tempel  stehen  geblieben 
sein  (ygL  auch  Y  50,  2;  6),  womit  auch  stimmt,  dass  es  von  Ca- 
millus heisst  (49,  4):  instruit  aciem,  ut  loci  natura  patiebatur,  in 
semirutae  solo  urbis. 

Endlich  versammelt  sich  gleich  in  den  ersten  Tagen  nach  dem 
Abzüge  der  Feinde  der  Senat  nach  altgewohnter  Weise  in  der  hosti- 
lischen  Kurie  (c.  55, 1),  welche  an  der  Nordseite  des  Forums  stand. ^^) 
Sie  ging  bei  der  Leichenfeier  des  Clodius  i.  J.  703  a.  u.  zu  Orunde^®), 
—  der  gallische  Brand  verschonte  sie. 

Ziehen  wir  ab,  was  auf  Bechnung  der  Schilderung  zu  setzen 
ist,  so  verbrannte  Stadt  und  Mauer  mit  Ausnahme  einiger  Gebäude. 

4.    Der  Wiederaufbau. 

Liv.  YI  3,  6 :  intraque  annum  nova  urbs  stetit. 

Plut.  Cam.  32  med.:  dvTÖc  Top  ^viauroO  X^T^Tai KaiW| 

dvacrfivai  ndXtv  (daraus  Zon.  YII  23).  Man  gab  von  Staatswegen 
Ziegel  her  (tegula  publice  praebita  Liv.  Y  55, 2).  Jeder  konnte  bauen, 
wo  er  Lust  hatte  (ebd.  55, 4).  Die  Folge  davon  war,  dass  die  Strassen 
krumm  und  schief  wurden  und  dass  die  alten  Kloaken  nicht  mehr 
den  Strassen  folgten,  sondern  zum  Theil  unter  den  Häusern  weg- 
liefen (65,  5). 

Das  ist  der  uns  vorliegende  Bericht  — ,  glänzend  ist  er  nicht'') 

Meine  Taktik  wird  nun  nicht  darin  bestehen,  dass  ich  Alles 
zusammensuche,  was  nach  der  späteren  üeberlieferung  noch  vom 
ältesten  Bom  bis  auf  die  letzten  Zeiten  der  Bepublik  oder  bis  zum 


")  Vgl.  Becker  Top.  8.  284.  —  '•)  Die  Stellen  bei  Becker  Top.  S.  310 
Anm.  645.  —  ^0  Diejenigen  Widersprüche,  welche  lediglich  Livianisch 
sind,  habe  ich  gänzlich  übergangen:  Die  Stadt  ist  nach  Livins  (V  41,  6) 
leer  und  todtenstill.  Nur  die  Greise  sitzen  in  den  Vestibülen  ihrer  Häuser. 
Sie  werden  erschlagen,  —  also  ist  eigentlich  nun  Alles  menschenleer! 
Trotsdem  heisst  es  e.  40,  10:  post  principum  caedem  nulli  deinde  mor- 
talinm  parci.  Wo  kommen  diese  Sterblichen  her?  vgl.  auch  c.  42,  4. 
Aehnlich  äussert  sich  übrigens  Plut.  Cam.  22  eztr. 


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120  Georg  Thouret: 

Brande  unter  Nero  erhalten  blieb.  Nur  eins  möchte  ich  von  Born 
von  vornherein  retten  —  und  zwar  die  Mauern. 

Erstens  konnte  Feuer  den  gewaltigen  Mauern  des  Servius  oder 
gar  dem  colossalen  Wall  auf  der  nordöstlichen  Seite  ^^)  kaum  etwas 
anhaben.  Femer  ist  es  eine  Thatsache,  dass  Born  von  der  Könige 
Zeiten  bis  auf  Aurelian  keine  neuen  Mauern  erhalten  hat^^)  Die 
Servianischen  sind  auch  heut  noch  erkennbar.  Man  darf  auch  nicht 
Stellen  wie  die  folgenden  für  die  Tradition  anführen: 

Liv.  VI  32,  1:  (Es  wird  ein  tributum  ausgeschrieben)  in  mumm 
a  censoribus  locatum  saxo  quadrato  faciendum;  oder 

Liv.  YU  20, 9 :  legionibusque  Bomam  reductis  relicum  anni  muris 
turribusque  reficiendis  consumptum. 

Dies  sind  wirklich  alte,  echt  historisch  klingende  Angaben.  Aber 
jene  Stelle  gehört  ins  J.  376  a.  u.,  diese  401  a.  u.  Nach  der  ersten 
hätten  also  die  Bömer  erst  zwölf  Jahre  nach  dem  Brande  angefangen, 
die  Mauern  wieder  aufzubauen,  was  undenkbar  ist.  Es  handelt  sich 
vielmehr  in  diesen  Stellen  um  Itefectionen,  welche  natürlich  wieder- 
holt nöthig  wurden,  denen  wir  auch  später  noch  begegnen^),  und  die 
erst  aufhören,  *als  kein  Hannibal  mehr  vor  den  Thoren  zu  fürchten 
war'.«^) 

Da  nun  Plutarch  der  einzige  ist,  welcher  von  einer  Zerstörung 
der  Mauern  spricht,  so  werden  wir  aus  den  angeführten  Gründen 
berechtigt  sein,  sein  Zeugniss  zu  streichen.^^) 

Ich  frage  nunmehr:  Welche  Bedeutung  hat  der  Brand  in  der 
Geschichte  der  unmittelbar  folgenden  Zeit?  Ist  dieses  tief  einschnei- 
dende Ereigniss  historisch,  so  muss  es  Spuren  seiner  Bedeutung 
selbst  in  der  verworrensten  üeberlieferung  zurückgelassen  haben. 
Dies  ist  nun  nicht  der  Fall. 

Erwähnt  wird  der  gallische  Brand  im  Folgenden  noch  mehr- 
fach,  insofern  vom  Wiederaufbau  der  Stadt  die  Eede  ist  (Liv.  VI 
4,  4;  5,  1;  5,  5;  11,  9).  Aber  eben  der  Wiederaufbau  spielt  gar 
keine  Bolle. 

Es  ist  die  allgemeine,  von  den  besten  Schriftstellern  bezeugte^'), 
und  somit  nicht  zu  bezweifelnde  Üeberlieferung^  dass  Bom  nach  dem 
Abzüge  der  Gallier  von  seiner  Höhe  heruntergeworfen  ist  und  von 
allen  Seiten  bedroht  dasteht.  Volscer,  Etruscer,  Latiner,  Hemiker 
greifen  sofort  zum  Schwert  (Liv.  VI  2).  Dabei  kann  es  dahin  ge- 
stellt bleiben,  ob  gerade  diese  Namen  richtig  sind.  Als  Tag  der  Allia- 
schlacht  ist  der  18.  Juli  überliefert.  Die  Occupation  der  Stadt  dauert 


")  Vgl.  Becker  Top.  S.  171;  Jordan  Top.  d.  St.  R.  I  S.  214.  —  '»)  Vgl. 
Becker  Top.  S.  182;  Jordan  I  S.  201  flF.,  bes.  S.  340  u.  A.  1.  —  •<>)  Z.  B. 
im  J.  540  a.  u.  Liv.  XVI  7,  3:  creati  sunt  quinque  viri  muris  et  turribus 
reficiendiß.  —  •*)  Becker  Top.  S.  183.  —  «»)  Zon.  VII  23  extr.  ist  kein 
zweites  Zeugnisa,  da  er  Plut.  ausschreibt.  —  *')  Ich  erwähne  nur  Polyb. 
I  6;  n  18  u.  Varro  d.  L  1.  VI  18  M.  p.  80. 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  121 

sieben  Monate^);  mithin  werden  die  Römer  ungefthr  im  Frül\jahr 
wieder  Herren  ihres  Vaterlandes.  Das  astronomische  Jahr  stinunte 
damals  ziemlich  genau  mit  dem  kalendarischen  zusammen.^)  Man 
ging  also  einem  Sommer  entgegen.  Sollen  wir  annehmen,  die  Feinde 
hfttten  mit  ihrem  Angriffe  so  lange  gewartet,  bis  Rom  wieder  auf- 
gebaut war?  Vielmehr  erscheint  denn  auch  Camülus  in  den  Kapitel. 
Fasten  sowohl  wie  in  den  Berichten  der  Schriftsteller  sofort  nach 
dem  Abzüge  der  Gallier  als  Dictator  (IQ).  Die  Stadt  ist  ein  Schutt- 
haufen \md  doch  heisst  es  von  Camülus  (Liy.  VI  2,  6):  iustitioque 
indicto  dilectum  iuniorum  habuit,  ita  ut  seniores  quoque,  quibus 
aliquid  roboris  superesset,  in  verba  sua  iuratos  centuriaret.  exercitum 
conscriptum  armatumque  trifariam  divisit.  Also  die  Bömer  stellen 
zu  gleicher  Zeit  drei  Heere  auf,  —  mit  der  verbrannten  Stadt  im 
Bücken.  Ebenso  heisst  es  weiter  (VI  4,  1):  Camillus  in  urbem 
triumphans  rediit,  trium  simul  bellorum  victor.  Und  wie  wenn  der 
Schriftsteller  sich  plötzlich  erinnerte^  dass  ja  in  Bom  gebaut  werden 
mÜBste,  lässt  er  nun  Alles  mit  emsigem  Eifer  bauen  (VI  4,  6).  Die 
grösste  That,  welche  die  Bömer  jemals  vollbracht  —  mit  einer  ver- 
brannten Stadt  im  Rücken  drei  Feldzüge  zugleich  zu  führen  —  sie 
verschwindet  unmerklich  in  römischer  Tradition. 

Ich  muss  gestehen,  wenn  die  Römer,  wie  es  historisch  ist,  im 
Besitz  des  unversehrten  und  (nach  Diodor  XIV 115,  2)  neubefestigten 
Veji  waren,  als  dieser  Sturm  losbrach,  so  ist  es  fast  unglaublich,  dass 
sie  die  Brandstätte  der  Veste  vorzogen.  Wenn  man  einwendet:  Mie 
Römer  sind  wahrscheinlich  erst  dann  definitiv  nach  Rom  zurück- 
gekehrt, nachdem  sie  sich  etwas  Luft  nach  Aussen  gemacht',  —  so 
wirft  man  die  Berichte  um,  —  und  weiter  will  ich  nichts. 

Einen  Ausweg  gibt  es!  Man  könnte  argumentiren:  die  andern 
St&dte  sind  vermuthlich  auch  zerstört  worden  und  mussten  also 
ebenso  wie  Rom  erst  wieder  aufgebaut  werden.  —  Nun  ist  es  aber 
höchst  auffallend,  dass  von  den  Städten  ringsum  keine  fiaktisch  zer- 
stört worden  zu  sein  scheint.  Alle  diejenigen,  welche  vor  der  gallischen 
Invasion  eine  Rolle  spielen,  treten  auch  nachher  sofort  wieder  auf. 
Von  den  Städten  auf  dem  rechten  Tiberufer  kann  man  absehen,  da 
sich  der  Verstoss  der  Gallier  auf  dem  linken  gehalten  zu  haben 
scheini^^  Wichtiger  sind  die  Städte  in  der  unmittelberen  Nähe 
Roms.    Nach  unsem  Berichten  sind  sie  unversehrt,  wie 

Bolae         Liv.  VI  2,  14. 

Antium        „      „    6,  4;  9,  1. 

Satricum      „      „    7,  1. 

Ciroeji         „      „    12,  6. 

»*)  Resp.  nach  Varro  (vgl.  ob.  S.  111)  6  Mon.;  Servius  ad  Aen.  VIII 
e62  giebt  sogar  8  Mon.  an.  Doch  hat  der  gute  Cd.  Guelferbyt.  I  nicht 
octo  sondern  'cnmque',  woraus  man  auch  quinque  lesen  könnte.  —  ^^  Vgl. 
Mommaen:  B.  Ghron.'  S.  202/8.  —  ^')  Seit  Clusium,  welches  auf  dem 
rechten  Ufer  liegt 


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VI  21,  9. 


122  Georg  Thouret: 

Velitrae     Liv.  VI  12,  6. 
LanuYinin    „      ,;    21,  2. 

Praeneste 

Tuscnlnixi 

Gabii 

Labici 

8  Stftdie,  Praeneste  unterthan  29,  6. 
Setia  30,  9. 

Ecetra  31,  5. 

Wozu  man  noch  Ärdea  aus  der  CamiUnssage  hinzuftlgen  kann.  Ja 
bei  Varro^^  befindet  sich  sogar  das  winzige  Ficulea,  drei  Million  von 
Born,  unter  den  Gegnern.  Es  muss  also  auch  unversehrt  geblieben 
sein,  worüber  sich  schon  Niebnhr  wunderte.®^ 

Wie  soll  man  sich  dies  Alles  zusammenreimen?  Nach  Liyius 
freilich  ist  Alles  in  Ordnung.  Er  erzählt  nSmlich:  Als  die  Gallier 
von  Clttsium  aufbrachen,  um  Rom  zu  züchtigen,  da  wSre  ein  ge- 
waltiger Schrecken  durch  alle  Stftdte  gegangen;  überall  hätte  man 
sich  bewa&et,  um  wenigstens  das  Leben  zu  vertheidigen.  Die  Gallier 
aber  hätten  die  GemOther  beruhigt  und  bekannt  gemacht:  Bomam 
se  ire  (magno  clamore  significabant  Liv.  37,  5).  Genau  dasselbe  sagt 
Plutarch  Cam.  18  (dßöwv  dtri  Tf|v  'Pi(l^T^v  TTopeueceai  Kai  mövoic 
TToXe^eTv  'Plü^aiolC,  touc  b*  dXXouc  q>iXouc  itricTacOai).  Da  nun 
Camülus  später  die  Gallier  bis  auf  den  letzten  Mann  vernichtet,  so 
wäre  die  Möglichkeit  gegeben,  dass  sie  keine  Stadt  weiter  zerstörten. 
Aber  wer  wird  Livius  dies  glauben?  Es  klingt  gerade  so,  wie  wenn 
Jemand  die  Soldaten  Till/s  auf  ihrem  Zuge  gegen  Magdeburg  Mani- 
feste modemer  Kriegführung  unter  die  Bevölkerung  ausstreuen  liesse. 
Gewiss  sengen  und  brennen  die  Gallier,  —  genau  so  wie  die  Bömer. 
Damit  ist  aber  noch  nicht  gesagt,  dass  sie  auch  Bom  verbrannten, 
ebensowenig  wie  die  Römer  Veji  sofort  dem  Erdboden  gleichmachten. 
Wenn  ich  durch  die  bisherige  Darstellung  die  üeberzengun^ 
bei  dem  Leser  habe  hervorrufen  können,  dass  es  mit  den  vorhandenen 
Berichten  über  den  gallischen  Brand  überraschend  traurig  steht,  — 
so  habe  ich  erreicht,  was  ich  wollte.  Nunmehr  stelle  ich  diesen  vul> 
gären  Bericht  dem  des  Poljbius  gegenüber. 

Ich  frage:  Warum  verbrennen  die  Gallier  Bom?  Aus  Bache!**). 
Warum  belagern  sie  also  das  Eapitol?  Folgerichtig  —  um  es  aus- 
zuplündern und  ebenfiJls  zu  zerstören.  Nun,  ist  es  wirklich  denk- 
bar, dass  die  Gallier  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Einnahme  die 
Stadt  ausplündern  und  anzünden  —  und  dann  sieben  Monate  lang 
das  Eapitol  belagern?  Ja,  ich  fi-age  sogar:  Konnten  sie  überhaupt 
das?  Es  sei  mir  eine  Parallele  gestattet  Im  J.  69  p.  Chr.  nehmen 
die  Truppen  des  Antonius  Primus  Cremona  mit  Sturm  und  ver- 


•»)  De  1.  1.  VI  18  M.  p.  80.  -  ••)  B.  G.  U  S.  640  Anm.  1267.  — 
^*)  Ich  folge  hier  der  Tradition. 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  123 

brennen  die  Stadt  bis  aaf  einen  einzigen  Tempel^  der  ausserhalb  der 
Bingmaner  stand  (Tbc  bist.  III  33);  die  Locaütät  mass  also  ähnlich 
ausgesehen  haben  wie  in  Born.  Gemordet  wurde  wenig  oder  gar 
nicht  (ebd.  c  34).  Was  war  nun  die  Folge?  Nach  wenigen  Tagen 
schon  mussten  die  Soldaten  die  Brandstätte  räumen.  Tacitus  sagt 
(c.  35  in.):  ceterum  adsidere  sepultae  urbis  nimis  noxia  tabo  humus 
haud  diu  permansit!  Die  Grallier  aber  sollen  sieben  Monate  lang,  zum 
Theil  in  der  heissesten  und  ungesundesten  Jahreszeit^)  auf  der  Brand- 
stätte gehaust  haben,  ringsum  Yon  Feinden  umgeben  und  noch  mit 
dem  Ballast  der  Beute  beschwert.  Mir  scheint  dies  geradezu  eine 
physische  Unmöglichkeit  zu  s^.  Die  Einäscherung  Roms  ist  nur 
zu  verstehen,  wenn  die  Gallier  die  Stadt  ausplündern,  vielleicht  einen 
Sturm  auf  das  E^apitol  versuchen,  die  Stadt  an  allen  vier  Ecken  an- 
zOnden,  die  Beute  aufpacken  —  und  weiter  ziehen.  Damit  haben  sie 
ihren  Zweck  erreicht,  wenn  ihr  Zug  ein  Bache-  und  Baubzug  war. 
Die  Polybianische  Angabe  einer  siebenmonatlichen  Occupation  der 
Stadt  lässt  sich  damit  nicht  oder  doch  nur  in  höchst  gezwungener 
Weise  vereinigen.  Da  nun  PoL  kein  Wort  von  einer  Verbrennung 
Boms  sagt,  so  sind  wir  berechtigt,  hier  einen  Widerspruch  zu  con- 
statiren.  Ist  dem  so;  dann  müssen  wir  eine  Entscheidung  treffen, 
und  da  zweifle  ich  keinen  Augenblick,  mich  für  Polybius  zu  ent- 
scheiden.^^) 

§  6.   Die  Niederreissnug  Roms. 

Die  physische  Unmöglichkeit  verschwindet  zum  Theil  wenigstens, 
wenn  wir  annehmen,  die  Gallier  hätten  Bom  nicht  verbrannt,  sondern 
niedergerissen.  Da  sich  diese  Annahme  nur  auf  den  absoluten  Wort- 
laut Diodors  stützen  würde,  so  habe  ich  das  Becht  zu  prüfen,  ob 
sich  dieser  Wortlaut  mit  den  Consequenzen  deckt,  welche  jene  An- 
nahme nothwendig  nach  sich  zieht. 

Wir  sind  zunächst  gezwungen,  Diodor  insofern  zu  berichtigen, 
dass  eine  Niederreissung  Boms  in  wenigen  Tagen  ein  Unding  ist.^) 
Femer:  worauf  beruht  die  Bedeutung  einer  antiken  Stadt,  —  worauf 
die  Bedeutung  Boms?  Auf  seiner  Mauer.  Will  man  eine  antike  Stadt 
zerstören,  so  muss  man  die  Mauern  niederreissen,  wie  wir  dies  aus 


^  Die  ungesundeste  Jahreszeit  war  im  alten  Bom  schon  die  Zeit 
von  Juni  bis  Mitte  October.  Im  August  erreicht  das  Malariafieber  seinen 
Höhepunkt,  vgl.  Jordan  Top.  I  S.  143.  Jordan  sieht  in  der  alten  ^pesti- 
lentia'  eine  pernieiöse  Form  der  Malaria  (a.  a.  0.  S.  160).  —  **)  In  an- 
derem Zusammenhang  verwirft  Ihne  (R.  G.  I  S.  229}  die  sieben  Monate. 
Er  sagt:  'wir  irren  wohl  nicht,  wenn  wir  diese  Berechnung  herleiten 
aus  dem  jedenfalls  erdichteten  Triumph,  den  Camillus  mi  Februar 
des  folgenden  Jahres,  also  sieben  Monate  nach  der  Schlacht  an  der  AUia 

fefeiert  haben  soll'.  Mir  scheint  umgekehrt  das  Datum  des  erfundenen 
'riumphes  (Plnt.  Cam.  30)  nach  den  sieben  Monaten  erfunden  za 
sein.  —  Lewis  (Liebr.)  II  S.  276/77  hat  den  Widerspruch  deutlich  gefühlt. 
—  »«)  Vgl,  ob.  S.  118  Anm.  74. 


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124  Georg  Thouret: 

zaMreichen  und  berühmten  Beispielen  deuüich  erkennen.  Wollen 
also  die  Gallier  Born  wehrlos  machen,  so  müssen  sie  die  Mauern  ein- 
rennen, unglücklicherweise  sagt  nun  aber  gerade  Diodor  das  nicht, 
sondern  er  spricht  bei  Gelegenheit  des  gar  nicht  knappen  Berichts 
über  den  Wiederaufbau  (XIV  11 6^  8  u.  9)  durchaus  nur  von  nieder- 
gebrochenen Häusern  und  von  wiederaufgebauten  Strassen.  Die 
Mauern  kommen  bei  ihm  überhaupt  nicht  vor.  Also  gerade  da^  wo 
es  darauf  ankommt,  sagt  er  das  Falsche!  Femer  haben  wir  gesehen, 
dass  die  Mauern  jedenfalls  stehen  geblieben  sind.  Auf  der  andern 
Seite  kommt  mir  die  Vorstellung  ungeheuerlich  vor,  dass  die  Gallier 
sieben  Monate  das  Eapitol  belagern  und  während  dessen  ein  Gebäude 
nach  dem  andern  demoliren.  Da  scheint  mir  die  Brandfackel  der 
Situation  viel  besser  zu  entsprechen.  Endlich  liegt  den  Worten 
Diodors  (115,  6)  keine  Andeutung  eines  systematischen  Zerstörungs- 
werkes, sondern  offenbar  dieselbe  Vorstellung  zu  Grunde,  welche  alle 
Berichte  durchzieht:  nämlich  die  einer  sofortigen,  gewaltsamen  Ver- 
wüstung, wozu  das  Element  des  Feuers  nöthig  ist 

So  werden  wir  die  Niederreissnng  Boms  nicht  aufrecht  erhalten 
können,  wenn  wir  die  Verbrennung  verwerfen. 

§  7.   Der  Wiederaufbau. 

Hätte  Diodor  wirklich  eine  ganz  andere  Vorstellung  von  der 
Zerstörung  der  Stadt  als  Liyius,  so  würde  dies  für  ein  hohes  Alter 
seiner  Quelle  sprechen.  Wie  wir  gesehen  haben,  ist  diese  Ansicht 
nicht  durchführbar.  Aelter  ist  Diodor  jedenfalls.  Wie  schüchtern 
tritt  bei  ihm  die  Verwüstung  Boms  auf:  dXu^aivovTO  Tf|V  ttöXiv 
Xujpic  öXiTWV  oUiAv  tv  Tt?»  TToXaTiip,  —  gegen  die  grossartige 
und  breit  ausgefUhrte  Schilderung  des  Livius.  Hier  hatte  die 
Phantasie  den  freiesten  Spielraum,  und  sie  hat  ihn  gründlich  aus- 
genutzt. 

Wenn  aber  etwas  geeignet  ist,  uns  gegen  ein  sehr  hohes  Alter 
der  Quelle  Diodors  skeptisch  zu  stinmien,  so  ist  es  sein  Bericht  über 
den  Wiederaufbau  der  Stadt.  Wir  finden  ihn,  um  einige  gleichartige 
Glieder  erweitert,  vollständig  bei  Livius  wieder.  Was.  aber  die  Haupt- 
ursache ist:  Diodors  Bericht  besteht  bereits  aus  Versuchen,  spätere 
Zustände  in  den  baulichen  Verhältnissen  Boms  durch  den  flüchtigen 
Aufbau  zu  erklären.  Er  erzählt  (XIV  116,  8):  'Da  die  Häuser  in 
Trümmern  lagen  und  der  grösste  Theil  der  Bürgerschaft  umge- 
kommen war,  gaben  die  Bömer  Jedem,  der  bauen  wollte,  die  Er- 
■  laubniss  zu  bauen,  wo  es  ihm  beliebte;  man  gewährte  von  Staats* 
wegen  Ziegel  (ö»i|uiociac  Kepajiiöac),  a1  |li^xp*  toO  vOv  noXiTiKai 
KaXoCvrai.  Als  nun  Jeder  nach  seinem  GefÜlen  baute,  so  geschah 
es,  dass  die  Strassen  eng  und  krumm  wurden;  daher  konnte  man 
aach  später  dieselben  nicht  wieder  gerade  machen'.  Vergleichen  wir 
damit  Livius,  so  erscheinen  auch  bei  ihm  ' Staatsziegel'  —  tegula 
publice  praebita  est  (V  55,  3);  auch  er  sagt:  festinatio  curam  ezemit 


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üeber  den  galUBclLeiL  Brand.  125 

vicos  dirigendi  (55,  4).  Er  fügt  nun  noch  hinzn  (55,  5):  ea  est 
caoBa,  nt  veteres  doacae,  primo  per  pubHcnm  dnotae,  nnnc  privaia 
paBsim  subeant  tecta,  formaqne  nrbis  sit  ocoupatae  magis  quam  di- 
▼isae  similis.  An  frttheren  Stellen  hatte  er  bereits  die  Namen  der 
Oerüichkeiten  doliola  (V  40,  8)  nnd  busta  GaUomm  (48,  3)  auf  den 
gallischen  Brand  znrttckgefdhrt. 

Dass  die  Strassen  des  republikanischen  Roms  eng  nnd  kromm 
waren,  ist  gar  nicht  zn  bezweifelnd^);  dass  die  Kloaken  theilweis 
unter  den  Hftasem  wegliefen  wird  eine  thatsttchliche  Beobachtung  ge- 
wesen sein;  dass  man  in  Rom  von  tegulae  resp.  figlinae  publioae 
sprach,  kann  durchaus  als  richtig  anerkannt  werden,  ohne  dass  deas- 
halb  die  gallische  Yerwttstung  ein  historisches  Faktum  zu  sein  braucht. 
Wie  viele  solcher  etymologischen  Erklärungsversuche  giebt  es  nicht 
in  der  römischen  Literatur,  —  und  wie  willkürlich  sind  die  An- 
kn11{rfungen  dergleichen  thatsächücher  Verhältnisse  der  Gegenwart 
an  Vorgänge  alter  und  uralter  Zeit  Sehr  häufig  —  und  das  ist  der 
beste  Beweis  für  die  Unzuverlässigkeit  —  existiren  verschiedene 
Deutungen.  So  weicht  Varro  in  der  Erklärung  der  busta  Gallorum 
von  liivius  ab^),  und  obgleich  er  in  Bezug  auf  die  doliola  wörtlich 
mit  ihm  übereinstimmt,  so  giebt  er  doch  zwei  Erklärungen  von  der 
Entstehung  des  Namens,  von  denen  keine  sich  mit  der  des  Livius 
deckt  und  keine  an  den  gallischen  Brand  anknüpft.^^)  Wie  frei  in 
dieser  Beziehung  die  Fabelsucht  schaltete,  dafür  haben  wir  ein  an- 
deres schlagendes  Beispiel.  Es  gab  ein  römisches  Sprüchwort  des 
Sinnes:  sexagenarios  de  ponte  deici  oportere.  Varro  versucht  das- 
selbe zu  erklären^*),  einen  zweiten  Versuch  finden  wir  bei  Festus.^') 
Aber  erst  bei  Festus  erscheint  die  Anknüpfung  an  den  gallischen 
Brand:  nämlich  dass  man  nach  demselben  aus  Mangel  an  Lebens- 
mitteln die  alten  Leute  von  60  Jahren  in  den  Tiber  geworfen  habe, 
wovon  Varro  noch  keine  Silbe  sagt®*)  —  Endlich,  was  den  Wieder- 
aufbau betrifft,  so  haben  wir  ein  directes  Zeugniss  gegen  Livius 
und  Diodor.  Wer  unbe&ngen  diesen  Fragen  gegenüber  steht,  wird 
nicht  leugnen,  dass  zwischen  den  KepapT&€C  noXiTiKai  bei  Diodor  und 
den  tegulae  publicae  bei  Livius  ein  unverkennbarer  Parallelismus  zu 
Tage  tritt,  ^tegulae'  können  nur  Dachziegel  sein,  also  werden  wir 
naturgemäss  unter  K€pafAtb€C  dasselbe  verstehen.^^)  Nun  hat  uns 
der  Zufall  aber  ein  ganz  positives  Zeugniss  des  Nepos  erhalten  (bei 
Pliniu6n.h.  XVI 10,  36),  dass  Rom  bis  zum  Kriege  mit  Pjrrhus, 
470  Jahre  lang  nach  seiner  Gründung  mit  Holzschindeln  gedeckt 


**)  Das  beste  Zeugniss  ist  Cicero  contra  Bull.  IT  85,  96.  —  ^)  De 
1.  L  V  167  M  p.  61.  —  •»)  De  1. 1.  a.  a.  0.,  vgl.  Liv.  V  40,  8  (Varro:  ubi 
non  licet  despuere;  Liv.:  ubi  nunc  despui  religio  est).  —  •')  Bei  Non. 
p.  358  (8.  V.  Bexagenarios  per  pontem).  —  ®^)  P.  334  M.  (s.  v.  sexagena- 
rioe).  —  *^  Üeber  die  zahlreichen  Sagen,  welche  sich  an  die  gallische 
Katastrophe  knüpften  resp.  geknüpft  wurden  vgl.  Sohwegl.  111  S.  259  ff.; 
Lewis  n  S.  866  u.  A.  109.  —  ^)  Vgl.  dagegen  Mommsen  a.  a  0.  S.  586  A.  1. 


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126  Geoig  Thonret: 

gewesen  ist  W&re  Diodors  Bericht  Fabisch,  so  wüsste  man  {Üglicb 
nicht,  wie  Nepos  zu  dieser  ganz  bestimmten  Angabe  käme ,  die  sich 
mit  den  Worten  des  Fabius,  des  ältesten  Annalisten,  nicht  vereinigen 
Hesse.  Da  wir  aber  die  Quelle  Diodors  nicht  kennen,  so  werden  wir 
keinen  Augenblick  Bedenken  tragen  ^^),  das  Zeugniss  des  Nepos  als 
glaubwürdiger  anzuerkennen,  wodurch  freilich  der  Glaube  an  ein 
hohes  Alter  des  Diod.  Berichts  stark  erschüttert  wird. 

Ich  foimulire  schliesslich  das  Besultat  dahin:  dass  die  vor- 
handenen Berichte  über  den  Wiederaufbau  der  Stadt  nur  geeignet 
sind,  uns  in  dem  Zweifel  an  dem  Faktum  der  Zerstörung  überhaupt 
zu  bestärken. 

IIL 
Die  Lösung. 

Die  siebenmonatliche  Occupation  der  Stadt  verträgt  sich  meiner 
XJeberzeugung  nach  nicht  mit  einer  wüsten  Plünderung  und  Zer- 
störung Roms.  Abgesehen  von  Allem  andern  spricht  hierfür  die  merk- 
würdige Erscheinung,  dass,  wo  in  der  Vulgata  die  Zeitdauer  der 
Occupation  angegeben  wird,  dieselbe  offenbar  zum  üebrigen  nicht 
passt.  Diodor  und  Livius  haben  hierüber  keine  bestimmten  An- 
gaben ^^^),  ebensowenig  die  fragmentarisch  überlieferten  Berichte  der 
Historiker.  Die  Dauer  der  Occupation  wird  bestimmt  verzeichnet  nur 
bei  Plutarch  und  Florus,  wozu  wir  noch  Servius  fügen  können. 
Orosius  wiederholt  nur  den  Florus  in  solchen  Angaben. 

Plutarchs  Darstellung  ist  in  der  Partie,  welche  uns  hier  angeht, 
geradezu  identisch  mit  der  des  Livius.  So  berichten  auch  beide  ein- 
stimmig, dass  die  Gallier  gleich  in  den  ersten  Tagen  Bom  anzünden. 
Da  Alles  verbrannte,  erzählt  Livius  (V-42  ff)  weiter,  so  wurde  auch 
das  Getreide  vernichtet,  welches  in  der  Stadt  aufgespeichert  lag.  Da 
die  Bömer  aus  den  in  unmittelbarer  N&he  gelegenen  Feldern  soviel 
Getreide  wie  möglich  nach  Veji  geschafft  hatten,  so  trat  bei  den 
Galliern  sofort  Mangel  ein,  und  sie  mussten  einen  Theil  ihrer  Mann- 
schaft auf  Fouragiren  ausschicken. 

Plutarch  müsste  streng  genommen  ebenso  erzählen,  da  genau 
dieselben  Elemente  bei  ihm  zu  Grunde  liegen.  Nun  kennt  er  aber 
die  siebenmonatliche  Occupation  der  Stadt  (vielleicht  nach  Dionys., 
vgl.  Garn.  28,  3;  30,  1),  und  diese  so  historisch  klingende  Angabe 
will  er  verwerthen^  deshalb  sagt  er  (c.  23,  1):  iflc  bk  TroXiopKiac 
fiflKOC  XajaßavoucT]C  diriciTiciüioO  toTc  faXdiTaic  f bei.  Man  muss  Livius 
zugeben,  dass^  wenn  die  Stadt  verbrannte,  auch  das  Getreide  ver- 
brannte. Damit  Plutarch  Becht  habe,  muss  man  zu  den  aller- 
trivialsten  Annahmen  seine  Zuflucht  nehmen:  z.  B.  die  Gallier  hätten 


WO)  Ich  verweiae  auf  Jordan  Top.  I  8.  683  A.  61.  —  *®*)  Ich  erinnere 
daran,  dass  Diodor  auch  diese  so  bestimiiit  lautende  Angabe  (7  Monate  bei 
Polybius)  zufilllig  ausgelassen  haben  mflsste,  wenn  er  aus  Fabins  schöpfte. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  127 

Getreideyorrath  auf  Monate  mit  sich  geführt;  oder,  sie  hätten  erst 
das  Getreide  in  Sicherheit  gebracht,  ehe  sie  die  Stadt  ansteckten. 

Bleiben  wir  lieber  bei  nnserm  Livius.  DentHch  erkennen  wir, 
dass  hier  nnr  ein  ursprünglicher,  poetisch  gefärbter  Bericht  vorliegt, 
der  sich  um  genaue  Daten  gar  nicht  kümmerte,  und  dass  die  sieben 
Monate,  welche  Plutarch  nebenher  bringt,  ein  heterogenes  Element 
bilden. 

Florus  giebt  wie  Varro  die  Dauer  der  Occupation  auf  6  Monate 
an  (I  1,  15).^^)  Nun  ist  es  bezeichnend,  dass  er  bei  dieser  Angabe 
selbst  stutzt  Vorher  hat  er  die  Ermordung  der  Greise  geschildert, 
dann  fiLhrt  er  fort:  facesque  tectis  iniciunt  et  totam  urbem  igni  ferro 
ezaequant.  sex  mensibus  barbari  —  quis  crederet?  —  drca  mon- 
tem  unum  pependerunt  etc.  Offenbar  fdhlt  er,  dass  Beides  schlecht 
zuRammenstimTnti.  Wenn  die  Gallier  die  Stadt  plündern  und  ver- 
brennen, so  ist  es  unverstSndlich,  dass  sie  sechs  Monate  vor  dem 
Burgfelsen  liegen  bleiben.    • 

Auch  bei  Servius  endlich  (ad  Aen«  VUI  652)  können  wir  eine 
Art  von  Compromiss  erkennen.  Er  folgt  hier  ganz  der  vulgären 
Tradition,  und  er  verbindet  damit  die  Angabe  einer  achtmonatlichen^^^) 
Occupation  in  der  Weise,  dass  er  sagt:  cimcta  vastarunt  octo  integris 
mensibus,  adeo  ut  quae  iucendere  non  poterant,  militari  manu 
diruerent  solo  remanente  Capitolio.  Somit  lässt  er,  eigentlich  ab- 
weichend von  den  andern  Berichten,  die  Zerstörung  acht  Monnte 
dauern.  ^^) 

Fassen  wir  diese  Sachlage  ins  Auge,  so  scheint  mir  der  Schluss 
unvermeidlich  zu  sein,  dass  die  dauernde  Occupation  der  Stadt  einem 
andern  Gedankenkreis  angehört  als  die  Plünderung  und  Verbrennung 
Borns.  Die  gsdlische  Verwüstung  ist  eine  Folge  der  vulgären  Dar- 
stellung der  gallischen  Invasion  als  eines  Bachezuges.  Fassen  wir 
also  das  üebel  an  der  Wurzel  an  und  fragen  wir:  Wie  steht  es  mit 
dem  Bachezuge? 

Wie  ich  bereits  bemerkt  habe,  stimmt  Diodor  auch  darin  mit 
der  allgemeinen  römischen  Tradition  überein,  dass  die  Senonen  den 
Kern  des  gallischen  Heerhaufens  bildeten  (XIV  113;  4).  Er  giebt 
ihre  Zahl  auf  30,000  junger  Mannschaft  an.  Ehe  sie  sich  auf  Bom 
stürzen,  ziehen  sie  von  allen  Seiten  Verstärkungen  an  sich,  so  dass 
ihre  Zahl  schliesslich  70,000  übersteigt  (114,  1).  Ich  muss  ge- 
stebn,  die  Vorstellung,  dass  sich  70,000  Gallier  auf  Bom  stürzen, 
um  den  Todtschlag  eines  ihrer  Anführer  zu  rächen,  hat  etwas  Fabel- 
haftes« Ich  will  keineswegs  leugnen,  dass  durch  einen  Vorgang  der 
Art,  wie  die  Vulgata  erzählt,  die  Blicke  der  Gallier  auf  Bom  gelenkt 
worden  sind,  ich  will  auch  nicht  mit  allgemeinen  Erwägung^i  die 


"«)  Nach  ihm  Oros.  II 

)llt  sich  die  Sache  o£Eenbar  ebenso  "^ 
iena  sex  menaibuB*  spricht. 

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"«)  Nach  ihm  Oros.  II  19  Hav.  p.  68,  wovon  ^äter.  —  "»)  S.  oben 
Anm.  84.  —  '^^)  Grosius  stellt  sich  die  Sache  o£Eenbar  ebenso  vor,  da  er 
von  einer  'captivitas  desaeviena  sex  menaibua'  spricht. 


128  Georg  Thouret: 

Tradition  angreifen,  —  sondern  ich  gehe  anch  hier  auf  Polybins 
zurück,  um  zu  prüfen,  wie  sich  seine  Darstellung  zu  der  Vulgata 
verhält.  Ich  behaupte,  dass  seine  wenigen  Worte  genügen,  diese 
Frage  zu  entscheiden. 

Wollten  die  GkQlier  weiter  nichts,  als  Rom  verwüsten,  so  haben 
sie  ihre  Absicht  erreicht,  selbst  wenn  das  Eapitol  verschont  blieb. 
Wir  sahen  nun  schon  oben  (S.  101),  dass  gerade  da,  wo  Polybius  die 
Boier  und  Insubrer  die  Thaten  ihrer  Vorfahren  preisend  aufzählen 
Iftsst,  der  Haupterfolg  —  die  Zerstörung  Borns  —  mit  keiner  Silbe 
erwähnt  wird. 

Fragen  wir  weiter,  von  wem  die  Verhandlung  wegen  Räumung 
der  Stadt  ausgeht,  so  läset  Diodor  genau  so  wie  z.  B.  Livius^^)  die 
Römer  die  Initiative  ergreifen.  Halten  wir  uns  streng  an  den  Wort- 
laut des  Polybius,  so  gewinnt  die  Sache  ein  ganz  anderes  Ansehen. 
Wenn  er  an  der  eigentlichen  Stelle  der  Erzählung^^)  sagt:  T^vofi^vou 
b*  dvTicirdc^aTOc  kqI  tujv  Oöcv^tujv  ^lüißaXövTUJV  clc  T^jv  x^Pöv 
auToiv,  TÖT€  jutv  TroiTiC(i|i€VOi  cuvBfJKac  irpdc  *PuJ^a{ouc  Ka\  Tf|v 
iröXiv  diTobövrec  diravfiXeov  clc  -rfiv  oUclav  (H  18,  2)  und  n  22,  3: 
T^Xoc  ^6€Xovt\  Kai  jacrd  xdpixoc  irapabövrec  Tf|v  ttöXiv  kt^.,  so 
sieht  es  ganz  so  aus,  als  hätten  die  Gallier  aus  eigner  Initiative  den 
Römern  einen  Vertrag  angeboten.  Hiermit  stimmt  vollkommen,  dass 
Pol.  (I  6)  von  den  Römern  sagt:  t€v6jli€V01  irdXiv  dveXfrCcTwc 
Tf^c  Traxpiboc  iTKparctc,  —  sie  hatten  also  fiaktisch  die  Hoffnung 
bereits  aufgegeben,  was  sich  mit  der  gewöhnlichen  Version  nicht 
verträgt.^^^)  Ich  lege  auf  diese  Differenz  nur  deshalb  Gewicht,  weil 
sie  ein  helles  Licht  auf  eine  zweite,  viel  wichtigere  wirft.  Ich  habe 
im  ersten  Abschnitt  (ob.  S.  108  ff.)  ausgeführt,  dass  nach  Diodor  wie 
nach  der  gesammten  späteren  Tradition  die  Unmöglichkeit,  das 
Kapitel  zu  erobern,  die  Gallier  geneigt  macht,  auf  den  angebotenen 
Vertrag  einzugehen,  während  sie  nach  Polybius  durch  den  Einfall 
der  Veneter  in  ihr  Heimathland  veranlasst  werden,  freiwillig  die 
Stadt  zu  räumen.  Ich  halte  dies  für  einen  Grundwidersprach  zwischen 
Polybius  und  der  Vulgata.  Nun  sieht  man  aber  woM,  dass  die  er- 
wähnte Differenz  in  Bezug  auf  die  Verhandlungen  mit  diesem  Wider- 
spruch eng  zusammenhängt.  Denn:  lag  die  Stadt  in  Trümmern  und 
weilten  die  GhtUier  Monate  lang  auf  der  wüsten  Stätte,  so  konnten 
sie  füglich  weiter  nichts  mehr  wollen,  als  das  Eapitol  einnehmen. 
Scheiterten  alle  Versuche  in  dieser  Richtung  an  der  Tapferkeit  der 


"*)  Diod.  XIV  116,  7;  Liv.  V  48,  7;  Plut.  Cam.  28  etc.  —  "•)  Dies 
mu8S  man  immer  festhalten.  Massgebend  kann  allein  die  eigentliche 
Stelle  der  Erzählung  sein.  Man  diuf  also  nicht  geltend  machen,  dass 
Pol.  I  6,  2  sagt:  irp6c  oÖc  (seil.  foX.)  iTOir)cdjLA€voi  'Pui^ofioi  cirovMc  kt^. 
Denn  hier  recapitnlirt  er  vollständig  aus  dem  Gedächtniss.  —  ^^')  Ebenso 
verstand  Strabo  die  Worte  des  Polybms,  Er  sagt  (VI  4, 2  p.  287):  . . .  cuv^ßn 
bi\v  iröXtv  aiq>vi6{uic  diroßoX^v  irapd  t^v  äirdvruiv  böEav,  irapd  5öSav 
T^  Kai  diro\a߀tv. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  129 

Römer,  so  war  das  Verlassen  der  Stadt  eigenüioh  nicht  mehr  ein 
freiwilliges,  sondern  ein  halberzwungenes  nnd  zugleich  ein  Ein- 
gestft&dniss  ihrer  Inferiorität.  Ich  will  nicht  geltend  machen^  dass 
bei  Poljbius  von  einer  Berennung  des  Eapitols  keine  Bede  ist,  ob- 
gleich dieselbe  in  der  That  imnöthig  war,  da  die  kleine  Besaitung 
droben  dem  Hungertode  verfiel;  falls  sie  nicht  die  üebergabe  vor- 
zog, und  letztere  konnte  nur  eine  Frage  der  Zeit  sein.  Aber  betonen 
dürfen  und  müssen  wir,  dass  Polybius  bei  dem  Vertrage  durchaus 
nur  von  der  freiwilligen  Zurückgabe  der  Stadt  spricht. 

Folgte  Polybius  einem  Autor  gallischer  Nation,  so  könnte  man 
meinen,  dass  dieser  einen  möglichst  wenig  compromittirenden  Grund 
aufstellen  wollte,  warum  seine  Landsleute  ihre  Beute  fahren  Hessen, 
und  dass  er  das  Verlassen  der  Stadt  als  einen  durchaus  freiwilligen, 
man  möchte  sagen,  beinahe  grossmüthigen  Akt  darstellte,  —  aber 
Polybius  hat  eine  römische  Quelle  vor  sich,  und  zwar  Fabius!  Man 
wird  zugeben,  dass  der  Beiioht  des  Fabius  ftlr  die  Bömer  ungünstiger 
lautet  als  die  Vulgata!  Ja  aber  wie?  War  der  Zug  der  Gallier 
gegen  Rom  ein  Rachezug,  —  hatten  sie  Rom  ausgeplündert  und 
zerstört,  belagerten  sie  sieben  Monate  das  Eapitol,  um  es  auch  aus- 
zuplündern und  zu  zerstören,  —  scheiterte  dieser  Versuch,  ihren 
Rachedurst  bis  auf  das  Aeusserste  zu  befriedigen  und  sassen  sie 
endlich  auf  einem  Trümmerhaufen  — ,  dann  ist  der  Grund,  den  die 
Vulgata  für  ihre  Bereitwilligkeit,  abzuziehen,  giebt,  dtirchaus,  ja 
allein  zutreffmd.  Ist  diese  Sachlage  historisch,  dann  ist  es  voll- 
kommen unverständlich^  wie  ein  römischer  Annalist,  d.  h.  wie  Fabius 
eine  andere  Darstellung  geben  konnte  und  gab. 

Bedenken  wir  dies  Alles,  stützen  wir  uns  auf  den  Wortlaut  bei 
Polybius,  machen  wir  geltend,  dass  sich  bei  ihm  nirgends  auch  nur 
die  leiseste  Andeutung  davon  findet,  dass  die  Stadt  zerstört  worden: 
80  wird  der  Schluss  berechtigt  sein,  dass  Polybius  eine  von  der  ge- 
wöhnlichen gänzlich  abweichende  Auffassung  von  dieser  gallischen 
Invasion  gehabt  hat,  nämlich  die,  dass  die  Gallier  eine  dauernde 
Occupation  der  Tiberveste  versucht,  aber  nicht  haben  durchführen 
können«  Ist  dem  so,  dann  wird  Jeder  einräumen,  dass  die  Gallier 
die  Stadt,  welche  ihnen  ohne  Schwertstreich  überlassen  wurde,  weder 
angezündet  noch  demolirt  haben  werden. 

Mit  dieser  Auf&ssung  decken  sich  die  Worte  des  Polybius  voll- 
konmien.  Bei  dem  Vertragschluss  spielt  nun  selbstverständlich  das 
Kapitol  gar  keine  Rolle,  sondern  die  Stadt  und  durchaus  nur  die 
Stadt.  Die  Gallier  stehen  hier  mitten  imter  Feinden.  Das  nahe 
und  feste  Veji  ist  in  den  Händen  der  Römer.^^)  Der  vorgeschobene 
Posten  am  Tiber  ist  also  keineswegs  ungefährdet  Als  nun  die  Ve- 
neter  die  heimathlichen  Sitze  der  €külier  bedrohen,  diese  also  Gefahr 


^^)  Man  könnte  wohl  fragen,  warum  denn  die*  Gallier  in  ihrem 
Rachezuge  nach  der  Zerstörmig  Roma  nicht  nach  Veji  weiterstürmen. 


J»hrb.  f.  cUm.  Phil.  Suppl.  Bd.  XI.  ..„..?..  GoOQIc 


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130  Georg  Thonret: 

laufen,  ihre  eichere  Basis  zu  verlieren,  da  entschliessen  sie  sich,  den 
Posten  wieder  aufzugeben,  laden  an  Beute  auf,  was  sie  fortschleppen 
können,  lassen  sich  für  die  Bückgabe  der  Stadt  noch  ein  beträcht- 
liches Lösegeld  zahlen  und  ziehen  ab.  Die  Römer  lassen  sie  ruhig 
und  unbehelligt  abziehen,  froh,  ihre  Stadt  wiederzuerhalten,  woran 
sie  schon  verzweifelt  hatten,  da  die  Occupation  der  Stadt  Seitens 
der  Gkkllier  in  einen  dauernden  Besitz  überzugehen  drohte. 

Die  gallische  Bewegung  ist  eine  Yölkerbewegung,  eine  Flutb, 
welche  jenseits  der  Alpen  beginnend  (Pol.  11  19^  1)  Italien  über- 
schwemmte bis  zur  Südspitze ;  wo  wir  die  Gallier  in  den  Söldner- 
verkehr des  Mittelmeers  eintreten  sehen.  Es  w&re  eine  kleinliehe 
Auffassung;  wollte  man  in  dieser  Yölkerfluth  weiter  Nichts  als  Banb- 
und  Plünderungszüge  erkennen.  Die  Kelten  wollen  nicht  blos  rauben 
und  plündern,  sondern  vor  allen  Dingen  Wohnsitze  erkämpfen. 

Der  Anfang  in  den  Berichten  über  diese  erste  Invasion  ist 
überall  gleich,  üeberall  treten  die  Gallier  landfordemd  au£*^) 
Auch  sonst  erscheinen  sie  als  höchst  politische  Köpfe.  ^^^)  Den  Tenor 
hält  allein  Polybius  fest.  Bei  den  übrigen  Schriftstellern  verdrängt 
das  Gefühl  für  die  Schmach,  welche  diese  Barbaren  der  göttlichen 
Roma  anthun,  alle  andern  Ueberlegungen.  Es  kann  historisch  sein, 
dass  sich  Clusium  an  Rom  um  Hülfe  vrandte  —  es  zeugt  dies  für 
die  damalige  Machtstellung  der  Römer  — ,  es  ist  möglich,  dass  da- 
durch die  Gallier  auf  Rom  besonders  aufmerksam  wurden.  Aber 
wenn  sie  Land  fordern,  —  so  verschmähen  sie  schwerlich  eine  gut- 
befestigte Stadt  Die  Gallier  wohnen  in  Städten;  die  Insubrer  gründe- 
ten das  feste  Mediolanum^^^),  die  Boier  galten  als  Gründer  von  Laus 
Pompeia^^^),  und  wenn  dieselben  Yölkerschaffcen  im  Verein  mit  den 
Senonen  die  Stadt  Melpum,  welche  in  der  Poebene  lag,  zerstörten  ^^^j, 
so  folgt  daraus  weiter  nichts,  als  dass  sie  die  ihnen  feindlichen  Städte 
zu  brechen  suchten,  genau  so,  wie  die  Römer  Fidenae  dem  Erdboden 
gleichmachten.  ^^^)  Von  einer  Eroberung  Clusiums  verlautet  nichts: 
dagegen  sehen  wir,  dass  die  Gallier  sich  sammeln,  um  den  Haupt- 
stoss  gegen  die  Hauptmacht  zu  führen.  Sie  überrennen  im  ersten 
Ansturm  die   gesammte  römische  Macht  ^  die  Römer  räumen  das 

"<»•)  Diod.  XIV  118,  3;  Liv.  V  36,  3;  Flut.  Cam.  16,  1  (Zon.  VII  23); 
App.  fr.  2;  Dio  Cass.  fr.  26;  Flor.  I  7,  6;  Aur.  V.  23,  6.  —  "«)  Nach 
Liv.  V  36,  8  brechen  sie  z.  B.  sofort  die  Schlacht  gegen  die  Clusiner  ab, 
als  bekannt  wird,  dass  die  römischen  Gesandten  sich  am  Kampfe  be- 
theiligt haben.  —  *")  Liv.  V  34,  9;  Plin.  n.  h.  III  17,  124.  Strabo,  viel- 
leicht durch  die  Angabe  des  Pol.  (II  17),  da&s  die  Gallier  xard  Kuü^ac 
wohnten,  verleitet  meint  (V  p.  213)  freilich,  dass  Mediol.  in  alter  Zeit 
eine  foJj^r]  gewesen  sei  (vOv  6*  diiöXovov  ttöXiv).  Vielmehr  war  die 
Stadt  ein  fester  Mittelpunkt,  denn  die  Römer  müssen  es  i.  J.  632  a.  ii. 
erobern  (Pol.  II  34  eztr.  Entr.  III  6)  vergl.  Forbiger  Hdb.  der  alt.  Geogr. 
III  S.  662  A4.  —  *^*)  Plin.  n.  h.  III  17,  124.  In  den  Itinerarien  heisst 
die  Stadt  nar  Laus;  seit  Pompeius  Strabo  ein  röm.  Monicipium  erhielt 
sie  d.  Kamen  Laus  Pomp.,  vgl.  Forbiger  III  S.  667  Anm.  -~  "")  Plin. 
n.  h.  m  17,  126.  -  "*)  Liv.  IV  34. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  131 

linke  Tibemfer  und  überlassen  die  Stadt,  ohne  den  geringsten  Wider- 
stand zu  versuchen  y  den  Feinden.  Offenbar  sind  sie  völlig  conster- 
nirt  gewesen.  Nun  haben  aber  die  Gallier  doch,  was  sie  nur  wün- 
schen können  —  eine  colossale  Festung  und  das  umliegende  Land. 
Die  kleine  Besatzung  auf  dem  Kapitel  kommt  gaiiiicht  in  Betracht: 
sie  ist  zum  Hungertode  pr&destinirt. 

Sollen  wir  diese,  ich  möchte  sagen  so  naheliegende  Auffassung 
deshalb  aufgeben,  weil  die  spfttere  Tradition  von  einem  Baohezug 
spricht?  Der  Grundgedanke,  welcher  der  Yulgata  diese  Fassung 
gegeben^  ist  klar:  Roms  Besiegung  und  Zerstörung  ist  ein  von  den 
Göttern  gewolltes  und  daher  unabwendbares  Yerhftngniss.  ^^^)  Der 
Zorn  der  Götter,  nicht  der  Arm  der  Barbaren  schlSgt  die  römischen 
Waffen  zu  Boden.  Nun  mussten  dem  entsprechende  Frevel  und  der 
schuldige  Theil  erfunden  werden.  Und  ich  möchte  sagen,  die  Ten- 
denz steht  dieser  Erfindung  nur  zu  deutlich  auf  der  Stirn  geschrieben: 
denn  im  letzten  Grunde  tragen  die  Eomitien  die  Schuld,  die  stim- 
mende Bürgerschaft,  wahrend  der  Senat  von  jeder  Verantwortung 
frei  dasteht 

Dem  Einwand,  der  gegen  eine  versuchte  Occupation  Roms  durch 
die  Gallier  gemacht  werden  könnte,  dass  dieselben  die  schädlichen 
klimatischen  Verhältnisse  hätte  kennen  müssen,  kann  man  entgegen- 
halten, dass  sie  zum  ersten  Mal  in  diese  Gegenden  kamen.  Wenn, 
schliesslich  geltend  gemacht  werden  sollte,  dass  die  spätere  Karte 
keine  Spur  einer  gallischen  Ansiedlung  in  diesen  Gebieten  zeige,  so 
ist  darauf  zu  erwiedem,  dass  nach  den  Worten  des  Polybius  die 
Gallier  eben  wieder  abgezogen  sind. 

Der  Grund  und  Boden,  auf  dem  ich  fhsse,  ist  und  bleibt  Poly- 
bius. Es  gehört  eine  unnatürliche  und  gewaltsame  Interpretation 
dazu,  seine  Worte  mit  der  Vulgata  in  Einklang  zu  bringen.  Da- 
gegen deckt  sich  meine  Auf&ssung  mit  eben  diesen  Worten  ohne 
Zweifel  besser.  Alle  inneren  Gründe  endlich,  das  wage  ich  zu 
behaupten,  sprechen  durchaus  itir  diese  Auffassung. 

Es  wäre  thöricht  und  vermessen,  leugnen  zu  wollen,  dass  bei 
der  Besetzung  und  schliesslichen  Plünderung  Roms  irgend  etwas  ver- 
brannt oder  zerstört  worden  ist.  Ich  formulire  schliesslich  das  Re- 
sultat der  bisherigen  Untersuchung  dahin,  dass  wir  nach  Lage  der 
Quellen,  auf  Grund  der  ältesten  und  besten  derselben  berechtigt 
sind,  den  gallischen  Brand  als  solchen  und  die  Zerstörung  Roms  aus 
der  Geschichte  zu  streichen. 


"•)  Liv.  V  61,  7  ff.  Plnt.  Cam.  18.  Flor.  I  7,  8.  18.  Oros.  II  !• 
(p.  68),  ebenso  sagt  Herodot  VIII  68:  €6€C  jap  xard  t6  Ocoirpömov  irAcav 
Tfiv  'Attiici?|v  tV|v  kv  T^  i^ireipip  Tcv^c6ai  imö  TTIpcir}a. 


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132  Georg  Thouret: 

IV. 
Dio  Tradition  und  ihre  Entatehnng, 

Der  kurze  Bericht  Diodors  ist  deshalb  von  der  grössten  Wich- 
tigkeit, weil  in  ihm  noch  von  keiner  Verarbeitung  der  Tradition  mit 
dem  übrigen  Stoff  der  Erzählung  die  Bede  ist  Wir  sehen,  dass 
Diodor  über  die  Zerstörung  Roms  nur  einen  Satz  bringt,  w&hrend 
er  den  Wiederaufbau  viel  ausführlicher  behandelt.  Bei  den  Späteren 
dreht  sich  dies  Verhältniss  geradezu  um.  Die  Verwüstung  wird  mit 
immer  reicherer  Phantasie  im  Detail  ausgemalt,  die  Farben  werden 
immer  dicker  aufgetragen:  halten  wir  die  kurze  Notiz  Diodors  neben 
das  düstere  Gemälde  bei  Orosius,  so  bekommen  wir  einen  Begriff 
dayon,  wie  die  Phantasie  in  solchen  Dingen  schaltet  und  waltet.  Der 
umgekehrte  Fall  zeigt  sich  beim  Wiederaufbau.  Hier  konnte  der 
phantasiereichste  Kopf  Nichts  ausmalen;  im  Gegentheil:  fUr  die 
Schriftsteller  der  Eaiserzeit  hatten  die  Details  der  Restauration  kein 
Interesse  mehr.  Während  wir  daher  bei  Livius  noch  den  Bericht 
Diodors  um  einige  gleichartige  Glieder  erweitert  finden ,  begnügt  sich 
schon  Plutarch  mit  allgemeinen  Bedensarten,  und  Florus  sagt  bereits 
weiter  Nichts,  als  dass  die  Stadt  wiederhergestellt  wurde  (I  7,  19), 
was  selbstverständlich  war. 

Die  Hauptsache  bei  Diodor  ist  der  Wiederaufbau  der  Stadt 
und  nun  ist  es  sehr  beachtenswerth,  dass  derselbe  einfach  in  die 
Erzählung  eingeschoben  ist  Ich  meine:  nach  Diodor  ziehen  die  Gal- 
lier ab,  bauen  die  Römer  durchaus  ungestört  ihre  Stadt  wieder 
auf  (XrV  116,  7  ff.),  —  und  nun  erst  beginnen  die  Kriege  mit  den 
Nachbarn.  Hier  warten  also  die  Feinde  mit  ihrem  Angriff  wirklich 
so  lange,  bis  Rom  wieder  steht,  was  unverständlich  ist  Hätte  Dio* 
dor  die  gewöhnliche  Tradition  von  den  gleich  folgenden  Volscer.,  Ae- 
quer-  und  Etruskerkriegen  nicht,  dann  liesse  sich  nichts  gegen  seine 
Darstellung  einwenden.  So  aber  erheben  sich  die  begründetsten  Be- 
denken dagegen. 

Die  späteren  Quellen  schoben  die  Kriege  und  den  Wiederaufbau 
zusammen  und  versuchten  eine  Verarbeitung,  freilich  ohne  viel  Ge- 
schick imd  Glück,  wie  wir  oben  gesehen  haben  (vgl.  S.  121). 

Eine  Erklärung  zu  geben,  wie  die  Tradition  vom  gs^ischen 
Brande  entstanden  ist,  ist  ein  äusserst  schwieriges  Problem,  dessen 
Lösung  über  den  Rahmen  der  vorliegenden  Untersuchung  hinaus- 
geht Die  Aufgabe  ist  deshalb  so  schwierig,  weil  wir  sofort  die  Ca- 
millussage  in  die  Betrachtung  hineinziehen  müssten,  denn  Beides 
gehört  meiner  Ansicht  nach  innig  zusammen.  Camillus  ist  ein  ^ali^ 
Ramulus'  und  zwar  im  vollsten  Sinne  des  Wortes.  Denn  er  hat  nicht 
allein  Rom  gerettet  und  die  dem  römischen  Namen  angethane 
Schmach  an  den  Galliern  gerächt,  sondern  er  hat  die  Stadt  zum 
zweiten  Mal  erbaut ^^^),  und,  wie  Florus  (I  7,  17)  in  bombastischer 

"•)  Liv.  V  66,  1;  Flut.  Cam.  81  med.;  Flor.  I  7,  19  etc. 

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üeber  den  gallischen  Brand.  133 

Weise  sich  ausdrückt,  alle  Spuren  des  Brandes  durch  die  Ströme 
yon  Eeltenblut  verwischt 

Camillus,  diese  an  Ehren  und  an  Siegen  reichste  Gestalt  der 
römischen  Geschichte,  ist  bis  jetzt  immer  noch  in  ein  undurchdring- 
liches Dunkel  gehüllt.  Dies  liegt  zum  grossen  Theil  daran,  dass 
wir  in  der  That  nur  einen  einzigen  Bericht  über  ihn  in  der  römi- 
schen Litteratur  besitzen«  Wäre  Plutarchs  Biographie  aus  andern 
Quellen  geschöpft  als  der  Bericht  des  Liyius,  so  würde  sich  viel- 
leicht das  Dunkel  irgendwo  tiellen.  Bei  dem  Stand  der  üeberliefe- 
rung  jedoch  ist  kaum  zu  hoffen ,  dass  dies  jemals  geschehen  werde. 

Niebuhr  hielt  die  Camillustradition  für  eine  alte  schöne  Sage. 
Aber  gerade  der  Punkt,  den  er  geltend  macht,  dass  nämlich  die 
Weigerung  des  Camillus,  die  ihm  angetragene  Dictatur  zu  über- 
nehmen, ehe  Senat  und  Bürgerschaft  zugestimmt  hätten ,.  —  für  ein 
hohes  Alter  der  Erzählung  spreche  ^^^,  scheint  mir  eher  für  das 
Gegentheil  geltend  gemacht  werden  zu  müssen.  Sieht  dies  nicht  den 
so  zahlreichen  andern  staatsrechtlichen  Deductionen,  welche  die  ältere 
und  älteste  römische  Geschichte  nach  höchst  späteren  Gesichtspunk- 
ten ummodelten,  auf  ein  Haar  ähnlioh?  Dergleichen  klingt  re- 
flectirt,  aber  nicht  ursprünglich.  Femer,  wenn  etwas  wie  alte  Sage 
klingt,  so  ist  es  die  packende  Scene  zwischen  Camillus  und  Bren- 
nus  auf  dem  Forum,  —  und  diese  ist  eine  ziemlich  junge  Erfindung. 
Wie  ungefähr  die  römische  Sagenbildimg  vorging;  davon  giebt  der 
nächste  Schritt  in  der  Camülussage  ein  schlagendes  Beispiel.  Bei 
Festus  finden  wir^^^  die  gewöhnliche  Erzählung,  welche  an  das  be- 
rühmte Wae  victis'  anknüpft.  Aber  die  Fabel  ist  bereits  um  ein 
Glied  erweitert  Festus  berichtet  nämlich:  Brennus  wird  gefangen 
genommen;  als  er  sich  nun  seinerseits  über  den  Vertragsbruch  be- 
schwert, stösst  ihm  Camillus  das  Schwert  in  die  Brust  mit  den  Wor- 
ten: ^vae  victis'.  Hiemit  macht  man  einen  dicken  Strich  durch  das 
schöne  Gemälde  bei  Livius.  —  Camillus  ist  eine  durch  und  durch 
aristokratisch-patricische  Gestalt  Erst  in  zweiter  Linie  kann  man 
ihn  den  glänzendsten  Repräsentanten  des  Bömerthums  nennen.  Seine 
Geschichte  ist  vorwiegend  im  Interesse  der  Partei  des  historischen 
Bechts  gezeichnet. 

Ich  beabsichtige  nun  keineswegs,  in  eine  eingehende  Unter- 
suchung der  Camillustradition  einzutreten:  es  sei  mir  aber  gestattet 
auf  Grund  der  vorangegangenen  Betrachtung  eine  kurze  Andeutung 
zu  geben,  nach  welcher  Richtung  hin  mir  die  Lösung  des  Räthsels 
zu  liegen  scheint  Ich  erkläre  jedoch  ausdrücklich,  dass  die  folgen- 
den Bemerkungen  weiter  Nichts  sein  wollen  und  sein  sollen  als  ein 
Gedanke,  als  eine  Hypothese^  welche  einfach  fallen  muss,  sobald 
wichtige  Instanzen  gegen  sie  sprechen. 

Ist  meine  Auffassung  der  ersten  gallischen  Invasion  richtig,  so 


»^  E.  G.  II  S.  617.  —  "«)  S.  372  M. 

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134  Georg  Thouret: 

stand  Rom  einmal  vor  der  Alternative,  die  Stätte  aufgeben  zu  müssen, 
an  welcher  der  Staat  haftete.  Von  dieser  Alternative  hat  sich  in 
der  Vulgata  eine  Spur  erhalten,  —  ich  meine  die  heissen  Debatten 
über  die  Frage  ^  ob  man  Bom  aufgeben  und  nach  Veji  übersiedebi 
solle.  Diese  Debatten  treten  bekanntlich  zweimal  in  der  Ueberliefe- 
rung  auf:  gleich  nach  der  Eroberung  von  Veji  und  nach  dem  Ab- 
züge der  Gallier. ^^')  Veji  sollte  für  immer  aufhören,  eine  Rivalin 
Roms  zu  sein,  —  aber  es  wurde  nicht  sofort  zerstört.  Die  Stadt 
war  (woran  zu  zweifeln  kein  Grund  vorliegt)  viel  prächtiger  und  ge- 
diegener gebsuit  als  Bom^^);  es  klingt  daher  gamicht  unglaublich, 
wenn  eine  Partei,  natürlich  die  plebejische,  nach  der  Vernichtung 
der  Vejenter,  vorschlägt,  zum  Theil  nach  Veji  überzusiedeln.  Die 
Macht  der  Patricier  hing  an  den  Auspicien,  diese  an  Rom,  —  ver- 
liess  man  Rom,  so  war  ihre  rechtliche  Macht  dahin,  und  die  phy- 
sische besassen  sie  nicht.  Mag  Camillus  gewesen  sein,  wer  er  wolle, 
es  ist  glaublich,  dass  er  die  Einigkeit  herstellte^  denn  es  ist  öfter 
vorgekommen,  dass  ein  grosser  römischer  Feldherr  auch  über  die 
Comitien  commandirte.  —  Da  besetzen  die  Gallier  Rom!  Auf  dem 
Kapitol  haben  wir  uns  hauptsächlich  Senatoren  und  überhaupt  Pa- 
tricier zu  denken.  Florus  giebt  (I  7,  18,  danach  Orosius  11  19  p.  67) 
die  Stärke  der  Besatzung  auf  kaum  1000  junger  Mannschaft  an. 
Woher  er  diese  Zahl  hat,  ist  nicht  ersichtlich.  Mag  sie  richtig  sein 
oder  nicht,  jedenfalls  stimmt  sie  zu  der  allgemeinen  üeberüeferung, 
dass  der  bei  Weitem  grössere  Theil  des  geschlagenen  Heeres  sich 
nach  Veji  rettet."^)  Wie  sieht  es  nun  mit  Rom  aus?  Das  Unglück 
hat  den  Plebejern  das  in  die  Hände  gespielt,  was  sie  vorher  nicht 
erreichen  konnten:  Sie  sind  in  Veji,  —  die  Häupter  der  Altbürger- 
schaft auf  dem  EapitoL 

Die  Gallier  ziehn  wieder  ab.  Nun  erscheint  zum  zweiten  Male 
die  Frage,  ob  man  in  Rom  bleiben  oder  nach  Veji  wandern  soll. 
Man  ist  nur  zu  geneigt  **^),  hierin  eine  Absurdität  übermalender  Ge- 
schichtsschreibung zu  sehen,  und  es  ist  bekannt,  wie  wenig  auf  der- 
gleichen Debatten  bei  Livius  zu  geben  ist.  Ich  will  auch  nicht  das 
Detail  derselben  vertreten.  Aber  sehen  wir  allein  auf  den  Grund- 
gedanken, so  entspricht  die  Tradition,  ein  klein  wenig  anders  ge- 
wendet, genau  den  thatsächlichen  Verhältnissen.  Die  Frage  ist  nicht 
die,  ob  man  nach  Veji  auswandern  solle,  sondern  vielmehr:  wie 
bringen  wir  die  Plebejer  aus  Veji  nach  Rom  zurück?  Man  muss 
sich  nur  vorstellen :  die  Leute  hatten  sich  häuslich  in  Veji  eingerich- 
tet und  sieben  Monate  dort  zugebracht.  Ja,  da  die  Occupation  der 
Stadt  durch  die  Gallier  eine  dauernde  zu  werden  drohte,  so  musste 
man  sich  mit  dem  Gedanken  vertraut  machen,  das  römische  Staats- 


"»)  Liv.  V  24,  4  ff.  u.  49,  8  ff  -  "<»)  Liv.  V  24,  6;  Plut.  Cam.  31; 
Aur.  Vict.  23,  10.  —  "')  Diod.  XIV  116,  2;  Liv.  V  38,  6;  Plut.  Cam. 
18  extr.  —  »**)  Vgl.  Mommsen  a.  a.  0.  S.  687. 

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Ueber  den  gallischen  Brand.  135 

wesen  fiiktisch  von  Rom  zu  trennen!  Jetzt  sollen  sie  nnn  aus  dem 
schönen  Veji  wieder  nach  Born  zurückkehren,  Vo  die  Gallier  Alles 
geraubt,  Alles  zerschlagen,  —  Alles  verbrannt  hatten'.  Jemand, 
der  diese  Debatten  ausftlhrte,  konnte  sie  fCLglich  so  sprechen  lassen. 
Die  Patricier  konnten  Rom  wegen  der  Auspiden  nicht  aufgeben,  — 
ohne  Plebejer  aber  nicht  existiren.    Hier  war  guter  Bath  theuer. 

Wenn  je  ein  Qamillus  in  die  Vaterstadt  zurückgerufen  wurde, 
so  war  es  in  diesem  Moment  Er  allein  konnte  seinen  alten  Solda- 
ten von  Yeji  und  Falerii  her  Vernunft  beibringen,  er  allein  konnte 
sie  nach  Rom  zurückbringen,  —  und  er  brachte  sie  zurück,  bis  auf 
wenige,  welche  man  spfiter  halb  mit  Gewalt  holen  musste  (Liv.  VI  4, 5). 

Hier  ist  meiner  Ansicht  nach  der  Punkt,  wo  die  Ausbildung 
der  Vulgata  ansetzte.  Zwei  Elemente  sind  in  ihr  unverkennbar,  ein- 
mal das  Bestreben,  die  Schmach,  welche  dem  römischen  Namen  an- 
gethan  war,  als  göttliches  Strafgericht  darzustellen,  und  zweitens 
der  Ruhm  des  Camillus,  des  Betters  und  Rächers  des  römischen 
Namens.  Für  die  Bömer,  welche  Karthago  und  Hannibal  besiegt, 
welche  die  Könige  des  Ostens  demüthigten,  musste  es  nich  nur  be- 
schämend, sondern  geradezu  unglaublich  klingen,  dass  zwei  Jahr- 
hunderte früher  ein  Haufe  von  Barbaren  nicht  nur  die  ganze  römi- 
sche Macht  mit  einem  Schlage  vernichtete,  sondern  sogar  Bom  dem 
Abgrund  nahe  brachte,  nicht  mehr  Bom  zu  sein.  Wir  werden  es 
verstehen,  dass  die  römische  Tradition  diesen  Abgrund  mit  aller 
Macht  zaschaufelte.  Die  Niederlage  an  der  Allia  konnte  man  nicht 
beseitigen.  Aber  für  das  Gefühl  eines  Bömers  war  es  zu  viel,  dass 
faktisch  die  Stadt  den  Galliern  abgekauft  worden  sein  sollte.  Gegen 
die  Brandfackel  der  barbarischen  Horden  war  nicht  zu  kämpfen;  dass 
Bom  verbrannte  war  an  und  für  sich  kein  Schimpf,  denn  auch  Athen 
wurde  von  den  Persem  zerstört.  Man  rettete  aber  von  der  Ehre 
wenigstens  etwas,  wenn  man  nun  die  Gallier  vergeblich  das  £[apitol 
bestürmen  liess,  so  dass  ihr  schliesslicher  Abzug  wie  eine  Nieder- 
lage aussah.  Dieselben  Götter  endlich,  welche  Bom  gestraft,  sie  be- 
wahrten die  Stadt  vor  dem  Aeussersten  durch  die  Wachsamkeit  der 
heüigen  Gänse  und  die  Tapferkeit  des  Manlius. 

Wenn  man  so  die  historische  Wahrheit  poetisch  bis  zur  Un- 
kenntlichkeit umgestaltete,  so  war  es  natürlich,  dass  die  Gestalt  des 
Camillus  inuner  mehr  und  mehr  von  Phantasiegebilden  umsponnen 
wurde.  Nach  meiner  Auffassung  ist  er  der  Better  Borns  insofern, 
weil  er  die  Einigkeit  innerhalb  der  Bürgerschaft  wiederherstellte, 
weil  er  die  Gegensätze  auf  dem  segensreichen  Boden  eines  echten 
PatriotlBmus  neutralisirte^^^);  in  der  Tradition  überwog  das  angeb- 


'**)  Aur.  Vict.,  dessen  kurze  Bemerkungen  hier  sich  alle  im  Livius 
wiederfinden,  sagt  merkwOrdigerweise  nur  Folgendes  (d.  v.  ill.  23,  8): 
Victores  Galli  m'bem  intravermit,  ubi  nobilisaimos  senum  in  curolibus  et 
honorum  insignibus,  primo  ut  deos  venerati,  deinde  ut  homines  diBj>icati 
interfecere.    Beliqua  iuventus  cum  Manlio  in  CapitoUum  fugit,  ubi  ob- 


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136  Georg  Thouret: 

liebe  Verdienst,  Bache  an  den  Barbaren  genommen  zu  haben,  und 
in  immer  steigendem  Masse  überwucherte  nun  die  Sage  das  Histo- 
rische an  seiner  Persönlichkeit.  Mit  der  Zeit  wurden  ihm  mehr  und 
mehr  Triumphe  angedichtet,  so  dass  zuletzt  Wahrheit  und  Dichtung 
zu  einem  poetischen  Qesammtbilde  verschmolz.  Der  Buhm ,  ein  zwei- 
ter Bomulus  im  vollsten  Sinne  des  Wortes  zu  sein,  bildet  die  Krone 
dieses  Wunderbaumes. 

Dass  diese  wunderbaren  Gebilde  in  die  römische  Litteratur  ein- 
mal eingeführt,  Eigenthum  derselben  blieben,  wird  Niemand  Wun- 
der nehmen,  besonders  da  der  grossartige  Stoff  die  geniale  Feder 
eines  Livius  fand.  Denn  gewiss  wird  Jeder  Niebuhr  zugeben,  dass 
Livius'  Darstellung  gerade  an  diesem  Punkte  seines  Werkes  von  be- 
sonderer poetischer  Gewalt  ist,  und  ich  will  mir  nicht  ^ein  gerech- 
tes Bedauern'  zuziehen,  dass  mir  deshalb  die  Darstellung  verleidet 
wSre,  weil  ihre  historische  ünhaltbarkeit  dargelegt  ist  (B.  G.  11 
S.  470).  Trotzdem  aber  dürfen  wir  dem  glücklichen  Geschick  dank- 
bar sein,  welches  uns  in  Polybius  ein  Mittel  erhalten  hat,  hier  Wahr- 
heit und  Dichtung  zu  sondern.  Erfreuen  wir  uns  an  der  Dichtung, 
aber  glauben  wir  nur  die  Wahrheit! 

Ich  halte  daran  fest,  dass  Fabius  die  Quelle  des  Polybius  ist, 
dass  also  im  Fabius  von  diesen  Sagen  nichts  stand.  Mögen  diese 
älter  als  er  sein:  ihre  litterarische  Fixirung  fWt  in  eine  spätere  Zeit^ 
Hiervon  werde  ich  im  letzten  Abschnitt  ausführlicher  handeln.  Ehe 
ich  von  der  eigentlichen  Aufgabe  meiner  Untersuchung  scheide, 
möchte  ich  noch  einmal  hervorheben,  dass  mein  Erklärungsversuch 
der  Camillussage  nur  ein  vorläufiger  Versuch  sein  soll,  dass  aber, 
auch  wenn  er  misslungen  sein  sollte,  die  eigentliche  Untersuchung 
dadurch  nicht  erschüttert  wird. 

V. 

HiilfsnütteL 

§  1.  Litterarisclie. 

Der  Sagentheorie  Niebuhrs  gegenüber  hat  A.  W.  v.  Schlegel  *in 
der  ausführlichen  Becension  der  Bönu  Gesch.  von  Niebuhr^**)  am 
rücksichtslosesten  die  Ansicht  verfochten,  ^dass  die  ältere  römische 
Geschichte  ein  griechischer  Boman  sei,  von  Griechen  erfunden,  von 
den  Bömem,  denen  dies  schmeichelte,  aufgenommen';  und  Dahlmann, 
welcher  in  seiner  Abhandlung  über  Herodot**^)  beiläufig  auf  die  Vor- 
geschichte Italiens  zu  sprechen  kommt,  neigt  zu  der  Annahme,  dass 


sessa  Gamüli  virtute  est  servata.  Qui  absens  dictator  dictus,  coUectiB 
reliquiis,  Gallos  improvidos  intemecione  occidit.  Populum  Bomanum 
migrare  Veios  volentem  retinnit.  Sic  et  oppidum  civibus  et  cives  oppido 
reddidit.  Ist  dies  Zufall?  —  '")  Sämmtl.  Werke,  hrsgegeb.  v.  Böcking. 
XIl  S.  444—612.  ~  "*)  Forschung.  EL  1  S.  129  ff. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  137 

im  Hellanikris  in  seinen  fcroischen  Geschichten  der  Grund  der  ganzen 
späteren  grftcisirenden  Manier  zu  suchen  sei.  ^Im  Hellanikus,  sagt 
er  S.  130^  möchte  der  Einschlag  zu  suchen  sein,  der  vom  Diocles 
aus  Fepareth  reich  durchwebt  in  Fabius  Pictors  Händen  zur  römi- 
schen Vorgeschichte  geworden  ist'.  Schwegler  stellt  sich  in  die 
Mitte  zwischen  Niebuhr  und  Schlegel.  Er  halt  es  für  gewiss,  dass 
der  Grundstoff  der  traditionellen  Geschichte  nicht  schriftstellerische 
Erfindung  sein  kann.  ^Die  Sagen  seien  entschieden  älter,  als  die 
ältesten  schriftstellerischen  Versuche  auf  diesem  Feld'  (I  S.  64).  Auf 
demselben  Standpunkte  ungefähr  steht  Lewis  (vgl.  Liebr.  I  S.  236). 

Ich  will  keineswegs  den  vielumworbenen  Diocles  von  Neuem 
heraufbeschwören.  Nur  eine  Bemerkung  sei  mir  gestattet,  welche 
die  weiter  unten  folgende  Betrachtung  passend  einleitet  Wenn  Nie- 
buhr und  die  meisten  Gelehrten  nach  ihm  das  Zeugniss  Plutarchs 
(BomuL  3  und  8),  dass  Fabius  dem  Diocles  gefolgt  sei,  einfach  ver- 
werfen, so  darf  man  mit  Schlegel  (S.  486)  fragen,  wie  man  dies  zu 
begründen  gedenkt,  —  Menn  Plutarch  drückt  sich  sehr  bestimmt 
aus'.  Auch  0.  Müller  hält  gegen  Niebuhr  das  Zeugniss  aufrecht.  ^^^ 
Man  mnss  bedenken,  dass  dieses  Citat  im  Leben  des  Komulus  steht, 
welches  mit  dem  des  Numa  offenbar  zu  den  spätesten  und  besten 
Viten  Plutarchs  gehört.'^')  In  beiden  benutzt  Plutarch  den  Varro  in 
nicht  geringem  Umfange,  und  er  steht  hier  seinen  Quellen  viel  selb- 
ständiger gegenüber  als  sonst  irgendwo  ^^);  man  darf  also  den  Dio- 
cles nicht  einfach  ^zu  den  übrigen'  werfen,  wie  es  Peter  thut  (p. 
LXXXn).  Fabius  hat  nach  Dionjs  I  6  die  Geschichte  seiner  Zeit 
ausführlich,  die  alte  Geschichte  nach  Roms  Gründung  KCcpaXai- 
uibujc,  —  also,  schliesst  Peter  selbst  (p.  LXXn),  wie  mir  scheint 
vollkommen  richtig,  die  älteste  Epoche,  d.  h.  die  Gründungsgeschichte 
gleichfalls  ausführlich  geschrieben,  was  wir  auch  aus  den  Fragmen- 
ten deutlich  sehen.  Woher  hat  er  nun  diese  ausgeführte  Partie? 
Hat  er  die  Volkssage  fizirt?  Beide  Stellen,  an  denen  Plutarch  vom 
Diocles  spricht,  halten  sich  innerhalb  der  GrtLndungsgeschichte  und 
im  c  8  heisst  es  geradezu  vom  Diocles:  5c  boK€i  irparroc  ^KboCvat 
'Püjnn^  KTiciv.    Dürfen  wir  da  das  Citat  verwerfen^**)? 

Die  liebliche  Gründungssage  verschmähte  Fabius  nicht,  —  da- 
gegen behandelte  er  die  Königsgeschichte,  was  wir  aus  Dion.  I  6 
ebenfalls  schliessen  dürfen,  sehr  kurz.  Warum?  Verschmähte  er  sie? 
Die  einzig  stichhaltige  Antwort  ist  meiner  üeberzeugung  nach  die: 


i*^  Zu  Festus  XIII  6  S.  268.  Lewis,  welcher  dasflelbe  verwirft, 
ffiebt  die  Berechtigung  des  ent^geogesetzten  Standpunktes  zu,  vfi. 
liiebr.  I  S.  395  A.  188.  —  ''^  Dies  ist  auch  die  Ansicht  von  Michaebs: 
de  ordine  vitamm  paiall.  Plut.  Berol.  1875.  p.  60.  —  "^  Höchst  be- 
achtesBwerth  ist  es  s.  B.,  dass  Plutarch  trotz  Varro  und  anderen  latei- 
nische E^mologieen  versucht;  vgl.  Rom.  26  extr.  —  ^'*)  Ich  habe  hier 
die  Autorität  Bu>becks  für  mich:  vgl.  0.  Ribbeck,  die  röm.  Tragödie  etc. 
S.  72. 


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138  Georg  Thouret: 

weil  die  Eönigsgescbichte  bis  dahin  noch  nicht  litterarisch  fizirt  war; 
die  Fixirung  derselben  in  einer  Oestalt^  der  ähnlich,  welche  uns  jetzt 
im  Livius  vorliegt,  föUt  mithin  nach  Fabius.  Dieses  Resultat  soll 
nun  die  Grundlage  der  folgenden  Betrachtung  bilden. 

Es  ist  nämlich  eine  allgemein  anerkannte  Thatsache,  dass  der 
Livianische  Bericht  Über  die  hinterlistige  Unterwerfung  Gabüs  durch 
Tarquinius  Superbus  (I  53  ff.)  zusammengesetzt  ist  aus  zwei  Hero- 
doteischen  Erzählungen,  —  der  List,  mit  Hülfe  deren  Zopyrus  Baby- 
lon dem  Darius  in  die  Hände  spielt  (Herod.  III  154  ff.)  und  der  Ant- 
wort des  Tyrannen  Thrasybul  an  Periander  (V  92).  Wohlgemerkt, 
zwei  Stellen  aus  zwei  yerschiedenen  Büchern  Herodots  sind  hier  ver- 
einigt, und  zwar  ist  der  Anschluss  an  das  Vorbild  ein  so  evidenter, 
dass  der  betreffende  römische  Autor  die  Geschichtchen  nicht  blos  ge- 
kannt sondern  gelesen  haben  muss.  Livius  hat  keine  Ahnung  von 
dem  Ursprung  dieser  Anekdoten,  was  sich  besonders  daraus  ergiebt, 
dass  er  zwar  ein  deutliches  Geftlhl  davon  hat,  wie  unrömisch  die 
Raffinirtheit  des  Tarquinius  sei  (I  53,  4),  aber  trotzdem  mit  keinem 
Worte  von  einer  Nachbildung  spricht.  Er  fand  Alles  bereits  in  seiner 
Quelle  vor.  Dionys  kennt  wohl  die  griechiche  Parallele,  der  Ge- 
danke aber,  dass  hier  ein  Plagiat  stattgefunden  haben  könnte,  liegt 
ihm  gänzlich  fem  (IV  56). 

Das  erste  Buch  des  Livius  ist  von  jeher  als  die  Perle  des  ganzen 
Werks  angesehen  worden,  was  Einheit,  Abrundung  und  Schönheit 
der  Darstellung  betrifft  Das  zweite  und  dritte  treten  dagegen  merk- 
lich zurück;  das  vierte  und  namentlich  das  fünfte  zeichnen  sich 
wiederum  durch  eine  grosse  Vollendung  der  Form  aus.  Sehen  wir 
uns  nun  die  tms  angehende  Partie  genauer  an,  so  hat  schon  Nie- 
buhr  ^^)  gelegentlich  bemerkt,  dass  die  zehnjährige  Belagerung  Vejis 
bedenklich  an  Ilion  erinnert.  Livius  lässt  den  Appius  Claudius  in 
seiner  grossen  Bede  für  die  Einführung  der  Winterfeldzüge  geradezu 
sagen  (V  4,  11):  decem  quondam  annos  urbs  oppugnata  est  ob  unam 
mulierem  ab  universa  Graecia:  quam  procul  ab  domo?  quot  terra.s 
quot  maria  distans?  Solche  griechische  Beminiscenzen  liegen  Livius 
selbst  fem :  er  fand  sie  bereits  in  seiner  Quelle. 

Der  Faliskische  Schulmeister  (V  27)  hat  auch  ein  sehr  griechi- 
sches Ansehn;  freilich  kann  ich  nicht  sagen,  woher  er  stammt.  Das 
Gebet  des  Camillus  endlich,  mit  dem  er  in  die  Verbannung  geht: 
(Liv.  32,  9):  (in  exilium  abiit)  prccatus  ab  diis  immortalibus,  si 
innoxio  sibi  ea  iniuria  fieret,  primo  quoque  tempore  desiderium  sni 
civiiati  ingratae  facerent^'^),  erinnert  lebhaft  an  das  des  Achilleus: 
H.  I  240: 

fj  itOT*  *AxiXXfloc  iTO0f|  Kexai  ulac  'Axaiööv. 
Appian  (Ital.  6)  sagt  geradezu:  ic  Tf)V  'Ap&eaTWV  ttöXiv  |üi£T(}iicnc€V 


>»;0  B.  G.  II  S.  542.  —  "»)  Vgl.  Plut.  Cam.  12  ertr.   Bei  den  Griechen 
erscheint  das  Verbxmi  ^miroO^v. 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  139 

edSd^ievoc  -rtiv  'AxiXXeiov  cuxnv,  imTroOflcai  'Puijaaioic  Kd^tWov 

Wir  sehen  also,  dass  die  ganze  Partie  mit  griechischen  Bemi- 
niscenzen  durchsetzt  ist.  Die  Facta  sind  römisch,  die  Zeichnung 
theilweise  griechischen  Vorbildern  entlehnt.  Im  Anschluss  hieran 
theile  ich  eine  Beobachtung  mit,  von  der,  soviel  ich  weiss,  bisher 
nur  Niebuhr  eine  Andeutung  gegeben  hat,  ohne  sie  jedoch  w^ter 
auszuführen.  Niebuhr  bemerkt  gelegentlich  (Vorles.  I  S.  381),  Mass 
die  ErzShlung  yon  der  Einnahme  Roms  an  die  von  der  Einnahme 
der  Akropolis  von  Athen  durch  die  Perser  erinnere'. 

Aber  nicht  blos  dies,  sondern  die  ganze  Partie  bietet  auffallende 
üebereinsümmungen. 

Die  Situation  ist  ja  völlig  dieselbe.  Perser  wie  Gallier  kom- 
men in  eine  verlassene  Stadt  (vgl.  Herod.  VIII  50  ff.).  In  Athen 
wie  in  Bom  sind  nur  wenige  zurückgeblieben^  welche  hier  wie  dort 
unter  dem  Schwerte  der  Barbaren  fallen. 

Gleiche  Verhütnisse  bedingen  freilich  oft  gleiche  Geschichte. 
Aber  ein  Punkt  ist  besonders  auffallend.  Xerxes  befiehlt  den  Athe- 
nern in  seinem  Gefolge  (<puTdb€c\  nach  heimischer  Sitt«  auf  der 
Akropolis  ein  Opfer  darzubringen.^^)  Es  war  zwei  Tage  nach  dem 
Brande,  in  welchem  auch  der  Tempel  des  Ereohtheus,  in  dessen 
einer  Zelle  der  heilige  Oelbaum  der  Athena  stand,  zn  Grunde  ge- 
gangen war.  Nun  finden  jene  Athener  neue  Sprossen  und  einen 
grtLnen  Zweig  an  dem  verbrannten  Stamm,  —  die  Bürgschaft  für 
ein  neues  Erblühen  der  Stadt. 

Als  man  in  Bom  anfing,  den  Schutt  aufzuräumen,  fand  man 
unter  den  Trümmern  des  Marstempels  auf  dem  Palatin  '^)  den  Kmmm- 
stab  des  Bomulus  unversehrt  wieder,  der  beste  Beweis,  dass  die 
Auspieien  durch  die  Verwüstung  nicht  verloren  waren,  und  dass  die 
Götter  ein  Verlassen  der  Statte  nicht  billigten."*)  —  Fragen  wir, 
wieviel  damals  und  bei  der  spftteren  Heimsuchung  Athens  durch 
Mardonius  eigentlich  zerstört  worden  ist,  so  antwortet  darauf  Thuky- 
dides.    Er  sagt  I  89,  3:  (Die  Athener  kehrten  zurück)  Kai  Tf|V  irö- 

XlV  dV0lK0b0^€tV   1Tap€CK€lw4Z0VT0   Kai   TOI  Teixn*   TOO  T€  Tdp  TT€pl- 

ßöXou  ßpaxea  e\crl\K€\  Kai  otKiai  a\  jii^v  troXXal  7r€TmuKecav,  dXi- 
Toibtnepificav,  dvatc  aörol  icwfjvncav  ol  buvaTol  TttrvTTcpcÄv. 

Diodor  sagt  XIV  115,  6:  Tf|v  noXiv  iXü|iaivovTO  X^J^P'ic  dX(- 
yiüv  oIkic&v  ^v  TIA  TTaXariip. 

Wie  Camillus  in  Bom,  so  betreibt  Themistokles  in  Athen  mit 


*•*)  Suidas  B.  V.  •Ax(AX€ioc  €Öx^»  vergl.  auch  Plut.  Cam.  13  in.  — 
"«)  Herod.  VDI  64,  6  ff.  —  "*)  Dionys  XIV  exe.  Ambr.  6;  Plut.  Cam.  82. 
Nach  Cicero  de  div.  I  17,  80  befand  sich  der  Stab  'in  curia  Saliorum'. 
—  '**J  DionjB  (a.  a.  0.)  stellt  beide  Wunder  (von  Athen  und  Bom)  neben- 
einanaer,  genau  so,  wie  wir  es  oben  (S.  188)  bei  den  Anekdoten  aus  dem 
I.  Buch  des  Livius  gesehen.  Sollte  hier  eine  Nachbildung  vorliegen,  so 
ist  sie  in  echt  römischem  Sinne  gemacht. 


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140  Georg  Thouret: 

grösstem  Eifer  den  Wiederaufbau.  Den  Erfolg  giebt  Tkokjd.  I  93, 
1 — 2  an,  und  diese  Stelle  klingt  sehr  mit  der  analogen  Diodors 
(XIV  116,  8)  zusammen.  Sie  lautet:  TOUTiji  xiD  Tf>6ni\)  o\  *A0t|- 
vaToi  Tf|V  TTÖXiv  ^T€ixicav  ^v  öXi-^i  XP<iviü.  Kai  br\\r\  n  olKobo- 
^la  Itx  Ktti  vöv  ^CTiv  8ti  Kaxd  ciroubfiv  dT^vexo.  ol  fäp  6€- 
\xi\xox  travxoiujv  X(0ujv  uirÖKeivxai  xa\  ou  Euv€lpTac^evluv  ?criv  q, 
&\y  übe  ?Kacxoi  TTOxe  Trpodqpcpov. 

Ich  möchte  die  Analogie  frappant  nennen:  Born  —  Athen;  die 
Perser  stehen  zu  den  Qriechen,  wie  die  Grallier  zu  den  Bömem, 
Xerxes  j—  Brennus ,  beide  Barbarenführer  im  Sinne  der  Alten,  Akro- 
polis  —  und  CapitoL  Und  ist  auch  Camillus  Vertreter  einer  anderen 
politischen  Richtung  als  Tbemistokles,  so  gelten  doch  beide  als  die 
zweiten  Gründer  ihrer  Vaterstadt  Ich  erinnere  daran,  dass  Plutarch 
Tbemistokles  und  Camillus  in  Parallele  stellt,  —  leider  ist  uns  die 
cuTKpicic  verloren  gegangen. 

Was  den  Sturm  auf  die  Akropolis  betrifft,  so  versuchen  auch  die 
Perser,  wie  die  Grallier,  zunächst  einen  Frontangriff,  auch  sie  wer- 
den mit  blutigen  Köpfen  zurückgeworfen  (Herod.  Vm  52),  so  dass 
Xerxes  lange  Zeit  in  Verlegenheit  ist,  wie  die  Burg  zu  nehmen  sei. 
Endlich  entdecken  die  Perser  auf  der  dem  Aufgang  entgegengesetzten 
Seite  einen  Fusspfad,  den  sie  dann  erklimmen  und  so  die  Besatzung 
überrumpeln.  Die  Aehnlichkeit  ist  deutlich.  Ich  würde  diese  letzte 
Analogie  gar  nicht  besonders  erwähnen  ^^^,  wenn  wir  nicht  oben 
(S.  113)  gesehen  hätten,  dass  vielleicht  die  älteste  römische  Ueber- 
lieferung  gar  nichts  wusste  von  dem  Versuch  der  Gallier,  das 
Eapitol  auf  einem  Bergpfade  zu  ersteigen,  sondern  dass  nach  ihr  die 
Gallier  einen  Minengang  anlegten. ^^^)  Dies  giebt  uns  doch  zu  denken. 

Hinsichtlich  der  ganzen  Vergleichung  aber  bemerke  ich,  dass 
ihre  Berechtigung  darin  liegt,  dass  ich  wenigstens  von  der  Unhalt- 
barkeit  der  ganzen  römischen  Tradition  fest  überzeugt  bin.  Ich 
bin  weit  davon  entfernt,  hier  ein  rohes  Plagiat  constatiren  zu  wollen. 
Aber  habe  ich  Beoht,  dass  die  litterarische  Fixirung  der  Vulgata 
jünger  als  Fabius  ist,  so  dürfte  die  Ansicht  nicht  unwahrscheinlich 
klingen,  dass  das  griechische  Vorbild  auf  die  Fassung  der  römischen 
Tradition  nicht  ohne  Einfluss  geblieben  ist,  namentlich  wenn  wir  be- 
denken, wie  stark  damals  die  gräcisirende  Strömung  sowohl  in  der 
ganzen  gebildeten  Gesellschaft  wie  ganz  besonders  in  der  histori- 
schen Litteratur  war.  Die  Griechen  verhielten  sich  passiv  nur  der 
römischen  Verfassung  gegenüber,  wie  wir  dies  deutlich  an  Poljbius 
sehen«  In  Bezug  auf  Kunst,  Mythologie,  Kultus  und  Litteratur 
waren  die  Römer  durchaus  passiv:  dort  konnten  sie  geben,  hier  nur 
empfangen.    Die  glänzendste  Epoche  der  griechischen  Litteratur  war 


i>«)  Denn  schliesslich  wird  jede  Burg  auf  ähnliche  Weise  erobert  — 
"^  Cäsar  sagt  von  den  Galliern  seiner  Zeit  (b.  G.  VII  22,  2):  apud  eos 
—  omne  genus  cuniculorum  notom  atque  usitatum  est. 


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lieber  den  gallischen  Brand.  141 

längst  vorüber,  als  die  römische  ihre  ersten  Anfönge  zeitigte.  Die 
Scipionischen  Kreise  hatten  ein  deutliches  Qeftthl  von  der  üeber- 
legenheit  der  Griechen  auf  diesem  Gebiet.  Es  ist  also  ausserordent- 
lich natttrlich,  dass  die  griechischen  Muster  auf  die  Fassung  der 
römischen  Geschichte  einwirkten.  Man  kann  femer  nicht  verkennen, 
dass  der  gallische  Brand  den  Römern  eine  bequeme  Erklärung  der 
Dürftigkeit  der  römischen  Litteratur  gegenüber  der  Fülle  der  grie- 
chischen darbot.  Ich  will  durchaus  nicht  die  Wahrheitsliebe  des 
Livius  in  Zweifel  ziehen,  aber  es  bleibt  doch  fraglich,  ob  man  mit 
Lewis  die  berühmten  Worte  im  ersten  Kapitel  des  VL  Buchs:  si 
quae  (sc.  litterae)  in  commentariis  pontificum  alüsque  publicis  priva- 
tisque  erant  monumentis,  incensa  urbe  pleraeque  interiere,  ganz 
streng  nehmen  darf.  Dem  widerspricht  vor  allen  Dingen  der  Um- 
stand, dass  auch  das  folgende  Jahrhundert  so  arm  an  gleichzeitigen 
Geschichtsaufzeichnungen  gewesen  zu  sein  scheint. 

§  2.    TopograpMsclie  HäUbmittel. 

In  der  Einleitung  habe  ich  als  das  Ziel  meiner  Untersuchung 
den  Nachweis  bezeichnet;  dass  wir  nach  Lage  der  Quellen  be- 
rechtigt sind,  die  totale  Yerbrennung  und  Verwüstung  Boms  durch 
die  Gallier  als  unhistorisch  zu  verwerfen.  Mehr  konnte  und  durfte 
ich  von  meinem  Standpunkte  aus  nicht  wollen.  Die  vorliegende 
Untersuchung  war  nun  auch  bereits  abgeschlossen,  als  ich  auf  den 
ersten  Band  von  Jordans  ^Topogi'aphie  der  Stadt  Bom  im  Alterthum 
(I  1).  Berlin  1878'  aufmerksam  gemacht  wurde.  Mit  hoher  Freude 
sah  ich,  dass  Jordan  der  römischen  Tradition  vom  gallischen  Brande 
gegenüber  sich  sehr  skeptisch  verhält.  Wenn  ich  in  Bezug  auf  die- 
sen Punkt  den  Totaleindruck,  den  ich  aus  seinen  Ausführungen  ge- 
wonnen habe,  mit  einem  Worte  bezeichnen  soll:  so  hat  sich  der 
Topograph  überhaupt  nicht  um  die  sogenannte  gallische  Verwüstung 
zu  kümmern.  Es  sei  mir  gestattet,  einige  von  Jordans  Besultaten 
hier  anzuführen. 

Jordan  verwirft  vor  allen  Dingen  die  Berichte  über  den  Wieder- 
aufbau der  Stadt  und  zwar  stellt  er  hierbei  Diodor  auf  ein  und  die- 
selbe Stufe  mit  Livius  (S.  484  A.  5). 

Er  sagt  S.  483:  ^Die  Details  der  Beschreibung  des  Wiederauf- 
baus nach  dem  gallischen  Brande  sind  kläglich  zusammengebettelt 
und  im  Wesentlichen  nichts  weiter  als  misslungene  Erklärungen 
späterer  Zustände,  mag  nun  die  Quelle  sein,  welche  sie  wolle'. 

8.  484 :  ^ Wäre  Bom  in  seinen  ebnen  Theilen  geradlinig  gebaut 
gewesen,  so  hätte  man  aus  der  angeblichen  Thatsache,  dass  die  Stadt 
dem  Erdboden  gleichgemacht  worden,  den  Schluss  gezogen,  dass  die 
Verwischung  aller  Grenzlinien  von  Staats-  und  Privateigenthum  nun 
erlaubt  habe,  nach  den  Grundsätzen  die  Limitation  die  neue  Stadt 
aufzubauen.    Da  dieser  Schluss  nicht  möglich  war,  schien  der  ent- 

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142  Georg  Thouret: 

gegengesetzte  zulässig,  dass  jene  Vermischung  ein  buntes  Durch- 
einander von  Häuserbauten,  die  freie  Auswahl  der  Bauplätze  ver- 
anlasst habe'. 

S.  485:  *Wie  man  sichs  überhaupt  denken  soll,  dass  mit  der 
Niederbrennung  der  Holzhäuser  und  Lehmziegelhütten  zugleich  die 
Strassenzüge  verschwinden  konnten,  dass  in  dem  Gedächtniss  der  auf 
die  Burg  geflüchteten  Vertheidiger  in  wenigen  Monaten  jede  Er- 
innerung an  den  Besitzstand  ausgelöscht  worden,  während  doch  nach- 
weislich Verheerungen  ganzer  wesentlich  noch  mit  demselben  Mate- 
rial gebauter  Stadttheile  in  späterer  Zeit  dies  Wunder  nicht  gewirkt 
haben,  bleibt  mir  unverständlich'. 

Dies  im  Allgemeinen.  Niemals  sieht  sich  Jordan  bei  der  Be- 
stimmung irgend  einer  Oertliohkeit  des  ältesten  Born  gezwungen, 
auf  den  gallischen  Brand  Bücksicht  zu  nehmen.  Gehen  wir  nun 
näher  auf  das  Einzelne  ein,  so  nennt  Jordan  die  Angabe  des  Livius 
(V  55;  5),  dass  nach  dem  Wiederaufbau  die  Kloaken  Staats-  und 
Privateigenthum  nach  allen  Bichtungen  durchkreuzten,  einen  ^schüler- 
haften Versuch,  das  erst  später  weitverzweigte  Eloakensystem  zu 
erklären'  (S.  484).  Wir  gewinnen  aber  hier  ein  anderes  merkwür- 
diges Resultat.  Die  Beobachtung  von  der  Verzweigung  des  Kloaken- 
systems  hat  man  jedenfalls  gemacht,  als  Agrippa  in  seiner  Aedilität 
i.  J.  721  es  unternahm,  die  Kloaken  und  die  Wasserleitungen  aus- 
zubessern und  zu  vermehren  (vgl.  Jordan  S.  301).  Dies  konnte 
ohne  die  umfttssendsten  Untersuchungen  nicht  geschehen.  Dass  Li- 
vius von  diesen  wusste  und  die  Ergebnisse  derselben  kannte,  ist 
selbstverständlich.  Seine  Notiz  ist  daher  nicht  unrichtig  an  und  für 
sich,  aber  die  Anknüpfung  an  den  gallischen  Brand  weiter  nichts 
als  ein  Akt  der  Willkür.  Wir  sehen  hier  deutlich,  dass  Livius  nicht 
das  geringste  Bedenken  trug,  Verhältnisse  seiner  Zeit  und  ganz 
moderne  Beobachtungen  an  einem  beliebigen  Punkte  seines  Geschichts- 
werks einzuflechten. 

Diodor,  welcher  vor  721  schrieb,  konnte  daher  gar  nicht  eine 
ähnliche  Bemerkung  über  die  Kloaken  machen.^^)  Im  üebrigen 
aber  ist  sein  Bericht,  wie  wir  oben  (S.  124  ff.)  gesehen,  fast  mit  dem 
Livianischen  identisch.  Es  handelt  sich  um  die  K€pa)iib€C  iroXiTixat 
und  die  tegulae  publicae.  Bereits  früher  ist  ausgeführt  worden**®), 
dass  das  bestimmte  Zeugniss  des  Nepos,  Bom  sei  bis  zum  Kriege 
mit  Pyrrhus  mit  Schindeln  bedeckt  gewesen,  schwerwiegender  ist, 
als  der  Bericht  Diodors  und  des  Livius.  Hier  dürfen  wir  aber  einen 


^'^)  Diese  Erklärung  empfiehlt  sich  meiner  Ansicht  nach  mehr  als 
die  Annahme,  Diodor  hätte  diese  Notiz  übergangen,  was  Mommsen  an- 
nehmen muss,  der  es  für  möglich  hält,  dass  sie  oder  eine  ähnliche  schon 
bei  Fabius  gestanden  habe  (a.  a.  0.  S.  641  A.  1).  Ich  glaube,  ohne  un- 
bescheiden zu  sein,  hoffen  zu  dürfen,  dass  die  vorliegende  Arbeit  im 
Stande  sein  wird,  Jordans  Kritik  geg^n  Mommens  Tadel  (S.  536  A.  2) 
zu  rechtfertigen.  —  "»)  Vgl.  oben  S.  126. 


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Ueber  den  galliecben  Brand.  143 

bedeutenden  Schritt  weitergehen«  Nach  Jordaa'^)  ist  der  Baekatein- 
bau  ^schwerlich  älter  als  die  Zeit  des  Bulla',  —  auf  keinen  Fall 
aber  so  alt,  dass  Fabius  bereits  die  Vorstellung  gehabt  haben  könnte, 
dass  Born  nach  dem  gallischen  Brande  aus  Backsteinen  wieder  auf- 
gebaut seL  Da  aber  Diodor  und  Livius  von  ^Staatsziegeln'  sprechen, 
so  sind  wir  genöthigt  anzunehmen,  dass  Diodor  diese  oder  eine  ähn- 
liche Notiz  bereits  in  seiner  Quelle  fand,  welche  mithin  nicht  Fabius 
gewesen  sein  kann,  oder  man  müsste  ihm  mindestens  zwei  Quellen 
vindiciren,  wodurch  dann  völlig  Alles  unsicher  wird,  da  man  nicht 
weiss,  was  er  der  einen  und  was  der  andern  er  entnahm.  ^ Staats- 
ziegel' sind  ohne  ^Staatsziegeleien'  nicht  denkbar,  und  so  findet  denn 
Jordan  (S.  485  A.  5)  in  den  Worten  Diodors  eine  Anspielung  auf 
^Staatsziegeleien',  welche  nun  gar  nicht  so  alt  sind  wie  Fabius,  da 
die  Ziegelstempel  in  Kom  erst  mit  der  Kaiserzeit  beginnen  (Jordan 
S.  57).  Endlich  klingen  die  Worte  des  Livius  (V  55,  3):  (tegula 
publice  praebita  est)  ....  praedibus  acceptis  eo  anno  aedificia  per- 
fecturos  deutlich  an  eine  Bestimmung  der  lex  Ursen.  (§  75)  an  (vgl. 
Jordan  (S.  485  A.  5),  welche  der  Cäsarischen  Städteordnung  an- 
gehört Mag  nun  Livius  jene  Bestimmung  im  Auge  gehabt  haben, 
oder  mag  (eine  Annahme,  zu  der  Jordan  a.  a.  0.  neigt)  aus  ihm  zu 
schliessen  sein,  dass  ähnliche  Verordnungen  ^ schon  zur  Zeit  Cäsars 
und  früher  —  auch  für  Rom  galten',  jedenfalls  ist  auch  dieser  Zug 
von  Livius  den  Verhältnissen  seiner  Zeit  entnommen,  denn  baupoli- 
zeiliche Vorschriften  treten  bekanntlich  erst  in  der  letzten  Zeit  der 
Bepublik  auf. 

So  fallen  die  Berichte  Diodors  und  des  Livius  in  sich  selbst  zu- 
sammen. Topographische  Zeugnisse  für  den  gallischen  Brand,  welche 
mehr  werth  sein  würden  als  alle  Berichte,  sind  nicht  vorhanden. 
Jordan  hat  deshalb  noch  nicht  den  gallischen  Brand  verworfen. 
Wenn  es  mir  aber  gelungen  sein  sollte,  meinerseits  zu  zeigen,  dass 
nicht  nur  die  Berichte  über  den  Brand  höchst  bedenklich  sind,  son- 
dern auch,  dass  Poljbius  in  seiner  Quelle  die  gallische  Verwüstung 
noch  nicht  vorfand,  so  werden  wir,  denke  ich,  berechtigt  sein,  den 
letzten  Schritt  zu  thnn  und  den  sogenannten  gallischen  Brand  aus 
der  römischen  Oeschichte  zu  streichen. 

VL 
Anhang:  Die  Quellenfrage. 

Zwei  Fundamentalsätze  sind  es,  welche  den  Gang  der  folgenden 
Untersuchung  bestimmen: 

1.  Fabius  Pictor  ist  die  Quelle  des  Polybius, 

2.  Diodor  benutzt  eine  jüngere  Quelle. 

Ich  beabsichtige  nun  nicht,  jeden  Schriftsteller,  welcher  eine 


"^  Vgl.  bes.  S.  18  flf. 

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144  Georg  Thouret: 

DarsteHong  der  gallischen  Katastrophe  gegeben,  auf  eine  bestimmte 
Quelle  zurückzuführen.  Dies  würde  einmal  kaum  möglich  sein  und 
zweitens  für  den  ^Anhang'  eine  ungebührliche  Ausdehnung  nöthig 
machen.    Ich  stelle  mir  vielmehr  nur  drei  Fragen  zur  Beantwortung: 

1.  Welcher  Epoche   der  römischen  Annalistik  gehört  der  ur- 
sprüngliche Autor  der  Yulgata  vom  gallischen  Brande  an? 

2.  Wie  steht  die  Quelle  Diodors  zu  dieser  Epoche? 

3.  Welches  Yerhältniss   findet  statt  zwischen  Livius  und  den 
späteren  römischen  Schriftstellern? 

1. 
§  1.    LiviuS;  Dionys,  Plutarcli. 

Man  kann  über  das  Yerhältniss  dieser  drei  Autoren  zu  einan- 
der verschiedener  Meinung  sein:  soviel  haben  die  bisherigen  Unter- 
suchungen festgestellt,  dass  alle  drei,  was  die  gallische  Katastrophe 
und  die  Camillussage  betrifft,  auf  eine  einzige  Becension  zurückgehen. 
Ich  darf  mich  hier  auf  H.  Peter ^*^)  und  0.  Clason***)  berufen.  Nur 
wenige  Bemerkungen  will  ich  hinzufügen. 

Mit  Recht  weist  Peter  (a.  a.  0.  S.  17)  darauf  hin,  dass  die 
Untersuchung  über  das  Yerhältniss  Plutarchs  zu  Dionys  deshalb  zu 
keinem  glatten  Resultat  kommen  kann,  weil  wir  nur  Excerpte  aus 
Dionys  vor  uns  haben,  welche  den  ursprünglichen  Text  ohne  Zweifel 
sehr  häufig  stark  verkürzt  und  die  Einzelheiten  zusammengezogen 
haben.  Dabei  sind  Yeränderungen  und  Abbeugungen  der  Darstel- 
lung unvermeidlich."*)  Widerspricht  also  ein  Excerpt  der  Darstel- 
lung Plutarchs,  so  wissen  wir  nicht,  ob  dies  ein  wirklicher  oder  nur 
ein  scheinbarer  Widerspruch  ist.  Indessen  deckt  sich  die  über- 
wiegende Mehrzahl  der  Dionys.  Excerpte  in  einer  Weise  mit  der 
Biographie  des  Camillus  von  Plutarch  (vgl.  Peter  S.  23),  dass  nur 
eine  Becension  bei  beiden  zu  Grunde  liegen  kann,  sei  es  nun,  dass 
Plutarch  den  Dionys  ausschrieb,  sei  es  dass  beide  aus  denselben 
Quellen  schöpften.***) 

Yon  diesem  Standpunkte  aus  müssen  wir  daher  £e  vorhande- 
nen Differenzen  betrachten.  Ein  Theil  derselben  erweist  sich  denn 
auch  als  nur  scheinbar  (vgl.  Peter  S.  25),  ein  anderer  Theil  erklärt 
sich  sofort  auf  die  einfachste  Weise,  wenn  wir  die  Abkürzungen  des 
Excerptors  berücksichtigen  (vgl.  Peter  S.  24).  Alle  diese  endlich 
betreffen  ganz  unwesentliche  Punkte.  Bei  dreien  jedoch  liegt  die 
Sache  anders. 


"»)  Die  Quellen  Plutarchs  u.  s.  w.  S.  17—28.  —  "*)  Böm.  Gesch. 
II  S.  73—78.  —  "')  Lehrreich  sind  die  Ausführungen  Nisaens  über  die 
Excerpte  aus  Polybius  (vgl.  Untersuch.  S.  8).  —  "*)  Diese  Nebenfrageu, 
welche  eine  äusserst  subtile  Behandlung  eitordem,  sind  für  meine  Ab- 
sichten 80  sehr  Nebensache,  dass  ich  sie  einfach  übergehe. 


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tJeber  den  gallischen  Brand.  145 

PIutarclL  giebt  die  Höhe  des  Lösegelds  wie  Liyius  auf  1000 
Pfund  Gold  an^**),  Dionys  dagegen  auf  26  Talente."^  Die  letzte 
Summe  ist  £ft8t  genau  das  Doppelte  der  ersten  ^^^^,  und  wenn  wir 
uns  erinnern,  dass  Yarro  dieselbe  Summe  angiebt^^^),  so  werden  wir 
schliessen,  dass  entweder  Dionys  seine  Angabe  dem  Varro  entnahm, 
oder  dass  Varro  die  betreffende  Notiz  bereits  bei  irgend  einem  Schrift- 
steller Yor&ndy  der  mit  der  Quelle  des  Dionys  hierin  übereinstinmite. 
AufGülend  ist  es  nun,  dass  trotzdem  Plutarch,  was  die  ganze  Erzäh- 
lung betrifft,  nicht  dem  Livius,  sonoem  vielmehr  dem  Dionys  gefolgt 
ist  (ygl.  Peter  S.  26).  Peter  meint,  die  Erz&hlung  selbst  sei  aus 
Dionys,  jene  einzelne  Angabe  aber  aus  Livius  entnommen.  Ich  ge- 
stehe, dass  dies  sehr  unwahrscheinlich  klingt.  Es  bleibt,  bei  der  fast 
wörtlichen  Uebereinstimmung  zwischen  Plutarch  und  Dionys  ^^^),  auch 
hier  nur  die  Annahme  übrig,  dass  Dionys  selbst  beide  Summen  an- 
geftthrt  hat,  dass  Plutarch  aber  nur  die  gewöhnliche,  der  Excerptor 
gerade  die  ungewöhnliche  Zahl  wählte. 

Wenn  wir  das  Excerpt  18  des  XIIL  Buchs  lesen,  welches  von 
der  römischen  Gesandtschaft  an  die  Gallier  handelt,  so  scheint  Dio- 
nys mit  Diodor  übereinzustimmen.  Es  heisst  nämlich:  dTTOcraX^v- 
Tuiv  öi  7rp€c߀UTuiv  Ik  TiujLiTic  iui  KcXiouc*  KT€;  also  von  einer 
Hfllfesendung  für  Clusium  kein  Wort;  man  könnte  meinen,  Dionys 
habe  wie  Diodor  (XIY  113,  4)  als  Zweck  der  Gesandtschaft  an- 
gegeben: die  Boten  sollten  die  Stärke  und  die  Zusammensetzung  des 
gallischen  Heeres  ausspioniren. 

Da  die  Gkülier  nach  demselben  Excerpt  nur  die  Auslieferung 
von  zwei  Gesandten  fordern,  so  gewinnt  es  den  Anschein,  als  habe 
Dionys  wie  Diodor  (a.  a.  0.)  überhaupt  nur  von  zwei  Gesandten 
gesprochen.  In  diesem  Falle  würde  er  nicht  die  Quelle  Plutarchs 
gewesen  sein  können,  welcher  hier  mit  Livius  (V  36,  5;  11)  über- 
einstimmt (Cam.  17).  Indessen  ist  die  Frage  nicht  zu  entscheiden. 
Denn  das  nächste  Excerpt  (XTII  19)  widerspricht,  so  wie  es  dasteht, 
allen  übrigen  Darstellungen.  Damach  wären  nämlich  die  Gallier 
gegen  Born  aufgebrochen,  weil  der  Senat  den  Handel  in  die  Länge 
zog  und  mit  der  Antwort  zauderte.  Hier  müssen  wir  eine  bedeu- 
tende Kürzung  des  Dionysischen  Textes  annehmen.  Dann  aber  dürfen 
wir  auch  die  vorhergehenden  Worte  (exe.  18)  nicht  pressen.  Für 
unsere  Untersuchung  endlich  ist  es  gleichgültig,  nach  welcher  Seite 
hin  man  die  Entscheidung  treffen  will.  Denn  gesetzt  den  Fall,  Dio- 
nys stimme  in  Bezug  auf  die  Gesandtschaft  mit  Diodor  überein,  so 
folgt  daraus  weiter  nichts,  als  dass  er  wie  so  oft  mehrere  Darstel- 
lungen contaminirte.    Diodors  Bericht  ist  ja  nur  deshalb  für  uns  so 

"»)  Cam.  28;  vgl.  Liv.  V  48,  8.  —  »*•)  XIII  exe.  Ambr.  13.  —  "») 
Vgl.  Peter  a.  a.  0.  S.  26  Anm.  —  "•)  Bei  Non.  III  p.  156,  vgl.  oben 
S.  112.  —  '^')  Hieher  gehört  vor  Allem  die  gleiche  Wiedergabe  des  Wae 
victis'  durch  'toIc  veviicim^otc  ÖÖOvt)'  (Plut.  Cam.  28)  und  ^ööüvt)  toIc 
KOcpOTTHidvoic'  (DioD.  Xni  13). 

Jahrb.  t  cUm.  PhUol.  Snppl.  Bd.  XI.  10       >^  j 

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146  Georg  Thonret: 

werlhvoU,  weil  er  auch  sonst  von  der  Vulgata  abweicht,  weil  er  die 
volle  Ausbildung  der  Camillussage  nicht  kennt.  Dionjs  aber  hat 
jedenfalls  die  Vulgata  dargestellt,  was  wir  aus  XIII  13  mit  Sicher- 
heit  schliessen  dürfen. 

Vergleichen  wir  schliesslich  Plutarch  mit  Livius,  so  ist  eine  oft 
wörtliche  üebereinstimmung  zwischen  beiden  unverkennbar,  gegen- 
über welcher  die  Abweichungen  verschwinden.  Der  Vollständigkeit 
halber  will  ich  auf  die  wichtigsten  derselben  näher  eingehen. 

Nach  Livius  V  41,  8  sitzen  ^ie  sich  opfernden  Greise  in  aedium 
vestibulis,  nach  Plutarch  Cam.  22  auf  dem  Forum.  Zur  Lösung 
dieses  Widerspruchs  giebt  uns  Livius  selbst  den  Schlüssel.  Er  er- 
zählt V  41,  2,  dass  die  Greise  beschlossen,  die  Schmach  nicht  zu 
überleben.  Hierauf  f^rt  er  fort  (41,  3):  sunt  qui  M.  Fabio  pontifice 
maximo  praefante  Carmen  devovisse  eos  se  pro  patria  Quiritibusque 
tradant.  Diese  letzte  Darstellung  finden  wir  nun  bei  Plutarch,  und 
zwar  sie  allein  (Cam.  21).  Wir  werden  mithia  auf  einen  ursprüng- 
lichen Bericht  geführt,  der  so  lautete:  Die  Greise  versammeln  sich 
auf  dem  Forum  und  weihen  sich  unter  Vortritt  des  Pontw  M.  dem 
Tode;  darauf  geht  Jeder  in  sein  Haus.  Dieser  Bericht  spaltete  sich 
nun  zwischen  Livius  und  Plutarch  oder  bereits  zwischen  ihren  Quel- 
len.^^^)  Jedenfalls,  worauf  es  mir  nur  ankommt,  liegt  nur  eine 
Darstellung  zu  Grunde. 

Livius  erzählt  V  46,  6  ff.:  Die  Römer,  welche  sich  nach  Veji 
gerettet  haben,  beschliessen,  dem  Camillus  die  Dictatur  zu  über- 
tragen, vorher  aber,  um  die  verfassungsmässige  Ernennung  zu  er- 
möglichen, einen  Boten  auf  das  Kapitel  zu  schicken.  Pontius  Comi- 
nius  führt  die  Botschaft  aus  und  bringt  die  Ernennung  zurück. 

Bei  Plutarch  (Cam.  24)^^^)  wendet  man  sich  direkt  an  Camil- 
lus, dieser  aber  veranlasst  die  Sendung  des  Cominius.  Diese  Diffe- 
renz ist  vielleicht  auf  Bechnung  Plutarchs  zu  setzen,  der  das  Lob, 
welches  Livius  ob  diesem  Gefühl  für  Gesetzmässigkeit  den  Bömem 
überhaupt  spendet  (46;  7) :  adeo  regebat  omnia  pudor,  discriminaque 
rerum  prope  perdiüs  rebus  servabant,  —  für  seinen  Helden  in  An- 
spruch nahm  (a.  a.  0.):  Tt\c  }xkv  oOv  euXaßeiac  kqi  KaXcKatuOiac 
TÖv  KdjLiiXXov  ^GaujLiocav.  Gerade  dieser  Zusatz  zeugt  für  einen 
ursprünglichen  Bericht.  ^ 

Endlich  ist  noch  eine  Differenz  zu  erwähnen,  auf  welche  Clason 
meiner  Ansicht  nach  viel  zu  grosses  Gewicht  gelegt  hat  Livius  be- 
richtet V  25,  9:  Die  Matronen  erhalten  das  Fahrrecht  an  Festtagen 
als  Anerkennung  ihrer  Beisteuer  zum  Weihgeschenk,  welches  nach 
der  Eroberung  von  Veji  dem  Delphischen  Apollo  geweiht  wurde; 


"^)  Diese  Deutaug  der  Differenz  zwischen  Livius  und  Plutarch  möchte 
ich  derjenigen  vorziehen,  welche  Mommsen  aufstellt  (Hermes  XIII  S.  628, 
A.  1) :  *  Wenn  sie  (die  Greise)  bei  Plutarch  auf  dem  Markt  sitzen,  so  ist 
dies  wohl  ein  Versehen'.  —  "*)  Und  bei  Dio  fr.  26  (Beck.  p.  14).  Der  An- 
nahme, dass  Dio  hier  vielleicht  den  Plutarch  benutzt,  steht  nichts  im  W^e. 


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lieber  den  gallischen  Brand.  147 

und  y  50,  7 :  Die  Maironen  erhalten  für  die  Beisteuer  zum  gallischen 
Lösegelde  das  Recht  der^  oratio  funebris.  Plutarch  kennt  nur  das 
letztere,  giebt  ihm  aber  die  Veranlassung,  welche  Livius  beim  ersteren 
erwShnt.  Um  die  Verwirrung  vollständig  zu  machen,  lässt  IHodor 
(XIV  116,  9)  den  Matronen  das  Fahrrecht  für  ihre  Beisteuer  zum 
LOsegelde  ertiieilt  werden. 

Clason  nennt  diese  Differenz  ^grayirend'  (B.  0.  ü,  8.  78). 
Verstehe  ich  ihn  recht,  so  will  er  sie  auf  folgende  Weise  lösen: 
Zwischen  Flutarch  und  Diodor  findet  kein  Widerspruch  statt;  die 
Elemente  sind:  Eine  zwiefache  Beisteuer,  eine  zwieÜEiche  Belohnung. 
Diodor  und  Plutarch  haben  je  eins  von  diesen  Elementen,  Livius 
aber  alle  zusammen  aufgenommen,  —  folglich  hat  seine  Quelle  hier 
zwei  Angaben  contaminirt.  Dem  widerspricht  aber,  wie  Clason  selbst 
sagt  (S.  79),  die  Thatsache,  dass  Livius  weder  mit  Diodor  noch  mit 
Plutarch  in  der  Zusammenstellung  von  Leistung  und  Vorrecht  über- 
einstimmt, mithin  muss  er  sich  einmal  versehen  haben.  Damit  ist 
die  Sache  aber  noch  nicht  erledigt.  An  der  Stelle  nämlich,  wo 
Plutarch  Beisteuer  und  Ehrenrecht  erwfthnt  (Cam.  8  nach  der  Er- 
oberung von  Veji),  ist  seine  Darstellung  so  völlig  identisch  mit  der 
Liyianischen  (V  23  ff.,  vergl.  Clason  S.  74),  dass  hier  dieselbe  Quelle 
zu  Orunde  liegen  muss,  nach  Clasons  Meinung  Licinius  Macer.  Da 
nun  Plutarch  bei  Gelegenheit  der  gallischen  Katastrophe  weder  von 
einer  Beisteuer  der  Matronen  noch  von  einem  Staatsdank  dafUr  spricht, 
—  80  muss  er  (resp.  Dionys)  inzwischen  die  Quelle  gewechselt  haben. 
Clason  oombinirt  nun  folgendermassen:  Antias  knüpfte  das  Ehrenrecht 
der  oratio  funebris  an  die  Beisteuer  zum  Mischkrug,  und  er  berichtete 
Yon  einem  ähnlichen  Vorgange  beim  Abzüge  der  Gallier  nichts.  Diodors 
QneUe  dagegen  wusste  nur  von  der  Beisteuer  zum  gallischen  Löse- 
gelde und  dem  dafür  ertheilten  Fahrrecht.  Macer  nahm  beide  Ver- 
sionen auf;  ihm  folgte  Livius,  der  aber  durch  eine  Verwechselung 
die  Ehrenrechte  an  eine  falsche  Stelle  brachte.  Plutarch  (resp.  Dionys) 
folgt  an  erster  Stelle  Macer  und  bringt  daher  die  durch  diesen  hindurch- 
gegangene Angabe  des  Antias.  Nun  legt  er  Macer  bei  Seite  und 
folgt  Antias,  mithin  schweigt  er  wie  dieser  bei  Gelegenheit  der 
gallischen  Katastrophe.  Diese  Combination  Clasons  ist  etwas  künst- 
lich, namentlich  da  jedenfalls  Livius  sich  eines  Versehens  schuldig 
gemacht  hat  Clason  ist  aber,  wie  ich  glaube,  im  Lrthum,  wenn  er 
memt,  ^dass  bei  Livius  dieselbe  Tradition  in  zwei  Varianten  vorliege' 
(S.  78).  Er  sagt:  ^Ursprünglich  kann  nur  eine  derartige  Tradition 
existirt  haben;  und  zwar  war  dieselbe  zur  Erklärung  jener  Vorrechte 
der  Matronen  erfunden'  (S.  79).  Die  Sache  scheint  mir  vielmehr  so 
zu  liegen:  Es  gab  nur  ein  altes  Vorrecht  der  Matronen,  nämlich  an 
Festtagen  und  auch  sonst  den  Wagen  innerhalb  der  Stadt  zu  be- 
nutzend^'), und  dieses  Privilegium  wurde  aufgefasst  als  Dank  für  die 


"■)  Vergl.  Mommsen,  Staatsr.«  I,  S.  377  u.  Herrn.  XIII,  S.  637. 

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148  Georg  Thouret: 

Beisteuer  der  Matronen  zum  Weibgescbenk  an  Apollo  oder  zum 
Lösegeld  der  Stadt  Beide  Anknüpfungen  gingen  nebeneinander  her, 
wie  wir  dies  deutlich  daraus  sehen,  dass  Diodor*^)  diese,  Festus***) 
jene  nur  kennt.  Wir  haben  mehrfach  gesehen,  dass  bei  derartigen 
Versuchen,  bestehende  Einrichtungen  aus  der  alten  Geschichte  zu 
erklären,  gerade  das  Auseinandergehen  der  Deutungen  ein  Charakteri- 
stiken ist  Wollte  man  aber  daraus,  dass  diesem  Schriftsteller  diese, 
jenem  jene  Deutung  besser  gefiel,  gleich  auf  verschiedene  Quellen 
schliessen,  so  würde  man  oft  gSnzlich  fehlgehen.  Was  nun  das  an- 
gebliche Ehrenrecht  der  laudatio  funebris  betrifft^  so  ist  das  offenbar 
eine  ganz  junge  Erfindung.  Es  klingt  unrömisch,  dass  den  Frauen 
diese  Ehre  gewesener  Magistrate  zu  Thell  geworden  sei**^),  nnd  es 
schmeckt  das  nach  den  Zeiten  ^  in  denen  Caesar  am  Sarge  seiner 
Tante  lange  Reden  hielt***) 

Mithin  werden  wir  auf  die  besprochene  Differenz  zwischen  Livius 
und  Plutarch  kein  Gewicht  legen.  Dem  Griechen  Plutarch  imponirte 
wahrscheinlich  (wie  dem  Polybius)  die  römische  Sitte  der  laudatio 
funebris,  und  deshalb  interessirte  ihn  diese  Notiz  in  höherem  Grade 
als  die  andere ,  auf  das  Fahrrecht  der  Frauen  bezügliche.  —  So  er- 
ledigen sich  die  Hauptdifferenzen. 

Mithin  können  wir  ohne  Scheu  die  Behauptung  als  bewiesen 
bezeichnen,  dass  uns  bei  Livius,  Dionjs  und  Plutarch  eine  Becension 
vorliegt,  die  also  auch  ftlter  sein  muss  als  ihre  Quellen,  für  welche 
allgemein  die  Annalisten  der  Sullanischen  Zeit  gehalten  werden. 
Oben  (vergl.  S.  114)  kamen  wir  von  allgemeinen  Betrachtungen 
her  zu  demselben  Besultat.  Es  fragt  sich  nun,  ob  uns  dasselbe 
weiter  führt. 

§  2.   Glandins  Quadrigarins. 

Als  der  älteste  Annalist  der  Sullanischen  Zeit  gilt  Q.  Claudius 
Qaadrigarius;  er  wird  von  Velleius  und  Fronto'*')  in  einer  Auf- 
zählung dem  Antias  vorgesetzt.  Wir  dürfen  so  viel  mit  Sicherheit 
behaupten,  dass  er  seine  Annalen  unabhängig  von  Antias  und  Macer 
verfasste.    Wann  er  geschrieben,  wissen  wir  nicht    Das  letzte  da- 


"8)  XIV  116,  9.  —  »**)  M.  p.  246  8.  V.  polentis;  Servias  (ad  Aen. 
8,  666;  11,  478)  bringt  nur  die  Sache.  Vielleicht  entstanden  diese 
'MatronenYOrrechte'  in  jenen  Tagen,  wo  das  Oppische  Gesetz  heisBo  De> 
hatten  hervorrief.  Eine  jedenfalls  alte  üeberlieferung  sagte  aus,  dass 
den  Matronen  das  cur  Verfügang  gestellte  Gold  wiedererstattet 
worden  sei  (Fest  p.  168  matroni(s)  aumm  redditum).  Damit  würde  die 
hauptsächliche  Veranlassung  zu  Ehrenrechten  weggefallen  sein,  wenn 
auch  immer  noch  der  gute  Wille  belohnt  werden  konnte.  Endlich  be- 
anspruchten auch  die  Sfassilienser  den  Biihm^  zum  Lösegelde  beige- 
steuert zu  haben  (Justin.  48,  6,  9).  Wie  es  sich  damit  verhält,  wissen  wir 
nun  gar 'nicht.  —  *")  Vergl.  Mommsen,  Staatsr.'  I,  S.  426  u.  A.  2.  — 
"•)  Vergl.  Plut  Caes.  6;  Sueton  Caes.  6.  —  "^  Vergl.  die  Stellen  bei 
Peter  p.  CCLXXXVII. 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  149 

urbare  Fragment  (Nr.  84,  Peter  p.  234)  berührt  das  Treffen  bei 
Sacriportum  oder  das  Jahr  672  a.  u.  Wenn  Peter  (vergl.  A.  l)  daraus 
schliesst,  dass  er  nach  diesem  Jahre  geschrieben  habe,  so  ist  dies  für 
den  letzten  Theil  der  Annalen  selbstverständlich  richtig:  es  bleibt 
aber  unentschieden,  ob  Claudius  nach  dem  J.  672  überhaupt  erst 
angefangen  hat  zu  schreiben.  Wir  wissen  z.  B.,  dass  Livius  das  erste 
Buch  seines  Geschichtswerkes  zwischen  727  und  729  yerÜEisste  ^^), 
dass  er  aber  noch  den  Tod  des  DrusuQ  erwähnte,  welcher  im  J.  745 
a.  u.  erfolgte.  War  nun  auch  das  Werk  des  Claudius  beträchtlich 
kleiner  an  Umfang,  so  liegt  doch  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass 
er  die  letzten  Abschnitte  ziemlich  gleichzeitig  mit  den  Ereignissen 
schrieb.  Sicherheit  hierüber  zu  erlangen  ist  nicht  mehr  möglich. 
Vielleicht  gelingt  es  uns  an  einer  späteren  Stelle,  den  terminus  post 
quem  genauer  zu  bestimmen. 

Die  neuere  Forschung  bezeichnet  Claudius  als  eine  Hauptquelle 
des  Livius  neben  Antias.  Als  Ergänzung  zu  Nissens  Untersuchungen 
hat  in  neuester  Zeit  Unger  diesen  Satz  in  der  eingehendsten  Weise 
verfochten  und  für  die  4.  und  5.  Dekade  durchgeführt.  ^^^)  Für 
dieses  Verhältniss  sprechen  einmal  die  häufigen  Citate  des  Claudius 
bei  Livius  und  dann  die  in  reichlicher  Zahl  erhaltenen  Fragmente, 
TOB  denen  sich  die  meisten  in  der  Darstellung  des  Livius  wenigstens 
wiedererkennen  lassen,  wenn  auch  die  directe  Benutzimg  des  Claudias 
in  jedem  einzelnen  Falle  erst  nachgewiesen  werden  muss. 

Die  sechs  ersten  Fragmente  des  ersten  Buches  der  Claud.  An- 
nalen handeln  von  der  gallischen  Katastrophe  im  J.  364  a.  u.  Auch 
diese  decken  sich  mit  der  entsprechenden  Darstellung  des  Livius^^^); 
ob  dieser  aber  dem  Claudius  hier  nacherzählte,  ist  bei  der  Kürze  der 
erhaltenen  Fragmente  nicht  auszumachen.  Das  erste  namentliche 
Citat  findet  sich  Liv.  VI  42, 3 ;  aber  an  dieser  Stelle  verwirft  ihn  Livius 
bereits  ^pluribus  auctoribus'  gegenüber.  Nach  den  Gesetzen  der 
Quellenkritik  müssen  wir  also  annehmen,  dass  Claudius  hier  nicht 
die  Hauptquelle  des  Livius  ist.  Auf  der  andern  Seite  aber  beweist 
das  Citat,  dass  er  einer  der  Autoren  ist,  welche  Livius  bei  der  Ab- 
£a88ang  der  ersten  Dekade  zur  Hand  hatte. 

Aus  den  Fragmenten  aber  dürfen  wir  eins  mit  Sicherheit 
schliessen,  nämlich  dass  Claudius,  wenn  auch  vielleicht  in  knapper 
Form,  dieselbe  Darstellung  der  gallischen  Katastrophe  gegeben  hat 
wie  Livius. 

Das  1.  Fragment  handelt  von  dem  Schrecken  in  Folge  der  Allia- 
schlacht;  das  3.  Fragment  handelt  wahrscheinlich  von  dem  Anmärsche 
der  GraUier;  das  4.  und  5.  Fragment  geht  die  That  des  Pontius 
Cominius  an;  das  6.  Fragment  berührt  die  Waffenstillstandsverhand- 
lungen.   Aus  dem  7.  Fragment  endlich  ersehen  wir,  dass  Claudius 


Teuffei  R.  L.  G.»  S.  646,  6.  —  "")  Philologus  1878;  8. 
SuppL-Band,  2.  Abth   —  *«<»)  VergL  Peter  p.  206  u.  6  mit  den  Noten. 


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150  G«org  Thouret: 

die  Bettung  des  Kapitels  durch  M.  Mazilius  und  den  Sieg  des  Dictator 
Camillus  erzfthlte.  Wir  sind  zu  der  Behauptung  berechtigt,  dass 
Claudius,  der  älteste  Annalist  der  Snllanischen  Zeit,  die  vulgSre 
Tradition  dargestellt  hat    Halten  wir  dies  zunächst  fest. 

Erinnern  wir  uns  nun,  dass  wir  im  ersten  Theile  der  Unter- 
suchung (vergL  oben  S.  139  ff.)  die  Bemerkung  machten,  dass  die 
ganze  hierher  gehörige  Partie  des  Livius  unverkennbar  griechische 
Beminiscenzen  zeigt.  Man  kann  sich  kaum  der  Ansicht  verschliessen, 
dass  das  Vorbild  des  persischen  Einbruchs  in  Attika  und  die  Zer- 
störung Athens  von  Einfluss  gewesen  ist  auf  die  Fassung  der  römi- 
schen Vulgata.  Wir  werden  dadurch  von  selbst  in  die  Epoche  der 
griechisch  schreibenden  Annalisten  geführt.  Kehren  wir  mit  dieser 
Betrachtung  zu  dem  vorher  gewonnenen  Resultat  zurück,  so  ergiebt 
sich  eine  überraschende  Combination.  Ein  Claudius  hat  bekanntlich 
die  griechischen  Annalen  des  Acilius  bearbeitet,  oder  gar  lateinisch 
übersetzt  (nach  Liv.  XXV  39,  12  und  XXXV  14,  3).  Ist  Claudius 
Quadrigarius  und  dieser  üeberarbeiter  ein  und  dieselbe  Person,  so 
werden  wir  mitten  hinein  in  die  grftcisirende  Epoche  der  römischen 
Annalistik  gewiesen;  in  ihr  hätten  wir  den  Autor  zu  suchen,  welcher 
der  römischen  Tradition  zuerst  die  Fassung  gab,  die,  wenn  auch 
vielfach  erweitert  und  abgebeugt,  in  ihren  Hauptzügen  feststeht,  und 
die  durch  Claudius  hindurch  in  die  uns  zugängliche  historische  Lit- 
teratur  hinüber  geleitet  wurde. 

Acilius  würde  in  jeder  Beziehung  eine  passende  Persönlichkeit 
sein.  Mag  derselbe  identisch  sein  mit  dem  Senator  C.  Acilius,  welcher 
als  Interpret  bei  der  Philosophengesandschaft  im  J.  599  a.  u.  fun- 
girte*^'),  oder  nicht:  jedenfalls  beweist  die  Thatsache,  dass  er  römi- 
sche Annalen  in  griechischer  Sprache  schrieb,  seine  Vertrautheit  mit 
griechischer  Litteratur.  Auch  besitzen  wir  in  dem  berühmten  Ge- 
spräch zwischen  dem  älteren  P.  Scipio  und  Hannibal  in  Ephesus^*^ 
ein  authentisches  Stück  seines  Geschichtswerkes.  Dasselbe  zeigt 
uns  deutlich,  dass  Acilius  nicht  bloss  einen  feingebildeten,  echt  helle- 
nischen Geschmack  besass,  sondern  dass  er  auch  schön  zu  schreiben 
wusste. 

Weitere  Betrachtungen  verbieten  sich  hier  von  selbst,  wo  es 
vor  allen  Dingen  auf  die  Entscheidung  der  Frage  ankommt,  ob  der 
Bearbeiter  des  Acilius  und  der  von  Livius  im  VI.  Buche  zum  ersten 
Male  citirte  Claudius  ein  und  dieselbe  Person  ist.  Diese  Frage  ist 
neuerdings  mehrfach  behandelt  und  verschieden  beantwortet  worden. 
Im  Folgenden  will  ich  das  Tür'  und  *Wider'  beleuchten  und  ver- 
suchen, die  Bedenken,  welche  gegen  die  Identität  erhoben  worden 
sind,  zu  entkräften. 


"«)  Gell.  N.  A.  VI  U,  9;  vergl.  Peter  p.  CXVmi.  ~  "*)  Liv.  XXXV 
14,  3  ff.;  vergl.  Peter  p.  46  n.  5. 


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Ueber  den  gaUiflchen  Brand.  151 

§  3.   Der  Bearbeiter  des  Aeflins. 

In  den  erhaltenen  Büchern  des  Livins  wird  ein  Claudias  ohne 
jede  nähere  Bestimmung  lOmal  citirt:  VI  42;  VHI  19;  IX  5;  X  37; 
XXXm  10,  30,  36;  XXXVIH  23,  41;  XLIV  15.  Ausserdem  wird 
an  zwei  Stellen  ein  Claudius  genannt,  der  sich  in  irgendwelcher 
litteiarischen  Abhängigkeit  von  AcilittS  befand.  Nämlich  XXY  39, 12 : 
ad  triginta  Septem  milia  hostium  caesa  auctor  est  Claudius,  qui 
aunales  Acilianos  ex  Graeco  in  Latinum  sermonem  vertit,  und 
XXXV  14,  3:  Claudius  secutus  Graecos  Acilianos  libros . . .  tradit. 
Es  fragt  sich:  Ist  dieser  zweimal  genannte  Claudius  derselbe  wie 
der  zehnmal  genannte?  Nissen  bejaht  die  Frage  und  ist  der  Ansicht, 
dass  Livius  an  allen  Stellen  ^die  Chronik  des  Acilius  in  der  lateini- 
schen TJebersetzung  eines  gewissen  Claudius'  benutze.  ^^')  Er  trennt 
aber  diesen  Claudius  von  Cl.  Quadrigarius.  Mommsen  weist  diese 
Trennung  zurück  und  versteht  unter  dem  Claudius  an  allen  Stellen 
den  Quadrigarius.^^)  Peter  unterscheidet  den  Claudius  jener  zehn 
Stellen  von  dem  Bearbeiter  des  Acilius  und  hält  den  ersten  für 
identisch  mit  Quadrigarius.^^)  Unger  endlich  meint,  Livius  meine 
zwar  fiberall  ein  und  denselben  Claudius  Quadrigarius,  habe  aber 
verschiedene  Werke  desselben  im  Auge,  nämlich  ein  selbständiges 
Annalenwerk  an  jenen  zehn  Stellen,  und  eine  besondere  Bearbeitung 
des  Acilius  an  diesen  zwei  Stellen.^^ 

Dies  ist  der  augenblickliche  Stand  der  Frage. 

um  in  diesem  Labyrinth  den  Ariadneüaden  nicht  zu  verlieren, 
betrachte  ich  die  verschiedenen  Ansichten  zunächst  nach  allgemeinen 
Gesichtspunkten,  und  dabei  zeigt  sich  sofort  eine  verschiedene  Auf- 
fassung in  Bezug  auf  die  Frage:  ^Können  die  Annalen  des  Quadri- 
garius und  die  Bearbeitung  des  Acilius  überhaupt  ein  Werk  sein?' 
Mommsen  giebt  dies  unbedenklich  zu,  die  übiigen  Gelehrten  ver- 
halten sich  dagegen  skeptisch.  Warum?  Für  Nissen  war  der  Haupt- 
grund, zwischen  beiden  Werken  zu  unterscheiden,  die  Beobachtung, 
dase  Livius  den  Claudius  niemals  Quadrigarius  nennt^  was  mit  seiner 
sonstigen  Citirmethode  nicht  im  Einklänge  stünde  und  deshalb  so 
auffiülend  sei,  weil  Quadrigarius  auf  keinen  Fall  damals  schon  zu 
den  geleseneren  Autoren  gehört  habe  (a.  a.  0.  S.  40).  Ich  kann 
mich  hiergegen  auf  Mommsens  Ausführungen  (a.  a.  0.)  und  auf  Peters 
Bemerkungen  (p,  CCLXXXXVII)  berufen.  Danach  kann  die  Form 
der  Citate  hier  nichts  entscheiden,  keine  Trennung  der  beiden  Werke 
begründen.  Aber  Nissen  hat  bereits  beiläufig  einen  zweiten  Gnmd 
genannt,  der  ebenfeklls  in  zweiter  Linie  von  Peter  und  ünger  geltend 
gemacht  wird.  Nämlich:  Quadrigarius  könne  deshalb  schwerlich  der 


"•)  Vergl.  Untersuchungen  S.  39  u.  40.  —  "*)  VergL  Hermes  I, 
8  166,  Ann.  1.  -  "*)  Veigl.  p.  CCLXXXXVU  sqq.  -  *••)  Vergl.  PhUol. 
a.  a.  0.  S.  4  ff.  Ich  sage  Xivius  hatte  im  Auge'  und  nicht:  ^benutzt'. 
Warum  —  wird  unten  deutlich  werden. 


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152  Georg  Thouret: 

Bearbeiter  des  Acilius  sein,  weil  dieser  mit  der  Gründung  der  Stadt, 
jener  aber  erst  mit  der  gallischen  Katastrophe  begonnen  hStte. 
Zunächst  ist  hiergegen  zu  bemerken,  dass  eine  Bearbeitung  des 
Acilius  vom  J.  364  a.  u.  an  immerhin  eine  Bearbeitung  ist.  Es 
heisst  aber  viel  gefordert,  wenn  man  von  Livius  verlangen  wollte, 
dass  er  genau  hätte  das  Jahr  bezeichnen  sollen,  von  dem  an  Clau- 
dius den  Acilius  übersetzte.  Was  aber  die  Hauptsache  ist:  man  darf 
nie  vergessen,  dass  die  so  wahrscheinlich  aussehende  Annahme,  dass 
Claudius  Quadrigarius  sein  Geschichtswerk  mit  dem  J.  364  a.  u«  be- 
gann, im  letzten  Grunde  doch  nur  eine  Annahme  ist  und  bleibt. 
Gewiss!  Wir  haben  kein  Fragment,  welches  früher  zu  setzen  wäre, 
aber  ein  strikter  Beweis  ist  dies  doch  nicht.  Man  führt  gern  die 
Worte  des  Livius  (VI  1),  dass  die  römische  Geschichte  vor  dem 
gallischen  Brande  höchst  unsicher  sei  u.  s.  w.  auf  Claudius  zurück 
und  meint,  dies  sei  das  Motiv  für  ihn  gewesen,  die  ganze  ältere  Ge- 
schichte unberücksichtigt  zu  lassen.  Aber  erstens  ist  dies  auch  nur 
eine  Annahme,  und  zweitens  könnte  man  dem  wohl  entgegenhalten, 
dass  ja  Livius  selbst,  obwohl  er  sicher  von  der  Bedeutung  des  galli- 
schen Brandes  überzeugt  war,  doch  die  Geschichte  der  alten  und 
ältesten  Zeiten  unbedenklich  schrieb.  Merkwürdigerweise  aber  hat 
nun  Quadrigarius  nicht  nur  nicht  erst  nach  dem  gallischen  Brande 
begonnen  zu  schreiben,  sondern  er  hat  jedenfalls  die  Geschichte  der 
gallischen  Invasion  von  Anfang  bis  zu  Ende  erzählt  (vergl.  oben 
S.  149).  Das  erste  Fragment  springt  mitten  in  die  Schrecken  der 
AUiaschlacht  hinein.  Nach  der  herrschenden  Ansicht  wäre  es  wirk- 
lich das  einzig  Natürliche,  dass  z.  B.  die  Einleitung  des  VL  Buch 
des  Livius  oder  etwas  Aehnliches  den  Anfang  seines  Werkes  bildete, 
dass  er  mit  der  vollendeten  Thatsache  der  Zerstörung  Roms  seine 
Geschichte  begann.  Dies  ist  nicht  der  Fall,  und  wo  will  man  nun 
die  Grenze  ziehen? 

Endlich  noch  ein  Beispiel.  Licinius  Macer,  welcher  von  Anfisiig 
an  die  römische  Geschichte  schrieb,  erzählte  im  2.  Buche  bereits  den 
Krieg  mit  Pyrrhus.**')  Gesetzt  den  Fall,  das  erste  erhaltene  Frag- 
ment fiele  ungefthr  in  das  Jahr  364  a.  u.,  so  müssten  wir  es  auf 
jeden  Fall  unter  die  Rubrik:  ex  lib.  I  bringen,  —  und  was  würden 
wir  vielleicht  daraus  für  Schlüsse  ziehen?  Gerade  die  Vergleichung 
mit  Macer  ist  lehrreich:  Nach  der  gewöhnlichen  Ansicht*  schrieb 
Claudius  die  Geschichte  der  J.  von  364—672  a.  u.  in  19  Büchern^*®), 
Macer  die  Geschichte  der  J.  von  1 — 683  a.  u.  in  21  Büchern.**^ 
Nach  den  Fragmenten  handelte  Claudius  im  2.  Buche  vom  J.  460 
a.  u..  Macer  im  2.  Buche  vom  J.  476  a.  u.^^**)    Bei  dieser  Sachlage 


!•»)  Vergl.  Peter  p.  308,  n.  20.  —  "^  In  dieses  Jahr  und  Buch  ge- 
hört das  letzte  mit  Bestimmtheit  zu  datireude  Fragment;  vergl.  Peter 
p.  234,  n.  84  u.  86.  —  "")  Die  Beziehuiu^  des  fr.  23  bei  Peter  p.  309 
u.  Note  23  scheint  mir  durchaus  zutreffend  zu  sein.  —  ^^^  Ich  setze  die 
gangbare  Jahreszahl  an  Stelle  von  ^Pyrrhus'. 


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üeber.den  gallischen  Brand.  153 

steht  nichts  dex  Annahme  im  Wege:  also  kann  auch  Claudins  sehr 
gnt  die  ganze  römische  Geschichte  von  J.  1 — 672  in  19  Büchern 
geschrieben  haben.  Ich  will  keineswegs  den  letzten  Schluss,  obgleich 
er  mir  unanfechtbar  zu  sein  scheint,  aufrecht  erhalten;  es  liegt  mir 
nur  daran,  zu  zeigen,  dass  man  auf  die  Annahme,  dass  Claudius  erst 
mit  dem  gallischen  Brande  begann,  keine  Beweise  oder  Beweisgründe 
stützen  kann.  Für  ünger  aber  steht  die  Richtigkeit  jener  Annahme 
so  fest,  dass  er  den  IXCTXOC  xpövuiv  eines  KXt^biöc  Tic,  welcher 
nach  Plutarch  Numa  c.  1  die  gangbaren  Familienstammbäume  für 
yerfftlscht  erkl&rte,  Ma  die  Originale  durch  den  gallischen  Brand  ver- 
nichtet worden  seien',  für  eine  griechisch  geschriebene  Monographie 
des  Quadrigarius  httlt,  Velche  die  Bestunmung  hatte,  die  Wahl  des 
Anfangs  seiner  Annalen  durch  den  Nachweis  der  Unzuyerlässigkeit 
der  lütesten  Geschichte  ausführlicher  und  gelehrter  zu  rechtfertigen, 
als  dies  in  seinem  für  das  grössere  römische  Publikum  bestimmten 
Werke  statthaft  gewesen  w&re'  (a.  a.  0.  S.  12).  Ich  kann  Unger 
hierin  nicht  beistimmen.  Bis  jetzt  weiss  Niemand,  was  dieser  ^Xexxoc 
Xpövwv  eigentlich  enthielt  Die  Worte  Flutarchs  drehen  sich  ledig- 
lich um  die  Echtheit  oder  ünechtheit  von  Stammbäumen.  ^^^)  In- 
dessen, wenn  es  feststünde,  dass  Quadrigarius  wirklich  die  iQteste 
Geschichte  bei  Seite  liess,  so  würde  jene  Combination  wenigstens 
einen  festen  Grund  und  Boden  haben.  So  aber  billigt  oder  verwirft 
man  sie  mit  gleichem  Rechte.  Ja,  wenn  ich  mich  nicht  irre,  so  ist 
jener  unglückliche  fXcTXOC  nicht  ohne  Einfluss  gewesen  auf  die  ganze 
Ansicht  von  den  Annalen  des  Quadrigarius. 

Ich  schliesse  mich  also  durchaus  der  Ansicht  Mommsens  an,  dass 
an  und  für  sich  nichts  gegen  die  Identität  dieser  Annalen  und  der 
Bearbeitung  des  Acilius  spricht. 

Aber  geben  wir  einmal  zu,  dass  eine  Trennung  vorgenommen 
werden  müsse,  so  haben  wir  zwei  Lösungsversuche.  Peter  nimmt 
zwei  Werke  und  zwei  Verfasser  an.  Unger  dagegen  meint,  dass  die 
üebersetzung  des  Acilius  eine  Jugendarbeit  des  Quadrigarius,  die 
Annalen  aber  ein  Werk  seiner  reiferen  Jahre  sei  (S.  12).  Ich  ge- 
stehe, dass  mir  die  letztere  Ansicht  absolut  unmöglich  zu  sein 
scheint  Die  Annalen  des  Acilius  waren,  nach  den  erhaltenen  Bruch- 
stücken zu  urtheilen,  namentlich  in  den  späteren  Partieen  von  einer 
gewissen  Fülle  und  Breite  der  Darstellung.  Derselbe  Mann  aber, 
der  dieses  ganze  Werk  lateinisch  übersetzte  oder  bearbeitete,  soll 
nun  noch  ein  zweites,  eigenes  Annalen  werk  verfasst  haben?  Hier 
spielt  offenbar  wieder  jene  Ansicht  von  den  Annalen  des  Quadri- 
garius mit  hinein.  Claudius  überzeugte  sich  durch  die  Üebersetzung 
des  Acilius,  dass  die  älteste  Geschichte  vollkommen  unsicher  sei,  und 
deshalb  machte  er  sich  daran,  ein  eignes  Werk  auf  kritischer  Grund- 


"^)  In  Bezug  auf  diesen  Claudios  kann  ich  nur  durchaus  den  Aus- 
führungen BrOckers  beistimmen  (Untersuch.  S.  2  ffl). 


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154  Georg  Thooret: 

läge  zu  schreiben.  Wenn  wir  einmal  die  Werke  iarennen,  dann  müssen 
wir  mit  Peter  auch  die  Verfasser  trennen.  Denn  abgesehen  von 
allem  Andern,  gewährt  es  doch  einen  merkwürdigen  Anblick,  wenn 
Livius  ftir  eine  Periode  der  Oeschichte,  wo  die  Quellen  so  rechlich 
flössen,  neben  dem  kritisch  gesichteten  Werk  des  Claudius  auch 
noch  dessen  entschieden  schwächere  (so  muss  man  doch  folgern) 
Jugendarbeit  benutzt.  Um  dieser  Consequenz  zu  entgehen,  w&hlt 
Unger,  wie  wir  sehen  werden,  einen  wunderlichen  Ausweg. 

So  sind  wir  bis  zu  dem  Kernpunkt  der  Sireitfrage  angelangt: 
Welches  sind  die  Argumente  für  die  Trennung  der  Annalen  und  der 
Bearbeitung?  Sie  sind  aus  jenen  beiden  Stellen  geschöpft,  yon 
denen  ich  die  erste,  weil  wir  sie  ganz  brauchen  werden,  vollständig 
hersetze: 

Liv.  XXY  39,  12  (bei  dem  üeberfall  des  Pon,  Lagers  durch 
die  Bömer  unter  L.  Marcius):  ad  triginta  Septem  milia  hostium  caesa 
auctor  est  Claudius,  qui  annales  Acilianos  ex  Graeco  in  Latinum 
sermonem  vertit,  captos  MDCCCXXX,  praedam  ingentem  paratam: 
in  ea  fuisse  dipeum  argentum  pondo  CXXXVII  cum  imagine  Bar- 
dni  Hasdrubalis. 

Yalerius  Antias  una  castra  Magohis  capta  tradidit,  Septem 
milia  caesa  hostium;  altero  proelio  eruptione  pugnatum  cum  Hasdru- 
bale,  decem  milia  occisa,  quattuor  milia  CCCXXX  captos. 

Piso  quinque  milia  hominum,  cum  Mago  cedentis  nostros  effnse 
sequeretur,  caesa  ex  insidiis  scribit. 

Apud  omnis  magnum  nomen  Marcii  ducis  est,  et  yerae  gloriae 
eius  etiam  miracula  addunt,  flammam  ei  contionanti  fusam  e  capite 
sine  ipsius  sensu  cum  magno  payore  circumstantium  militum:  moni- 
mentumque  yictoriae  eius  de  Poenis  usque  ad  incensum  Capitolium 
fuisse  in  templo  clipeum  Marcium  appellatum  cum  imagine  Has- 
drubalis. 

XXXV  14,  3:  Claudius,  secutus  Graecos  Acilianos  libros,  F. 
Africanum  in  ea  fuisse  legatione  tradit,  eumque  Ephesi  conloentum 
cum  Hannibale  etc. 

Ich  muss  nun  zunächst  Peter  gegen  Unger  yertheidigen.  Unger 
sagt  (S.  5  ff),  die  letzte  Stelle  sage  nicht,  dass  Claudius  den  Aci- 
lius  übersetzte,  sondern  nur,  dass  er  ihm  folgte.  Mithin  hätte  Peter, 
wollte  er  consequent  bleiben,  neben  dem  Uebersetzer  des  Adlius, 
einen  davon  verschiedenen  Claudius  annehmen  müssen,  welcher  dem 
Adlius  ab  und  zu  gefolgt  sei.  Dann  würden  wir  drei  Claudii  haben. 
Diese  Forderung  Ungers  ist  hart  Wenn  Livius  einmal  in  bestimm- 
tester Weise  erklärt  hatte,  dass  dieser  Claudius  den  Adlius  über^ 
setzte,  so  war  es  genug,  wenn  er  an  späterer  Stelle  sagte:  ^Auch 
hier  folgt  Claudius  dem  Acilius'. 

Die  erste  Stelle  ist  bei  weitem  die  wichtigere.  Peters  Argumen- 
tation gipfelt  in  der  Frage  (p.  CCLXXXXVII):  'Warum  hat  Livius 
diesen  erklärenden  Zusatz  nicht  an  der  ersten  Stelle  gemacht,  wo 


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Ueber  den  gaUischen  Brand.  155 

er  den  Claadius  dtirt  (VI  42,  4)?  Warum  in  der  4.  Dekade  an  der 
vierten  Stelle  (XXXY  14),  nachdem  er  ihn  im  33.  Buche  dreimal 
citirt?'  Diese  Bedenken  scheinen  Peter  so  schwerwiegend,  dass  er 
nur  eine  Lösung  der  Schwierigkeit  fCLr  möglich  hält:  Wir  müssen 
den  von  Liyius  lOmal  dtirten  Annalisten  GL  Quadrigarius  von  diesem 
2 mal  genannten  Claudius  trennen;  die  Annalen  und  die  Uebersetzung 
des  Acilius  sind  zwei  ganz  verschiedene  Werke.  Dann  ist  Alles  in 
Ordnung.  Um  Miss  Verständnissen  vorzubeugen,  musste  nun  Livius 
an  beiden  Stellen  jenen  Zusatz  machen.  Peter  ist  seiner  Sache  so 
sicher,  dass  er  an  einer  andern  Stelle  (p.  CXXI)  von  dem  üeber- 
setzer  Claudius  sagt:  Von  diesem  Claudius  können  wir  soviel  mit 
Sicherheit  behaupten,  dass  er  verschieden  ist  vom  Quadrigarius!  • 

Positive  Beweise  kann  Peter  nicht  vorbringen,  weil  es  keine 
giebt  Er  muss  also  zugeben,  dass  die  Trennung  beider  Claudii  hin- 
föllig  wird,  sobald  Jemand  in  genügender  Weise  erklärt,  wie  Livius 
dazu  kommt,  erst  im  25.  Buche  das  Yerhältniss  des  Claudius  zu 
Acilius  zu  bezeichnen.  Denn  Jeder  wird  zugeben,  dass  an  und  für 
sich  die  Wahrscheinlichkeit  grösser  ist,  dass  diese  beiden  mitten 
unter  den  andern  stehenden  Citate  eines  Claudius  dieselbe  Person 
angehen  wie  die  übrigen. 

ünger  hat  nun  einen  Versuch  gemacht,  eine  Erklärung  der 
Schwierigkeit  zu  geben«  Ich  gestehe  offen,  dass  ich  seine  Argumen- 
tation nicht  verstanden  habe.  Claudius  giebt  a.  a.  0.  das  Oewicht 
des  Barkidenschildes  auf  CXXXVII  pondo  an. 

Unger  sagt  nun  (S.  6):  *Die  eigenthümlich  römische  Gewichts- 
bezeichnung pondo  findet  sich  bei  Livius,  wie  Nissen  S.  108  zeigt, 
nur  in  Stücken,  welche  nach  original  lateinischen  Quellen  gearbeitet 
sind.  Es  hat  also  Livius  auch  an  dieser  Stelle  ein  von  Hause  aus 
lateinisches  Werk  benutzt,  nicht  die  uebersetzung  des  Acilius,  und 
es  &agt  sich  nur,  welchen  Grund  er  gehabt  haben  mag,  hmzuzufügen, 

dass der  Verfasser  des  ersteren  sich  nebenbei  auch  als 

üebersetzer  des  Acilius  bekannt  gemacht  habe.' 

Diesen  Grund  findet  Unger  in  den  hohen  Zahlen  des  Claudius. 
Antias  gab  den  Verlust  der  Punier  auf  21  330  M.,  Claudius  dagegen 
auf  38  830  M.  an.  Livius  wollte  die  Garantie  für  diese  sehr  hoch 
gegriffene  Zahl  nicht  übernehmen,  deshalb  fügte  er  ^der  Nennung 
seines  Gewährsmannes  die  Bemerkung  hinzu,  derselbe  habe  den 
Acilius  übersetzt,  d.  i.  er  könne  diese  Nachricht  wohl  aus  dem 
hochangesehenen  Werke  des  Senators  C.  Acilius  —  entlehnt  haben' 
(ü.  S.  7). 

Diese  Erklärung  weicht  der  Schwierigkeit  aus.  Denn  sie  be< 
antwortet  gar  nicht  die  Frage:  ^Benutzt  nun  Livius  an  dieser  Stelle 
die  Annalen  oder  die  Bearbeitung  des  Acilius?'  Und  sie  entscheidet 
nicht,  ob  beide  Werke  identisch  oder  verschieden  sind!  Was  nämlich 
den  Ausdruck  *  pondo'  betrifft,  so  meint  Nissen  an  der  von  ünger 
citirten  Stelle,  dass  Poljbius  nach  Talenten,  die  römischen  Annalisten 


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156  Georg  Thouret: 

aber  nach  Assen  oder  Pfänden  Silbers  rechnen;  und  er  theilt  die 
Beobachtung  mit,  dass  Liyius,  da  wo  er  Polybias  ausschreibt,  un- 
bedenklich die  'Talente'  mit  herüber  nimmt. 

Nun  schrieb  Acilius  zwar  griechisch,  aber  er  war  ein  Bömer; 
es  ist  also  höchst  zweifelhaft,  ob  er  das  Oewicht  des  Schildes  nach 
'Talenten'  angegeben  und  nicht  vielmehr  den  Ausdruck  Xirpai  ge- 
braucht hat  Zweitens  aber  hatte  Livius  nicht  den  Acilius  vor  sich, 
sondern  den  Claudius;  wenn  aber  Claudius  die  griechischen  Annalen 
des  Acilius  lateinisch  —  also  flir  das  römische  Publikum  übersetzte, 
so  wird  er  wohl,  da  man  einem  Uebersetzer  mehr  Sorgfalt  zutrauen 
darf  als  einem  Ausschreiber,  die  allgemein  yerstiUidlichen  Mass-  und 
GTewichtsbestinmiungen  angewendet  haben. 

Doch  nun  zu  Peters  Argumentation.  Dieselbe  gründet  sich, 
wie  wir  gesehen,  in  erster  Linie  auf  die  Frage:  Wie  kommt  Livius 
dazu,  erst  an  so  später  Stelle  jenen  Zusatz  zu  machen?  Wer  diese 
Frage  beantwortet,  beseitigt  Peters  Zweifel!  Aber  —  er  löst  nicht 
die  Schwierigkeit,  und  daraus  sehen  wir,  dass  auch  Peters  Frage 
nicht  den  Kern  der  Sache  trifPt.  N&mlich  angenommen,  wir  wfissten, 
wie  Livius  dazu  gekommen  sei,  so  erhebt  sich  sofort  die  zweite 
Frage:  Warum  macht  er  im  35.  Buche  noch  einmal  einen  fthnlichen 
Zusatz?  Diese  Schwierigkeit  bliebe  bestehen,  selbst  wenn  die  erste 
gelöst  wSre. 

Aber  gerade  die  letzte  Frage  enthält  die  Lösung.  Sie  klingt 
vielleicht  trivial:  ein£a>ch  ist  sie  jedenfalls.  Ich  meine:  Livius  hat 
es  erst  im  25.  Buche  erfahren,  oder  wurde  wenigstens  von  Neuem 
daran  erinnert,  dass  Claudius  die  Annalen  des  Acilius  lateinisch  be- 
arbeitet hatte.  Mit  andern  Worten:  Acilius  wurde  an  beiden  Stellen 
von  Claudius  bereits  citirt,  und  Livius  hielt  es  fdr  nöthig,  den  Gre- 
wahrsmann  seines  Gewährsmannes  mitzunennen.  Diese  Thatsache 
würde  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  allgemeine  Beurtheilung  der 
Livianischen  Citate  sein.  Es  würde  sich  daraus  ergeben,  das  Livius 
mit  Ehrlichkeit  dabei  verfuhr. 

Dass  Acilius  von  Claudius  an  der  zweiten  Stelle  citirt  worden 
sei,  nimmt  auch  ünger  an  (S.  7).  Hier  liegt  der  Grund  auf  der 
Hand.  Das  Zwiegespräch  zwischen  Scipio  und  Hannibal  ist  zwar 
eine  schöne  Erzählung,  aber  offenbar  eine  Anekdote.  Es  war  natür- 
lich, dass  Claudius  sich  hier  hinter  Acilius  verschanzte. 

Es  bleibt  somit  übrig,  zu  erklären,  warum  Claudius  an  der 
ersten  Stelle  gerade  den  Acilius  citirte.  Gelingt  mir  dies,  dann  hoffe 
ich  meine  Lösung  gerechtfertigt  zu  haben.  Denn  diese  beseitigt  alle 
Schwierigkeiten.  Wenn  etwas  aber  für  dieselbe  spricht,  so  ist  es  der 
Umstand,  dass  meiner  Ueberzeugung  nach  Claudius  den  Acilius  auch 
an  der  ersten  Stelle  dtiren  musste,  wollte  er  ein  ehrlicher  Maxm 
sein.    Diese  Behauptung  habe  ich  zu  beweisen. 

Den  Beweis  liefert  uns  die  Stelle  selbst 


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1 

üeber  den  gtdlischen  Brand.  '157 

Mit  Yollem  Recht  bemerkt  Peter  rell.  p.  46,  not.  4,  dass  di^ 
vorhergehende  Sichildemng  des  Kaiapfes  unter  Führung  des  L.  Marcius  \ 
bei  Livius  nur  aus  Claudius  genonunen  sein  kann.  Die  Notizen  aus 
Antias  und  Piso  stimmen  nicht  zu  der  Haupterztthlung,  und  da  ausser- 
dem Claudius  an  erster  Stelle  genannt  ist,  so  kann  es  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  er  hier  Hauptquelle  ist.  Livius  giebt  dann  (wie 
so  oft)  in  Bezug  auf  die  Grösse  des  feindlichen  Verlustes  Varianten 
ans  Antias  und  Piso  an.  Dann  f&hrt  er  fort:  ^Bei  allen  (also  Acilius 
—  Claudius,  Antias,  Piso)  steht  Marcius  in  hohem  Ansehen.  Sie 
preisen  ihn  nach  Verdienst  und  erzählen  ausserdem  ein  Wunder: 
eine  Flamme  sei,  wlQirend  er  vor  den  Soldaten  sprach;  aus  seinem 
Haupte  emporgelodert,  ohne  dass  er  selbst  es  merkte,  während 
Schrecken  und  Staunen  die  herumstehenden  Soldaten  ergriff.  Auch 
habe  (fOgen  sie  hinzu)  bis  zum  Brande  des  Kapitels  ein  Denkmal 
seines  Sieges  über  die  Punier  bestanden,  nttmlich  der  Schild  im 
Tempel,  ^Marcium'  genannt^  mit  dem  Bilde  des  Hasdrubal'.  Da 
dies  alle  erzählen,  so  hat  Peter  folgerichtig  die  ganze  Stelle  unter 
die  Fragmente  des  Acilius  (p.  46,  n.  4),  des  Piso  (p.  133,  n.  32) 
und  des  Antias  (p.  247,  n.  23)  eingereiht.  Dabei  ist  ihm  nun  ein 
Versehen  passirt.  So  weit  wir  wissen,  brannte  das  Kapitel  zum 
ersten  Male  im  J.  671  a.  u.  ab^^');  mithin  würden  Acilius  und  Piso 
noch  nach  671  gelebt  und  geschrieben  haben,  was  unmöglich  ist 
Den  letzten  Theil  des  Satzes  hStte  Peter  nicht  bei  beiden  aufiiehmen 
dtirfen.  Livius  hat  offenbar  flüchtig  bei  Antias  und  Piso  nachg^ehen, 
f&nd  bei  beiden  das  Wunder  wiedererzählt,  bei  beiden  auch  eine  Er- 
wähnung des  Schildes,  bei  Antias  endHoh  vermuthlich  ebenfalls  die 
Notiz,  dass  dieser  Schild  bis  zum  Brande  des  Kapitels  in  Rom  yor- 
banden  gewesen  sei.^^')  Da  Claudius  hier  Hauptquelle  ist,  so  müssen 
wir  schliessen,  dass  auch  er  eine  gleichlautende  Notiz  brachte^  denn 
nur  dann  ist  es  zu  erklaren,  wie  bei  Liyius  die  Verwirrung  entstand: 
Claudius  und  Antias  erwähnten  den  Brand,  Piso  zwar  diesen  nicht, 
aber  doch  stimmte  er  mit  jenen  beiden  in  der  Hauptsache  überein, 
nämlich  dass  Marcius  einen  Schild  mit  dem  Bilde  dea  Hasdrubal  er- 
beutet Bei  seiner  eilfertigen  Schreibweise  schied  hier  Liyius  nicht 
streng  genug,  schob  die  gemeinsamen  Nachrichten  unter  eine  Rubrik: 
*Alle  erzählen'  zusammen,  was  ja  in  der  Hauptsache  richtig  ist,  be- 
merkte nun  aber  nicht,  dass  er  dabei  eine  Ungenauigkeit  mit  in  den 
^auf  nahm. 

Ich  schliesse  nun:  Claudius  schrieb  diese  Stelle  nach  671,  und 
als  er  dies  schrieb,  war  der  Barkidenschild  bereits  abhanden  ge- 
kommen. Da  er  nun  yorher  das  genaue  Gewicht  desselben  (137  Pfund) 
angiebt,  so  musste  er  als  ehrlicher  Mann  sagen,  woher  er  dies  wusste, 
&Il8  er  den  Schild  nicht  selbst  gewogen  hatte.    Dass  er  dies  nicht 


'  "»)  Vergl.  Fischer,  Rom.  Zeitt.  S.  185.  —  "«)  Dies  wird  vollkommen 
bestätigt  durch  eine  Stelle  bei  Plinius:  n.  h.  XXXV  4,  14. 

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158    '  Georg  Thonrel: 

ig^ethan,  schliesse  ich  eben  aus  der  Anführung  des  Acilius.  Dass  aber 
'  der  Schild  gerade  in  der  Zeit  des  Acilius  gewogen  wurde,  dafür  haben 
wir  eine  merkwürdige  Notiz  bei  Plinius.  Im  Anschluss  an  die  Notiz 
über  den  SchUd,  welchen  Marcius  erobert  (vergl.  oben  Anm.  173),  fiihrt 
Plinius  fort  (XXXV  4,  14):  Maiorum  quidem  nostrorum  tanta  se- 
cuntas  in  ea  re  adnotatur,  ut  L.  Manlio  B.  Fulyio  coss.  anno  urbis 
DLXXV  M.  Aufidius  tutelae  Capitolio  redemptor  docuerit  patres 
argenteos  esse  clipeos,  qui  pro  aereis  per  aliquot  ißm  lustra  ad- 
signabantur. 

Man  sieht,  in  den  glücklichen  Zeiten  nach  dem  Ende  des  Kan- 
nibalischen Krieges  zogen  die  Spinnen  ihr  stilles  Gewebe  um  die 
Eriegstrophäen  auf  dem  Eapitol,  —  also  wahrscheinlich  auch  um 
den  silbernen  Schild  des  Marcius.  Ich  stelle  mir  nun  vor,  dass  die 
Leute  auf  jene  Entdeckung  des  Aufidius  hin  nun  auch  auf  das  Kapi- 
tel gingen,  die  Schilde  herabnafamen,  sie  anstaunten  und  nach  dem 
Gewicht  prüften.  Da  fand  sich  dann  die  erstaunliche  Thatsache, 
dass  der  Schild  des  Hasdrubal  137  Pfund  wog.  Die  alte  Heldenzeit 
trat  wieder  lebhaft  vor  die  Seele  der  Nachwelt,  und  die  Gestalt  des 
Marcius  kleidete  sich  in  romantischen  Schimmer.  Acilius,  der  nicht 
lange  nach  jenem  Jahre  geschrieben  haben  muss,  wird  diesen  Schild 
auch  gesehen  und  sein  Gewicht  gekannt  haben.  Da  er  nun,  wie  wir 
aus  der  behandelten  Stelle  des  Livius  bestimmt  wissen,  die  Thaten 
des  Marcius  ausführlich  berichtete,  so  ist  es  natürlich,  dass  er  den 
gewisätanassen  neuentdeckten  Schild^^^)  eingehend  beschrieb  und  das 
Gewicht  desselben  genau  angab. 

In  den  furchtbaren  Zeiten  der  Bürgerkriege  wird  derselbe  wohl 
wieder  der  Vergessenheit  anheimgefallen  sein.  Möglich  ist  es,  dass 
Claudius  ihn  noch  gesehen  hat,  möglich  aber  auch,  dass  er,  durch 
das  Werk  des  Acilius  aufoierksam  gemacht,  ihn  sehen  wollte  aber 
nicht  mehr  yorfand,  weil  er  bei  dem  Eapitolbrande  auf  irg^id 
eine  Weise  verloren  gegangen  war.  Wie  dem  auch  sein  mag:  die 
Stelle  gewinnt  Fleisch  und  Blut  und  wird  vollkommen  verständlich, 
wenn  wir  sie  auf  die  angegebene  WeisiB  verstehen:  Claudius  nahm 
die  genaue  Angabe  aus  Acilius  mit  herüber;  da  aber  der  Schild  nicht 
mehr  existirte,  als  er  diese  Stelle  schrieb,  so  fühlte  er  sich  ver- 
pflichtet, seinen  Gewährsmann  zu  nennen.  Bei  dem  speciellen  Sach- 
verhalt wagte  Livius  nicht,  sich  nur  auf  Claudius  zu  berufen,  son- 
dern er  nannte  ebenfalls  die  Urquelle,  ohne  sie  selbst  eingesehen 
zu  haben.  Auch  bei  dem  Zwiegespräch  in  Ephesus  berief  sich  Clau- 
dius auf  Acilius  und  auch  hier  hielt  es  Livius  für  nöthig,  den  ur- 


^^^)  Ich  meine  selbstveratändlich  nicht,  dass  Acilius  selbst  den  Schild 
wieder  ans  Tageslicht  gezogen  hat.  Aber  ihn  als  Historiker  musste  die 
Entdeckung  des  Aufidius  interessiren.  Nebenbei  bemerkt,  sieht  man  nun, 
wie  es  kam,  tlass  ungefähr  za  derselben  Zeit  die  Tafeln  des  ersten  röm. 
karth.  Vertrages  von  Neuem  gefunden  wurden.  Man  war  eben  auf  die 
Fundgrube  des  Eapitols  aufmerksam  geworden. 


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XJeber  den  gallischen  Brand.  159 

sprünglichen  Autor  mitanzuführen.  Dass  er  dies  that,  gereicht  ihm 
zur  Ehre  und  ist  geeignet,  uns  zu  veranlassen,  hinter  seinen  Ci- 
taten  mehr  Gewissenhaftigkeit  zu  suchen,  als  man  im  Allgemeinen 
annimmi^^^)  Die  kleine  Ungenauigkeit ,  welche  er  sich  hier  in  ]^e- 
treff  Pisos  hat  zu  Schulden  kommen  lassen,  kann  keine  gegentheilige 
Instanz  bilden.  Wahrscheinlich  beruht  sie  auf  einem  Gedächtnisse 
fehler,  der  bei  Vergleichung  von  drei  Autoren  erklärlich  ist. 

Trifft  meine  Erklärung  das  Richtige,  so  fällt  jeder  Grund  weg, 
zwischen  dem  Bearbeiter  des  Acilius  und  dem  Azuisklisten  Claudius 
zu  unterscheiden,  geschweige  denn  den  Claudius  zum  Verfasser 
zweier  Annalenwerke  zu  machen.  Wir  kommen  vielmehr  zu  dem 
Resultate  und  zu  der  Ansicht  Mommsens  zurück,  dass  Livius  sein 
ganzes  Werk  hindurch  die  lateinische  Bearbeitung  des  Acilius  be- 
nutzt, und  dass  diese  und  die  Annalen  des  Claudius  Quadrigarius 
identisch  sind. 

Um  es  begreiflich  zu  machen,  weshalb  Claudius  sich  gerade  den 
Acilius  wählte^  um  nach  ihm  seine  Annalen  zu  schreiben,  stelle  ich 
auf  der  nächsten  Seite  eine  Tabelle  der  lateinisch  schreibenden 
Annalisten  zusammen.  Sie  soll  zeigen,  dass  Claudius  bei  ihnen  offen- 
bar nicht  fand,  was  er  suchte,  und  dass  er  deshalb  seine  Zuflucht 
zu  einem  der  griechisch  Schreibenden  nahm.  Ich  wähle  die  Jahre 
der  Stadt,  welche  eine  sichere  oder  doch  höchst  wahrscheinliche  Ver- 
gleichung zulassen.  Ich  verlasse  mich  dabei  auf  den  kritischen 
Apparat  bei  Peter.  Um  die  Tabelle  auch  für  andere  Vergleichungen 
brauchbar  zu  machen ,  fahre  ich  die  Annalisten  von  Cato  bis  Liviüs 
auf.  Es  fehlen  ausser  einigen  ganz  Unbedeutenden  nur  Faunius  und 
Tuditanus,  deren  Ueberreste  zu  sporadisch  sind,  als  dass  man  sich  von 
dem  Umfang  ihrer  Werke  irgend  eine  Vorstellimg  machen  könnte. 
Die  Belege  sind  bei  Peter  zu  suchen.  Sie  einzeln  anzugeben,  ist 
unmöglich. 

Für  erae  dei'artige  Vergleichung  wäre  es  nun  freilich  von  grösster 
Wichtigkeit  zu  wissen,  ob  die  Eintheilung  in  Bücher  von  den  be- 
treffenden Schriftstellern  selbst  herrührt,  oder  erst  später  gemacht 
geworden  ist,  und  ferner,  ob  wir  unter  ^Buch'  überall  ein  ungefähr 
gleiches  Durchschnittsvolumen  zu  verstehen  haben.  Beide  Fragen 
weiss  ich  nicht  zu  beantworten.  Was  die  letztere  betrifft,  so  scheint 
es  mir  in  der  Natur  der  Sache  zu  liegen,  dass  die  Bücher  bei  den 
älteren  Schriftstellern  jedenfalls  nicht  umfangreicher  gewesen  sein 
werden  als  bei  den  späteren.  Wenn  wir  endlich  sehen,  dass  die  Vor- 
geschichte Roms  und  die  Geschichte  der  Könige,  nach  den  Ueber- 
resten  zu  urtheilen,  von  Allen  ungefähr  mit  gleicher  Ausführlich- 
keit erzählt  worden  ist,  und  dass  diese  beiden  Perioden  bei  den 
meisten,  ebenso  wie  bei  Livius,  das  erste  Buch  zu  füllen  pflegen,  so 


''*)  Dies   würde  besonders  für  die  Citate  des  F  ab  ins   und  über- 
haupt der  älteren  scriptoreB  von  Wichtigkeit  sein. 


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16Q 


Georg  Thouret: 


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üeber  den  gallischen  Brand.  161 

können  i?ir,  denke  ich,  den  umfang  der  Liyianischen  Bücher  als  im* 
gefihren  MasBstab  betrachten. 

Sehen  wir  nns  die  Tabelle  an,  so  zeigt  sich,  dass  Cato,  Hemina 
nnd  Piso  die  yorrepublikanische  Zeit  anverhältnissniSssig  ausfUhr- 
licber  behandelt  haben  müssen  als  die  Geschichte  nach  Vertreibung 
der  Könige.  Die  Jahre  496 — 605/8  z.  B.  behandelte  Cato  in  höchstens 
4  Büchern,  Hemina  in  höchstens  4  Büchern,  Piso  in  höchstens  5  Büchern, 
Clandins  in  mindestens  6  Büchern.  Hier  zwar  befinden  wir  uns  in 
dem  hellen  Lichte  der  Geschichte.  Viel  wichtiger  schon  ist  folgende 
Vergleichung:  Auf  die  Jahre  245  —  460  a.  u.  verwandte  Hemina 
noch  nicht  1  Buch,  Piso  höchstens  1  Buch,  Claudius  mindestens  2 
Bücher.  Der  doppelte  UmfiEuig  in  diesem  Theile  der  Geschichte  will 
schon  mehr  sagen.  Uebrigens  illustriren  diese  Zahlen  aufs  Beste 
das  absprechende  ürtheil  Ciceros  über  die  römische  Annalistik.^^^) 
Gegenüber  dieser  fast  dürftigen  Kürze  der  älteren  Annalenwerke  er- 
scheint es  rftthselhaft,  dass  gleichsam  mit  einem  Male  Cn«  Gellius  in 
das  andere  Extrem  yerfllllt.  Er  ist  beim  Jahre  245  a.  u.  schon  über 
das  dritte  Buch  hinaus,  das  Jahr  365  behandelt  er  im  15.  (Liy. 
im  6.);  das  Jahr  538  im  33.  Buche  (Liy.  im  23.).  W&hrend  Piso, 
mit  Livius  verglichen,  einen  siebenmal  geringeren  umfang  aufweist 
(vergl.  d.  J.  605  in  der  Tabelle),  kommen  auf  2  Bücher  des  Livius 
immer  drei  des  Gellins.  Wann  dieser  geschrieben,  ist  nicht  sicher. 
Darf  man  eine  Vermuthung  wagen,  so  möchte  ich  glauben,  dass  die 
VeröfiPentlichnng  von  80  Büchern  der  annales  maz.,  deren  Datum 
wir  allerdings  auch  nicht  anzugeben  vermögen;  nicht  ausser  Zu- 
sammenhang steht  mit  dem  kolossalen  Um&nge  der  Gellischen  An- 
nalen.  Man  kann  sich  denken,  dass  die  Eröfhung  einer  solchen 
Wucht  historischen  Materials  Jemand  dazu  reizen  konnte,  etwas  noch 
nie  Dagewesenes  zu  leisten  und  eine  Art  Monstre-Geschichte  zu 
schreiben.  So  sehen  wir,  dass. die  römische  AnnaJistik  von  einem 
Extrem  ins  andere  verfallt.  Vielleicht  ist  hierin  das  Motiv  zu  suchen, 
das  Claudius  veranlasste  auf  Aoilius  zurückzugreifen.  Freilich  wissen 
wir  von  den  griechisch  schreibenden  Annalisten  nach  Fabius  Pictor 
sehr  wenig.  Aber  es  ist  bezeichnend,  dass,  wfthrend  dieselben  bei 
den  Zeitgenossen  in  keinem  guten  Rufe  stehen,  Cicero  von  ihnen  mit 
Achtung  spricht,  Cicero,  welcher  umgekehrt  von  der  lateinischen 
Annalistik  nicht  sehr  erbaut  war.  Offenbar  zeichneten  sich  die 
Werke  des  Sdpio  Africanus,  des  Acüius  und  Postumius  Albinus  durch 
eine  elegante  Darstellung  aus.  Die  Geschichte  des  Erstgenannten 
nennt  Cicero  eine  historia  scripta  dulcissime  (Brut^  19,  77).  Albinus 
zog  sich  bekanntlich  durch  seine  Nachäffung  der  Griechen  und  seine 
thörichte  Entschuldigung  dieser  Nachahmung  den  beissenden  Spott 
CatoB  und  selbst  des  Polybius  zu  (PoL  40,  6;  Gell.  N.  A.  XI  8,  2; 


"^  YergL  die  bekannten  Stellen  de  or.  II  18,  61.   68  u.  de  leg. 
I  2,  e. 

Jmbxb,  t.  oUm.  PhUoL  Suppl.  Bd.  XI.  11       /^ ^^^T^ 

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162  Georg  Thoaret: 

Flui  Cato  12).  Polybius  sagt  von  ihm  (a.  a.  0):  TTpaTMaTiicf|V 
\cTop(av  dv€X€(pilcev,  also  nabm  er  sich  vielleicht  den  Thukydides 
zum  Vorbild.  Dem  herben  Urtheil  der  Genannten  steht  dasjenige 
Ciceros  gegenüber.  Er  nennt  (Acad.  IE  45,  137)  den  Albinus  einen 
doctnm  sane  hominem,  nnd  fügt  als  Begründung  hinzu:  ut  indicat 
ipsius  historia,  scripta  Graece.  Und  auch  die  Worte  im  Brutus 
(21,  81):  A.  Albinus,  is  qui  Graece  scripsit  historiam,  —  et  littera- 
tus  et  disertus  fuit,  sind  durchaus  anerkennend  gehalten.  Was  end- 
lich den  Acilius  betrifft,  so  stand  er  auch  in  sachlicher  Beziehung 
bei  Cicero  in  Ansehen.  De  offic.  III  32,  113  ff.  bespricht  dieser  die 
bekannte  Erzählung,  auf  welche  Weise  einige  der  zehn  vornehmen 
Römer,  welche  Hannibal  nach  der  Schlacht  bei  Cannae  an  den  Senat 
sandte,  um  über  die  Auslieferung  der  Gefangenen  zu  unterhandeln, 
versuchten,  die  eidliche  Verpflichtung,  in  die  Gefangenschaft  zurück- 
zukehren, zu  umgehen.  Cicero  sagt  nun:  de  quibus  non  omnes  uno 
modo.  Kam  Polybius,  bonus  auctor  inprimis  scribit,  ex  decem... 
novem  revertisse,  —  unum  remansisse;  und  §  115:  Acilius  autem, 
qui  Graece  scripsit  historiam,  plures  sdt  foisse,  qui  in  castra  rever- 
tissent  eadem  fraude,  ut  iureiurando  liberarentur  etc.  Diese  Gleich- 
stellung des  Acilius  mit  Polybius,  oder  wenigstens  seine  ErwIÜmung 
neben  diesem,  spricht  deutlicher  als  jedes  positive  Lob.  Wenn 
endlich  die  Aenderung  von  Hertz  in  der  perioch.  53  des  Livius: 
statt  C.  Julius  Senator  Graece  res  Bomanas  scribit  —  Acilius  etc. 
zu  schreiben,  kaum  mehr  eine  Aenderung,  sondern  vielmehr  eine 
Restitution  des  Textes  genannt  werden  muss,  so  macht  ünger  (S.  7 
u.  A«  3)  treffend  geltend,  dass  diese  ^in  ihrer  Art  einzig  dastehende 
Meldung'  ein  Beweis  für  das  hohe  Ansehen  ist,  in  welchem  das  Werk 
des  Acilius  stand.  Mithin  flQlt  jeder  Grund  weg,  daran  zu  zweifeln, 
dass  Claudius  Quadrigarius  gerade  eine  Bearbeitung  der  Annalen 
des  Acilius  in  Angriff  nahm,  diesem  vortrefflichen  Geschichts werke 
folgte,  soweit  es  reichte  und  es  dann  fortsetzte  bis  auf  seine  eigene  Zeit 
Aus  allen  diesen  Betrachtungen  ergiebt  sich  mir  ein  Bild  von 
dem  Gange  der  römischen  AnnaUstik,  das  ich  in  grossen  Zügen 
zeichnen  will,  um  den  Punkt  zu  gewinnen,  an  den  die  specielle  Frage 
unserer  Untersuchung  anzuknüpfen  ist.^^^  Fabius  Pictor  (von  Cin- 
cius  wissen  wir  fiEist  nichts)  schrieb  die  älteste  Geschichte  und  die 
seiner  Zeit  ausführlich,  das  Dazwischenliegende  in  kurz  annalistischer 
Weise.  Diese  Lücke  suchten  die  griechisch  schreibenden  Annalisten 
nach  ihm  auszufüllen.  (Es  ist  möglich,  dass  Ennius  schon  in  diesem 
Sinne  verfuhr.)  Das  Material,  welches  sie  zu  verarbeiten  hatten,  kann 
nicht  viel  reichhaltigei  gewesen  sein  als  dasjenige,  welches  Fabius 
zu  Gebote  stand.    Sie  werden  daher  das  Schwergewicht  auf  die  Dar- 


177^  Ich  biuuche  nicht  hervorzuheben,  dass  das  Folgende  weiter  nichts 
sein  soll,  als  eine  persönliche  Anschauung.  Ich  hoffe  aber,  dass  dieselbe 
begründet  erscheinen  wird. 


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Ueber  ^en  gallischen  Brand.  163 

stelliuig  gelegt  haben.  Die  intensive  Beschftftigang  mit  griechischer 
Litteratnr  gab  ihnen  die  Mittel  dazu.  Aber  unwillkürlich  mussten 
sieb  dabei  die  griechischen  Vorbilder  geltend  machen  und  die  Fassung 
der  römischen  Oeschichte  beeinflussen.  Ja  auch  absichtliche  Nach- 
zeichnung ist  hier  keineswegs  ausgeschlossen. 

Oegen  diese  griechische  Schönschreiberei  machte  Cato  zuerst 
in  seinem  Sinne  Opposition.  Deshalb  schrieb  er  vor  Allem  lateinisch. 
Meiner  Ansicht  nach  überging  er  in  seinen  origines  die  Periode  von 
Vertreibung  der  Könige  bis  zum  1.  Fun.  Kriege  überhaupt  yoll- 
st&ndig.  Dieser  Beaction  (so  kann  man  die  litterarische  Bewegung 
bezeichnen)  folgte  die  lateinische  Annalistik  der  nächsten  Zeiten. 
Wahrscheinlich  im  Anschluss  an  Fabius  behandelte  man  die  älteste 
Geschichte  nach  wie  vor  mit  grosser  Ausführlichkeit,  dagegen  die 
lange  Epoche  von  Gründung  der  Bepublik  bis  zum  Kriege  mit  Pyrrhus 
knapp  und  gedrängt  annalistisch.  Coelius  Antipater  machte  zum 
ersten  Mal  gegen  diese  trockne  Form  der  Darstellung  Front  und 
yersuclite  wie  die  Griechen  Form  und  Inhalt  in  ein  harmonisches 
und  schönes  Verhältniss  zu  setzen.  Aber  er  wählte  sich  dazu  die 
historisch  sichere  Epoche  des  2.  Fun.  Krieges.  Darauf  wurde  durch 
die  Bedaction  der  annales  maximi  in  Buchform  plötzlich  ein  überaus 
reiches  lateinisches  ürkundenmaterial  der  bequemsten  Benutzung  zu- 
gänglich gemacht,  und  dadurch  der  lateinischen  Annalistik  die  leichte 
Möglichkeit  gewährt,  ihrerseits  die  ältere  Geschichte  der  Bepublik 
ausführlich  zu  behandeln. 

Claudius  Quadrigarius,  der  älteste  Annalist  der  Sullanischen 
Zeit,  stand  diesen  Verhältnissen  gegenüber.  Er  griff  die  griechischen 
Annalen  des  Acilius  heraus,  übersetzte  oder  bearbeitete  sie  lateinisch, 
und  leitete  so  die  mit  griechischen  Beminiscenzen  durchsetzte  Dar- 
stellung der  älteren  römischen  Geschichte  in  die  jüngste  Litteratur 
hinüber.  Der  auffallend  gleiche  Umfang  der  Annalen  des  Claudius 
xmd  des  Lidnius  Macer  (siehe  die  Tabelle),  die  gleichartige  Behand- 
lung des  älteren  Periode  bei  beiden  kann  kaum  ein  Zufall  sein.  Wie 
Antias  zu  ihm  steht,  ist  nicht  ersichtlich.  Dass  der  Schwerpunkt 
seiner  Annalen  im  letzten  Theil  derselben  lag,  sehen  wir  aus  der 
Tabelle.  Das  Jahr  618  a.  u.  kommt  bei  ihm  im  22.  Buch  vor,  während 
er  75  geschrieben.  Mag  nun  Livius  den  Claudius,  Antias  oder  Macer 
im  5.  Buch  benutzen,  so  viel  ist  sicher,  dass  Claudius  die  gallische  Elata- 
Strophe  in  derselben  Weise  erzählte,  wie  wir  sie  bei  Livius  lesen. 

Das  Besultat  der  ersten  Untersuchung  war,  dass  Fabius  die 
Vulgata  vom  gallischen  Brande  noch  nicht  dargestellt  hat;  das  Besul- 
tat dieser  ist,  dass  Claudius  den  Acilius  bearbeitet  hat.  Daraus  folgt, 
dass  die  Fassung  der  römischen  Tradition  entweder  von  Acilius  selbst 
oder  doch  aus  dem  Kreise  der  griechisch  schreibenden  Annalisten 
nach  Fabius  stammi^^^    Ans  der  zuletzt  angestellten  Betrachtung 


^^*}  Vielleicht  hat  schon  die  Dichterphaatasie  des  Ennius  die  gallische 


164  G«OTg  Thonrett 

endlich  ergiebt  sich,  dass  die  lateinisch  schreibenden  Annalisten  nach 
Cato  diese  Fonn  der  Tradition  nicht  dargestellt  zn  haben  brauchen. 
Sie  können  anch  hier  das  kritische  Messer  angelegt  und  mancheB 
weggeschnitten  haben. 

2. 
Diodor. 

Eine  der  schwierigsten  Fragen  auf  dem  Gebiete  der  Quellen- 
Untersuchungen  ist  die  nach  der  Autorschaft  der  römischen  Nach- 
richten, welche  Diodor  bringt  Ich  masse  mir  nicht  an,  dieselbe 
lösen  zu  wollen.  Vielmehr  beschrfinke  ich  mich  bei  der  folgenden 
Untersuchung  ausschliesslich  auf  Diodors  Bericht  über  die  gallische 
Katastrophe.  Ich  glaube  nämlich  nicht  zu  irren,  wenn  ich  die  alten 
Fasten  Diodors  als  hauptsächliche  Grundlage  der  Ansicht  bezeichne, 
dass  er  eine  sehr  alte  Quelle  benutzt  haben  müsse.  Man  erlaube 
mir,  diese  imstreitig  Üteren  Eponymenlisten  einmal  bei  Seite  zu 
lassen  und  nach  der  bisher  verfolgten  Methode  zu  fragen:  Wie  ver- 
hält sich  Diodors  Bericht  zu  der  Vulgata?  Fasten  allein  entschei- 
den nicht.  Hier  sind  wir  aber  in  der  günstigen  Lage,  nicht  nur 
Ütere  Fasten,  sondern  auch  einen  anscheinend  älteren  Bericht  vor 
uns  zu  haben. 

Von  vornherein  kann  man  sich  einer  Beobachtung  nicht  ver- 
schliessen:  *Der  Bericht  Diodors  von  der  Einnahme  Roms  durch  die 
(}allier  ist  im  Vergleich  mit  seinen  übrigen  Nachrichten  über  die 
römische  Geschichte  dieses  Zeitraums  ungewöhnlich  ausführlich'.^^) 

Die  Hauptdifferenzpunkte  zwischen  Diodor  und  der  Vulgata  sind 
bereits  erwähnt.  Er  weiss  nur  von  zwei  Gesandten,  kennt  nicht 
das  Hülfegesuch  der  Clusiner,  nicht  die  Namen  der  Gesandten,  nicht 
ihre  Erwfthlung  zu  Kriegstribunen.  Femer  fehlt  bei  ihm  die  Scene 
zwischen  Brennus  und  Gamillus  auf  dem  römischen  Forum. 

Man  mnss  zugeben,  dass  diese  Punkte  gravirend  sind.  Aber 
was  kennt  er  ebenfalls  nicht?  Die  Märchen,  in  denen  Fabius  Der- 
suo  und  Fabius  Ambustus  (Aufopferung  der  Greise)  die  Hauptrolle 
spielen,  —  also  gerade  von  den  Fabiem  weiss  er  nichts.^*) 

Katastrophe  in  ähnlicher  Weise  ausgeschmückt  wie  die  Belagerung  Sa- 
gunts  im  J.  218  v.  Chr.  Dass  die  bekannte  Schilderung  von  dem  Imter- 
gange  dieser  schwergeprfiften  Stadt  höchst  wahrscheinlich  freie  Phantasie 
des  Ennius  ist,  ist  eins  der  vielen  schönen  Resultate  der  Dissertation 
von  Wilhelm  Siefflin:  die  Chronologie  der  Belagerung  von  Sagont, 
Leipzig  1878.  Vgl.  §  4  S.  28  £f.  Leider  versagt  in  der  vorliegenden 
Frage  das  Material  vollständig.  —  ^^*)  Dies  sind  Worte  von  Lewis  (H  8. 
279/80).  ~  "<0  Mommsen  theilt  mit  (a.  a.  0.  8.  627  A.  1),  dass  die 
besseren  Handschriften  des  Livius  den  Pontifex  nicht  Fabius  sondern  M. 
Fol  ins  nennen.  Es  ist  doch  aber  auffallend,  dass  er  auch  bei  Plutarch, 
der  gerade  hier  unabhaogig  von  Livius  zu  sein  scheint  (vgl.  oben  8.  146 
n.  A.  160),  Fabius  hetsst  (Cam.  21). 

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Ueber  den  gallischen  Brand.  165 

Auch  in  dem  Positiven,  was  er  bringt,  Iflsst  sich  ein  Temünfteln- 
der  Zug  erkennen:  Nach  der  Yulgata  finden  die  Gallier  die  Thore 
Borns  sperrangelweit  offen  ^^^),  nach  Diodor  müssen  sie  dieselben  erst 
einschlagen  (XIV  115,  6).  Offenbar  hat  er  Becht.  Nach  der  Vnl- 
gata  hflllt  sich  Pontius  Cominius  in  eine  Art  Eorkkleid  and  Iftsst 
sich  nftchtlicher  Weile  durch  die  StrOmung  zur  Stadt  tragen.  Er 
vermeidet  dadurch  jedes  Gerftusch;  denn  auch  das  geringste  kann 
ihn  verrathen.^^')  Dieser  romantische  Zug  fehlt  bei  Diodor.  Er  Ifisst 
den  Pontius  einfach  in  der  Nacht  durch  den  Tiber  schwimmen  und 
sich  dann  an  den  Burgfelsen  hinanschleichen  (ib.  116,  4).  Ob  die 
poetische  Fassung  jünger  ist  als  die  mehr  prosaische  ist  sehr  die 
Frage. 

Der  Versuch  der  Gallier,  das  Kapitol  zu  ersteigen,  die  Bettung 
desselben  durch  die  Wachsamkeit  der  Gfinse  und  die  Tapferkeit  des 
M.  Manlius  giebt  die  Yulgata  nur  in  bedeutend  knapperer  Fassung 
wieder  (116,  5  ff.). 

Wir  haben  bereits  gesehen  (vgl.  oben  B.  108),  dass  Diodor  voU- 
st&ndig  mit  den  spftteren  Quellen  in  der  Yeraalassung  und  den 
Gründen  übereinstimmt,  welche  die  GaUier  bewogen,  auf  den  an- 
gebotenen Yertrag  einzugehen.  Ebenso  fanden  wir  seinen  Bericht 
von  dem  Wiederaufbau  der  Stadt  mit  einigen  Erweiterungen  genau 
bei  Livius  meder  (vgL  S.  124  ff.). 

um  der  Frage,  welcher  Epoche  die  Quelle  Diodors  angehört, 
nAher  zu  kommen,  betrachte  ich  nun  die  Erzfihlung  von  der  Aus- 
lieferung des  Gesandten,  welche  für  die  politische  Stellung  des  Au- 
tors schlagend  ist  Nach  Diodor  besohliesst  der  Senat  factisch  die 
Dedition.  Der  Yater  des  Auszuliefernden  aber  weiss  die  Comitien 
zu  bewegen,  diesen  Beschluss  umzustossen  (XIY  113,  8).  Hieran 
knüpft  sich  die  Bemerkung:  ö  ^iw  oCv  bf))yioc  TOic  f^npocOev  xpö- 
voic  ndvra  ireiOöfievotc  tQ  Y€pouci<)(,  töt€  ttpuütov  fip£aTO  biaXu- 
€iv  TÖ  KpiOiv  VTTÖ  Tf)c  cuTKXyjTOU.  Es  braucht  kaum  erwähnt  zu 
werden,  dass  Diodor  diese  Notiz  in  seiner  Quelle  gefunden  haben 
muss.  Abgesehen  von  allem  Andern  würde  dieselbe  sinnlos  sein 
für  die  Zeit,  in  der  er  selbst  schrieb. 

Bei  Livius  (Y  36,  10)  und  Plutarch  (Cam.  18)  nun  lehnt  der 
Senat  von  vornherein  jede  Entscheidung  ab  und  wälzt  alle  Yerant- 
wortung  auf  die  Schultern  der  stimmenden  Bürgerschaft  Dass  staats- 
rechtlich Diodors  Bericht  besser  ist  als  der  vulgftre,  ist  klar^^),  denn 
über  die  Dedition  hat  stets  der  Senat  Beschluss  gefasst.  Andrerseits 
zeigt  sich  nur  bei  Diodor  das  unverblümte  Bestreben,  den  Senat  voll- 
stfindig  rein  zu  waschen.  Sollte  aber  die  Darstellung  gerade  des- 
wegen so  alt  sein?  Die  angeführten  Worte  sprechen  nicht  nur  eine 
schroff  antidemokratische  Tendenz,  sondern  auch  die  üeberzeugung 


«»*)  Liv.  V  41,  4;  Plut.  Cam.  22.  —  "«)  Liv.  V  46,  8;  Plut.  Cam.  26. 
^•')  Ygl.  Mommsen,  Hermes  XIII  S.  620. 


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166  Georg  Thouret: 

aus,  dasB  der  Senat  der  factische,  ja  der  von  Alters  her  berufene 
Wächter  des  Staats wohls  sei,  —  diese  Anschauung  aber  von  der 
Omnipotenz  des  Senats  den  Bürgerversammlungen  gegenüber,  sie  ist 
jünger  als  Fabius,  sie  stammt  erst  aus  der  Zeit,  wo  Karthago  und 
Eorinth  zerstört  wurden.  ^^)  Man  legt  diesen  Satz  gewöhnlich  Fabius 
in  den  Mund  und  iSsst  ihn  dabei  die  Vorgänge  kurz  vor  Ausbruch 
des  HannibaL  Krieges  im  Auge  haben.  Die  Worte  Diodors  lassen 
aber  deutlich  durchblicken,  dass  zu  den  Zeiten  des  Autors  diese 
Masslosigkeiten  der  Comitien  gang  und  gebe  waren.  Nun  schrieb 
Fabius  wahrscheinlich  erst  nach  dem  Schluss  des  2.  Fun.  Krieges, 
jedenfalls  nicht  lange  vor  demselben:  damals  aber  konnte  Niemand 
mit  den  Comitien  derartig  unzufrieden  sein.  Dagegen  wird  man  zu- 
geben, dass  ein  Satz  wie  der  vorliegende  den  Ansichten  der  Partei, 
welche  die  Gracchen  zu  Boden  schleuderte,  genau  entspricht.  Momm- 
sen  meint  ^^),  vielleicht  habe  Fabius  bei  diesen  Worten  an  die  Aus- 
lieferung des  M.  Claudius  Cineas  an  die  Corsen  im  J.  518  a.  u.  ge- 
dacht, die  er  erlebt  haben  müsse.  Indessen  diese  erfolgte  wirklich  ^^^), 
und  Mommsen  giebt  zu,  dass  wir  nicht  wissen,  ob  dieselbe  angegriffen 
wurde.  Will  man  aber  überhaupt  ein  Beispiel  gelten  lassen,  so  passt 
ganz  genau  das  des  A.  Pompeius,  dessen  Auslieferung  im  J«  613  a.  u. 
vom  Senat  beschlossen,  von  den  Comitien  aber  verhindert  wurde  ^^''\ 
ein  Vorgang,  dessen  Unwürdigkeit  noch  von  den  sp&teren  Römern 
tief  empfunden  wurde.^ 

Endlich,  ist  Diodor  <»  Fabius,  so  haben  wir  ein  Unicum  in  der 
römischen  Historiographie  zu  verzeichnen:  dann  hat  sich  nSmUch  die 
Beschreibung  der  Schlacht  an  der  Allia,  wie  sie  Pictor  gegeben,  fast 
vollkommen  intact  durch  die  ganze  Litteratur  hindurch  bis  auf  Li- 
vius  behauptet.  Die  Berichte  über  die  AUiaschlacht  bei  Diodor  und 
Livius  sind  in  der  Hauptsache  identisch,  wenn  letzterer  sich  auch 
keine  grosse  Mühe  giebt,  die  von  vornherein  nothwendige  Niederlage* 
genau  und  klar  zu  schildern.  Bei  dieser  Behauptung  setze  ich  mich 
allerdings  in  Widerspruch  mit  Lewis  und  Mommsen.  Ersterer  be- 
tont mehrmals  (vgl.  Liebr.  IL  S.  275  u.  A.  144),  dass  Diodor  die 
Schlacht  auf  das  rechte  Ufer  des  Tiber  verlegt,  wahrend  sie  bei  den 
übrigen  Schriftstellern  auf  dem  linken  geschlagen  wird.  Mommsen 
aber  hat  in  ausführlicher  Darlegung  (a.  a.  0.  S.  522—525)  eben- 
falls die  Ansicht  vertreten,  dass  sich  bei  Diodor  deutlich  ein  älterer 
Bestandtheil  erkennen  lasse,  welcher  die  Schlacht  auf  das  rechte 
Ufer  verlegt.   Jedoch  fügt  er  selbst  hinzu  (S.  524),  dass  ^Diodor  in 


^**)  Vgl.  Nitzsch,  Böm.  Ann.  S.  381  ff.  Die  factische  Omnipotenz 
des  Senats  ist  natürlich  gltei,  und  zur  Zeit  des  Fabius  vorhanden  (vgl. 
Lange,  B.  A.  II'  S.  397  ff.).  Ich  meine,  die  staatsrechtliche  An- 
schauung ist  jünger.  —  "*)  A.  a.  0.  S.  328  Anm.  1.  —  "•)  Vgl.  Momm- 
sen, Btaatsr.«  I  S.  244  A.  3.  —  *")  Vgl.  d.  Stellen  bei  Lange  R.  A.  D* 
S.  329  A.  1  u.  Mommien,  Staatsr.  I*  S.  244  Ad.  —  >^)  Cic.  de  off.  UI 
30,  109. 


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Ueber  den  g^sch^n  Brand.  167 

der  That  so  erzfthltf  dass  die  erste  HUfte  seines  Berichtes  auf  das 
rechte,  die  zweite  auf  das  linke  Tiberufer  fahrt,  und  derselbe  also 
sich  selber  aufhebt'.  Zugegeben  einmal,  dem  wäre  so,  dann  müssten 
wir  anerkennen,  dass  Diodor,  —  falls  er  sich  nicht  (um  Mommsens 
Worte  zu  gebrauchen,  vgl.  S.  525),  ^hier  einmal  —  sehr  ausnahms- 
weise —  der  SelbstSndigkeit  schuldig  gemacht  hat',  bereits  eine 
contaminirte  Quelle  benutzte  und  nicht  Fabius:  denn  wer  hat  vor 
Fabios  die  Schlacht  an  der  Allia  beschrieben?  Mommsen  stützt  sich 
hauptsächlich  auf  die  Nachrichten,  welche  Diodor  über  den  Marsch 
des  römischen  Heeres  bringt  Die  betr.  Worte  lauten  (XIY  114,  2): 
dEcXOovrec  bk  Travbri|i€i  kui  biaßdvrec  töv  Tißepiv  Ttapd  töv  Trora- 
liöv  firaTOV  Tf|V  büvamv  CTabiouc  ÖT^orjKOVTa,  xai  täv  TaXaTiüv 
diraTTtXXofA^vuJV  irpocUvai  bi^raTTOV  tö  ctpaTÖTrebov.  ^Diese  Er- 
zählung, sagt  Mommsen  S.  523,  versetzt  also  das  Heer  zimächst  auf 
das  rechte  Tiberufer;  denn  jede  üeberschreitung  des  Flusses  vom 
römischen  Standpunkt  aus  kann  nur  dies  bedeuten.'  Ich  gebe  dies 
zunächst  zu.  Nunmehr  aber  werden  wir  sofort  vor  eine  Alternative 
gestellt.  Es  fragt  sich  nämlich:  wollen  wir  die  angeführten  Worte 
Diodors  derartig  geltend  machen,  dass  wir  jede  Schlachtbeschreibung, 
welche  die  Schlacht  auf  das  linke  Ufer  verlegt,  mag  sie  sonst  noch 
so  vortrefflich,  noch  so  detaillirt  sein  wie  sie  wolle,  a  priori  als 
falsch  bezeichnen,  —  oder  wollen  wir  der  eigentlichen  Schlacht- 
beschreibung den  Vorrang  einräumen  und  nach  ihr  jene  Worte  inter- 
preüren?  Ich  will  den  letzteren  Weg  keineswegs  als  den  allein  zu- 
lässigen hinstellen:  aber  ich  wage  zu  behaupten,  dass  der  erstere 
unzulässig  ist.  Diodor  ist  ein  Grieche,  sein  Bericht  kein  Original* 
bericht.  Gesetzt  den  Fall,  wir  hätten  ein  positives,  unanfechtbares 
Zeugniss  (was  wir  nicht  haben)  dafür,  dass  die  Schlacht  auf  dem 
linken  Ufer  geschlagen  wurde,  so  würden  wir  keinen  Augenblick 
anstehen  zu  erklären,  dass  Diodor  die  Marschroute  nicht  vollständig 
angegeben  habe,  dass  er  vielmehr  nur  den  letzten  Uebergang  des 
römischen  Heeres  vom  rechten  auf  das  linke  Ufer  kurz  vor  der 
Schlacht  (denn  auch  diesen  Uebergang  konnte  der  Grieche  vollkommen 
richtig  mit  dem  Worte  biaßaiveiv  bezeichnen)  im  Auge  habe.  Hier- 
aus ergiebt  sich  die  meiner  Ansicht  nach  unabweisliche  Forderung, 
dass  wir  uns  vor  allen  Dingen  den  Verlauf  der  Schlacht  klar  machen, 
wie  ihn  die  Schriftsteller  schildern.  Können  wir  aber  gar  beweisen, 
dass  diese  Schilderung  vom  militärischen  wie  historischen  Gesichts- 
punkte aus  betrachtet,  die  einzig  mögliche  ist,  dann  werden  wir  das 
eine  Wörtchen  biaßdvrec  nicht  mehr  urgiren  dürfen. 

1.  Aufstellung  des  römischen  Heeres. 

Die  Eemtruppen  lehnen  sich  an  den  Tiber,  der  Best  und  zwar 
der  unzuverlässigere  Theil  des  Heeres  wird  auf  einer  Hügelreihe  in 
gleicher  Höhe  mit  dem  andern  Flügel,  vom  Flusse  weiter  entfernt 
aufgesteUt:  Diod.  XIV  114,  3;  Liv.  V  38,  2. 


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168  Georg  Thonret: 

2.  Schlaohtordnung  der  Gallier. 

Brennus^^)  dehnt  seine  Linie  sehr  lang  aus  (Diod.  114,  3). 
Dasselbe  geht  aus  Livius  hervor,  da  er  sagt  (38,  l):  tribuni  mili- 
tum  ....  instruunt  aciem  deductam  in  comua,  ne  circumveniri 
multitudine  hostium  possent  nee  tarnen  aequari  frontes  pote- 
rant.  Beide  Schriftsteller  stimmen  völlig  darin  überein,  dass  die 
Bömer  kein  eigentliches  Centrum,  sondern  nur  zwei  Flügel  haben. 
Es  kommt  also  darauf  an,  welchen  Flügel  Brennus  zunächst  anzu- 
greifen gedenkt.  Diodor  bemerkt  in  Bezug  hierauf  (114,  3):  eTre 
xara  TÖxnv  etrc  Kard  irpövoiov  touc  dpicTOuc  Jcrncav  (d.  Kelten) 
^rri  TÜJV  XöcpujV.  Den  ersten  Stoss,  welcher  in  den  Eeltenschlachten 
immer  entschied,  will  also  Brennus  gegen  die  Hügel,  d.  h.  den 
schwächeren  Theil  des  Heeres,  richten.  Nach  Livius  fürchtet  er  eine 
Ueberflügelung  durch  eben  diesen  Theil  und  beschliesst  deshalb,  ihn 
zunächst  anzugreifen  (38,  3 — 4).  Beide  Berichte  decken  sich  mit- 
hin vollständig:  ja  auch  Livius  fügt  ganz  ähnlich  wie  Diodor  hinzu 
(a.  a.  0.):  adeo  non  fortuna  (tuxii)  modo  sed  ratio  (Trpövoia)  etiam 
cum  barbaris  stabat. 

3.  Die  Schlacht. 

Der  Angriff  gelingt  vollständig.'^)  Der  schwächere  Flügel  der 
Bömer  wird  über  den  Haufen  gerannt;  er  wirft  sich  bei  der  Flucht 
zum  Theil  auf  den  anderen,  welcher  am  Flusse  steht.  Die  natürliche 
Folge  davon  ist,  dass  auch  dieser  aufgerollt  wird,  da  er  von  dem 
Kern  der  keltischen  Truppen  überflügelt,  in  der  Front  aber  von  dem 
Rest  des  gallischen  Heeres  bedroht  ist.  Die  Masse  der  Flüchtigen 
wirft  sich  in  den  Strom.  In  diesem  Moment  erleiden  die  Bömer  die 
bedeutendsten  Verluste  (Liv.  68,  6.  Diod.  114,  4  —  115,  2). 

Wir  können  nun  bei  Diodor  (a.  a.  0.)  genau  verfolgen,  dass 
sich  Alles,  was  überhaupt  dem  Tode  entrinnt,  durch  Schwimmen 
rettet.  Wenn  er  daher  schliesslich  sagt  (115,  2):  ol  )Litv  itXcictoi 
Twv  biacu)0^vTUJV  TTÖXiv  Bniouc  KttTeXiißovTo  .  .  .  ÄXiYOi  bk  tujv 
biaviiHaji^vuiv  äotiXci  (puYÖvrec  elc  'Pui^iiv  dTTrJTTtiXav  irdvrac 
äTToXujX^vai,  so  dürfen  wir  nicht  daraus  folgern,  dass  er  unter  den 
biacuiO^vrec  diejenigen  versteht,  welche  sich  zu  Lande,  und  unter 
den  biaviiSä]Lievoi  diejenigen,  welche  sich  durch  Schwimmen  gerettet 
haben.  Dies  hat  aber  Lewis  gethan,  wenn  er  sagt  (a.  a.  0.  6.  275) 
^dass  nach  Diodor  die  Römer  über  den  Tiber  schwimmen,  um  nach 
Rom  zu  fliehen'.    Abgesehen  von  dem  Zusammenhang  giebt  uns  Dio- 


***)  Der  Einfachheit  halber  gebrauche  ich  den  bekannten  Namen. 
Bei  Diodor  kommt  Brennus  nicht  vor.  Wir  müBsen  uns  indessen  er- 
innern, dass  er  in  der  ^nzen  Partie  Namen  selten  nennt.  Für  die 
folgende  Betrachtung  endhch  ist  diese  Differenz  gleichgültig.  —  ''°)  Diese 
Phase  des  Kampfes  ist  bei  Livius,  dessen  TJnf^ugkeit  eine  Schlacht  zu 
schildera,  bekannt  ist,  völlig  verwischt.  Jedoch  sind  dieselben  Elemente, 
wie  bei  Diodor,  deutlich  erkennbar. 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  169 

dor  selbst  den  Gegenbeweis  an  die  Hand.  öXitoi  TUüV  biavnSa^^viDV 
fliehen  nach  Born,  sagt  erl  Wo  bleiben  die  übrigen  von  denen,  die 
durch  den  Flnss  geschwonunen  sind?  Den  angeführten  Worten  gehen 
nnn  fdgende  voran:  'Die  Mehrzahl  der  Geretteten  wirft  sich  nach 
Yeji  hinan;  sie  befestigen  den  Ort  nach  Möglichkeit  Kai  touc  Ik 
Ttic  qnJTnc  cuiZojüi^vouc  dveXdjüißavov  öXixoi  bt  kt^:  Diese  Worte 
sagen  ganz  bestinunt,  daas  sich  auch  die,  welche  in  Yeji  Halt  machen, 
dnrch  Sehwinunen  gerettet  haben«  Mithin  sind  die  öXitoi  Tiuv  biaviiEa- 
M^vtJüv  ein  Theil  der  biocuiO^VTec^^^) 

Auch  Livios  sagt  mit  dürren  Worten  (38,  5),  dass  sich  der 
grosste  Theil  des  Heeres  durch  Schwimmen  nach  Yeji  rettet.  Da- 
gegen flieht  nach  ihm  (38,  10)  der  zuerst  geschlagene  Flügel  direkt 
nach  Born.  Mit  Ausnahme  dieser  Differenz  decken  sich  die  Berichte 
beider  Autoren  ToUkommen,  wenn  auch  der  des  Livius  in  Bezug  auf 
Klarheit  hinter  dem  Diodors  zurücksteht. 

Der  Hauptmoment  ist  jedenfalls  der  Flussübergang.  Der  Kern 
der  Armee  rettet  sich  durch  Schwimmen  nach  Yeji:  das  steht  bei 
beiden  fest.  Mithin  muss  die  Schlacht,  da  die  Gallier  von  Norden 
kommen,  auf  dem  linken  Ufer  geschlagen  sein,  und  muss  der  linke 
Flügel  der  Bömer  am  Tiber,  der  rechte  auf  den  Hügeln  gestanden 
haben.^*^)  Die  Schlacht  ist  sonnenklar.  Die  Kelten  überrennen  den 
rechten  Flügel.  Dieser  wirft  sich  theils  in  die  Flucht,  theils  auf  den 
linken  FlügeL  Dieser,  seinerseits  überflügelt  und  in  der  Gefahr,  um- 
zingelt zu  werden^  hat  keine  andere  Wahl,  als  entweder  sich  zusam- 
menhauen zu  lassen,  oder  sich  in  den  Tiber  werfen  zu  lassen,  um 
womöglich  den  Fluss  zwischen  beide  Heere  zu  bringen.  Dass  Livius 
sich  wundert  und  empört  darüber  ist,  dass  *der  grössere  Theil  des 
Heeres  nach  Yeji  flieht  —  obgleich  der  Tiber  zwischen  liegt  —  und 
nicht  recto  itinere  nach  Bom'  (38,  5),  beweist,  dass  er  gerade  das 
in  seiner  Quelle  fand,  was  ihn  so  empörte. 

Ich  hoffe  dargethan  zu  haben,  dass  nach  den  Berichten, 
wie  sie  bei  Diodor  und  Livius  vorliegen,  die  Schlacht  nur  auf  dem 
linken  Ufer  geschlagen  sein  kann.  Denn  man  construire  eine  Schlacht 
auf  dem  rechten,  bei  der  es  möglich  ist,  dass  sich  die  Bömer  über 
den  Fluss  nach  Yeji  retten. 

Ich  freue  mich,  dass  Mommsen  selbst  zugiebt  (S.  Ö23),  dass  die 
Au€Eässung,  welche  ich  vorgetragen,  Vom  Standpunkt  des  Interpre- 
ten wenigstens  zulässig,  vielleicht  geboten  ist'.  Dagegen  ergiebt 
freilich  diese  Auffassung  nach  ihm  *  sachlich  betrachtet,  geradezu 
eine  Albernheit'. 


'*^)  Dies  scheint  auch  Mommsen  zuzugeben,  vgl.  S.  623.  Man  wird 
es  übn^ens  billigen,  daas  ich  so  behutsam  wie  möglich  vorgehe.  — 
'**)  Livius  nennt  die  Flügel,  wie  ich  fflaube,  durchaus  richtig  (dagegen 
Mommsen  8.  525),  da  aber  Diodor  nidit  von  'rechts  und  links'  spricht, 
•o  habe  ich  in  der  Darstellung  diese  Bezeichnungen  nicht  angewendet. 


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170  Georg  Thouret: 

Es  sei  nnverstflndlioh,  *dass  bei  einer  am  linken  Tibernfer  ge- 
lieferten Schlacht  die  geschlagenen  Römer  nicht  einmal  den  Yersnch 
machen  sich  nach  dem  zwei  deutsche  Meilen  davon  an  demselben 
Ufer  gelegenen  Bom  auf  eben  diesem  Ufer  zu  retten^  sondern  sämmt- 
lich  in  entgegengesetzter  Richtung  den  Flnss  zu  passiren  suchen'. 
Ebenso  unverstfindlich  sei  es,  dass,  ^wenn  die  Masse  der  Flüchten- 
den sich  in  und  vor  Veji  sammelt,  die  Gallier  aber  auf  dem  linken 
Tiberufer  drei  Tage  verweilen,  ohne  sich  der  Stadt  zu  bem&chtigen, 
jene  nicht  versucht  haben  sollten  mindestens  nach  dem  Janiculum 
und  auf  diesem  Wege  in  die  Stadt  zurück  zu  gelangen'  (S.  523). 
Er  fährt  dann  fort  (S.  524):  ^Wenn  dagegen  die  Schlacht  auf  dem 
rechten  Tiberufer  stattgefunden  hat,  —  so  ordnet  die  weitere  Er- 
zählung von  selbst  sich  klar  und  sachgemäss.  Die  römische  Armee 
ward  an  den  Fluss  gedrückt;  der  Bückzug  nach  Bom  war  ihr  damit 
abgeschnitten;  ein  grosser  Theil  ging  bei  dem  Versuch  den  Strom 
zu  überschreiten  zu  Grunde  und  nur  wenige  gelangten  auf  das  linke 
Ufer  und  somit  nach  Bom.  Die  grosse  Masse  der  Geretteten  da- 
gegen zog  sich  auf  dem  rechten  Ufer  seitwärts  nach  dem  nahen  Veji, 
wo  sie  zwar  zunächst  in  Sicherheit  waren,  aber  nach  Bom  nicht  zu- 
rück gelangen  konnten,  weil  das  siegreiche  Heer  der  Feinde  zwischen 
ihnen  und  Bom  stand'.  So  Mommsen.  Ich  werde  die  von  ihm  aus- 
gesprochenen Bedenken  und  Einwürfe  nach  beiden  Möglichkeiten  hin 
gewissenhaft  prüfen.  Es  wird  sich  dabei,  glaube  ich,  ein  überraschen- 
des Besultat  ergeben. 

1.  Die  Schlacht  wurde  auf  dem  linken  Ufer  geschlagen. 

Der  rechte  Flügel  der  Bömer  wird  überrannt;  dadurch  der  linke, 
welcher  am  Fluss  steht,  und  zwar  der  Kern  der  Arm^e  von  den 
Kelten  überflügelt.  Es  stehen  also  Feinde  vor  ihm,  in  seiner  rech- 
ten Flanke,  ja  höchst  wahrscheinlich  solche  auch  bereits  im  Bücken. 
Er  ist  mithin  fast  umzingelt  Um  nach  Bom  zu  konmien,  musste 
er  sich  also  durch  den  Feind  durchhauen.  Alle  Berichte  sagen  in 
bestimmten  Worten,  dass  der  linke  Flügel  die  Besinnung  verlor,  als 
der  rechte  floh.  Er  giebt  jeden  Widerstand  auf:  er  flieht  ebenfaUs. 
Nach  Bom  kann  er  nicht  fliehen,  sondern  nur  sich  durchhauen. 
Naturgemäss  flieht  er  nach  der  Seite,  wo  keine  Feinde  stehen,  d.  h. 
nach  der  linken  Flanke,  nach  dem  Fluss.  Er  hat  keine  Wahl:  ent- 
weder versucht  er  hinüberzuschwimmen  oder  er  fällt  unter  dem 
Schwerte  der  Kelten.  In  dem  Schrecken  der  Schlacht  wählt  Alles 
den  einzigen  Bettungsweg:  Alles  wirft  sich  in  die  Fluthen  um  den 
Fluss  zwischen  sich  und  den  Feind  zu  bringen. 

Die  Geretteten  eilen  nach  Veji^  einer  festen  Stadt.  Da  der  Feind 
auf  dem  rechten  Ufer  steht  und  also  in  wenigen  Stunden  Bom  er- 
reichen kann,  so  kann,  ja  so  wird  in  solcher  Situation  Niemand  da- 
ran denken,  dass  die  Kelten  drei  Tage  mit  dem  Angriff  auf  die  Stadt 
zögern  werden.    Wenn  überhaupt  in  der  Geschichte,  so  muss  man 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  171 

in  der  alten  Geschichte  mit  den  Affecten  der  Menschen  rechnen. 
Man  hatte  eben  Alles  yerloren  gegeben.  Ehe  man  sich  in  Veji  so- 
weit sammelte,  dass  man  die  Situation  klar  überschauen  konnte,  ver- 
ging mindestens  ein  Tag:  und  am  zweiten  nach  der  Schlacht  standen 
die  Kelten  bereits  vor  den  Thoren  Roms  (Diod.  115,  6).  Ich  kann 
also  nichts  ünyerstSndliches  darin  finden,  dass,  wenn  die  Schlacht 
anf  dem  linken  Ufer  geschlagen  wurde,  die  Bömer  nicht  nach  Rom 
fliehen  —  denn  das  konnten  sie  nicht  ^^^  — ,  und  dass  die  Qerette- 
tan  keinen  Yersnch  machten,  von  Veji  aus  in  die  Stadt  zurückzuge- 
langen, —  denn  dazu  fehlte  ihnen  die  Thatkraft. 

2.  Die  Schlacht  wurde  auf  dem  rechten  Ufer  geschlagen. 

Auch  in  diesem  Ealle  ist  es  selbstverständlich,  dass  das  Gros 
der  Flüchtigen  sich  nach  Veji  und  nicht  nach  Rom  wendet.  In  Be- 
zug auf  den  zweiten  Punkt  stellt  sich  aber  hier  die  Sache  gerade 
umgekehrt,  als  Mommsen  meint.  Gewiss  stand  zunächst  der  Feind 
zwischen  den  Flüchtigen  und  Rom.  Aber  die  Kelten  greifen  Rom 
ja  nicht  von  der  Wasserseite  —  was  auch  keinen  Erfolg  gehabt 
hätte ^^)  —  sondern  von  der  Landseite  an,  wie  alle  Quellen  mel- 
den, und  wie  Mommsen  zugiebt  (vgl.  S.  627).  D.  h.  sie  gehen  ihrer- 
seits nach  der  Schlacht  über  den  Fluss.  Nun,  verlangt  man  einmal 
von  den  Römern,  die  sich  in  Veji  gesammelt  haben  (was  ich  selbst 
in  diesem  Falle  nicht  verlange),  dass  sie  doch  wenigstens  den  Ver- 
such hätten  machen  müssen,  nach  Rom  hinein  zu  kommen,  so  ist 
man  jetzt  viel  mehr  berechtigt,  dies  zu  verlangen,  als  vorhin.  Denn 
nun  müssen  die  Kelten  erst  einen  Flüssübergang  bewerkstelligen  — 
für  ein  antikes  Heer  ein  sehr  beschwerliches  Unternehmen  —  ehe 
sie  die  Stadt  angreifen  können.  Es  wäre  natürlich,  wenn  inzwischen 
die  Flüchtigen  versucht  hätten,  nach  Rom  zurückzukehren:  denn  der 
pons  sublicius  war  nicht  abgebrochen  worden,  was  wir  aus  der  un- 
bezweifelbaren  Thatsache  entnehmen  dürfen,  dass  über  denselben  die 
übrige  Bürgerschaft  von  Rom  selbst  flüchtet,  deren  Hauptmasse  sich 
augenscheinlich  nach  den  westlich  von  Rom  gelegenen  Städten 
wendet.*®«) 

Somit  wage  ich  zu  behaupten,  dass  die  allgemeinen  Erwägun- 
gen, welche  Mommsen  gegen  die  vorliegenden  Berichte  geltend  macht, 
nicht  Stich  halten.  Wie  kommen  wir  aber  zur  Entscheidung?  Es 
giebt  einen  Punkt  in  den  Berichten,  der  als  historische  Thatsache 
von  Allen  anerkannt  wird:  nämlich  die  Besetzung  Vejis  durch  den 
Kern  der  geschlagenen  römischen  Armee.  Die  Geschichte  der  nächst- 
folgenden Zeit  bestätigt  vollkommen^  dass  Veji  von  den  Römern 

^*')  Mit  Ausnahme  des  zuerst  geworfenen  rechten  Flügels.  Dieser 
konnte  nach  Rom  entkommen;  dass  er  nach  Rom  floh,  sagt,  wie  wir  ge- 
sehen, Livios  c.  38,  10.  —  »»*)  Vgl.  Jordan,  Top.  d.  St.  R.  1 1  S.  400/401.  — 
■••)  SoTiel  kOonen  wir  aus  Liv.  V  40,  10  und  Plut.  Cam.  21  ohne  Be- 
denken schliessen. 


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172  Georg  Thooret: 

militftrifich  besetzt  ist  Wenn  also  überhaupt  eine  Entscheidung  über 
die  Frage,  auf  welchem  Ufer  geschlagen  worden,  möglich  ist,  so 
wird  sie  hier  zu  suchen  sein«  Damit  ist  nun  aber  auch  Alles  ent- 
schieden« 

Den  Kern  des  römischen  Heeres  bildete  der  Flügel,  welcher  am 
Flusse  stand.  Wurde  die  Schlacht  auf  dem  rechten  Ufer  geschlagen,  so 
ist  es  nach  dem  Gkmge  derselben  eine  militSrische  Unmöglichkeit,  dass 
der  grösste  Theil  des  rechten  Flügels  (denn  so  heisst  er  in  diesem 
Falle)  unversehrt  nachVeji  entkommt.  Mommsen  sagt  zwar  (S.  524): 
^Die  grosse  Masse  der  Geretteten  zog  sich  auf  dem  rechten  Ufer 
seitwärts  nach  dem  nahen  Veji',  —  aber  dies  ist,  militärisch  aus- 
gedrückt, das  Deployement  einer  geschlagenen  Armee  nach  der  Flanke 
wo  der  Feind  steht  d.  h.  eine  Unmöglichkeit.  Denn  (in  diesem  Falle) 
der  linke  Flügel  ist  geworfen,  mithin  die  linke  Flanke  der  Bömer 
umfasst.  Ich  weiss  nicht,  wie  die  Bömer  ^seitswärts  nach  Yeji'  haben 
entkommen  können. 

Wurde  auf  dem  linken  Ufer  geschlagen,  so  ist  Alles  in  Ord- 
nung. Ein  Theil  des  zuerst  geworfenen  rechten  Flügels  flieht  nach 
Bom,  die  ganze  übrige  Masse  wird  in  den  Strom  geworfen.  Wer  über- 
haupt am  Leben  bleibt,  ist  nunmehr  durch  den  Tiber  geschützt  und 
kann  sich  unbeheUigt  nach  Yeji,  dem  natürlichen  Sammelpunkt,  be- 
geben. Ich  nehme  keinen  Anstand,  schliesslich  zu  erklären,  dass  die 
Schlacht  nur  auf  dem  linken  Ufer  geschlagen  worden  sein  kann. 

Mit  der  gegebenen  Auseinandersetzung  stimmt  der  Bericht  Dio- 
dors  vollkommen  zusammen.  Werden  wir  nun  aber  wegen  des  einen 
Wortes  biaßdvTCC  (vgl.  oben  S.  167)  alles  bisher  Gesagte  umwerfen 
müssen?  Ich  meine  nicht!  Und  hierbei  stütze  ich  mich  auf  Momm- 
sen selbst.  Die  Worte  Diodors,  welche  sich  auf  den  Marsch  des 
römischen  Heeres  beziehen,  habe  ich  oben  (S.  167)  angeführt  Momm- 
sen sagt  nun  (S.  523):  ^Diese  Erzählung  versetzt  also  das  Heer  zu- 
nächst auf  das  rechte  Tiberufer;  denn  Ueberschreitung  des  Flusses 
vom  römischen  Standpunkt  aus  kann  nur  dies  bedeuten,  und  eben- 
dahin führt,  dass  die  von  Clusium  anrückenden  Gallier 
nur  von  dieser  Seite  her  erwartet  werden  konnten'.  Mit 
beiden  Händen  erfasse  ich  die  letzten  Worte,  —  denn  sie  beweisen 
die  Bichtigkeit  meiner  Ansicht.  Man  wird  mir  nämlich  zugeben,  dass 
kein  Heer,  geschweige  denn  ein  antikes,  ohne  Nöthigung  einen  Fluss- 
übergang unternimmt.  Also  sind  die  Bömer  gezwungen  worden, 
den  Tiber  zu  überschreiten.  Sie  können  dazu  nur  durch  den  An- 
marsch der  Gallier  gezwungen  worden  sein.  Jeder  sieht,  was  daraus 
folgt:  Die  Bömer  erwarten  naturgemäss  den  Anmarsch  der  Feinde 
auf  dem  rechten  Ufer  (nach  der  Lage  von  Clusium).  Sie  verlassen  also 
die  Stadt  über  den  pons  sublicius,  da  sie  den  Edten  entgegentreten 
wollen.  Diodor  sagt  ausdrücklich:  dfeXGövxec  .  .  xal  biaßdv- 
T€C;  d.  h.  die  Bömer  überschreiten  den  Fluss,  nachdem  sie  aus- 
gerückt sind.    Sie  sind  aber  zunächst  auf  das  rechte  Ufer  hinüber- 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  173 

gerückt,  —  mithin  sind  sie  vor  der  Schlacht  auf  das  linke  gegangen, 
und  die  Schlacht  wnrde  anf  dem  linken  Tiberufer  geschlagen. 

Wenn  endlich  Mommsen  sagt  (S.  523/24):  ^Wftren  etwa  die 
Ghülier,  um  den  Fluss  unbehindert  vom  Feind  zu  überschreiten,  weiter 
stromaufwärts  übergegangen  und  wftren  diese  auf  die  Kunde  davon 
ihnen  auf  das  linke  Ufer  gefolgt,  so  mussten  beide  Operationen  noth- 
wendig  angegeben  oder  mindestens  das  yorherige  Vorrücken  der 
R5mer  auf  das  rechte  Ufer  unerwähnt  gelassen  werden',  —  so  ist 
diese  Forderung  Diodor  gegenüber  hart.  Denn  ist,  wie  Mommsen 
meint,  die  Schlacht  auf  dem  linken  Ufer  geschlagen  worden,  so  hätte 
Diodor  ebenso  gut  den  Uebergang  der  Gallier  auf  das  rechte  nach 
der  Schlacht  erwähnen  müssen,  was  er  aber  (und  mit  vollem  Bechte) 
nicht  thui  Es  gereicht  nun  aber  meiner  Darlegung  zum  Vortheil, 
dass  nach  derselben  auch  bei  Diodor  Alles  in  Ordnung  ist.  Seine 
römische  Quelle  notirt  nur  den  Marsch  des  römischen  Heeres.  Der 
Marscb  über  den  pons  sublicius  zu  Anfiang  tritt  natürlith  nicht  als 
^FlusBÜbergaug'  auf  sondern  einfach  als  Ausmarsch  (^HeXOövrec), 
dann  kommt  der  Uebergang  auf  das  linke  Ufer  (biaßiivTec).^^^  Dieser 
wird  verursacht  durch  die  Kunde,  dass  das  gallische  Heer  bereits 
weiter  oberhalb  über  den  Tiber  gegangen  ist  (um  auf  der  Seite  des 
Flusses  vorzurücken,  auf  der  Eom,  ihr  Angriffsobject  lag).  Der 
römische  Annalist  erwähnt  wie  gewöhnlich  nicht  den  Marsch  des 
feindlichen  Heeres.  Da  nun  aber  die  Kelten  einmal  auf  dem  linken 
Ufer  sind,  so  kann  Diodor  gar  nicht  von  einem  Flussübergang  der- 
selben nach  der  Schlacht  sprechen. 

So  fügt  sich  meiner  festen  Ueberzeugung  nach  Alles  aufs  Schönste 
zusammen.  Wir  können  nun  auch  den  Namen  dies  Alliensis  auf- 
reckt erhalten.  ^^  Ich  formulire  endlich  das  Resultat  dieser  ganzen 
Untersuchung  folgendermassen:  In  dem  Berichte  Diodors  finden  sich 
keine  älteren  Bestandtheile.  In  allen  wesentlichen  Punkten  ist  er 
mit  dem  Livianischen  identisch,  wenn  sich  auch  die  klare  Darstellung 
Diodors  vortheilhaft  vor  der  mehr  verschwommenen  des  Livius  aus- 
zeichnet. In  Bezug  aber  auf  die  einzige  Differenz  zwischen  beiden 
(vgl.  oben  S.  169)  scheint  mir  Livius  das  Richtigere  anzugeben.  Denn 
wenn  der  rechte  Flügel  des  römischen  Heeres  aus  Ausreissern  be- 
stand, so  wird  er  kaum  den  wuchtigen  Stoss  der  Gallier  abgewartet 
haben.  Dann  entspricht  es  durchaus  der  Lage  der  Dinge,  dass  der 
grösste  Theil  dieses  Flügels  direkt  nach  Rom  flüchtet,  weil  eine 
weite  Verfolgung  nie  Sache  der  Gallier  war,  und  diese  ausserdem 
vorläufig  noch  mit  dem  linken  Flügel  zu  thun  hatten. 

Um  nunmehr  den  Faden  der  Hauptfrage  wieder  aufzunehmen, 
so  ist  bereits  an  einer  früheren  Stelle  (S.  142  ff.)  dargelegt  worden, 
dass  die  Schilderung  des  Wiederaufbaus  der  Stadt  bei  Diodor  (XIY 

^  Ich  möchte  bdianpten,  dass  Mommsens  Irrthum  im  Grunde  be- 
ruht aoiFder  Zusammenwerning  von  ^EeXO^vrcc  und  öiaßdvrcc.  —  "')  Daa 
beste  Zeugniss  für  den  Namen  ist  Varro  de  1.  1.  VI  82  M.  p.  86. 


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174  Georg  Thonret: 

116,  8  ff.)  weder  yon  Fabius  herrühren  noch  überhaupt  aas  einer 
älteren  Quelle  als  der  Bericht  des  Livius  stammen  kann.  Sehen  wir 
nun  einen  Augenblick  yon  der  verschiedenen  Darstellung  der  Ge- 
sandschaft nach  Clusium  ab,  und  fragen  wir:  Was  fehlt  eigentlich 
bei  Diodor  von  der  Vulgata?  Erstens  die  schönen  Märchen  vom  Opfer- 
tod der  Greise  und  vom  Gang  des  Dorsuo,  femer  die  Ueberraschung 
der  goldabwägenden  GkJlier  durch  Camillus  und  dessen  Sieg  auf  dem 
Forum.  Setzen  wir  diese  drei  Geschichten  ein,  so  ist  die  Vulgata 
ziemlich  fertig.  Welche  Vorstellung  sollen  wir  uns  aber  von  dem 
Gange  der  römischen  Historiographie  machen,  wenn  dieser  Bericht 
Diodors  Fabisch  oder  überhaupt  der  älteste  isti  Was  zeichnet  ihn 
Yor  allen  übrigen  aus?  Die  ruhige,  sachgemässe  Darstellung,  die 
klare,  jeden  poetischen  Schwung  entbehrende  oder  yerschmähende 
Sprache.  Man  erlaube  mir  folgende  Betrachtung!  Es  gehört  nicht 
gerade  moderne  Kritik  dazu,  um  die  poetisch  so  schöne  Scene  zwischen 
Camillus  und  Brennus  auf  dem  Markte  von  Bom  für  eine  Erfindung 
zu  halten«  Ein  antiker  Historiker,  welcher  überhaupt  nur  den  Ge- 
danken fasste,  zwischen  Dichtung  und  Wahrheit  zu  unterscheiden, 
musste  dies  sofort  erkennen.  Einmal  sah  er,  dass  Camillus  später 
noch  einmal  die  Gallier  yemichtet;  dann  aber  fand  er  in  der  ältesten 
und  besten  Quelle,  nämlich  bei  Fabius  gar  nichts  yon  einem  der- 
artigen Vorgange.  Freilich  war  er  zu  sehr  Römer,  als  dass  er  es  yer- 
mocht  hätte,  die  Wiedergewinnung  des  Lösegelds  durch  CainiUus 
nun  überhaupt  zu  streichen.  Ebenso  strich  er  wohl  die  handgreif- 
lichen Fabeln  und  Märchen,  —  wagte  aber  doch  nicht  das  kritische 
Messer  an  die  Gänse  der  Juno  zu  legen.  Er  steht  auf  dem  Boden 
älterer  üeberlieferung:  dies  beweisen  unbedingt  die  älteren  Fasten 
und  die  ältere  Darstellung  der  Gesandschaft  nach  Clusium.  Beides 
gehört  meiner  Ueberzeugung  nach  eng  zusammen.  Denn  es  wird 
wohl  Jeder  zugeben,  dass  die  Geschichte  der  drei  Gesandten  bei 
Liyius  und  Plutarch  aus  den  drei  Fabiem  ihrer  Fasten  herausgespon- 
nen ist  und  Niemand  wird  behaupten  wollen,  dass  die  Fasten  nach 
jener  Geschichte  gemacht  sind.  Wenn  mithin  die  Quelle  Diodors 
auf  ältere  Fasten  zurückging,  so  musste  die  Gesandschaft  der  drei 
Fabier  ipso  facto  fallen. ^^)  Also  selbst  wenn  Mommsen  Becht  hat 
(woyon  ich  nicht  überzeugt  worden  bin),  *dass  der  unzweifelhaft  aus 

Fabius  entlehnte  poljbische  Bericht  über  die  GaJlierkriege 

mit  den  diodorischen  Fasten,  und  mit  diesen  allein,  in  yollem  Ein- 
klang steht'  (a.  a.  0.  S.  553);  so  folgt  daraus  höchstens,  dass  der 
Autor,  dem  Diodor  gefolgt  ist,  die  Fasten  des  Fabius  seiner  Dar- 
stellung zu  Grunde  legt,  nach  ihnen  die  Vulgata  emendirt 

Somit  komme  ich  zu  dem  Resultat,  dass  an  dieser  Stelle  (mehr 
will  ich  nicht)  einer  jener  lateinisch  schreibenden  Annalisten  ^^)  nach 

19«)  DafOr  spricht,  dass  bei  Diodor  absolut  kein  Name  genannt  ist. 
Wäre  einer  genannt,  dann  stünde  es  besser  um  unsere  Einsicht.  — 
'*^  Zum  letron  Male,   so  yiel  ich  weiss,  hat  Plüss  in  den  N.  Jahrb. 


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Ueber  den  gaUischen  Brand.  175 

Cato  als  die  Quelle  Diodors  anzusehen  ist  Der  Autor  hat  die  Vulgata 
bereits  Yor  sich.  An  der  Hand  eines  Siteren  und  besseren  Materials 
sucht  er  dieselbe  von  den  offenbarsten  Erfindungen  zu  befreien.  Da- 
her sind  bei  Diodor  wohl  ältere  Elemente  erkennbar,  auf  der  andern 
Seite  aber  genug  junge  Züge  stehen  geblieben.  Seiner  politischen 
Stellung  nach  scheint  mir  der  Autor  in  die  gracchische  Zeit  zu  ge- 
hören. Er  yerr&th  deutlich  antidemokratische  Tmdenzen.  —  loh 
will  dem  ^Kandidaten'  Clasons^  dem  Calpumius  Piso'^)  nicht  allzu- 
sehr das  Wort  reden,  aber  Zeit  und  Persönlichkeit  wtlrden  vortreff- 
lich passen.  Ich  bemerke  noch  einmal,  dass  ich  lediglich  Diodors 
Bericht  über  die  gallische  Katastrophe  im  Auge  habe,  um  welche 
meine  Arbeit  sich  allein  dreht  Ich  weiss  sehr  wohl,  dass  sich  sonst 
gerade  gegen  Piso  als  Quelle  manche  Bedenken  erheben.  Indessen 
sind  Namen  erst  in  zweiter  Linie  wichtig.  Im  yorliegenden  Fall, 
wo  wir  mit  Fragmenten  nicht  operiren  können,  sondern  auf  allgemeine 
Indiden  und  innere  Kritik  angewiesen  sind,  wird  es  vielleicht  über- 
haupt unmöglich  sein,  die  Namensfrage  zu  entscheiden.  Wir  müssen 
uns  daher  genügen  lassen,  die  Epoche  zu  bezeichnen.  Ich  habe  nach- 
zuweisen versucht,  dass  die  Quelle  Diodors  in  die  Epoche  der  römi- 
schen Annalistik  gehört,  deren  hervorragendster  Repräsentant  aller- 
dings Calpurnius  Piso  ist  Im  Uebrigen  bekenne  ich  ganz  offen,  ausser 
Stande  zu  sein,  den  Autor  irgendwie  näher  zu  bezeichnen.  Die  Formel, 
diesen  Zaubergeist  zu  bannen,  ist  mir  völliges  Geheimniss.  ^Fabius 
Pictor'  ist  nicht  der  Ton,  auf  welchen  Diodor  antwortet 

3. 
Die  rönü0Ohen  Quellen  nach  Livitui. 
§  1.  Floms. 
Die  poetische  Darstellung  des  Livius  ist  bei  Florus  zur  bom- 
bastischen geworden.    Er  sagt  (I  7,  17),  Camillns  habe  die  Spuren 
des  Brandes  durch  die  Ströme  gallischen  Blutes  getilgt;  femer  (§18): 
der  Brand  habe  *die  Hütten  der  Hirten,  die  Armuth  des  Romplus' 
beseitigt    Ja  er  versteigt  sich  sogar  zu  der  Bemerkung  (§  3),  dass 
die  ganze  Katastrophe  ein  Experiment  der  Himmlischen  gewesen  sei, 
welche  wissen  wollten,  ^ob  die  römische  virtus  die  Herrschaft  über 
den  Erdkreis  verdiene*.    So  dürfen  wir  uns  nicht  wundem,  wenn 
unter  seinen  Händen  der  lustorische  Vorgang  geradezu  auf  den  Kopf 

f.  kL  Phil.  99  (1869)  S.  241  A.  6  geltend  gemacht,  dass  Diodor  in  der 
Einleitung  zu  seinem  Oeschichtswerk  selbst  erkläre,  dass  er  die  römische 
Geschichte  aus  alten  lateinischen  Quellen  geschöpft  habe.  Die  be- 
treffende Stelle  I  4,  8  ff.  (Dind.)  sagt  dies  ihrem  strikten  Wortlaut  nach 
gans  unzweifelhaft.  Jedenfalls  müssen  wir  aus  ihr  entnehmen,  dass  Dio- 
dor auch  alte  lateioiBche  Quellen  benutzte.  Die  Interpretation  derselben 
durch  H.  Peter  rell.  p.  LXXXXVIII  und  not.  1  scheint  mir  willkürlich, 
weil  sie  das  Verhältmss  von  YordersatK  und  Nachsatz  völlig  ausser  Acht 
lässt.  —  ^  So  nennt  ihn  Glasen  selbst,  Heidelberg.  Jahrb.  1872  p.  889. 


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176  Georg  Thoniet: 

gestellt  wird.  Die  Senonen  sind  Barbaren,  *  welche  geboren  zu  sein 
schienen  zum  Verderben  der  Menschen,  zur  Zerstörung  der  Stftdte' 
(§  4).  Als  diese  Clusium  belagerten  und  die  Bömer  für  diese  ^ver- 
bündete Stadt' ^^)  intervenirten,  suchten  die  römischen  Gesandten 
vergeblich,  dem  Recht  und  der  Billigkeit  bei  den  Gbhlliem  Gehör  zu 
verschaffen,  vergeblich  —  denn  quod  ins  aput  barbaros?  ferocius 
agunt  et  inde  certamen  (§  6).  Ich  meine,  aus  dieser  abweichenden 
Darstellung  dürfen  wir  noch  nicht  auf  eine  ganz  besondere  Qaelle 
Bchliessen.  Man  sieht  vielmehr  deutlich,  wie  Florus  selbst  durch 
einen  kühnen  Federstrich  den  Völkerrechtsbmch  der  römischen  €re- 
sandten  aus  der  Welt  schafft.  Die  verlegene  Frage  beweist,  dass 
dies  eigne  Arbeit  des  Florus  ist. 

Soviel  zur  allgemeinen  Charakterisirung  der  Form  und  des  Tones 
der  Darstellung.  Florus  hat  jeden&lls  das  Werk  des  Livius  gekannt 
und  nahm  sich  dasselbe  wahrscheinlich  zum  Muster,  ohne  indessen 
das  Vorbild  zu  erreichen. 

Wir  haben  bereits  oben  (S.  118  ff.)  gesehen,  dass  sich  in  Bezug 
auf  den  eigentlichen  Brand  und  die  Verwüstung  Roms  Florus  mit 
Livius  deckt.  Bier  aber  handelt  es  sich  um  die  Frage,  ob  er  ihn 
benutzt  hat  Dies  ist  nun  nicht  der  Fall.  Erstens  bringt  Florus 
zwei  positive  Zahlenangaben,  welche  im  Livius  nicht  vorkommen: 

1)  Die  Occupation  der  Gallier  dauert  6  Monate  (I  7,  15). 

2)  Die  Besatzung  des  Kapitels  beträgt  kaum  1000  Köpfe:  iu- 
ventus  vero,  quam  satis  constat  vix  mille  hominum  fuisse,  duce 
Manlio  arcem  Capitolini  montis  insedit  (§  13). 

Ausserdem  aber  sind  noch  mehrere  andere  Differenzen  zu  ver- 
zeichnen: 

(%  7)    Ein  consul  Fabius  befehligt  das  Heer  an  der  Allia; 

(§  14)  Die  Anekdote  von  dem  Bencontre  zwischen  einem  der 
Gallier  und  dem  M.  Papirius  (Liv.  V  41,  9)  hat  Florus  nicht.  Bei 
ihm  werden  die  Greise  erschlagen,  weil  sie  die  sie  anredendai  Gal- 
lier keiner  Antwort  würdigen. 

(§  16)  Der  Fabier,  welcher  das  wunderbare  Opfer  auf  dem 
Quirinal  vollzieht  ist  nach  Florus:  pontifex,  w&hrend  Livius  dem 
C.  Fabius  Dorsuo  eine  priesterliche  Würde  nicht  beilegt  (V  46, 2).*®*) 

(§  12)  Geringfügig  ist  es^  wenn  Florus  den  Plebejer,  wacher 
die  Jungfrauen  der  Vesta  in  sein  Gefllhrt  aufnimmt  und  nach  Caere 
in  Sicherheit  bringt,  Atinius  nennt»  w&hrend  er  bei  Livius  (V  40,  9) 
L.  Albinius  heisst.  Sonst  stimmen  gerade  hier  die  Darstellungen  zu- 
sammen, nur  dass  Florus  in  der  Sucht,  AUes  zu  übertreiben,  die 
Vestalinnen  ^nudo  pede'  fliehen  lässt. 


'^^)  In  dieser  Wendung:  pro  sociis  ac  foederatiii  Bomanus  intervenit 
(I  7,  6),  welche  den  Worten  des  LiTine  direk£  widerspricht  (vgL  V  35,  4) 
stimmt  Florus  mit  Appian  überein,  vgl.  de  reb.  GaU.  fr.  2;  Beck.  p.  37.  — 
*^*)  Auch  Appian  nennt  den  Dorsao  einen  icpe^c  Tic  vgl.  fr.  6  B.  p.  39.  Ebenso 
erscheint  meser  Fabius  bei  Die  Cass.  (fr.  25,  5;  Beck.  p.  24)  als  ponttfez. 


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üeber  den  gallischen  BrancL  177 

Es  kann  meiner  Ansicht  nach  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
Florus  nicht  direkt  aus  Livius  geschöpft  hat.  Die  beiden  Zahlen- 
angaben sind  geradezu  beweisend.  Im  Uebrigen  liegen  dieselben 
Elemente  der  Erzfthlung  zu  Grunde,  und  an  einer  Stelle  klingen  so- 
gar die  Worte  zusammen:  Flor.  I  7,  17:  novissime  cum  iam  obsidio 
sua  barbaros  fatigasset,  mille  pondo  auri  recessum  suum  Tenditantes, 
idque  ipsum  per  insolentiam,  cum  ad  iniqua  pondera  addito 
adhuc  gladio  insuper  ^vae  victis'  increparent  etc. 

VgL  Liy.  y  48,  8  und  9:  pondera  ab  Gullis  adlata  iniqua 
et  tribuno  recusante  additus  ab  insolente  Gallo  ponderi  gla- 
dius  etc. 

Die  Nachricht,  dass  die  Occupation  Roms  durch  die  Gallier  6  Mo- 
nate gedauert,  könnte  den  Gedanken  nahe  legen,  dass  Florus  Varro 
benutzt  habe,  der  dieselbe  Angabe  hat  (bei  Non.  IX  p.  340,  YgL  ob. 
S.  111).^  Indessen  spricht  hiergegen  einmal  der  Umstand,  dass 
Florus  nicht  wie  Yarro  (bei  Non.  lU  p.  155)  die  Höhe  des  Löse- 
geldes auf  2000,  sondern  mit  der  gewöhnlichen  Ueberlieferung  auf 
1000  Pfund  angiebt.  Femer  wttsste  ich  nicht  zu  sagen,  in  welchem 
Werke  von  Yarro  eine  derartig  ausgeführte  Darstellung  der  galli- 
schen Katastrophe  gestanden  haben  könnte.  Dass  in  den  Hebdoma- 
den, dem  biographischen  Bilderbuch,  die  Heldengestalten  des  Camil- 
lus  und  M.  Manlius  nicht  übergangen  waren,  ist  sehr  wahrscheinlich, 
aber  welche  Ausdehnung  der  beistehende  Text  (Epigramm?)  gehabt 
hat,  darüber  wissen  wir  so  gut  wie  nichts.**^)  Florus  stutzt  offen- 
bar bei  der  die  Occupation  betreffenden  Notiz.  Er  sagt  (I  7,  15): 
sex  mensibus  barbari  —  quis  crederet?  —  circa  montem  unum  pe- 
penderunt  etc.  Dies  spricht  dafOr,  dass  er  dieselbe  bereits  in  seiner 
Quelle  fand  und  nicht  selbständig  hinzufügte. 

Die  eigentliche  Erzählung  stimmt  in  allen  wesentlichen  Stücken 
mit  der  Yulgata,  wie  sie  Livius  und  Plutarch  darstellen,  überein. 
Livius  hat  bekanntlich  keine  bestimmten  Zeitangaben,  er  lässt  nur 
einmal  den  Camillns  ganz  allgemein  sagen  (Y  52,  12):  si  non  volun- 
tate  mansimus  in  Capitolio  per  tot  menses  obsidionis.  Plutarch 
dagegen  redet  zweimal  von  ^sieben  Monaten'  (Cam.  28  u.  30).  Daraus 
folgt  nun  noch  nicht,  dass  die  gemeinsame  Quelle  von  Livius  und 
Plutarch  diese  Zeitbestimmung  enthielt.  Denn  wir  dürfen  nicht  ver- 
gessen, dass  letzterer  zum  grossen  Theil  von  Dionys  abh&ngt;  Dionys 
aber  konnte  bei  Gelegenheit  seine  Eenntniss  des  Poljbius  verwerthen. 
Indessen  machen  es  die  gemeinsamen  Abweichungen  des  Livius  und 
Plutarch  von  Florus  (z.  B.  bei  der  Papiriusanekdote)  unwahrschein- 
lich, dass  Florus  ein  Auszug  aus  der  gemeinsamen  Quelle  beider 


*^  Das  YerhältnisB  von  Florus  zu  Yarro  müsste  einmal  gpründlich 
anteraucht  werden.  —  «<»*)  Ygl.  bes.  Merklin  im  Philol.  XIII  ü.  743.  Was 
aber  die  Annalen  betrifit,  so  kennen  wir  weder  Inhalt  noch  überhaupt 
die  Anlage  derselben;  vgl.  Teuffei,  B.  L.  G.^  S.  286b.  Man  könnte  viel- 
leicht an  die  remm  urbanarum  libri  III  denken. 

Jahrb.  1  olMt.  PhUol.  SuppL  Bd.  XI.  DigitizeSgyGoOglC 


178 


Georg  Thonret: 


sein  sollte.  Aber  nichts  hindert  nns,  einen  Schritt  weiter  zorfick- 
zngehen  und  anzunehmen,  dass  die  Quelle,  welche  Florus  ins  Emze 
zog,  und  die  Quelle,  der  Livius  und  Plutarch  gefolgt  sind,  aus  einer 
gemeinsamen  dritten  schöpften,  oder  aber,  dass  Florus  diese  Urquelle 
direkt,  jene  aber  erst  durch  Vermittlung  benutzten.  Dass  die  Ver- 
hältnisse in  der  That  so  liegen,  daftir  haben  wir  einen  merkwürdigen 
Fingerzeig.  Wir  constatirten  oben  (S.  146)  eine  Differenz  zwischen 
Livius  und  Plutarch,  in  sofern  jener  die  ehrwürdigen  Greise  in  aediom 
vestibulis  (V  41,  8),  dieser  aber  auf  dem  Forum  (Cam.  22)  die 
Barbaren  erwarten  lässt.  Wir  wurden  femer  auf  einen  ursprüng- 
lichen Bericht  hingeführt,  der  so  lautete:  Die  Greise  versammeln 
sich  auf  dem  Forum,  weihen  sich  unter  Vortritt  des  Pontifez  Maxi- 
mus zum  Tode,  und  darauf  geht  jeder  in  sein  Haus.  Wir  liessen 
es  unentschieden,  ob  dieser  Bericht  sich  zwischen  Livius  und  Plu- 
tarch direkt  oder  schon  bei  ihren  Quellen  spaltete.  Nun  diesen  ur- 
sprünglichen Bericht  haben  wir  genau  bei  Florus  (I  7,  9):  iam  pri- 
mum  maiores  natu,  amplissimis  usi  honoribus,  in  forum  coeunt,  ibi 
devovente  pontifice  dis  se  manibus  consecrant^  statimque  in  suas 
quisque  aedes  regressi,  sie  ut  in  trabeis  erant  et  amplissimo  cultn, 
in  curulibus  sellis  sese  reposuerunt.  Die  Ansicht,  dass  Florus  selbst 
hier  dasselbe  Experiment  gemacht  habe,  welches  wir  oben  anstell- 
ten, wird  wohl  Niemand  ernstlich  vertreten  wollen.  Vielmehr  dürfen 
wir  uns  freuen,  geradezu  einen  Beweis  zu  haben,  wo  wir  die  Quelle  des 
Florus  zu  suchen  haben.  Sie  liegt,  das  ist  die  Hauptsache,  vor  Livius. 
Es  giebt  nun  eine  ganze  Reihe  von  Möglichkeiten,  sich  das  Ver- 
hältniss  der  drei  Schriftsteller  zu  dieser  ursprünglichen  Quelle  zu 
denken.  Die  folgenden  Schemata  sollen  die  wichtigsten  derselben 
im  Bilde  veranschaulichen: 


Livius     Plutarch    Fioms 


L.        P. 


Florus 


L.  P.         F. 

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Ueber  den  gallischen  Brand.  179 

Die  erste  Form  ist  sehr  unwahrscheinlich,  die  drei  andern  stehen 
sich  ungefähr  gleich. 

Die  Frage  ist  ohne  Namen  kaum  zu  entscheiden;  Namen  aber 
im  vorliegenden  Falle  anzugeben,  birgt  der  Gefahren  viele  in  sich. 
Es  kann  sich  im  Wesentlichen  nur  um  Claudius  Quadnganus,  VaL 
Antias  und  Licinius  Macer  handeln.  Hier  jedoch  mache  ich  Halt. 
Es  kam  mir  nur  darauf  an,  die  negative  Thatsache  festzustellen,  dass 
Florus  an  unserer  Stelle  Livius  nicht  ausgeschrieben  hat,  und  die 
positive ,  dass  seine  Quelle  in  einem  Annalisten  vor  Livius  zu  suchen 
ist,  wobei  die  Frage  gar  nicht  zu  entscheiden,  ob  Florus  selbst  das 
Excerpt  gemacht  oder  bereits  ein  Excerpt  benutzt  hat. 

§.  2.    Oroslus  und  die  periooha. 

Wir  betreten  nunmehr  ein  Gebiet  der  Quellenforschung,  welches 
nicht  nur  unsicher  sondern  auch  gefährlich  ist.  Wie  viel  hier  noch 
zu  thun  ist,  wird  das  concreto  Beispiel,  welches  uns  beschäftigt, 
deutlich  zeigen.  Ich  kann  unmöglich  alle  diese  Quellenuntersuchun- 
gen systematisch  zu  Ende  führen.  Ich  begnüge  mich,  das  Sichere 
und  das  Wesentliche  festzustellen. 

Ebensowenig  wie  Florus  hat  Orosius  hier  den  Livius  aus- 
geschrieben, da  auch  er  die  Dauer  der  Occupation  auf  6  Monate  und 
die  Stärke  der  Besatzung  des  Kapitels  auf  kaum  1000  Köpfe  an- 
giebt  (n  19  Hav.^  p.  67  u.  68).  In  Bezug  auf  die  letzte  Notiz 
stimmt  er  wörtlich  mit  Florus  überein;  Or.  (a.  a.  0.):  universam 
reliquam  iuventutem,  quam  constat  vix  mille  hominum  tunc  fuisse 
in  arce  Capitolini  montis  latitantem  obsidione  concludunt.  Flor.  I 
7,  13:  iuventus  vero,  quam  satis  constat  vix  mille  hominum  fuisse 
duce  Manlio  arcem  Capitolini  montis  insedit.  Es  giebt  nun  hier 
wieder  drei  Möglichkeiten:  entweder  hat  Orosius  oder  seine  Quelle 
den  Florus  abgeschrieben,  oder  es  liegt  eine  gemeinsame  Quelle 
beiden  zu  Grunde.  Hier  möchte  ich  mich  für  eine  direkte  Abhängig- 
keit des  Orosius  von  Florus  entscheiden,  —  aus  welchem  Grunde 
wird  später  klar  werden.  Zu  erwähnen  bleibt  noch,  dass  auch  bei 
Orosius  (wie  bei  Florus)  ein  Fabius  consul  an  der  Allia  commandii-t. 

Ehe  wir  weiter  gehen,  müssen  wir  auch  die  merkwürdige  That- 
sache constatiren,  dass  ebenfalls  die  periocha  Y,  soweit  sie  die  gallische 
Katastrophe  berührt,  kein  direktes  Excerpt  aus  Livius  sein  kann,  da 
auch  hier  die  ^6  Monate^  erscheinen  (vgL  Jahn  p.  11),  eine  Angabe, 
welche  kein  Epitomator  aus  Livius  herauslesen  kann.  Hierzu  kommen 
noch  grosse  Ungenauigkeiten  und  Unrichtigkeiten. 

Ungenau  ist  es,  wenn  der  Epitomator  sagt  (Jahn  p.  11,  19): 
Furius  Camillus  dictator  absens  creatus  inter  ipsum  conloquium,  quo 
de  pacis  condicionibus  agebatur,  cum  exercitu  venit,  denn  nach  Li- 
vius V  49  kommt  Camillus,  als  wenigstens  ein  Theil  des  Goldes 
bereits  herbeigeschafft  war  (auferrique  aurum  de  medio  ....  iubet). 

_^  „„12SOOgle 


180  Georg  Thouret: 

Wenn  femer  ein  Epitomator  einmal  wörtlich  anszielien  will  und 
er  macht  aus  den  bekannten  Worten  des  centnrio  bei  Livius  V,  56, 1 
(centorio  in  comitio  exclamavit)  signifer  st^tue  Signum:  hie  manebi- 
mua  optima,  —  folgende:  sta  miles,  hie  optime  manebimus  (p.  11, 
26),  so  darf  man  wohl  zweifeln,  ob  er  wirklich  den  Text  des  Livius 
vor  sich  gehabt  hat  (vgl.  dagegen  Val.  Max.  I  5,  1). 

Geradezu  falsch  aber  ist  die  letzte  Notiz:  aedes  lovi  Capitolino 
facta  est,  quod  ante  urbem  captam  vox  audita  erat  adventare  Gallos 
(vgl.  Livius  V  50). 

Vergleichen  wir  aber  diese  periocha  mit  Orosius,  so  machen 
wir  die  Beobachtung,  dass  wir  jene  bei  diesem  wiederfinden,  wenn 
wir  nur  die  Punkte  streichen,  welche  jeden  Römer  mit  Freude  und 
Stolz  erfüllten  —  die  That  des  M.  Manlius  und  den  Sieg  des  Ca- 
millus  sowie  die  Wiedereroberung  des  Lösegoldes  —  und  die  Züge, 
welche  mit  antiker  Beligiosität  innig  zusammenhängen  aber  auch 
nur  für  sie  Werth  haben,  ich  meine  vor  allen  Dingen  die  Bettung 
des  Kapitels  durch  die  Gänse  der  Juno.  Orosius  legt  von  vornherein 
das  Schwergewicht  auf  die  faktische  Zerstörung  Boms,  er  vergleicht 
sie  passend  mit  der  Plünderung  der  Stadt  durch  die  Gothen  unter 
Alarich.  Unter  diesen  Gesichtspunkt  stellt  er  die  gallische  Invasion 
gleich  in  den  Eingangsworten  (p.  67):  dehinc  irruptio  Gallorum  et 
incendium  nrbis  insequitor  etc.  An  diesem  Punkte  der  Geschichte 
konnte  seine  pessimistische  Ansicht  von  dem  Gange  der  antiken  Ge- 
schichte beredten  Ausdruck  finden,  und  er  taucht  seinen  Pinsel  in 
grausig  düstere  Farben.  Dass  für  ihn  die  schöne  Fabel  von  den 
Gänsen  jede  Bedeutung  verlor,  ist  selbstverständlich,  ebenso  natür- 
lich ist  es,  dass  er  die  Thaten  des  Manlius  und  Camillus  übergeht. 
Er  will  sein  zweites  Buch  auf  Buinen  schliessen,  und  er  will,  dass 
sich  um  den  Leser  trostlose  schwarze  Nacht  verbreite. 

Wir  werden  also  kein  grosses  Gewicht  darauf  zu  legen  haben, 
wenn  er  scheinbar  das  Wichtigste  übergeht.  Wir  müssen  sein 
Schweigen  zunächst  immer  von  dem  oben  dargelegten  Gesichtpunkte 
aus  beurtheilen.    Ich  stelle  nun  folgende  Yergleichung  zusammen: 

perioch.  V  Jahn  p.  11,  7  fF.  Orosius  11  19,  Hav.  p.  67/68. 
cum  Galli  Senones  Clusium  obsi-  igitur  Galli  Senones,  duce  Brenne, 
derent  et  legati  a  senatu  missi  exercitu  copioso  et  robusto  nimis, 
ad  componendam  inter  eos  et  Clu-  cum  urbem  Clusini ,  (quae  nunc 
sinos  pacem  pugnantes  contra  Gal-  Tuscia  dicitur,)  obsiderent,  lega- 
les in  acie  Clusinorum  [videren-  tos  Bomanorum,  qui  tunc  compo- 
tur]  ^°^),  hoc  facto  eorum  concitati  nendae  inter  eos  pacis  gratia  vene- 
Senones  urbem  infesto  exercitu  rant,  in  acie  adversum  se  videre 

'^^)  So  erganze  ich  nach  Orosius,  natürlich  ohne  Sicherheit.  Die 
( — )  bei  der  peroch.  bezeichnen  die  Stellen,  welche  Orosiue  wegliess,  die 
(— )  bei  Orosius  theils  die  rhetorischen  Zusätze,  tibeils  das,  was  er  meiner 
Ansicht  nach  aus  Florus  entnahm. 

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Ueber  den  gallischen  Brand. 


181 


peiienmt,  fnsisque  ad  Aliam  Bo- 
manis  cepere  urbem  praeter  Capi- 
tolimn,  qao  se  iuventus  contule- 
rat;  maiores  natu  cum  insignibus 
bonorum  quos  quisque  gesserat 
in  yestibülis  aedium  sedeutes  ocd- 
dernnt.  (et  cum  per  aversam 
partem  Capitolii  iam  in  summum 
evasissent,  proditi  clangore  anse- 
rum  M.  Manlii  praecipue  opera 
deiecti  sunt.)  coactis  deinde  pro- 
pter  famem  Bomanis  eo  descen- 
dere  ut  mille  pondo  auri  darent 
et  boc  pretio  finem  obsidionis 
emeront.  (Furius  Camillus,  dicta- 
tor  absens  creatus,  inter  ipsum 
conloquium,  quo  de  pacis  condi- 
cionibus  agebatur,  cum  exercitu 
venit  et  Gallos)  post  sextum  men- 
sem  (urbe  expulit  ceciditque). 
dictum  est  ad  Veios  migrandum 
esse  propter  incensam  et  dirutam 
urbem,  quod  consilium  (Camillo 
auctore)  discussum  est.  (movit 
populnm  Yocis  quoque  omen  ex 
centurione  auditae,  qui  cum  in 
forum  yenisset,manipularibu8  suis 
dixerat  ^sta  miles,  bic  optime 
manebimus'.  aedes  loyi  Capito- 
lino  facta  est,  quod  ante  urbem 
captam  vox  audita  erat  adventare 
GaUos.) 


pugnantes:  qua  indignatione  per- 
moti,  Clusini  oppidi  obsidione  di- 
missa,  totis  viribus  Eomam  con- 
tendunt  (Hos  ita  ruentes  Fabius 
cum  exercitu  consul  excepit,  nee 
tamen  obstitit,  imo  potius  bosti- 
lis  ille  impetus  quasi  aridam  sege- 
tem  succidit,  stravit  et  transiit.) 
Testatur  banc  (Fabü)  cladem  flu- 
vius  AUia  (sicut  Cremera  Fabio- 
rum.  Non  enim  facile  aliquis  si- 
milem  ruinam  Bomanae  militiae 
recenseret,  etiam  si  Boma  insuper 
incensa  non  esset).  Patentem 
Galli  urbem  penetrant,  trucidant 
(rigentes  simulacrorum  modo)  in 
suis  sedibus  senatores  (eosque  iu- 
cendio  domorum  crematos,  lapsu 
culminum  suorum  sepeliunt). 
üniversam  reliquam  iuventutem 
(quam  constat  vix  mille  bomi- 
num  tunc  fuisse)  in  arce  Capito- 
lini  montis  latitantem,  obsidione 
concludunt:  ibique  (infelices  reli- 
quias)  fame  (peste,  desperatione, 
formidine)  terunt,  (subigunt,)  ven- 
dunt:  nam  mille  libris  auri  dis- 
ceösionis  pretium  paciscuntur : 
(non  quod  apud  Gallos  Boma 
parvi  nominis  fuerit,  sed  quod 
illam  sie  iam  ante  detriverint,  ut 
amplius  tunc  valere  non  posset. 


Exeuntibus  Gallis  remanserat  in  illo  quondam  urbis  ambitu  infor- 
mium  minarum  obscoena  congeries  et  undique  impedita  errantium  et 
intet  sua  ignotorum  offensae  vocis  imago  respondens,  trepidus  suspen- 
debat  auditus.  Horror  quatiebat  animos,  silentia  ipsa  terrebant.  Si- 
quidem  materia  pavoris  est  raritas  ipsa  vocis  in  spatiosis).  Hinc  illis 
mutare  sedes,  aliud  incolere  oppidum  altero  etiam  censeri  nomine 
cogitatum  pladtum  atque  tentatum  est.  (En  tempora . . .  captivitates) 
illa  sex  mensibus  desaeviens  (bis  Scbluss). 

Namentlich  der  Anfang  der  Erzählung  klingt  zusammen,  gerade 
der  Anfang  aber  verbietet  die  Annahme,  dass  Orosius  nur  von  Florus 
abhängig  sei.  Denn  Florus  streicht,  wie  wir  gesehen,  den  Völker- 
rechtsbruch  Seitens  der  Gesandten.  Die  bei  Orosius  eingeklammerten 
Stellen  bringen  Neues  nur  da,  wo  auch  Florus  von  der  Yulgata  ab- 
weicht, im  Uebrigen  sind  sie  rhetorische  Ausschmückungen,  welche 


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182  •      Georg  Thouret: 

wir  mit  gutem  Becht  als  das  allereigenste  Werk  des  Orosius  an< 
sehen  dürfen. 

Bei  dieser  Sachlage  scheint  sich  mir  folgendes  Eesultat  zu  er- 
geben: Es  ezistirte  eine  auf  Grund  des  Livias  mit  Zuhtilfenahme 
noch  anderer  Quellen  gemachte  Epitome.  Aus  dieser  entstand  durch 
weitere  Verkürzung  die  vorliegende  periocha.  Sie  selbst  bildet  das 
Gerippe  der  Darstellung  bei  Orosius,  der  aber,  um  dem  Ganzen  mehr 
Fülle  zu  geben,  theils  einige  Zusätze  aus  Florus  ma^hte^  theils  seiner 
Sacht  zu  rhetorischen  Ergüssen  hier  die  Zügel  schiessen  liess. 

Eine  andere  Ansicht,  welche  mir  aber  weniger  wahrscheinlich 
zu  sein  scheint,  w&re  auch  nach  dem  Vorigen  berechtigt :  Bei  Florus, 
Orosius  und  der  periocha  liegt  eine  gemeinsame  Quelle  zu  Grunde: 
ein  kurz  gefasster  Bericht,  den  wir  aber  dann  nach  dem  vorher- 
gehenden §  1  nicht  auf  Livius,  sondern  auf  dessen  ursprüngliche 
Quelle  zurückführen  müssten.  Für  diese  Ansicht  würde  sprechen,  dass 
wir  dann  nicht  nöthig  haben  würden,  bei  Orosius  die  Benutzung 
zweier  Quellen  vorauszusetzen.  Auch  hier  wage  ich  keine  Entschei- 
dung. Das  Ziel  dieses  Paragraphen  ist  erreicht:  Weder  Orosius 
noch  die  sogenannte  periocha  aus  Livius  können  faktisch  als  direkt 
von  Livius  abhängig  angesehen  werden. 

§  3.    Der  sogenannte  Aurelius  Victor. 

Will  Jemand  mit  verständigem  Sinn,  kritischem  Blick  und  doch 
schonender  Hand  einen  möglichst  kurzen  Auszug  aus  der  Vulgata 
verfertigen,  so  kann  er  es  nicht  kürzer  und  nicht  besser  als  Aurelius 
Victor  machen.  Die  beiden  kleinen  Viten  des  Camillus  (c.  23)  und 
M.  Manlius  (c.  24)  sind  geradezu  musterhaft  und  berühren  wohl- 
thätig,  wenn  man  von  Orosius  kommt.  Nur  weiss  man  nicht,  ob  hier 
Zufall  oder  Kritik  obwaltet. 

Zwei  Angaben  weisen  darauf  hin,  dass  diese  Viten  keine  Aus- 
züge aus  Livius  sind.  In  der  bestimmtesten  Weise  nennt  Aurelius 
den  17.  Juli  als  Datum  der  AUiaschlacht  (c.  23,  ly^)  gegenüber 
dem  18.  Juli  der  Vulgata  (Liv.  VI  1,  11;  Tac.  bist,  n,  91  etc.).*^') 
Femer  giebt  er  die  dona  des  Manlius  auf  37,  die  Zahl  seiner  Ehren- 
narben auf  23  an  (c.  24,  2),  während  Livius  bei  diesen  sich  ganz 
allgemein  ausdrückt  (VI  20,  8),  bei  jenen  aber  die  runde  Summe 
(ib.  20,  7):  dona  imperatorum  ad  quadraginta  genügen  lässt.*^**) 
Genau  die  Zahlen  des  Aurelius  finden  wir  dagegen  bei  Plinius  (n.  h. 
VII  28,  103). 

Die  übrigen  Sätze  lassen   sich  freilich   sämmtlich  bei   Livius 


*^^)  Soviel  ich  sehe,  gehen  die  Hdachr.  hier  alle  zusammen.  —  '°^)  Vergl. 
Mommsen,  Chron.*  S.  26,  Anm.  32.  —  -°®)  Hierhin  gehört  auch  noch 
die  Notiz  (24,  1):  Manlius  —  sedecim  annonira  volnntarinm  militem  se 
obtulit,  welche  im  Livius  nicht  steht.  Mir  kam  es  im  Texte  in  erster 
Linie  auf  die  direkten  Differenzen  an. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  183 

wiederfinden.  Wer  aber  bei  einem  so  kurzen  Auszüge  die  Zahlen- 
angaben des  Livins  verbesserte,  der  hat  schwerlich  seinen  Auszug 
aus  Liyius  gemacht.  Bei.  dieser  Sachlage  sind  wir  berechtigt,  uns 
jeden  einzelnen  Satz  genau  anzusehen  und  ihn  streng  mit  der  Vul- 
gata  zu  yergleichen.  Dabei  zeigt  sich  eine  überraschende  Beob- 
achtung. Aurelius  kennt  die  Yulgata,  nach  der  Camillus  den  Gkilliem 
das  Gold  wieder  abnahm,  denn  er  s^  von  Manüus  (c.  24,  5):  cum 
senatum  suppressisse  Gallicos  thesauros  argueret^  was  die  gewöhn- 
liche Tradition  genau  wiedergiebt:  um  so  auffallender  ist  es,  dass 
er  in  der  vita  des  Camillus  nichts  davon  erzählt.  Man  darf  nicht 
geltend  machen,  dass  er  überhaupt  nicht  von  einem  Loskaufe  spricht. 
Er  stellt  von  Anfang  an  die  Thatsachen  unter  den  Gesichtspunkt  der 
speciellen  Lebensbeschreibung:  der  Loskauf  an  und  für  sich  geht 
aber  den  Camillus  nichts  an.  Seine  Worte  lauten  nun  so:  Qui 
(sc.  Cam.)  absens  dictator  dictus,  coUectis  reliquiis,  Gallos  impro- 
vidos  intemecione  occidit.  Wenn  Aurelius  in  seiner  Quelle  die 
Wiedergewinnung  des  Goldes  durch  Camillus  verzeichnet  fand,  so 
verstehe  ich  nicht,  wie  er,  dessen  Absicht  doch  war,  die  Thaten  des 
Camillus  kurz  darzustellen,  diese  grösste  That  übergehen  konnte. 
Misstraute  er  aber  seiner  Quelle,  so  muss  er  eine  bessere  Ueber- 
lieferung  gekannt  haben,  wobei  es  wieder  unverständlich  bliebe, 
warum  er  überhaupt  einer  verlogenen  Quelle  folgte. 

Mir  scheint  hier  nur  eine  Annahme  mögUch,  nämlich  die,  dass 
Aurelius  in  der  That  in  seiner  Quelle  nichts  von  diesen  Fabeln  fand. 
Nun  dann  fand  er  auch  nichts  von  einer  Wiedererbauung  der  Stadt 
durch  Camillus  nach  dem  gallischen  Brande.  Vielmehr  betrachtet  er 
als  die  Krone  des  Ruhmes  seines  Helden  den  Sieg  über  die  Gallier, 
—  und,  was  das  Wichtigste  ist,  die  Verhinderung  der  Auswanderung 
nach  Veji.  Er  schliesst  die  vita  mit  den  Worten:  Populum  Roma- 
num  migrare  Veios  volentem  retinuit.  Sic  et  oppidum  civibus  et 
cives  oppido  reddidit. 

Aurelius  Victor  sagt  im  Wesentlichen  dasselbe,  was  wir  oben 
als  Resultat  der  Untersuchung  bezeichneten.  Die  Stadt  steht:  aber 
der  Vorschlag,  den  Mittelpunkt  des  Staates  nach  Veji  zu  verlegen, 
droht  ihr  den  Untergang.  Diese  Gefahr  beseitigt  Camillus,  —  und 
deshalb  kann  man  ihn  mit  Recht  einen  zweiten  Romulus  nennen. 
Sollte  dies  Alles  wirklich  Zufall  sein? 

Indessen  ist  zuzugeben,  dass  eine  sichere  Entscheidung  erst  dann 
möglich  ist,  wenn  wir  die  Quelle  kennen  werden,  aus  welcher  der 
Verfasser  diese  Viten  geschöpft  hat.  Auch  hier  hat,  wie  bei  Diodor, 
die  Forschung  noch  kein  unanfechtbares  Resultat  zu  Tage  gefördert^ 
und  ich  will  nicht  den  gefahrlichen  Weg  einschlagen,  den  bisherigen 
Vermuthungen  eine  neue  hinzuzufügen,  üeber  einen  Punkt  ist  man, 
soviel  ich  sehe,  nunmehr  einig:  nämlich,  dass  Livius  nicht  die 
Quelle  ist  Auch  darüber  ist  man  einig,  dass  die  Quelle  älter  als 
Livius  ist:  in  Bezug  auf  die  Epoche  jedoch',  welcher  dieselbe  ange- 


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184  Georg  Thouret: 

hört,  gehen  die  Ansichten  auseinander.  Man  hat  Valerius  Antias^^), 
Calpumius  Piso*^^),  für  einen  Theil  der  Viten  sogar  Coelias  Anü- 
pater^^^)  als  Quelle  vermuthet.  Dagegen  hat  der  neueste  Bearbeiter 
dieser  Frage,  H.  Haupt^^^),  mit  vollem  Recht  geltend  gemacht,  dass 
der  unbekannte  Autor  bereits  ein  nach  demselben  Gesichtspunkte  an- 
gelegtes Werk  vor  sich  gehabt  haben  müsse,  ^r  kommt  zu  dem 
Resultat,  dass  Cornelius  Nepos  die  Quelle  sei.  Ist  dies  richtig ,  so 
dürfte  man  aus  der  uns  angehenden  Tita  des  Camillus  schliessen,  dass 
Nepos  von  einer  Verbrennung  oder  Zerstörung  Roms  durch  die 
Gallier  nichts  wusste  oder  nichts  hat  wissen  wollen^  womit  die  Frage 
eigentlich  erledigt  sein  würde.  Ich  erkenne  durchaus  an,  dass  Haupt 
seine  Ansicht  mit  gewichtigen  Gründen  gestützt  hat^^^ :  aber  gerade 
an  unserer  Stelle  macht  sich  ein  Bedenken  unabweislich  geltend. 
Jeder  wird  zugeben,  dass  die  Lebensbeschreibungen  des  Camillus 
und  des  Manlius  Capit.  eng  zusammenhängen,  üeber  die  Todesart 
des  Manlius  nun  hat  uns  Gellius  in  bestimmtester  Weise  die  aus> 
einandergehenden  Angaben  Varros  und  des  Com.  Nepos  erhalten. 
Er  sagt  (XVU  21,  24):  Manlius  damnatus  capitis  saxo  Tarpeio^  ut 
M.  Yarro  ait,  praeceps  datus,  ut  Cornelius  autem  Nepos  scriptum 
reliquit,  verberando  necatus  est.  Der  sogen.  Aurelius  nun  berichtet 
darüber  (c.  24,  7):  damnatus  et  de  saxo  Tarpeio  praecipitatus  est; 
also  genau  wie  Varro.  Auch  wenn  das  ganze  Kapitel  sonst  mit 
Nepos  übereinstimmte:  diese  eine  Differenz  zwingt  zu  dem  Schlüsse, 
dass  Nepos  hier  nicht  die  Quelle  ist.  Wenn  nämlich  Haupt  nach 
dem  Vorgange  Niebuhrs  (R.  G.  IE,  S.  687)  meint  (p.  31),  Nepos 
habe  geschrieben:  Manlius  de  saxo  Tarpeio  praecipitatus  verberando 
necatus  est,  so  ist  dies,  abgesehen  von  dem  offenbaren  Widersinn  der 
Worte,  deshalb  unmöglich,  weil  dann  Gellius  nie  hätte  dazu  kommen 
können,  die  Ansichten  der  beiden  genannten  Gewährsmänner  als  ver- 
schieden zu  bezeichnen.  Auch  die  Worte  des  Gellius  werden  wider- 
sinnig, weim  Nepos  so  geschrieben,  wie  Haupt  wilL 

Auch  Livius  erzählt,  dass  Manlius  vom  Tarpejischen  Felsen 
hinabgestürzt  worden  (VI  20,  12),  aber  wir  haben  oben  gesehen, 
dass  Livius  hier  nicht  Quelle  sein  kann  (vergl.  S.  182).  Cornelius 
Nepos  ebenfalls  nicht,  und  doch,  wenn  eine  von  den  Viten  einen 
streng  biographischen  Charakter  an  sich  trägt,  so  ist  es  die  des 
Manlius  Capitolinus.^^^)  Die  Stelle  bei  Gellius  enthält  einen  deut- 
lichen Fingerzeig.  Meinem  ürtheil  nach  musste  eine  Untersuchung 
über  die  Quellen  des  sogen.  Aurelius  Victor  von  der  unzweifelhaften 


"»)  Mommaen,  Hermes  I,  S.  168;  vergl.  IV,  S.  7.  —  "^  C.  Alden- 
hoven, Hermes  V,  S.  160  ff.  —  '^^)  Soltau:  De  fontibus  Plut.  in  secundo 
b.  Pun.  enarrando  Bonn  1870,  p.  102.  Vielleicht,  meint  S.,  in  dem  Aas- 
zuge des  Brutna  aus  Antipater  (vergl.  Cic.  ad  Att.  XIII  8).  —  '^^  De 
aactoria  de  vir.  ill.  libro  quaestionea  historicae  Frank&rt  1876.  — 
'*')  Namentlich  durch  die  Vergleichnng  mit  Ampeliua.  —  *")  Vergl.  be- 
aondera  den  Eingang. 


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üeber  den  gallischen  Brand.  185 

Thatsaclie  ausgehen,  dass  sich  ein  Theil  der  Yarronischen  Etymo- 
logieen  in  der  Schrift  de  vir.  ill.  wiederfindet*^),  und,  wie  das  vor- 
liegende Beispiel  zeigt,  auch  sonstige  Angaben  Yarros.  Man  mflsste 
zunächst  diese  Spur  verfolgen,  genau  den  Thatbestand  feststellen  und 
dann  zu  ergründen  suchen,  ob  etwa  Yarro  selbst  die  gesuchte  Quelle 
ist  oder  wenigstens,  in  wie  weit  die  Quelle  von  Yarro  abhängig  ist. 
Eine  derartige  Untersuchung  kann  hier  nicht  meine  Aufgabe  sein, 
um  80  weniger,  da  in  der  vita  des  Camillus  die  speciell  Yarronischen 
Angaben  fehlen,  ich  meine  die  sechsmonatliche  Occupation  der  Stadt 
und  die  Summe  des  Lösegeldes,  welche  sich  nach  Yarro  auf  2000 
Pfund  belief.  Beides  kann  fehlen,  da  der  Yerfasser  keine  Geschichte 
der  gallischen  Invasion,  sondern  einen  Lebensabriss  des  Camillus 
schreiben  will. 

Als  B^sultat  dieses  Paragraphen  bezeichne  ich:  Auch  der  auctor 
de  vir.  ill.  ist  imabhftngig  von  Livius,  seine  Quellen  sind  älter  als 
LiviuB,  und  er  weiss  nichts  davoQ,  dass  Camillus  die  von  den  Galliern 
zerstörte  Stadt  wieder  aufgebaut  hat.  Die  Quelle  steht  anscheinend 
auf  dem  Boden  älterer  Ueberlieferung.  Aber  sie  kennt  die  Yulgata 
und  entnimmt  aus  derselben  z.  B.  die  Gesandtschaft  der  drei  Fabier 
an  die  Gallier  (c.  23,  5).  In  welche  Epoche  der  Quellenschriftsteller 
gehört,  und  welchen  Namen  er  trägt ^  dies  sind  Fragen,  deren  Ent- 
scheidung zur  Zeit  noch  nicht  möglich  ist. 


§  4.   Eutrop  und  Sextus  Bnftis. 

Je  tiefer  wir  in  der  Reihe  der  römischen  Historiker  herab- 
steigen, um  so  merkwürdiger  gestaltet  sich  das  Yerhältniss  der 
Quellen.  Man  muss  geradezu  sagen,  dass  die  Quellen  immer  reiner 
zu  fliessen  scheinen.  Auch  Eutrop  und  Bufas  wissen  nichts  von  einem 
gallischen  Brande,  nichts  von  einer  Zerstörung  Roms  durch  die 
Gallier.  Eutrop  verbindet  in  der  unzweideutigsten  Weise  zwei  ge- 
trennte Berichte.  Er  erzählt  einmal  die  Geschichte  zu  Ende  und 
dann  beginnt  er  sie  von  Neuem.  Er  sagt  I  20:  Statim  Galli  Senones 
ad  urbem  venerunt  et  victos  Romanos  undecimo  milliario  a  Roma 
apud  flumen  Alliam  secuti  etiam  urbem  occuparunt;  neque  defendi 
quidquam  nisi  Capitolium  potuit.  Quod  quum  diu  obsedissent  et  iam 
Bomani  fiemie  laborarent  a  Camillo,  qui  in  vicina  civitate  ezsulabat, 
Oallis  superventum  est,  gravissimeque  victi  sunt.  Dies  ist  ein  in  sich 
geschlossener  Bericht  und  stimmt  vollständig  mit  dem,  was  Aur. 
Yictor  bringt,  überein.  Nun  Wart  aber  Eutrop  fort:  Postea  tamen, 
accepto  etiam  auro,  ne  Capitolium  obsiderent,  recesserunt;  sed  se- 
cutus  eos  Camillus  ita  cecidit,  ut  et  aurum,  quod  his  datum 
fuerat,  et  omnia,  quae  ceperant,  militaria  signa  revocaret.   Ita  tertio 


'**)  Vergl.  z.  B.  die  Erklärung  von  Aequimaelium  (c.  17,  6)  mit  Yarro 
de  1.  1.  V  167;  M.  p.  61. 


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186  Georg  Thouret: 

triumphans  nrbem  ingressiiB  est  et  appellatue  secundus  Bomulus, 
qaasi  et  ipse  patriae  conditor.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  zwischen 
beiden  Darstellungen  ein  Widerspruch  obwaltet.  Nach  jener  be- 
lagern die  Gallier  vergeblich  das  Kapitel  und  werden  von  Camillus 
vernichtet,  nach  dieser  lassen  sie  sich  die  Belagerung  abkaufen, 
ziehen  ab,  und  nun  erst  trifft  und  schlägt  sie  Camillus. 

Bei  dieser  Sachlage  haben  wir  das  Recht,  zu  behaupten^  dass 
es  einen  Bericht  gab,  nach  welchem  Camillus  die  Gallier  noch  in  der 
Stadt  besiegte,  —  ihnen  aber  das  Lösegeld  gar  nicht  wieder  ab- 
nehmen konnte,  weil  sie  überhaupt  keins  erhielten.  Dieser  liegt  uns 
bei  Aur.  Victor  und  bei  Eutrop  vor. 

Die  folgende  Erzählung  bei  Eatrop  bringt  nun  aber  die  ganz  neue 
Notiz,  dass  Camillus  den  Galliern  die  erbeuteten  'signa'  wieder  ab- 
genommen habe.  Dasselbe  sagt  Sextus  Bufas  c.  6.  Aus  diesem 
Grunde  habe  ich  beide  unter  dieselbe  Rubrik  gesetzt.  Diese  Wendung 
der  Fabel  findet  sich  in  der  römischen  Litteratur  zuerst  bei  den 
Dichtern,  bei  Vergil*^®)  und  Properz.*^')  Man  kann  kaum  die  Ver- 
muthung  abweisen,  dass  hierbei  die  Wiedergewinnung  der  römischen 
Feldzeichen  von  den  Parthem  durch  Augustus  i.  J.  734  a.  u.  **®)  mit 
eingewirkt  hat.  Wenigstens  findet  sich  früher  keine  Spur  von  dieser 
Angabe.  Immerhin  bleibt  es  bemerkenswerth,  dass  eine  offenbar 
poetisch  gehaltene  Version  in  die  Werke  so  später  Epitomatoren 
übergegangen  ist 

Sextus  Rufas  hat  hier  nicht  etwa  den  Eutrop  abgeschrieben,  da 
er  mehr  Nachrichten  bringt.  Vor  allen  Dingen  giebt  er  in  bestimmter 
Weise  die  Zahl  der  auf  die  Burg  geflohenen  vornehmen  Römer  auf 
600  an.  Florus  und  (nach  ihm?)  Orosius  sagen,  wie  wir  gesehen 
haben,  dass  die  junge  Mannschaft,  welche  unter  Führung  des  Manlius 
das  Kapitel  besetzt  hielt,  aus  vix  mille  hominum  bestanden  habe 
(Fl.  I  7,  13).  Beide  Angaben  lassen  sich  deshalb  schwer  vereinen, 
weil  Sextus  Rufas  gar  nicht  von  der  militärischen  Besatzung,  son- 
dern von  *  Vornehmen  und  Senatoren'*^^)  spricht.  Eine  Entscheidung 
ist  hier  nicht  möglich. 

Wir  haben  oben  aus  dem  auctor  de  vir.  ill.  und  Eutrop  auf 
einen  Bericht  geschlossen,  der  nur  von  einem  Siege  des  Camillus  in 
der  Stadt  selbst  wusste.  Durch  den  zweiten  Theil  bei  Eutrop  und  durch 
die  kurze  Darstellung  des  Rufus  werden  wir  auf  einen  zweiten  Be- 
richt geführt,  welcher  (wie  Rufus  deutlich  sagt)  die  GalUer  als  Sieger 
d.  h.  mit  dem  Lösegelde  abziehen  und  dann  erst  Camillus  erscheinen 
und  die  Barbaren  vernichten  liess. 

Beide  Berichte  sind  dem  Polybius  gegenüber  in  gleicher  W^eise 
zu  verwerfen.    Aber  nun  ist  es  wohl  deutlich,  dass  jener  mit  der 


***)  Aen.  VI  826;  vergrl.  dazu  Serviua,  und  diesen  zu  Georg.  II  169 
—  «»0  IV  10  (11),  67.  —  *»^  Vergl.  Fischer,  R.  Zeitt.  S.  393.  "»^  —  Förster 
(Wien  1874)  schreibt  nobilissimi  senatores  (vergl.  diss.  p.  19). 


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Ueber  den  gallischen  Brand.  187 

Sage  von  dem  Zusammentreffen  des  Camülus  und  Brennus  anf  dem 
Markte  von  Rom  eng  zusammenhängt.  Diese  Scene  ist  ja  nur  möglich, 
wenn  Camillus  die  Gallier  in  der  Stadt  selbst  überrascht.  Ebenso 
klar  wird  es  nun,  wie  mir  scheint,  dass  die  zweite  Darstellung,  nach 
welcher  Camillus  die  Gallier  erst  nach  dem  Abzüge  schlug  und  ihnen 
das  Lösegeld  wieder  abnahm,  auf  jenen  ersten  Bericht  einwirkte  und 
dass  daraus  die  Scene  des  Goldabwägens  entstanden  ist. 

Die  heutige  Forschung  ist  darin  einig,  dass  der  sogen.  Aur. 
Yictor  auf  eine  in  ihrer  Grundlage  vortreffliche  Quelle  zurück- 
zuführen ist;  auch  Eutrop  muss  gute  Quellen  benutzt  haben.  Man 
könnte  also  sehr  zweifelhaft  sein^  welchen  der  beiden  Berichte  man 
für  den  Siteren  zu  halten  habe.  Dass  Camillus  zweimal  die  Gallier 
vernichtet  und  ihnen  erst  beim  zweiten  Male  das  Gold  wieder  ab- 
nimmt, geht  nicht,  da  die  einzige  Möglichkeit,  welche  auch  Eatrop 
darstellt,  dass  nämlich  die  Gallier  erst  nach  der  ersten  Niederlage 
das  Gold  erhalten,  eine  Absurdität  ist.  Hier  liegen  zwei  sich  wider- 
sprechende Elemente  vor.  Besagte  die  ältere  Darstellung,  Camillus 
habe  die  Belagerung  des  Eapitols  durch  die  Besiegung  der  Belagerer 
aufgehoben,  so  war  in  ihr  von  einer  Wiedereroberung  des  Lösegeldes 
nicht  die  Biede.  Dann  aber  wäre  es  bewiesen,  dass  Diodor  nicht  auf 
die  älteste  Quelle  zurückzuftlhren  ist,  da  er  vielmehr  die  zweite  Dar- 
stellung (die  auch  Bufus  hat)  giebt.  Liess  die  ältere  Ueberlieferung 
die  Gallier  abziehen  und  dann  erst  vernichtet  werden,  so  würde  Diodors 
Quelle,  wie  ich  es  oben  angenommen,  auf  die  ältere  Ueberlieferung 
zurückgehen.  Denn  in  dieser  selbst  jene  Quelle  zu  sehen,  daran 
hindern  mich  die  Gründe,  welche  mich  bestimmten,  seiner  direkten 
Quelle  ein  hohes  Alter  abzusprechen. 

Bei  Livius  sind  jene  beiden  Elemente  schon  contaminirt.  Er- 
kennbar sind  sie  trotzdem.  Camillus  besiegt  die  Gallier  zweimal: 
in  der  Stadt  und  bald  darauf  an  der  via  Gabinia  (V  49).  Der  Theil 
des  Lösegeldes,  welcher  bereits  ausgezahlt  war,  wird  den  Galliern 
schon  bei  der  ersten  Dazwischenkunft  abgenommen  (a.  a.  0.).  Wir 
würden  hier  deutlicher  sehen,  wenn  wir  wüssten,  wie  Claudius  die 
Sache  dargestellt  hatte.  Im  fr.  7  (Peter  p.  206)  steht  nur,  dass 
Camillus  als  Dictator  die  Gallier  besiegt  habe.^^®)  Es  ist  nicht  zu 
ersehen,  ob  er  schon  beide  Darstellungen  in  einander  geschoben  hat. 
Wie  dem  auch  sein  mag:  nach  der  ältesten  und  besten  Quelle  sind 
die  Gallier  unbehelligt  abgezogen:  die  Erzählungen  also,  welche  die 
Vernichtung  derselben  durch  Camillus  berichten,  sind  Erfindungen. 

So  sind  wir  am  Ende  imserer  Untersuchung  wieder  auf  den 
An&ng  zurückgeführt  worden.  Was  speciell  diesen  letzten  Abschnitt 
betrifft,  so  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  auch  Eutrop 
and  Rufas  nicht  von  Livius  abhängig  sind.  Bis  Florus  konnten  wir 
die  Strömung  der  Vulgata  deutlich  verfolgen.     Ein  Arm  derselben 


"*^  So  viel  dürfen  wir  aus  den  Worten  entnehmen. 

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188  Gr-  Thonret:  Ueber  den  gallischen  Brand. 

wurde  durch  Florus  zu  Orosius  geleitet.  Dann  versiegt  plötzlich  der 
Strom.  Die  eigentlichen  Epitomatoren,  die  allerspätesten  Schrifir 
steiler,  wie  der  auctor  de  vir.  ill.,  wie  Eutrop  und  Bufus,  gehen  nicht 
auf  Livius,  —  sondern,  sei  es  direkt  oder  indirekt,  auf  ältere  und 
bessere  Quellen  zurück.  Ich  habe  mich  begnügt  und  musste  mich 
begnügen,  nur  das  AUerwichtigste  und  Wesentlichste  hervorzuheben. 
Erst  jetzt  wird  es  recht  deutlich,  wie  viele  Fragen  hier  noch  ihrer 
Lösung  harren.  Hoffentlich  habe  ich  ein  Scherflein  zu  dieser  Lösung 
beigetragen. 


Kachwort. 


Für  den  vorliegenden  Aufsatz  konnte  der  2.  Band  von  Mommsens 
Römischen  Forschungen  (Berlin  1879)  nicht  mehr  benutzt  werden. 
Die  nachträgliche  Lektüre  desselben  veranlasst  den  Verfasser  nicht, 
seine  Ansicht  in  irgend  einem  wesentlichen  Punkte  zu  ändern.  Die 
erweiterte  Gestalt,  in  welcher  die  zuerst  im  Hermes  veröffentlichten 
Abhandlungen  nunmehr  in  den  Forschungen  erscheinen  (Fabius  und 
Diodor  S.  221—290;  Die  gallische  Katastrophe  S.  297—381),  macht 
zwar  einige  der  gegen  die  Ansicht  Mommsens  erhobenen  Bedenken 
überflüssig,  lässt  aber  die  Hauptdifferenz  über  das  Yerhältniss  von 
Polybius  und  Diodor  zu  Fabius  unberührt.  Da  der  Verfasser  keine 
Quellenuntersuchimg  über  Diodor  zu  schreiben  beabsichtigt  hat,  son- 
dern die  Frage  hat  aufwerfen  und,  wenn  es  anging,  beantworten 
wollen,  ob  die  Zerstörung  Roms  durch  die  Gallier  ein  historisches 
Factum  sei  oder  nicht,  so  hält  er  auch  den  weiteren  Ausführungen 
Mommsens  gegenüber  seine  Behauptungen  aufrecht,  die  ihren  Grund 
und  Boden  in  Polybius  haben  —  oder  zu  haben  glauben,  so  lange 
sie  nicht  eines  Besseren  belehrt  werden« 


Berichtigung. 

8.  170»  Z.  2  y.  n.  Uei:  linken  sUtt  rechten. 


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DIE 

HANDSCHRIFTLICHE  UEBEßLIEFEßüNG 


DES 


AUSONIUS. 


B.  FEIFER. 


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I. 

Die  Editio  princeps  und  die  mit  ihr  verwandten 
Handschriften  (Z). 


Als  im  15.  Jahrhundert  die  Drucklegung  der  Werke  des  classi- 
schen  Alterthums  begann,  war  es  naturgemäss  die  Bedürfnissfrage, 
welche  in  höherem  Grade  noch  als  die  Stärke  der  Auflage  die  Folge 
der  einzelnen  Publicationen  (im  Grossen  und  Ganzen)  regelte.  Ein 
Canon  lateinischer  Dichter  hatte  sich  im  Laufe  des  Mittelalters  fest- 
gesetzt fUr  die  SchuUectüre,  die  denn  auch  für  den  Kreis  der  Ge- 
bildeten überhaupt  massgebend  wurde:  die  Werke,  welche,  obwohl 
anfangs  zugänglich,  später  zurückgewiesen  wurden  aus  diesem  Kreise, 
wurden  fürderhin  selten  oder  gar  nicht  abgeschrieben  und  verschollen 
allmählich.  Manches  davon,  was  der  günstige  Zufall  erhalten,  wurde 
in  und  nach  der  Zeit  Petrarcas  wieder  hervorgezogen,  von  der  neuen 
Zeit  mit  ihrem  weiteren  Gesichtskreise  in  jenen  alten  Canon  einge- 
reiht, und  dieser  nach  den  Bedürfoissen  der  neuen  Zeit  erweiterte 
Canon  isVs,  der  zunächst  Berücksichtigung  findet;  was  der  Gelehrte 
allein  bedurfte,  blieb  noch  längere  Zeit  dem  handschriftlichen  Studium 
vorbehalten.  Unter  allen  den  Dichterwerken  nun,  welche  wir  im 
letzten  Drittel  des  15.  Jahrhunderts  in  Italien  gedruckt  sehen,  werden 
sich  wenige  finden,  die  nicht  von  Alters  her  durchs  ganze  Mittel- 
alter bekannt  und  gelesen,  deren  Neuentdeckung  seit  Petrarcas 
Zeit  nicht  laut  der  Welt  verkündet  worden  wäre,  wie  die  Funde 
Poggios,  oder  doch  einem  weiteren  Kreise,  der  sich  um  die  glück- 
lichen Besitzer,  wie  Nicolo  Nicoli  einer  war,  bewundernd  und  ge- 
niessend schaarte,  bekannt  geworden  wären.  Ich  finde  unter  allen 
jenen  Dichtem  nur  einen,  der  bis  dahin,  wie  es  scheint,  völlig 
unbekannt  und  ungenannt  plötzHch  im  Drucke  erscheint,  das  ist 
Ausonius. 

Im  Mittelalter  wird  sein  Name  nicht  genannt,  Weniges  und  nur 
Unbedeutendes  von  seinen  Schriften  ist  namenlos  in  Umlauf  gesetzt 
worden^);  die  Sammlung  seiner  Werke  ist  dem  Untergange  oft  sehr 
nahe  gewesen  und  nur  günstige  Zufälle  haben  sie  auf  unsere  Zeiten  ge- 


^)  Mit  ^Quidam  uetemm'  führt  Beda  ecl.  15  (Anthol.  lat.  Ries.  640)  ein. 

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192  R.  Peiper: 

bracht.  Von  den  Zeitgenossen,  deren  Werke  uns  erhalten  sind,  legen 
nur  Symmachus  und  Panlinus  Zengniss  von  ihm  ab,  des  Theodosius 
Augustus  Aufforderung  an  den  Dichter  ist  nur  durch  Ausonius* 
Sammlung  selbst  erhalten.  Dann  rühmt  im  folgenden  Jahrhundert 
Sidonius  einmal  den  Dichter  (Sidonius  Epp.  lY  14  ad  Polemium: 
Nam  tuorum  peritiae  comparatus  non  solum  Comelios  oratores  sed 
Ausonios  quoque  poetas  uincerepotes).  Ennadius  hat  einige  Stellen 
aus  dem  Briefwechsel  mit  Symmachus  der  Epistolarsammlung  des 
letzteren,  nicht  den  opuscula  Ausonii  entlehnt.^)  BSthselhaft  ist  des 
Dichters  Erwähnung  bei  Suidas  (I  p.  866  Beruh.):  Aucövioc  co(pi- 
CTf|c  T€TPacpiwc  dmcToX&c  xai  äXKa  xivä  irpöc  Nöwov. 

Wenn  man  weiterhin  bei  mittelalterlichen  Dichtem  Entlehnungen 
aus  Ausonius  hat  finden  wollen,  so  beruht  das  auf  T&uschung;  es  ist 
Zufall,  wenn  Paulus  Diaconus  in  den  Versen  17  f.  seiner  Laudatio 
lacus  Larii*): 

cedat  et  ipse  tibi  me  iudice  furuus  Auemus, 
Epirique  lacus  cedat  et  ipse  tibi, 
an  Ausonius  Profess.  I  20  anklingt: 

in  te  sie  uiguit,  cedat  ut  ipse  tibi, 
und  Paulus  so  wenig  (in  seinen  Versen  *Sic  ego  suscepi  etc.*^*)  wie 
Thietmar  von  Merseburg  IT  2^)  haben  das  Technopaegnion  (de  litt. 
monos.  y.  9)  vor  Augen  gehabt^  sondern  vielmehr  Persius  DI  56, 
V  34  nebst  den  SchoUen  dazu.  Dass  endlich  Petms  Episcopus 
(f  1219)  im  Benoni  Über  für  seinen  Vers: 

Sic  in  figmentis  clamat  resonabilis  echo. 
die  Schlussworte  dem  Ovid  vielmehr  (Met.  III  357),  nicht  dem  Auso- 
nius (Epigr.  99)  entlehnt  hat^),  wird  Jedermann  zugeben. 

Es  bleiben  einzig  anbestreitbar  die  weiter  unten  zu  besprechen- 
den Entlehnungen  des  Ermenricus  Augiensis  aus  der  Moseila,  die 
üebertragungen  der  Monosticha  Caesarum  in  jüngere  Suetonius- 
Handschriften,  die  weite  Verbreitung,  welche  durchs  Mittelalter  hin- 
durch die  aerumnae  Herculis,  die  Monatsgedichte,  die  Idyllia  Vir 
bonus,  Est  et  non  gefunden  haben;  ein  Vorgang,  der,  wie  sich  weiter 
unten  ergeben  wird,  nicht  im  mindesten  die  Folge  grosser  An- 
erkennung bei  Mit-  und  Nachwelt  gewesen,  sondern  eher  auf  Bech- 
nung  der  geringen  Beachtung,  die  seine  Werke  fanden,  des  Ver- 
gessens,  dem  sie  anheim  gefallen,  gebracht  werden  muss.    Vielleicht 


')  Eimodius  ad  Agnellam  VII  16  e»  S^machns  Aosonio  I  S5.  E. 
ad  Constantium  II  19  und  nochmals  ad  Patncinm  «»  Ausonius  Sjmmacho 
I  26.  Aus  dem  letzteren  Briefe  schöpft  Ennodius  noch  zwei  andere  Aus* 
drücke  im  Anfange  der  eben  genannten  ep.  ad  Constantium  II  19  und 
ad  Florum  I  2.  Briefe  des  Symmachus  an  andere  plündert  Ennodius  ad 
Olybrinm  II  13  »  S.  Protadio  IV  28,  E.  ad  Stephanum  VII  24  »  S. 
Romulo  IX  69,  endlich  E.  ep.  II  20  —  S.  Patri  I  1  ex.  —  »)  H.  J. 
Müller,  im  Progr.  des  Friedrichs  -  Werder'schen  Gymn.  zu  Berlin  1876, 
S  30.  —  *)  M.  Haupt,  Z.  f.  d.  A.,  XII  462,  v.  43.  —  *)  Pertz,  Monn- 
menta  V.  —  ^  Pitra  Spicilegium  Solesmense  m,  p.  XXXVII  not. 


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Die  handfichrifU.  Ueberlieferang  des  Ausonius.  198 

bat  aber  ein  Tbeil  der  letztgenaonten  Verse  den  äusseren  Anstoss  ge- 
gegeben, das  Andenken  des  Dicbters  zu  beleben  dorcb  eine  Ausgabe 
der  Yorbandenen  Werke,  die  so  unvorbereitet,  wie  es  scheint,  im  J. 
1472  zn  Venedig  ans  Licht  tritt  Jene  Monosticba  Caesarum  waren 
durch  die  Ed.  princeps  des  Suetonius  2  Jahre  vorher  bekannt  ge- 
worden. Das  mag  einen  der  mit  den  Ausonianischen  Dichtungen 
yertranten  Italiener  (denn  Zahl  und  Alter  der  vorhandenen  Handss. 
beweist  uns,  dass  auch  hier  von  einem  neuen  Funde  ganz  und  gar 
nicht  die  Bede  sein  kann,  während  einerseits  die  Integrität  des  Textes 
von  der  anderer  Schriftsteller  Texte  überwuchernden  Menge  von  Con- 
jecturen,  andererseits  der  Mangel  jeder  stillen  Einwirkung  auf  die 
Litteratur  jener  Tage,  durch  die  sich  uns  das  Vorhandensein  eines 
solchen  Werkes  verrathen  könnte,  die  Heimathstsätte  der  Hand- 
schriften ausserhalb  Boms  und  Florenz  suchen  und  nur  eine  be- 
schränkte Zahl  von  Kennern  des  Dichters  anzunehmen  räth)  ange- 
regt haben,  den  Schatz,  der  offenbar  Freunde  zu  finden  versprach  in 
der  Gresellschaft  der  damaligen  Zeit,  weiteren  £[reisen  durch  die  neu- 
erfundene  Kunst  zugänglich  zu  machen.  So  geschah  es,  dass  dem 
Ausonius  die  Ehre  wiederfuhr,  in  demselben  Jahre  mit  den  Elegikem . 
und  den  Plautinischen  Lustspielen  vor  Valerius,  Manilius,  Lucre- 
tius  ans  Licht  zu  treten,  nachdem  die  Zeit  für  die  Dichtungs- 
art, die  er  vertrat,  durch  zwei  gleichzeitige  Ausgaben  des  Martialis 
zu  Rom?  und  Ferrara  1471  vorbereitet  war.  Diesen  Punkt  hebt  der 
erste  Herausgeber  in  der  Vorrede  hervor:  lam  ad  Ausonium  nostrum 
redeamus,  quem  tanto  lepore  et  salibus  atticis  latüsque  inspersum 
Pedoni  Getulico  Marso  Bilbüiensi  denique  uati  praeponendum  con- 
tenderem,  si  maxima  pars  operis  non  desideraretur.^  Und  in  der 
üeberschrift  der  tabula:  Poetae  lepidissimi  atque  festiui  epigramma- 
ton  libellus. 

Man  vergleiche  damit  des  Lilius  Gregorius  Gjraldus  früheres 
ürtheil  über  den  Dichter  —  das  sich  allerdings  im  Laufe  der  Jahre 
zu  einem  richtigeren  umgestaltet  hat;  man  betrachte  die  zahlreichen 
Spuren  der  Lesung  des  Ausonius  bei  den  Dichtem  des  sinkenden 
ftinfizehnten  Jahrhunderts;  sie  beweisen,  dass  die  Berechnung  den 
Herausgeber  nicht  betrogen  hat.  Zunächst  ist  es  ja  nicht  der  wahre 
Ausonius  mit  seinen  edleren  Eigenschaften,  der  sich  dem  Publikum 
darbietet;  was  sich  davon  in  dieser  erst  erschienenen  Sammlung 
findet,  ist  erstickt  durch  grossentheils  leichtfertige  epigrammatische 
Spielereien,  ja  Obscönitäten,  und  würde,  auch  wenn  es  sich  vorge- 
drängt hätte,  dennoch  nicht  in  so  frivoler  Zeit  zur  Geltung  ge- 
kommen sein. 

Denn  die  Anordnung  jener  ersten  Ausgabe^  die  mit  der  der  ver- 
breitetsten  Handschriften  völlig  übereinstimmt,  ist  allerdings  eine  ganz 


^  Die  SchluasBchrifb  der  tabula:  Expliciunt  ea  Ansonii  fitegmenta 
quae  inuida  cuncta  corrodens  uetustas  ad  manus  nostras  nenire  pennisit. 

Jahib.  f.  clAM.  Pbilol.  Bnppl.  Bd.  XI.  13  'OOQIc 


194  B.  Peiper: 

andere^  als  die  Ausgaben  seit  Scaligers  Zeit  bieten.  Die  letztere  ist 
ein  Product  der  Willkür,  die  bereits  in  der  ersten  Ascensiana  y.  J. 
1511  ihr  Treiben  beginnt,  und  nach  der  Auffindung  des  Lugdnnensis, 
in  dem  Streben  die  neuen  Funde  einzureihen,  allen  Boden  yer- 
loren  hat. 

Was  im  Jahre  1472  herauskam,  zeigt  folgende  üebersicht. 

Inhalt  und  Ordnung  der  Handschriften  Z. 

Epigrammaton  Über  (in  einer  von  der  jetzigen  durchaus  abweichenden 
Anordnung), 
t  Versus  pascales  (Id.  I,  817'). 
Epistolarum  über, 

enthält  hier  fEp.  Vm  (397),  X  (399),  XI  (400)  —  in  zwei  Stücke 
getheilt  durch  Einschiebung  von  Praef.  Bissulae  (id.  VII,  327)  — 
Ep.  XIX  (409),  XVin  (408),  XXI  (411—413),  XXII  (414,  416), 
XV  (404),  XVI  (406,  406),  XH  (401),  XHI  (402),  XIV  (403). 

Einige  kleinere  Stücke: 

fDe  aerumnis  Herculis  monosticha  ^d.  XIX,  366). 
tDe  XII  Gaesaribus  (266—269,  von  den  Tetrasticha  nur  Nerva 
•     bis  Gommodus  273—278). 
Epigr.  (108)  in  scabioaum  Polygitonem. 
De  mensibus  et  qnattaor  anni  temporibus  (EcL  VII  876). 
Epigr.  (109—114)  De  Siluio. 
Epi^.  (146)  De  notario. 
Gratiarum  actio  (419). 
tTechnopaegnion  (Id.  XII,  338—347,  849)>). 
töriphus  (Id.  XI,  336,  336). 

Cento  nuptialis  (Id.  XlII,  360—360). 
tEp.  IV  (398). 
Ep.  XX  (410). 
fPrecatio  matutina  (Ephemeris  m,  163). 
tEpicedion  (Id.  U,  319  —  ohne  die  Vorrede  318). 
tProtrepticus  (Id.  IV,  321,  322). 
Cupido  (Id.  VI,  324,  326). 
BlBBula  (Id.  VII,  326, 328—331 ;  327  stand  schon  oben  an  falscher  Stelle). 

Das  an  erster  Stelle  befindliche  Epigrammaton  Über  ist  folgender- 
meissen  geordnet: 


1 

9  (V.  1  fehlt) 
2  (getheilt, 
V.  6  fehlt) 


zusammenhängend,  46 

oder  wenigstens  der  Fasti  1,  4,  3  (147,  160,  149) 

Ueberschriften  4 

ermangelnd,  10—12 


3  epit.  32  (249) 

6,  6  13—21  (16  +  16  verbunden) 

epit  86  (263)  23-26 

8  37 


^  Ich  werde  zur  Bequemlichkeit  stets  diese  Bezifferung  der  Pariaer 
Ausgabe  von  J.  B.  Souchay  1730  beifügen;  die  Nummern  1—146  sind  die 
der  Epigramme.  Durch  ein  vorgesetztes  Kreuz  (f)  bezeichne  ich  die  StQcke, 
welche  auch  im  Vossianus  enthalten  sind.  —  *)  Es  fehlt  die  erste  Vor- 
rede an  Pacatus  (337)  und  de  littens  monosyllabis  (848). 


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Die  handschriftl.  üeberlieferang  des  Ansonias.  195 

27—29  (27  +  28  verbunden)  .     71—76 

31—86  (36  getheilt)  123—128  (123  +  124,  126  +  126Yer- 

38—40  bunden) 

119  49 

44  77—84  (84.  V.  8—6  fehlen) 

46—48  (46  +  47  verbunden)  86—89 

60—62  131 

epit.  33  (260)  46  wird  in  anderer  Faflsonff  —  der 

epit  31  (248)  des  Yossianns  —  wiederholt 

64  (V.  8—8  fehlen)  90—92  (90  getheilt,  91  +  92  ver- 

epit  28  (246)  bunden) 

42  41 

65—60  93,  94  (94  getheilt) 

64—70  (69,  V.  6  fehlt,  66  +  67  ver-      30 

bunden)  96—103. 
120 

Selten  weichen  unsere  Quellen  in  der  durch  Auslassung  der 
Titel  bewirkten  Verbindung  einzelner  Ejpigramme^  in  Umstellung 
(z.  B.  69,  120,  70),  in  fehlerhafter  Auslassung  einzelner  Epigramme 
von  dieser  dem  Archetypus  entstammenden  Anordnung  ab. 

Von  der  Editio  princeps  erlangt  man  durch  die  Vergleichung  G 
der  Mittheilungen  von  Saxius  (in  Argelati's  Scriptores  Mediolanenses 
I  p.  CCI),  der  das  noch  heute  in  der  Äwibrosiana  befindliche^^)  Exem- 
plar selbst  geprüft  hat,  femer  von  Harles  (brevior  notitia  litt.  rom. 
Lipg.  1789  S.  716),  Panzer  HI  p.  93  n,  109,  Hayn  I  p.  272  n. 
2176,  Beriah  Botfield  S.  139  —  in  Ermangelung  von  Maittaire  u.  a. 
—  mit  der  auf  ihr  fussenden  Ausgabe  von  Ferrarius  und  den  ver- 
wandten Handschriften  ein  Büd,  das  nicht  täuschen  kann,  wie  mir 
die  erst  spät  ermöglichte  Benutzung  des  Wiener  Exemplars  bestätigt 
hat  (Die  Angaben  der  Ueberschriften  bei  EUis  Catull  ed.  I  p.  XXXIV, 
sind  wohl  einem  in  England  befindlichen  Exemplar  entlehnt.)  Er- 
schienen ist  sie  im  J.  1472.  Jahres-  und  Ortsangabe  findet  sich 
hinter  der  kurzen  Praefatio  ad  lectorem  f.  1^  (im  Wiener  Exemplar 
verloren),  welche  nur  eine  Empfehlung  der  sedulitas  des  Heraus- 
gebers und  Angabe  der  Dichterwerke,  die  dem  Leser  geboten  werden,  . 
ohne  jeden  Hinweis  auf  die  Quelle,  enthält: 

a  nativ.  Christi  ducentesimae  nonagesimae  quintae  Olympiadis 
anno  11  ^^),  VII  idos  Decembres.   Venetüs. 
Ein  Irrthum  des  Saxius  ist  es,  daraus  1477  zu  berechnen;  hinter  dem 
Calphumius  steht  das  Jahr  1472  in  römischen  Ziffern. 

Der  Herausgeber  ist  hinter  jener  Vorrede  wie  hinter  dem  Schluss- 
epigramm nur  durch  die  Anfangsbuchstaben 

.B.     .G. 


'^  Die  Marciana  in  Venedig  besitzt  kein  Exemplar  der  ed.  princeps. 
Bnmet  I  219  nennt  vier  Exemplare,  von  denen  nur  zwei  vollstönoig 
waren.  —  '')  Nicht  alle  Herausgeber  des  15.  Jahrh.  folgen  dem  römi- 
schen Dichterbrauche,  Olympiade  und  lustrum  ffleichzuse&n.  ügoletus 
s.  B.  setzt  1494^  das  Jahr  seiner  ersten  Ausgabe  der  Quintilianeischen 
Declamationen,  m  die  568.  Olympiade. 

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196  R.  Peiper: 

bezeichnet")  Von  alter  Zeit  her  wird  dafür  Bartolomens  Girar- 
dinus  genannt;  über  diesen  Mann  Näheres  zu  ermitteln,  ist  mir  nicht 
geglückt.  Yermuthlich  hängt  er  verwandtschaftlich  mit  den  Brüdern 
Alexander  und  Antonius  Geraldinus  (Gherardinus,  Girardinus)  zu- 
sammen, über  welche  Fabricius  m  36  f.,  I  125  M.  berichtet.  In  der 
tabula  fol.  4^  des  Wiener  Exemplars  heisst  es :  Pub.  Graegorii  Ti- 
ferni  epistojlarum  epigrammatuünque  pars  |  per  L.  chronicum  de 
schiediis  eius  lituratis  coUecta.  Dieser  L.  chronicus  hat  also  in  ge- 
lehrter Verbindung  mit  Bartolomeo  gestanden;  er  war  offenbar  ein 
Schüler  des  Tifemas,  wenn  er  dessen  Goncepte  (schiediis 'lituratis) 
zur  Herausgabe  benutzen  durfte.  Ein  anderer  Schüler  desselben 
Mannes,  der  später  dem  Ausonius  nicht  fern  blieb,  war  Georg  Morula; 
in  diesen  Kreis  gehört  also  ohne  Zweifel  Bartolomeo,  und  die  rich- 
tige Auslegung  des  ^B.  .G.'  scheint  dadurch  verbürgt. 

Im  Wiener   Exemplar  nmfasst  der  Ausonius  49  Blätter:  ur- 
sprünglich waren  also  52  Blätter,  verloren  sind  das  erste  Blatt  mit 
der  praefatio  auf  der  Eückseite,  sowie  2  Blätter  aus  der  Gratiarum  actio 
(p.  288  ed.  Bip.,  Z.  13  bis  290 Z.  19  (mau)ult  uocare  —  sed  cum  paucis- 
simis,  ferner  p.  299  Z.  13  bis  301  Z.  20  Et  Antonius  •—  ne  somni  qui- 
dem  aut  cibi).    Der  Text  beginnt  f.  6':  Ausonii  peonii  poetae  diser-j 
tissimi  epigram|matuiv  Über  |  primus.   Die  Subscriptio  lautet  f.  49^: 
Explioiunt   ea  Ausonii  fragm|enta.    Quae  inuidia^^   cuncta 
corjrodens    uetustas  ßid    manus  |  nostras    uenire   permisitj 
likoc  I  .B.  .G.  I 

aucövioc  fneram  solus:  vOv  x^i^^  '^^  koc^u) 

Artificis  X^^P^  ^^^^  '^^  ^^^  qpuc^i; 
ToGt'  Ipfov  cum  prisca  queat  renouare  uetustas: 

Tum  v^oc  antiquis  praeferet  officiis. 

.  50' — 56^   Publii  Ouidii  Nasonis   poetae  |  Consolatio  ad  Liuijam 

Augustam  de  moi*te  Drusii  o.  s.  w.    Darunter  nur:  Finis. 
f.  57'   Probae  Centonae  Clariss.  fe|minae  excerptum  e  Maro|ni8  car- 

minibus    ad    te8|timonium  |  ueteris   nouique  testamenti  {  opu- 

sculum. 
f.  67^  med.:  T^Xoc  |  Probae  Centonae  clariss.  |  feminae  opusculum:  | 

feliciter  exjplicit. 
f.  68'   Titi  Calphumii  siculi  bucolijcum  Carmen  Omitus  |  et  Corj- 

don  fra|tres  interjlocutores  aegloga  prima.  | 
f.  83'    TcXoc  I  Titi  Calphumii  poetae  Siculi  |  bucolicum  Carmen  | 

finit.  I  Anno  incar.  dominice.  MccccLXXII. 
f.  83^^  ist  leer. 
f.  84'  Publii  Graegorii  Tifemi  poejtae  illustris  hymnus  |  in  trinitatem. 


")  Botfield  und  Hayn  geben  hier  fälschlich  den  voUea  Namen.  — 
*^)  Die  Worte  Expliciunt  bis  permisit  schlössen  auch  die  Tabula  auf 
f.  3^,   wo  richtig  inuida  gedruckt  ist. 

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Die  handschrifbl.  Ueberlieferang  des  AnBonius.  197 

f.  99'    Pmis. 
l  99^  leer. 

Die  Tabula  1' — ö^  reproducirt  diese  Titel  nicht  ohne  weiteres, 
sie  ist  vielmehr  genauer.  ^^) 

Die  Hds.,  welche  diesem  ersten  Drucke  zu  Grunde  gelegt 
wurde,  ist  wie  es  scheint  verloren.  Das  ist  ein  sehr  beklagens- 
werther  Verlust,  den  die  Sorgfalt,  welche  diese  erste  Ausgabe  vor 
allen  folgenden  des  lä.  Jahrhunderts  auszeichnet,  dennoch,  wie  na- 
türlich, nicht  voll  zu  ersetzen  vermag.  Denn  einerseits  haben  sich 
doch  einige  Druckfehler  eingeschlichen,  andererseits  muss  die  Aus- 
legung des  Geschriebenen  immerhin  nach  subjectivem  Ermessen,  wenn 
gleich  mit  Kenntniss  und  Hingabe,  erfolgt  sein  und  selbst  einen  so 
bescheidenen  Herausgeber,  wie  B.  G.  offenbar  gewesen  ist,  zn  Con- 
jecturen  genöthigt  haben.  Um  so  schwerer  ist  der  Yerlust,  weil  von 
den  Hdss.,  die  wir  besitzen,  die  einen  nur  als  fehlerhafte  Abschrifben 
dieser  Ausgabe  sich  ausweisen,  die  anderen  den  Text  in  dem  ver- 
wilderten Zustande,  den  wir  an  Hdss.  des  ausgehenden  15.  Jahr- 
hunderts kennen,  enthalten,  die  einzige,  die  ein  höheres  Alter  als 
die  ed.  princeps  beansprucht,  durch  Auslassungen  imd  Fehler  aller 
Art  entsetzlich  entstellt  ist.  Die  Hds.  des  Bartholomäus  hingegen 
muss,  wenngleich  an  vielen  einzelnen  Stellen  jede  der  anderen 
Besseres  als  sie  bietet,  im  Gkmzen  und  Grossen  doch  entschiedene 
Vorzüge  vor  allen  Erhaltenen  gehabt  haben,  und  dieser  Abdruck 
darum  in  erster  Reihe  unter  den  grundlegenden  Hilfsmitteln  aufge- 
zählt werden. 

Dem  zunächst  haben  wir  den  bereite  von  Vinetus  u.  a.  benutzten 
codex  Tilianus  zu  verzeichnen,  dessen  Identität  mit  Leide  nsis  Vos- 
BianusQ.  107  (früher  Voss,  lat  191)**^)  feststeht.^«)  Das  beweist  die 
üebereinstimmung  der  von  Vinetus  aus  ihm  angeführten  Lesarten^^), 


^^)  f.  3'.  med.:  Ausonii  burdigalensis  uassatis  medici  poetae^.  Aus  den 
Anfimgsworten  des  Epicedion  in  patrem  de  nita  sna  (so  geben  Tüianns  und 
ed.  pr.  den  Titel)  hat  man  diesen  Iri-thum  heransgelesen,  und  ihn  auf  dem 
Titel  weiter  durch  den  Zusatz  Peonü  ausgeprägt.  Es  ist  eine  der  unglück- 
licbsten  Vermuthungen,  den  Ursprung  dieses  Wortes,  das  aus  Virgil  A.  XII 
401  entlehnt  ist,  auf  den  Namen  der  Mutter  des  Ausonius  zurückzuführen. 
—  ")  Bei  Golomesius  durch  einen  Irrthum  192.  —  '•)  Er  ist  der  Vos- 
sianus  alter,  den  auch  Toll  an  manchen  Stellen  benutzte  —  aber  sehr 
sorglos.  Und  dieser  erkannte  schon  seine  (von  Axt  S.  8  f.  vergeblich 
an^ochtene)  Identität  mit  dem  Tilianus.  —  '^  Man  muss  bei  einigen 
sdieinbaren  Abweichungen  doch  im  Auge  haben,  worauf  es  dem  Vinetus 
bei  der  Anfohrnng  der  Lesarten  ankam.  Fasti  I  10  (147)  war  es  ihm 
nicht  um  das  einzelne  Wort  explicet  zu  thun.  Ep.  VIII  13.  14  (397)  wird 
nicht  der  Tilianus  citirt;  'in  nouis'  bedeutet  Drucke,  und  so  findet  sich 
die  Lesart  denn  auch  in  der  Ascensiana  1611:  nuUas  q.  1.  eio.  In  der 
Ueberschiift  von  ep.  XIX  (409)  gibt  jener  nicht  poemation  an,  sondern 
poematouis,  ein  offeDbarer  Druckfehler;  er  hat  das  poematü  der  Hds.  in 
poemation  zu  ändern  gedacht.  XX,  1  kam  es  ihm  auf  aliaue  qua  statt  aliaue 
qnanis  an;  naui  entnahm  er  nicht  mehr  der  Hds.,  in  der  sich  nauimque 
statt  naui  nsque  fand  —  eine  für  i}m  durchaus  nebensächliche  Corruptel. 


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198  Ä.  Peiper: 

(die  C.  0.  Axt  nicht  vollstSndig  zusammengestellt  bat,  8.  11  seiner 
Dissertation,  Leipz.  1873).  Die  griechischen  Verse,  die  zn  epigr.  57 
in  dem  Tilianns  beigeschrieben  waren,  finden  sich  anch  wirklich 
im  Yossianns  wieder.  Als  jüngeren  Alters  und  ohartaceas  wird  er 
öfters  durch  Gegenüberstellung  des  antiqQus,  netus,  membranacens, 
d.  h.  des  Yossianus  111  «=3  Lugdunensis  bezeichnet  z.  B.  Technop. 
339,  7,  Oratio  matntina  84.  Von  Ausgaben  sacht  Yinetus  ihn  za 
scheiden  durch  die  Bezeichnung  loannis  Tilii  uetus  codex,  z.  B. 
Technop.  340  A,  Z.  8. 

Die  Hds.  besteht  ans  Quintemionen^^),  nur  an  sechster  Stelle 
(£.  50' — 57)  ein  Quatemio,  au  neunter  und  letzter  ein  Sextemio.  Vom 
ersten  Quintemio  (jetzt  f.  1—9)  ist  das  erste  Blatt  verloren  gegangen,  mit 
den  Gedichten  1,  9,  2,  3,  5,  6,  253  Y.  1—3;  die  Hds.  beginnt  jetzt  mit 
253  Y.  4.  —  Auf  f.  57"",  mitten  auf  der  Seite  (der  Beet  ist  leer  ge- 
lassen), schliesst  das  corpus  der  Ausoniana.  Indessen  finden  sich 
noch  einige  Nachträge:  1)  zunächst  f.  58' — 59^  med.  (59^  ent- 
hält-nur  5  Yerse),  ep.  XXY  (418)  Quarta  tibi  haec  etc.  2)  Danach 
f.  60' — 62'  Fragmente  des  Catalogus  urbium  (dieselben,  die  Fer> 
rarius  gibt).  3)  t  62^—63^  die  griechischen  epp.  Xu,  XIII  (401, 
402),  vollständig  wie  bei  Ferrarius.  f.  64' — 67^  sind  leer  gelassen; 
dann  folgt  68' bis  88^:  C.Calphurnii  Carmen  bucolicumino.  feli- 
citer.  Der  letztere  ist  von  derselben  Hand  wie  die  Ausönische  Samm- 
lung geschrieben,  üeber  den  Schreiber  jener  Nachträge  zum  Ausonias 
könnte  sich  ein  Zweifel  erheben  beim  ersten  Anblick.  Die  Hand,  die 
die  Urbes  geschrieben,  nähert  sich  durchaus  der  des  Schreibers  von  f. 
1 — 57,  aber  sie  zeigt  auch  offenbare  Yerwandtschaft  mit  der  des 
Schreibers  von  ep.  XXY.  Die  letztere  ahmt  mit  SorgMt  die  Schrift 
der  Yorlage  nach  in  den  Buchstabenverbindungen;  von  einzdnen 
Buchstaben  fidlen  besonders  auf  s,  g,  c,  h;  von  Ligaturen  st,  ss,  sp, 
si^  8u,  fe,  fi,  fl,  et  —  Auch  in  der  Orthographie  schliesst  sich  der 
Schreiber  an  die  Yorlage  an,  während  er  früher  oft  in  die  Ortho- 
graphie seiner  Zeit  yerflült  (Foelix  nunquam  quanuis  etc.);  diese 
Yorlage  war  in  longobardischer  Schrift:  das  gibt  der  Copie,  ob- 
wohl sie  dem  Hauptschreiber  angehört,  einen  fremdartigen  Anslxich. 
Nachdem  der  Schreiber  an  dieser  Yorlage  seine  Hand  gebildet  hatte, 
ging  er  ans  Abschreiben  der  Urbes:  da  zeigt  sich  denn  seine  Schrift 
ein  wenig  grösser,  und  man  sieht  deutlich^  wie  er  mit  mehr  üeber- 
legung  und  langsamer,  weil  von  etwas  schwierigerer  Yorlage,  abge- 
schrieben hat  als  in  der  eigentlichen  Sammlung.  Die  beiden  Briefe 
XII  Xin  zeigen  unverkennbar  die  alte  Hand.  —  Mit  dem  Quater- 
nio  schliessen  £57^  die  eigentlichen  Opuscula;  man  sieht  daraus, 
dass  auf  jene  Nachträge  bei  der  Anlage  nicht  gerechnet  war;  dass  sie 


^^  Der  CuBtode  des  dritten  Quinio  gibt  f.  29^  nicht  die  An&ngs- 
werte  des  ersten  Yerses  vom  vierten  Quixdo  (quis  mirmiloni),  sondern 
des  zweiten  (Inter  uirtates). 


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Die  handflchriftl.  Ueberlieferang  des  AusoniiiB.  199 

sich  erst  sp&ter  Yorgefonden  haben.  Die  Hds.,  aus  der  die  Nachtaräge 
stammen  (yon  den  graeca  muss  man  vielleicht  absehen),  ist  ver- 
schieden von  der^  welche  die  Hauptsammlung  geliefert;  möglicher- 
weise stammen  auch  Ep.  XXV  und  Urbes  aus  verschiedenen 
Hdss.  her. 

Die  griechischen  Stellen  wurden  zunächst  ausgespart  und  sp&ter 
nachgetragen  von  kundigerer  Hand,  aber  mit  derselben  Tinte,  also 
zur  selben  Zeit.  Der  Baum  dafür  war  aber  nicht  stets  genügend  be- 
messen; darum  wird  epigr.  29  am  unteren  Rande  beigefügt,  40 
y.  6  steht  zur  Seite,  ep.  31  ist  aus  diesem  Grunde  ganz  weg- 
geblieben, ebenso  88,  wo  eine  Zeile  zu  wenig  ausgespart  ist 
Baum  ist  aber  nicht  gelassen  für  die  graeca  von  epp.  XII,  XIII  und 
ep.  XIV  V.  25  —  35  (hier  schliesst  sich  der  Schlussvers  36  sofort 
an  24  an),  die  letzteren  sind  dann  im  Kachtrage  vergessen  worden. 
Die  Vorlage  hatte  in  den  graecis  Majuskeln,  wovon  eine  Spur  sich 
ep.  Xn  V.  23  KpeßeHHON  erhalten  hat. 

Gering  sind  sonst  die  Abweichungen  von  der  oben  angegebenen 
Ordnung.  Epigr.  56  fehlt;  ep.  45,  welches  auf  f.  1'  vor  dem  Fasti 
steht,  wird  zwischen  131  und  90  mit  einer  Abweichung,  die  dem 
Texte  des  Lugdunensis  entspricht,  wiederholt.  35  ist  getheilt  in 
zwei  Epigramme,  getrennt  sind  auch  98  und  99. 

Zahlreiche  Spuren  leiten  darauf,  dass  der  Tilianus  auch  in 
seinem  Haupttheile  aus  einer  älteren  Hds.  abgeschrieben  ist.  In  der 
Gratiarum  actio  scheint  der  Schreiber  genau  nach  den  Zeilen  der  Vor- 
lage sich  gerichtet  zu  haben;  so  steht  z.  B.  f.  32^  am  Anfange  von  Z.  5 : 
(p.  294  Bip.  Z.  4  V.  u«)  uestis  cura  praestatur;  er  hat  eine  Zeile 
übersprungen,  den  Fehler  aber  sogleich  bemerkt  —  Ein  grosser 
Theil  der  übergeschriebenen  Varianten  entstammt,  wie  die  Ver- 
schreibungen  beweisen,  der  Vorlage. 

Der  litterarische  Verkehr  des  Elias  Vinetus  mit  dem  ehe- 
nuiligen  Besitzer  dieser  Hds.^^),  Johannes  Tilius  (Du  Tillet),  Bischof 
von  Brieuz,  dann  von  Meauz,  hat  sich  nicht  auf  Ausonius  beschränkt: 
er  benutzte  auch  seine  Hds.  des  Persius-Scholiasten  (s.  Vinets  Brief 
an  P.  Daniel  bei  0.  Jahn,  ProlL  p.  CXVII)  für  die  von  ihm  veran- 
staltete Ausgabe  1563.  Du  Tillet  besorgte  1549  die  erste  Ausgabe 
des  ülpianus  auf  Grund  einer  Hds.,  die  bereits  1544  in  seinen  Be- 
sitz gekommen  war;  die  Identität  derselben  mit  dem  früher  in  Petavius' 
Besitz  gewesenen  Vaticanus  ist  festgestellt;  dieser  Vaticanus  aber  ist 
in  coenobio  Floriacensi  ad  Ligerim  geschrieben  (s.  Ulpiani  ezcerpta 
ed.  J.  Vahlen,  Lips.  1866  p.  V.  VII),  dem  Kloster,  aus  dessen 
Bibliothek  auch  Peter  Daniel,  schon  vor  der  Plünderung  durch  die 
Calvinisten  im  J.  1562,  Handschriften  wie  die  Aulularia  erhielt 
(vgl  H.  Hagen  im  Catal.  codd.  Bemensium  p.  XII  und  in  ^  Peter 


'^  Ueber  ihn  und  seinen  gleichnamigen  Bruder  vgl.  Bayle  ed.  1740 
ToL  IV  p.  360  sqq. 


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200  R-  P«iper: 

Daniel'  S.  6).  Dann  hätten  wir  möglicherweise  auch  onaere  Ausonius 
Hdas.  dem  Kloster  Fleury  zu  danken.*^)  Eine  begrdndetere  Ver- 
muthung  werde  ich  jedoch  weiter  unten  mittheilen. 

Nachdem  Tilianus  ist  das  Kings -Ms.  n.  31  des  British  Mnseum 
zu  nennen,  auf  52  Blättern  dünnen  Pergaments  in  dünnen,  unebenen 
Zügen;  einige  Theile  sind  mit  rother  Tinte  geschrieben.  Der  Inhalt 
entspricht  ganz  dem  der  ed.  princeps,  abgesehen  von  dem  Fehlen 
der  Graeca  401  V.  30—45,  402  und  403  V.  25  flF.  Die  Unter- 
schrift lautet: 

AOZA  Hyadrae  die  XXn  Martii  1475  compleui. 

Die  erhaltenen  Graeca  sind  durch  die  Abschrift  fürchterlich 
verstümmelt,  dennoch  lässt  sich  durch  die  üebereinstimmung  mit 
Tilianus  und  ed.  princeps  öfters  das  Richtige  herstellen,  so  ep.  Xu 
(401):  V.  1  fi^TOXOV;  V.  2  *'A£iov;  V.  3  dcp*  iXmciv  dürfte  vielleicht 
zu  halten  sein:  ist  doch  auch  der  griechische  Name  'EXiric  in  jenen 
Jahrhunderten  aspiinrt  worden,  wie  die  von  der  Legende  zur  Ge- 
mahlin des  Boetius  gemachte  Dichterin  Helpis  bezeugt;  5  Sttoi; 
14  KpivvoCT€<pavoi;  16  trinmphum  liest  Kings.-Ms.  mit  Tilianus 
für  die  conjectur  libellum;  20  für  esse  geben  alle  Quellen  eive;  es 
scheint,  dass  die  Verkürzung  des  ai  in  €  schon  in  Ausonius'  Zeit 
vulgär  gewesen  und  von  ihm  selbst  hier  angewendet  worden  ist, 

Anderes  scheint  in  Kings-Ms.  richtiger  zu  sein  als  im  Til.  und 
ed.  pr.;  V.  13  werden  die  Musen  der  Mnemosyne  in  jenen  ttoXukXti- 
Tiva  T^Kva  genannt,  in  Kings-Ms.  ircXucantica  (iroXiiKANTica) ;  V.  8 
dort  Kpuoc  öbövTUJV,  thöricht  in  KpUjuiöc  geändert,  hier  Kpouc|i6c; 
V.  23  dort  Kpeßevvov,  hier  Kpeßevvou,  was  wenigstens  auf  den  Gene- 
tiv Kpeß^vvujv  leiten  würde;  V.  22  gibt  K  allein  TravTobaTn^,  die 
übrigen  juiavTobaTrri;  24  becxHN,  jene  Xeaxnv;  28  jene  causasie,  K 
hat  das  i  doch  bewahrt:  causaciT€. 

K  füllt  femer  die  Lücken  aus,  welche  sich  in  Til.  und  ed.  pr. 
vorfinden:  die  vorhandenen  Buchstaben  bedürfen  allerdings  erst  der 

Entziffenmg.    In  V.  5  liest  die  ed.  pr.  Kpuoc e^iv;  (etwa  7 

Buchstaben  sind  ausgespart),  in  TiL  folgt  nichts  hinter  Kpuoc  K 
gibt  Kuoc  AHta  ncctin.  Schwerlich  hat  Ausonius  Kpüoc  ä£uXov  gesagt 
mit  Hinweis  auf  die  holzarme  Gegend;  fiSevov  dürfte  passen.  V.  15  ?v6* 
&fe  fioi  TToXu-risa  im\  wird  nach  K  zu  lesen  sein  (ttoXu  Risaeemc  in  K,  wo 
zwischen  ttoXu  und  eiri  die  übrigen  etwa  vier  Buchstaben  auslassen). 
V.  17  lautet  in  K:  TMaTapKdipo  salYOCTiKONYCOTroNTic,  während  die 
andern  nur  Yfiarap . . .  ctixov  bewahrt  haben;  ich  vermuthe:  ö^eT^pTj 
Xfjpov  ciaXöcTixov  fjvuca  TTCjünrq.*)  V.  18  Til.  und  ed.  pr.:  ^eya-f- 
luievo. . . uibrjv,  K:  MpMYTM€NOBapoNU)dHN,  lies:  )i6)iiTM€VO-ßäpßapov 

*^)  Ein  Catalog  der  Bibliothek  dieses  Klosters  vom  J.  1532  wurde 
aus  J.  W.  Hubers  Bibliothek  1789  verstei^rt  (Serap.  V  48).  Verloren 
kann  er  doch  nicht  aein;  wo  befindet  er  sich  derzeit?  —  *)  ^Sprudelnde 
Scherzrede';  ^omnia  nna  saliua  continnare'  sagt  Hieronymus  einmal. 
Uebrigens  ist  der  Buchstabe  hinter  der  Silbe  aal  eher  v  als  t- 


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Die  handschriitl.  Ueberlieferung  des  Ausonias.  201 

tlibriv.  V.  26  ed.  pr.  und  TU.  geben  "Orrt  äOcXStvöoic . . .  ^e^q>€0 
poucatc  K  gibt  ohne  Lttcke  OTta6€X£tNOOic  ^€C€BiTiaf€N  q>€OT- 
MOTCtitc  Das  übereinstimmend  gegebene  ^^^q>€0  ist  zn  halten,  wenn 
hinter  ^ouconc  Komma  bez.  Kolon  gesetzt  wird:  ''Om  )üi^^q>€0,  Qnod 
obiecisti  etc.;  zwischen  äOeXEivöoic  und  }ii}i<^o  scheint  ein  lateini- 
sches Partidpinm,  f&lschlich  ins  Oriechische  transscribirt ,  zu  stehen 

(was  öfters  vorkommt):  ^^  •   Der  sich  daraus  ergebende  Sinn 

scheint  annehmbar. 

Vaticanns  I  —  3152,  s.  XV  in  8®,  f.  1—18  Titi  Calphnrmi 
Sienli  Bncolicnm  Carmen.  19 — 21'  Celii  Cipriani  episcopi  cartha- 
giniensis  nersns.  21^  —  25  Lactantii  Firmiani  de  foesto  die  resnr- 
reetionis  dominice  nersus  etc.  25  —  30  nacna.  31 — 81  Ansonii 
Ponponii  liber  primns  incipit  feUciter.  —  Ezplicit  liber  ansonii  pre- 
treptici  pom.  (das  Schlnssstück  ist  wie  überall  Bissnla  331,  nicht 
ProptrepticaB). 

Alle  Stücke  von  einer  Hand  geschrieben,  die  griechischen  Stücke 
gibt  die  Hds.  in  derselben  ünvollstftndigkeit  wie  Kings-Ms. 

Eigenthümliche  Abweichungen  von  den  anderen  bekannten 
Texten  in  den  Titeln:  epigr.  3  Ad  fontem  Dannbii  iussn  Väleriani 
Angnsti  (denselben  Fehler  begeht  die  schlechtere  Wolfenbütteler 
Ezcerpten-Hds.),  ep.  8  Ezcitaüo  ad  modestiam.  Meist  jedoch  enger 
Anschlass  an  G,  z.  B.  11,  249,  119  und  dann  abweichend  von  K 
and  den  Wolfenbütteler  Hdss.  —  Epigr.  45  wird  nicht  wiederholt,  98 
and  99  verbunden  wie  in  0.  Die  tituli  sind,  wie  es  scheint,  von  44 
ab  (in  der  Ordnung  von  Z)  ausgelassen.  Die  Graeca  sind  vorhanden 
und  meistens  richtig  in  28,  29,  31?,  32?,  40?,  88.  Ep.  XH  (401) 
ist  bis  V.  13  incL  vorhanden.  Die  Hds.  stimmt  hier  gewöhnlich  mit 
K  gegen  T  und  G,  beispielsweise  V.  9  ir^Xci]  mXei  TG,  q)0Kiu 
VK,  aber  ist  offenbar  vorzüglicher  als  dieser,  z.  B.  V.  11  wird  nur 
in  V  vervollstftndigt  gegeben: 

äpXÖ^€VOC  b'  dpa  \Xf\yxV  €U)ta]  NOYT€CAL€Nb€f , 

woraus  sich  ergibt: 

'Apxö)üi€Voc  b*  fipa  Mnvl  v^ip  lavoö  re  calendatc 

Primitias  Paulo  nostro  n^^ipu),  ^eXoetb^c. 
^eXoeib^c  B  ^6Xu)b^c  ist  adverbiell  zu  nehmen;  das  Attribut  ^eXt- 
T|b6ic,  das  man  gegen  alle  Hdss.  eingeführt  hat,  passt  auch  im  Scherz 
nicht  zu  solchen  Versen.  In  V.  6  femer  geben  die  übrigen  Hdss. 
Km  frigidopoetae,  V  allein  das  richtige  Kai  frigdopoetae.  —  Ep.  XIH 
(402)  fehlt,  ep.  XIV  (403)  schliesst  mit  V.  25  (Nobiscum  inuenies), 
epigr.  30  fehlt.  Sonst  werden  noch  vermisst  epigr.  14  (?),  47  (?), 
66,  273—278.  Die  Ueberschriffc  von  ep.  VIII  (397)  lautet:  Auso- 
nius  paulo  secundo  (aus  sal.  verlesen);  der  Text  dieses  Briefes  kommt 
mit  ed.  Bipont.  überein;  er  soll,  und  wohl  auch  die  übrigen  Stücke, 
mit  Verständniss  geschrieben  sein,  auch  wenig  metrische  Fehler  auf- 
weisen; indess  sind  doch  Schnitzer,  wie  das  eben  genannte  secundo 

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202  R.  Peiper: 

statt  saL  nicht  vereinzelt:  In  der  üeberschrift  von  ep.  XXI**  (413 
ad  lambnm  säum)  wird  aus  dem  lambus  ein  lacobns  gemacht;  id. 
VI  (324)  elogia  ans  ecloga.  —  Id.  VII  (327)  beginnt  abweichend 
Yon  G  und  E:  carminins  incompti,  stimmt  also  mit  T  überein,  mit 
dem  er  auch  sonst  sich  berührt;  hinter  ep.  XIV  (403)  z.  B.,  aber 
vor  den  beiden  Schlussversen  dieses  Briefes,  steht:  Finit  epistoLiram 
über  I,  wie  in  T,  nur  dass  in  letzterem  die  Zahl  I  fehlt  und  diesem 
Explicit  seine  Stellung  hinter  V.  36  angewiesen  ist. 

So  weit  die  mir  vorliegenden  Mittheilungen,  aus  denen  ich  obige 
Einzelnheiten  auszuheben  für  genügend  erachte,  ein  ürtheil  ge- 
statten,  liegt  allerdings  ein  nicht  aus  der  ed.  pr.  des  Girardinus 
hergeleiteten  Exemplar  in  V  vor,  dessen  Vorlage  von  Werth  war;  die 
Abschrift  freilich  ist  so  entstellt,  dass  es  genügen  wird,  wenige 
Partien  zu  weiterer  Prüfung  zu  vergleichen. 

Vaticanus  11  =  1611,  s.  XV  ex.  chart  in  4®  min.,  folL  220. 
Zuerst  Propertius  imd  Tibullus.  Ausomus  von  f.  151 — 220.  ^Ausonii 
poetae  uiri  ccmsularis  epigrammatum  et  aepistolarom  fracmenta'. 

Ich  weiss  wenig,  aber  doch  genug  von  diesem  Exemplar.  Die 
Ordnung  der  Epigramme  weicht  nur  scheinbar  von  der  recipirten 
(s.  die  Tabelle)  ab;  es  hat  nur  eine  Umstellung  einzelner  Partien 
stattgefunden,  die  vermnthlich  auf  irriger  Umstellung  der  ersten 
lose  gewordenen  Blätter  beruht:  BL  1  war  nur  auf  der  Rückseite  be- 
schrieben; jede  Seite  mag  etwa  vierzig  Verse  enthalten  haben;  das 
dritte  rückte  nun  an  die  Stelle  des  zweiten,  das  fünfte  an  Stelle 
des  vierten  Blattes,  daraus  ergab  sich  die  jetzige  Ordnung: 


1—3 

1-3, 

249—24 

5—12, 

5—12 

anstatt 

249—24, 

40—58 

25—39, 

25  etc.    ) 

40—58  eto. 

Hinter  den  Epigrammen,  von  denen  109  und  250  (epii  33)  zu 
fehlen  scheint»  ist  die  Ordnung  ungestört;  der  Inhalt  bis  zum  Schluss 
der  gewöhnliche.  Die  Gi*aeca  fehlen  völlig;  für  die  einzelnen  griechi- 
schen Worte  ist  Baum  gelassen,  für  die  Ueberschiiften  Zeilen  aus- 
gespart. Nicht  unwichtig  scheint  die  Notiz,  dass  hinter  ep.  XIV 
(403)  ^Einit  lib.  I  epist.'  steht,  woraus  sich  Verwandtschaft  mit  Ya- 
tic.  3152  erschlösse. 

Laurentianus  I  =:  pl.  XXXIII,  c.  XIX  s.  XV  chart.  in  8^, 
foll.  60  ^optime  seruatus'.  Bandini  ü,  p.  102  f.  Bei  Mont&ucon  p. 
308  B  ist  er  XXXIU  7  bezeichnet  Brandes,  diss.  S.  7,  irrt  in  Be- 
zug auf  diese  Hds. 

Die  griechischen  Stücke  fehlen  aach  in  ihr,  aber  es  ist  Baum  dafür 
gelassen,  so  wie  auch  für  die  einzeln  eingestreuten  griechischen  Worte. 
Ingleichen  ist  Baum  ausgespart  für  Initialen  und  Ueberschriften.  Ausser 
Bandinis  Beschreibung  liegen  mir  Mittheilungen  H.  Peters  vor,  nebst 
ÜoUation  des  grössten  Theils  der  Hds.,  die  derselbe  im  J.  1862  ge- 


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Die  handBchriftl.  üeberliefening  des  Ausonins.  203 

Bommen  hat  Von  Graecis  fehlen  ausser  den  aasgesparten  Versen 
von  28,  32,  40,  die  voUstftndig  griechischen  Epigramme  29,  31,  88, 
sowie  die  Episteln  401,  402,  403  V.  25  ff.  Die  Initialen  nnd  üeber- 
Schriften  sind  zu  späterer  Eintragung,  die  wie  so  oft  unterblieben 
ist,  ausgespart  Als  fehlend  wird  von  Bandini  80  und  127  be- 
zeichnet; ausserdem  120,  wofdr  es  121  heissen  muss  (dies  letztere 
ist  ja  den  Hdss.  Z  fremd);  femer  die  Stttcke  aus  den  Caesares 
273—278.  Irrthttmlich  wird  337  unter  den  Fehlenden  nicht  an- 
gegeben; 412  dürfte  nicht  fehlen,  sondern  nur  ungetrennt  mit  411 
yerbunden  sein.  Die  Periochae  (420  —  468)  nebet  den  Widmungs- 
gediohten  469  —  471,  die  man  Bandini  zufolge  in  der  Hds.  voraus- 
setzen mttsste,  fehlen  natürlich.  Von  Epigr.  24  fehlt  das  dritte  Di- 
stichon,  von  72  das  letzte;  in  beiden  Fällen  abweichend  von  ed.  pr. 
und  Tilianus.  Daraus  ergibt  sich,  dass  dieser  Laurentianus  die  Hds. 
ist,  von  der  Daniel  Bein  sius  in  seinem  Handexemplar  der  ed.  Char- 
pini  zu  Leiden  (768  F  11)  eine  flüchtige  Vergleichung  eines  Theilff 
der  Epigramme  gegeben  hat  Der  Ausfall  von  80  und  127  wird 
durch  ihn  bestätigt,  wenn  er  aber  auch  30,  37,  49  als  fehlend  an- 
gihty  so  kann  sich  das  auf  unsere  Hds.  nicht  beziehen.  Aus- 
gelassen sind  femer  in  üeberstimmung  mit  ed.  pt.  2  V.  6,  9  V.  1, 
69  V.  6;  abweichend  von  ed.  pr.  und  Tilianus:  3  V.  7.8,  35  V.  6. 
Der  Schlusa  von  ep.  VHI  (397)  lautet  gerade  wie  in  der  ed.  pr.,  ab- 
weiohend  vom  Tilianus: 

Nobiscum  inuenies  muUas  quia  liquimus  eh 
Vale  ualere  si  uoles  me  uel  uola. 

Die  Ueberschrift  von  ep.  XIX  (409)  stimmt  mit  ed.  pr.  und 
Til.,  nur  dass  in  Laurentianus  quem  statt  cum  und  et  statt  ex  steht. 
Die  Gratiarum  actio  hat  eine  Lücke  am  Anfange  Z.  6—10  (p.  284 
Bip.)  von  einem  groHas  ago  zum  anderen.  Besonderes  wird  sich  von 
dieser  Hds.  bei  der  Nachlässigkeit,  mit  der  sie  geschrieben  isi^  nicht 
erwarten  lassen.  Wo  ihre  Lesarten  nicht  mit  G  und  T  stimmen'^), 
sind  es  fehlerhafte  Abweichungen.*') 

Girardinus*  Text  beruht  nicht  auf  T:  denn  in  letzterem  fehlen 
beispielsweise  ausser  zahlreichen  Versen,  die  in  G  stehen,  die  Graeca 


>!}  Sie  stimmt  mit  ihm  und  6  z.  B.  21,  8  Ac  (At  G);  24,  3  pitani; 
26,  1  Uiceno;  84,  9  Agat  irascor;  11  haee  fehlt;  66,  2  (T  lässt  66 
aus)  asseueratos;  69  ab  aere]  habere;  76,  8  acciperem  etc.  —  '*)  27,  4 
deuB]  simns;  21,  8  asta;  38,  3  dissimnlabo?  34,  14  libeat;  16  Detego; 
46,  1  Ellinguem;  66,  3  Nob?  -•  et;  4  his  fehlt;  67,  6  tela;  66,  2  abs- 
tulit?  67,  1  Haecdnm  —  nespeiaB?  72,  1  trinÜB]  silice;  2  calaicalum ; 
4  dissüuit;  73,  2  saperasBe;  4  aospidum?;  6  ne;  74,  1  extremo?  (externe 
TU.);  76,  6  missu?  78,  4  postolante;  84,  1  eastaB?;  91,  6  amem;  92,  12 
für  Radium  ist  das  mittelalterliche  iugulum  gesetzt  (cf.  Boetii  Phüos. 
CSouBol.  reo.  R.  Peiper  p.  XXXYDI).  In  diesen  Lesarten  stimmt,  ausser 
wo  ich  Fragezeichen  beigefOgt,  die  CoUation  Peters  mit  der  von  D.  Hein- 
siuB  überein;  die  mit  diesem  Zeichen  Versehenen  entnehme  ich  nur  dem 
Exemplar  des  Heinsins. 

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204  R.  Peiper: 

31  und  88  und  ep.  XIY  25  —  35,  ebenso  die  üeberschiiften  zu  81 
und  82,  28,  31,  32.  Er  wttrde  nicht  aus  eigenem  Antriebe  den 
Titel  ep.  29  de  baccho  T  mit  Libero  patri  E  vertauscht  haben.  Er 
wttrde  nicht  in  ep.  28  mit  E  melior  nulli,  sondern  nulli  melier  lesen, 
oder  nouit  uerum  TE  in  uerum  nouit  ändern;  übersehen  hätte  er 
gewiss  nicht  das  t\  welches  40,  3  in  T  die  sjllaba  anceps  tilgt, 
nicht  in  V.  5  XP^K^fe  fxic  in  XPI^TÖc  1%^  verwandelt.  Sollte  er  bei 
seinem  strengen.  Anschluss  an  die  Hds.,  die  er  benutzte,  iropaiavbi- 
vov  aXq)a  haben  drucken  lassen,  wenn  sich  dort  tropäbeXqpeöv 
dKivbuvov  fiXcpa  vorfand?*')  Ep.  Xu  wird  öttoi  (d.  h.  fiiroi)  für 
öm,  wie  Til.  gibt,  und  dcTiv,  was  TiL  weglässt,  von  Girardinus 
schwerlich  aus  Conjectur  gesetzt  sein.  V.  7  liest  Til.  T€V€VOirXoKa- 
^UJV,  Eings-Ms.  T€V6K0TrX.,  Girardinus  endlich  mit  Yatic.  3152 
Tev€poirX.;  das  letzte  ist  richtig,  falsch  dagegen  die  Vulgata  T€p€- 
vottX.  ;  nur  muss  man  den  ersten  Theil  des  compositums  mit  lateini- 
schen Buchstaben  schreiben:  teneroirXoKdfiwv;  ähnlich  geben  die 
Hdss.  in  V.  5  Ka^iroiciv  statt  campoictv. 

Girardins  Hds.  ist  aber  auch  kein  Bruder  von  E:  wenngleieh 
in  diesem  die  Graeca  entsetzlich  verstümmelt  sind  und  in  ep.  XU — 
XIY  ausser  dem  ersten  Drittel  von  ep.  XII  ganz  fehlen,  bietet  doch 
diese  Hds.  so  Manches,  was  Girardinus  gewiss  nicht  verschmäht  hätte, 
z.  B.  den  Anfang  des  griechischen  Yerses  über  ep.  81  &pxr|  hi  TOt.ri; 
auch  das  ^^v  würde  er  29,  1  nicht  verschmäht  haben,  er  würde 
ep.  32  €i|i'  dvdTTi  statt  des  thörichten  €Im€V  tt]  (el  ^^VTOl  T)  ihm 
entnommen  haben  u.  a.  m. 

Girardins  Grundlage  ist  ein  Text,  der  vielfach  Besseres  bietet 
als  T  oder  E.  Ganz  zu  geschweigen  der  beiden  Yaticani  und  dej 
Laurentianus  I,  die,  an  Alter  hinter  E  erheblich  zurückzustehen 
scheinen.  Alle  diese  Hdss.,  von  denen  keine  aus  der  andern  direkt 
hergeleitet  zu  sein  scheint  (zu  sicherer  Entscheidung  bedürfte  es  doch 
näherer  Eenntniss  der  Yaticani),  gehen  auf  ein  und  dasselbe  Exemplar 
zurück,  das  vor  Alters  an  den  Gestaden  des  Adriatischen  Meeres, 
vermuthlich  in  Yenedig  sich  befand,  von  wo  eine  Abschrift  ziemlich 
früh  nach  Zara  in  Illjrien  verschlagen  wurde,  wohin  uns  die  ünter- 


*^  Es  dürfte  hier  zu  lesen  sein:  -rrap'  db€Xq)oO  didv6uvov  äKxpa;  die 
im  Nomen  proprium  gang  und  gäbe  gewordene  Verkürzung  des  u,  die 
far  das  Griechische  Anthol.  XI  429,  far  das  Latein  dieser  Zeit  Sym- 
machns  ep.  I,  1  bezeugt  (über  die  Messimg  des  offenbar  davon  absu- 
leitenden  Cognomens  in  der  gens  Manlia  'Aoidinus'  liegt  kein  Zeugniss 
vor),  brauchte  bei  diesem  Wortspiel  nicht  aufgegeben  zu  werden.  In 
V.  1,  wo  GTE  übereinstimmend  (nur  dass  in  E  das  Zeichen  fQr  t  weg- 
gefallen ist:  AYAAcacpeoi)  xPY1Ct6c  dKiv^uvoc  aOTabeXq>€ol  lesen,  ist  dura 
Eioschnb  von  o:  op&roabcXcpcol  leicht  zu  helfen.  Weshalb  man  in  ep. 
29,  2  ^l  q>6i|Li^voiciv  durchaus  beseitigen  will,  das  durch  die  griechischen 
Parallelen  genügend  geschützt  ist,  um  die  alte  Messung  von  'A6u)ve0c  in 
gewinnen,  während  man  doch  ein  anapaestiches  Phidias  sich  gefallen 
lassen  muss,  verstehe  ich  nicht. 


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Die  handschrifU.  üeberlieferong  des  AosoniuB.  205 

Schrift  von  K  imd  der  Exoerpte  im  Gudianus  (s.  unten),  die  im  J. 
1445  nicht  erst  verfertigt,  sondern  nur  wieder  copirt  wurden,  weisen. 
Weiterhin  werden  wir  noch  andere  Sporen  jenes  alten  italischen 
Archetypus  ermitteln.  Eine  direkte  Abschrift  desselben  ist  nicht  er- 
halten: sein  Gut  ist  zersplittert  und  muss  nun  aus  den  ältesten  Copien, 
die  wir  besitzen,  aus  GTK,  vielleicht  auch  Yaticanus  I,  zusammen- 
gelesen werden.  Für  die  letzten  beiden  eine  vollständige  Collation 
zu  erlangen,  ist  mir  leider  nicht  geglückt.  Das  eine  muss  hier 
wiederholt  werden,  dass  die  Conjecturalkritik  und  Interpolations- 
sucht diesen  Hdss.  des  Ausonius  ziemlich  fern  geblieben  ist,  die  sich 
bei  anderen  gelesenen  Schriftstellern  im  Laufe  des  XY.  Jahrhunderts 
80  breit  macht  Eine  sorgflQtige,  gar  die  Eigenthümlichkeiten  der 
Orthographie  schonende  und  sonst  peinlich  reproducirende  Abschrift 
werden  wir  trotzdem  in  keiner  Handschrift  zu  erwarten  berechtigt  sein. 
Als  reine  Abschrift  der  ed.  Girardini  ist  folgende  Hds.  zu  be- 
zeichnen: 

I.  Laur entianus  11  =  pL  LI,  c.  XIlI  (Bandini  11  p.  151),  s.  XV 
ex.  membr.  foU.  201.  Die  Hds.  ist  mit  deni  Wappen  der  Mediceer 
geschmückt.  Sie  enthält  vor  Ausonius  den  Martianus  Capeila.  Vor 
den  Epigrammen  stehen  hier  Moseila  und  Caesares  (256 — 
279).  In  Bandinis  Inhaltsangabe  haben  sich  offenbar  Fehler  ein- 
geschlichen.^) Am  Ende  fehlt  aber  wirklich  n.  331.^^)  Hinter 
256 — 259  finden  sich  auch  273  —  278  der  Caesares  (trotzdem  die 
ganze  Beihe  vorausgeschickt  ist).  Am  Schluss  bezeichnet  sich  der 
Schreiber:  De  hoc  Opere  corrupto  ut  plurimum  nil  ulte- 
rius  repperi  et  ideo  explicit.  Alexander  Verrazanub 
escripsit  MCCCCLXXXX.  Er  ist  durch  zahlreiche  Copien  aller 
Schriftwerke  in  den  Jahren  1490 — 1506  bekannt;  s.  Vogel  im 
Serapeum  1850  S.  363  und  Münchener  lat.  Hdss.  10261;  für  das 
Griechische  ist  Platz  gelassen.  Diese  li^gt  wiederum  der  folgenden 
zu  Ghrande: 

II.  British  Mus.  Harleianus  2578:  Ausonii  P^onii  Poet^ 
lepidissimi  Epigrammata  —  die  Graeca  fehlen.  Aber  am  Ende  hinter 
331:  H^c  sunt  ea  Ausonii  fragmenta  qu^  sunt  scripta  in  codicibus 
impressis.  quibus  apposui  alia  qu^dam  eiusdem,  qu^  leguntur  in 
uetnsto  codice  ex  bibliotheca  diui  Marci  Florentif . 

Ausonii  Moysella  folgt  (mit  oder  ohne  Schlussvers,  sagt  mein 
Gewährsmann  nicht,  wir  werden  uns  die  Frage  selbst  leicht  beant- 
worten können;  sodum):  Finiunt  ea  Ausonii  fragmenta  que  inuidia^®) 
cuncta  corrodens  uetustas  ad  manus  nostras  uenire  permisit. 


**)  Er  l&sst  auch  Epigr.  29  und  81  ans,  femer.  401  und  402,  und 
statt  146  schreibt  er  141.  Auch  beim  Laurentianns  I  sind  eine  grosse 
Beihe  ünffenauigkeiten  anzumerken.  —  '*)  Vielleicht  haben  den  Scli^iber 
die  ähnlichen  Schlüsse  von  330  und  331  oris— apes  getäuscht.  —  '^)  So 
gibt  an  dieser  Stelle  auch  die  ed.  Girardini,  während  sie  hinter  der  Tabula 
iwmda  hat 


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206  B.  Peiper: 

Sjonachns  Ausonio  salntem  etc.  |  His  pr^cedunt  monasticha  XII 
C^sarum  (Nnnc  etc.)  |  Ausonii  fragmenta  qu^  omnia  Gorrodens  uetustas 
prouenire  Ad  nos  permisit.  |  Imperfe<%tum  opus. 

Die  anderweitigen,  von  Mont&ucon  bezeichneten  Ysticani- 
sehen  Hdss.,  wie  cod.  3683,  sollen  nichts  von  Ausonius  enthalten. 

Meine  Bemühungen  in  Betreff  der  wahrscheinlich  hierher- 
gehörigen Hdss.: 

Valencia  n.  146  membr.  fol.  Hftnel  p.  1002; 
Escorial  III  S.  25,  s.  XV  membr.  (D.D.  A.  Eomae  die  Ja. 
a.  1625  liest  man  yom),  Hänel  ebenda, 
sind  erfolglos  geblieben. 

Montfaucon  p.  424  D,  führt  (nach  Zaccaria)  aus  der  Dominikaner- 
bibliothek  von  St.  Marcus  in  Florenz  an:  n.  53  (hinter  Ennodii 
Opera)  Quod  compertum  est  ex  libro  Ausonii  Poetae.  Gratiarum  actio 
dicta  Domino  Gratiano  Augusto  sub  Ausonio  v.  c.  Auch  dieser 
mttsste  heutzutage  sich  also  in  der  Laurentiana  befinden. 


11 

Die  ferneren  Palaeotypen,  die  Handschriften  der  Mo- 
seila ^  der  Codex  Ticinensis. 


Wenn  volle  siebzehn  Jahre  vergingen,  ehe  die  Werke  des  Anso- 
nius  von  Neuem  aufgelegt  wurden,  so  beweist  das  nicht,  dass 
Girardinus'  unternehmen  nicht  den  gewünschten  Bei&ll  gelinden, 
oder  der  Absatz  seiner  Ausgabe  weit  zurück  geblieben  wäre  hinter 
dem  Masse,  in  dem  anderer  alter  Dichter  Publicationen  vertrieben 
wurden;  mit  welchen  Schwierigkeiten  die  römischen  Drucker  in 
dieser  Beziehung  zu  k&mpfen  hatten,  ist  sattsam  bekannt  aus  Pan- 
nartz'  imd  Sweynheyms  Schicksalen.  Für  den  Beifall  ist  die  Anzahl 
der  Handschriften,  die  wir  in  jenem  Decennium  auftauchen  sehen, 
bezeichnend  genug;  wenn  sich  durunter  Einige  als  diveote  Abschriften 
des  ersten  Druckes  erweisen,  so  zeigt  das  eben,  dass  die  neue  Art 
der  Herstellung,  weil  weniger  kostbar,  damals  noch  nicht  allgemein 
für  anstiindig  genug  galt,  Manchem  aber,  der  für  sich  den  Schrift- 
steller zu  besitzen  wünschte,  bei  beschränkten  Mitteln  die  eigene  Ab- 
schrift doch  noch  weniger  Unkosten  verursachte.  Nach  diesen  sieb- 
zehn Jahren  aber  folgt  rasch  eine  Ausgabe  der  anderen:  ein  berühmter 
Lehrer  Mailands,  heisst  es^  hielt  es  ftir  eine  Schmach,  dass  aus  dieser 
Stadt  noch  keine  Ausgabe  des  Ausonius  hervorgegangen,  und  das 

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Die  handschrifU.  üeberlieferung  des  Aasonins.  207 

zu  einer  Zeit,  da  noch  nicht  einmal  die  Lobrede  des  Dichters  auf 
Mailand  bekannt  geworden,  die  später  in  Marmor  gegraben  an  öffent- 
licherStfttte  prangte.  Georg  Merula^^)  war  dieser  Lehrer,  und  unter 
seinen  Auspicien  unternahm  es  im  J.  1490  der  erste  Professor  der 
Geschichte  daselbst,  Julius  Aemilius  Ferrarius  (geb.  1452, 
t  1513),  der  den  Ausonius, gemeinsam  mit  dem  Dichter  Joh.  Steph. 
Cotta  studirt  hatte,  einen  verbesserten  Abdruck  der  ed.  pr.  zu  liefem.^^) 
Sein  ^emendauit  et  castigauit'  bezieht  sich  einerseits  nur  auf  gröbere 
Verstösse,  andererseits  auf  die  Herstellung  einiger  wenigen,  dort  in 
gar  zu  schlimmer  Verfassung  edirten  Stücke  nach  einer  leidlich  guten 
Quelle,  aus  der  nun  auch  Fragmente  der  Clarae  urbes,  die  dort  ganz 
fehlten,  hinzugefügt  wurden;  Morula  hatte  dieselben  in  der  Bibliothek 
der  Dominicaner  von  St  Eustorgio  in  Mailand  entdeckt.^) 

Ein  Nachdruck  dieser  Ausgabe  erschien  zu  Venedig  1494'^),  und  an 
ihn  wieder  schliesst  sich'^),  abgesehen  von  einer  Anzahl  Verbesserungen, 
eng  an  in  Anordnung  wie  Text  die  erste  Ausgabe  des  Hieronymus 
Auantius,  deren  Vorrede  datirt  ist  XIV  EaL  Octobres  1496.^^)  Die 
Vertheilung  des  Textes  auf  den  einzelnen  Seiten  ist  fast  völlig  dieselbe ; 
die  sieben  ersten  Bltttter  dieser  Ausgabe  (in  der  die  Blattzählung 
rechts  oben  in  römiscken  Ziffern  zugesetzt  ist)  enthalten  genau,  was 
auf  den  ersten  15  Seiten  der  ed.  Ferrarii  steht,  es  ist  gerade  eine 
Seite  gewonnen;  auf  38  Blättem^^  steht,  was  auf  37  Blättern  der 
ed.  Ferr.  enthalten  ist  Die  Fehler  des  Textes  sind  grossentheils 
herübergenommen,  in  ep.  146  V.  19  steht  z.  B.  wiederum  dedisse 
statt  dedisset,  V.  31  ullata  statt  uUa  tarn  etc.  Eine  Vermehrung 
jedoch  hat  diese  Ausgabe  aufzuweisen:  Bartholomäus  Morula  hatte 
ausser  einei;  empfehlenden  Vorrede  dem  Herausgeber  achtzehn,  bisher 
unbekannte  Ausonische  Epigramme  zur  Verfügung  gestellt,  welche 
der  Veronesische  Dichter  Franciscus  Nurcisius  Geheimschreiber 
(a  secretis)  der  Königin  von  Cjpem,  ^superioribus  annis'  zu  Mailand 
aufgefunden  hatte.  Dieselben  lässt  Avantius  am  Schlüsse  der  Aus- 
gabe hinter  dem  Epigramm  ^Aucövioc  fueram  — '  folgen,  hinter  ihnen 
das  Explicit  fast  mit  denselben  Worten  wie  bei  Ferrarius.  Jene  Epi- 
gramme sind  nach  ihrer  heutigen  Bezifferung: 

epit  38  (255),  118,  137,  117,  132,  133,43,  106, 142,  143, 

22,  144,  121,  134,  136,  116,  140,  145. 


*^  üeber  ihn  s.  Sazius  in  Argelati  Scriptores  Mediolanenses  I  p. 
CXCVil  sqq.  ad  a.  1478.  —  *^  Ezem]^  in  Berlin.  Die  Vorrede  dazu 
abgedruckt  W  Argelati  I  p.  CGGCXClK.  lieber  Ferrarius,  seinen  Freund 
Cotta  und  Varisius,  dem  das  Werk  zugeeignet  ist,  ebenda  I  p.  CCCXXII 
sq.  und  11,  p.  2211  sq.  —  >^  G.  Merum  ^suos  quoque  cinerea  in  Templo 
S.  Eustorgii  reliquit  .  Sazius  1.  1.  —  '^  Exemplare  in  Breslau  (Stadt- 
bibliothek)^  Bonn  und  Wolfenbüttel.  —  ^')  Vielleicht  auch  an  die  Orifinnal- 
auflgabe  selbst?  Letztere  war  mir,  als  ich  dies  schrieb,  nicht  zur  Hand. 
—  ^*)  Die  letKte  Seite  ist  leer;  statt  35  —  38  ist  irrthfimüch  XXXVI— 
XXXIX  gec&hlt.  --  *>)  Exemplare  in  Bonn  (aus  Böckings  Naohlass), 
Wolfenbüttel,  Venedig  (Mardana). 

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208  R.  Peiper: 

Neuen  Zuwachs  brachte  die  Ausgabe  des  Thadeus  ügoletus, 
Panna  1499 '^)  in  so  überraschender  Menge,  dass  der  Umfang  der 
Opuscula  beinahe  um  den  vierten  Theil  sich  vermehrte.  Mit  Recht 
rühmt  er:  ^ez  collatione  diversorum  codd.  Ausonio  additom  quantum 
adhuc  ab  alio  nemine'.  Einem  Codex  des  Tristan  Chaleus  ^uerae  et 
sincerae  lectionis'  wurde  der  L u d u s  VII  sapientum  und  Catalogus 
urbium  entlehnt,  von  dem  seit  Ferrarius  wenige  schlimm  mitge- 
nommene Bruchstücke  vorlagen;  eine  Hds.  des  Antonius  Bemerius 
(iuris  seien tia,  generis  nobilitate  et  auctoritate  plurima  perspicuus) 
^fidei  non  abrogandae'  lieferte  die  Periochae,  eine  dritte,  nicht  nfther 
bezeichnete  Hds.  die  Mosella  sammt  dem  auf  sie  bezüglichen  Briefe 
des  Symmachus:  ^Mosella  uitiatus  et  mutilatus  in  lucem  prodibit  ut- 
pote  escriptus  ex  unico  ezemplari  eodemque  ab  indiligenti  librario 
exarato'.  Am  Schluss  endlich  findet  sich  das  Gedicht  der  Sulpitia 
und  ^epigrammata  ex  Georgii  Alexandrini  quae  feruntur  emanasse 
bibliotheca'.  Das  sind  mit  ihren  heutigen  Nummern  folgende  24 
Gedichte: 

116*  epit  38  (256),  116,  22,  117,  118,  121,  122*   129^ 

130*   132,  133,  43,  134,  136,  136*  ^37,  139*  140, 141* 

142,  143,  144,  146. 

Davon^smdy  wie  wir  sofort  gewahren,  nur  sieben,  die  mit  dem 

Sternchen  bezeichneten,  neu;  die  17  unbestemten  sind  bereits  von 

Avantius  mitgetheilL    Das  einzige  bei  Avantius,  welches  hier  nicht 

erscheint,  findet  sich  in  das  Über  epigrammaton  eingeschoben,  nebst 

acht  andern,  bisher  unbekannten  und  zwar  an  folgenden  Stellen  der 

oben  gegebenen  Epigrammensammlung  in  Z: 

hinter  245:  epit.  29  (246) 

hinter    60:  61,  62,  63 

hinter    84:  85 

hinter  103:  104,  105,  106,  epit  34  (251). 
In  dem  der  praefatio  (an  den  Arzt  Lazarus  Cassola)  beigegebenen 
Index  ^opusculorum  Ausonii  quae  diu  ignorata  a  nobis  iussu  tuo 
publicata  sunt'  finden  sich  aber  auch  noch  folgende  Stücke,  auf  deren 
Quellen  nicht  hingewiesen  wird,  aufgezählt:  zun&chst  Epigr.  54  und 
84,  die  schon  früher  bekannt,  hier  nur  completirt  erscheinen.  Femer 
Epigr.  107,  epi  8  tola  ad  P  aulinum  (ep.  XXY,  418),  Sententiae  Septem 
sapientum  (309 — 315und316),Tetrastichaimperatorum(261  — 
273'^),  279—284),  De  nominibus  stellarum  (ecl.  III  370).  Jenes 
Epigramm,  die  Sententiae,  die  Ecloge,  haben  mit  Ausonius  nichts  zu 
thun**);  wir  werden  nur  nach  den  Quellen  für  den  Brief  an  Panlinus 
und  die  Caesares  zu  fragen  haben. 


'^)  Nachgedruckt  Yenetiifl  1601  in  8^;  vom  Oriffinaldmck  Exemplare 
in  München  und  Venedig  (Märcianä)^  vom  Nachdruck  Breslau,  Stadt- 
bibliothek. •—  **)  273  Nerua  filhrt  iJgolet  irrthümUoh  noch  mit  aaf: 
das  Stück    steht  in  Z.  —    ^<)  Die   Quellen   ffir   diese    Stflcke    fliessen 


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Die  handBchriftl.  Ueberlieferung  des  AuBonins.  209 

Neben  den  Zugängen  bemerken  wir  aber  auch  eine  Aenderung 
in  der  Ordnung  der  Opuscula.  Die  Gedichte  108—114  hat  Ugoletus 
mit  den  oben  genannten  104  — 107  hinter  103  an  das  liber  epi- 
grammaton  angeschoben;  die  Fastengedichte  147,  150,  149  hingegen 
aus  den  Epigrammen  entfernt  und  vor  die  nun  vollständigen  Caesares 
gerückt.  —  Ehe  wir  nach  den  Quellen,  die  er  benutzt  hat,  uns  weiter 
umsehen  und  die  wunderbaren  Widersprüche,  die  zwischen  ügolet 
und  seinem  Vorgänger  Avantius  sich  auf  den  ersten  Blick  bieten,  zu 
entwirren  suchen,  verfolgen  wir  die  ferneren  Zugänge  in  den  weiteren 
Ausgaben  des  Avantius  und  Ascensius. 

Der  von  dem  ersteren  besorgten  Veneta  vom  J.  1507^'')  liegt 
gegen  Erwarten  nicht  die  erste  Avantius-Ausgabe  von  1496  zu 
Grunde,  sondern  der  Text  des  ugoletus,  wie  das  der  Herausgeber 
in  der  Vorrede  auch  selbst  erklärt^^),  obwohl  er  diligentia  an  dieser 
Ausgabe  vermisst,  mit  dem  Bemerken  jedoch :  Miligentiam  quidem 
non  Thadei,  quam  vir  iste  inter  doctos  optimus  nequaquam  potuit 
praestare,  sed  parmensium  aliorumque  omnium  impressorum  pluribus 
locis  desideramus'.  Sein  Verzeichniss  der  neuen  Zugänge  (opera  quae 
nunc  addidimus  non  alias  impressa  sunt  haec)  ist  unrichtig):  eine 
Vergleichung  mit  ügolet  ergibt  ein  anderes  Eesultat.  1)  Vor  dem 
liber  Epigrammaton  erscheinen  neu:  Theodosii  epistola;  Ausonius 
Theodosio  (469);  Pythagoricum  (id.  XV  362).  2)  Im  epistolarum 
liber  schaltet  er  zwischen  414  f.  und  418  (ep.  XXTI  u.  XXV)  zwei 
neue  Briefe  an  Faulinus  nebst  einem  Briefe  des  Paulinus  (I^  v. 
19 — 102  der  ed.  Bip.)  ein.  3)  Zwischen  Protrepticus  und  Cupido 
findet  sich  das  Genethliacon  (323).  4)  Hinter  dem  Mosellabriefe 
drei  neue  Briefe  aus  der  Correspondenz  mit  Sjmmachus:  Symmachi 
ep.  VII;  Ausonius  Sjmmacho  (ep.  XVII,  407);  Symmachi  ep.  VI. 
5)  Gleich  dahinter  ein  Fragment,  welches  bereits  die  ed.  Ascensiana 
als  den  Anfang  von  luvencus  Historia  Evangelica  nachweist  ^^), 
und  darauf  die  Paulinusbriefe  I»  1  —  18,  11»,  11^,  1°  103  —  284 
(285  —  331  fehlen).  Hinter  der  Sulpitia  endlich  wird  noch  ein 
Epigramm  de  matre  Augusti  (7)  angereiht 


zahlreich.  Fürs  erste  s.  Biese's  Anthologie  268  und  R.  Peiper,  Rhein. 
Mns.  XXXI,  189;  für  das  dritte,  ein  Gedicht  des  Priscianus,  wie  die 
Hdss.  angeben  —  a.  dagegen  Scaliger,  Auson.  lectt.  II  c.  29,  Teuffei 
449,  9  --  Biese  n.  679,  für  die  Sententiae  E.  Wölfflin  am  P.  Syrus 
p.  149—152,  ein  Burdecalensis  bei  Vinetus,  Hildeberti  opera  ed.  Beau- 
gendre  col.  1336.  VindobonensiB  281  Endl.  s.  XII,  Hds.  von  Voran  s. 
XU  (Wattenbach,  N.  Archiv  U  403),  andere  nennt  E.  Bährens,  Rhein. 
MuB.  XXX  (aber  im  Thnaneus  8069  stehen  die  Verse  nicht)  etc.  Pul- 
manns Fragment  enthält  wie  andere  316  allein.  —  ^^  Exemplar  in  München. 
—  '^  'Itemm  enim  emendandum  suscepimus  Ausonii  coiucem  non  Vene- 
tiis  scilicet  nostra  castigatione  olim  impressum  sed  Tadei  Ugoleti  bene- 
ficio  a  Parmensibus  impressoribus  nuper  emissnm'.  —  ^*)  Die  Quelle  des 
Avantius  ist  der  jetzige  Harleianas  2699,  zu  Verona  1471  geschrieben, 
s.  unten.  Eine  handschriftliche  Quelle  für  epigr.  7  habe  ich  noch  nicht 
ermittelt. 

Jahrb.  f.  clMS.  FhlL  SuppL  Bd.  XL  14 


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210  tt.  Peiper: 

Neugierig  firägt  man  sich,  welche  Stellang  AvantiTiB  in  Betreff 
der  Nursius- Epigramme  zu  ügolets  Ausgabe  genommen,  für  die 
freilich  nicht  er,  sondern  Bartholomaeus  Merula  die  Vertretung  zu 
übernehmen  hatte;  auch  hier  finden  wir  erstaunt  engsten  Anschluss 
an  ügoletus,  nur  dass  er  —  freilich  nicht  ganz  zutreffend  —  die 
Hauptüberschriffc  berichtigt: 

Ausonii  Epigrammata  per  dominum  Bartolomeum  reperta. 
Dass  die  Zahl  seit  1496  erheblich  grösser  geworden,  erklftrt  er  so 
wenig,  als  ihn  die  von  ügolet  vorgenommene  Umordnung  kümmert 

Die  Menge  der  Emendationen  (auch  bei  418,  wo  er  erheblich 
vom  ersten  Herausgeber  ügolet  abweicht)  fahrt  darauf,  dass  ihm 
neue  handschriftliche  Hilfsmittel  zu  Gebote  standen;  vergl.  404 
(ep.  XV),  406  (ep.  XVI*),  393  (ep.  IV),  auch  beim  Ludus,  wie  es 
scheint.  Auf  solche  Verbesserungen  macht  er  selbst  aufrierksam: 
^distinctiones  emendatae  habent  primus  duas  litteras  maiusculas', 
d.  h.  die  verbesserten  Verse  beginnen  statt  mit  einer,  mit  zwei 
Kapitälchen,  z.  B.  ep.  XXV  v.  12,  22,  28,  43,  47,  51,  54,  56,  58, 
59,  68. 

Eine  durchgreifende  Umgestaltung  der  Ordnung,  die  besonders 
in  den  Epigrammen  die  Grundlage  der  später  üblich  gewordenen  An- 
ordnung bildet,  finden  wir  in  den  Pariser  Ausgaben  des  Ascensius, 
deren  erste  im  J.  1511*^,  unter  dem  Einflüsse  und  der  Mitwirkung 
des  Hieronymus  Älecmder^  durch  dessen  Schüler  und  Freund  Michad 
Hutnelberg^^)  von  Ravensburg  aus,  wohin  derselbe  im  J.  1511  aus 
Paris  (wo  er  seit  1508  weilte)  zurückgekehrt  war,  redigirt  wurde. 
Eine  Handschrift  wurde  nachweisbar  nur  für  die  Mosella  benutzt,  die 
in  dieser  Ausgabe  zuerst  in  lesbarer  Gestalt  nebst  ihrem  Schluss- 
verse erscheint,  sorgsam  bearbeitet  durch  Aleander  selbst,  der  weiter 
auch  die  Bosae  (id.  XlV  361)  ^ez  fide  vetusti  codicis'  dem  Ausonius 
zufügt/*)  So  ist  denn  diese  Ausgabe  mehr  ein  Product  der  Kritik 
ohne  handschriftliche  Grundlage  für  die  Anordnung^)  wie  den  Wort- 


*^  Exemplar  in  Berlin.  Die  nächste  Ascensiana  vom  J.  1618  in 
München;  der  Leipziger  Ausgabe  von  1516,  welche  Bdchard  Crocus  be- 
sorgte, liegt  die  erste  Pariser  zu  Grunde,  wie  schon  die  Uebereinstim- 
mung  im  Titel  beweist;  ein  Exemplar  in  Göttingen.  —  ^^)  Geb.  1487  zu 
Bavensbarg.  —  *')  ^Et  quoniam  nonnulli  tarn  ambitiöse  obstinati  sunt, 
ut  neqne  ex  fide  uetusti  codicis  persnaderi  queant,  hoc  de  rosis  opuscolam 
Ausonii  esse,  sciant  illi  tantam  abesse,  ut  ego  id  non  credam:  nt  etiam 
existimem  plusculos  hninscemodi  Maroni  adscriptos  nostro  saeculo  lusus 
AuBonianos  esse:  Quod  mdidisaimis  argamentis  in  Ansoniana  enarratione 
se  probaturam  Aleander  profitetor'.  Hamelberg  in  den  Castigationes. 
Wenn  Riese's  Apparat  (Anthol.  n.  646)  vollständig  genug  wäre  nna  Sicher- 
heit genug  böte,  müssten  wir  ihm  zu  Folge  das  hohe  Alter  von  Aleanders 
Hds.  anzweifeln,  da  sich  in  ihm  V.  10  findet,  sowie  die  Ergänzung  vom 
V.  41.  —  ^^  Schon  der  Titel  spricht  das  als  ein  HauptTOstreben  der 
Herausgeber  aus :  —  opera  diligenter  castigata  et  in  pulcherrimum  ordinem 
e  pristina  conftisione  restituta.  Anschluss  an  die  Avantius-Ausgabe  von 
1607  zeigt  schon  die  Voranstellung  des  Tbeodosius-Briefes  und  der  Ant- 


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Die  handiichriftl.  Ueberliefenmg  des  Ausonioa.  211 

laut.  Wir  finden  die  Opuscula  in  fünf  Massen  (Sectiones)  gegliedert. 
L  Epigrammata,  ü.  Edyllia**),  EH.  Epistolarum  liber  —  die  Angabe 
der  innerhalb  dieser  Theile  befolgten  Ordnung  ist  hier  überflüssig  —  da- 
•  hinter  erscheinen,  nicht  recht  geschieden,  als  lY.  und  Y.  Sectio :  Sulpitia, 
Epigr.  7,  de  fastis  (147,  160,  149),  luvenci  prooemium,  Gratiarum 
actio,  Ludus,  ürbes,  Sententiae,  de  XII  aerumnis  Herculis,  Caesares, 
de  mensibus  (376),  de  nominibus  stellarum  (370),  Periochae^  zuletzt 
Epigr.  29  und  30.  Wie  es  scheint,  soll  die  Orat.  actio  allein  die 
yierte  Abtheilung  bilden,  Ludus  mit  allem  Folgenden  die  fdnfte,  was 
vor  der  Actio  steht,  noch  zu  den  Epistolae  geschlagen  werden.  Eine 
Yorrede  fehlt  der  Ausgabe  von  1511.  Hinter  dem  Pinis  folgen: 
Castigationes  errorum  insigniorum  quos  inter  imprimendum  opifices 
prae  nimia  celeritate  admiserunt  (3^^  Seite),  geschlossen  durch  ein 
Nachwort: 

Michael  Humelbergius  .  IL^^) 
Lectori .  S. 

Haec  obiter  recognouimus  omissis  quibusdam  labeculis,  quas 
unusquisque  uel  semidoctus  lector  per  se  castigare  potest.  Non  infi- 
ciamur  tarnen  non  pauca  in  omnibus  Ausonii  codicibus  menda  inue- 
niri  magno  digna  vindice:  Quae  Hieronymus  Aleander  uir  omni  lau- 
dum  praefatione  maior  Dum  haec  imprimerentur  alibi  occupatus  sibi 
in  publice  reseruat  auditorio  discutienda.  YALE  candidissime  Lector: 
I  LYTETIAE  PARISIORVM  |  M.  D.  XL  |  Ex  ^dibus  Ascensianis. 

In  der  Ausgabe  von  1513  bevorwortet  Ascensius  selbst  die  Aus- 
gabe und  erklärt,  Aleander  gedenke  nächstens  herauszugeben:  lucu- 
lentas  enarrationes  in  eiusdem  Ausonii  tenebras.  Interea  autem  grati 
animi  significationem  faciesHomedeo  qui  diligenter  ab  ipso  Aleandro 
adnotata  aut  ex  eins  praelegentis  ore  excepta  aut  diuini  ingenii  boni- 
tate  a  se  reperta  sie  concinauit,  ut  Ausonianae  integritati  parum 
deesse  merito  conquerare. 

Mit  Homedeus  muss  Humelberg  bezeichnet  sein.  Ascensius 
sandte  schon  in  vigilia  assumptionis  Mariae  1511  einen  Brief  nach 
Bavensburg,  während  Briefe  von  Aleander  im  März,  April,  Juni  des- 
selben Jahres  von  Orleans  nach  Paris  gerichtet  sind.  Ascensius 
schreibt  dann  Parisiis  Nonis  lulii  M.  D.  Xn.  an  Humelberger:  ^Prae- 
Bcripsi  ut  recepi  annotationes  nomini  tuo.  Dedi  Ausonios  cui  com- 
miseras  et  quot  petierat'.^^ 


wort  des  Ausonius  auf  denselben  (469).  —  **)  Es  ist  selbstverständlich^ 
dasB  diese  Beieichnung,  die  keinen  Ajihalt  in  Ausonius'  Worten  findet 
und  gegen  die  Vinetus  schon  protestirt  hat,  künftig  wegfallen  muss.  In 
der  Pn^fatio  des  Griphus  wie  im  Nachwort  zum  Gento  (335,  8;  360,  2) 
geben  die  Hdss.  epylHa,  epillia,  epilia  T  an  erster  Stelle,  pillia  Yossianus 
ebenda.  Das  dreimal  bei  Nonius  wiederkehrende  Sueius  pnllis  dürfte 
auch  eher  epallis  als  edollis  bedeuten  (Lucilins  ed.  L.  Müller  p.  313, 
Bh.  Mus.  XXIV,  654).  —  "**)  D.  h.  Ravenspurgensis.  —  *•)  Michael  Humel- 
beig.    Eine  biogr.  Skizze  von  Adalbert  Horawitz,  Berlin  1876  (die  erste 

14* 

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212  R.  Peiper: 

Nicht  klar  ist,  warmn  ep.  29  und  30  an  den  Schluss  gestellt 
sind;  sollte  Humelberg  schon  die  später  yon  Yinet  ausgesprochene 
Annahme  der  ünechtheit  getheilt  haben?  Die  Sulpitia  und  das 
luvencns-Fragment  stehen  in  der  ersten  Ausgabe  noch  mitten  unter 
den  echten  Ausoniana,  aber  werden  in  den  Castigationes  als  unecht 
bezeichnet,  und  in  der  Ausgabe  yon  1513  darum  hinter  t^Xoc  ans 
Ende  gesetzt.  —  Die  oft  von  Vinetus  citirte  Ausgabe  (Parisiensis 
liber)  ist  wohl  fälschlich  von  Neuem  für  eine  Handschrift  gehalten 
worden. 

Die  dritte  und  letzte  Ausgabe  des  Avantius,  die  Aldina  von 
1517^^),  ist,  wie  es  scheint,  ohne  Eenntniss  der  Ascensianae  erfolgt; 
die  kriegerischen  Zeiten  machen  das  wohl  erklärlich.  Die  Bosae 
fehlen,  die  Sulpitia  und  das  luvencus-Prooemium  werden  ohne  Be- 
zeichnung der  ünechtheit  weiter  geschleppt;  (jenes:  Queritur  de  statu 
Beipublicae  et  temporibus  Domitiani,  mit  Weglassung  des  Namens 
Sulpitia,  dieses:  Ausonü  Carmen  imperfectum),  die  Ordnung  der  Aus- 
gabe von  1507  ist  beibehalten,  niu*  dass  Epigr.  7  hinter  dem  Pytha- 
goricum  vor  die  Epigramme  gerückt  ist.  Die  Vorrede  an  Marcus 
Cornelius  Cardinalis  (Comaro)  ist  nur  eine  Neuredaction  der  früheren, 
die  an  denselben  gerichtet  war.  Jedoch  ist  dem  Texte  nicht  diese 
eigene  Ausgabe  zu  Grunde  gelegt,  sondern  ein  flüchtig  durchcorri- 
girtes  Exemplar  der  ügoletiana,  aus  der  nun  mancher  Fehler,  den 
Avantius  bereits  in  den  Ausgaben  1496  \md  1507  getilgt  hatte,  in 
die  Aldina  wieder  eingeführt  worden  ist  So  z.  B.  gaben  jene 
beiden  in  ep.  X  (399)  v.  9  richtig  lirare,  die  Aldina  wiederholt  den 
durch  Ferrarius  und  Ugoletus  fortgeschleppten  Druckfehler  der  ed. 
pr.  litare;  jene  in  v.  42  poena  imd  paena,  diese  mit  ed.  pr.,  Ferrar., 
UgoL  penna  etc.;  trotzdem  muss  Avantius  neues  handschriftliches 
Material  gefunden  haben:  in  Epigr.  70  liest  er  statt  des  bisher  über- 
lieferten subulo  in  näherem  Anschluss  an  die  Wolfenbüttler  Hds. 
suppilo.  Und  in  der  Mosella,  deren  letzten  Vers  er  gibt,  hat  er  so 
wenig  die  Ugoletiana  zur  Grundlage  genommen^),  als  die  Ascensiana; 
es  liegt  hier  ein  offenbar  durch  Conjectur  vielfach  berichtigter,  öfters 
verschlimmbesserter,  handschriftlicher  Text  vor  von  einer  Güte,  wie 
sie  ügolets  Hds.  nicht  kennt;  die  Abweichungen  von  der  Bearbeitung 
des  Aleander  zeigen  aber,  dass  Avantius  auch  mit  diesem  keine  ge- 
meinschaftliche benutzte.     Die  von  Brunet  I  220  u.  a.  angeführte 


Asceneiana  stand  dem  Yerfasaer  nicht  zu  Gebote).  In  den  ferneren  beiden 
Aufsätzen  von  Horawitz,  welche  über  Humelberg  epistolarischei  Material 
bieten  (*Zur  Biogr.  und  Correspondenz  Johannes  Beuchlins'  und  ^Ana- 
lecta  zur  Gesch.  des  Humanismus  in  Schwaben,  1612  —  1618')  in  den 
Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie,  Bd.  86  u.  86  (1877),  ist  weitere 
Aufklärung  nicht  zu  finden.  —  *^  Exemplare  in  Breslau  TStadtbibl.), 
Göttingen  und  anderwärts.  —  ^  Wenn  Böcking  bezüglich  der  Mosella 
safft,  die  Aldina  ^exemplum  anni  1607  sequitnr',  so  widerstreitet  dieses 
völlig  der  Sachlage. 


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Die  handschriftl.  üeberliefening  des  Ansonins.  213 

InntiDa  ist  mir  nnbekaimt  geblieben:  sie  ist  vielleicht  nur,  wie  an- 
dere luntinen,  ein  Nachdruck  der  Aldina. 

Es  sind  manchfache  Andeutungen  guter  handschriftlicher  Hilfs- 
mittel,  welche  Ascensius  in  seiner  Diatribae  in  Ausonium,  Ovidium 
ao  Solinum,  Born  1524  f/^),  gibt.  Diese  zersplitterten  Notizen,  die 
zum  Theil  nicht  einmal  auf  eigener  Einsicht  in  das  Material  be- 
ruhen, sondern  mehr  oder  weniger  genauer  Mittheilung  von  Freunden, 
dürfen  wir  vorlKofig  ausser  Acht  lassen,  um  sie  weiter  unten  aus- 
führlicher im  Anhange  des  Vossianus  zu  besprechen,  mit  dem  die 
werthyollsten  Mittheilungen  im  Zusammenhange  stehen. 


1.  Codex  Eustorgianus. 
Nachdem  wir  so  die  manchfachen  Erweiterungen,  die  die  Opus- 
cula  des  Ausonius  von  Girardinus  bis  Ascensius  erfahren,  überblickt, 
dürfen  wir  nach  den  Handschriften  fragen,  denen  Ferrarius,  Nursius, 
ügolet,  Avantius,  endlich  Aleander  entlehnt  haben.  Was  zunächst 
die  Fragmente  der  Urbes  betrifft,  so  sind  dieselben  allerdings  so 
wenig  xunfangreich,'  dass  man  sich  bedenken  könnte,  darauf  hin  den 
Tilianus,  der  eben  dieselben  Beste  dieses  Werkes  enthält,  mit  jener 
Hds.  des  Klosters  St.Eustorgiozu  identificiren.  Betrachten  wir  aber 
die  genaue  üebereinstimmung  des  Druckes  F  mit  den  Lesarten  von  T, 
so  kann  sie  uns  in  jener  Yermuthung  nur  bestärken.  Es  sind  kaum 
nennenswerthe  Abweichungen  zwischen  beiden.  In  den  Ueber- 
Schriften: 

T  F 

De  carthagine  et  constantinopoli  Idem  de  carthagine  constantinopoli 

et  bieantio 
De  capua  Idem  de  capua 

De  treveri  De  treneri  septimo  loco  eatn  ponit 

De  bardegali  nrbe  De  bordegaZZi  urbe. 

Sodann  im  Texte  selbst: 

II  13  LygOB  tu]  lices  tu  licea  ah  tu 

rV  6  praelabitor?  |>erlabitxir 

y  10  emula  aemnla 

YI  1  cvltuaue  poenuque  culta  penuqne 

6  cniroleB  curules 

11  Annibalis  Hannibalis 

18  vitiig  viciis 

yni  3  alpinis  arpinis  (Druck f.) 

6  comertia  cömertia 

XI  6  Cum  Botiant  Garn  sociant 

placida  placi^a 

Xm  2  inmeuBum  imensnm 

13  orifl  oraB  (Druck f.) 

16  tarquinoa  Tarqninius 


*")  Exemplare  in  Bonn  und  Wolfenbüttel. 

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214  B.  Peiper; 

T  P 

XIII  18  merces  marces  Pruokf.) 

20  freta  frea  (Druckf.) 

XIY  8  Bnrdegalia  Bnrdegallia 

18  aereas  aerias 

39  ciuis  cuins  (Druck f. ^ 

40  .S.  Bnrdegala  S.  Bndegalla. 

Wir  finden  fünf  Druckfehler,  vier  Verbesserungen  11  13,  XI  ö, 
lY  6,  VI  1  —  wenn  nicht  an  den  letzten  beiden  Stellen  in  meiner 
Vergleichung  Nachlässigkeiten  vorgefallen  sind  —  alles  üebrige  sind 
Oi-thographica.  In  den  üeberschriften  ist  ein  Abgehen  von  der  Hds. 
nachzusehen.  Diese  Unterschiede  werden  durch  die  genaueste  Ueber- 
lieferung  in  Verstheilung  vöUig  aufgewogen:  wir  haben  eine  für  jene 
Zeit  äusserst  accurate  Copie  des  Tilianus  vor  uns.  Diese  Hds.  hat 
indessen,  um  allen  Zweifel  zu  benehmen,  dem  Ferrarius  (der  überall 
sonst  so  eng  an  den  Girardinus-Tezt  sich  anschliesst,  dass  er  nur 
ausser  inconsequenter  Aendernng  einiger  Orthographica  die  schlimmsten 
Druckfehler  bessert  und  einige  leicht  verderbte  Stellen  durch  Con- 
jecturen  heilt)  auch  noch  zu  anderen  Stücken  Besserungen  geliefert, 
den  makaronischen  Versen  in  ep.  XII.  Ferrarius  weicht  nämlich  hier 
von  der  ed.  pr.  an  folgenden  Stellen  ab: 


ep.  XIT               G 

P 

7  TCvcpoirXoKamuv 

T6p€V01TX0KafAUJV 

9  OoXtropri 

Qdkmupt] 

9  Lücke  hinter  nulla 

mXei 

18  £<pap^o«aTe 

iq>ap\ioZaTk 

23  KOI  Druckf.  für 

Kai 

24  XccxTlv 

Xcaxnv 

31  ßXciüia 

ßXemna 

82  6airac  (statt  baitavac) 

bamvac 

34  ineXujöciv 

{üiTlXujöetv 

36  cpirerai 

€1T€Tai 

38  iLioucaov 

ILioucaui 

üeberall  geht  er  an  diesen  Stellen  mit  T^  denn  auch  v.  7  ist 
seine  Lesart  nur  eine  Bessenmg  der  Lesart  dieser  Hds.  tcvcvottXo- 
Ka)iU)V;  V.  9  ist  dort  in  OaXiTUjpr)  von  erster  Hand  u)  in  o  corrigirt 
In  dem  Distichon  ep.  Xm  war  keine  besondere  Gelegenheit  zu  Ab- 
weichungen. In  ep.  XIV  findet  sich  in  elf  griechischen  Versen  nur 
eine  Aendernng  gleich  im  ersten  Verse,  TrXr|9uv  F  statt  TrXr|6tiv  G, 
dazu  ein  Druckfehler  im  siebenten  Verse:  CKaZvoTa  KOi  (beide  Male 
ist  o  durch  c  ausgedrückt)  für  CKoJvovTa  Kai  G  (der  Setzer  hat  das 
falsche  v  getilgt).  Hier  ist  also,  ohne  Bücksicht  auf  eine  Hds«,  G 
abgedruckt  worden:  inT  fehlen  eben  die  Graeca  dieses  Briefes. 
Wenn  wir  nun  aber  in  den  griechischen  Epigrammen  F  ganz  auf  G 
fussen  sehen,  die  doch  T  hat,  so  wird  es  uns  auch  nicht  wundem 
dürfen,  ep.  XXV  Ausonius  Paulino,  ein  bisher  nicht  bekanntes  Stück, 
von  Ferrarius  verschmäht  zu  finden:  dieser  hat  nämlich  offenbar  die 
Hds.  gar  nicht  in  Händen  gehabt,  G.  Merula  aber,  ganz  der  Gewohn- 


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Die  handschrifü.  üeberliefenmg  des  AuBonins.  215 

keit  jener  Zeit  gemäss,  nur  ein  wenig  daraus  genascht:  dass  diese 
Epistel,  die  seinen  Augen  nicht  entgehen  konnte,  da  sie  vor  den 
ürbes  steht,  überhaupt  noch  nicht  publicirt  war,  ist  ihm  bei 
dieser  flüchtigen  Behandlung  entgangen. 

Dass  eine  Hds.  der  Dominikaner  des  heil.  Eustorgius  zu  den 
Benedictinem  von  St«  Fleury  übertragen  worden  sein  sollte,  ist  kaum 
anzunehmen.  Du  Tillet  aber  hat,  wie  wir  wissen,  sich  nicht  auf 
Durchforschung  der  französischen  Elosterbibliotheken ,  wozu  ihm 
Franz  L  die  Erlaubniss  gegeben,  beschränkt;  er  hat  auch,  wie  Blume 
Iter  I  49  erwähnt,  Handsohriftenkäufe  in  Italien  gemacht:  auf  diese 
Weise  wird  der  Eustorgianus  zum  Tilianus  geworden  sein. 

2«  Moseila-Handschriften. 
Die  Mosella  findet  sich  in  keiner  der  bekannten  Z-Handschriffcen 
als  dieser  Sammlung  eigenthümlich  angehörig,  und  fehlt  auch  im 
Yossianus.  Unsere  Eenntniss  des  Gedichts  beruht  auf  Einzelhand- 
schriffcen.  Woher  haben  Ugoletus,  Aleander,  Avantius  ihre  verschie- 
denen Texte?  Der  des  Ugoletus  ist  so  eigenthümlich  gestaltet^  dass 
wenn  er  nur  noch  ezistirt,  wir  nicht  lange  zu  suchen  haben  werden; 
und  er  existirt  in  der  That  zu  Florenz  in  der  Hds.  des  Yerazzanus 
vom  J.  1490,  pl.  LI  c.  XIII,  der  seiner  Abschrift  der  ed.  Girardini^) 
nicht  blos  die  Mosella  mit  dem  Symmachusbriefe,  sondern  auch  die 
Gaesares  256 — 279  aus  einer  verschollenen  Vorlage,  die  offenbar 
beide  Werke  enthielt,  voraufschickte.*^)  Die  bekannten  Entdeckungen 
in  Bobio,  von  denen  Baphael  Volaterranus  berichtet,  wurden  erst 
vier  Jahre  später  gemacht.  Die  Vergleichung  des  Ugolet-Textes 
hebt  über  jedes  Bedenken  hinweg,  ob  nicht  etwa  Mosella  erst  nach 
imd  aus  Ugolets  Ausgabe  in  jene  Hds.  übertragen  worden  sei^^);  denn 
der  Verazzanus-Codex  ist  frei  von  den  Besserungen  Ugolets  wie  von 
den  durch  seine  Setzer  verschuldeten  Fehlem;  er  gibt,  wo  Ugolet 
gebessert,  nicht  verstümmelte  Ugoletiana,  sondern  Spuren  der  in  den 
übrigen  Hdss.  vertretenen  Lesart.  (45  legenis  L  lagaeis  Ugolet; 
277  dirces  L,  circes  Ug.)  Jene  Vorlage  Ugolets  ist  nun  aber  eine 
so  verstümmelte  Hds.  der  Mosella,  dass  es  unmöglich  war,  auf  den 
ersten  Anlauf  einen  lesbaren  Text  zu  schaffen,  der  Herausgeber  hat 
(wir  müssen  nur  stets  den  Standpunkt  seiner  Zeit  dabei  im  Auge 
behalten)  sich  redlich  darum  gemüht  —  die  eben  genannten  Cor- 
recturen  zeigen  das  schon  (wenn  auch  die  erste  derselben  durch  die 

^  Die  Mailänder  Ausgabe  ist  erst  vom  15.  September  1490  datirt. 
—  01)  Eine  Abschrift  ist,  wie  oben  gesagt,  der  Harleianus  2578;  in  der 
Wiener  Hds.  der  Mosella  (358  Endl.  114/cp  109,  f.  45'-- 48',  einst  dem 
Seb.  Tengnagel  gehörig,  der  Symmachus- Brief  fehlt  nicht^  sieht  Tross 
(Vorrede  S.  10)  nur  eine  Abschrift  der  Ugoletschen  Ausgaoe,  vielleicht 
nur  auf  der  Nachricht  vom  Fehlen  des  letzten  Yerses  fassend.  Den  Wunsch, 
ihre  Bekanntschaft  zu  machen,  lässt  das  junge  Alter  der  Hds.  nicht  auf- 
kommen. —  **)  In  diesem  Falle  wäre  es  doch  sehr  wunderbar,  wenn  nicht 
auch  die  übrigen  Zugänge  ugolets  in  ihr  Aufnahme  gefunden  hätten. 

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216  R.  Peiper; 

bessere  üeberlieferung  limigenis  hinfilllig  geworden  ist).  Der  Tadel, 
zu  dem  sich  Ugolet  gegen  den  Schreiber  der  Hds.  veranlasst  sieht, 
hat  ihn  wohl  bewogen,  seine  Quelle  zu  verschweigen';  es  lohnte  sich 
wohl,  dem  edlen  Besitzer  der  äusserlich  so  schönen  Hds«,  der  ihre 
Anfertigung  veranlasst,  Aerger  zu  sparen.  Keine  der  heute  bekannten 
Mosella-Hdss.  gehört  ursprünglich  Italien  an.  Auch  die  Vorlage  des 
Laurentianus  ist  sicherlich  erst  durch  einen  Henoch  aus  dem  Norden 
oder  Nordwest  dahin  verpflanzt  worden  in  einer  Abschrift,  die  an 
Barbarei  mit  allen  jenen  Findlingen  wetteifert.  Die  Zahl  der  klei- 
neren Werke,  deren  Auffindung  bestimmten  Personen  zugewiesen 
wird,  ist  eine  aufflQlig  geringe,  verglichen  mit  der  Intensivit&t  dieser 
Bestrebungen;  es  wurde  nicht  gar  viel  Aufsehens  davon  gemacht; 
trägt  doch  nicht  einmal  die  Neapolitaner  Abschrift  der  Dracontiana 
den  Namen  dessen,  der  sie  in  Bobbio  femd.  Oder  dürfte  man  sich 
genügen  lassen  an  der  mündlichen  Kunde,  die  davon  zu  den  Ohren 
der  sich  dafür  interessirenden  Oelehrten  drang?  Die  Entstehung  der 
Fehler  in  unserem  Mosella-Exemplar  ist  nun  offenbar  derselben  Ver- 
anlassung wie  bei  den  anderen  Funden  zuzuschreiben:  Unfähigkeit 
des  italienischen,  seit  langer  Zeit  an  ganz  andere  Schriftzüge  ge- 
wöhnten Abschreibers  zur  Entzifferung  der  alten  Hdss.;  und  auf 
ziemlich  hohes  Alter  der  Vorlage  deuten  denn  nicht  wenige  der  zahl- 
reichen Lesefehler  hin.^*) 

Sehen  wir  von  diesen  Schnitzern  ab,  so  deuten  die  wesentlichen 
Unterschiede  des  Laurentianus  von  anderen  Ueberlieferungen  darauf 
hin,  dass  wir  es  mit  einem  nahen  Verwandten  des  Bruxellensis 
zu  thun  haben^):  aber  nicht  nur  in  der  Moseila,  sondern  nicht  minder 
in  den  Caesares.*^)  Dieser  Verwandte  ist  jedoch  noch  frei  von  zahl- 
reichen Fehlem,  die  wir  in  dem  Exemplar  B  finden,  und  wird  demnach 
zu  einer  nicht  unerwünschten  Hilfe,  um  das  Letztere  zu  controliren.^ 

Hieronymus  Aleander  giebt  keinen  rein  handschriftlichen  Text; 
er  hat  ein  Ugolet*sches  Exemplar  nach  einer  Hds.  und  eigenen  Ver- 
muthungen,   wie  350  Bomaeque  tuere,   durchgebessert  und  so  ist 


^)  80  sedere  Lüg.  für  aecundae,  11  climeast  .  .  .  LUg.  für  dioi 
castra,  117  est  tendere  für  contendere,  123  latus  für  lectos,  189  con- 
claueus  fQr  cxmi  glaucus  etc.  —  ^)  Hier  wenige  aber  ausreichende  Be- 
lege. Im  Symmaohusbriefe  fehlen  die  Worte  Unde  igitur  —  credidistd  in 
Büg.,  Mosella  113  fehlt  in  BLÜg.  fartim,  27  deuexus  BLUg.,  320 
decoramine  BLÜg.,  329  irmpit  BLUg.  —  '^^)  Hier  kann  ich  nur 
Ugolet,  nicht  seine  Hds.  L  befragen;  sie  kommen  gegen  die  anderen  Hds. 
überein:  Tetrast  II  2  Augustas,  V  3  et  crimina  ^sus  fehlt,  VI  4  quae] 
et,  IX  2  Caesar  faeris  B  fueris  Caesar  Ug.,  4  agit  B  ait  Ug.,  X  3  flam- 
mam,  XII  1  seminos,  XXI  sceleris  B  celeris  Ug.,  XXU  4  Irnsu,  XXIV  1 
Tunc.  —  *•)  Man  beachte  folgende  Stellen  der  Caesares ,  wo  Ugolet  — 
also  jedenfalls  sein  Laurentianus  —  gegen  B  die  richtige  Lesart  bewahrt 
hat:  I  1  Sorte  Ug.  more  B,  V  2  ingenii  Ug.  imperii  B,  VII  1  mereri  Ug. 
teneri  B,  VHI  3  erit  Ug.  ausgelassen  und  Raum  dafür  B,  XX  1  non  Ug. 
quod  B,  XXII  inscr. :  Caracalla  Ug.  fehlt  in  B,  XXH  3  nocens  Ug.  carens 
B,  XXIII  4  quae  Ug.  qui  B.    In  Mosella  fehlt  v.  286  in  B,  nidit  in  L. 


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Die  handscbrifU.  üeberliefening  des  Ansonms.  217 

denn  manche  nmichtige  Lesart  ügolets,  die  offenbar  der  benutzten 
Hds.  fem  lag,  conservirt  worden,  wie  gleich  anfangs  y.  1 1  Niuomagmn, 
das  einem  Nuiomagnm,  statt  Noiomagum,  seine  Entstehung  ver- 
dankt u.  8.  w.^^  Dennoch  kann  sein  Text  die  handschriftliche  Her- 
kunft nicht  verleugnen,  er  weist  uns  mit  aller  Sicherheit  auf  den 
Codex  des  heil.  Gallus  hin. 

Auf  dieselbe  Hds.  führen  uns  auch  mit  aller  Bestimmtheit^) 
die  Lesarten,  die  Th.  Poelmann^^)  aus  ^Cornelii  Gualtheri 
Mosella  liber  antiquus'  mittheilt  Ersichtlich  hatte  Poelmann 
diese  Hds.  nicht  selbst  in  Händen,  sondern  verfügte  nur  über  einzelne 
Lesarten,  die  er  der  Mittheilung  des  Cornelius  Wouters  ^)  verdankte. 
Aber  Wouters  selbst  kann  nicht  im  Besitz  des  cod.  S.  Gallensis,  den 
Goldast  für  seine  Erotica  (Francof  ad  M.  1610)  offenbar  an  Ort  und 
Stelle  benutzte,  gewesen  sein;  auch  er  hat  bestenfalls  nur  eine 
Abschrift,  wahrscheinlich  nur  eine  Collation  besessen,  die  mit  der 
des  Aleander  vielleicht,  wenn  nicht  identisch,  doch  verwandt®^),  mög- 
licherweise ein  Auszug  daraus  war.  Für  Aleander  ist  die  Ver- 
gleichung  des  S.  Gallensis  zweifelsohne  durch  M.  Humelberg  in 
der  Heimath  besorgt  worden®*)  und  durch  diesen  mag  der  Fund 
aueh  anderen  Humanisten  mitgetheilt  worden  sein;  und  verfolgen 
wir  die  von  Poelmann  p.  99  zu  v.  367  angedeuteten  Spuren,  so  ist  es 
Hermann  Graf  von  Nuenaar,  ein  Mann  der  allerdings  auch  selbst  die 
Schätze  jenes  Klosters  zu  prüfen  Gelegenheit  hatte^  dem  Wouters  seine 
an  Poelmann  weitergegebenen  Mittheilungen  zu  verdanken  hatte.^ 

Abweichungen  der  Aldina  1517  von  der  Ascensiana  1511. 
Woher  nun  Avantius  die  Hds.  gehabt,  die  er  bei  seiner  dritten 
Ausgabe  des  Ausonius  der  Moseila  zu  Grunde  legte,  ist  nicht  zu  er- 
mitteln, üeber  ihr  Verhältniss  zu  den  erhaltenen  Hdss.  wird  am 
besten  eine  Yergleichung  der  Aldina  mit  der  ersten  Ascensiana 
Auskunft  geben.  Ich  füge  die  Siglen  der  Hdss.,  die  für  die  Lesart 
des  Avantius  oder  Aleander  eintreten,  bei,  indem  ich  mit  a  Ugoletus 

«'O  Vgl.  V.  71.  118.  207.  278.  297.  329.  386.  466.  —  ")  Die  Identität 
ist  unanfechtbar:  v.  374  ist  diua  ein  Irrthum  Poelmanns,  v.  367  scheint 
Böckings  Angabe  ans  S.  GaUensis  unsicher.  —  ^^  Ausonius  ed.  Th.  Pol- 
m&nnus  Antverp.  Plantin.  1568.  —  '^  Patricier  von  Gent,  Canonicus 
St.  Donatiani  daselbst,  f  1582.  Vgl.  ausser  JOcher  und  Grässe  HI  1,  1243 
Sweertü  Ath.  Belg.  s.  187,  Foppens  I  102.  —  '^)  Mit  Aleanders  Ausgabe 
selbst  ist  Wouters  liber  antiquus  nicht  identisch:  denn  Poelmann  gibt 
daraus  v.  11  Noiomagum  45  limigenis  80  fas  ant  89  rhaedo  140  At 
cum  192  propulit  263  inualido  278  carptas  365  Drahonum  374  diua 
Mosella  380  Bomae  tenuere  484  Chamaaes  452  post  munera.  Auch 
scheint  Poelmann  die  erste  Ascensiana  gar  nicht  gekannt  zu  haben;  in 
dieser  findet  sich  wenigstens  nicht  die  Lesart  Torta,  die  er  zu  v.  368 
aofl  seiner  Ascensiana  anfahrt.  —  *')  Vielleicht  hat  Aleander  auf  diesem 
Wege  auch  schon  Kenntniss  des  Technopaegnion  im  heutigen  Leidensis 
Yoss.  Q  38  erlangt.  —  *')  Dass  der  Gemblacensis,  den  JPoelmann  be- 
nutet  hat,  uns  im  Bruxellensis  erhalten  ist,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Das 
ist  auch  Brandis  Ansicht. 


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218 


R.  Peiper: 


lÖOl  (die  Originalausgabe  stand  mir  nicht  mehr  zu  Gebote),  0  San- 
gallensis,  R  Bhenaugiensis,  B  Bruxellensis,  T  Vaticanus  (geht  nur 
bis  Y.  180),  mit  iX)  endlich  die  Uebereinstimmang  sämmtlicher  Hdss. 
mit  Ausnahme  der  auf  der  andern  Seite  etwa  genannten,  bezeichne.*} 

Aldina 
1  nauem  V 
8  Dom  NisBum  a 

10  conspicior  Druck  f. 

11  Nouomagum   Av.   (Nogom.  Y 

Noiom.  cett.) 
16  aetrham  V 
18  nitentis  aGB' 


27  Naniget  a  (Druck f.) 

28  fluuioB  uitreosque  Av. 

29  aequiperare  aui 
33  prolapsus  a 

(36  Buperante  aus  Conjectnr.) 


39  Bortire  Druckf. 

45  limigeriB  R  (lagaeiB  a) 

47  Sicca  in  primores  spargis  Ay. 


49  Trudena  Av. 

61  leue  Druckf. 

68  calydcnÜB  Av.  Druckf.? 

71  locupletes  quaeque  Av. 

72  AsBimilaot  a  G'B 

79  Nomina  quae  et  c.  RB 

80  aut  a\u 

84  caeruleos  (ceruleas  a)  Druckf. 
fluitanteB  (fluitantifi  GR) 

86  praetenero  au) 

89  thedo  a 

90  Efßgiens  Druckf. 
92  hoBtia  RB^ 

95  uni  R 
101  fronte  Av. 

113  pinguescit  R 

114  squalot  uj 
cauda  Av. 

120  Hinc  a 

128  geminas  species  a 

130  &rio  Druckf.  ? 

149  magnuB  R? 

150  liquidus  Druckf. 
153  bacchea  Druckf. 


Ascensiana 
Nauam  atu 
Dumnissum  w 
conspicor  aui 
Niuomagum  a 

aethram  auj 

nitentes  (aber  nitentis  Castigg.) 
RB»V 

Nauiger  u) 

fluuiuB  uitreoque  au) 

aequiparare 

praelapsuB  w 

(fluperante  Castigg.  aus  Conjec- 
tur)  aperante  im  Text  w,  (spi- 
rante  G,  aperanti  Y) 

Bortite  au) 

lunigenis  (limigenia  w) 

Sicca  in  primo  respergunt  u.  lim- 
phaa  ui,  respergit  a  (aber  Ca- 
stigg.: Sed  sicca  in  primo  asper- 
git  u.  limpha  uel  sicca  sed  etc.) 

Tendens  aui 

lene  aui 

caledoniis  aui 

locupletibus  usque  a 

asflimulant  G^R?  adsimulant  V 

N.  quae  c.  aGV 

haud  R 

caeruleo  ui 

fluitantibus  aVB  (aber  fluitoatea 
Castigg.) 

prae  tenens  AI.  (aber  prae  teuere 
Castigg.) 

redo  (rhedo,  rhaedo,  raedo  ui) 

Effugiens  aui 

Ostia  aui 

omni  aui 

frontem  aui 

pinguescis  aui 

squallet  a 

caudam  aui 

Hie  ui 

species  geminas  ui 

sario  a 

magno  aui 

liquidas  aui 

baccheia  a  (ui) 


*)  Mit  Av.  und  AI.  bezeichne  ich  die  Lesarten,  welche  auf  Con- 
jectur  zu  beruhen  scheinen. 


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Die  handachrift.  üeberliefemng  des  An«oma8. 


219 


160  Gamiimam  aB 

Garonnam  (w) 

167  astrepit  aBB 

adstrepit  GV 

169  homineB  Ay. 

hominnm  au) 

171  Naiadas  Ay. 

Naidas  ui 

176  fdrata  e 

fnratsB 

176  oread^  aiu 

oreiadas  AI. 

186  ferant  Ay.  (specnnt  a) 

petunt  UI 

187  tegantur  aR 

tegatnr  tu 

193  profandit  a 

perfondit  u) 
Adnnmerat  G 

196  Annnmerat  aEB 

198  confadit  BB 

confandit  aG? 

207  exclndet  a  (Drnckf.) 

excludit  atj 

209  Bolfurei  Av. 

snlphnrei  au) 

210  Ve«em 

Vesffiui 

216  missena  a 

mylasena  (ui) 

216  cymbae  B  (cimbae  aR) 

cnmbae  G 

221  faseli  (fitselli  a,  phaseli  ui) 

phaselli 

222  perfimderit  a 

perfuderit  lu 

224  rediget  Av.  (redüt  aB) 

redegit  (aber  Castigg.  redigit  ui) 

226  Atque  B 

Vtqie  aui 

286  praetendit  Av.  (pretendat  a) 
237  Libratos  R 

praetemptat  uj 
Vibratos  aui 

coeptat  Av. 

captat  aui 
defensns  —  pisds  G 

242  defensos  —  pisciB  w  (defensas  a) 

249  Implicitos  Av. 

Indutos  uj  (InductoB  G) 

266  Dextera  a 

Dexter  ui 

261  Cniqxie  Av. 

Qniqne  aui 

266  brancia  au) 

branchia  AI. 

276  coeptat  Av. 

captat  aui 

277  Dirces  ui 

Circes  AI. 

278  captas  a 

carptas  ui 
Tethyn  (ui) 

281  Thetim  (a) 

288  miratnr  a 

miretur  ui 

189  chalcedonio  Av. 

calcedonio  aui  (calched.  G) 

294  plangQ  R 

pnlsn  aui 

296  promiscent  a 

permisceut  ui 
Qni  UI 

298  QuiB  a 

304  syracaBii  aw 

syracosii  AL 

307  hebdomade  Av. 

hebdomas 

(312  quadro  coi  in  R  [cedro  in  a] 

ebenso  AI.  ans  Conj.,  denn  G  hat 

qnadra  cni  in) 

314  incesti  aui 

incerti  Drnck£ 

316  totns  R 

coms  aui 

317  afflatamqne  auj 

afflictamqne  ? 

323  nendicat  R 

nindicat  aui 

324  Villa  Drnckf.  (Vlla  a  sollte 

illa  uj 

in  illa  corrigirt  werden) 

336  nntantia  Av. 

nitentia  aui 

colnmnifl  ui 

colopis  a 

345  hie  Av. 

huc  aui 

afforet  aui 

adforet 

361  hostia  u) 

Ostia  aG'  ' 

364  est  a  (pronea  est  a  statt  pro- 

est  fehlt  UI 

neae   ui,    Av.   hat  proneae 

corrigirt  aber  eststehen 

lassen) 

addneta  (adncta  a) 

adint«  ui 

368  hostia  nnr  R 

Ostia  aui                           ^ 

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220 


R.  Peiper: 


359  Belgis  au) 
Erubris  BG 

360  allabere  E  (alabere  a) 
363  seras  Ay. 

366  Draconum  a 
369  festa  B 

hostia  aB 
377  TybriB  GB  (tibria  a) 
380  Bomae  tennere  aui 
388  qui  a 
392  oÜB  B  (ora  a) 
394  niromm  a 

407  BritanoB  (der  Vers  fehlt  a) 
416  Detestatnr  aBB 
421  angasiae  Drackf. 

426  tdncti  Druckf. 

427  tactu  B 

431  utrinqae  Av. 

433  hostia  aui 

434  Chamaues  au) 

436  amne  B 

437  uno  a 
448  tanta  a 

meri  —  fli  Av. 

460  natuB  Ay. 

461  Saxona  Ay. 
464  nolntuB  aw 
466  postponet  w 

Tagam  Ay.  (tandem  a) 
468  AturDUB  B 
471  taurinthes  B 
473  hostia  B^ 
483  Gammnae  Av. 


gelbis  G 

Ernbras  aB 

adlabere  G 

serras  w  (sarras  a) 

Drachonnm  (drahonum  G) 

fessa  aiu 

Ostia  ui 

Thybria  B? 

Bomaeque  tnere  AL 

que  UI 

oci  (w) 

uiritim  ui 

BritannoB  ui 

Detexatnr  G 

Augostae  atu 

iuncti  aui 

tractu  aui 

utrique  aui 

Ostia  G* 

Oamaues 

amni  aui 

nnos  UI 

quanta  ui 

mei  —  se  aui 

nati  aui 

Azona  aG 

uolatus  Druckf. 

TamS  UI 
Atorrus  bui 
taurinae  aui 
Ostia  auj 
Gamiinae  (ui) 


Man  sieht,  die  Verwandtschaft  mit  dem  Bhenaugien  sis  tritt  klar 
hervor,  und  mit  ihr  stimmt  der  andre  umstand,  dass  Avantius  für  die 
Caesares,  die  im  Bhenaugiensis ,  und  also  vermuthlich  auch  seinen 
Verwandten  fehlen,  in  seiner  Hds.  keine  Hülfe  gefunden  hat,  sondern 
nur  den  Text  des  Ugoletus  mit  einigen  Besserungen  wiedergibt.  Folgen- 
des sind  die  sämmtlichen  Abweichungen  in  den  Tetrastichen,  sammt 
den  Orthographicis  und  Druckfehlem: 

a  Aid. 


II  4  Bcaena 

saeua 

m  1  nectus 

nactuB 

IV  2  Bcaeuo  Bcaeuior 

saeuo  aaeuior 

4  polutum 

poUutum 

V  2  speciem 
VI  4  et 

apecimen 

quae  (Conjectur) 

IX  1  digna 

digne 

2  tibi 

sibi 

4  alt 

adit 

non  fehlt 

non 

X  1  comoduB 

commodus 

famam 

XI  4  nos 

non 

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Die  handflchrifbl.  üeberliefermig  des  AnBonius.  221 

a  Aid. 


XII  3  qua 

qaia 

XIV  1  Agreditur 

aggreditor 

4  &tare 

fBiteare 

XY      HabrianuB 

Adrianns 

3  hinc  cai  iunctus  erit 

hie  Bociatqae  nimm 

XVm  1  harenae 

arenae 

2  beUa 

bello  Druckf. 

\  \l  1  e  geHdo 

egelido 

2  parricidae 

paricidae 

3  CBxngo 
XXin  2  anctorem 

origo 
authorem 

3  qnereUis 

quereÜB 

XXTV      AlagabaluB 

HeliogabaluB 

Tunc 

Tu  ne 

Bei  Xni — XV 111  hatte  ügolet  nur  seinen  Laurentianus  zum 
Führer  genommen,  und  die  früheren  Ausgaben,  die  wenigstens  diese 
Tetrasticha  bewahrten,  vernachlässigt;  Avantius  hat  auch  aus  ihnen 
nur  für  XV  3  einen  unbedeutenden  Gewinn  gezogen.  Diese  Stelle 
zeigt  aber  zugleich,  dass  er  auf  dies  Hülfsmittel  beschränkt  war  und 
die  übrigen  richtigen  Aenderungen  glückliche  Coigecturen  sind. 

Dass  Avantius  den  Bhenaugiensis  selbst,  bez.  eine  aus  ihm  ge- 
nommene Abschrift  gehabt  hat,  ist  mir  nicht  erweislich ;  wir  werden 
an  einzelnen  Stellen  also  Avantius*  Ausgabe  zur  Controle  dieser  Hds. 
nicht  verschmähen  dürfen. 

3.    Codex  Ticinensis. 

Auch  für  die  weiteren  Zugaben  in  Ugolets  und  Avantius*  Aus- 
gaben bedaure  ich  den  Leser  nicht  in  die  Bibliothek  von  Bobio  führen 
zu  können.  Die  von  ügolet  benutzte  Hds.  des  Tristan  Chalcus  — 
die  im  Original  mit  eigenen  Augen  gesehen  zu  haben,  weder  Ügolet, 
noch  selbst  Chalcus,  wie  ich  glaube,  sich  rühmen  darf  —  ist  uns  er- 
halten im  Parisinus  8500  s.  XIV  foL;  diese  werthvolle  Hds. 
bietet  allerdings  viel  mehr  als  Ludus  und  Catalogus,  die  Ügolet  allein 
allein  nennt;  ja  sie  enthält  auch  die  Periochae,  die  Ügolet  nach  der 
gerühmten  Hds.  des  Antonio  Bemieri  mittheilte.  Ihr  Inhalt  mag 
hier  vollständig  verzeichnet  werden. 

Auf  £  1'  ist  Signatur:  CLXX  und  170/4740.  Zwei,  wie  ich 
meine,  den  Miniaturen  gleichzeitige  Wappenschilder  befinden  sich 
unten  auf  dieser  Seite  in  Miniatur,  das  eine,  links,  einen  sich  nach 
rechts  erhebenden  Adler  in  blauem  Felde  darstellend,  das  andere, 
rechts  zweigetheilt,  links  blau,  rechts  golden,  einen  sich  am  Halse 
krauenden,  nach  der  linken  Seite  zu  gewendeten  Hund  unter  einem 
Baume,  von  dem  im  goldenen  Felde  ein  Vogelkäfig  herabhängt.^) 


^)  Herr  A.  v.  Beumont  hatte  die  Freundlichkeit  auf  eine  Anfrage 
betr.  cueser  Wappen  mir  FolgendeB  zu  erwidern:  'Das  Quartier  mit  dem 
Adler  würde  an  EstenBische  Beziehungen  denken  lassen,  aber  der  Esten- 


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222  E.  Pdper: 

f.     1'  De  yita  et  gestis  Fabii  Fulgentii  Planciadis. 

f.     3^  Mjthologiarom  Fabii  Fulgentii  Planciadis. 

f.  14'  Ausonii  Ludus. 

f.  16*^  Periochae  ohne  üeberschrift  und  Explicit.     Eine  HinweiBung 

auf  AusoniuB  fehlt  durchaus, 
f.  20^  Viro  illustri  Ausonio  Paulinus.    Quarta  reddit  —  Paulini  ep,  1\ 

Quum  abdicatas  —      -        -    ]?. 
£  21'     -         -  -  -       Continuata  mea  —       -        -  EL*. 

f.  21^     -         -  -  -      Ego  te  per  omne  —       -        -  ^^ 

-    Defore  me  patriis  —      -        -    P. 
f.  22^  Epistola  D.  M.  Ausonii  ad  Paulinum.    E'ca.  (d.  h.  Rubrica). 

Proxima  que  —  Ep.  XXTTT  416. 
f.  23'  Alia  ep.  eiusdem  ad  eundem.    Discatimus  —  Ep.  XXIY  417. 
f.  23^  Inoipit  alia  eiusd.  ad  eundem.    Quarta  tibi  —  Ep.  XXY  118. 
f.  24'  Ep.  Sjmmachi  ad  Aus.    Yerum  mihi  gaudium  —  Symm.  ep. 

Vn  ed.  Bip.  341.  

f.  24^  Ausonius  Symmacho.     Modo  intelligo  —  Ep.  Xvil  407. 

Symmachus    Ausonio.     Etsi  plerumque    —    Sjmm.  ep.  VI 

ed.  Bip.  p.  340. 
f.  25'  Ep.  Theodosi  Augusti.    Amor  mens.    ed.  Bip.  p.  335. 

Aus.  ad  Theod.  Agricolam  si  flava  —  n.  469. 

Aus.  ad  Symm.    Latebat  inter  nugas  —  Id.  XI  praef.  335. 
f.  25^  Gripus  temarii  numeri.    Id.  XI  336. 
f.  26'  Eiusd.  TTpocoTTOTTOicia  in  chartam.  Si  tineas  —  epigr.  34. 

Ep.  ad  esperium  fiL  Libellum  quem  —  Id.  lY  praef.  321. 

TTpOTpeTTTiKOC  ad  Aus.  nep.  Sunt  etiam  musis  —  Id.  IV  322. 
f.  26^  Genethliacon.    Carmina  prima  —  Id.  V  323. 

Egloga  de  ambig.  vitae.    Quod  vitae  —  Id.  XV  362. 
f.  27'  Prudentii  de  natura  animg.  Decurrit  dubitans  —  [Apotheosis 

V.  782  ff.], 
f.  28'  Versus  pascales  Ausonii.    Id.  I  317. 

Prudentii  de  fide.    Est  tria  summa  deus  [Apotheosis  v.  1  ff.], 
f.  29'  Ausonii  Cathalogus  urbium. 
f.  30'  Cassiodorii  libri  seculariimi  litterarum. 
f.  43^  Ysidorus  libro  ethimoL  quarto  capitulo  Xni  de  medicina  — • 
f.  44   Boetii  de  scolastica  disciplina. 
f.  50'  De  decem  sibillis.    Sibille  generaliter  dicuntur  — . 
f.  50^  De  sibilla  erithea  R'ca.  (darin  die  Verse:  ludicii  Signum  — ), 
f.  51^  Liber  Erithee  Sybille.    De  troianorum  et  ceterorum  prin- 

cipium  euentus  B'ca.  Bequiris  a  me  o  illustrissima  turba  — 
f.  54^  Aristo telis  de  pomo. 


sische  Adler,  weiss  im  blauen  Felde,  wendet  den  Kopf  rechts,  und  w&re 
es  ein  verliehenes  Emblem,  so  würde  es  nicht  unten  stehn.  Die  übrigen 
Wappenfignren  sind  mir  völlig  neu,  kommen  mir  auch  so  modern  vor, 
dass  ich  sie  dem  14.  Jahrh.  nicht  zutrauen  würde  .  .  .  Die  Bomagnolen 
namentlich  haben  freilich  manche  sonderbare  Wappen  .  .  .'. 


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Die  handschrifü.  Ueberliefenmg  des  Ausomus.  223 

£57    Ovidii  Metam.  libri  primi  narrationes. 
£  76'  Vita  Prndentii.     Carmen  de  vitiis  et  virtutibus.    Per  quin- 
quennia  iam  decem  —  Excuciensque  piis  de  mentibus  vicia 
cnncta.    pPrudentii  praeüeitio.] 
£  83'  Alberici  poetarins,  mit  dem  105'  die  Handschrift  endet. 

Schrift  (eckige  Cursiv),  Inhalt,  Ausstattung  mit  Miniaturen  (die 
leider  der  Verleihung  der  Hds.  nach  auswärts  hinderlich  sind)  weisen 
aufs  14.  Jahrhundert  und  Italien.  Für  die  frühestens  s.  Xu  ex. 
verfasste  pseudo-boetianische  Schrift  de  disciplina  scolastica  ist  sie 
eine  der  filteren  Hdss.^)  Dass  das  Werk  in  Italien  bekannt  war 
im  14.  Jahrhundert,  zeigen  Citate  bei  Coludus  u.  A.  Das  Werk 
über  die  SibjUen  ist  wohl  das  des  Abts  Joachim  Floris,  der  1201 
starb.«^ 

Die  Hds.  tritt  trotz  der  Fehler,  die  der^  der  merovingischen 
Minuskel  unkundige  Abschreiber  verschuldet  hat,  wegen  des  hohen 
Alters  ihrer  Vorlage  würdig  dem  Vossianus  zur  Seite.  Man  be- 
trachte die  üeberschrift  des  epigr.  34  und  des  Pythagoricum  (idjlL 
XV),  den  Anhang  zu  letzterem,  die  homerischen  Verse,  die  im  Original 
jeder  Periocha  vorgesetzt  sind« 

Wenn  wir  von  dem,  was  diese  Hds.  an  Ausonianis  bietet,  ab- 
ziehen, was  schon  aus  Z  durch  die  ed.  princeps  mitgetheilt  worden 
ist  (Griphus,  epigr.  34,  Protrepticus,  Versus  pasoales),  femer  was 
durch  ügolet  aus  Chalcus  und  Bemieris  Hdss.  ne^  publicirt  wurde 
—  das  erste,  zweite  und  letzte  Stück  dieser  Sammlung  ^)  — ,  so  ent- 
spricht der  rückständige  Best  genau  dem,  was  Avantius  in  seiner 
Ausgabe  von  1507  Neues  gab:  ügoletus  und  Avantius  theilen  sich 
also  in  den  Gewinn,  den  diese  Hds.  bot.  ügoletus  selbst  kann  sie 
nicht  in  Hfinden  gehabt  haben,  denn  in  diesem  Falle  würde  er  ftir 
die  Periochae  nicht  eine  andere  Hds.  anfahren  und  gewiss  dem 
Avantius  nicht  eine  so  reiche  Nachlese  übrig  gelassen  haben;  er  hat 
von  ihr  nur  die  Stücke  gegeben,  welche  Calchus  ihm  mitgetheilt. 
Avantius  kann  die  Hds.  selbst  in  Hfinden  gehabt  haben,  er  hätte 
sie  dann,  wie  in  anderen  Ffillen^),  für  die  schon  publicirtnn  Stücke 
bei  Seite  geschoben  und  nur  das  von  seinen  Vorgängen  noch  nicht 
Mitgetheilte  abgedruckt  Wahrscheinlicher  jedoch  ist,  dass  er  an 
ihrer  statt  eine  vollständige,  von  der  des  Chalcus  verschiedene  Ab- 
schrift gehabt  hat,  aber  gewiss  nicht  dieselbe,  welche  heute  im 


**)  Obwohl  durchaus  nicht  alle  sonstigen  Hdss.  davon  ins  15.  Jahrh. 
gehören,  wie  Obbaiius  in  den  Prolegg.  zur  Consolatio  XIX  will,  selbst 
eine  schlesiache  Hds.  (Breslau,  Eöm^.  BibL  I  F  185)  ist  v.  J.  1372.  — 
^  FabriciuB  IV  p.  39—41  M.  Eine  Hds.  dieser  und  späterer  Prophetien 
(as.  B.  des  Johannes  Viennensis  aus  d.  J.  1274)  ist  der  Rehdigeranus  S. 
IV.  4  p.  3,  jetzt  n.  280.  —  •^  Denn  ep.  XXV  giebt  Ügoletus  aus  einer 
andern  Quelle.  —  •*)  Z.  B.  bei  ep.  XXV,  die  von  Ugolet  zuerst,  aber 
nicht  nadi  dem  Parisinus-Texte,  sondern  einer  unbekaDnten  Quelle,  wie 
später  dargethan  wird,  veröffentlicht  worden  ist. 


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224  R.  Peiper: 

British  Museum  als  Harlejanns  2613  [chart  in  4^^^)  jsich  befindet 
eine  Hds.,  die  uns  die  Art,  wie  man  damals  abschrieb,  recht  klar 
vor  Augen  führt,  denn  er  gibt  Paulini  ep.  I®  in  dem  vollen  Um- 
fange des  Parisinus  ohne  167 — 284  wegzulassen  —  es  müssten 
denn  zwei  Blätter  in  der  englischen  Hds.  verloren  gegangen  sein. 
Tristan  Chalcus  kennt  wenigstens  den  Ursprung  der  Hds.  In  seinem 
vaterländischen  Geschichte  werke  (Historia  patria  1.  II  ad  a.  379  ^^)  er- 
zählt er:  Nos  uetusto  codice,  ex  Ticiuensi  Yicecomitum  Biblio- 
theca  prolato,  redintegrauimus  et  ubi quinque  tantum  imperfecta  habe- 
bantur,  nos  decem  et  octo  absoluta  Urbium  Epigrammata  edidimus 
(nämlich  in  Ugolet's  Ausgabe),  inter  quae  septimo  loco  est  celebre  illud 

Et  Mediolani  mira  omnia,  copia  rerum  u.  s.  w. 
(es  folgt  das  ganze  auf  Mediolanimi  bezügliche  Stück). 

Jene  von  Gian  Galeazzo  Visconti  i.  J.  1402  gegründete  Samm- 
lung hatte  nur  kurzen  Bestand.^^)  In  dem  Jahre  als  Ugolets  Aus- 
gabe erschien  oder  im  folgenden,  wurde  sie  durch  die  Franzosen  nach 
Blois  gebracht.  Wenn  in  dem  Verzeichniss  der  Bibliothek  Franz  I. 
in  Blois  ^^)  unsere  Hds.  sich  nicht  findet,  dürfte  man  vermuthen  sie 
sei  ihrer  Miniaturen  wegen  vor  dem  Baub  in  Sicherheit  gebracht 
und  in  Italien  noch  länger  geblieben,  doch  ist  es  immerhin  frag- 
lich, ob  jener  Katalog  vollständig  ist    Der  cod.  Paris,  lat.  11,400 


'')  Der  Harlejanns  enthält  die  Stücke  in  anderer  Ordnung:  f.  1^  Epigr.  34 
f.  2'  ueraus  pascales  f.  2^  ep.  XXIII  f.  3^  ep  XXIV  f.  6  Paubni  I* 
f.  6^  Paulini  P  f.  8—9^  Paulini  II*»»  f.  9^  Paulini  1°  f.  11—16^  Ludus 
f.  16^  Symmachi  ep.  VII,  Ausonii  ep.  XVII,  Symmachi  ep.  VI  f.  18^  Theo- 
dosius  Ausonio,  Ausonius  Theodosio  f.  19^  Periochae  f.  33  Griphus 
nebst  Vorrede,  f.  36  Nochmals  Epigr.  34  —  hier  an  derselben  Stelle 
wie  im  Original  —  f.  36^  Protrepticus  nebst  Vorrede.  Vor  v.  14  steht 
nochmals  der  Titel  des  Epigr.  34.  f.  39  Genethliacon  f.  39^  I^hago- 
ricum  de  ambiKuitate  vitae  f.  41—44^  Catalog^s  nrbium.  Er  läset 
ganz  weg  ep.  !^V,  von  ep.  XXIV  die  Verse  123—132,  von  Paulini  ep. 
ic  die  Verse  167—284;  er  verändert  der  Sitte  der  Zeit  gemäss  wiUkühr- 
lich  Titel  und  Unterschriften  durch  Verkürzung  (wie  beim  Pythagoricum, 
wo  er  iuzta  —  uiam  weglässt)  oder  erweiternde  Zusätze  und  macht  sich  die 
Lesarten  des  Originals  zurecht,  manchmal  recht  unglücklich,  wie  im 
Schlussvers  des  Ludus  Meditamini^  häufig  aber  nicht  ohne  Geschick. 
Dem  Ugolet  hat  diese  Abschrift  für  Ludus  nicht  vorgelegen ,  denn  er 
fügt  in  der  Ueberschrift  proconsulem,  wie  Paris,  hat,  bei,  was  im  Hsflej. 
fehlt;  er  liest  v.  1  des  Ludius  scripsisse  fama,  wo  Harlej.  richtig  scripse 
(statt  Paris,  scribis  et)  giebt.  Auch  Titel  und  Explicit  des  Catalogus 
zeigt  näheren  Anschluss  an  'Parisinus  als  Harlejanns.  Dasselbe  Besultat 
ergiebt  sich  für  die  Periochae  aus  meinen  allerdings  nicht  umfangreichen 
Mittheilungen  aus  dem  Harlejanns.  —  ^^  Ich  kann  nur  nach  Uraeuius 
Thes.  antiq.  Italiae  II  p.  139  citiren,  der  doch  wohl  den  Text  des  Chalcns 
unverändent  giebt,  wenn  er  gleich  v.  6  die  Variante  labro  aus  Vinetus 
beifügt.  Ist  dem  so,  so  citirt  Chalcus  die  Verse  nach  dem  Enstorgianus, 
nicht  nach  dem  Ticinensis,  und  darüber  darf  man  sich  nicht  wundem. 
Bei  Argelati  I  p.  CCCXXIII  findet  sich  v.  1  En  Mediolani  gedruckt.  — 
")  Blume  Iter  I  191,  vgL  I  49,  IV  161.  —  ^*)  H.  Michelant,  Catalogne 
de  la  biblioth^que  de  Fran9ois  I.  ä  Blois  en  1518.  Paris,  A.  Franck- 
Vieweg,  1863. 


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Die  bandschriflil.  üeberliefenmg  des  Aasomns.  225 

enthält  „catalogae  de  la  bibliothdque  du  cb&teau  de  Payie"  1459 
bis  1469;  vermuthlicli  hat  L.  Delisle  in  seinem,  mir  der  Zeit  nicht 
zugänglichen  Werke:  Le  Cabinet  des  manuscripts  de  la  bibL  imperiale 
t.  I  Paris  1868,  denselben  abdrucken  lassen.  Ebenso  ist  mir  nicht 
zur  Hand  das  Buch  des  Marquis  Girolamo  d'Adda:  Indagini  storiche 
artistiche  e  bibliografiche  sulla  librerio  Visconteo-Sforzesca  del  castello 
di  Pavia.  Milano  1875,  8^.  Es  dürfte  in  diesen  Schriften  über 
unsere  Hds.  Näheres  mitgetheilt  sein. 

Möglich,  dass  die  Hds.  nicht  blos  für  Ausonius  benutzt  wurde. 
Der  Mailänder  Priester  Hieronymus  Passiranus  von  Asula,  ein  Mann 
dessen  Verdiensten  die  Nachwelt  zu  wenig  Beachtung  geschenkt  hat 
(Baptista  Pius  bezeichnet  ihn  rühmend  als  Bonorum  mare),  erhielt, 
wie  man  bei  Argelati  liest  ^^),  für  eine  Eeihe  noch  nicht  heraus- 
gegebener Schriftsteller  ein  fünfjähriges  Privilegium  vom  Herzog 
Ludovicus  Maria  Sforza.  Unter  diesen  Werken  befanden  sich  des 
Fulgentius  Enarrationes  allegoricae  fabularum,  die  nebst  einem 
Commentar  von  Joh.  Baptista  Pius  ein  Jahr  vor  ügolet's  Ausonius 
(1498)  bei  dem  Drucker  des  Ausonius  von  Merula-Perrarius  von 
1490  und  1497,  üldericus  Scinzenzeler  in  Mailand,  die  Presse  ver- 
liessen.'*)  Der  Fundort  der  zu  Grunde  gelegten  Hds.  wird  nicht 
angegeben.  Denen ,  welchen  dieser  Fulgentiusdruck  zur  Hand  ist, 
bin  ich  durch  Bursian's  Güte  in  den  Stand  gesetzt  einige  charakte- 
ristische Lesarten  der  Pariser  Hds.,  die  zur  Prüfung  der  Identität 
dienen  können,  mitzutheilen.  Dieselbe  liest  im  ersten  Buch  der 
Mjthologica: 

p.  595,2  Stav.        causa  cessat  equitatis. 

p.  602,1     „  mundo    tenebrescenti    respersum    universos 

mentibus  pavores  abstersii 

p.  602,2     „  incessus  quos  belli  corrogaverat  interdictum. 

p.  643,2  (I  c  14)  die  angebliche  Stelle  aus  dem  Diphilus  des 
Epicharmos  lautet  hier  folgendermassen : 

aU33l€.  jAUVHa.  yauDHTisaptiHNi. 

Ich  fürchte  nur,  auch  für  die  Fulgentius- Ausgabe  wird,  wie  in 
der  Copie  der  Ausoniana,  der  Abschreiber  die  Graeca  des  Parisinus 
weggelassen  haben.  Falls  diese  Stellen  üebereinstimmung  zeigten, 
würden  wir  Passiranus  für  den  Entdecker  der  Hds.  halten  dürfen,  der 
bez.  des  Ausonius  Anderen  Mittheilung  machte,  sei  es  dem  Calchus 
(denn  aus  den  Worten  codice  prolato  .  •  redintegravimus  ist  noch 
nicht  zu  schliessen,  dass  dieser  der  Finder  war),  oder  wie  man  eher 


»«)  Saxius  bei  Argelati  I  p.  CCCCXVI  f.,  femer  DCUI  f.  DCVn  und 
DCVHI.  —  '*)  Saxius  a.  o.  Bmnet  11  340.  Muncker  setzt  diese  Ausgabe 
iirthfimlich  ins  Jahr  1487.  Die  übrigen  Schriftsteller  waren  Sidonius 
und  Apicius,  die  beide  gleichfalls  1498  erschienen,  Yarro  de  lingua  latina 
und  Festus,  deren  Heraasgabe  erst  1500  erfolgte. 


Jahrb.  £.  oUm.  Pfailpl.  SappL  Bd.  XL  16 

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226  E.  Peiper: 

vermnthen  darf  dem  Georg  Menüa:  über  das  Yerh&ltniss  dieser 
Beiden  werden  wir  weiterhin  zu  sprechen  haben. 

Wie  der  rechtskundige  Bemieri  zu  seinen  Periochae  gelangt 
war  ist  schwerlich  zu  ermitteln,  aber  bezweifeln  darf  man,  dass  er 
nur  die  Periochae  in  Abschrift  besessen.^^) 


m. 

Die  Herkunft  der  Epigramme  des  Nursius  und  ügoletus. 

Weder  Avantius  noch  ügoletus  haben  sich  uns  bisher  in  ihren 
Ausgaben  als  falsarii  gezeigt.  Waren  dieselben  voll  von  Nachlässig- 
keiten, so  kommt  doch  sehr  viel  davon,  wenn  nicht  das  Meiste,  auf 
das  Haupt  der  impressores,  über  welche  ja  in  jener  Zeit  schwere 
und  gerechte  Klage  geführt  wird.  Man  vergleiche  nur,  wie  scharf 
Politianus  über  die  mangelhafte  Beschaffenheit  der  Manuscripte,  die 
Willktthr,  Nachlässigkeit  und  Thorheit  der  Setzer  in  einem  Briefe 
an  Merula  (Epp.  XI  6)  sich  äussert  Fem  aber  sei  es,  die  Heraus- 
geber ganz  frei  sprechen  zu  wollen;  grade  die  noch  nicht  behandel- 
ten Erweiterungen,  die  sie  des  Ausonius  Werken  zugeführt  haben, 
berechtigen  uns  zur  Elage  über  das  sorglose  Verfahren  dieser  Ge- 
lehrten. 

Es  handelt  sich  um  die  18  Epigramme^  die  von  Bartholomäus 
Merula  i.  J.  1496  dem  Drucker  Tacuinus  für  die  von  H.  Avantius 
zu  besorgende  Ausgabe  versprochen  und  mitgetheilt  worden  waren. 
Sie  wären  nach  Merulas  Versicherung  superioribus  annis  in  Mailand 
aufgefunden  worden  von  dem  damals  in  Venedig  lebenden,  ehemaligen 
Oeheimsecretär  der  Königin  Katharina  Comaro,  Franciscus  Nur- 
cisius  aus  Verona'*^,  Dichter  in  der  Vulgärsprache.  Ausser 
dem,  was  Maffei  in  Verona  illustrata  n  (1731)  s.  260  f.  über  diesen 
Mann  sagt^^,  der  bei  ihm  Nursio  heisst,  kenne  ich  nur  die  dürftige 

^^)  loh  finde  einen  ^Antonio  Bemieri  pur  da  Correggio  in  eta 
giovaxule  h  miniatore  di  clara  fama'  von  Tiraboschi  genannt,  in  der 
neunbändigen  Venetianischen  Ausgabe  1795,  Bd.  VII  1565,  nach  Ortensio 
Land!  Cataloghi  p.  498,  und  in  Naglers  Eünstlerlexicon  (geb.  1516,  aus 
edler  Familie,  kam  nach  Verona);  cBese  Notiz  kann  von  Bedeutung  sein 
für  die  Erforschung  der  Schicksale  unserer  Handschrift  —  ^*)  Foeta 
noster,  Veronensis  tuus.  —  ^^)  Da  das  Buch  nicht  überall  zuff&nglich, 
gebe  ich  Maffcis  Bericht:  Trancisco  Nursio  Tanno  1472  essendo  f  anni 
dieciotto,  e  trovandosi  in  Bavenna,  mando  ad  Aurelio  Schioppi  nobile 
Veronese  un  Poemetto  in  terza  rima  ...  ^  in  teste  a  penna  presso  ü 
Sig.  Conte  Emilio  Emilj  Cavalier  di  Malta.  Lesai  gia  parimente  presso 
il  Sig.  Magüabecchi  in  codice  pleno  di  Poesie  volgari  del  Tibaldeo,  del 
Pico  Mirandolano,  e  d'alln:  Francisci  Nuraii  Timidei  Veronensis  Begii 
Secretarii  carmen  austemm  in  innere  Simonett§  Vespucci^  Florentine 
ad  iUustrissimum  Alfonsum  Calabriae  ducem.  .  .  .  Eranvi  ancora  altn 
componimenti  e  un  dialogo   bnrlesco  in  terza  rima  con  molte  parole 


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Die  handschxiftl.  üeberlieferoDg  des  Ansomns.  227 

Notiz,  die  der  Asolaner  Colbortaldi  in  seiner  Biographie  der  Caterina 
znm  Jahre  1489  bewahrt:  ^(Caterina)  Essa  condusse  seco  per  suo 
rettore  Nicola  Priuli  —  per  secretario  Francesco  Amedeo  detto  per 
sopranome  il  Kurzio  (sic)^  eccelenta  poeta  e  non  mediocre  filosofo, 
GioYanni  Sigismondo,  Alemani,  per  suo  medico.'^^) 

Hit  dem  Hause  der  Comaro  stand  auch  Bartholomäus  Morula 
[aus  Mantua]^^)  in  enger  Beziehung,  als  Lehrer  zweier  Neffen  der 
Kdnigin,  der  Söhne  eines  Venediger  Senators,  denen  er  1497  und 
1499,  wo  der  eine  schon  Cardinal  und  Patriarch  von  Constantinopel 
war,  vier  seiner  Ovid-Commentare  widmete«  Zu  diesen  Hause  hatten 
auch  Tacuinus  und  H.  Avantius  Beziehungen,  wie  die  Dedication  des 
Ausonius  1496,  des  Lactantius  1502,  an  jenen  Cardinal  gerichtet, 
bezeugt. 

Der  Stand  der  beiden  Männer  schliesst  eine  beabsichtigte 
Täuschung  aus.  Wunderbar  aber,  dass  von  beiden  Gedichtreihen, 
der  des  Nursius  von  18,  der  des  ügoletus  von  16  Epigranmien  jede 
weitere  handschriftliche  Nachricht  yerschollen  ist  Denn  .Bandinis 
Angabe  HI  804  ff.,  nach  der  in  einem  Laurentianus  chart.  s.  XV 
anter  vielen  Schriften  des  Phüephus  die  vier  ^Tetrasticha'  119,  118, 
42,  23  —  also  eins  der  Nursius-Beihe  (n.  118)  —  sich  finden,  erweist 
sich  sofort  als  Irrthum  dadurch,  dass  n.  118  nicht  4,  sondern  18 
Verse  enthält;  es  kann  nur  18  oder  120  gemeint  zu  sein. 

Wenn  nun  Ügoletus  die  Gedichte,  wie  wir  sie  bei  Avantius 
finden,  in  unveränderter  Beihe  in  calce  hätte  abdrucken  lassen,  würde 
man  einfach  an  eine  Nachlässigkeit  bei  Vertauschung  der  Vornamen 
Bartholomäus  und  Georgius  denken  dürfen,  zu  der  die  Erinnerung, 
dass  Georg  Morula  schon  in  der  ed.  Ferrarii  1490  seinen  Beitrag 
geliefert,  Veranlassung  gewesen  sein  konnte,  neben  der  bei  weitem 
den  Bartholomäus  überragenden  Bedeutung  des  Mannes.  Dieser  ist 
es  ja  wohl  auch  zuzuschreiben,  dass  immer  und  immer  Georg  Morula 
als  Herausgeber  selbst  der  ersten  Ausgabe  des  Avantius  bezeichnet, 
des  Bartholomäus  Name  beim  Ausonius  ganz  in  Vergessenheit  ge- 


Veroneai.  Matteo  Bobso  [über  ihn  s.  Fabiicius  bibL  med.  et  inf.  lat. 
I  264  M.J  in  epidtola  (1.  3  ep.  69) :  enumerandos  enim  iure  Nursius  mihi 
uidetur  m  suauitates  humanas,  et  quas  parit  m  terris  natura  dolicias. 
Gerolamo  Avanzo  in  lettera,  ch*  h  con  le  sue  Emendasdoni,  lo  chiama 
Fe  nie  6  Veronese.     L^Azion  Pantea  d^altr*  opera  sua  fa  cenno: 

Nursius  et  plorans  Daphneia  fnnera  rythmo 
Bübileo  alludens. 

Gioan.  Tacuino  nella  dedica  di  Lattanäo  al  Cardinal  Comaro  nel  1608,  cosl 
gli  dice:  Nursius  ille  Veronensis  poeta  elegantiesimus,  qui  clarus  virtute 
mnliivaga  et  mores  hominum  mmtorum  novit  et  urbes,  in  aedibus  iam 
diu  consenuit'.  —  ")  Angefahrt  von  Mas-Latrie  Eist,  de  Chypre  III  447. 
Heim  Archivar  E.  Herquet  in  Aurich  verdanke  ich  den  Nachweis  dieser 
von  ihm,  in  seinem  Buche  Charlotte  von  Lusiffnan  und  Caterina  Comaro', 
Begensburg  1870,  s.  220,  benutzten  Stelle.  —  ^")  üeber  in  siehe  ausser  an- 
deren Fabndus  Y  p.  70  M. 

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228  B.  Peiper: 

kommen  ist®*^);  obwohl  in  der  That  nur  was  bei  der  Ausgabe  von 
1490  von  Georg  bemerkt  wird  und  ein  kleiner  Antheil  der  ügoletiana 
auf  seinen  Namen  kommt.  ^^)  Aber  die  ümordnung  der  Nursius- 
Epigramme,  die  Vermengung  mit  den  neuen,  die  Einordnung  einzel- 
ner aus  beiden  Reihen  in  den  alten  Bestand  —  das  könnte  die  An- 
nahme nahe  zu  legen  scheinen,  dass  Ugoletus  einer  anderen  Quelle 
gefolgt  ist. 

Wenn  wir  sehen,  wie  Ugoletus,  ohne  der  handschriftlichen  Ord- 
nung zu  achten,  die  Stücke  108,  109 — 114,  die  in  Z  von  den  Epi- 
grammen getrennt  stehen,  ans  Ende  des  Über  epigrammatum  setzt, 
wie  er  die  drei  Fastengedichte  aus  letzterem  entfernt  und  vor  die 
Caesares  bringt,  wie  er  ftlr  ep.  XXV  (418)  und  die  Mosella  eine, 
dem  Inhalt  mehr  entsprechende  Stellung  zu  finden  weiss,  so  müssen 
wir  an  sein  Bestreben,  Ordnung  in  das  Chaos  zu  bringen,  glauben, 
und  auf  dies  Streben  werden  wir  dann  berechtigt  sein  die  Einordnung 
der  Bucula-epigramme  61 — 63  unter  die  gleichartigen  des  alten 
Stammes,  die  Verbindung  von  86  (Daphne  und  Niobe)  mit  84  (Sal- 
tator),  des  Epit.  29  (Niobe  246)  mit  einer  überlieferten  Reihe  von 
Epitaphien  (250,  248,  54,  245),  zunächst  mit  dem  gleichfalls  auf 
Niobe  bezüglichen  Ep.  28  (245),  zurückzufahren. 

Es  ist  aber  etwas  anderes  die  Ordnung  erleichtem  und  neuen 
Funden  einen  angemessenen  Platz  geben,  als  eine  durchaus  fach- 
gemässe  Ordnung  für  eine  überlieferte  Sammlung  so  verschieden- 
artiger Gedichte  herzustellen,  ein  Unternehmen  von  dem  schon  Pietät 
abhalten  konnte. 

Solche  Pietät  kann  es  aber  nicht  gewesen  sein,  wenn  er  im 
Anhang  die  Gedichte  gibt  quae  feruntur  ex  Georgii  Alezandrini 
bibliotheca  manasse.  Denn  indem  Ugolet  die  Epigramme  108 — 114 
ans  Ende  transponirt,  hat  er  dort  gleichfalls  zwischen  103  und  108 
einen  Einschub  von  mehreren  neuen  Gedichten  (darunter  nur  eins 
der  Merula-Reihe,  106)  versucht  (104,  105,  106,  251,  107):  wer 
Verwandtschaft  dieser  Gedichte  in  Inhalt  oder  Form  erwartet,  wird 
enttäuscht;  es  wird  durch  den  Einschub  eher  eine  Reihe,  fOr  die  sich 
allenfalls  noch  ein  Zusammenhang  finden  Hesse,  unterbrochen.  Wir 
müssten  nun  weiter  den  ganzen  Rest  der  Merula-Epigramme  in  der 
alten  Ordnung  und  dahinter  die  neuen  Funde  Ugolets  erwai*ten,  aber 
alles  das  ist  wie  die  Blätter  in  der  cumaeischen  Grotte  durch  den 
Luftstoss  durcheinandergewirbelt,  wie  der  Zufall  es  wollte.  Mag 
nun  die  Lust  zu  ordnen  bei  Ugolet  eine  vorübergehende  Laune  ge- 
wesen, oder  mag  er  von  der  vollen  Durchführung  seines  Wunsches 


^^)  Siehe  die  durchaus  falschen  Angaben  in  dem  Index  editionum 
der  Bipontina  zur  Ausgabe  von  1496,  an  denen  z.  Th.  wohl  schon  Sazius 
bei  Argelati  I  p.  CGI  and  DCU  die  Schuld  trägt  —  *^)  Kur  mit  diesen 
Beschränkungen  darf  also  die  Auffährnng  einer  AasoniuB-Ansffabe  unter 

.  Georg  Merulas  Schrifben  bei  Fabricius,  bei  Boscoe  Lorenz  v.  Medici,  übers. 

cv.  Sprengel  1797  p.  818  Anm.,  und  anderen  fär  zulässig  gelten. 


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Die  bandschriftl.  üeb^rlieferung  des  Ausoniiifl.  229 

abgehalten  worden  sein,  offenbar  ist  mit  der  Scheere  gearbeitet 
worden,  und  der  nicht  genügend  instmirte  Setzer,  der  dem  Heraus- 
geber in  damaliger  Zeit  viel  mehr  noch  als  ^heutigen  Tags  überliess 
imd  überlassen  mnsste,  ist  nach  Gutdünken  yer&hren;  so  sind  140 
und  145  (ex  Menandro),  so  die  beiden  Fortuna-Gedichte  143  und  22 
auseinandergerissen;  selbst  die  Aenderung  der  üeberschriffcen  mag 
nicht  der  Herausgeber,  sondern  ein  Anderer  verschuldet  haben;  letz- 
tere selbst  werden  aber  wieder  den  Beweis  liefern  dürfen,  dass 
ügolet  völlig  auf  Morula  fusste  (s.  unsere  weiteren  Bemerkungen 
zu  106,  142,  145). 

üeber  die  Herkunft  dieser  beiden  Gedichtreihen  werden  die 
folgenden  Auseinandersetzungen  genügenden  Aufschluss  geben. 

Ausonius  hat  eine  Anzahl  seiner  Epigramme  den  Griechen  ent- 
lehnt, die  Vorbilder  sind  uns  grossentheils  in  der  Anthologie  er- 
halten und  auf  ihre  Nachweisung  hat  zuerst  Accursius  Bedacht  ge- 
nommen. Aus  der  Vossianusreihe  sind  folgende  mit  Sicherheit  als 
Nachbildungen  der  daneben  genannten  griechischen  Gedichte  er- 
mittelt: 

23  *ex  graeco'  versichern  die  Wolfenbüttler  Hdss.  und  ed.  pr.  *«  Anth. 
IX  44,  vgl.  45  Statjllii  oder  Ratonis;  dem  letzteren  gibt  es 
auch  Diogenes  Laertius  m  33,  184. 
45 — 48,  51,  52  beruhen  sttmmtlich  auf  einem  oder  mehreren  griech. 
Epigrammen,  als  mehr  oder  weniger  freie  Nachbildungen;  engerer 
Anschluss  ist  sichtbar  bei  Epigr.  46  -»  XYI  318  (Planud.) 
äbTlXov;  51  e»  XI  145  u.  151  fibriXov;  47  und  52  sind  auch 
nur  Variationen,  vgL  dazu  noch  XI  149. 
72 —  IX  159   db^CTTOTOV.     Vgl.  Huschke,  Anal.  140  ff.,  der  den 

Schlussvers  richtig  auf  Ovid  Fast.  V  41  zurückfahrt.®*) 
84  SB  XI  254  AouKiXXiou.    Dübners  Tadel  ^Graeco  poeta  longe  in- 
ferior' trifft  die  unechten  Verse  3 — 6. 
Aus  den  durch  die  ed.  princeps  bekannten  sind  es  folgende: 

11  verdankt  sicher  einem  griechischen  Gedichte  die  Anregung;  aber 

eine  bestimmte  Quelle,  etwa  XVI  153  oder  155  (Planud.)  zu 
nennen  ist  unthunlich. 

12  =  XVI  276  (Planud.)  TToc€ibi7nrou.®') 

13  =  V  21  VgL  V  12,  beide  Tou9(vou(?).    Vgl.  Horat  C.  IV  10. 

14  =  IX  18  rccfiaviKoO  oder 'AbpiavoO?  (nicht  IX  17  oder  IX  370), 

VgL  Plin.  n.  h.  Yill  81  leporem  omnium  praedae  nascentem. 
21  —  XVI  263  (Planud.)  fibriXov  *Ez  graeco  traductum'  ed.  pr. 


*^  In  T.  7  giebt  certos  keinen  Sinn,  man  musB  incertos  schreiben: 
Vezigpl  A.  n  224:  fhgit  com  saucius  aram  Taurus  et  incerUm  ezcussit 
cenuce  securim.  —  **)  Zu  v.  7  vgL  Phaedrus  6,  8  cuisu  sie  uolucri  pen- 
dens  in  nonacula  caluus  etc.  Die  Quelle  der  Carmina  burana  (LXXVII 
1,  8  fortona  fronte  capiUata  sed  plenunque  aequitar  ocoasio  caluata. 
XVII  7,  10  haec  occasio  calna)  ist  nicht  Phaednu,  sondern  Catonis  dist. 
n  26,  2  fronte  capiUata,  post  est  occasio  calua. 


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230  R.  Peiper: 

Vgl.  0.  Benndorf  de  Anth.  gr.  epigr.  qnae  ad  artes  speotani. 
Diss.    Bonn.  1862  d.  32  adn« 

24  «"  Vn  229  AiocKopiöou  »»  Plntarchi  Apophtkegm.  laoonica  48. 

32  =  IX  671  V.  7  u.  8  äbr\koy  (nicht  IX  506  oder  IX  66). 

39  =  Xn  200  CrpdTUJVOC  (nicht  V  42).  Ueber  die  Parallelen  s. 
Boissonade  zu  Xu  200;  Bnrmann  Aiith.  lat  m  225.  Den  An- 
fang hat  Ausonius  aus  Martialis  IX  32. 

42  —  XVI  174  (Planud.)  db^cmoTov. 

50  —  IX  489  TJaK\ab&(?). 

55  —  VI  1  TTXdTCDVOC 

57  —  XVI  160  V.  5   n.  6  (Planud.)   TTXdtujvoC   (vgl.  XVI  162 

fiÖTiXov).    Vgl.  Benndorf  a.  o.  s.  23. 

58  Bi  IX  713  und  726.    äöriXa.   Der  Anfang  des  Ausonianiun  weist 

auf  das  erste,  y.  2  auf  das  zweite  Epigramm;  aber  YÖllig 
sicher  ist  die  Quelle  nicht. 

73  —  XI  114  NiKdpxou  (nicht  XI  257). 

74  =  XI  113  NiKdpxou. 

79  u.  80  «•  V  68  AouKiXXioD  ol  bk  TToXd|iU)voc  toö  TTovtikoO,  dann 
V  88  *Pouq)ivoü(?).  80  ist  nur  Doublette  von  79,  wie  das 
griechische  V  88  nur  eine  Nachahmung  von  V  68.  Aber  jedem 
der  beiden  Ausoniana  liegen  beide  Oraeca  zu  Grunde  (80,  1: 
restringe  «»  68  TrepiTpatiiov;  80, 2:  transire  iube  «»  88  |i€Td6€C; 
79, 1 :  quod  amare  uocant  »>  68  tö  q)iX€iv;  79, 1 :  solue  —  misce 
"»  68  Xuojc  —  K€pdci]c).  Dann  kann  freilich  V  88  nicht  von 
Bufinus  sein,  oder  dessen  Zeit  muss  früher  als  gewöhnlich  ge- 
schieht, angesetzt  werden.  Denn  dass  ein  Dichter  der  Antho* 
logie  Ausoniana  in  die  griechische  Sprache  übertragen  habe, 
wird  bei  den  Epigrammen*)  so  wenig  wie  bei  den  Epitaphien 
(gelegentlich  deren  eine  derartige,  gegen  Canter  sich  richtende 
Muthmassung  des  Stephanus  Schneidewin  eurückgewiesen  hat 
in  Philol.  I  S.  24)  angenommen  werden  dürfen. 

*Ez  graeco'  überschreiben  beide  Gedichte  die  Wolfenbüttler 
Hdss.,  vom  ersten  sagt  es  auch  die  ed.  pr.,  die  eine  üeberschrift 
des  zweiten  nicht  giebt. 

93  —  XI  163  AouKiXXiou  (nicht  XI  161). 

94  _  V  158  'AcKXiimdbou. 

100  B»  ?  IX  783  dön^ov.  Mag  fraglich  scheinen,  jedenfalls  li^ 
Ovid.  M.  IV  384  mit  zu  Grunde. 

119  «=  XI  225  Cipdruivoc. 

Epii  28  (245)  =  XVI  129  (Planud.).    Vielleicht  ist  auch  dies  aus 
Anhängen  zum  Peplos  genommen,  vgL  unten  S.  235  L 
Noch  manches  andre  Ausonianum  mag  sich  auf  ein  griechisches 

*)  VinetuB  zu  Epigr.  86  bez.  des  Palladus:  ^uare  qui  Ansonium 
Gneoormn  semper  interpretem  faisse  ezistimant,  mdeant  quam  tato  id 
credere  possint  Siehe  desselben  Vermuthung  eu  Epigr.  60  und  Epit 
29  (246). 


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Die  handschrifü.  üeberlieferung  des  Ausonius.  231 

Epigramm,  das  wir  hent  nicht  mehr  besitzen,  gründen.  So  das  oben 
zn  13  genannte  Epigr.  19,  welohes  doch  nimmer  auf  Attusia  Sabina, 
die  erst  28  Jahr  alt  starb,  bezogen  werden  kann,  oder  sollte  dies 
dnrch  Anth.  V  103  (Toucpivou)  veranlasst  sein?  Es  liegen  aber 
bestimmtere  Hinweise  auf  verlorene  griechische  Quellen  vor  in  den 
Epigrammen  81 — 83.  Zu  81  giebt  ed.  pr.  als  Titel:  Ex  graeco 
traductum  ad  cupidinem,  die  Wolfenbüttler  Hdss.:  ex  greoo,  Tilianus 
ISsst  ihn  ganz  weg,  der  Vossianus: 

ex  greco      apAhc  to  iHHia  Ti  aatoc 
d.  h.:  dpx^  (b)^  TOI  f^jLiicu  iravTÖc 

ein  aus  Plato  (Legg.  YI 753  E)  Lucian  (Somn.'  §  3;  in Hermotim.  § 3), 
Demetrius  (iT€p\  £p|Li  §  122)  u.  a.  bekanntes,  von  den  Paroemiographi 
(Diogenianus  11  97  bei  Leutsch  imd  Schneide win  Bd.  I  213)  nicht 
übersehenes  Hemistichium,  das  auf  Hesiod  (€.  k.  H.  v.  40)  zurückgeht. 
Die  üeberschrifk  von  82  lautet  im  Vossianus: 

ex  greco      AxApic  Aauncyc  azApic  xapic 

und  so  gibt,  wenn  wir  von  Wortverbindung  und  Acoent  absehen, 
auch  die  ed.  pr.: 

d  x<ipic  (d  ßp)aWTT0uc  fix^pic  X^ipw^ 

(In  den  Wolfenbüttler  Hdss.  fehlt  das  Epigramm,  im  Tilianus  der 
Titel) 

Dieselbe  Quelle  liegt  offenbar  dem  Epigramm  der  Anthol.  X  30 
zu  Grunde,  im  Palatinus  als  dbiiXov  bezeichnet,  von  Planudes  auf 
Lucian  zurückgeführt: 

u)K€iai  xÄpixec  T^wKepifttepar  fjv  bk  ßpabuvg, 
TTÖca  x^pic  K€V€f|  \xr\bk  X^toito  x<ipic. 

Man  vergleiche  den  Gegensatz  in  X  37: 

f|  ßpabÜTTOuc  ßouX#|  |li€t'  d^€iva)v  f|  bk  raxeia 
aÜv  dcpeXKOjLidvTi  Tfjv  jLiexdvoiav  ?X€i. 

Mit  *Ex  eodem'  wird  in  Voss,  und  ed.  pr.  auf  dieselbe  Quelle 
für  die  Doublette  Epigr.  83  zurückgewiesen;  die  in  ihrem  Ausdruck 
übrigens  sehr  stark  an  Seneca  de  benef.  11  1,  2  erinnert:  Ingratum 
est  beneflcium  quod  diu  inter  manus  dantis  haesit  etc. 

Die  griechische  Spielerei  über  Bacchus  Epigr.  29,  die  Vinetus 
nebst  30  mit  unrecht  als  Ausonisch  anzweifelt,  enth&lt  im  Ausdruck 
Beminiscenzen  an  die  Anthologie,  wie  natürlich  erscheinen  muss. 
Zu  V.  2: 

BoKXoc  iv\  Zujotciv,  ^vi  (pOi^^voiciv  'Abiwveüc 

▼gL  das  oben  angeführte,  allgemein  im  Alterthume  bekannte  Epi- 
gramm des  Plato  Anth,  Vn  670  (Poetae  lyrici  graeci  ed  Bergk,  ed. 
n  p.  493  n.  15): 


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232  B.  Peiper: 

^Acrfip  irpiv  jLifev  ?Xa|LiTr€C  ivx  üuioTciv  *Gi|>oc, 
v€v  bk  Oavibv  Xd^-rreic  "ecirepoc  dv  q)0i|Lidvoic 

oder  Plannd.  IV  4,  12  v.  6  (Bosch.): 

Ka\  2;u)oic  ^co^m  xai  (pOi^^voici  ßapuc. 

Mehrfach  scheint  Lucianus  und  Plntarchus  des  Ansomns  Quelle 
zn  sein,  der  erstere  fdr  Epigr.  27,  welches  den  Alciden  als  Urheber 
der  Cyniker  hinstellt.  Vgl.  Lncian  Sympos.  s.  Lapithae  16:  TTpoirivu) 
CGI,  ii  KX€av0\,  'HpaKXdouc  dpxTiT^TOu,  und  weiter:  tfek&care^ 
d  Tfji  vüjLwpij  TrpoÖTnvov  tiA  toO  fmcT^pou  0€oö  toO  *HpaKXdouc 
Zu  Epigr.  44  de  Philomuso  verweist  schon  Yinetus  auf  Lucians 
Bede  Trp6c  dTraibcuTov  xal  TroXXd  ßißX(a  ibvoiifLievov.  Cf.  Ady.  lud. 
6,  19,  29,  18.  Plutarchs  d7roq)0dTM«Ta  haben  vielleicht  dem  Auso- 
nius  das  Oedicht  des  Dioskorides  gewiesen,  dem  er  Epigr.  24  nach- 
gebildet hat,  sicher  das  in  den  Handschriften  darauf  folgende  Epigr. 
25  de  matre  Lacaena  (apophth.  lac.  15). 

Zu  einem  kleineren  Theile  liegt  offenbar  die  Anregung  in  einer 
lateinischen  Quelle. 

5  ist  aus  Vergil  ecl.  YII  35  f.  entnommen. 
17  stammt  aus  Ael.  Spartiani  Hadrianus  20,  8  ^iam  hoc  patri 
tuo  negaui',  vgl.  die  Ausdrücke  canescenti  und  infecto  capite 
beim    Historiker.      Wenngleich    Capitalinus    im    Yerus    c.   5 
(I  71  Peter)  es  als  ein  noüssimum  dictum  de  numero  conuiua- 
rum  bezeichnet:  ^Septem  conuiuium,  nouem  uero  conuitium',  so 
werden  doch  Ausonius  Worte  in  der  Ephemeris  locus  inuitationis 
(155)  V.  5  die  Worte  ^sex  enim  conuiuium  cum  rege  iustum, 
si  super  conuitium  est'  als  direct  diesem  Schriftsteller  ent- 
nommen gelten  müssen. 
20  (Meroe  a  mero  dicta)  hat  Yinetus  richtig  auf  A pule ius  Met.  I 
c.  7  ff.  zurückgeführt. 
126  haben,  wie  derselbe  Erklftrer  gesehen,  ihre  Yorbilder  in  den 
Priapea  7  und  67  Bücheier  (1622  u.  1688,  Meyer). 
69  beruht  auf  Plinius  n.  h.  YH  4,  36.    Dass  Ausonius  dies  Werk 
lieb  gewonnen,  wissen  wir  aus  Symmachus  (epp.  I  24),  der 
ihm  darum  einige  Bücher  davon  zusendet. 
Aehnliche  Quellen  lassen  sich  fdr  die  Epigramme  des  Nurcisius 
und  ügoletus  nachweisen. 

Aus  der  Anthologie  stammen  bei  dem  erstgenannten: 
118  =  XYI  151  (Planud.  lY  9,  24)  dWcTTOTOV. 
137  =  IX  168  (PI.  I  17,  1)  TTaXXabcL 

132  und  133  =  IX  12  A€U)vibou  vgl.  11  und  13  (PI.  I  4,  2,  vgl. 
1  und  3),  die  jedoch  nicht  als  Yorlagen  anzusehen  sind. 
43  —  XYI  174  (PI.  lY  12,  22)  dbdciTOTOV. 
106  —  XYI  178  (PL  lY  12,  26)  'AvTiirdTpou. 
22  =  IX  45  TTXdrujvoc  toO  M€TdXou  (PL  I  84,  l). 
121  =  IX  515  Kpivaröpou  (PI ),  vgL  516  (und  PI.  XYI  126 


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Die  handBchrifbl.  üeberliefenmg  des  Ansonins.  233 

und  136  Bosclu),  wenn  nicht  vielmehr  Musaeus  v.  95  f.  (das 
Gedicht  wurde  zuerst  1494  bei  Aldus  herausgegeben)  zu  ver- 
gleichen ist: 

ol  bk  iraXaioi 
xpeTc  Xdpirac  ipeucovro  irecpuK^var  elc  hi  Tic  *HpoOc 
dq)6aX|Liöc  tcXöiüv  ^xaTÖv  XapiT€CCi  xeGriXei. 

136  =  XI  279  (PL  n  10,  2)  AouKiXXiou?  Einige  Hdss.  schreiben 
das  Gedicht  nach  Stephanus  Zeugniss  dem  Palladas  zu,  dessen 
es  würdiger  ist  nach  Dübners  Ansicht,  die  ich  bei  Vergleichung 
von  IX  173  TTaXXaba  gern  theile. 

145  =  X  26  (PI.  1 12,  6)  AouKiavoO.  Parallelen  (wie  Isocrates  ad 
Demon.  c.  3)  giebt  F.  Jacobs.  Das  ^ex  eodem'  der  Ausgabe 
weist  auf  die  üeberschrift  von  140  *De  ingratis,  ex  Menandro' 
zurück:  Meineke  hat  das  Stück,  trotzdem  die  späteren  Aus- 
gaben seit  ügolet  flottweg  ^Ex  Menandro'  geben,  mit  Becht 
verschmäht.  Epicuri  dürfte  es  eher  heissen;  vgl.  das  verwandte 
Pithoeanische  Epigramm  bei  Biese  Anth.  lat  n.  911  (Burm.  III 
149,  Meyer  1564,  vgl.  1308,  Choerilus  ap.  Athen.  VIII  3  p. 
336  =  n  111  Meineke,  vgl.  Choerilus  ed.  Naeke  s.  254)  — 
für  dessen  ZurückfÜhrung  auf  Epicurus  Burmann  I  p.  595  den 
Grund  angiebt  — 

Cum  te  mortalem  noris,  praesentibus  exple 
Delidis  animum:  post  mortem  nuUa  uoluptas.*) 

Der  Fehler  wird  dadurch  entstanden  sein,  dass  Nurcisius  oder  Merula 
die  ursprüngliche  Ordnung  116  (Epicuri  opinio),  145,  140  in  116 
140,  145  irrthümlich  geändert  hat. 

Femer  bei  ügoletus: 
122  =  XI  104  (PI.  n  32,  13)  AouKiXXiou. 

129  =  XVI  136  (PI.  IV  9,  8)  'AvTKpiXou. 

130  =  XVI 137  (PL  IV  9,  9)  ^iXittttou.  Das  Schlussdistichon  aber 
mit  Timomachus  Namen  setzt  Eenntniss  von  XVI  138  voraus, 
vgL  Benndorf,  a.  0.  s.  64. 

139  =  Vn  396  (PL  m  14,  2)  Bidvopoc. 

61  =  rx  721  'AvTiirdTpoü.  1 

62  —  IX  715  'AvaKp^ovTOC.  l(PL  IV  7,  9.  3.  18.) 

63  =  IX  730  AimnTpiou  BiGuvoO. ) 

85  =  XI  255  (PL  n  38,  3)  HaXXabä. 
Epit.  34  (251)  —  vn  224  (PL  HI  12,  12)  db^CTTOTOV. 

Anderen  griechischen  Quellen  entstammt  bei  Nurcisius: 

140  die  Angabe  ^ex  Menandro'  ist  richtig;  das  Stück  ist  dem  Sto- 
baeus  (Florileg.  p.  31,  11,  bei  Meineke  Comicorum  relL  IV  325) 
entlehnt.    Diesselbe  Quelle  liegt  zu  Grunde  für 

*)  VgL  Gatonifl  dist.  II  2,  2: 

Cum  sie  mortalis;  quae  sunt  mortalia  cura. 


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234  R.  Peiper: 

117,  ein  Fragment  von  Mcvdvbpou  *G7riTp€7rövTUJV,  welches  Sto- 
baeus  aufbewahrt  hat  (Tit  XXX  =  A  7,  t.  11  p.  24  Mein., 
Comicorum  relL  IV  p.  119  incert  CDLXXII,  daraus  Mono- 
sticha  V.  34). 

144  steht  freilich  in  der  Anthologie  VE  670  TTXctTUJVOc  (PL  1116, 28|; 
dürfte  indessen  eher  dem  Diogenes  Laertius  (HE  29  p.  182;, 
oder  Apuleius  de  mag.  c.  10  entnommen  sein« 
Bei  ügoletus: 

Epit  29  (246)  wird  gleichfalls  nicht  der  Anthologie  VE  311  (PL  HI 
7,  3)  dbdciTOTOV  entlehnt  sein;  bei  Planudes  ist  es  'AtoiOiou 
cxoXacTOKoC  überschrieben,  dem  es  auch  das  Scholion  des 
Demetrios  Triklinios  zu  Sophokles  Electra  150  zuweist  — 
es  kommt  hier  nicht  darauf  an,  ob  es,  wie  Brunck  meinte,  älter 
ist  als  Agathias:  die  Hauptsache  wird  die  Quelle  sein,  aus  der 
der  lateinische  Verfasser  es  geschöpft,  und  ich  zweifle  nicht, 
dass  wir  als  solche  den  Eustathius  äacrembolita,  der  zwischen 
850  und  988  lebte,  annehmen  müssen;  s.  Eustathii  Macr.  de 
Hysmines  et  Hjsminiae  amoribus  rec.  J.  Hllberg^  Vindob.  1876, 
S.  201  ff. 
Auf  lateinische  Quelle  geht  zurück  bei  Nurcisius: 

116  das  ist  nicht  aus  Diogenes  Laertius  X  139  genommen,  sondern 
wie  der  Wortlaut  zeigt,  direct  dem  Cicero  nat.  deor.  I  17,  45 
und  1 30,  85  nachgebildet.  Auf  einer  römischen  Inschrift  beruht, 

epit.  38  (255),  zu  welcher  Scaliger  eine  Parallele  nachgewiesen 
hat  aus  Lactorate  in  Novempopulonia;  man  YergL  aach  Anth. 
1514  Mejer: 

Olim  non  faimus,  nati  sumus,  unde  quieti 
nunc  sumus  ut  fuimus;  cura  relicta.    Vale! 

Bestimmte  Quellen  für  143  und  143  sind  nicht  nachweisbar, 
das  letztere  kann  durch  Anth.  IX  180  TTaXXabä  veranlasst  sein: 
aber  wer  hätte  nicht  diesen  locus  communis  in  Vers  oder  Prosa  gut 
oder  schlecht  ausgeführt.  Die  üeberschrift  von  142  lautet  bei  Nur- 
cisius ^Aliud  de  uxore',  es  muss  also  ein  Epigramm  de  uxore  aus- 
gefallen sein.  So  wies  bei  Nurcisius  133  ^Aliter  in  caecum  et  clau- 
dum'  auf  132  in  ^caecum  et  claudum',  22  *de  eodem  (lies  eadem) 
exemplum'  auf  143  Me  uarietate  fortunae',  bei  ügolet  130  ^Aliud  in 
eandem'  auf  129  ^in  Medeae  imaginem'  zurück.  Der  Ausfall  eines 
Epigramms  ist  auch  bei  ügolet  wahrscheinlich;  141  de  Demosthene 
handelt  nicht  von  Demosthenes,  und  wenn  man  ex  Demosthene 
schreiben  wollte,  wer  würde  dem  Bedner  diese  Worte  geben  woUen, 
die  doch  offenbar  aus  den  Disticha  Catonis  entlehnt  sind;  es  sind 
die  ersten  Absätze  von  IV  23,  21  und  27: 

Disco,  sed  a  doctis! 
Exerce  Studium! 
Disoere  ne  oessal 


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Die  handBchriftl.  üeberliefenmg  des  Ausonias.  235 

welche  in  je  einem  Hexameter  ausgeführt,  bez.  yarürt  werden.  Der 
sinnlose  diitte  Vers: 

quae  didicisti  aut  dum  discendo  absumere  tendas, 

war  leicht  zu  corrigiren:  Q.  d.,  haut  dediscendo  a.  t. 

Es  hat  sich  also,  wie  mehrfach  in  der  Salmasianischen  Antho- 
logie (vgl.  Peiper  Bh.  M.  XXXI  s.  186,  187,  188,  191)  die  Ueber- 
schrift  erhalten^  das  Epigramm  mit  der  folgenden  üeberschrift  ver- 
loren. Wenn  wir  nun  den  Demosthenes  nicht  ein  einziges  Mal,  weder 
in  der  griechischen  noch  lateinischen  Anthologie  genannt  finden, 
dürfte  man  vielleicht  die  Veimuthung  wagen,  es  habe  als  Parallele 
zu  dem  echten  Epigramm  55  Lais  die  üebertragung  von  Anth.  XI 266 
AouKiXXiou 

Veubfec  fcoTTTpov  ?X€i  AriiuiocOevic*    el  t&P  äXh^^c 
?ßX€TT€V,  oÖK  Sv  8Xu)c  fjOcXev  aÖTÖ  ßX^ireiv. 

in  der  Beihe  der  ügoletiana  ehedem  ihren  Platz  gehabt  und  den- 
selben durch  einen  sorglosen  Abschreiber  oder  Setzer  bis  auf  die 
Ueberschriffc,  deren  Verstümmelung  sehr  natürlich,  eingebüsst. 

Wir  dürfen  bei  dieser  Bechnung  dieEpitaphia  nicht  berück- 
sichtigen, da  diese  ein  geschlossenes  Werk  bilden,  welches  Ausonius 
einer  namenlosen  griechischen  Sammlung  nachgebildet  hat,  wie  er  in 
der  Vorrede  erklärt,  offenbar  dem  Aristotelischen  Peplos  in  der  Ge- 
stalt etwa,  den  derselbe  in  der  Florentiner  Hds.  hat.  Im  Vossianus 
um&sst  die  Beihe  epit.  1 — 26  Helden  des  troischen  Kriegs;  ohne 
neueBubrik  schliessen  sich  an  Niobe:  27  und  30;  Diogenes:  31  nebst 
Epigr.  53  und  54;  36  nebst  Epigr.  35,  37,  32  homo  felix,  Lucius, 
equus  Augusti,  Carus,  Matrona.  Nr.  28  und  33  fehlen  im  Voss., 
müssen  also  zu  den  Epigrammen  gerechnet  werden,  38  findet  sich 
unter  den  firaglichen  des  Nurcisius,  29  und  34  unter  denen  des 
Ugoletus. 

Die  üebertragung  ist  eine  ausserordentlich  freie,  wenn  wir 
einige  wenige  Qedichte  ausnehmen;  wie  hätte  auch  die  Dürftigkeit 
der  Originale  dem  Bömer  genügen  können?^)  Viele  haben  mit  der 
griechischen  Vorlage  nur  den  Namen  des  gefeierten  Helden  gemein, 
andere  sind  durch  Züge  aus  Homer  (wie  4  Achilles),  Vergü,  Ovid 
(Aiaz  3)  u.  a.  erweitert,  der  Name  Marc  wird  in  dem  einen  (13)  ge- 
radezu genannt  ^^),  und  wie  fOr  13,  so  ist  Vergil  für  9,  19  und  23, 
wenn  nicht  die  einzige,  doch  die  Hauptquelle,  wie  schon  Vinetus  er- 
kannt hat.  Aber  selbst  nur  eine  so  ftusserliche  Anlehnung  an  ein 
griechisches  Vorbild  lässt  sich  bei  Ausonius  nicht  überall  nach- 
weisen: wie  er  eine  grosse  Zahl  der  in  der  grieclu  Sammlung  ge- 


")  Vgl  P.  W.  Schneidewin,  de  peplo  Aristotelis,  Philol.  1  (1846)  b.  24. 
•^  In  dem  von  Nureisius  stammenden  Epigr.  118  beruht  die  Nemimig 
Vergils  auf  dem  griechischen  Originale. 


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236  B.  Peiper:       * 

nannten  Helden  übergangen  hat,  so  hat  er  andere,  wie  es  gerade  der 
Gang  seiner  Studien  oder  seine  Laune  fügte,  dazu  gewählt,  die  dort 
nicht  berücksigtigt  sind:  daraus  auf  grössere  Verluste  der  griechi- 
schen Sammlung  zn  schliessen,  sind  wir  nicht  berechtigt;  alles  weist 
uns  im  Gegentheil  auf  eine  den  erhaltenen  ziemlich  ähnliche  Hds. 
des  Peplos  hin^),  der  schon  damals  manchfach  mit  firemdartigen  Be- 
standtheilen  versetzt  (wie  Auson.  epit.  3  «=  Asclepiades  AnthoL  Vil 
145  =  Peplos  7  Bergk  bezeugt),  nur  Tielleicht  noch  etwas  yoUstSn- 
diger  war  als  die  uns  bisher  zugänglichen  Exemplare,  wie  man  aas 
der  Anwesenheit  von  epit.  8  >="  AnthoL  VII  144,  einem,  wie  Jacobs 
erkannt  hat,  aus  dem  Peplos  stammenden  Gedichte,  schliessen  darf.^^) 
Zur  Anfügung  der  dem  trojanischen  Kriege  fremden  Epigramme 
konnte  der  Vorgang  der  griechischen  Sammlung  den  Ausonius  be- 
rechtigen. 

Sicher  gehen  auf  ein  Gedicht  des  Peplos  oder  der  Anthologie 
zurück:  ep.  2  (3  Bergk),  3  (7  B.  =  Anth.  VH  145),  7  (11  B.),  8 
(Anth.  Vn  144  und  Peplos  11  B.),  11  (32),  14  (Anth.  VE  139), 
21  (M.  Schmidt,  Philol.  23,  S.  66,  hat  das  Distichon  auf  Oedipos, 
welches  aus  Porphyrius  bei  Eustath.  Od.  X  538  p.  1698  erhalten 
ist,  fr.  7  bei  Y.  Böse,  Pseudo-Arist.  S.  579  damit  verglichen),  24 
(vgL  Tzetzes  Hom.  489,  V.  Böse  S.  577).  Von  den  Epitaphien  des 
Anhangs  sind  die  drei  auf  Diogenes  epit  31,  epigr.  53  und  54  der 
Anthologie  YII  64,  YII  66  +  XYI  333,  [X  145,  das  des  Carus  der 
Anthologie  VII  228  nachgebildet. 


Bei  aller  Aehnlichkeit  zwischen  dem  handschrifblichen  Ausonias 
und  den  Epigrammen  des  Nurcisius  und  ügoletus  bezüglich  der  Quellen 
und  ihrer  Benutzung  finden  sich  doch  gewaltige  Unterschiede.  Ein- 
mal bezüglich  der  statistischen  Verhältnisse  —  selbst  wenn  wir  an> 
nehmen,  dass  noch  mehr  Epigramme  des  Ausonius  als  wir  derzeit 
nachzuweisen  im  Stande  sind,  auf  Anregung  der  Griechen  und 
früherer  lateinischer  Auetoren  beruhen.  Denn  von  113  echten  Epi- 
grammen waren  wir  nur  im  Stande  etwa  den  dritten  Theil  auf 
solche  Quellen  zurückzuführen,  von  den  34,  die  Nurcisius  und  ügolet 
hinzubrachten,  sind  wir  nur  mit  4  im  Bückstande  bezüglich  eines 
solchen  Nachweises  (134,  115,  104,  105).  Zweitens  fimden  sich 
schon  für  Mehrere  bei  Nurcisius  und  ügolet  Quellen,  diederZeitdes 
Ausonius  offenbar  fremd  sind.  Als  durchaus  sicher  werden  wir 
die  Yerfassemamen  auch  in  der  Anthologia  Palatina  nicht  betrachten 
dürfen;  ebenso  werden  die  Angaben  über  die  Lebenszeit  der  ein- 
zelnen Dichter  noch  mancher  Berichtigung  bedürfen.  Wenn  wir  daher 
Bufinus  als  Verfasser  mehrerer  Gedichte  der  echten  Ausoniana  finden 


»O  S.  auch  M.  Schmidt  in  Philol.  23  (1866),  S.  61.  —  »»)  S.  Schneide- 
win  a.  0. 


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Die  handschriftl.  üeberlieferung  des  Aasonias.  237 

(13,  88),  80  wird  nicht  ohne  Weiteres  die  Richtigkeit  der  Angabe  zu 
bezweifeln,  sondern  eher  das  Zeitalter  des  Bufinus  danach  zn  be- 
stimmen sein^);  finden  wir  den  Palladas  als  Vorbild  ftir  eine  einzelne 
Nummer,  50,  so  werden  wir  diesen  Namen  anfechten  dürfen,  so 
gut  wie  Bnmck  es  ans  triftigen  Gründen  bei  Anth.  X  32  gethan  (ein 
Epigramm,  das  schon  bei  Ljcophron  und  Athenaeus  erwähnt  ist), 
wir  mflssten  denn  annehmen,  dass  ein  Stück  sehr  ähnlichen  Inhalts 
dem  Ausonius  wie  dem  Palladas  vorgelegen  habe;  finden  wir  ihn 
öfters,  wie  bei  Nurcisius  und  Ugolet  (137,  136,  85),  werden  wir  ge- 
gründete Ursache  haben,  diese  Reihen  dem  Ausonius  abzusprechen 
und  einem  jüngeren  Verfasser  zuzuweisen.  Dann  werden  wir  uns 
auch  nicht  wundem,  dass  solche  griechische  Epigramme,  die  nur 
durch  die  Planudea  auf  uns  gekommen  sind,  in  verhältnissmässig 
grösserer  Zahl  sich  als  Vorbilder  für  die  fraglichen ,  denn  als  solche 
der  echt  Ausonischen  Epigramme  ausweisen  (bei  diesen  6  auf  35, 
bei  jenen  5.auf  19),  ja  dass  keins  der  nachgewiesenen  Vorbilder  in 
der  Planudea  fehlt,  während  doch  wenigstens  für  2  der  echt  Ausoni- 
schen (39,  94)  dieselben  nur  in  der  Anth.  Palatina  sich  finden,  in 
der  Planudea  fehlen.  Die  Disticha  Catonis  werden  wir  nun,  auf 
spätere  Zeiten  gewiesen,  gern  als  Quelle  gelten  lassen:  wir  werden 
zu  den  Werken  greifen,  die  am  Ausgange  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts gedruckt  oder  ungedruckt  die  Quellen  des  gelehrten  Wissens 
waren,  und  Eustathius,  Stobaeus,  Diogenes  Laertius  ohne  Wider- 
spruch als  die  anerkennen,  bei  denen  der  Epigrammatist  seine  An- 
leihe gemacht  hat.  Zu  all  den  oben  aufgeführten  Quellen  aber  wird 
eine  Hauptquelle  oder  Anregung  hinzutreten:  die  echten  Gedichte 
des  Ausonius  selbst. 

Von  diesem  Standpunkte  aus  betrachtet,  treten  viele  Sonderbar- 
keiten, über  die  übrigens  meistens  Erklärer  und  Grammatiker  recht 
fltlchtig  hinweg  geglitten  sind,  wenn  sie  sich  überhaupt  damit  zu  be- 
fiässen  gewagt,  in  ein  anderes  Licht  und  finden  ihre  gerechte  Wür- 
digung. 

Zunächst  werden  wir  uns  veranlasst  fühlen  im  Ganzen  und 
Grossen  den  Standpunkt,  den  Ausonius,  und  den  der  Ver- 
fasser der  Nursio-Ügoletiana  den  griechischen  Vorbildern 
gegenüber  einnimmt,  zu  prüfen  und  es  wird  sich  ein  gewaltiger 
unterschied  ergeben.  Für  Ausonius  gilt  das  Wort  des  Accursius: 
^feUciorem  plerumque  metaphrasten  Ausonium  quam  Interpretern 
fideliorem  agnoscas'  und  an  anderer  Stelle  (zu  ep.  118):  ^Ausonius 
quidem  rem  ezomans,  ut  ingenimn  dezteritasque  eins  fuit,  graeco 
epigrammati,  unde  suum  finzit,  hunc  uersum  (v.  10)  cum  hexametro 
et  annezos  statim  duos  ac  quatuor  Ultimos  adiecit .  Und  so  trifffc 
auch  Vinetus  das  Rechte,  wenn  er,  freilich  gelegentlich  der  willkühr- 
liehen  Ergänzung  von  ep.  84  in  ügolets  Ausgabe,  bemerkt  ^ut  sit 


•>)  Vgl.  Bernhardt  H  678. 

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238  &.  Peiper: 

luee  dariuB  nostrnm  in  plerisque  non  inierpretis  sed  imitatoria  condi- 
torisque  perfanctum  munere,  multaque  aut  apüus  comminuisse  ant 
locupletiuB  commiuünisse  excoluisBeque  et  neluti  coloribus  aspersiBse'. 
Ausonius  ist  Dichter,  der  andere  ein  geisüoeer,  schülerhafter  üeber- 
Setzer.  Ausonius  greift  gewisse  Epigramme  wegen  besonders  an- 
ziehender Momente  heraus  und  frei  arbeitet  er  diese  Momente  um; 
selten  nur  (und  auch  dann  nicht  in  der  Absicht^  das  Original  getreu 
in  sein  Latein  zu  übertragen)  schliesst  er  sich  enger  an  den  Wort- 
laut an:  hauptsftchlich  findet  das  bei  kurzen  griechischen  Vorlagen 
statt,  die  die  Pointe  schon  prägnant  genug  ausgeprägt  enthielten 
(wie  21,  74,  94,  119),  dass  ein  Aendem  Unverstand  gewesen  w&re. 
Einer  sla'engeren  üebersetzung  fügt  er  wohl  eine  Pointe  hinzu,  wie 
der  unterschied  des  Bömers  vom  Griechen  erforderte  (epit.  28).  Wenn 
darum  die  Erklärer  der  griechischen  Anthologie,  im  besonderen  F. 
Dübner,  so  häufig  berichten:  ^dies  oder  ein  diesem  ähnliches  Epi- 
gramm hat  Ausonius  übersetzt',  so  liegt  darin  —  abgesehen  von  der 
unwahrscheinlichen  Annahme,  dass  eine  so  erhebliche  Zahl  griechi- 
scher Epigranmie,  die  Ausonius  in  den  Gedichtsammlungen  seinar 
Zeit  gefunden,  nach  der  Zusammenfassung  derselben  in  grössere 
Sammlungen,  verloren  gegangen  —  ein  Misskennen  der  Ausonischen 
Dichtungsweise.  Wenn  aber  die  Kritiker  beim  Vergleich  mit  dem 
Originale  den  Dichter  tadeln,  so  trifft  dieser  Tadel  meistens  nicht  die 
Person  des  Ausonius,  sondern  den  Charakter  des  Volkes  imd  der 
Zeit,  aus  denen  heraus  er  dachte  und  dichtete;  oder  sie  tadeln,  wie 
Dübner  bei  ep.  84  ^graeco  poeta  longo  inferior',  Verse,  mit  denen, 
wie  wir  nun  wissen,  er  nichts  zu  thun  gehabt.  Denn  die  Nursio- 
ügoletiana  stellen  üebertragungen  dar,  in  die  der  üebersetzer  nicht 
vermocht  hat  vom  eigenen  Geiste  etwas  hineinzulegen;  es  sind 
traurige  Producte  den  Versuchen  z.  B.  eines  Traversari  gegenüber 
—  wie  könnten  sie  gar  mit  der  Leistung  eines  Grotius  in  die  Schranken 
treten.  Der  beiläufige  Tadel,  der  ihnen  von  Vinetus  u.  a.  gezollt 
wird  (*lepidius  multo  mehercule  graece',  Vinet  zu  ep.  63),  steht 
nicht  im  Verhältniss  zu  ihrer  Dürftigkeit.  Schon  in  der  Wahl  der 
Stoffe  zeigt  sich  das,  in  den  Fällen,  wo  freie  Wahl  ihn  leitete  (s.  unten) : 
die  metrische  Einkleidung  eines  bekannten  Sprüchleins  ist  ihm  die 
Hauptsache;  ob  der  Spruch  die  Mühe  verdient,  ob  das  Stöfflein  eine 
Pointe  bietet,  lässt  den  Verseschmied  gleichgültig.  Mangel  an  Witz 
macht  sich  hier  wie  in  den  lateinischen  Komödien  des  15 — 16.  Jahr- 
hunderts in  Italien  breit  (man  sehe  nur  die  platten  Verse  134  de 
diuite  et  paupere),  aber  man  findet  doch  sonst  bei  den  Italienern 
jener  Zeit  mehr  Feinheit  in  der  Form.  Das  Misskennen  dieser  Mängel 
hat  die  Kritiker  hier  und  da  zu  gewaltsamer  Besserung  verleitet: 
so  hat  man  wenigstens  einen  kühlen  Wortwitz  in  142  einzufahren 
versucht  (uxorem  abigere®^),  subigere  auciUam),  vergebliches  Be- 


*^  Vielleicht  ist  habere  nur  aus  haueve  verschrieben. 

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Die  handschrifü.  üeberliefemog  dea  Aasonins.  239 

ginnen!  Man  muss  diese  Erzeugnisse  nehmen  als  das,  was  sie  sind: 
Beiträge  zur  Geschichte  Ausonischer  Stadien,  aber  darf  sie  auch  nicht 
Ifinger  dnlden  unter  den  Werken  des  Ansonius,  die  durch  diese  Ge- 
Seilschaft  yernnziert  werden. 

Es  lassen  sich  ftlr  eine  nicht  unbedeutende  Anzahl  der  Nurcisius- 
und  Ugolet-Epigramme  bestimmte  Beziehungen  auf  die  echten 
Ansoniana  nachweisen,  welche  dieselben  schlagend  als  solche  ^stndia 
Ausoniana'  charakterisiren,  als  metrische  Versuche  herrorgerufen 
durch  die  Beschäftigung  mit  dem  neu  erstandenen  Dichter,  im  be* 
sonderen  durch  die  Yergleichung  der  Ausonischen  Muse  mit  ihren 
Yorbüdem;  sie  entstanden  also  ohne  Zweifel  nach  der  Herausgabe 
der  ed.  pr.,  aber  vielleicht  schon  vor  der  YeröffentUchimg  der  Antho- 
logie durch  J.  Laskaris. 

Ausonius  hat  auf  seine  Weise  in  ep.  42  das  epigr.  XYI  174 
behandelt:  die  Nurdsiana  geben  dazu  die  strenge  üebersetzung 
in  43. 

Yon  den  11  Bucula- Epigrammen  58  —  66,  ftlr  die  doch  un- 
zweifelhaft die  Anregung  in  der  Anthologie  gegeben  war,  Ittsst  sich 
eine  bestimmte  Quelle  nur  bei  61 — 63,  d.  h.  den  unechten,  nach- 
weisen. 

22  ist  mit  Eenntniss  von  und  in  engstem  Anschluss  an  Auso- 
nius 23  gefertigt^)  Wer  solche  Eenntniss  nicht  besass,  dessen 
Üebersetzung  musste  sich  naturgemftss  ähnlich  gestalten  wie  die  des 
Ambrosius  Traversari^^): 

Deposuit  laqueos  aurum  uir  nactus:  at  aurum 
non  nactus  laqueis  tristia  colla  ligat. 
Desselben  Traversi  üebersetzung  vergleiche  man  bei  144^^): 
lam  dudum  uiuis  fulgebas  Lucifer,  at  nunc 
defunctus  luces  Hesperus  exanimis. 

85  würden  wir  schwerlich  unter  den  ügoletiana  finden,  hätte 
nicht  Ausonius  84  übersetzt  (Ob  ügoletus  selbst  erst  als  Heraus- 
geber, oder  jener  ungenannte  Epigr.  84  auf  Grund  der  Anthologie 
yezTollstftndigt  hat,  kann  fraglich  erscheinen:  ich  entscheide  mich  für 
das  erstere.)  121  yerräth  seine  Beziehung  auf  32  deutlich  genug 
ep.  34  wurde  als  Gegenstück  zu  ep.  32  und  33  gedichtet  Wir 
dürfen  erwarten^  dass  der  Italiener  zu  eigenen  Yersuchen,  die  er 
den  Ausonianis  zur  Seite  stellte,  sich  anregen  Hess,  und  in  der  That 
haben  wir  davon  ein  klares  Beispiel  an  dem  Epigr.  an  Galla  105, 

'^  Ausonius  wird  gewissermassen  corrigirt,  seine  Worte  strenger  ans 
Original  angelehnt  (^iirc  ßpöxov  liquit  laqueum,  6v  Xiirev  quod  abdi- 
derat,  wodurch  postquam  vermieden  wird;  zur  Füllung  durch  Fremdes 
muBS  aber  doch  auch  der  Corrector  seine  Zuflacht  nennen:  qui  limina 
mortis  inibat,  ouans,  periit).  —  **)  Diogenes  Laertias  de  vitis  philoso* 
phorum  traductos  a  fratxe  Ambrosio.  Yenetüs  per  Pelegrinum  de  Pas- 
quaübus.  1494  (Neudruck  der  Ausgabe  Born  1476)  f.  XXXm.  — 
•»)  f.  XXXÜ'. 


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240  B.  Peiper: 

welches  das  echte  Epigr.  auf  Galla  (Auson.  13)  zur  Yoraussetzuog 
hat.  l^ein  Wunder,  wenn  dem  Verfasser  ein  Seitenstück  nicht  ge- 
nügte, sondern  dass  er  in  Uebertragung  mehrerer  derselben  Art,  zu 
der  ihm  die  Anthologie  hauptsftchlich  den  Stoff  lieferte,  sich  ver- 
suchte: So  feierte  er  im  Anschluss  an  die  vorhandenen  Epitaphien 
Dido  118  und  Niobe  246,  Medea  129,  130,  die  fratres  Thebani  139; 
auch  Penelope  135  mag  darum  ihren  Platz  hier  erhalten  haben; 
endlich  255.  Zu  den  Bufus-Epigrammen  gesellen  sich  die  gegen  den 
Grammatiker  gerichteten  136,  137,  zu  den  anderen  satirischen 
Stücken  die  auf  Delia  104,  Furippus  115,  Faustulus  122,  üxor 
142;  den  Praxiteles -Bildern  der  Venus  das  des  Apelles  106  (dies 
und  43  schon  im  ersten  Druck  neben  einander  gestellt),  endlich  eine 
Beihe  sententiöser  und  parabolischer  Verse  (116,  117,  140,  141, 
143,  145,  134,  132,  133,  134)  im  Anschluss  an  81  ff. 

Die  Spuren  des  15.  Jahrhunderts  machen  sich  in  der  Wahl 
der  Stoffe  wie  nicht  minder  in  der  Grammatik  und  Prosodik  geltend. 
Das  epitaphium  latinae  viae  (255,  epist.  38)  erinnert  uns  an  die  neu 
erweckte  Neigung,  Inschriften  zu  sammeln.  Von  einer  hybriden  Zu- 
sammensetzung wie  sie  in  Furippus  a  farendo  und  Furippus  a  fu- 
rando  in  ep.  115  geboten  wird,  kann  doch  wohl  in  alter  Zeit  nicht 
die  Bede  sein,  trotz  eines  Pseudo-Cato,  Pseudo-Damasippus  bei  Cicero. 
Die  siebente  Zeile  von  ep.  139  bietet  uns  zwiefachen  Anstoss  der  Art: 

atque  utinam  et  Thebas  quissent  partirier  ipsas. 
Ein  quissent  darf  für  ziemlich  ungewöhnlich  gelten  (Neue  II  399, 
Kühner  I  S.  529),  einen  Infinitiv  auf  -er  las   man   einst  wohl  im 
Ausonius:  Ludus  v.  88  <=  Selon  16  nach  dem  Vossianus,  mit  dem 
auch  Parisinus  stimmt: 

proinde  miseros  aut  beatos  dicier 

euita. 
Die  Aenderung  in  dicere,  für  die  auch  Scaliger  sich  aussprach,  darf 
heute  als  sicher  gelten,  üeber  das  vereinzelte  Erscheinen  dieser 
Form  s.  die  Zusammenstellung  bei  Kühner  I  S.  450.  Im  15.  Jahr- 
hunderte taucht  sie  wieder  massenhaft  auf:  Leonardus  Brunns  hat 
in  seiner  Polyzena  inficiarier,  labefactarier,  dicier  zweimal,  darier, 
insidiarier.  Kaum  dürfte  ich  mich  täuschen,  wenn  ich  aus  einem 
missverstandenen  Archaismus  die  Erklärung  für  ep.  140,  1  entnehme, 
den  der  erste  Druck  so  gibt: 

ingrato  homine  terra  peius  nil  creat; 
der  Verfasser  mag  auf  homonem  fassend,  das  Priscian  und  Servius 
aus  Ennius  beibringen  (vgL  Paulus  Festi  exe.  p.  100,  5  M.),  schon 
die  seinen  Versen  zu  Grunde  liegende  Plautus- Stelle  Bacch.  m 
2,  9  =  394  B.: 

'Nam  pol,  meo  quidem  animo,  ingrato  homine  nil  impensiust, 
sich  durch  Einsetzung  von  homone  lesbarer  gemacht,  und  dann 

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Die  handBchriftl.  üeberliefenmg  des  Auboiutib.  241 

diese  Form  in  sein  Gedicht  übertragen  haben.  Vom  griechischen 
Original  hat  er  nnr  y.  2  in  seinem  y.  5  wörtlich  wiedergegeben:  das 
mdüns,  hospes  des  zweiten  Verses  scheint  aus  Horat.  ep.  IE  2,  132 
entlehnt;  der  dritte  Vers,  der  wie  der  erste,  mit  Unrecht  gewalt- 
same ümSndeningen  durch  Gronoy  und  Salmasius  erfahren,  dürfte 
gelautet  haben,  mit  einziger  Aenderung  der  Silben  et  genus: 

et  si  qua  genera  sunt  maligna  ciuium. 
Ich  entnehme  das  Wort  dem  17.  Verse  derselben  Plautus-Scene: 

iuetus  iniustuSy  malignus  largus,  tristis  commodus. 
Mehr  als  diese  Einzelnheiten  noch  erinnert  uns  an  die  angegebene 
Zeit  ein  modemer  Ton,  der  allerdings  bei  den  italienischen  Epi- 
grammatisten,  die  sich  an  Ausonius  gebildet  haben,  nicht  immer  so 
sehr  heryorsticht.  Mit  einigem  Rechte  konnte  allerdings  der  Conte 
Nicolo  d*  Arco  (s.  Maffei,  Verona  illustr.  11  293)  yon  Ayantius 
rflhmen: 

Qui  Ayantii  modulos  et  hos  et  iUos, 

Qui  deinde  Ausonii  poema  cemet, 

Ayantii  aut  modulos  putabit  esse 

ütrosque,  Ausonii  uel  esse  utrosque. 

Von  der  Armseligkeit^  die  in  diesen  Stücken  waltet,  gibt  die 
Wiederholung  derselben  Wendungen  Zeugniss,  die  selten  durch 
das  Griechische  bedingt  ist. 
Vgl.  129,  3  rerum  in  diuersa,  139,  4  in  diuersa  sui. 

129,  6  alterutrum  uideas,  ut  sit  in  alterutro,  132,  2  quo  caret 

alteruter,  sumit  ab  alterutro. 
129,  2  Voluentem  in  natos  crudum  animo  feu^inuS;  130,  2  In 

natos  crudum  uoluere  mente  nefas. 
129,  7  cunctantem  satis  est,  130,  10  Cunctantem  —  nur  fUr 
130  gab  das  griechische  Original  dazu  Veranlassung. 

129,  4  ut  ne  picta  quidem  —  7  quin  ne  picta  quidem:  —  eine 
wenig  geschickte  Wiedergabe  des  (rriechischen  y.  2  Ka\  dv  eibdiXuj 
—  y.  -5  Kai  iv  KTipu). 

Der  Grieche  gibt  y.  3  f.  folgendermassen: 

fj  TIC  li'icuiv 
b€UT€poc  fj  rXonjKii  TIC  irdXi  coi  TTpöqpacic; 
der  Italiener: 

Numsam  te  pelez  stimulat?  numne  alter  lasen 
altera  yd  Glauce  sunt  tibi  causa  necis? 
Ans  Ungeschick  hat  der  üebersetzer  haaren  Unsinn  geschrieben;  denn 
das  ist  es  doch,  wenn  man  unter  pelex  nur  die  wirkliche  Glauce  yer- 
stehen  kann.  Nicht  immer  hat  er  es  bei  wenig  tlTorten  bewenden 
lassen,  auch  geschwätzigere  Erweiterungen  des  kurz  gefassten  Ge- 
dankens des  Originals  yerschmäht  er  nicht:  ep.  122  macht  er  aus 
einem  Verse  drei: 


Jateb.  f.  olMS.  Phüol.  flmppL  Bd.  XL  J?_    ,     Qooale 


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242  R.  Peiper: 

AaKTicOeic  ibc  cixe  tö  xaipiov  *Ä  98öv€'  q>iidv  — 
Mozque  idem  ad  mortem  est  multatns  calcibos  eitts, 

perditus  nt  poeset  uix  retinere  animam. 
Yiz  tamen  est  fatns:  ^qnid  rides,  improbe  liuor?' 

So  werden  aus  zwei  griechischen  Distichen  vier  lateinische  in  137; 
freilich  hat  er  sich  dazn  aufgerafft,  ans  eigner  Tasche  eine  Pointe 
anzufügen,  die  immerhin  mehr  Ge&llen  erregen  wird  als  die  Er- 
weiterungen in  118  (Dido)  v.  9 — 12  und  15  — 18,  die  durchaus 
überflüssig  sind  und  der  Wiederholungen  nicht  entbehren,  z.  B.: 
4  uita  nee  incestis  laeta  (laesa?)  cupidinibus  — 
11  uixi  sine  uulnere  famae. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  Erweiterungen  läset  er  anderwärts 
Mittelglieder,  die  zum  Yerständniss  wichtig  sind,  aus,  weil  er 
mit  den  sprachlichen  Schwierigkeiten  erfolgreich  zu  ringen  und  sie 
zu  überwinden  nicht  die  genügende  Ausdauer  besitzt;  denn  genug 
Feinfühligkeit,  um  diese  Fehler  selbst  zu  gewahren,  hat  der  Mann 
unbedingt  besitzen  müssen.  Epigr.  129  ist  auch  hierfür  lehrreich. 
Volles  Yerständniss  gewinnt  es  nur,  wenn  wir  das  Original  zu 
Hülfe  nehmen:  dann  ergänzen  wir  uns  hinter  y.  4  die  Worte  fi^qm! 
b*  dTrXrjpuJcev,  die  wir  gar  nicht  entbehren  können;  dann  erst  ver- 
stehen wir,  was  die  Worte  ^Cunctantem  satis  est'  sagen  wollen,  wenn 
wir  im  Original  lesen: 

*'ApK€T  b*  &  jh^XXticic',  ?<pa  co<pöc. 
Wer  dürfte  richtig  im  Epitaph  der  Gallicratea  (epit  34)  die  Worte 
entziffern:  ^ 

Nullius  sezus  mors  mihi  uisa  fuit, 
wenn  ihm  nicht  der  Grieche  das  Räthsel  löste : 

oub'  dvöc  ovbk  mf^c  (sc.  T^KVWv)  ibpaKÖjLiiiv  Oävaxov. 
Die  Yergleichung  des  Originals  ergibt,  dass  in  t.  4  In  tremulam  zu 
trennen  ist,  wie  auch  D.  Heinsius  erkannte;  so  lesen  aber  auch  die 
ersten  Ausgaben  bis  auf  den  erst  durch  die  Aldina  beseitigten  Fehler 
tremula.  Die  letztere  aber  hat  dafür  eine  charakteristische  Lesart 
in  V.  3  verdrängt: 

Sed  centum  et  quinque  expleui  bene  mensibus  annos. 
Dem  Yerfasser  schwebte  Yergil  Aen.  Y  46  vor: 

Annuus  exactis  completur  mensibus  orbis« 

Wenn  wir  nun  zweifelsohne  dem  Avantius  Becht  geben,  wenn 
er  erwog:  durch  menses  werde  der  orbis  annuus  erfüllt,  der  orbis 
annorum  durch  messe s,  so  fühlen  wir  uns  doch  nicht  berufen,  die 
metrischen  üebudgen  des  Yerfassers  zu  corrigiren. 

Epigr.  61:  errasti  attendens  baec  ilia  nostra,  iuuence — 
Die  Worte  des  echten  ep«  5  9 :  ^ubera  quid  pulsas  ?'  könnten  auf  attundens 
oder  tundens  führen.    Der  enge  Anschluss  an  die  griecliisohe  Yor- 

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Die  handsohrifÜ.  Ueberliefeaning  des  Anaomas.  243 

läge,  den  der  YerfMser  in  diesen  Bucula-Epigrammen  anstrebt,  macht 
es  wahrscheinlicher,  dass  er  das  griechische  TTpoc^pxcai  durch  ein 
dem  Lateinischen  allerdings  in  diesem  Sinne  fr^ndes  accedens 
wiedergegeben;  sündigt  er  doch  im  folgenden  Epigramm  ebenso 
gegen  den  Genius  dieser  Sprache,  wexm  er  die  Worte 

ßouci  cuvc^eXdojc 
wiedergibt  durch 

cum  bobus  ezagites. 
cum  bSbus!  So  steht  es  gedruckt  bei  ügolet  im  ep.  62  und  es  iSsst 
sich  weder  corrigiren  noch,  wie  man  leider  gethan,  mit  bübulcus  oder 
subus  entschuldigen  (ygL  L.  Müller  de  re  m.  p.  350,  Kühner  lat  Gr. 
I;  Neue,  Formenl.).  Nichts  mahnt  uns  in  den  Nursio-Ügoletiana  in 
proaodischer  Beziehung  besonders  an  das  Zeitalter  des  Ausonius 
und  Pauünus;  ein  solcher  Schnitzer  ist  auch  dem  Mittelalter  fremd, 
wir  können  ihn  nur  ans  äusserste  Ende  desselben  hinabrücken,  mit 
ihm  die  Gedichte,  in  denen  er  erscheint.  Ich  fürchte,  er  steht  nicht 
allein;  ihm  reiht  sich  an  die  Partikel  fere  105,  5  (Neue  11  518) 
und  uero  115,  1  mit  verkürzter  ultima.®*)  Freilich  scheint  dies  uero 
nicht  vereinzelt  bei  Ausonius,  denn  epist.  VI  5  gibt  die  Hds. :  poma  ut 
mala  uoces,  carmina  uero  mala;  indess  ist  uero  hier  auch  dem  Sinne 
nach  nicht  angemessen,  man  erwartet  einen  Imperativ,  wie  die,  aoca, 
und  wenn  wir  bedenken,  dass  den  poma  nicht  ein  Beiwort  zugefügt, 
sondern  ein  anderer  Name,  mala,  an  seine  Stelle  gesetzt  wird,  dass 
also  auch  mala  nicht  als  Adjectiv  auf  carmina  bezogen  werden  darf, 
sondern  Substantiv  sein  muss,  so  wird  sich  uerte  als  richtig/ er- 
weisen. 

Die  Anfänge  der  drei  Morula -Epigramme  122,  132,  133 
lauten: 

Faustulus  insidens  formicae,  ut  magno  elephanto, 
Deddit  — 

Insidens  caeco  graditur  pede  claudus  utroque. 

Ambulat  insidens  caeco  pede  captus  utroque. 

Es  liegt  eine  Achtung  abnöthigende  Beharrlichkeit  in  der  Yer- 
tauschung  des  Particips  von  insideo,  welches  sich  nicht  verwerthen 
liess,  mit  dem  von  insido.  Wenn  sich  nur  Stellen  der  Alten  dafOr 
fänden!  Aber  wo  equo  insidens  gebraucht  wird  (equoque  insidentem 
Liv.  Vn  6,  vgL  ourru  insidens  Seneca  Medea  29,  insideoque  toro 
Ovid.  Her.  XIX  134),. ist  es  von  insideo  herzuleitexL  Bekannt  ist 
GeUius  Xmi  5,  8:  pleraque  enim  ueterum  aetas  et  hominem  equo 
insidentem  et  equum  qui  insideretur  ^equitem'  dixerunt.  und  jenes 
insidens  deckt  sich  völlig  mit  inpositus.  Ich  ziehe  den  Schluss,  dass 
wir  es  mit  einem  der  kräftigsten  prosodischen  Schnitzer  zu  thun 


'^  uera  hat  der  älteste  Druck  und  auch  noch  die  Aldina;  jedoch  ist 
die  Bicl^tigkeit  der  Umänderung  nicht  2u  bezweifeln. 


[Jft*zedby  Google 


244  B.'Peiper: 

haben,  der  sieb  denken  läsBt,  nnd  dass  der  Yerfiuser  selbst  an  die 
Ableitung  von  insido  gar  nicht  gedacht  hat. 

Dem  verkürzten  o  am  Ausgange  dieser  Partikeln  steht  gegen- 
über die  Verlängerung  der  Endsilbe  von  ambo  134,  4  in  der  Di- 
aeresis  des  Pentameters,  gegenüber  sieben  Ausonianischen  Stellen  mit 
kurzem  o.  Ebenso  findet  sich  ego  bei  Ausonius  nur  mit  kurzem 
Schlussvocal  (denn  die  Stelle  Praef.  ad  lectorem  470  v.  35  (ed. 
Bip.  p.  331) 

cuius  ego  comes  et  quaestor  et  culmen  bonorum 
wird  mit  N.  Heinsius  durch  Einschub  von  et  zu  ändern  sein).  Zwei- 
mal dagegen  finden  wir  es  in  den  neuen  Gedichten,  zuerst  54,  6  in 
der  yermuthlich  durch  ügolet  gegebenen  Ergänzung  des  Gedichts :  Sicut 
ego  solus  —  das  andere  Mal  105,  7  separor  unus  ego  (in  Cäsnr). 
Cypri  mit  langer  Endsilbe  in  der  Ai*sis  106,  6  würde  keinen  Anstoss 
erregen:  wir  werden  aber  von  dieser  Aenderung  der  Aldina  lieber 
zur  Lesart  der  ersten  Ausgabe  zurückkehren: 

*Iam  tibi  nos  —  i  prae  — *  Inno  inquit  et  innuba  Pallas, 

*cedimu'. 

Bezüglich  der  Wahl  des  Yersmasses  ist  nicht  unbeachtet  zu 
lassen,  dass  die  vom  echten  Ausonius  nur  einmal  (Epigr.  48,  zwei 
Zeilen)  verwendeten  stichischen  Trimeter  viermal  bei  unserem  Ver- 
fasser erscheinen:  140,  142,  143,  epit.  29. 

Ep.  135.  Das  ist,  wie  schon  Scaliger  bemerkt  hat,  überhaupt  kein 
Epigramm,  sondern  Fragment  einer  Heroide  nach  Ovids  Muster,  an- 
schliessend an  die  letzten  Worte  der  Penelope  in  Ovids  ep.  I:  Gerte 
ego,  quae  f ueram  te  discedente  puella,  Protinus  ut  uenias  facta  uidebor 
anus.  Brandes  versucht  die  ersten  beiden  Verse  mit  dem  folgenden 
zusammenzuschliessen:  gelungen  ist  es  ihm  nicht,  und  es  kann  auch 
nicht  gelingen.  Aber  richtig  hat  auch  er  in  uidua  hergestellt  (vgL 
uiduas  manus  Ovid.  Her.  I  10,  uidua  lecto,  derselbe  I  81),  wie  vor 
ihm  Heinsius  und  ein  Freund  des  Ausonius,  der  einige  Bemerkungen 
in  ein  der  Breslauer  Stadtbiblipthek  gehöriges  Exemplar  der  ed. 
Gryph.  1575  eingetragen.  Mir  scheint  der  Anfiemg  des  Granzen  zu 
fehlen,  sodann  eine  Lücke  zwischen  v.  2  und  3  zu  sein.  V.  3  wird 
gelautet  haben: 

Hinc  mea  uirginitas    ÜEtcibus  tibi  gliscit  adultis 
arsit  et  in  uidua    principe  uerus  amor. 
Für  glisco  findet  sich  lisco  in  der  Ecbasis.  —  Das  Gedicht  erregt 
sonst  noch  manchen  Anstoss.    Die  schlimmsten  Punkte  scheinen  wir 

V.  2    oscula  uix  ipsi  cognita  Telemacho, 
V.  8    strataque  tentaui  sicca  pauente  manu. 

Wie  kann  der  Sohn  die  dem  Vater  aufgesparten  lüsternen  Küsse 
cognoscere?  Allenfalls  würde  man  credita  noch  ertragen.  Statt  des 
duröh  Martial  XI  81  zu  begründenden  unsaubem  sicca  (et  iacet  in 

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Die  handsohrifü.  üeberliefenmg  des  Aosonias.  245 

znedio  sicca  puella  toro;  vgl  Ovid  Ars  11  686  siocaque  de  lana  co- 
gitat  ipsa  sna)  fUhlt  man  sich  zaerst  wohl  versucht,  ein  weniger  an- 
stOssiges  Wort  einzusetzen;  etwa  tincta.  Beides  falsch:  der  Dichter 
^obscenae  nnineros  pruiiginis  implet'  und  wir  müssen  beide  Tactlosig- 
keiten  hinnehmen;  aber  dem  Ausonius  sie  aufzubürden,  sind  wir  nicht 
berechtigt;  auch  nicht  in  dem  Sinne,  den  Scaliger  hineinlegt:  castigat 
stüi  sui  ubertatem  et  luxuriem  Ausonius  —  obwohl  er  dies  sofort 
entkrfiftigt  durch  den  Zusatz:  denique  nihil  in  eius  poematis  reperias, 
quod  eins  saeculi  scholasticum  tumorem  referat.  Ita  omnia  ad  imita- 
tionem  ueterum  tamquam  ad  examen  quoddum  eziguntur. 

Ep.  139  (de  fratribus  Thebanis).  Dies  ist  einmal  eine  freiere 
XJebertragung  eines  griechischen  Gedichts;  aber  nicht  in  der  Art  des 
Ausonius.  Die  im  Griechischen  angedeuteten  Züge  sind  nur  ver- 
ballhornt, z.  Th.  durch  Verwendung  Ovidianischer  und  Statianischer 
Beminiscenzen.  Auf  letzteren  weist  Oedipodionidae  hin  (Th.  I  313, 
Yn  216),  Die  Ausdrucksweise  des  Gedichts  ist  geschraubt,  dafür 
genügt  als  Beweis  v.  2  de  misero  ah  miseri  V.  3  und  4  sind 
geradezu  unsinnig: 

Namque  etiam  ex  uno  surgentes  aggere  flammae 
in  diuersa  sui  dissiliunt  cineris, 
also  flammae,  ex  uno  aggere  surgentes,  dissiliunt  in  diuersa  sui  ci- 
neris! Die  ersten  drei  Editoren  jedoch,  Morula,  ügolet,  Avantius, 
haben  ein  eres,  und  dies  ist  richtig,  man  trenne  nur  diu'ch  Komma 
am  Ende  des  dritten  Verses  die  beiden  Subjecte  flammae  und  cineres, 
von  denen  das  erste  dem  Statins  entlehnt  ist  Th.  Xu  431: 

exundant  diuiso  uertice  flammae, 
der  zweite  dem  Ovid  Trist  V  5,  35: 

ipsa  sibi  discors 

scinditur  in  partes  atra  fauilla  duas. 
In  der  That  eine  wenig  geschickte  Verschmelzung  zweier  Bemi- 
niscenzen! Ersetzen  wir  noch  das  thörichte  etiam  durch  ecce: 

Namque  ecce  ex  uno  surgentes  aggere  flammae, 
in  diuersa  sui  dissiliunt  cineres. 

Weiterhin  ist  Anstoss  zu  nehmen  an  dem  Ausdruck:  in  semet . . .  atrox 
animus;  endlich  schliesst  der  Dichter  mit  einem  Verspaar,  welches  zu 
Zeugen  seiner  Feinfühligkeit  den  Binnen*  und  Schlussreim  as  trSgt: 

A.  u.  c.  Thebas  q.  p.  ipsas  * 

B.  e.  metas  u.  c.  nebulas. 

Fast  noch  b9ser  sind  die  beiden  Schlussworte  selbst:  cinerum  ne- 
bulas, ein  Ausdruck  erbeutet  aus  Ovid  Tr.  V  5,  31: 

sensus  inest  igitur  nebulis  quos  exigit  ignis. 
und  das  sollte  ein  Ausonianum  sein? 

Ich  glaube  in  der  ursprünglichen  Lesart  einiger  Stellen  dieser 

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246  B-  Peiper: 

Epigramme  Fingerzeige  für  ihre  Entstehusg  zu  finden:  zunftcbst  fUire 
ich  ep.  133  an;  hier  hat  Merula  herausgegeben:  Nam  caeouz  claudo  pes 
commodat  Die  beiden  Epigramme  132  und  133  sind  nur  Vaiiationen 
derselben  etwas  frei  gehaltenen  üebertragung  einer  und  derselben 
griechischen  Vorlage;  v.  1  und  4  stimmen  in  Beiden  fast  wörtlich 
überein.  Und  zwar  finde  ich  in  133  den  vorlftufigen  Entwurf,  der 
danach  in  132  seine  Verbesserung  erfuhr:  commodat  und  mutua  dat 
wurden  hier  in  das  eine  ministrat  zusammengezogezu  Wenn  ich  nun 
den  dritten  Vers  von  132  vergleiche: 

Caeco  namque  pedes  claudo  gressumque  ministrat, 
kann  ich  mich  des  Verdachtes  schwer  entschlagen,  der  Verfasser 
habe  vor  der  Durcharbeitung,  also  in  v.  133,  pedes  commodat  hin- 
geworfen, nicht  pede,  eine  Aenderung,  die  ügolets  Kopf  entstammt, 
aber  sprachlich  unzulässig  erscheint;  denn  diesen  Ablativ  von  daudus 
abhängig  zu  machen,  gestattet  v.  1  nicht;  commodare  aber  erfordert 
den  Accusativ.  Der  Fehler  also  trifft  nicht  den  Verfeusser,  sondern 
den  unbedachten  Herausgeber  solcher  Sachen. 
Ep.  136:  Felix  grammaticus  non  est;  sed  nee  fait  umquam; 

nee  quisquam  est  feliz  nomine  grammaticus. 
In  dem  griechischen  Texte  lesen  wir  für  felix  äpTtoc  oder  jn^rpioc, 
letzteres  aus  F.  Jacobs'  Conjectur;  im  Palatinus  ist  das  Adjectiv  ganz 
ausgelassen:  der  üebersetzer  hat  willkührlich  die  Lücke  der  Hdss. 
durch  felix  ausgefüllt;  das  deutet  auf  sehr  spftte  Zeit  der  Ab- 
fassung.^) 

Aehnlich  hat  sich  der  Üebersetzer  den  fehlerhaften  Text  in  der 
Vorlage  für  ep.  130  willkührlich  zurecht  gemacht,  wenn  «er  die  un- 
verständlichen Silben  eic  S  O^Xeic  durch  tenax  ersetzt.  Wer  cera 
statt  creta  liest,  könnte  die  Wahl  des  Epithetons  aus  Vergil  6.  IV 
161  herleiten  und  die  Aenderung,  zu  der  sich  Accursius  durch  Kiipiu 
verleiten  Hess,  dadurch  gestützt  wähnen;  der  Üebersetzer  hat  aber 
doch  wohl  ebenso  wie  der  Grieche  den  Stift  des  Malers  (ypaqAc^ 
creta)  damit  charakterisiren  wollen,  der,  was  der  Maler  beobachtet, 
festhält  und  getreu  wiedergibt.  Den  griechischen  Text  nach  diesen 
Epigrammen  zu  emendiren,  wie  Dübner  hier^^),  anderwärts  Benndorf 
gethan,  geht  nicht  an,  zumal  der  Text  des  üebersetzers   sich  an 


*^  Die  ungeschickte  Wiederholung  von  nxmiquam  in  v.  1  und  8  hat 
nicht  der  Verfasser,  sondern  der  SetMr  der  zweiten  Ausgabe  (der  des 
ügoletuB)  verschuldet;  der  Verfasser  schrieb: 

Sed  si  quis  feliz  praeter  fatnm  extitit  et  fas, 

hie  demum  ezcessit  grammaticos  canonas. 
So  gut  praeter  &tam  et  fiu,  so  schlecht  ist  Sed  und  hie  an  den  Vera- 
anfingen;  weon  aber  die  Herausgeber  letzteres  in  Ai  und  is  ändern,  hat 
man,  fürchte  ich,  nur  dem  üebersetzer  sein  Ezercitinm  oorrigirt  — 
*^)  Er  liest  tc*  drcWic.  Liegt  etwa  dcpeXfic  darin?  Ein  Lob  der  scmichten, 
aUer  Unwahrheit  und  üebertreibung  abholden  Zeichnung  des  EansÜers, 
vgL  Plin.  n.  h.  86,  145;  denn  trotz  Lessings  abweichender  Ansicht  dürfte 
doch  noch  dies  Epigramm  auf  des  Timomaohus  Bild  sieh  beziehen. 


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Die  haodschriftl.  üeberlieferong  des  Ansonins.  247 

manchen  Stellen  fehlerhafter  erweist,  als  die  vorhandenen  griechi- 
schen Hdas.  Man  yergleiohe  Epigr.  118  "»  (Plannd.)  XVI,  v.  6,  wo 
der  üebersetzer  ffXuOev  vorfand,  wenn  er  nicht  vieUeicht  nur  beim 
Lesen  irrte,  wihrend  der  echte  Ansonins,  wie  ep.  21  zeigt,  in  der 
That  einen  fehlerfreieren  Text  hatte,  und  allenlings  von  Benndorff 
ZOT  Aendernng  irplv  statt  xai  herbeigezogen  werden  durfte.  Die 
griechischen  Worte  lauten: 

CUJV  fOß  dji^Tpiwv 
ZrjXiwv  *€ica0€X€ic  kui  Tpaq)ic  alcödvetai. 
Die  IJebersetzung  in  der  Ausgabe  von  ügoletus: 

namque  tui  mens 
creta  tenax  geli  concipit  immodicam. 

Merulas  Ausgabe  hat  dne  für  den  Umfang  des  Gedichts  recht 
betrSchtliche  Anzahl  von  offenbaren  Gorruptelen,  deren  Corrector 
zum  Theil  durch  Avantius,  zum  Theil  erst  durch  spätere,  nicht  immer 
glücklich,  versucht  worden  ist.  Unter  die  verunglückten  Versuche 
rechne  ich  auch,  wenn  man  tui  uim  für  tui  mens  gesetzt;  ich  glaube 
mit  tumorem . . .  immodicum  Bichtigeres  zu  bieten. 

Ep.  122  ist  überschrieben:  In  Faustulum  staturae  breuis  Anci 
ProbinL  Anci  liest  man  noch  unverändert  in  der  Aldina;  Anicii  ist, 
offenbar  richtig,  erst  später  eingesetzt  worden.  Gemeint  kann  kein 
Anderer  sein,  als  der,  der  mit  seinem  Bruder  Oljbrius  im  J.  395 
Consul  wurde  —  vgl  u.  a.  Beimioni,  Geschichte  Borns  I  690  und 
813;  J.  Aschbach,  Die  Anicier  und  die  röm.  Dichterin  Proba, 
8.-B.  d.  Wiener  Akademie  LXIV  1870  p.  369  ff.  Das  Gedicht 
des  Claudianus  an  das  Brüderpaar  ist  hauptsächlich  durch  ita- 
lienische Handschriften  überliefert,  vgl.  Jeeps  Prolegomena  p. 
Vn.  Unser  Epigramm  entstammt  dem  Griechischen;  den  Zwerg 
Faufltulus  nennt  das  Original  Menestratus.  Wenn  nun  gleich 
eine  Uebertragung  griechischer  Epigramme  auf  Zeitverhältnisse  des 
Uebersetzers  nicht  undenkbar  ist,  wie  uns  die  Bnfiis-Epigramme  be- 
weisen, so  sind  doch  jedenfalls  die  vom  echten  Ausonius  angewandten 
Namen  stets  fingirte,  niemals  die  verspotteten  Personen  mit  ihrem 
wirklichen  Namen  bezeichnet,  und  Yinetus  war  in  einer  wunderbaren 
Täuschung  be&ngen,  wenn  er  die  Bufus- Epigramme  in  der  An- 
merkung zu  ep.  50  auf  den  Historiker  Seztus  Bufus  bezog.  Nicht 
anders  ist*  der  Verfasser  der  Morula-  und  Ugolet- Epigramme  ver- 
fahren. Zudem  findet  sich  im  Original  des  Faustnlus- Epigramms 
keinerlei  Hinweisung  auf  den  Herrn  des  Zwerges;  die  Anfügung  der 
Genetive  Anci  Frobini  ist  eine  anfällig  gezwungene:  mit  einem 
Worte,  es  ist  ein  vom  Üebersetzer  nicht  gewollter  Zusatz,  dessen 
Entstehung  zu  erklären  die  Erinnerung  dienen  kann,  dass  Ugolet 
einer  der  ersten  Herausgeber  des  Claudianus  gewesen  (Parma  1493): 
so  mag  denn  eine  zufällige  Notiz  seiner  Hand  zu  diesem  Epigramme 
sich  verirrt  haben. 

Der  Eindruck  der  Werthlosigkeit  dieser  Erzeugnisse  trägt  doch 


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248  B.  Peiper: 

wohl  die  Schuld,  dass  trotz  des  Ausonius  Namen  für  die  Bichtig- 
stellimg  des  Textes  von  den  Editoren  so  wenig  geleistet  worden  ist 
Man  sollte  meinen,  der  Fehler  in  ep.  134,  1  hätte  selbst  einem  rasch 
Yorttbergleitenden  Auge  sonst  nicht  entgehen  können: 

Non  est  diues  opum  diu  es  nee  pauper  inopsque 

Infelix. 
Die  einzig  möglichen  Gegensätze  sind  felix  und  infelix;  an  Stelle  des 
zweiten  diues,  das  nur  ein  Schreib-  oder  Setzervorsehen  sein  kann, 
ist  felix  zu  setzen.    Im  vierten  Verse  ist  mit  der  ersten  Ausgabe  zu 
schreiben: 

Sic  cum  egeant  ambo^  pauper  egens  minus  est. 

Wir  haben  bisher  ohfle  Unterschied  von  beiden  Sammlungen, 
der  des  Nursius  wie  der  des  Ugoletus  gesprochen,  und  waren  dazu 
durch  den  innem  Zusammenhang  beider,  durch  den  gleichen  Cha- 
rakter als  üebersetzungs-  und  Djchtungsproben,  die  nicht  blos  auf 
Gleichzeitigkeit  der  Verfasser,  sondern  auf  einen  und  denselben  Ur- 
sprung hinwiesen,  berechtigt,  sowie  durch  Uebereinstimmung  in  Fehlem 
(ygL  122  mit  132,  133).  Zufall  dürfte  es  sein,  dass  bei  Nursius 
eine  grössere  Anzahl  freierer  Bearbeitungen  (wie  118,  121,  132  und 
133,  136  und  137,  140)  sich  fanden  als  bei  Ugoletus  (139).  Dass 
ein  wirklich  altes  Gedicht  am  Schluss  der  Ugoletiana  sich  findet 
(107),  wird  für  die  Frage  nach  dem  Verfasser  bedeutungslos  sein. 
Ein  absichtliches  Unterschieben  ihnen  als  neu  bekannter  Gedichte 
seitens  der  Herausgeber  ist  undenkbar:  Ugolet  würde  schwerlich  bei 
dem  Nursius -Epigramm  118  bemerkt  haben,  dass  das  griechische 
Original  die  vier  letzten  Verse  des  Lateinischen  nicht  kenne,  er  würde 
bei  132  nicht  mit  den  Worten  ^ex  graeco'  auf  die  Quelle  des  mo- 
dernen Ver&ssers  hingewiesen  haben;  aber  er  kannte  diese  Quelle 
selbst  nicht  genau  genug;  denn  wenn  er  gleich  84  aus  derselben 
ergänzt,  hat  er  doch  bei  54  sich  des  griechischen  Originals  nicht  ent- 
sonnen und  den  Schluss  frei  hinzugedichtet.^  Ausserdem  würde  er 
für  diese  eigenen  Erzeugnisse  doch  so  viel  Interesse  gehabt  haben, 
dass  er  (wenn  nicht  leichtere  Druck-  und  Interpunctionsfehler,  die 
ja  selbst  in  jene  Ergänzungen  sich  eingeschlichen  haben)  ^^,  doch  so 
unsinnige  Textverschlechterungen  wie  über  statt  liuor,  factus  für 
fatus  (122,  5  f.)  von  ihnen  fem  gehalten  hätte. 

Bereits  vor  J.  Laskaris'  Ausgabe  wurde  die  Anthologie  in  Hand- 
schrifiien  fleissig  studirt.  Politianus,  der  in  seinen  Enabenjahren 
an  des  Moschos  ''EpwG  bpa'niTt\c  sich  voigebildet  zum  Uebeisetzer, 
der  im  17.  Lebensjahre  (1471)  eigene  griechische  Epigramme  ver- 
fertigt, theilt  in  einem  Briefe  (XII  8)  dem  Bartholomaeus  Scala,  als 


^  Genug  Beweis,  dass  die  Supplemente  der  echten  Ausoniana  nicht 
*   von  dem  Dichter  der  neuen  Epigramme  herrühren.  —  •»)  Ep.  64,  3  procul 
BOlito:  maiore  c.  84»  4  spectatur. 


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Die  handschTiftl.  üeberliefenuig  des  Ansonins.  249 

dieser  ihm  die  lateinische  Nachbildimg  eines  griechischen  Epigramms 
gesendet  hatte,  einen  griechischen  Versuch  mit^)  Dem  Codrus 
Urcens  sendet  er  eine  Auswahl  griechischer  Epigramme,  besonders 
solcher,  in  denen  er  mit  den  Griechen,  selbstyerst&ndlich  der  Antho- 
logie, wetteifert,  aus  einem  Libellus  solcher  Produkte,  den  er  publi- 
ciren  will  (epp.  Y);  die  anerkennungsvoUe  Antwort  des  Codrus, 
in  der  derselbe  auch  sagt  ^Contuli  igitur,  ut  iussisti,  epigrammata 
tua  cum  graecis'  ist  gegeben  Bononiae  quinto  luce  lulii  1494:  also 
vor  Erscheinen  jener  III  Idus  Augusti  1494  (kurz  vor  Politians 
Ende,  24.  Sept.  desselben  Jahres)  datirten  Ausgabe^  was  ja  nicht 
Wunder  nehmen  darf;  sagt  uns  doch  Laskaris  selbst  in  der  Wid- 
mungs-Epistel an  Peter  Medicis:  ^De  libro  autem  Epigrammatum 
nihil  ducimus  in  praesentia  disserendum  (vorher  hat  er  nur  zum 
Buhme  der  neuen  Typen,  in  denen  die  Anthologie  gedruckt  ist,  ge- 
sprochen); ipsa  enim  passim  iam  edita  apud  egregia  studiosorum 
ingenia,  suam  sibi  gloriam  uendicabunt'. 

Aber  es  gibt  schon  frühere  Nachrichten  von  Politians  Antho- 
logiestttdien  und  diese  betreffen  zugleich  den  Ausonius:  er  ist,  wenn 
nicht  der  erste,  doch  einer  der  ersten  und  zugleich  bedeutendsten, 
die  sich  auf  eine  Yergleichung  des  Römers  mit  den  griechischen  Vor- 
bildern einlassen:  so  erkannte  er  denn  auch  in  dem  Gedichte  des 
Posidippus  das  Original  zu  Ausonius  ep.  12  und  handelt  darüber  in 
seinen  1489  (XTTT  CaL  Nov.)  edirten  Miscellanea  (c.  XLIX,  ed.  Basil. 
1553  foL  p.  265);  dem  Epigr.  126  ist  c.  XL  gewidmet,  anderwärts 
gibt  er  eine  griechische  Uebersetzung  von  ep.  25.^^) 

Politian  jedoch  bildete  mit  solchen  Bestrebungen  keine  Aus- 
nahme; fOr  die  philologische  Büdung  war  offenbar  die  Eenntniss 
jener  Erzeugnisse  der  griechischen  Poesie  schon  Erfordemiss;  sonst 
hfttte  sicher  Politian  dem  Georg  Morula  den  Vorwurf  erspart^  den  er 
ihm  in  einem  Briefe  vom  März  oder  April  1494^^)  macht:  ^Glaphy- 
ram  uero,  qui  tamen  est  apud  te  Glaphyrus,  nunquam  profecto  co- 
moedum  citharoedumue  credidisses,  si  graeca  teueres  Antipatri  epi- 
grammata et  Philippi'.  Und  doch  hatte  dieser  einige  Eenntniss  der 
Anthologia  Planudea  bereits  verrathen  in  seinen  Commentarii  in 
JauenaHs  sat.  8,  in  denen  er  das  erQte  Gedicht  derselben  (in  der 
Palatina  steht  es  IX  357)  in  folgender  vom  neuesten  französischen 
Herausgeber  übersehenen  uebersetzung ^^^)  mittheilt: 


*^  8.  F.  W.  Hoffmann,  Lebensbilder  berühmter  Humanisten  S.  81, 
96,  179.  —  ••)  waiöl  AdKatva  cdKOC  iroX€|uiiice(ovTi  btboOca, 

iroft,  €<pn,  f\  cOv  Tt^b*  fi  kid  r^b€  v^ou. 
In  c.  XXXIX  erkl&rte  er  Auson.  epist  IV  71  ff.  mit  Anziehung  von  Epi- 
grammen des  Zeno  und  Timon;  auch  seine  Gedichte  eriimem  oft  an  Auso- 
niufl  (YgL  Delitiae  c.  o.  Italornm  poetamm  coUectore  Ranutio  Ghero 
1608,  261  Nemesis,  842  (Niobes  sepnlchrom),  362,  866,  866.  Alcon  und 
Euniu  sind  aas  demselben  entlehnt  (260,  261).  —  ^°^  Hoffmann  a.  o.  S. 
170.  —  ^®^)  Ich  entnehme  sie  dem  Florilegium  des  Bivinus,  Gotha  1661. 


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250  R.  Peiper: 

Qaattaor  ezercet  certamina  Oraecia  saera, 

mortali  duo  sunt  et  duo  sacra  deo. 
Sunt  lotds  et  Phoebi  atque  PaUemonis  Archemorique, 

pinum,  oleam  atque  apiuin  malaqne  tiictor  habet. 

Halten  wir  die  Herkunft  der  Nursius -Reihe  aus  Mailand  zu- 
sammen mit  der  Angabe  der  Quelle,  aus  der  die  Ugoletiana  ge- 
flossen sein  sollen,  so  finden  wir  uns  in  eben  dieses  Georgs  Merula 
Museum  versetzt.  Bereits  Tor  Politian,  den  er  so  kleinlich  ange- 
feindet hatte*^*),  war  dieser  Mann  gestorben.  ^^  Sein  litterarischer 
Nachlass  war  auf  des  Herzogs  Lodovico  Sforza  Anordnung  dem 
Staatssecretär  Bartholomaeus  Chalcus  (Calchus)^^)  anvertraut,  mit 
welchem  persönlich  wie  durch  Jacobus  Antiquarius  auch  Politian 
darüber  verhandelte^),  der  dem  Herzog  seine  Hülfe  bei  Herausgabe 
der  unter  desselben  Auspicien  von  Georg  Merula  gefundenen  und 
noch  nicht  publicirten  alten  Handschriften  anbietet.*^')  Dieses  Bartho- 
lomaeus Vetter  (affinis,  parente)  war  Tristan  Chalcus  (geb.  1472, 
f  nach  1507);  der  würdige  Fortsetzer  des  wegen  seiner  Gründlichkeit 
gerühmten  vaterlandischen  Geschichtswerkes  des  G.  Merula*^^,  und 
mit  dem  Beinamen  Titus  Livius  Mediolanensis  von  den  Zeitgenossen 
ausgezeichnet.  Sein  Yerhältniss  zu  seinem  Lehrer  wird  mit  dem  des 
Georg  zu  dessen  alten  Lehrer  Filelfo  verglichen,  dessen  Tod,  wie 
man  erzählte,  der  Aerger  über  seinen  Schüler  verschuldete,  e^)  Zweifels- 
ohne wird  der  Staatssecretär  seinem  gelehrten  Verwandten  weder 
Einblick  in  jenen  Nachlass  noch  Benutzung  desselben  gewehrt,  ihm 
vielmehr  die  Nutzbarmachung  desselben,  die  Mittheilung  an  Gelehrte 
zur  Herausgabe  mit  herzoglicher  Bewilligung  überlassen  haben;  war 
doch  durch  seine  Vermittelung  Tristan  in  Georgs  Stelle  eingerückt.^^) 
Aus  diesem  Museum  wird  also  die  Abschrift  des  Parisinus  mit  Ludus 
und  ürbes  stammen,  die  ügoletus  dem  Tristan  verdankt;  dass  Tristan, 
wie  wir  oben  sahen,  das  Verdienst  der  Auffindung  sich  selbst  zu- 
schreibt, darf  uns  bei  dem  eiteln  und  gegen  das  Verdienst  seines 
Lehrers  ungerechten  Manne  nicht  wundem.  Ebendaher  werden  die 
Epigramme,  deren  wahren  Verfasser  der  Geber  selbst  nicht  kannte, 
stammen.  Die  Annahme,  dass  jene  Stücke  mit  den  Epigrammen,  die 
Epigramme  mit  der  Sulpicia  in  einer  und  derselben  Hds.  gestanden, 
ist  durch  nichts  begründet.    Von  der  Sulpicia  fand  sich  eben  gleioh- 

^^^  HofPmaan  a.  o.  S.  100  f.  166  ff.  Roscoe  Lorenzo  Medid,  übers, 
von  SprenffeP  S.  818  ff.  —  *<>»)  Fabriciua  bibl.  med.  et  inf.  lat.  V,  p.  71 
Mansi.  —  "*)  üeber  ihn  s.  Sarins  bei  Argelati  SS.  MedioL  I  p.  CLXXXVI 
ad  a.  1477,  TiraboBchi  VI  S.  21.  —  ><>*)  Hoffmann  a.  o.  S.  174—176.  — 
^^^  Hoffmann  S.  172  f.  —  "»)  A  Potthast,  Wegweiser  durch  die  Geschichte- 
werke  des  europ.  Mittelalters  S.  441  upd  179.  —  ^^^•)  Die  Kritik,  die 
Tristan  an  seinem  verstorbenen  Lehrer  und  Vorgänger  übte,  venAth  allere 
dings  weniff  HetiLt.  Vgl.  Argehiti  I  p.  CGCCXXVL  —  Weiteres  über  ihn 
Argelati  CGCCXXV  ff.  Tiraboschi  VI  684.  Zwei  Briefe  Politians  an  ihn, 
einer  aus  dem  J.  1489  in  epp.  1.  IV.  —  ^^  'B.  Chalci  affinis  sni  officio 
apud  Principes  intercedente'  Argelati. 


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Die  handBchriftl.  üeberlieferang  des  Ausonins.  251 

fiüls  eine  Abschrift  nnier  Menüas  Papieren;  sie  wnrde  vier  Jahre 
nach  seinem  Tode  an  mehrere  Gelehrte  mitgetheilt,  die  sie  in  dem- 
selben Jahre  1498,  beide  dazu  wohl  berechtigt,  edirten,  der  eine  za 
Venedig  ^^^),  der  andere  (ügoletns)  zu  Parma  an  Ausonius.  Der 
Yenediger  Herausgeber  weist  seine  Berechtigung  nach,  indem  er 
Georgs  Namen  dem  Titel  zufügt:  ^Solpitiae  carmina  LXX. . .  nuper 
per  Georgii  Morulae  opera  in  lucem  edita';  ügoletus,  indem  er  bei  an- 
dern gleichzeitig  edirten  Stücken  G.  Morula  und  Tristan  Ghalcus 
nennt.  Dem  Yenediger  grössere  Berechtigung  zuzuerkennen  auf 
Grund  der  klaren  Nennung  seiner  Quelle,  scheinen  wir  nicht  be- 
rechtigt*^^); wir  finden  ja  Niemand  weiter,  der  bei  der  Yertheilung 
des  Merlanischen  Nachlasses  die  Hand  im  Spiele  gehabt,  als  Tristan; 
und  wenn  Argelati  des  Ghilinus  Zeugniss  ^qtii  rapinae  patnisse 
literariam  Morulae  horoditatem  tradit'  bestätigt  meinte  dadurch,  dass 
in  keiner  Bibliothek  etwas  davon  erhalten  sei:  auf  wen  anders  dürfte 
dasselbe  gemünzt  sein  als  auf  Tristan  Chalcus? 

Nichts  liegt  nun  näher  als  die  Yermuthug,  dass  Tristan  es  ge- 
wesen, der  aus  demselben  Nachlasse  schon  einige  Jahre  vorher  dem 
Nursius  jene  Epigramm-Beihe  ausgeliefert  für  seinen,  damals  viel- 
leicht mit  Ausonius-Studien  beschäftigten  und  wohl  deswegen  nach- 
her  mit  Beurtheüung  und  Bevorwortung  der  Leistungen  des  jungen 
Avantius  von  Tacuinus  beauftragen  Frexmd  und  Genossen  im  Hause 
der  Comaro.  An  heimliche  Entwendung  zu  denken,  wo  Bescholten- 
heit  durch  nichts  erwiesen,  wäre  ungeziemend.  Die  Zeitangabe  priori- 
bus  annis  stimmt  gut  zu  dem  Todesjahr  Merulas.  Als  sich  später 
eine  zweite  Beihe  zu  der  ersten  gesellte,  verband  der  neue  Heraus- 
geber, der  vom  Zusammenhange  beider  durch  Chalcus  Kunde  er- 
halten haben  mag,  dieselben  zu  einem  Ganzen,  und  er  setzte  den  Na- 
men Georg  Merulas,  ohne  Nursius  und  Bartholomaeus  zu  nennen, 
mit  Absicht,  nicht,  wie  man  zunächst  glauben  dürfte,  aus  Irrthum  an 
die  Spitze  dieser  Beihen. 

Es  würde  sich  lohnen,  die  Werke  der  italienischen  Dichter  des 
ausgehenden  fünfzehnten  Jahrhunderts  nach  ihren  Ausonius-Studien 
zu  prüfen:  das  landläufige  gedruckte  Material  reicht  dazu  freilich 
nicht  aus;  aber  auch  eine  nur  flüchtig  angestellte  Musterung  des 
Yorhandenen  findet  Spuren  genug.  So  hat  der  poetische  Nebenbuhler 
des  Politian,  Michael  Marullus  (1453  — 1500),  neben  Catullus  und 


^^^  Als  Anhang  zu  den  Gedichten  des  Italiener  Gregorius  Tiphernns, 
Jac  Pontanus,  Franc.  Octavius.  —  *")  Die  Veneta  ist  datirt  1498  Mensis 
Ixuui  die  undecimo,  die  Parmensis  1499,  die  X  mensis  luhi:  aber  ihr 
Frivü^um  tragt  das  Datum  'die  XXYIII  Inlii  1498' :  der  geringe  zeit- 
Uöhe  ünteiBchied  schliesst  sowohl  den  Gedanken  der  Abhängigkeit  der 
ednen  von  der  andern  Publikation  yöllig  aus,  als  er  die  Annahme  gleich- 
zeitiger Mittheilung  an  Verschiedene  rechtfertigt.  Dass  Mernla  selbst  dem 
Venetianer  das  Gedicht  mitgetheilt,  macht  ja  der  Tierjährige  Zwischen- 
raum zwischen  seinem  Tode  und  der  Herausgabe  undenkbar. 


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R.  Peiper: 

Horatins  auch  die  griechische  Anthologie  und  Ausonius  als  Vorbilder 
nicht  verschmäht  fUr  seine  1497  zu  Florenz  herausgegebenen  Epi- 
gramme.   Schon  der  Eingang  einiger  derselben  deutet  das  an: 

ed.  Paris.  1582  S.  32^  Vane  quid  affectas  —     Auson.  ep.  11, 
40^  Viderat  armatas  —         Auson.  ep.  42; 

man  yergleiche  femer  15^  de  amore  mit  Auson.  ep.  12. 

Viele  seiner  Gedichte  dürften  geringeren  Anstoss  unter  den 
Ausoniana  finden  als  jene,  wie  wir  sie  jetzt  wohl  mit  Bestimmtheit 
bezeichnen  dürfen,  Merula^schen  Producte.  Wie  viele  femer  eines 
Jovianus  Pontanus***),  der  beiden  Strozza)^**,  des  Sannazar."*)  Wer 
würde,  fände  es  sich  unter  den  Ausoniana,  dem  Epigramm  des  San- 
nazar  auf  Quintius  die  ünechtheit  ansehen: 

Clara  tibi  uideor  scripsisse  epigrammata,  Quinti; 

sunt,  fateor:  medio  scripsimus  illa  die. 
Tu  latebras  obscurus  amas,  quia  lumine  nuUo 

atque  intempesta  scribere  nocte  soles. 

Es  ist  Vieles  und  viel  Gutes  von  diesen  Epigrammatisten  ge- 
liefert worden,  dessen  sich  auch  ein  Zeitgenosse  des  Ausonius  nicht 
schämen  dürfte.  Aber  allen  diesen  würden  wir  bitteres  unrecht  thun, 
wenn  wir  ihnen  die  Geisteskind^  jenes  Quintius -Morula  unter- 
schieben wollten,  Sie,  die  Zeitgenossen  eines  Politian,  sind  getäuscht 
worden  durch  den  Glauben  an  das  Alter  der  Verse,  ein  auch  heute 
noch  bei  Vielen  stichhaltiger  Grund,  um  Hässliches  schön,  Unbedeu- 
tendes bedeutungsvoll  zu  finden:  haben  es  jene  Männer  versäumt,  so 
mögen  nun  endlich  bei  uns  des  Sannazarius  Verse  an  Bufiis^^^)  auf 
diese  Producte  Morulae  fruchtbringende  Anwendung  finden: 

Ad  Rufum. 
Tanquam  prisca  mihi  saxoque  inuenta  uetusto 

disticha  Bufe  soles  saepe  referre  tua. 
Stultum  adeo  me  Bufe  putas?  ego  tam  mala  credam 

carmina  Bomano  marmore  posse  legi? 


">)  t  1503,  vgl.  sein  Gedicht  auf  das  M&dchen  Stella  (Delitiae  U 
471)  mit  dem  Pseudo-Ausonianum  144,  seinen  Hymnus  ad  Christom  (II 
462}  mit  der  Versus  paschales  und  Oratio  matatina.  —  ^^')  Strozza  pater 
(t  1606)  de  uacca  Myronis  (ed.  Aid.  p.  147),  vgl.  mit  Auson.  61  ff.: 
Natoram  atque  artem  in  uacca  petÜBse  Myronis 

partem  aimit,  morem  gessit  utrique  Myro. 
Qui  uaccam  spectat  ^natura  hanc  protalit'  inquit, 
at  si  contigerit,  dizerit  artis  opus. 
Einem  Gedichte  des  Sohnes  (f  1608)  S.  88:  Inuide  quid  nostrae  adlatras 
praeconia  fftmae  -—  liegt  eine  Beminiscenz  an  Auson.  ep.  103  za  Grunde 
(und  diesem  Ovid  ex  Pento  IV  16).  —  ^^^)  Vgl.  das  Epigramm  Actaeon 
(Delitiae  n  734),  de  Venere  et  Marte  (U  721)  u.  a.  —  ^^')  Ad  Bufdm: 
Delitiae  II  728. 


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Die  handschriftl.  Üeberliefening  des  Anaonins.  253 

Ardiemoro  longos  afifingis  Nestoris  annos, 
Andromachefl  puemm  Laomedonta  nooas; 

Desine  mentiri  Pyliam  Phiygiamque  senectam; 
Sint  uetera  haec  aliis,  mi  nona  semper  eront. 

Der  im  letzten  Drittel  des  15.  Jahrhunderts  begründeten  Auto- 
ritSt  des  Ausonins  ist  es  zuzuschreiben^  wenn  er  auch  auf  die 
Dichter  des  folgenden  Jahrhunderts  in  Italien  neben  CatuU,  Mar- 
tialis  u.  a.  seinen  Einfluss  geübt  hat  und  von  ihnen  nachgeahmt 
worden  ist 

Der  Schüler  Politians,  Petrus  Crinitus  (1465  — 1504),  ist 
offenbar  zu  seinen  Terzinen  ^de  fagiendis  ingratis'  durch  das  unechte 
Epigr.  140  veranlasst  worden^^^),  sowie  Andreas  Naugerius 
(1483  —  1629)  und  Hieronymus  Fracastorius  (1483  —  1553)  in 
ihren  Genethliacon  a.  o.  11  131,  I  1108  dem  Ausonius  folgten;  ihm 
hat  offenbar  auch  Julius  Caesar  Scaliger  (1484 — 1558)  für  seine 
Heroes  und  Urbes  (Delitiae  778  —  830,  830—855)  den  Gedanken 
entlehnt.  Und  nicht  wenige  der  Epigramme  des  Andreas  Alciatus 
(1492  — 1550)  weisen  auf  diesen  zurück:  ich  erinnere  hier  nur  an 
EmbL  174,  Fatuitas,  mit  Miramur  beginnend  wie  ecL  1,  femer  auf 
Dicta  sapientum  Embl.  54.  Von  Cynthius  Gyraldus  (1504  — 
1573)  findet  sich  a.  0.  I  1247  eine  Nachahmung  von  Epigr.  121 
(Morula),  das  der  Mittheilung  werth  scheint: 

In  Yesbianu 
Tres  habuit  furias  quondam;  sed  Vesbia  manes 
ut  petiit,  furias  quatuor  Orcus  habet 

^Lesbia'  wird  öfters  als  seine  Geliebte  angesungen.  Die  von  Pithoeus 
der  Polianthaea  entnommenen  Verse  ^Formosissima  Lai  feminarum' 
(Biese,  Anthol.  892)  könnten  wohl  als  Seitenstück  zum  echten  Epigr. 
17,  aber  von  einem  besseren  Dichter,  ab  Morula  war,  yerfasst  worden 
sein.  In  der  ed.  princeps  des  Sidonius  1498  befindet  sich  ein  Lob- 
gedicht auf  Baptista  Pius  von  Balthasar  Tachoni,  in  welchem  jeder 
Hexameter  nach  Art  des  Technopaegnion  auf  ein  Monosjllabon 
schliesst. 

Ohne  Zweifel  Hessen  sich  diese  Beispiele  von  Einwirkung  des 
Ausonius  auf  das  seiner  Wiedererstehung  folgende  Halbjahrhundert 
erheblich  vermehren.  Ich  will  an  dieser  Stelle  lieber  auf  ein  ein- 
zelnes, neuerdings  besprochenes  Epigramm,  das  seinen  Weg  in  die 
Anthologie  gefunden  hat,  zurückgehen,  da  es  gleichfalls  in  diesen 
Kreis  gehört. 

Hermann  Hagen  hat  in  der  Gratulationsschrift  der  Universität 
Bern  zu  Bettigs  Jubiläum  1877  eine  Humanistenschrift  abdrucken 
lassen  als  Quelle  dreier  Epigramme,  die,  zuerst  von  Patisson  mit- 


"•)  Delitiae  I  p.  836. 

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254  K  Peiper: 

getheilt,  in  die  Anthologia  latina  aufgenommen  worden  sind  (894 — 
896  Biese)  nnd  mit  stichbaltigen  Gründen  hat  er  dargethan  gegen 
Göttling,  dass  diese  Gedichte  Erzengnisse  des  15.  Jahrhunderts  sind; 
die  übrigen  Verhältnisse  der  Schrift  sind  nicht  genügend  klar  gelegt: 
ich  glaube  zu  diesem  Behufe  etwas  beitragen  zu  können. 

Jjolius  Camülus  (von  welchem  man  bei  Banutius  Gherus  DeL 
poei  ItaL  I  551 — 555  zwei  Gedichte  Host,  das  erste  an  Petrus  Bern- 
bus,  welcher  1529  aus  Padua  nach  Venedig  gegangen  war)  fand  in 
Padua  im  J.  1530  eines  Phavorinus  IL  (d.  h.  liber)  (piXauriou^^^) 
Das  kann  schwerlich  ein  anderer  gewesen  sein  als  Guarinus  von 
Favera,  vom  October  1514  bis  zu  seinem  Tode  1.  Mai  1537,  Bischof 
von  Nocera,  ein  Schüler  des  Politianus.^  Auf  einen  Geistlichen 
weist  kl&rlich  der  Schluss  der  Schrift  hin. 

In  der  Schrift  selbst  sagt  nun  Phavorinus:  Vidistisne  unquam 
in  louis  Capitolini  templo  et  legistis  tabellam  lapideam  ad  aram 
magnam  literis  aureis  omatam,  in  qua  epigramma  est,  quod  Calli- 
machi  ferunt?  und  er  schildert  das  Bild  und  theilt  ep.  896  mit 
Offenbar  weist  der  Ausdruck  ad  aram  magnam  auf  den  Hochaltar 
einer  christlichen  Kirche  hin;  wenn  diese  selbst  mit  louis  Capitolini 
templum  bezeichnet  wird;  so  kann  nur  die  nach  damaliger  Ansicht^^) 
an  der  SteUe  des  ehemaligen  Jnppiter- Tempels  auf  dem  Capitol  er- 
richtete Kirche  S.  Maria  Ära  Caeli  darunter  verstanden  werden:  sie 
wäre  unserer  Schrift  zufolge  im  15.  Jahrhundert  mit  neuen  Werken 
von  Bildnern  und  Dichtern  ausgeschmückt  zu  denken.^^)  Trotz  des 
^frivolen  Spieles  der  Humanisten  mit  dem  Heidenthume'^'^)  würden 
die  Worte  des  Epigramms  ^At  louis  est  — '  an  einer  anderen  ge- 
weihten Stätte  als  dieser,  unbedingt  anstössig  gewesen  sein:  in  diesem 
Tempel  fanden  sie,  für  jene  Zeit^  ihre  volle  Berechtigung,^**) 

"^  Üeber  die  q>iXauT(a  handelt  auch  ein  Emblema  des  zeitge- 
nössischen Aldatns  (a.  0.  I  p.  44  d.  147);  die  Anwendunj^  des  Weites 
emblema  in  Camillus*  Nachschrift  S.  16,  7  darf  man  damit  m  ZuMunmen- 
hang  bringen.  —  ^^^  V^l.  Tiraboechi  VU  1060,  W.  Boscoe  Leo  X.  U 
129—137,  Garns  Series  episcoporum  ecclesiae  catholicae,  Batisbonae  1873. 
Derselbe  war  Mitherausgeber  der  Horti  Adonidis  1496  bei  Aldus,  woran 
Eckstein  im  Nomenciator  philologorum  8.  77  zu  zweifeln  scheint.  — 
"^)  So  FlaTius  Blondufl,  ygl.  Jordan,  Topop.  der  Stadt  Born  11  498, 
Gregorovius,  G.  d.  Stadt  Rom  IV  416.  —  ^°)  Auf  Sculpturen  des  16. 
Jahrhunderts  am  Hochaltar,  welcher  1728  erneuert  wurde,  weist  Platner- 
Bunsen  IE  2,  353  hin.  —  ">)  G.  Voigt,  Wiederbelebung  des  kl.  Alterth. 
8.  467.  Ueber  die  Epigrammatik  der  Zeit,  vgl.  J.  Burckhardt,  Coltor  der 
Benaissance.  2.  Aufl.,  8.  210  iL  —  ^^*)  Es  ist  ja  etwas  ganz  Anderes, 
wenn  beispielsweise  Leonardus  Aretinus  in  seiner  Comoäia  Polyxena 
die  dii  im  Allgemeinen  erw&hnt  (deorom  delubra;  deos  suspicor  affu- 
tnros  etcO»  wenn  er  der  Calphumia,  die  eben  gesskgt,  'iueram,  nt  fert 
reli^o,  ad  sacras  ecclesias',  den  Buf  in  den  Mund  legt:  ^o  lupiter,  o  Inno, 
Lucma',  danach  wieder  sie  und  andere  Öfters  ^ita  me  salnet  hiesns'  rufen 
läsBt,  oder  ^per  eum  quem  colimus  deum' ;  fehlt  doch  selbst  nicht  'sanetL 
Francisci  oracnlum'.  ~  Von  dieser  Mengerei  ist  immerhin  die  naive  Ver- 
tanschung  der  christlichen  mit  der  heidnischen  Gottheit  ^  wie  wir  sie 


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Die  handschriftl.  üeberlieüdrimg  des  AuBonins,  265 

Dies  lateiniflohe  Epigramm  nun  sollte  der  ehemalige  Bibliothekar 
der  Lanrentiana  in  gatem  Glauben  dem  alten  Callimachus  zuge- 
schrieben haben,  nachdem  bereits  zwei  Ausgaben  des  griechischen 
Dichters  (1495  und  1513),  die  Hauptausgabe  in  Florenz  selbst,  und 
schon  früher  eine  lateinische  Uebersetzung  seiner  Werke  (Mediol. 
1480)  erschienen  waren?  Glaube  das,  wer's  kann.  Philippus  Calli- 
machus^^)  war  in  Italien  gewiss  noch  wohl  bekannt,  also  dass  bei 
einigermassen  gebildeten  Leuten  eine  Verwechselung  des  Mannes  mit 
dem  Griechen  nicht  denkbar  erscheint^  Nur  wir  kennen  ihn  und 
die  ganze  poetische  Litteratur  jener  Jahre  noch  viel  zu  wenig.  Das 
Wort  ferunt  will  aber  eben  so  viel  sagen  wie  feruntur  in  der 
üeberschrift  der  Epigramm -Beihe  des  ügolet.  Freilich  zur  Be- 
gründung mangelnden  Wissens  könnte  man  ins  Feld  führen  die  bis- 
her noch  nicht  entrSthselte  dpwTOViKta  des  Phocylides  oder  Musaeus, 
die  vom  Verfasser  S.  8,  20  citirt  wird.  Auch  wohl  das  S.  13,  29 
genannte  wunderliche  Epicharmenion.  Ich  halte  das  letztere  für 
ein  freies  Gitat  von  Horat.  C.  1 18,  14,  möglicherweise  unter  fehler- 
hafter Bezeichnung  des  Metrums.  Eine  Untersch&tzung  des  Wissens 
jener  Männer  ist  so  wenig  am  Platze  wie  Uebersch&tzung;  zu  irren 
hatten  sie  in  allen  Dingen  mehr  Berechtigung  als  wir,  die  wir  kaum 
mehr  wissen,  was  es  heisst,  aus  Handschriften  des  14.  und  15.  Jahr- 
hunderts mit  all  ihrem  Wust  ein  vielfältiges  oder  gar  ein  accurates 
Wissen  sich  zu  erarbeiten.  Um  eines  verfehlten  Gitates  wiUen  also 
werden  wir  den  Mann  nicht  geringer  schätzen  dürfen:  ein  solches 
gleichfalls,  und  nicht  eine  Beziehung  auf  ein  unedirtes  oder  gar  ver- 
lorenes Gedicht  eines  Griechen  Hegt,  glaube  ich,  in  der  ipuüTOViKla 
vor:  der  Verfasser  deutet  hin  auf  das  zuerst  bei  Aldus  1494  heraus- 
gegebene Gedicht  des  Musaeus,  welches  übrigens  längst  so  bekannt 
war^^),  dass  Hero  und  Leander  bereits  in  dem  Laubwerk  an  den  Bronze- 
thüren  der  alten  Peterskirche  (jetzt  am  Portal  des  neuen  Peters- 
domes) zwischen  1441 — 1447  angebracht  wurden,^*^    Zwei  griechi- 


im  Mittelalter  finden,  sehr  verschieden.  Vgl.  F.  Piper,  Mythologie  der 
christlichen  Enzist  I  140  f.,  280  ff.  Man  vergleiche  oie  An&ngsverse  des 
Bmnellus  (£.  Voigt,  kleinere  lateinische  Denkmäler  der  Thiersage, 
Strassb.  1878,  S.  81): 

Instabat  festiua  dies,  animalia  bruta 

conueniunt  culpas  depositura  suas. 
Et  lupuB  et  uulpes  capitolia  prozima  quaerunt, 

iungitur  bis  asinus  nulla  sinistra  ratus. 
Sede  sedet  potiore  lupus:  nos  lupiter,  inquit, 

mandat  de  nostris  paenitnisse  malis. 
—  "^  An  ihn,  den  Freund  des  Conrad  Geltis  (1437  —  1494,  in  Krakau 
gestorben;  Fabricius  bibl.  med.  et  inf.  lai  I  824  M.)  hat  schon  M. 
Schmidt  erinnert.  —  "*)  fiesonders  da  CalimachuB  ein  dem  Italiener  ge- 
läufiger Name  war;  in  der  eben  genannten  Poljzena  z.  B.  tritt  eme 
Person  dieses  Namens  anf.  —  ^'^)  Oder  soll  man  Ovid.  Her.  XVIII  als 
Quelle  annehmen?  ^*^)  Piper,  a.  0.  I  293.  Platner-Bunsen  U  1,  178 
nennt  Hero  und  Leander  nicht 


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256  R.  Peiper: 

sehe  Epigramme  mit  lateinischer  Uebersetztmg  stellte  Marcus  MoBuniB 
dem  von  ihm  heraasgegebenen  Texte  des  Oedichtes  voran:  das  zweite 
lautet  in  der  üebersetzung  folgendermassen : 

(Marci  Musuri  Cretensis)  in  Musaeum. 
Etiam  praecordia  inuidia  deorum  tetigit,  nam  carminibus 
lactauit  consecutum  Mars  praemia  laborum. 
Id  audiens  indignatus  est  quod  sua  obumbrauerat  opera 
Tenebrae  satis,  Martisque  non  tulit  inuidiam  Amor; 
Musaeoque  mandauit,  ille  uero  canebat  amantium 
Furorem  decerpendi  uirginitatis  florem. 
Laudetnr  ergo  paruis  pauxisse  marginibus 
Quae  paruis  ludens  manibus  patraoit  Cupido. 

Eine  dunkle  Erinnerung  an  diese  Worte  des  Musurus  können 
den  Verfasser,  der  sein  Schwanken  in  Betreff  des  Dichters  selbst  ge- 
steht, veranlasst  haben,  den  Inhalt,  so  weit  er  ihm  vorschwebte, 
poetisch  angeputzt  und  erweitert  vorzutragen  und,  unbeabsichtigt 
einen  Titel  zu  erfinden,  der  selbst  dem  griechischen  Lexicon  fremd 
ist^^ 

Das  Epigramm  selbst  nun  ist  eine  Nachahmung  des  Ausoniani- 
sehen  Epigr.  112  in  simulacrum  Occasionis  et  Poenitentiae  und  es 
hat  vielleicht  mit  beigetragen,  dass  das  Original  weiterhin  in  Gunst 
blieb.  Allein  der  oben  genannte  Alciatus  hat  es  dreimal  ver- 
werthet  in  den  Emblemata,  n.  50  Gratiae,  n.  69  in  simulacrum 
Spei,  n.  186  in  Occasionem.  —  Die  beiden  anderen  Epigramme,  die 
Camillus  aus  demselben  Bande  wie  des  Phavorinus  Schrift  ans  Licht 
zog,  siad  offenbar  spftter  entstanden  als  das  des  Callimaohus;  Paral- 
lelen Hessen  sich  auch  fär  sie  in  den  auf  eiKÖvec  bezüglichen  Ge- 
dichten des  Ausonius  auffinden;  zwischen  dem  auf  die  Aphrodite- 
statue des  Praxiteles  aber  und  Auson.  ep.  57  findet  sich  keine 
Beziehung. 


IV. 
Der  Codex  Lugdunensis  (Voss.  111). 

Die  bisherige  Schätzung  des  Charakters  wie  des  poetischen  In- 
geniums des  Ausonius  wurde  durchaus  reformirt  durch  die  Ent- 
deckung des  heutigen  Vossianus  111. 

Etienne  Charpin,  ecclesiae  Lugdunensis  presbyter,  fiand  ihn 
in  dem  alten,  von  Karl  dem^Grossen  nach  Benedicts  Ordnung  zu  Ehren 


"^  Ich  will  gelegentlich  bemerken,  dass  S.  8,  21  zu  lesen  ist:   In 
qno  nimirum,  ans&tt  In  quo  nir  miras. 


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Die  haadschriftL  Ueberliefernng  des  Ansonins.  257 

des  heiL  Martdnns  neu  begrttndeien  und  reich  mit  Handschriften  be- 
schenkten^^) Kloster  der  in  der  Saone  nordwärts  von  Lyon  so  schön 
gelegenen  De-Barbe  (Insula  Barbarae),  dessen  Gebäude  heute  mili- 
tärischen Zwecken  dienen;  die  Liberalität  des  Abtes  und  Dechanten 
Antonius  ab  Albone,  die  0.  Paradinus  und  L.  Miraeus  in  den 
poetischen  Beilagen  der  ed.  Tornaes,  gepriesen  wird, 'ermöglichten  die 
Herausgabe,  an  welcher  Ouillaume  de  la  Bärge  ecclesiae  Lugdu- 
nensis  comes"^)  hervorragenden  Antheil  nahm:  ^Bargeus  heros',  heisst 
es  in  einem,  diie  neu  aufgefundenen  Stücke  einführenden  Gedichte: 

*quo  sine  Oastalidum  deperiisset  opus', 
femer:  Complementa  dedit  Bargeus.  Vielleicht  hat  er  die  Entzifferung 
der  noch  nicht  bekannten  Theile  der  Hds.  übernommen,  ein  ftir  da- 
malige Zeiten,  wenn  man  den  Zustand  der  Hds.  bedenH,  gewiss  nicht 
leichtes  Werk.  Die  eigentliche  Bearbeitung  fiel  weder  dem  Oharpin 
noch  ihm  zu:  sie  übernahm  der  auch  sonst  als  Philolog  bekannte 
Arzt  B.  Constantin,  wie  er  selbst  in  einigen  Versen  bezeugt: 

Quas  metifl  Ausonii  segetes,  runcauimus  etc. 
und  am  Schluss  S.  290  durch  die  Worte  bestätigt  wird: 
Constantini  censura  castigatum. 
Diese  Männer  haben  sich  ein  hohes  Verdienst  um  die  Erhaltung 
des  AuBonius  erworben^  das  ihnen  nicht  geschmälert  werden  sollte 
durch  die  Bekrittelxmg  ihrer,  nicht  blos  vom  heutigen  Standpunkte 
ans,  allerdings  schwachen  Leistung.  Wer  in  Lyon  die  Hdss.  gesehen,  die 
durch  die  Revolution  aus  jenem  Kloster  noch  gerettet  worden  sind^^), 
nachdem  gewiss  eine  bedeutende  Zahl  der  trefflichsten  Hdss.  dort  der 

^'*)  Gregor  von  Tours  nennt  bei  der  Erz&hlung  vom  S.  Mazimus  das 
Kloster  (c.  a.  400)  de  gloria  confessorum  c.  22,  vgl.  Buinart  p.  912. 
Ado  in  Mariyrolog  zum  4.  Nov.  verzeichnet  einen  Ambrosius  abbas  aus 
frtOierer  Zeit:  vor  der  Restauration  durch  Kaiser  Karl  zählt  Gallia 
Cfaristiana  t.  IV  620  ff.  (ed.  1656)  bereits  zwOlf  Aebte  auf;  bdrgerliche 
Unruhen  oder  Sarazenen- üebeiHflÜle  hatten  dann  die  Klosterinsassen  zer- 
streut —  ^*^)  Notizen  über  ihn  ans  Ljoner  Hdss.  in  Delandines  Catalog 
ni  218  und  447.  —  "^  Einiffe  Beispiele :  Cod.  Lugdunensis  617  (ancien  257) 
s.  IX— X.    De  Geometria,  Musica  et  Astronomia^  wie  der  Rückentitel  in 

Golddruck  besi^.     'Trad.  d*une  partie  du  Tim^e  de  Piaton '  wie 

H.  G.  Libri  am  26.  8.  1841  vom  bemerkt  hat  Es  ist  eine  schOne 
Chalcidius-Hds.,  wie  ich  mich  überzeugt  habe.  F.  1  ist  abhanden  g^e- 
konunen,  die  Ränder  sind  abgefault,  besonders  in  der  zweiten  Klfbe  ist 
dadurch  auch  der  Text  stark  mitgenommen.  Die  Hds.  beginnt  jetzt  mit 
den  Worten:  quisque  fortunam  sortis  inprosperam  culpet;  sie  schliesst 
institationis  ingenuae.  |  .  .  .  IMEO  EXPLICITFELICITER.  Es  folgte 
dann  noch  auf  dem  Reste  der  Rückseite  des  letzten  Blattes  ein  Glossar, 
soweit  die  verblichenen  Züge  errathen  lassen.  Zwölf  Qoatemionen  und 
fOnf  Blätter,  das  letzte  mit  rxni  bezeichnet  —  Entsinne  ich  mich  recht, 
so  ist  auch  Lugdun.  180  (anc.  523),  ein  Augustinus  de  civitate  dei  s.  IX, 
nnd  178  (anc.  524),  Augustinus  de  perfect  institiae  s.  Vni,  stark  mit- 
genommen, ebenso  85  (anc.  414}  In  epistolas  Sancti  Pauli  ezplanationum 
ubri:  die  ersten  fünf  Paulinischen  Briefe  durch  lauter  Stellen  aus 
Angostinus  illustrirt  von  Ambrosius,  nach  Abbä  Morel  von  Tichonius: 

Jahrb.  f.  dM«.  Pbilol.  Suppl.  Bd.  XI.  17 

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258  B.  Peiper: 

Vernichtung  anheimgefallen,  kann  sich  einen  Begriff  von  der  Gefahr 
machen,  die  auch  der  Ausonius-Hds.  drohte,  wäre  sie  nicht  aufge- 
funden^ fortgenonmien  und  aus  eines  Gelehrten  Hand  in  die  des  an- 
deren gekommen.  Ihre  ferneren  Schicksale  lassen  sich  mit  ziemlicher 
Sicherheit  ermitteln. 

Die  deutlichsten  Spuren  von  Vernachlässigung  in  der  der 
Feuchtigkeit  des  Flusses  ausgesetzten  Elosterbibliothek  trSgt  denn 
auch  unser  Vossianus  an  sich.  Derselbe  kehrte  an  diese  St&tte  nicht 
mehr  zurück,  die  noch  zu  Lebzeiten  des  oben  genannten  Abtes  Anto- 
nius d*Albon  (seit  1526  — ?)  von  den  'Haeretikem'  geplündert  und 
völlig  zerstört  wurde  (1562,  wo  auch  die  herrliche  Metropolitan- 
Kirche  St.  Maurice  in  Vienne  ihre  Verstümmelungen  erlitt,  die  Kirche 
von  St.  Just  in  Lyon  u.  a.  zerstört  wurden),  sondern  blieb  im  Be- 
sitze Ch^xpins,  der  ihn  an  Jacob  Cujacius  verlieh;  von  diesem 
wanderte  er  bald  nach  Erscheinen  der  ed.  Tomaesiana  1558  aus 
Bourges  (Avaricum),  wo  sich  Cujacius  1659  zum  zweiten  Male  auf- 
hielt (das  erste  Mal  war  er  dort  1556  und  1557,  zum  dritten  Male 
1676  und  1676),  an  E.  Vinetus  nach  Bordeaux.  Sie  kehrte  zu  Cuja- 
cius zurück:  denn  als  im  J.  1575  von  Februar  bis  in  den  Sommer 
hinein  Vinetus  seinen  Text  im  Druck  fertig  gesteUt,  lässt  er  sie  sich 
das  zweite  Mal  von  Cigacius  zusenden.  Bei  diesem  hatte  sie  in- 
zwischen nicht  müssig  gelegen/^^):  er  erwähnt  z.  B.  Obss.  et  Emen- 
dationum  1.  V  c.  10  (ed.  1577,  zuerst  Lyon  1664),  ihre  Lesart  con- 


mindestens  zeigt  letztere,  der  Carolingischen  Zeit  entstammende  Hds.,  die 
ffanz  zweifellos  aus  jenem  Kloster  gekommen,  was  für  schöne  Werke 
dasselbe  bessss.  In  Lugdon.  1190  (anc.  706)  findet  sich  eine  Anzahl 
jüngerer  nnd  älterer  Fragmente,  die  wohl  audi  daher  stammen:  ein  sehr 
altes  von  zweimal  sechs  Blättern,  des  Hieronvmus  Werken  entstam- 
mend, wie  ich  vermathe.  Ich  will  eine  Stelle  aus  iedem  ausheben:  1)  Valeria 
missalarum  soror  amisso  seruio  uiro  nulli  uolebat  nubere  quae  interro- 
gata  cur  hoc  faceret  ait  sibi  semper  maritum  seruium  uiuere  sentio  in 
catalogo  feminaram  multa  me  plura  dixisse  quam  exemplorum  patitur 
consuetudo  et  a  lectore  erudito  iuste  posse  reprehendi  sed  quid  faciam 
cum  mihi  mnlieres  nostri  temporis  apostoli  ingerant  auctoritatem.  2)  onde 
quo  ipso  alibi  dicit  quia  impediuit  nos  satanns  competenter  ostendit  se 
in  orationibus  sine  intermissione  certare  ut  deuictis  sattmae  impedimentis 
prosperum  iter  eins  fiat  in  uoluutate  diuidere  eos  qui  romae  sunt,  desi- 
derat  enim  et  in  orationibus  obsecrare  non  cessat  fructam  alique.  — 
Dort  finden  sich  ferner  zwei  Blätter  aus  Augustinus  s.  IX:  f.  V 
^poyrafef.  Cmn  antiquo  sensu  praedioent  EXPL.  |  INC  AD  EUNDEM.  |  Im- 
portuna  in  euangelio  mulier  etc.  F.  1^  EXP  Ad  Damasum  epsm.  inopt 
ad  marcellam  de  quinqne  noui  testamenti  qnaestionibus.  Zwei  fernere 
Blätter  enthalten  zunächst  eine  üebersicht  von  Brieftiteln:  Innocenti  ad 
uitoricum  epm  { item  innocenti  ad  epos  |  item  innocenti  ad  decentium  etc. 
Die  anommen  Commentare  zu  den  Evangelien  oder  Paulinischen  Briefen 
in  den  Hdss.  376  s.  IX,  405  s.  X,  414  s.  VIII  stammen  eben  daher. 
—  ^'*)  Es  ist  zu  bedauern,  dass  man  aus  dem  im  J.  1573  angefertigten 
Cataloge  der  Bibliothek  des  Cigacius,  der  sich  in  der  Pariser  Hds.  lat 
4552  erhalten  hat,  nicht  wenigstens  ein  Verzeichniss  der  Handschriften, 
die  derselbe  bis  dahin  gesammelt,  mitgetheilt  hat  (E.  Spangenbeig,  Jacob 


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Die  handsehriftl.  üeberliefening  des  Auaonins.  259 

Bors  statt  consi  in  Teclinop.  343,  3 :  bei  ihm  hatten  andere  von  ihr 
Kenntniss  genommen  nnd  sie  benutzt:  Ludoyicus  Russardus  z,  B.  nnd 
Adrianus  Tnmebus,  der  manchfiach  in  seinen  Adversarien  sie  ver- 
werthete;  hauptsftchlich  Scaliger,  der  sie  seiner  1573  erschienenen 
Ausgabe  zn  Onmde  legt;  er  muss  sie,  da  er  1571  zu  Valence  den 
berühmten  Bechtsgelehrten  hörte,  verglichen  haben,  wie  er  auch 
zu  der  Zeit  unter  anderen  Hdss.^**)  den  neuerdings  wiedergefun- 
denen Codex  Cuiacianus  des  CatuU  TibuU  Propertius  und  der  Priapea 
benutzte.^  Aus  der  Bibliothek  des  Gujacius  (f  1590),  wenn  sie 
wieder  in  dessen  Httnde  gelangt  ist  (vgl.  Bemays  S.  144  über  Ver- 
laste, die  Gujacius  an  verliehenen  Handschriften  erlitt),  sind  es 
höchstens  zwei  Schritte  in  die  des  I.  G.  Vossius,  dessen  Nachlass  die 
Leidener  Bibliothek  verherrlicht:  in  der  Zwischenzeit  dürfte  sie  in 
der  Bibliothek  des  Scaliger  sich  befunden  haben  —  wenn  gleich 
nicht,  wie  Gujacius  einst  gewünscht  haben  soll,  als  Erbtheil  des 
Lehrers  und  Freundes.***) 

Von  einer  weitlSufigen  Schilderung  der  Hds.  in  ihrem  Schriffc- 
charakter,  der  in  neuerer  Zeit  einer  namhaften  Anzahl  von  Gelehrten 
bekannt  geworden  ist,  können  wir  hier  absehen.  Sie  ist  uns  ein  Be- 
weis, wie  noch  längst  nicht  in  palaeographischer  Beziehung  die  er- 
haltenen Werke  ausgenutzt  sind.  Es  tritt  uns  zunächst  ein  unter- 
schiedenes Gompendium  für  m  und  n  entgegen:  für  n  wird  dem 
vorausgehenden  Vokal  das  gewöhnliche  Zeichen  ^  übergesetzt,  für 
m  dasselbe  durch  übergesetzten  Punct  verstärkt:  ^  Es  wird  dies 
zurückzuführen  sein  auf  die  in  der  üncialschrift  des  Berner  Oribasius 
und  des  Leidener  Apuleius  de  herbis  von  H.  Hagen  und  L.  Müller 
bemerkte  Ersetzung  des  schliessenden  M  dui'ch  -r-*)  In  unserer  Hds. 
jedoch  kommt  schon  auf  f.  27  und  28  dasselbe  Zeichen  häufig  für 
n  vor,  bis  schliesslich  für  n  überall  das  eine  wie  das  andere  eintritt. 
In  jenem  Theile  der  40  Blätter  umfassenden  Hds.,  f.  26^^  col.  2,  tritt 
auch  die  altgewohnte  Abkürzung  für  per,  das  unten  durchstrichene 
p,  ein,  z.  B.  epist.  4,  28  pbia  statt  per  auia,  während  vorher,  be- 
fremdend selbst  für  geübte  Handschriftenleser,  diese  Präposition 
durch  das  Zeichen,  das  gewöhnlich  pro  bedeutet,  ersetzt  wurde. 
Letzteres  gilt  selb^  im  Genethliacon  v.  5,  wo  die  Ausgaben  über- 
einstimmend lesep: 

Emendata  rudi  proferret  lingua  palato 

nicht  für  pro,  sondern  für  per,  wie  Parüs.  8500  klärlich  zeigt,  und 


CujaB  und  seine  Zeitgenossen  S.  61  und  176).  —  "■)  Die  Bemays  p.  148 
au&Blilt  —  "*)  S.  Hermathena  III  Dublin-London  1876,  S.  124  ff.  Jenaer 
Litteraturz.  1876  S.  819.  —  »»*)  Bemays  S.  148.  —  *)  In  den  üncialen  der 
von  L.  Delisle  beschriebenen  Eugippius-Hds.  (Notice  aar  nn  manuscript  mdro- 
vingien  contenant  des  fragments  d^  Eugippius. . .  Paris  1876  p.  11)  wird  M 
durch  den  Strich  über  dem  vorausgehenden  Vocal  ersetzt,  sein  Platz  aber 
durch  einen  Punkt  hinter  demsell^n  bezeichnet. 


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260  ß.  Peiper: 

das  scheint  auch  der  Sinn  zu  fordern.  Jedoch  steht  für  die  Inter- 
jection  proh  ganz  dasselbe  Zeichen  Par.  15,  6. 

V  V  V 

Bekannter  ist   übergesetztes  y  für  u:  catf  cautus,  tinge 

V 

tingne,  araf  auras;  übergesetztes  s,  mit  vorausgehendem  Conso- 
nant  für  us  geltend,  z.  B.  b'  für  bus,  dnrch  langes  i  geschlnngen 
ins,  wie  in  der  merkwürdig  missverstandenen  Stelle  in  Rieses  AnthoL 
lat.  644  Y.  9,  wo  der  Voss,  iustotutrinae  (sie)  gibt,  nur  dass  die 
Silbe  ins  auf  die  gesagte  Weise  abgekürzt  ist  und  das  Anfangs-t  von 
tutrinae  einen  kleinen  Zuwachs  links  oben  hat,  der  es  mit  dem  voraus- 
gehenden o  verbinden  soll.  Beide  Eigenthümlichkeiten  haben  auch 
die  Alcimus- Papyri  in  Paris,  aber  selbst  in  jüngeren  Hdss.  wie  im 
Vergilius  Ouelpherbytanus  sind  sie  nicht  selten. 

Ictus:  f.  37^  im  Gedichte  des  Sulpicius  Lupercus  649  Kies.  v.  2 

T 

liest  man  qöruit  (für  corruit),  die  Interjection  o  wird  anstatt  dessen 
durch  einen  Punct  in  der  Mitte  des  Buchstaben  charakterisirt  (z.  B. 
f.  32'*  zweimal). 

Femer  ist  zu  bemerken,  dass,  wo  erste  Hand  ein  ausgelassenes 
i  einschiebt,  wie  157;  4  latimodo,  oder  einen  anderen  Buchstaben  in 
i  corrigirt,  wie  Technop.  X  3  radicatus  in  radicitus,  dies  i  ähnlich  wie 
7  gebildet  wird;  vom  Hauptstriche  geht  ein  kleiner  Strich  nach  rechts 
oben  ab.  Es  fehlen  aber  auch  gewöhxüiche  i  in  solchen  Fällen  nicht 
(z.  B.  157,  9). 

Die  Umwandlung  des  b,  wo  es  vulgär  statt  u  gesetzt  war, 
durch  eine  lineola  paulum  assurgens  am  Hauptstriche  rechts  oben, 
wird,  wenn  ich  recht  verstehe,  von  H.  J.  Müller  (Progr.  des  Fr. 
Werder*8chen  Gymn.  zu  Berlin  1876  s.  25)  nicht  als  eine  Massnahme 
späterer  Hand  angesehen  ^  sondern  als  Charakterisirung  dieses  b 
(significans  üla  haud  dubie  b  ut  u  pronuntiandam  esse),  von  gleich- 
zeitiger Hand:  man  darf  diese  Aenderung,  die  ziemlich  consequent 
vorgenommen  worden  ist,  vergleichen  mit  den  häufig  genug  beob- 
achteten Vorgängen  in  anderen  Hdss.,  z.  B.  der  steten  Ver- 
änderung der  Machedones  durch  Basur  und  erneute  Setzung  von  c 
in  Macedones  in  der  Rhediger'schen  Orosius-Hds.;  ich  weise  sie  der 

selben  späterer  Hand  zu^  die  auch  beispielsweise  q,  wo  es  für  quae 
gilt,  in  q^**  geändert  hat. 

Ueber  die  Diphthonge  a§  und  09  ist  schon  von  L.  Müller  ge- 
sprochen worden.  Auch  der  Bruxellensis  der  Mosella  hat  vereinzelt 
V.  24  mo§nia  und  deutet  so  auf  eine  alte  Vorlage  hin. 

Eine  Klage  über  Schwierigkeit  der  Unterscheidung  zwischen 
u  und  a,  1  und  lang  i  ist  einzig  an  Stellen,  wo  durch  äussere  Schäden 
die  höchst  ckarakteristischen  Unterschiede  verwischt  sind,  gerecht- 
fertigt. Man  muss  eben  jene  Unterschiede  zu  beachten  gelernt  haben; 
wem  der  compendificirte  episcopus  einer  Merowinger  Hds.  noch  als 
Epheublatt  ins  Auge  tritt,  der  muss  allerdings  sehr  auf  der  Hut  sein. 


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Die  handachriftl.  Ueberliefenuig  des  AnBonins.  261 

Besonders  zu  nennen  sind  die  Abkürzungen  für  nomen,  noster, 
uester:  nmen  Prof.  9,  5;  24,  3  nme  Prof.  1,  6  nma  Prof.  9,  10; 
11,  7;  epit  27,  2  (anstatt  numina)  nsa  ep.  34,  12  nsas  Par.  22, 
10;  29,  3  —  ura  Id.  4,  31  f.  30"^  der  Hds.  (diese  Formen  treten  im 
Beginn  des  letzten  Viertels  der  Hds.  auf)  nse  Par.  21,  3,  auch 
norf  epist.  23,  30  —  use  Par.  22,  2  —  nre  Id.  ö  f.  30'  nsi  Prof. 
2,  27;  epist  25,  62  nsis  Prof.  7,  20;  Ed.  16  (383)  inscr.  — 
usis  Ephem.  157,  43  nsro  epist.  24,  114  nso  Par.  30,  8;  Ephem. 
167,  42  nsos  Id.  8,  43  —  nirm  epist  24,  119;  Chilon  8  —  usr 
eiuncta  statt  ueste  reducta  epist.  4,  33  —  (nfs  statt  Nisi  epist  24,  42 
—  um  gibt  Parisinus  für  uesixum  oder  uerum  Ludus  Thaies  23). 

Als  dialectische  Eigenthümlichkeiten  der  Hds.  sind  ausser  der 
Vertauschung  von  u  und  b  hervorzuheben:  l)  die  Schreibungen 
quum^^^),  qum  und  quur,  sequutus  u.  s.  w.,  die  auf  der  häufigen 
Vertauschung  des  c  und  qu  beruhen,  die  sogar  in  Ludus  dixere  qui- 
dam  statt  dixi  recedam  erzeugt  hat;  Formen  wie  locor,  condam  statt 
loquor,  quondam  sind  auf  der  anderen  Seite  nichts  seltenes.  2)  Ab- 
werf nng  des  anlautenden  i  und  hi  vor  sp  und  st:  Spania,  ste  sta  stum 
für  iste  u.  s.  w.,  selbst  extimant  für  ezistimant  Ludius  7.  3)  Die 
constante  Setzung  von  mici  statt  mihi. 

Incipit  findet  sich  nicht  selten;  selbst  vor  einem  pluralis:  in- 
cipit  parentalia  —  jedoch  incipiunt  tetrasticha  bei  den  Caesares. 
Nirgends  aber  erscheint  explicit;  statt  dessen  wird  finit  und  finiunt 
mehrmals  gesetzt  mit  und  ohne  Namen  des  Stückes.  Einige  Male 
ist  Finit  erst  von  späterer  Hand  (in  longobardischen  Zügen)  zuge- 
setzt. FINIT  findet  sich,  beiläufig  bemerkt,  auch  am  Schluss  der 
Homilien  des  Ayitus  auf  den  Pariser  Papjrus-Blättem;  hinter  den 
wenigen  Epistolae,  die  sich  dort  erhalten  haben,  steht  statt  dessen 
EXPLICIT.  um  etwas  ganz  Neues  mitzutheilen,  sei  erwähnt,  dass 
im  Münchener  Codex  der  Gedichte  desselben  Ayitus  c  1  330  s.  X 
hinter  jedem  der  ersten  fünf  Bücher  statt  des  gewöhnten  Explicit 
ein  EXPLICAT  erscheint 


Es  ist  so  selbtsverständlich,  dass  auch  die  beste  Abschrift  eines 
Werkes  ihre  häufig  eigenartigen  Fehler  hat,  dass  ein  Versuch,  den 
Beweis  davon  zu  führen,  Eulen  nach  Athen  tragen  hiesse.  Einige 
der  Fehler,  die  vor  dem  ünfehlbarkeitsglauben  in  Bezug  auf  diese 
immerhin  nur  relativ  beste  Hds.  warnen  mögen,  zum  Theil  solche, 
die  in  den  letzten  Jahren  Gegenstand  der  Besprechung  gewesen 
sind,  ohne  sichere  Heilung  bisher  gefunden  zu  haben,  wollen  wir  hier 
zur  Erledigung  zu  bringen  suchen. 


^'^  Quum  auch  mehrfach  im'  Leidener  Theodulf-Codex  (Lat  Q.  16). 
—  Eine  Reihe  der  erwähnten  Punete  erhalten  ihre  Aufklärnng  durch  F. 
Rfihls  Mittheilungen  zur  westgothischen  Palaeographie  (Acta  boc.  phiL 
Lips.  IV  876  ff.). 


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262  B.  Peiper: 

Ephem.  SchlusB  (157)  y.  16.    Die  schlimmen  Träume  der 
Nacht  hat  der  Dichter  geschildert,  die  nach  und  nach  entweichen: 

probrosa  recedit 
culpa  tori    et  profugi    minuiscunt  crimina  somnL 

Minuiscunt  ist  eine  Erfindung  Scaligers,  die  mit  Recht  angefochten 
wird  von  G.  Götz  PhiloL  34,  295.  Aber  festhalten  müssen  wir 
Scaligers  Ansicht,  dass  ein  dem  recedit  entsprechendes  Verbum  in 
den  Buchstaben  der  Hds.  munus  quü  liege,  quum  also  für  cunt, 
nicht  für  die  Präposition  cum  stehe  (munus  cum  crimine  Vinet  und 
Heinsius,  wofür  sich  auch  Axt  entschieden ;  crimen  cum  munere^  ein 
anderer  Versuch  des  Heinsius).  uanescunt  (Götz)  liegt  zu  weit  ab: 
manascunt  halte  ich  für  das  ursprüngliche;  vgl  Tlbull.  3,  4,  81: 
Ignauus  defluxit  pectore  somnus;  Prop.  1,  20,  2:  id  tibi  ne  uacuo 
defluat  ex  animo. 

Parent.  m  1  f.: 

Culta  mihi  est  pietas  patre  primum  et  matre  uocatis: 
Dicere  set  rea  fit  tertius  Arborius. 

Nicht  die  schlechteste  Conjectur  war  die  des  ersten  Herausgebers: 
Dicetur  serie  tertius  A.  Wie  man  zu  den  gezwungenen  ErklSnmgen 
der  handschriftlichen  üeberlieferung  seitens  Scaligers  und  Gronovs 
zurückgreifen  kann,  ist  mir  unerklärlich.  Brandes  hat  sich  eines  an- 
deren besonnen;  er  schreibt:  Dicere  sed  suasit.  Indessen  ist  das  ja 
das  gerade  Gegentheil  von  dem,  was  Ausonius  wollte.  Der  Dichter 
begann  Par.  I  1  f.: 

Primus  in  his  pater  Ausonius;  quem  ponere  primum 
etsi  cunctetur  filius,  ordo  iubet. 

Es  folgt  Par.  H  1  f.: 

Proxima  tu,  genetrix  Aeonia. 

In  richtiger  Beihe  folgt  nun  Arborius;  wenn  die  pietas  diese  Ord- 
nung gleichermassen  empfiehlt,  ist  doch  sie  nicht  in  dem  durch  sed 
eingeführten  Gegensatz  bezeichnet.  Die  pietas  gegen  Arborius  wird 
aber  im  folgenden  in  Conflict  mit  der  gegen  die  Eltern  geschildert: 

Quem  primum  memorare  nefas  mihi  patre  secundo, 
Bursum  non  primum  ponere  paene  nefas. 

Der  Dichter  schrieb  also  zweifelsohne: 

Dicere  set  refugit:  ^Tertius  Arborius*. 
ParenilV  25: 

Amissum  flesti  post  trina  decennia  natum. 

Mit  Becht  erhebt  Brandes  diss.  s.  25  Einwendungen  gegen  diesen 
frühen  Tod  des  berühmten  Bedners.  Wenn  er  aber  schliesst:  ^restat 
ergo,  qua  nodus  expediatur,  una  duntaxat  sententia^  cormptum  esse 
numerum',  und  quina  für  trina  einsetzt,  kann  ich  ihm  nicht  bei- 


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Die  handBchrifü.  UeberHeferung  des  Ansonins.  263 

pflichten.   Ich  nehme  ausser  an  dem  Alter,  auch  an  dem  Ausdrucke 
selbst  Anstoss:  amissum  post  tr.  d.,  und  lese  lieber: 

Amissum  flesti  per  trina  decennia  natum  — 
Mreissig  Jahre  lang  hast   du  deinen  Sohn  betrauert';  vgl.  IX  8 
Perque  nouem  caelebs  te  fleo  Olympiadas.  Es  stimmt  das  auch  yiel 
besser  zum  folgenden  Verse,  wie  man  ihn  immer  corr^giren  mag: 

Saucius,  hoc  dempto  lumine  cassus  eras 
(oder  hoc  luctu). 

Parent  VH  4: 

Et  patruos,  elegea,  meos  reminiscere  cantu: 
Contentum  tellus  quem  Butupina  tegit. 

Magna  cui  et  uariae  quaesita  pecunia  sortis 
Heredis  nullo  nomine  tuta  perit. 

Heinsius  vermuthet  zuerst  fulta  und  entscheidet  sich  dann  für  tota. 
Es  ist  cauta  zu  schreiben;  es  liegt  Horatius  ep.  II  1,  105  zu  Grunde: 

Cautos  nominibus  certis  expendere  nummos, 
wozu  man  Bentlej  vergleiche. 
Parent.  VII  14: 

Commune  hoc  uerbi  munus  habete  *Yale', 
Brandes  bemft  sich  auf  diese  Stelle,  um  Prof.  XXIY  15: 

accipe  acerbum 
Glabrio  in  aetemum  commemorate  *Vale' 
acerbum  mit  uerbum  zu  vertauschen,  wodurch  gegen  den  Yergili- 
sehen  Gebrauch  Verstössen  wird.  Dem  Heinsius  missfiel  hingegen 
an  unserer  Stelle  der  Ausdruck  uerbi  munus;  er  hariolirte  umbris, 
uobis,  Erebi  und  entschied  sich  für  dneri.  Das  vorausgehende  com- 
mune fordert: 

commune  hoc  ambo  munus  habete:  Yale! 
Parent  Vm  6: 

Pulcher  honore  oris,  tranquillo  pectore,  comis, 
Facundo  ciuis  maior  ab  ingenio. 
YgL  I  12  quamquam  et  facundo  non  rudis  ingenio.     Cuiuis  oder 
quinis  will  B&hrens,  quouis  Brandes.    Yielleicht: 

Facundo que  cluis  maior  ab  ingenio. 
Parent  YIII  17  f.: 

Caelebs  namque  gener  nunc  haec  pia  munera  soluo: 
Nam  et  caelebs  numquam  desinet  esse  gener: 
Das  nam  des  Schlussverses  betrachte  ich  als  eine  Marginal-Correctur, 
die  an  falscher  Stelle  in  den  Text  gedrungen  ist: 

Et  caelebs  numquam  de  sin  am  et  esse  gener, 
und  desinam  et  hat  bereits  Heinsius  gefunden. 


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264  R.  Peiper: 

Parent.  XI  1  f.: 

Ta  quoque  maturos,  puer  immature,  dolores 
Inriimpis  maesti  luctus  acerbus  ani. 
Ich  lese: 

Interrupisti,  luctus  acerbus  aui. 
Mit  maesti  }\ß,t  ein  Leser  den  Ausfall  einer  Silbe  ^  der  durch  den 
Fehler  In  für  Inter  eingetreten  war,  zu  beseitigen  gesucht. 
Parent  Xn  1  f.: 

Si  qua  fait  uirtus,  cuperet  quam  femina  prudens 
Esse  suam,  soror  hac  driadia  non  ruit, 
so  gibt  der  Vossianus,  in  welchem  freilich  im  Worte  non  das  o  von 
anderer  Hand  zu  a  gemacht  und  endlich  non  durch  vier  Striche  ge- 
tilgt ist  Die  Betonung  des  Namens  Dryadia  steht  durch  Parent. 
XXTTT  10  und  XXV  1  fest.  Auf  Dryadia  muss  also  ein  vocalisch 
anlautendes  Wort  gefolgt  sein;  nun,  wie 'oft  ist  nicht  non  f(ir  ur- 
sprüngliches haud  gesetzt  worden!  Sodann  ist  in  der  Vorlage  die 
ursprünglich  vergessene,  dann  übergesetzte  Silbe  entweder  vom  Li- 
brarius  des  Vossianus  übersehen  worden,  oder  sie  mag  im  Voss, 
selbst  übergesetzt  worden  und  verblichen  sein: 

Soror  hac  Dryadia  haud  caruit 
Dass  dies  das  richtige  Verbum***),  zeigt  der  folgende  Vers: 
Quin  etiam  multas  habuit  — 
Parent.  Xu  9.     Von  derselben  Schwester  Dryadia  sagt  der 
Dichter: 

Coniuge  adhuc  iuuenis  caruit,  sed  seria  uitam 
Moribus  austeras  aequiperauit  anus. 
Geistige  Frische  der  Matrone  geht  aus  dem  Vorhergesagten  hervor; 
wenn  sie  in  der  Sittenstrenge  mit  den  Strengsten  wetteiferte,  wird 
sie  doch  mit  jenen  die  tristitia  und  morositas  nicht  getheilt  haben: 
und  dieser  Gegensatz  muss  sich  in  den  unverständlichen  seria  uitam 
bergen;  man  schreibe  seria  uitans;  vgL  XXII  8: 

Tu  grauis  et  comis  cum  iustitiaque  remissus, 
Austeris  doctus  iungere  temperiem. 
In  dem  sich  eng  anschliessenden  V.  11: 

Produxit  celerem  per  sena  decennia  uitam, 
kann  nicht  mehr  von  caelebs,  wie  Heinsius  will,  die  Bede  sein;  der 
Gegensatz  der  tristitia  und  austeritas  muss  in  dem  Attribut  von 
uita  ausgedrückt  sein: 

Produxit que  hilarem  per  sena  decennia  uitam. ^^^ 


"•)  Vgl.  XXIII  6  PaulinuB  caruit  quo  pater  eloquium.  —  "^  Der 
Uebergang  von  q;  hilarem  zu  celerem  war  leicht  bei  der  vulg&ren  Ver- 
tauBchung  von  qu  und  c,  i  und  e  und  der  häufigen  Auslassung  des  an- 
lautenden Hauchlauts. 


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Die  handschriftl.  üeberlieferung  des  Ansoniiu.  265 

Parent.  XVI  1: 

Tu  quoqne,  uel  nurus  mihi  nomine  nel  uice  natae, 
Veria,  snpremi  Carmen  honoris  habe. 
Das  Scaliger'sche  nuruis  bezweifelt  auch  L.  Müller  de  re  m.  381. 
Ich  sehe  nur  die  Möglichkeit  zu  schreiben: 

Tu  quoque  siue  nnrus  mihi  nomine  sen  uice  natae. 
Parent  XXIÜ  16: 

Nondum  purpureas  cinctus  ephebe  genas, 
doch  offenbar  tinctus.  » 

Parent.  XXIH  17: 

Quattuor  ediderat  nunc  facta  puerpera  partus: 
Funera  sed  tumnlis  iam  geminata  dedit 
Das  einzig  Yemünftige  hat  Brandes  bislang  vorgebracht  diss. 
S.  39:  nunc  fracta.    Man  muss  da  also  ediderat  puerpera  verbinden: 
das  ist  doch  mindestens  ein  ungewöhnlicher  Pleonasmus.    Ich  lese: 

Quattuor  ediderat,  nunc  functa  puerpera,  partus. 
Wie  Brandes  bei  AusoniuSi  so  habe  ich  bei  Catull  67,  6  fracta  für 
facta  eingesetzt: 

Postquam  est  porrecto  fracta  marita  sene. 
Aber  auch  dort  ist  functa  das  Richtige  und  l&ngst  durch  Statins  gefunden. 
Parent.  XXVI  7: 

Ergo  Gommemorata  aue!  maestumque  uocata 
Pro  genetrice  uale! 
abe  Vossianus.    Dies  aue  —  uale  sieht  doch  recht  seltsam  aus;  ich 
vermuthe  es  steckt  in  dem  Worte  ein  consonantisch  beginnendes 
Adverb  zu  commemorata,  vielleicht  pie.    Vgl.  Parent  VI,  2  affectu 
nati  commemoranda  pio.    Dass  ist  gewiss  besser  als  wenn  man  zwei- 
mal uale  lesen  wollte :  wozu  die  h&ufige  Vertauschung  von  uale  und 
aue  verleiten  könnte,  z.  B.  ep.  XXV  v.  32,  wo  TiL  salue  atque  aue 
ftlr  salue  atque  uale  bietet 
Ludus  Praef.  13: 

Pone  obelos  igitur  spuriorum  Stigmata  uatum: 
Palmas,  non  cnlpas  esse  putabo  meas. 

So  hat  man  thöricht^r  Weise  geschrieben  und  den  Homer  unter  die 
spurii  vates  versetzt;  prauorum  versucht  gar  Heinsius.  Die  Lesart 
des  Vossianus  ist  unantastbar,  primomm;  woraus  im  Parisinus  irr- 
thümlich  puriorum  —  wie  auch  ügolet  gibt  —  geworden  ist 

Mit  nicht  minderem  Unrecht  hat  man  am  Schluss  der  Vorrede 
V.  18  derselben  Hds.  schöne  Lesart: 

Optabo  ut  placeam:  si  minus,  ut  lateam, 
verschmäht 


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266  B.  Peiper: 

Prologus  24flF.: 

non  hac  caasa  hnc  prodii, 
Ut  expedirem,  quis  theaira,  qois  forum, 
Quis  condidisset  prioas  partes  moemom: 
Sed  ut  uerendoB  disque  laudatos  uiros 
Praegred^rer  agere  quid  uellent  sibu 
y.  28  ist  unvollständig;  man  hat  in  agere  den  Fehler  gesucht  und 
geschrieben:  ac  refeiTcm  (Bip.),  ecfarerque  und  ederemque  (Heinsins), 
aegre  dixim  oder  dicam  (ScaJiger):  Vinetus  allein  scheint  die  Er- 
gänzung eines  Yerbums  nach  ppiegrederer  Dir  überflüssig  gehalten 
zu  haben;  er  schreibt:  Progrederer  agere  quidnam  uellent  hi  sibi. 
Mir  scheint  mit  der  Ergänzung  Ton  coram  die  Stelle  geheilt: 
Praegrederer,  agere  coram  quid  uellent  sibi. 
Prolog.  29  ff.: 

Pronuntiare  suas  solent  sententias, 
Quas  quisque  prouidentium  antenerterit. 
Y:  quas  si  quisquam  prudentum,  P:  quas  quisquam  prirdentum;  d.h.: 

Quas  quisque  iam  prudentium  antenerterit 
oder  getrennt  ante  uerterit?     Die  Worte:  Scitis  profecto  quae  sint, 
sind  ais  Parenthese  zu  ÜMsen. 

Melete  to  pan.    Die  beiden  Verse,  die  diese  Sentenz  behandeln, 
lauten  in  VP: 

Ludius  15:     meditationem  esse  qui  totum  putant 
Periand.  3:    meditationem  esse  totum  quod  (qd9  P)  recte  geras. 
Beide  fehlerhaft:  die  aufgenommenen  Correctnren  können  nicht  ge- 
nügen: 

Esse  meditationem  t.  q.  p. 

Meditationem  id  esse  totum  quod  geras.  (Accursius.) 
Wie  kommt  recte  in  den  zweiten  Vers,  wenn  totum  quod  geras  das 
Ursprüngliche  war?  Ich  meine,  quod  recte  geras  ist  Schreibung  des 
Verfassers,  der  2.  Vers  durch  Beischreibung  des  ersten,  nachdem 
derselbe  selbst  eine  Verstümmelung  erf&hren,  inficirt  Der  erste, 
glaube  ich,  lautete: 

Meditationem  posse  qui  totum  putant, 
ygL  Incerti  Aulularia  49,  8  meiner  Ausgabe:   nisi  ubique  faueat 
totum  üle  qui  potest;  der  zweite,  wie  ihn  Heinsins  henustellen 
gesucht: 

Meditationis  esse,  quod  recte  geras. 
Ludius  18.  Thaies  £tT^oi>  iräpecn  b*  ÖTr\  protulit 
engyea  paradata  VP,  indessen  Thaies  18  geben  die  Hdss.:  Engia 
paradata  V,  Engja  paradita  P,  und  die  Abweichung  an  unserer  Stelle 
wird  nur  ein  kleiner  Fehler  sein«  Die  Verkürzung  der  Schlusssilbe 
Yon  Thaies  dürfen  wir  schwerlich  zugeben;  wir  kommen  mit  Elin- 
Schiebung  yon  sed  dahinter  aus: 

Thaies  sed  ifT^a^  iräpa  b'  daa  protulit. 


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Die  handBchriftl.  üeberlkfeniDg  des  AuBonias.  267 

Die  Stelle  Thaies  18  ist  denn  auch,  um  TrdpecTi  b*  ärn  hinein- 
zubringen, willkürlich  behandelt  worden :  vor  dicimus  geben  die  Hdss. 
ecce  P,  &ce  V;  lies: 

Nos  irrtet,  irdpa  b'  äia  graece  dicimus. 
Latinum  est  spende:  noxa  sed  praesto  tibL 
noxa  praesto  tibi  est  VP. 

Solon  6:         Beete  olim  ineptum  delphicus  ait  deus. 
lasit  und  iussit  sind  versucht  worden,  besser  suasit 
Solon  8.    Die  Hdss.  geben: 

ut  in  orbe  tereti  nominum  sertum  incideret. 

nominum  sertum  ist  ohne  Anstoss,  man  schreibe  inderet,  auf  in- 
cideret konnte  ein  Abschreiber  leicht  verfallen. 

Solon  28:     fines  qui  agelli  proprii  numquam  excesserat. 
qui  fehlt  in  VP,  eher  wird  is  hinter  proprii  eingeschalten  sein. 
Solon  45:  Die  Vulgata  lautet: 

Croesus  ad  regem  iUico 
Deductus  lectam  per  ministrorum  manum, 
Die  Hdss.  indessen  geben: 

per  ministrorum  dudtur  lectam  manum  ^ 
nur  dass  P  ducit  hat.    Der  Fehler  kann  nur  in  ministrorum  liegen; 
man  schreibe: 

per  militarem  ducitur  lectam  manum, 
Solon  50:       Laudat  Solonem:  Croesum  in  amicis  habet. 
C.  hinc  in  amicis  schreibt  Heinsius,  besser  wäre  inde  gewesen;  doch 
wird  wohl  zu  lesen  sein: 

Croesum  unum  in  amicis  habet. 
Chilon  3:       Hui  quam  pauca  quam  diu  loquuntur  Attici. 
diu  bedeutet  nun  einmal  nicht,  was  man  ihm  hier  unterlegt:  longo 
temporis  spatio,  sondern:  longum  tempus;  quam  fehlt  in  den  Hdss. 
Chilon  sagt  ironisch:  0  wie  kurz  fassen  sich  doch  die  Attiker: 
Huil  quam  pauca,  di,  loquuntur  Attici! 
Gleobulus  7:  persequar 

per  ordinem. 

porro  ordinem  ist  einer  Ausgabe  der  Breslauer  Stadtbibliothek  bei- 
geschrieben. 

Cleobulus  14.    Man  lese: 

uita  in  omni  quicquid  est, 
Istum  requirite  optimae  pausae  modum. 

Bias  1.    Der  Ludius  sagt  v.  11: 

Bias  Prieneus  dixit:  o\  irXeiCTOi  KaKOt. 
Quod  est  latinum:  plures  hominum  sunt  mali. 


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268  B.  Peiper: 

Damit  stimmt  schlecht  das  Qaadrisyllabum  Prieneus  an  dieser  Stelle: 

Bias  Prieneus  dixi:  o\  TrXetCTOi  KaKOi. 
latine  dictum  suspicor:  plures  mali. 

Y.  2  muss  an  y.  1  angeknüpft  werden: 

Bias  Prieneus  quod  dixi:  ol  TrXeiCTOi  KOKOi, 
latine  dictum  suspicor:  plures  malL 

Bias  10: 

Sed  nemo  quisquam  tam  malus  iudex  fnat, 
qui  non  amborum  partibus  se  copulet. 
Yulgo  wird  qui  non  bonorum  gebessert:  lies  quin  iam  l>bnorum 
mit  Heinsius. 

In  y.  12  ist  illud  aus  Y  zu  schreiben. 

Pittacus  8:  Ad  Antiphilam  quo  uenerat  seruus  Dromo. 
quom  schreibt  der  Leser  des  oben  citirten  Exemplars.  Im  Heautoni 
364  (II  3,  124)  ist  es  nun  nicht  Dromo,  sondern  Syrus,  der  die 
Worte  spricht:  In  tempore  ad  eam  ueni;  und  an  der  ersten  kann 
Ausonius  bei  seiner  yölligen  Bedeutungslosigkeit  gar  nicht  gedacht 
haben;  dazu  kommt,  dass  die  Handschriften  nicht  Dromo  geben,  son- 
dern V  dromo,  P  drimö,  d.  h.  dromon  oder  drumon,  Schnellsegler  (s. 
Du  Cange  dromones):  ein  Wort  ganz  geeignet  die  Schnelligkeit  eines 
Sklayen  auszudrücken.  Eine  Glosse  hat  Syrus  dromo  zu  seruus 
Dromo  gestaltet  Erklftrlicher  und  mehr  zu  entschuldigen  ist  es, 
dass  Ausonius  Antiphila  statt  Bacchis  setzt;  um  der  ersteren  willen 
strengt  ja  Syrus  seine  Schlauheit  an;  ihrer  gedenkt  Ausonius  auch  im 
Schlussyers  des  Technopaegnion  (Heaut.  290). 

Yrbes,  Capua  1: 

Nee  Capuam  pelago  cultuque  penuque  potentem 
Deliciis,  opibus  famaque  priore  silebo. 

Mistat  a  pelägo  Capua'  meint  Heinsius  und  schreibt  largo:  der  an- 
geführte Grund  zur  Aenderung  ist  nicht  der  hauptsfichlichste,  diese 
selbst  trftgt  einen  Pleonasmus  hineia,  der  die  Ausdrucksweise  nur 
schwerflQlig  macht.    Ich  war  ehedem  yersucht  zu  schreiben: 

Nee  Capuam  pol  ego  .  .  .  silebo. 

At  pol  ego  neque  florem  neque  flocces  uolo  mihi,  uinum  uolo, 
sagt  Caecilius  Statins  190  B.  Was  zunfichst  dagegen  einzuwenden, 
s.  oben  S.  244.  Femer  würde  auch  hier,  wie  bei  Heinsius,  die  noth- 
wendige  n&here  Bestimmung  zu  cultu  und  penu  fehlen.  Das  ist  doch 
wohl  glaebae;  der  Dichter  hat  Yergil  A  I  531  (potens  armis 
atque  ubere  glaebae)  nebst  Ge.  H  224  (talem  diues  arat  Capua)  im 
Sinne. 

ToloBa9: 

Quae  modo  quadruplices  ex  se  cum  effuderit  urbes. 


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Die  handBchrifü.  üeberliefening  des  AusoninB.  269 

Non  Ulla  exhanstae  sentit  dispendia  plebis: 
QuoB  genuit  cnnotos  gremio  conplexa  colonos. 
colonos  ist  nach  dem  Yeraasgehenden  völlig  überflüssig,  wtthrend 
eine  noth wendige  Bestimmung  zu  gremio,  dessen  Fruchtbarkeit  be- 
zeichnend, fehlt  Das  Verlangte  gibt:  gremio  conplexa  colono.  Dies 
Adjectiy  braucht  Sedulius  3,  9  de  Christo:  Quippe  ferax,  qui  uitis 
erat,  uirtute  colona  omnia  fructificans. 

Narbo  4  Insinnant  qua  se  Sequanis  AUobroges  oris. 
qua  Sequanicis  yermuthet  Heinsius,  um  die  gewöhnliche  Quantität 
des  Namens  herzustellen.  V  gibt:  q^  esse  cauis  allobrogis  oris; 
F:  qua  sese  cauis  allobro  gessoris.  Aus  letzterem  macht  Ugolet: 
qua  sese  graiis  AUobroges  oris  —  und  das  ist  mit  kleiner  Aende- 
rung  festzuhalten: 

qua  se  Grais  AUobroges  oris. 
Der  Punkt  soU  bezeichnet  werden,  wo  die  AUobroger  eindringen 
in  die  Provinz,  nicht  der,  wo  sie,  in  der  Provinz  sitzend,  sich  mit 
auswärtigen  Stämmen  berühren.   In  der  Nähe  der  Alpes  Graiae  aber 
waren  ihre  Sitze. 

Epist.  n  Pater  ad  fiUum,  cum  temporibus  tyrannicis  ipse 
Treueris  remansisset  et  fiUus  ad  patrem  profectus  esset. 

Man  hat  a  patre  verbessei*t,  was  aUerdings  mit  dem  Schmerze 
über  die  Trennung,  den  das  Gedicht  ausspricht,  wohl  in  Einklang 
stände,  indessen  doch  zu  gesucht  erscheint  Der  Sohn  ist  ad  pa- 
triam  gereist,  nach  Bordeaux. 

Epist  I  V.  11  ff.    Ausonins  ad  patrem  de  suscepto  filio: 

Quippe  tibi  aequatus  uideor,  quia  paruulus  isto 
Nomine  honoratum  me  quoque  nobilitat; 

Atque  aetas  quia  nostra  eadem.    Nam  supparis  aeui 
Sum  tibi  ego  et  possum  fraüis  habere  uicem. 

Jenes  At^jue  in  v.  13  ist  gegen  die  Hds.:  denn  diese  gibt  Bona 
aetas;  Heinsius  versuchte  Adde  und  Paene,  das  letztere  auch  Axt 
Durch  aUe  diese  Yermuthnngen  wird  indessen  so  wenig  den  Zügen 
der  Hds.  als  dem  Sinne  Rechnung  getragen.  Von  dem  Alter  wiU 
Ausonius  grade  abgesehen  wissen;  vgl.  v.  25  f. 

Annos  me  nescire  tuos,  pater  optime,  testor. 

Die  Worte  der  Hds.  Bona  9tas  sind  entstanden  aus  der  Schreibung: 
Non  a^tas.  Infolge  Äscher  Zertrennung  des  Diphthongs  a§,  der  in 
Y  so  häufig  erscheint,  wurde  aus  Nona  Bona  gemacht 

Für  habere  gibt  V  abare,  wofür  Heinsius  amare  und  obire 
coi^jicirt    Das  Erste  scheint  mir  richtiger. 

Epigr.  10  In  Eumpinam  adulteram. 

In  V  aUein  steht  dieser  unerhörte  Name^  aus  dem  ScaUger  Euna- 
pia  herauslas.     Biir  scheint  Eurypylam  (geschrieben  Euripulam) 

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270  ß-  Peiper: 

sicherer  za  sein  —  vielleicht  ein  Analogen  zn  eiipuTtpujKTOC,  viel- 
leicht ohne  Nehengedanken  zufällig  ans  Anacreon  oder  der  Antho- 
logie aufgenommen. 

Epigr.  34    Hunc  studeo  ulcisci:  et  prompta  est  ultio  uati: 
so  alle  Hdss.,  Voss.,  Paris.,  Z;  haec  hat  Girardinus  vor  nltio  ein- 
geschoben.   Schreibe:  et  iam  prompta  est  ultio  natL 

Epigr.  35 

Yna  qnidem  geminis  fulget  set  dissita  punctis 
Littera:  praenomen  sie  nota  sola  facit 
Mit  dissita  punctis  littera  ist  ein  von  zwei  Puncten  eingeschlossener 
und  so  yom  vorausgehenden  und  folgenden  abgetrennter  Buchstabe 
bezeichnet  (dissitus  soviel  als  dissaeptus);  in  v.  2  muss  also  .L. 
ergänzt  werden.  Wäre  der  Name  Lucius  schon  in  v.  1  genannt, 
wie  es  in  Z  geschieht: 

Lucius  una  quidem,  geminis  sed  dissita  punctis 
Littera  — 

so  wäre  die  Ergänzung  überhaupt  nicht  nöthig. 

Epigr.  44  Hoc  genere  et  chordas  et  plectra  et  barbita  conde. 
lies  condes;  denn  Y  gibt  condis. 

Idyll.  I  Versus  pascales  procodicti  V 

Die  Abkürzungen  sind  in  den  Titeln  nicht  selten  entstellt.  ^'^)  Dem 
Sinne  nach  passt  einzig  die  Auflösung  pro  dominis  dicti. 

Idyll.  VIII     Precatio. 

Lucian  Müller  leugnete  einst  (Fleckeisens  Jahrb.  1861  S.  641), 
dass  durch  den  versus  intercalahs  eine  strophische  Gleichmftssig- 
keit  angedeutet  werde.  Ich  selbst  meinte  (Fleckeisens  Jahrb.  1863 
S.  621  Anm.),  er  könne  sich  für  diese  Ansicht  höchstens  auf  Auso- 
nius  *  precatio  consulis  designati'  und  die  Dirae  berufen.  Für  die 
letzteren,  die  seither  öfters  besprochen  worden^  unterliegt  die  ge- 
forderte Gleichmässigkeit  keinem  Zweifel  mehr:  ich  selbst  bin  diese 
Meinung  zu  begründen  immer  noch  verhindert  gewesen.  Für  Auso- 
nius  Gedicht  sie  klarzulegen  werden  einige  Worte  genügen. 

Es  erscheint  in  diesem  Gedicht  viermal  wiederholt  (v.  1,  28, 
36,  44)  der  Vers: 

lane,  ueni;  nouus  anne,  ueni;  renouate  ueni  Sol! 
Ihm  zu  Liebe  hat  man  das  Gedicht  in  vier  Theile  zerMlt,  von 
denen  die  drei  letzten  einander  gleich  oder  fast  gleich  sind:  mit 
Ausschluss  des  Intercalaris  siebenzeilig,  der  letzte  achtzeilig. 

Der  erstere  längere  Theil  aber,  den  man  ohne  Absatz  von 
V.  1 — 27  in  den  Ausgaben  liest,  zerfällt  von  selbst  in  vier  sich 
scharf  sondernde  Abschnitte: 


">}  Ep.  10  adult;  ep.  122  de  ausilio  GRAMJiii»  d.  h.  gramma- 
tico,  vgl.  Prof.  11  GBAMM^BVRDf  d.  h.  Grammatico  Burdigalensi;  Prof. 
12  GRMCO ;  Prof.  24  GRAMM  B^RD€GAN ;  Ludus :  Drepanio  PRocoesi^did  (?X 


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Die  handschrifil.  Ueberlieferang  des  Ansonins.  271 

1.  Einleitung:  Ansonius  Consul,  der  Höchste  nach  dem  Kaiser. 

2 — 4.  Die  eigentliche  Precatio,  a)  günstige  Witterung, 
b)  Fruchtsegen,  c)  glückliche  Gestirne  erflehend. 

Der  erste  Theil  hat  fünf,  die  übrigen  je  sieben  Verse. 

Der  Intercalaris,  an  die  Spitze  der  Strophen  gestellt,  ist  vor 
Str.  1  syntactisch  mit  der  Strophe  verbunden  durch  den  auf  Sol 
sich  beziehenden  Yocatiy: 

Consulis  Ausonii  Latiam  uisure  curulem. 
Das  ist  als  falsch  zu  bezeichnen  den  übrigen  Strophen  gegenüber, 
znnächst  y.  29  (Hostibus  edomitis  ist  mit  lam  uenit  Augustus  zu 
verbinden;  hiater  Alanis  ist  statt  des  Punktes  ein  Komma  zu  setzen) 
und  V.  37.  Auf  v.  45  darf  man  sich  nicht  berufen;  dort  hebt  ja 
mit  dem  Imperativ  Coge  immerhin  ein  neuer  Satz  an.  Aber  wenn 
ich  eine  enge  Verbindung  von  v.  45  mit  dem  vorausgehenden  Inter- 
calaris  zugebe ,  so  wird  es  doch  auffällig  erscheinen  müssen,  dass 
der  folgende  Vers  mit  einem  so  stark  betonten  Tu  anhebt  Dies 
Tu  hat  ja  dasselbe  Gewicht  wie  die  Wiederholung  des  Sol  in  dem 
ersten  Verse  der  voraufgehenden  Strophe: 

lane  ueni,  nonus  anne  ueni^  renouate  ueni  Sol. 

Aurea  uenturo,  Sol,  porrige  gaudia  lano. 
Solche  nachdrucksvolle  Wiederaufnahme  eines  besonders  wichtigen 
Wortes  des  Intercalaris  im  folgenden  Verse  ist  ein  wohl  gestattetes  Kunst- 
mittel. Daraus  ergibt  sich,  dass  v.  46  den  Anfang  der  Schluss- 
Btrophe  bildet:  der  vereinzelte  v.  45  Mit  nun  aus  der  Strophe  heraus 
—  ich  lasse  dahingestellt,  ob  er  eine  Dittographie  ist  oder  in  die  fol- 
gende Precatio  zwischen  v.  7  und  8  gehört,  die  auf  die  unsrige  Bezug 
nimmt,  wie  sie  denn  auch  mit  Worten  unserer  Precatio  (v.  7  Anne 
bonis  coepte  auspicüs)  anhebt  —  die  Schlussstrophe  stimmt  also  in  der 
Verszahl  mit  den  übrigen  ausser  der  ersten,  und  auch  diese  werden  wir 
nun  auf  die  Sieben-Zahl  bringen,  indem  wir  die  obgedachte  Incon- 
venienz  durch  eine  Lücke,  die  die  ersten  Verse  des  Gedichts  gleich 
nach  dem  Intercalar  verschlungen;  erklären.  Dreimal  ist  also  der 
Intercalaris  zu  ergftnzenl  Ich  kann  mir  denken,  welche  Schwie- 
rigkeit die  darin  finden,  die  sich  ein  Product  des  Alterthums  von 
seinem  Verfasser  in  allen  Aeusserlichkeiten  so  redigirt  vorstellen, 
wie  sie  selbst  es  heut  zu  Tage  nach  langer  üebung  erst  und  kaum 
noch  mit  Hülfe  des  geübten  Setzers  ermöglichen;  die  Kritiker ,  die 
ein  Schwanken  z.  B.  in  orthographischen  Dingen  bei  den  Alten  für 
ein  Ding  der  Unmöglichkeit  halten,  denen  ein  Incipit  oder  Explicit 
über  der  Linie  als  Barbarei  erscheint  Es  wäre  eitele  Mühe,  ihnen 
die  zahlreichen  Stellen  nachzuweisen,  wo  solche  Auslassungen  wohl 
bezeugt  und  anerkannt  sind,  sie  aufmerksam  zu  machen  auf  die 
Gründe  dieser  Auslassimgen,  die  offenbar  in  missverstandenen  oder 
vernachlässigten  Zeichen  des  Originals  liegen.  Worte,  wie  sie  W. 
Christ  in  der  neuen  Auflage  seiner  Metrik  S.  651  wieder  gesprochen: 


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272  R.  Peiper: 

*Die  Bemühungen  neuerer  Kritiker^  eine  regelrechte  01iedei*ang  her- 
zustellen, rütteln  theils  zu  sehr  an  der  handschriftlichen  üeberlie- 
ferung,  Üieils  laufen  sie  auf  viel  zu  complicirte  Besponsionsyerhält- 
nisse  hinaus',  sind  nur  als  eine  Mahnung  zum  Masshalten  gut;  ich 
besorge  weniger,  so  sichere  Ergebnisse,  wie  beispielsweise  die  von 
mir  gefundenen  ursprünglichen  Formen  Ton  Catulls  Parzenlied  und 
Vergils  achter  Ecloge"*),  durch  sie  wieder  in  Frage  gestellt,  als 
vielmehr  den  unbefangenen  Blick  und  ästhetischen  Sinn  derer  be- 
mängelt zu  sehen,  welche  sich  femer  zu  Vertheidigem  der  bisher 
üblichen  Anordnung  jener  Gedichte  hergeben,  für  die  noth wendig 
wenigstens  eine  bestimmte  Absicht  des  Dichters  nachgewiesen  wer- 
den müsste,  eine  Absicht,  die  doch  nur  auf  Verhöbnung  einer  klar 
und  bestimmt  angedeuteten  Kunstform  gehen  könnte,  mit  dem  Wesen 
ihrer  Gedichte  also  total  unvereinbar  wäre. 

Im  Einzelnen  findet  sich  in  unsrer  Precatio  manche  Corruptel. 
V.  6  lese  ich  mit  Heinsius : 

Hoc  apice  aetemis  signat  sua  tempora  fastis 

statt  Hoc  capite.     Derselbe  verbindet  Septembribus  horis  mit  v.  10 

Mordeat  autumna  frigus  subtile  pruina. 

V  autumnas  —  pruinas,  worin  wohl  eher  autumnis  —  pruinis  liegt. 
Stark  ändert  Heinsius  im  folgenden  Verse: 

Attenuata  (oder  At  tenuata?)  Notis  certet  modiocribus  aestas. 

V  Et  tenuata  modis  cesset;  vielleicht  ist  nur  moris  c  mediocribus 
zu  schreiben.    Unerträglich  ist  v.  27: 

Nonnumquam  hospitibus  fiuälis  Cyllenius  adsit. 
Es  muss  heis.^en:  Nee  numquam  — *  adsit  oder  Non  umquam   — 
absit:  *C.  möge  stets  in  Verbindung  mit  Juppiter  und  Venus  schei- 
nen'.   In  Nonnunquam  ist  n  vor  u  in  der  Hds.  ausradiri 

Im  Technopaegnion  bedarf  das  Capitel  de  litteris  mono- 
syllabis  mehrfach  der  Berichtigung,  theils  auf  Grund  der  Hb., 
theils  durch  Conjectur.    Man  schreibe  ^^^): 

V.  3    HTA  quod  Aeolidum  quodque  €i  ualet,  hoc  latiare       e. 

V.  5    Hoc  tereti  argutoque  sono  negat  attica  gens  o. 

V.  20    Haec  tribus  in  Latio  tantum  addita  nominibus  k: 

praeualuit  post  quam,  Gkunmae  uice  functa  prius,      c 

atque  aliam  pro  se  titulo  replicata  dedit:  g. 

V.  26    Coppa  fui  quondam  boeotia,  nunc  latium  q. 

V.  16  ist  Pe,  17  Graeco  mit  V  zu  schreiben. 

Sämmtliche  Monosyllaba  des  griechischen  und  lateinischen  Al- 
phabets finden  sich  besprochen  und  als  Versschluss  verwendet:  von 


^*')  S.  meine  Beiträge  zur  Kritik  von  Gatnlls  Gedichten  Breslau 
1876,  S.  16  ff.  Fleckeisens  Jahrb.  1864,  S.  456  ff.  —  *«^)  3  €i  fehlt 
y  I  latiar  V  5  egat  V  corr.  Scaliger  |  o]  vulg.  8  80  addit  V  21  post- 
quam  vulg.  22  Adque  V  |  G]  C,  V  26  cappaV  1  fui V  |  b^&ia  V  |  Q]  KV. 


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Die  handscbriftl.  üeberliefenmg  des  Ausonins.  273 

den  laieiniflchen  fehlen  freilich  die  mit  Yocal  beginnenden  f  1  r  s, 
m  und  n  werden  mit  den  griechischen  Buchstaben  gemeinsam  be- 
handelt, z  7  (z)  als  griechisch  angesehen.    Was  kann  da  in  v.  23 
fCbr  ein  Buchstabe  unter  der  Oestalt  des  O-  sich  bergen: 
Ansis  cincta  duabus  erit  cum  iota,  leges  Q-, 
Ich  kann  nur  an  cäv  für  ciTliOt  denken  und  verweise  betreffs  seiner 
dem  hebräischen  Schiu  entsprechenden  Form  a>  V  der  Kürze  halber 
auf  Passow-Bosts  Handwörterbuch  d.  griech.  Spr.  1852  11  1359. 
Epist  V,  17 

An  quia  per  tabulam  medico  pugnante  notatam  — 
Das  th5richte  medico  ist  zu  beseitigen;  zunächst  muss  man  aus  den 
Spuren   der  Hds.  (edica)   edicto  herauslesen;  dies  also  wird  zu 
prüfen  sein. 

Bpist  V,  24 

Ergo  aut  praedictos  iam  nunc  rescribe  Darios 
Et  redime,  ut  mora  sit  libera  desidiae  — 
rescribe  et  redhibe  ist  wohl  richtiger. 

In  Y.  2  dieses  Briefes  liest  auch  Heinsius  expediens. 


V. 

Die  Handschriften  V  und  Z  in  ihrem  gegenseitigen 
Verhaltniss.     Excerpt-Hdss.  der  Klasse  Z. 

Der  Vossianus  zeigt  sich  dem  zuerst  bekannt  gewordenen  Ge- 
dicht-Corpus  gegenüber  als  eine  authentische  Ausgabe.  Man  ver- 
gleiche zunächst  das  frühere  Über  epigrammatum  mit  den  aus  Voss, 
bekannt  gewordenen  Epitaphien-  und  Epigrammen-Beihen.  Aber  auch 
die  Disposition  im  ganzen  macht  den  Eindruck  der  Wahrheit  und 
UnyerfUschtheii 

Voran  gehen: 

1.  drei  Praefationes:  Lectori,  Syagrio,  Theodosio  (477*— 477^ 
469);  es  folgt: 

2.  Ephemeris,  Ton  der  aus  Z  nur  die  Oratio  bekannt  war, 
161—167  mit  Incipit  und  Pinit; 

3.  Eclogarum  Über,  ohne  Vorrede  und  Widmimg,  mit  Incipit, 
das  sidi  mit  dem  in  den  Ausgaben  stehenden  im  Inhalt  nicht  ganz 
deckt:  auch  IdylL  XIX  («=  366  Herculis  aerumnae)  findet  sich 
darin; 

4.  Precationes  pridie  Eal.  Jan«  und  Kai.  Jan.,  Id.  VIII,  IX  »> 
332,  333; 

Jahrb.  f.  olM..  Philol.  SappL  Bd.  XL  ^^^^^^^IJ^^  GoOglc 


274  R.  Peiper: 

5 — 7.  Parentalia,  Professores,  Epitaphia,  die  ersten  beiden  mit 
Incipit,  die  letzteren  mit  Finit; 

8.  Epyllia  (?)  mit  Vorrede  an  Drepanius  Pacatus  471,  in  der 
der  Verfasser  die  folgenden  Sachen  als  nugae  und  quisquiliae  be- 
zeichnet; es  kann  folglich  von  den  auf  diese  Widmung  folgenden  Ge- 
dichten nur  Id.  XV— XVm,  Ecl.  I,  II  (=  362  —  365,  368,  369), 
nicht  die  weiteren  gemeint  sein.    Der  Titel  fehlt; 

9.  Eine  auf  das  Leben  des  Ausonius  bezugnehmende  Gedicht- 
Reihe:  Villula,  Versus  paschales  (Id.  in,  I  =  320,  317),  die  flir  un- 
echt gehaltenen  und  in  den  neueren  Ausgaben  fehlenden  Versus  rho- 
palici  (auf  diese  jedoch,  und  nicht  auf  317  scheint  die  Einleitung 
von  318  hinzuweisen),  Epioedion  (Id.  11  =  31 8,  319.  lectori  suo  ist 
die  Widmung).  Das  Gedicht  Villula  mit  Incipit,  Epicedion  mit  In- 
cipit  und  Pinit; 

10 — 13.  Vrbes  mit  Incipit;  Technopaegnion  (die  Vorrede  an 
Paulinus  fehlt);  Ludus  dem  Drepanius  Pacatus  wie  das  Technop.  ge- 
widmet; Caesares  nebst  den  Fastengedichten  147,  148  (149  und  150, 
die  Widmung  an  Proculus,  fehlt)  dem  Hesperius  zugeeignet; 

14.  Briefwechsel:  a)  mit  Symmachus  (vorauf  der  Griphus); 
b)  Axius  Paulus;  c)  Theon;  d)  Hesperius  (darin  Genethliacon  und 
Protrepticus) ;  e)  Pontius  Paulinus  —  an  den  des  Paulinus  oratio 
angeknüpft  wird  —  bei  einigen  kommt  Incipit  und  Pinit  vor;  endlich 

15.  Epigrammata  de  diuersis  rebus,  wie  das  Anfangs -Gedicht 
34  zeigt  dem  Proculus  gewidmet 

Man  kann  ja  wohl  Einzelnes  in  dieser  Anordnung  anders 
wünschen,  und  selbst  den  Versuch  machen,  die  Ordnung  zu  bessern; 
wenn  man  beispielsweise  das  ganze  Eclogarium  mit  den  beiden  Pre- 
cationes  hinabrückte  hinter  die  vorläufig  als  Epyllia  bezeichneten 
Gedichte,  so  würde  die  in  den  Hendesasyllaben  (471)  gegebene 
Charakteristik  der  Sammlung  scharf  hervortreten,  die  vereinzelten 
Precationes  aber,  aus  ihrer  Vereinsamung  gerissen,  sich  an  die  ver- 
wandte Reihe  wohl  anschliessen.  Eine  derartige  Versetzung  ist 
ja  nichts  ungewöhnliches.  Für  jetzt  können  wir  solche  Fragen  noch 
dahingestellt  lassen.^^^) 

Einen  dem  ganz  entgegengesetzten  Eindruck  gewinnen  wir  von 
den  Z-Hdss.,  in  denen  zunächst  in  gewaltiger  Unordnung  das  Über 
epigrammatum  erscheint,  dann  die  Versus  paschales,  darauf  wirr 
durch  einander  eine  Anzahl  Briefe,  nicht  nach  den  Correspondenten 
gesondert  wie  im  Voss.;  ein  dritter  Theil  bietet  Herculis  aerumnae 
und  Caesares -Fragmente  nebst  Epigrammen,  darunter  auch  eine 
ecloge  de  mensibus;  es  folgt  die  prosaische  Gratiarum  actio,  die 
Spielereien  Technopaegnion,  Griphus  und  Cento,  wiederum  eine  An- 


^*^)  Ein  nicht  imbedeutender  Einwand  dagegen  würde  schon  der 
Umstand  sein,  dass  vor  jenen  Eclogen,  die  mit  872  ecl.  V  beginnen,  ein 
Incipit  steht 


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Die  handschrifü.  Ueberlieferung  des  Anaonins.  275 

zahl  Briefe  (zu  denen  auch  Epicedion  und  Protrepticas  sich  rechnen 
lassen),  dazwischen  die  Oratio  matutina,  am  Schluss  endlich  Cupido 
und  Bissula:  also  ein  planloses,  wirres  Sammelsurinm,  das 
wir  nicht  mit  Hieronymus  Alexander  gewaltsam  umordnen 
dürfen. 

"Dass  nicht  erst  dem  15.  Jahrhundert  die  Schuld  beizumessen 
ist,  eine  früher  vorhandene  Ordnung  aufgelöst  zu  haben,  ist  leicht 
nachweisbar  aus  den  erhaltenen  Excerpten  dieser  Familie,  die,  schon 
in  frühere  Zeit  zurückreichend,  dieselbe  Anordnung  befolgen. 

Für  die  Epigramm -Beihe  zunächst  beweisen  es  die  Pariser 
Excerpte  im  Cod.  18275  S.  Xm^^^,  dieselben  enthalten: 


^*')  Die  Hds.,  früher  Cordeliers  100,  entstammt  dem  18.  Jahrh.  Sie 
enth&lt  FulgentiuB  Fabulamm  lifori  ÜI.  Physica  editio  super  12  libros 
Eneidos.  Expoaitio  sermonum  antiqq.  ad  Calcidium.  Ferner  den  Brief- 
wechsel des  Beneca  und  Paulus.  F.  23'  Disce  notas  apicum  quae  sunt 
primordia  uocum  —  21  Verse.  Est  ubi  non  imber  nee  ros  dilabitor  um- 
quam  —  28  Verse  (die  ersten  vier  in  Biese's  Anthol.  906  nach  Pithoeus), 
daim  Martialis  Xenia.  F.  26J  ein  philosophischer  Traotat:  Quoniam,  ut 
ait  TuUius  in  prologo  rethoricorum  —  Am  Ende  sagt  der  Verfasser  von 
sich:  ->  apud  Montem  Pesulanum  constitutus  sum  ab  auditoribus  meis 
etc.  Darauf  folgen  von  derselben  Hand  zwei  Bl&tter  Ausoniana  mit  der 
Uebersohrift  'In  ausonio  contra  miselatos'.  Die  Titel  sind  nur  bei  ein- 
zelnen Emgrammen  gesetzt:  12  In  simulacmm  occasionis  et  penitentie. 
Epit.  32  ^ytaphium  anicie  in  ausonio.  19  Ad  uxorem.  23  Ex  greco. 
83  Epytaphjum  Veneris.  79  Cnpidini.  80  Veneri.  91  Ad  Marcum.  Daraus 
erkennt  man  Anschluss  an  die  ed.  pr.;  der  Tilianns  lässt  diese  üeber- 
Schriften  weg.    Auf  das  letzte  Epigramm  (92)  folgt: 

Grande  honns  in  musis  tot  secula  condita  cartis 
quae  sua  nix  tolerant  tempora  nostra  grauant. 
Inoipiunt  monostica  de  erumnis  Herculis.    Darauf  die  Monostica  256 — 
269,  dann:  Mellito  nepoti  Ausonins.  Sunt  etiam  musis  etc.  (Protrepticon 
1-17,  26—28).    Darauf: 

Ad  amicam. 
C  Ecce  rubes  nee  causa  sähest:  me  teste  pudicus 
Iste  tuns  culpam  nescit  habere  pudor; 

Et  uice  populeae  frondis  tremis  et  uice  lunae,  » 

Puniceam  maculant  lutea  signa  cutem; 
Amplexus  etiam  nostros  pucbbunda  recusas 
£t^  si  teetis  adest,  osonla  seua  (sota  m.  pr.)  fugis. 
C  Consuetodo  ooulis  nil  sinit  esse  nouum. 

Sich  kann  nicht  sofort  den  Verfasser  dieser  Verse  nachweisen,  aber  hat 
loch  selbst  ein  Bährens  die  Quelle  des  Dido- Epitaphs,  das  er  Rhein. 
Mus.  XXX  604,  und  ich  selbst  ebenda  XXXn  527,  anfahrte  —  es  steht 
bei  Orid.  Her.  VII  193  f.  —  nicht  angegeben.] 

C  Nil  metoam  cupiamque  nichil  (Ausonii  Oratio  y.  59—78  und  58). 
Darauf:  De  temporibus  monostica  (Ausonü  ecloga  n.  875).  Ohne  Tren- 
nung folgt  von  derselben  Hand: 

C  Dom  petit  haec  dirom  manus  ob  manus  üla  oatinum 

Dum  manus  haec  ibat  manus  altera  plena  redibat. 
C  Cemla  quae  patolo  luoet  ficedula  limbo 
com  tibi  sorte  datur  si  sapis  adde  piper. 


Digr 


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276  B-  Peiper: 


Epiffr.    6 

Epigr.  49 

t8  V.  7  f."«) 

79 

tio 

80 

12 

tsi 

tepit.  82  (249) 

t82 

Epigr.  13 

t83 

19 

89 

123 

90  V. 

33 

91 

136  V.  7—10 

t92 

tepit  31  V.  1,  2 

tEpigr.  72 

78 


Das  ist  die  Ordnung  des  Tilianus;  aber  auch  der  Text  selbst  weist 
uns  auf  diese  Familie  bin. 

Für  die  übrigen  Tbeile  der  Sammlung  bestätigt  es  nun  der 
erste  Guelpherbytanus  (Gud.  l45  chart.),  geschrieben  zu  Jadra 
1445,  der  ohne  jenes  Zeugniss  freilich  weniger  Gewicht  bean< 
Sprüchen  dürfte.  *Hec  sunt  carmina  que  reperiuntur  de  omni 
opere  Ausonii  Theonii'.  Epigr.  3.  5.  6.  Epit.  36.  Epigr.  8. 
45.  147.  10.  11.  Epit.  32.  Epigr.  13.  19.  20.  119.  Epit.  28. 
Epigr.  42.  70.  120.  71.  127.  78.  23.  79.  80.  81.  86.  Epist.  X. 
Cupido  (324.  325),  Bissula  330  und  331.  Cento  nuptialis.  Explicit 
Am  Iadr§.  YIIU^  kr  Augusti  1445.  Ego  Baptista  dedus  Feltrien 
dum  Cancellarius  essem.  W.  Capitan  ladrf  transscripsi.  Zu  Hyadra, 
erinnern  wir  uns,  ist  auch  Kings -Ms.  31  im  J.  1475  geschrieben. 
^Bonae  notae  f uit  archetypus'  hat  bereits  Brandes  S.  10  seiner  Disser- 
tation anerkannt  Die  Folia  reota  der  Hds.  sind  oben  mit  einem 
rothen  F,  die  Folia  versa  mit  rothem  AV,  f.  1'  und  9",  wo  Dedos 
Hand  aufhört  (f.  10  ist  leer),  mit  F  AV  bezeichnet.  Von  alter  Hand 
sind  die  Blätter  anders  numerirt:  .171.  bis  .180.  —  Auf  f.  11' 
und  1 1°  folgt  von  anderer  Hand  und  anderer  Tinte  schön  geschrieben 
die  Egloga  de  ambiguitate  uit^  (Idyll.  XV).  Auch  das  Papier 
ist  em  anderes:  foll.  1 — 10  haben  als  Wasserzeichen  einen  Stern,  f.  11, 
mit  dem  unbezifferten  Blatte  vor  f.  1  zusammenhängend,  eine  Wage. 
*Die  zwei  den  Umschlag  bildenden  leeren  Blätter  führen  als  Wasser- 
zeichen einen  Narrenkopf  mit  Schellen  behangen. 

Der  zweite  Guelpherbytanus  (Augustanus,  10,  9)  f.  36' — 
46'  enthält  dieselbe  Sammlung;  aber  er  ist  nicht  aus  der  Hds.  von  Jadra 
abgeschrieben  und  steht,  trotz  guter  Schrift,  jener^  durchaus  nach. 


C   Lectio  crebra  ualet  quam  non  oblimo  tollit 

et  recolis  plane  cum  tibi  prebet  opus. 

proficit  hie  numquam  cui  'sepe  "lecta  nouantur; 

nam  perit  eziguo  lectio  lecta  diu; 

quod  putat  esse  aliud  hoc  erit  illud  idem. 
Die  letzteren  gehören  einem  mittelalterlichen  Gedichte  'Liber  V  clauium' 
au  (y.  67  ff.).    F.  56''  enth&lt  Proben  aus  Martialis  (14.    I  8,  5  f.  I  16, 
11  f.    Il8.    119  etc.).  —    '^")  Durch  voigesetzteB  Kreuz  bezeichne  ich 
die  auch  im  VoBsianus  erhaltenen  Stücke. 


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Die  handachrifbl.  üeberliefening  des  AuBonins.  277 

Die  üebersclirift  lautet  hier:  ^Ausonii  Theonii  ex  omni  opere  &ag- 
mentum'.  Am  Ende :  Finis.  Ansonii  Poet^  &agmenta  expliciunt.  Idyll. 
XV  fehlt.  Hinter  den  Priapea  (f.  47 — 68')  folgt  eine  Beihe  leerer 
Blfttter;  auf  der  letzten  Seite  finden  sich  Ausonius  Epigr.  83  und  82 
mit  Angabe  des  Verfassers  (Ausonius  und  Idem).  In  diese  Excerpten- 
Sammlung  gehören  letztere  Beide  nicht,  sie  müssen  aus  anderer  Quelle 
geschöpft  sein;  und  wirklich  finden  sich  beide  in  dieser  Umstellung 
bereits  in  einer  Vorauer  Hds.  des  12.  Jahrhundert  (n.  111), 
über  welche  Wattenbach  im  N.  Archiv  II  403  berichtet  hat;  hier 
ist  aber  der  Name  weggelassen  und  in  82  heisst  es  fehlerhaft:  est 
gratia  namque  est,  und:  properas.  Eine  ältere  Quelle  also  liegt  beide 
Mal  zu  Grunde. 

Dieselbe  Sammlung  ist  es  offenbar,  die  im  Cod.  Marcianus 
cL  Xn,  cod.  Vm  Chart,  s.  XV  in  4^  f.  93  —  99  vorliegt:  Ausonii 
Theonii  poetae  praestantissimi  carmina  ex  omni  opere  suo  deflorata. 
Näheres  über  sie  habe  ich  nicht  mitzutheilen. 

Jenes  Pythagoricon  (Id.XV,n.  362)  hat  zuerst  Avantius  1507 
publicirt;  sein  Text  schliesst  sich  eng  an  den  Gudianus  an,  mit  dem 
er  auch  in  v.  26  ducere  statt  degere  liest.  Von  einem  Cod.  Ve- 
netns  s.  XV  (codd.  latini  cL  XII  c.  LXIX)  hat  soeben  G.  Götz  in 
Fleckeisens  Jahrb.  1878,  Bd.  117  S.  768  Nachricht  gegeben.  Er 
enthfilt  einen  besseren  und  vollständigeren  Text  als  der  Gudianus. 
Das  Gedicht  steht  nSmlich  auch  in  Paris.  8500  mit  Hinzufügung  des 
von  Götz  mitgetheilten  christlichen  ürtheüs.  Und  nach  dem  oben 
Gesagten  muss  das  die  Quelle  sein,  aus  der  Avantius  es  entnommen. 
Wenn  Beide  offenbar  auf  die  für  Avantius  genommene  Abschrift 
des  Parisinus  zurückgehen  müssen,  so  bietet  doch  Gudianus  schon 
den  von  Avantius  überarbeiteten  Text,  der  Venetus  die  Original-Les- 
arten; letzterer  gibt  das  Schlussstück  vollständig,  der  Gudianus  lässt  die 
Ueberschrifk  sammt  den  griechischen  Versen  aus.  Ich  darf  wohl  das 
Stück  nochmals  abdrucken  lassen  mit  den  Abweichungen  der  Hdss.: 

Haec  quidem  pythagorica  est  apophasis   secundum  tale  quod 
subiectum  est  distichon: 

TTpdrrov  \ii.y  ^f|  qpOvai  iy  dvOpuitroiciv  äpicrov, 
b€UT€pov  ÖTTi  xdxiCTa  TcOXac  'Aibao  nepficai. 

1—4  lässt  G(adiana8)  weg,  in  M(arcianuB)  sind  von  1—2  am 

Bande  nur  *noch  die  Worte  Pythagorea  apophasis  ....  Disticon  er- 
kennbar. 1  poetagorica  P(ari8ina8)  pythagorea  M  |  apofasis  P  apo- 
phasis M  acroasis  G.  Götz.^^*)  3  ttpCna  PM  |  90ivai  P  |  ovcpumoiav  P 
4  öeurpov  P  |  ort  M  |  iruVa  .i.  bao  P  nuXac  abao  M  |  ircpncat  P  trepacai  M 


"*)  Voreilig,   vgl.  Diog.   Laert.  I  40:   öiacpujvoOvrai  bi  xal  dTco- 
<pdcetc  ain^. 


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278  ß.  Peiper: 

5  Contra  sed  alterius  sectator  dogmatis  ista 

Quid  doceat  reprobans  subdita  disce  legens: 
Ergo  nihil  qnoniam  uita  est  qiiod  amemas  in  ista, 
Nee  tarnen  incassum  fas  est  nos  credere  natos, 
Auetorem  uitae  si  iustum  credimus  esse, 
10  Vita  alia  est  nobis  illi  uiuendo  paranda, 
Cum  quo  post  istam  possimus  uiuere  uitam. 
Illi  equidem  stygias  properent  descendere  ad  umbraa, 
Fythagoreorum  stolidum  qui  dogma  secuti 
Non  nasci  sese  quam  natos  uiuere  malint 

6  quod  P  7  nil  G  8  in  casum  P  9  Autorem  P  10  nobig  est  G 
12  Illaque  P  correxi,  Illi  autem  MG  |  etigias  P  13  Pitag.  PG  Pithag. 
M  I  quid  P      14  sese]  esse  P  |  mallint  P    malunt  GM  |  Finia  G 

Dies  Stück  wird  sich  nicht  so  ohne  weiteres  aus  dem  Ausonius 
ausmerzen  lassen:  sein  Ursprung  ist  alt  genug,  es  entstammt  dem 
Archetypus.  Wer  sollte  auch  später  von  den  zu  Grunde  liegenden 
Stellen  Eenntniss  gehabt  haben  ^^),  von  Theognis  425  f. 

ndvTU)v  iLifev  |Lif|  q)Ovai  inixOcvioiciv  äpiCTOV 

|iiT]b'  dcibeiv  aurdc  6£^oc  T^eXiou* 
<l)uvTa  b*  öiruic  ujKicra  uiiXac  *Aibao  n€pf)cai 

Kai  KCtcBai  noXXfjV  ff\y  iiiaiir\c&iitvov. 

Oder  von  den  damit  zusammenhängenden  Worten,  die  Silenus 
dem  Midas  gesagt  haben  soll: 

'ApxT|V  fiiv  |Lif|  q)Ovai  dTrixÖovioiciv  Äpicrov 
q)\3vTa  b*  önujc  djKicxa  tniXac  'Atbao  irepfjcai. 

Der  Yossianus  hätte  uns  auch  dies  Stück  bewahren  müssen, 
wenn  er  getreue  Abschrift  des  Archetypus  enthielte;  aber  selbst  die 
Ueberschrift  der  Ecloga  ist  in  ihm  verkümmert: 

ex  greco  pytagoricon  de  ambiguitate  eligende  uite.    V 
Incipit  egloga  eiusdem  de  ambiguitate  |  uite  elegende 
iuxta  grecum  poeantis  bicto|co  driame  ixibon  .i.  quam 
quis  uite  percurrat  uiom.     P 

TToliiv  TIC  ßiÖTOio  xdjuiiji  rpißov  beginnt  des  Posidippus  oder 
des  Komikers  Plato  Epigramm  Anthol.  Pal.  IX  359,  zu  dem  uns  die 
Hds.  in  bpdjLiij  eine  alte,  bisher  unbekannte  Lesart  bietet,  die 
allerdings  den  Vorzug  nicht  beanspruchen  darf,  aber  doch  den  Gon- 
junotiv  TäjLii},  der  aus  Stobaeus  floril.  XCVIII  57  jüngst  eingesetzt 
worden  ist  statt  des  Optativs,  bestätigt. 

Ich  will  hier  die  Handschriften  einzelner  Stücke  der  Tiliaaus- 
Hdss.  aufführen: 


^*^  Man  sehe  die  Nachweisungen  bei  Bergk  zur  Theognia^SieUe. 

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Die  handschriftl.  Ueberlieferung  des  Ausonins.  279 

Harlejanus  2599,  gesohrieben  zu  Verona  1471.  Er  enthält 
mir  Versns  paschales  (317,  id.  I)  und  Protrepticus  v.  1 — 13  (322 
id.  IV)  mit  der  Unterschrift  ^Explicit  Qryphus'.  Voran  aber  geht 
das  Prooemium  des  Juvencns  mit  der  Ueberschrift  ^Versus  Decimi 
Magni  Ansonii',  welches,  nach  dieser  Hds.  wohl,  von  Avantius  1507 
nnter  die  Ansoniana  gesetzt  wurde. 

Einige  Epigramme  stehen  nach  Bandini  UI  801  ff.  mitten 
unter  Philelphus  Werken  in  einem  Cod.  Laurentianus  chart.  s.  XV. 
Es  sind:  58.  44.  3.  6  und  119.  118.  42.  23.  Indessen  ist  118  ein 
Irrthum;  s.  oben  8.  227. 

Unbekannt  ist  mir  geblieben  Parisinus  8284  mbr.  s.  XV 
(olim  Tellerianus)  MartiaJis  aliorum  etiam  Ausonii  nonnulla  epi- 
grammata.  Ebenso  Monacensis  cl.  7471  (III  1238)  s.  XV— XVI 
f.  62'  epitaphia  Dymii  (*Heus  bone  quis?  Dymus  — ),  Cynici  euius- 
dam  philosophi  (^Condor  ego  hie  cynicus  — ),  epigr.  Ausonii  de 
cjnigo  Diogene.  Bernensis  211  s.  XV  ex.  enthält  unter  26'* 
Epigr.  11  Echo  ad  pictorem. 

Ich  will  hier  auch  die  handschriftlichen  Auszüge  aus  alten 
Drucken  verzeichnen,  die  mir  bekannt  geworden  sind: 

Wenn  die  Oratio  matutina  einzeln  in  Handschriften  s.  XV  ex. 
erscheint,  dürfen  wir  mit  Sicherheit  auf  eine  Abschrift  aus  einem 
alten  Drucke  rechnen;  so  z.  B.: 

Cod.  Venetus  Marcianus,  cL  XIV  c.  CCXXX  s.  XV  chart 
in  4^.  p.  1,  einst  im  Besitz  des  Jao.  PhiL  Thomasinus,  später  dem 
Jac.  MoreUi  gehörig.  Thomasini  führt  in  seinem  Werke  über  die 
Bibliotheken  von  Padua  auch  s.  136  eine  Hds.  im  Besitze  des  aus 
Kopenhagen  stammenden  Prof.  med.  Johannes  Bhodius  an,  dessen 
'ganze  Bibliothek  vielleicht'  nach  Blume  Iter  I  173  in  die  Dom- 
bibliothek zu  Padua  übergegangen  ist.  Vermuthlichist  der  Marcianus 
diese  Hds. 

Cod.  Wratislauiensis  biU.  regiae  et  uniu.  IV  F  36  chart. 
in  folio  B.  XV  ex.  f.  102. 

Cod.  Ambrosianus  F  36  Sup.  chart.  s.  XV. 

Auszüge  eines  Drucks  sind  auch  die  Excerpte  des  Cod.  Ambro- 
sianns P  83  Sup.  Chart  s.  XVI.    Er  enthSlt: 

12.  45.  11.  21.  27.  31.  46.  47.  51.  52.  54.  56—68.  71.  74. 
30.  95—98.  118.  129.  130.  106.  135.  141.  37.  36.  38.  285+286. 
287—298.  24.  25.  2.  6.  253  (=  epit  32).  35.  250  (—  epit  33). 
13.  39.  55.  77.  78.  408  v.  14—24.  Und  zwar  liegt,  wie  die  Reihe 
der  unechten  Epigramme  118 — 141  bezeugt,  eine  Ausgabe  des 
Ugoletus  oder  eine  spätere  zu  Orunde. 

Praktisch  ist  man  zum  Behufe  einer  Ausgabe  genöthigt,  eine 
Trennung  dessen,  was  die  Familie  Z  Eigenes  bietet  von  dem,  was  ihr 
mit  Vossianus  gemeinsam  ist,  vorzunehmen;  imd  da  wird  einerseits 
eine  üebersicht  über  das  jeder  Handschriftenklasse  Eigene  die 
Frage  auftauchen  lassen,  ob  jene  Stücke  in  ihrer  Vereinigung  den 


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280  B.  Peiper: 

Charakter  einer  Sammlung  an  sich  tragen,  andererseits  bei  dem 
gemeinsamen  Gut  die  Frage,  woher  dasselbe  stamme,  wie  es  sich 
mit  dem  Eigenthum  der  Familie  Z  verbunden  habe,  nahe  legen. 

In  der  That,  wenn  wir  die  auch  im  Vossianus  vorhandenen 
Stücke  aus  Z  ausscheiden,  so  gewinnt  die  Sammlung  Z  einen  ziem- 
lich bestimmten  Charakter,  sowie  auch  die  Anordnung  dann  als 
eine  leidlichere  erscheint: 

1.  Epigrammata. 

2.  Epistulae. 

3.  Minora  quaedam  carmina.  108.  375.  109—114.  146. 

4.  Gratiarum  actio. 

5.  Cento.    Cupido.    Bissula. 

Wenn  ep.  XX  (410)  an  Paulinus  zwischen  Cento  und  Cupido 
unter  Briefen  des  Vossianus  erscheint^  so  werden  wir  das  als  kleine 
Störung  ansehen  und  dieselbe  beseitigen  dürfen,  so  gut  wie  die 
Transposition  der  Bissula-Praefatio  an  ganz  fremde  Stelle  (mitten 
hinein  in  ep.  XI  ^^  400).  Wir  werden  femer  nicht  Nachlässigkeit, 
sondern  Absicht  finden  dürfen  in  der  Lostrennung  von  ep.  Xu — XIV  = 
401 — 403  von  den  anderen  Briefen  des  Axius  Paulus:  es  sind  grie- 
chische und  griechisch-lateinische  Spielereien,  die  Ütesten  Beispiele 
makaronischer  Poesie  ^^^,  und  darum  von  den  übrigen  gesondert  und 
ans  Ende  der  sämmtlichen  epistulae  gestellt  Dann  stört  nur  noch 
der  die  Paulinusbriefe  trennende  Brief  an  Ursulus,  ep.  XVIIL  =  408, 
die  Ordnung;  welche  wahrscheinlich  parallel  der  im  Vossianus  ein- 
gehaltenen —  Symmachus,  Axius  Paulus,  Theon,  Hesperius,  Paulinas 
—  an  erster  und  zweiter  Stelle  den  Briefwechsel  mit  Axius  und 
Paulinus,  zum  Schluss  den  mit  den  dort  nicht  vertretenen  Freunden 
Tetradius  und  Probus  hatte,  denen  wir  nun  wohl  den  ürsuluB  un- 
bedenklich zugesellen  dürfen. 

Unter  den  Epigrammen  (von  deren  langer  Reihe  im  Ganzen 
wir  hier  noch  absehen)  finden  sich  die  beiden  Widmungsgedichto 
der  Fasti  an  Proculus  (149. 150)  —  die  Widmung  an  Hesperius 
147  steht  in  Z  sowohl,  wie  im  Vossianus,  die  Supputatio  148 
fehlt  in  "Z.  Unter  den  kleineren  Gedichten  findet  sich  eine  einzelne, 
im  Voss,  fehlende  Ecloge.  Das  macht,  wie  die  Briefe,  alles  den  Ein- 
druck einer  Nachlese  zu  dem  im  Voss,  vorhandenen  Corpus  der 
Opuscula.  Eine  solche  Nachlese,  von  Anderen  angestellt,  die  mit 
dem  Hauptcorpus  natürlich  bekannt  waren  und  darauf  Bezug  nahmen, 
konnte  auch  Dinge  bringen,  von  deren  weiterer  Veröffentlichung 
der  keusche  Charakter  des  Ausonius  wohl  Abstand  nehmen  musste, 
den  Cento,  oder  die  immerhin  bedenklichen  Bissula-Gedichte, 
die  ihn,  den  betagten  Greis,  leicht  Ificherlich  machen  konnten;  sie 
konnte  die  Gratiarum  actio  hinzufügen,  die  zu  publidren,  be- 
sonders unter  lauter  poetischen  Produkten,  seine  Absicht  nicht  ge- 


^*')  Worauf  B.  Köhler  in  Rh.  M.  XII  434  aufinerksam  gemacht. 

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Die  handschrifU.  Ueberlieferang  des  Aasoniiu.  281 

wesen  sein  mag,  oder  jene  makaronischen  und  griechischen-Tttn- 
deleien,  von  denen  etliche  auch  unter  den  Epigrammen  Au&ahme 
gefunden  haben.^^^  Man  darf  nicht  annehmen,  dass  Ausonius  alles, 
was  diese  Nachlese  bietet^  mit  Absicht  ausgeschlossen  habe  aus 
seiner  echten  Sammlung:  manches  mochte  ihm  damals  nicht  zur 
Hand  sein,  wie  ein  Theil  der  Briefe,  einzelnes  nach  Abschluss  der 
Hauptsammlung  sich  ihm  noch  zum  Verse  gestaltet  haben. 

Dieser  Nachlass  des  Ausonius,  mit  Bücksicht  auf  die  von  dem 
YerÜEisser  selbst  veranstaltete  Sammlung  zusanmiengestellt,  muss 
darum  auch  äusserlich  mit  derselben  in  Verbindung  gebracht  worden 
sein,  muss  einmal  den  zweiten  Theil  einer  Handschrift  der  opuscula 
gebildet  haben.  Die  Frage,  woher  jene  Stücke  in  Z  stammen, 
die  auch  der  Vössianus  bietet,  kann  sich  voraussichtlich  nicht  anders 
beantworten  als  dahin:  es  sind  das  Fragmente  der  Hauptsamm- 
ung.  Betrachten  wir  die  Vertheilung  dieser  Stücke  auf  die  Blätter 
des  Vössianus: 

1  (SV*^)  Oratio  Voss.  f.  1^  2' 

2  (4)  Monosticha  de  Herculis  aerumnis  Voss.  f.  4' 

3  (1;  Versus  pascales  Voss.  f.  17' 

4  (9)  Epicedion  Vosg.  f.  18' 

5  (5^  Technopaegnion  Voss.  f.  19^  col.  2  bis  21^  col.  1 

6  (3)  Caesares,  monosticha  Voss.  f.  23'  col.  2 

tetrasticha  XHI— XVin  Voss.  f.  24'  coL  2**») 

7  (6)  Griphus  Voss.  f.  24^  col.  2,  25'  und  " 

8  (2)  Ep.  Vm  ad  Axium  (14  Verse)  Voss.  f.  27'  col.  1 

9  (7)  Ep.  IV  ad  Theonem  Voss.  f.  27^  col.  1  bis  28'  col.  1 "®) 

10  (10)  ProtrepticuB  Voss.  f.  30*  col.  1  unten  bis  31'  col.  1, 

da  Iftsst  sich  denn  doch  schwer  die  Vermuthung  unterdrücken,  dass 
ein  in  der  Vertheilung  von  dem  erhaltenen  Vössianus  nicht  gar 
stark  abweichender  Codex  ausser  der  ersten  Hälfte  des  ersten 
Qaatermo  seinen  dritten  und  vierten  Qnatemio  &st  vollständig  zu 
dieser  Sammlung  hergegeben  habe. 

.  Q,    ni:  17  18  19  20  =  21  —  23  24 
.  Q.  EH:  25  —  27  28  =  —  30  31  — 
Die  Blätter  der  Hds.  sind  natürlich  vielfach  verstümmelt  zu 
denken,  manche  Gedichte  und  Gedichttheile,  die  auf  ihnen  standen. 


^^')  Man  darf  auch  woh}  von  episr.  105  annehmen,  dass  Ausonius 
Scheu  trog,  es  eu  veröffentlichen,  da  der  Name  der  Angeredeten,  GaUa, 
einem  Mi&liede  der  kaiserlichen  Familie,  der  Schwester  seines  Schülers 
und  WohlUiaters  Gratianus  gleicherweise  gehörte.  —  ^*^)  Die  erste  Zahl 
ordnet  die  Stücke  nach  dem  Vössianus,  die  in  Klammem  gesetzte  gibt 
die  Ordnung  in  Z  an.  —  ^*^  Auf  dieser  Columne  stehen  über  Nenra  nur 
noch  die  beiden  letsten  Verse  des  Domitianus;  mit  Commodus  v.  4 
schliesst  dieselbe.  —  ^^^)  Von  den  eigentlichen  Briefen  sind  also  nur  diese 
beiden  in  Z  übergegangen,  die  auf  den  verschiedenen  Seiten  eines  und 
desselben  Blattes  un  Vössianus  stehen,  fireüich  getrennt  durch  ep.  IX. 


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282  B.  Peiper: 

waren  gar  nicht  mehr  lesbar  oder  so  lückenhaft,  dass  ihre  Ueber> 
tragong  sich  als  werthlos  erweisen  mnsste.  Besonders  schlimm  ist^ 
wie  uns  eine  oberflftchliche  Vergleichong  lehrt,  ausser  dem  Techno- 
paegnion,  von  dem  noch  in  einem  besonderen  Capitel  gehandelt 
werden  muss,  dem  Epicedion  mitgespielt  worden,  welches  dem 
Technopaegnion  vorausging:  es  ist  ohne  Vorrede  und  um  ein  ganzes 
Drittheil  seines  Umlsuiges  gekürzt  nach  Z  übertragen.^^)  Dem  Pro- 
tr opticus  sind  nur  vier  Zeilen  der  Vorrede  entfremdet  worden,  in 
ep.  IV  sind  2  Verse  (69  und  87)  verloren  gegangen. 

Unlesbar  waren  also  geworden: 

Auf  Q.  ni: 
Id.  in  de  herediolo,  den  Versus  Pascales  vorausgehend,^f.  1 7'      d.  Voss. 
Versus  ropalici,  den  Versus  Pascales  folgend,  f.  17''  „ 

Ordo  urbium,  zwischen  Epicedion  und  Technopaegnion^  f.  1 8^  1 9*^  „ 
Ludus,  zwischen  Technop.  und  Caesarum  monosticha,  f.  21^22  „ 
Caesares,  der  grösste  Theil  derselben,  f.  23^  „ 

Auf  Q.  mi: 
Fast  sämmtliche  Briefe  zwischen  Griphus  und  Protrep- 
ticus,  dann  zwischen  Protrepticus  und  Oratio  Paulini 
mit  Ausnahme  von  zweien,  die  auf  f.  27  standen  ^^^):  f.  26'  bis  35^ 
d,  Voss. 

Die  Einordnung  dieser  Fragmente  in  den  Inhalt  von  Z  ist  im 
Ganzen  sachgemttss  erfolgt,  aber  ohne  zu  grosse  Abweichungen  von 
ihrer  ursprünglichen  Reihenfolge,  wie  sie  uds  durch  Vossianus  ver- 
rathen  wird«  Die  Versus  Pascales  voran  —  ab  loue  principiunEi  — 
ein  andrer  würde  vielleicht  die  Oratio  an  diese  Stelle  gesetzt  haben; 
ep.  Vni  ist  richtig  mit  dem  Briefwechsel  des  Axius  verbunden 
worden;  die  Caesares  mit  den  Epigrammen;  die  Spielereien  Techno- 
paegnion und  Griphus  fanden  passende  Gesellschaft  am  Cento,  und 
dahinter  einten  sich  die  ernsteren  Gedichte  Oratio,  Epicedion,  Pro- 
trepticus. Ep.  IV  an  Theon  ist  sicherlich  mit  dem  Briefe  XX  an 
Paulinus  aus  der  ursprünglichen  Stellung  durch  ein  und  dasselbe 
Geschick  verdrängt  worden. 


Die  Handschriften  des  Technopaegnion. 

Die  Abweichungen  zwischen  V  und  Z  innerhalb  des   Textes 
jener  gemeinsamen  Stücke  sind  nun  in  der  That  sehr  zahlreich,  aber 


^«>)  Es  fehlen  21  Vorse  von  64,  n9inlich  13—16,  19—26,  29-— 34, 
39  und  40,  für  43  wurde  nach  Anleitung  des  Metrams  der  Raum  ana- 
gespart.  —  In  den  Monosticha  Gaesaram  fehlt  nur  ein  Vers,  t.  9  des 
vorletzten  Abschnitte  (Tempus  imperii).  —  ^^')  Fehlten  diese  beiden,  eo 
könnte  man  auf  ein  absiohtlichefl  Weglassen  aUer  Briefe  schliessen,  deren 
Inhalt  die  Mühseligkeit  der  Abschnfk  von  einem  so  mitgenommenen 
Exemplare  nicht  au  lohnen  schien. 


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Die  handschriftl.  Ueberliefenmg  des  AusoniuB.  283 

man  ist  zu  rasch  bei  der  Hand  gewesen  mit  Annahme  zweier  ver- 
schiedener, vom  Dichter  selbst  besorgter  Ausgaben:  von  denen  uns 
V  die  erste,  Z  die  zweite  darstellen  soll.*^)  Denn  es  stelien  sich 
doch  in  d^n  meisten  Stücken  die  Aendernngen  in  Z  im  grossen 
Ganzen  als  einfache  Textverschlechterungen  dar,  nur  im  Techno- 
paegnion  sind  sie  bedeutender  und  könnten  für  mehr  gehalten  werden. 
Zum  Glück  steht  uns  grade  hier  ein  reichlicheres  Material  zur  Prü- 
fung dieser  Frage  zu  Gebote;  auf  der  Seite  von  V  die  Leidener 
und  Pariser  Excerpte  (vp),  auf  der  von  Z  die  Stücke  im  Canta- 
brigiensis  (C). 

V  =  Leidensis  Voss.  Q.  33  f.  112^:  die  bekannte  Hds.,  aus 
zwei  Theilen  zusammengebunden,  von  denen  der  erste  nach  Angaben 
auf  f.  1'.  bl\  68'  ex  bibliotheca  Schobingia,  die  zweite  f.  62''  ex 
bibliotheca  Goldasti  in  Isaak  Vossius  Bibliothek  gekommen  ist. 
Ueber  ihn  s.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  m  p.  389  ff.  A.  Riese's  Anthol. 
lat.  n  p.  XXVI  f.^*)  —  Bei  Toll  ist  es  der  Tertius  Vossianus. 

p  =  Paris.  2772  s.  X— XI  f.  79',  Technop.  n.  339.  340  B. 
341,  über  ihn  Biese  AnthoL  lat.  II  p.  X;  auf  f.  107^  de  signis  et 
temporibus  XII  (ecl.  15  n.  382)  ist  nicht  derselben  Quelle  entlehnt. 

C  =  Cantabrigiensis  Univ.  Library  Kk,  V,  34  (n.  2076) 
8.  IX — X.  ^A  small  and  rather  tall  quarto  on  vellum,  of  47  leaves, 
eaoh  page  containing  about  20  lines,  neatlj  but  corruptlj  written 
in  a  verj  earlj  half-Saxon  band,  witli  almost  no  contractions, 
which  may  perhaps  be  assigned  to  the  IX^  or  X^  Century.  The 
tiües  of  the  works  and  the  initial  letters  are  simply  coloured, 
without  any  kind  of  omameni  Yarious  later  hands  occur  throughout 
the  volome.'  So  der  Catalog.  Den  sonstigen  Inhalt  verzeichnet 
Zangemeister  in  den  SB.  der  Wiener  Ak.  1877,  Bd.  84,  S.  550. 
Vgl  Th.  Dehler  im  Rh.  Mus.  I  135  (Ritschelii  opuscula  III  840  f. 
M.  Haupt  Ind.  lect.  Berol.  aesi  1854  p.  2  (Opuscula  II  27 
0.  Bibbeck  Appendix  Yergiliana  p.  35.    Munro  Aetna  p.  29. 

Von  den  Ausonianis  enthält  er  als  n.  2  die  Oratio  matutina 
f.  1  —  3^,  darauf  die  metrischen  Stücke  des  Technopaegnion  (als 
n.  3 — 13)  in  folgender  Ordnung: 

345  V.  19  bis  349  ex.,  339  bis  345  v.  18. 

Ich  gebe  im  Folgenden  eine  Uebersicht  der  in  den  einzelnen 
Hdss.  enthaltenen  Theile  des  Technopaegnion: 


1^)  E.  B&hreo8,  Zu  Ausonius  N.  Jahrbücher  CXIII  1876,  S.  151  ff. 
—  ^^*)  Zwei  rftthaelhafte  griechische  Zeilen  auf  f.  75^  lauten: 

dr  aptuc  uyky^   fyHtBHWeVC 

H-f-l-CKyeVPdVHPBG)   C   CCÖPPyPyWT   mpr 

Das  scheint  zu  heissen:  dicitur  apertus sine  parte  beaius,  nascitur 

a  uerbo  cum  corripiatur  apertus. 


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284 


B.  Peiper: 


Ed.  Souchay 

Voss.  111 

Voss.  Q  33 

Paris.  2772 

Cantabrig. 

Tilianns 

337  (prc^a)  Pacato 

V 

V 







338  ^rosa)  Paulino 

— 

— 

— 

— 

T 

339 

V 

V 

P 

C 

T 

340  A  (prosa)  .    .   . 
340  B            Pacato 

V 

V 

— 

T 

V 

V 

P 

c 

T 

341 

V 

V 

P 

c 

T 

342 

V 

V 

c 

T 

343 

V 

V 

— 

c 

T 

344 

V 

V 

— 

c 

T 

346 

V 

V 

— 

c 

T 

346 

V 

— 

— 

c 

T 

347- 

V 

— 

— 

c 

T 

348 

V 

— 

— 

— 



349 

V 

— 

— 

c 

T 

Offenbar  liegt  uns  in  C  ein  Text  vor,  welcher  die  Grundlage 
für  die  Z -Texte  bietet.  Jener  Text  ist  aber  (von  singulären 
Fehlem  dieses  Exemplars  abgesehen)  ^^^)  noch  frei  von  zahlreichen 
Verderbnissen,  die  wir  in  den  Z-Handschriften  (zunSchst  in  T  «»  Tilia- 
nus  und  G  «»  ed«  princeps)  finden: 

Oratio  v.  8 — 16  fehlen  in  C  noch  nicht  Der  Titel  lautet  in 
C  noch  Oratio,  in  TG  Precatio  51  archanis  VPC  camis  TG 
Technop.  341  de  membris  VvpC  hominum  ftlgt  TG  hinzu  346 
floriparum  V  floreparum  C  floriferum  TG  339,  1  fragiles  VCG 
facüesT  fors  VC  sorsTG  2  Fors  VC  Sors  TG  3  finita  VC  sine 
fine  TG  343,  4  vorhanden  VC  fehlt  TG  9  genius  VC  gns  T 
genus  G  (daher  conjicirt  Girardinus:  genus  hoc)  344  de  cibis  VC 
de  cibis  nostris  TG  345,  15  umgestellt  C,  darum  ausgelassen  TG 
nach  y.  18  neue  Bubrik  de  gentibus  C,  de  quibusdam  fabulis  TG 
23  und  24  vorhanden  C  fehlen  TG  26  secus  C  scelus  TG  347, 
12  vorhanden  C,  fehlt  TG  349  Titel  vorhanden  C  fehlt  TG  8 
an  latii  VC    anni  TG     v.  9  umgestellt  C   fehlt  darum  TG  u.  s.  w. 

Die  Herleitung  der  Stücke  in  C  und  derer  die  Z  mit  V  gemein- 
sam hat  aus  Fragmenten  erklärt  einerseits  die  Auslassung  ganzer 
Theile  des  Technopaegnion  und  die  Zerrüttung  besonders  der  Theile 
345  und  349,  andrerseits  die  Vorzüge,  die  gleichwohl  C  im  Wortlaut 
vor  V  in  Anspruch  nehmen  darf,  wie  wir  sehen  werden.  Wir  wür- 
den aber  schwerlich  im  Stande  sein,  die  grossen  Differenzen  von  Z 


''^)  Oratio  6  contra  statt  coram  34  infecit  st  adiunxit  89  nebula 
st.  nubila  etc.  Technop.  339,  9  infesta  st.  infrena  14  irrigat  st  rigat 
340,  5  LEX  st.  FOBS  341,  3  infecta  st.  inuicta  342  v.  8  fehlt  343« 
10  NAS  st  NAB  11  pias  st.  piat  345,  6  MONS  st  SOBS  11  cos  fehlt 
16  saeua  st  sera  349,  1  ride  st  stride  2  condemnas  st  condemnans 
5  catalecta  st  catalepta  etc.  etc.  An  allen  den  Punkten,  wo  die 
Z-Tezte  mit  V  sich  einigen  gegen  G,  müssen  wir  selbstver- 
ständlich dem  Cantabrigiensis  Unrecht  geben. 


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Die  handBchrifü.  üeberlieferang  des  Aasonins.  285 

und  C  rationell  zu  erklären,  wenn  wir  C  nur  als  Excerpte  einer 
alten  Z-Hds.  gelten  Hessen,  d.h.  einer  schon  durch  die  Fragmente 
der  Hanptsammlung  verstärkten  Abschrift  des  Nachlasses.  Wir 
müssen  vielmehr  C  als  coordinirt  den  Z-Hss.  betrachten;  er  ist 
dir e et  aus  eben  jenen  Fragmenten  herzuleiten,  aber  er  beruht  auf 
einer  Abschrift  die  früher  genommen  ist,  als  die  welche  in  den 
Nachlass  übergegangen  ist.  Und  zwar  muss  der  frühere  Abschrei- 
ber auf  den  schwer  zu  entziffernden  Blättern  seine  Eestitutionsver- 
suche  (wenn  er  sie  nicht  zum  Theil  selbst  schon  vorfand)  hinter- 
Isssen  haben  ^^^):  das  erklärt  uns  die  üebereinstimmung  beider  Ab- 
schriften in  diesen  Puncten. 

In  den  grossen  Veränderungen,  die  CZ  gegen  V  aufweisen  in 
Techn.  34d  u.  349,  eine  nachfeilende  Hand  des  Dichters  zu 
entdecken  bin  ich  völlig  ausser  Stande.  Ich  finde  nichts  wie  Zer- 
rüttung. 

Wenn  in  349  v.  3  als  viertletzter  Vers  in  andrer  Gestalt  er- 
scheint, so  liegt  darin  nur  eine  gewaltsame,  der  Intention  des  Dich- 
ters fremde,  Verbindung  mit  den  übrigen  Ennianis  vor,  welche  in 
bester  Absicht  von  einem  Fremden  vorgenommen  wurde,  der  die 
Anfangsworte  nicht  mehr  entziffern  konnte.  Nach  der  Zeit,  als  für 
Z  Abschrift  genommen  wurde,  war  auch  v.  4  unlösbar  geworden, 
der  darum  in  TG  fehlt,  v.  5  und  6  sind  schon  in  C  zusammen- 
geschweisst  —  von  letzterem  Verse  war  nur  noch  das  Schlusswort 
TAV  sichtbar  —  wer  dürfte  wagen  diese  Verkürzung  dem  Dichter 
aufzubürden!  Darauf  folgt  in  C  v.  9,  den  TG  ganz  und  gar  weg- 
lassen. Beides,  die  Umstellung  und  die  Auslassung,  muss  in  dem 
Zustande  der  Vorlage  begründet  sein.  Vielleicht  war  der  Vers  an 
den  Band  geschrieben  und  wurde  das  eine  Mal  falsch  eingesetzt,  das 
andre  Mal  ganz  weggelassen.  (Freilich  wäre  auch  eine  spätere 
Auslassung  in  T  denkbar,  indessen  verweise  ich  auf  das  folgende 
Beispiel.)  Auf  mangelhaften  Zustand  des  Archetypus  deutet  mir 
übrigens  auch  v.  7  hin,  der  die  aus  den  Catalepta  genommenen 
Beispiele  auseinanderreisst  und  schwerlich  von  Ausonius  selbst  diesen 
Platz  erhalten  hat 

AehnUch  verhalten  sich  C  und  Z  zu  einander  in  345:  da  wird 
V.  14  hinter  v.  16  gestellt  in  C,  in  Z  aber  ausgelassen,  v.  17  ist 
hinabgerückt  hinter  24  in  C,  hinter  22,  nachdem  v.  23  und  24  weg- 
geÜEdlen,  in  Z.  Die  Gründe  für  den  Wegfall  sind  klar:  24  fand  sich 
in  andrer  Fassung  hinter  346,  5;  an  beiden  Stellen  steht  er  in  C; 
an  der  ersten  ward  er  dann  für  Z  getilgt;  v.  23  war  schon  vorher 
afficirt  und  ist  später  ganz  unlesbar  geworden.  Wenn  in  GZ  nach 
V.  18  ein  neuer  Titel,  in  beiden  gleich  unpassend,  eingeschoben 


^^  Gerade  wie  uns  heute  im  Vossianus  oft  genug  die  Möglichkeit, 
die  alte  echte  Lesart  zu  entziffern,  durch  fiftlsche  Entzifferungsversucbe, 
die  darüber  gemalt  sind,  genommen  ist. 

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286  R.  Peiper: 

wurde,  so  lag  das  an  dem  völligen  Ausfall  eines  Verses  in  dieser 
Gegend,  und  man  kann  das  wohl  mit  der  ümsteUung  von  y.  27  in 
Zusammenhang  bringen.  Zufällige  Verschlechterungen  späterer  Zeit 
mögen  die  Auslassungen  von  343,  4  und  347,  12  in  TG  sein. 

Auch  die  Splitter  des  Technopaegnion  in  den  Hdss.  y  und  p 
können  wir  nur  als  rersprengte  Trümmer^  nicht  als  Ezcerpte  einer 
vollst&ndigen  Sammlung  oder  auch  nur  des  vollständigen  Gedichts 
ansehen.  Die  Auslassung  der  Vorreden^^^),  wie  des  Stückes  348  de  litte- 
ris,  das  Abbrechen  in  p  hinter  345,  das  von  v  hinter  346  v.  25 
beruhen  alle  auf  demselben  Grunde:  dass  die  Abschreiber  nicht  mehr 
von  dem  Technopaegnion  vorfanden.  ^^) 

Die  Stellung  der  Hdss.  VvpCZ  zum  Archetypus  und  unter- 
einander ganz  genau  zu  bezeichnen  istt  wegen  des  geringen  ümfangs 
von  vp  unmöglich:  aber  es  sind  merkwürdige  Berührungen  zwischen 
ihnen  vorhanden  welche  verrathen,  dass  die  Verfassung  des  Arche- 
typus direct  oder  indirect  an  allem  Fragmentarischen  die  Schuld  trägt. 
Merkwürdig  ist  das  Zusammengehen  der  einzelnen  Glieder  die- 
ser Kette  in  den  Auslassungen: 

Vv  lassen  die  zweite  Vorrede  an  Paulinus  weg, 

pC  lassen  beide  Vorreden  an  Pacatus  und  Paulinus,  und  dazu 

340  A  weg, 
Z  lässt  die  erste  Vorrede  an  Pacatus  weg. 

Für  die  engste  Verwandtschaft  von  Vv  haben  wir  zahlreiche 
Zeugnisse;  p  und  C  stehen  in  anderem  Verhältnisse  —  p  gehört  wie  V  v 
zur  Vossianusfamilie  —  indessen  finden  sich  doch  auch  sonst  Be- 
rührungen zwischen  beiden^  die  uns  dahin  führen,  einen  Archetypus 
für  alle  diese  Hdss.  anzunehmen. 

Vv  stimmen  selbst  in  ganz  thörichten  Fehlem  miteinander 
gegen  CZ: 

339,  2  que  fehlt  VW  340A,  1  bibiam  Vv  342,  1  dos] 
uox  Vv  8  arx]  rex  Vv  343,  11  periuria]  peiuria  Vv  12  ueli- 
uoli]  ueliquoli  V  uelicoli  v  344,  10  quinquegenus]  quinquete- 
nis  V  quinquegenis  v  345,  2  eCt]  et  Vv  4  periurum]  peiurum 
Vv  8  quo]  quod  Vv  11  aconita]  acotina  Vv  15  opima  C  (der 
Vers  fehlt  Z)  picna  V  pugna  v  18  euboicis]  aeuoicis  V  aeboi- 
cis  V  19  20  generat  —  ueotus]  genera  uict(uru8)  mit  Auslassung 
der  Worte  quem  —  aera  Vv     21  uim]  ü  V  ut  v. 

Indessen  kann  v  nicht  aus  dem  Exemplar  V,  V  nicht  aus  v 
abgeschrieben  sein^^^): 


'*^  Ein  absichtliches  Auslassen  der  prosaischen  Stücke  würde  man 
allenfalls  für  C  annehmen  dürfen,  aber  nicht  für  die  kleine  Partie  389— 
341,  ohne  340  A,  in  der  Hds.  p.  —  "•)  Die  Umstellung  in  C  (846,  19 
bis  849  vor  889—346,  18)  ist  em  singnlärer,  erst  auf  die  Erfindung  des 
neuen  Titels  hinter  846  v.  18  sich  gründender  Fehler  dieser  Hds.,  den 
Z  nicht  theilt.  —  ^'')  V  hat  einige  Male  die  richtige  Lesart,  die  v  gibt, 


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Die  handschrifbl.  üeberliefenmg  des  Ansonins.  287 

340B,  3  A/rta  VC    Arte  vp        343,  2  obs  V    ops  vCZ 
(343,  12  yeliquoli  Y     uelicoli  y^  als  Ortbographicum  nicbt  duroh- 
schlagend)  344,  10  quinquetenis  V,   quinquegenis  ▼  richtiger 

(quinquegenus  CZ)  345,  11  Aspargit  V    Spargit  v  — 

Als  leichte  Versehen  können  folgende  betrachtet  werden:  339, 
4  infema  V  infemi  v  (und  so  auch  T,  aber  nicht  G)  343,  9  genius 
V  genus  v*G  gfis  T      343,  7  bona  fehlt  v  („soUicitat  „bona  T)  — 

337,  2  procedere  v  precedere  V  340A,  2  Et  hi  uersiculi  v 
richtig;  Et  in  uersiculis  V  falsch. 

Y  stimmt  mit  p: 

340B,  3  arte  Yp  A/rtsL  V  Arta  C  arcta  TF  339  Incip. 
tethopegnii  textus  y    incipit  techopegnii  testns  p. 

Vyp  stimmen  auch  zusammen  (Stellen  wie  339,  16  tan- 
tum  Vyp  uemm  CZ  citire  ich  nicht  erst): 

z.B.  340B  Item  prefatio  ...  IIII  Vvp  340,  4  fando  Vyp 
fandi  CZ  341,  4  Et  durum  Vyp  Edurum  CZ  339,  16 
iocos  V  iccor  y  iuco  p  das  ist  dasselbe;  dagegen  iocus  CZ  (locus  0). 

p  ist  offenbar  nicht  aus  y  (wie  tethop.  —  techop.  iccor  — 
iuco  zeigt)  so  wenig  wie  aus  V  selbst  hergeleitet.  Man  Yer- 
gleiche  folgende  Stelle:  339,  16  et  nihili]  für  et  gibt  V  ein  dem 
a  ähnliches  Zeichen,  mit  leichter  Basur  oberhalb ,  tmd  anihili  liest 
auch  y;  p  gibt  richtig  &nihili.  Wie  könnte  341,  4  p  OS  aus  V ent- 
lehnen, der  OS  gibt,  oder  aus  y,  wo  CVS  (C  au8i  0  durch  Basur) 
steht? 

Wenn  wir  dieser  Spur  des  Zusammenhangs  Yon  Yp  und  C 
folgend  das  VariantenYerzeichniss  durchmustern,  dürften  sich  ihr 
bald  eine  Anzahl  andrer  zugesellen.  Darunter  gehören  die  Doppel- 
lesarten in  C: 

345,  22  pellax  wird  Geta  genannt  in  Vy,  ferus  in  C,  aber  über- 
gesetzt ist  jenes:  V  pellax.  ferus  ist  ein  Irrtum  des  Exem- 
plars C  fOr  seruus  Z  und  diese  Lesart  ist  offenbar  aus  einer 
Glosse  in  den  Text  gekonmien. 

346,  3  auch  hier  findet  sich  die  Lesart  Yon  V  als  Variante  in  C 
notirt:  passura  Y  fusura  C;  Z  pflanzt  das  erste  fort. 

345,  21  incestam,  darüber  V  f,  C.  In  dem  ersten  sind  alle  Hdss. 
einig,  Yon  der  Variante  findet  sich  nirgends  weiter  eine  Spur. 


erst  Yon  zweiter  Hand,  z.  B.  340  A,  2  subtexto  y  subtexo  V.  Selbst  thö- 
richte  BesBeruDgsversache,  die  y  im  Texte  gibt,  sind  in  V  überge- 
schrieben, doch  80,  dass  man  sieht,  sie  sind  nicht  erst  aus  V  nach  y 
bei  Gelegenheit  der  Abschrift  übertragen:  346,  19.  20  ist  nach  dem  Aus- 
fall der  Worte  quem — aera  der  Vers  yeryollständigt,  indem  man  uictus  V 

ifür  uectus)  in  uicturus,  was  y  im  Texte  hat,  yerwandelte;  uietos  homo 
TOB  aL  BS.)  V.    345,  22  lidus  V*  lyd^us  V«  lidius  y. 

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288  R.  Peiper: 

Oleicherweiss  hat  C  eine  doppelte  Fassung  erhalten  in  der 
Oratio  v.  84: 

Consona  quem  celebrat  modulato  carmine  plebes 
Consona  quem  celebrant  modulati  carminea  dauid 

Die  erste  wiederum  ist  es,  die  dann  Z  übernimmt,  die  zweite  gibt 
y  P  (d.  b.  Paris.  7558  s.  IX  von  dem  mehr  unten  bei  der  Paulinns- 
correspondenz).  Und  der  letztere  bietet  noch  eine  Variante:  Mistica, 
anstatt  Consona,  die  der  Schreiber  nicht  erfunden  hat  ^^) 

Und  zweifeln  dürfen  wir  nicht,  dass  in  diese  Kategorie  auch 
der  den  Ser  betreffende  Vers  gehört,  den  Yv  als  345,  24  gibt: 

Yellera  depectit  nemoralia  uestifluus  SEB 
während  derselbe  in  Z  als  346^  6  in  folgender  Fassung  behandelt 
wird: 

lam  pelago  uolitat  mercator  uestifluus  SEB 

an  beiden  Stellen  in  seiner  besonderen  Gestalt  gleich  passend.  Der 
Cantabrigiensis  gibt  beide  Verse  an  ihren  Stellen. 

In  den  Stücken  die  nicht  in  C  stehen  findet  sich  doch  wenig- 
stens ein  Beispiel  doppelter  Lesart:  Protrepticus  y.  45  wird  da  in 
zwei  verschiedenen  Fassungen  überliefert: 

a)  Perlege  quodcumque  est  memorabile  prima  monebo 

b)  Perlege  quodcunque  est  memorabile  ut  tibi  prosit 

So  der  Tilianus  (in  dem  zufällig  mit  a  die  Seite  53'  schliesst,  die 
neue  53^  mit  b  uihebt;  am  Bande  von  b  steht  das  bekannte  f  )  und 
die  Ed.  princeps.  V  gibt  nur  die  erste  Gestalt;  alle  Hdss.  lesen 
prima  statt  priua. 

Aus  dem  Bisherigen  dürfen  wir  folgerecht  schliessen: 
1)  ein  Theil  der  Abweichungen  der  Hdss.  G  und  Z  von  V  be- 
ruht auf  willkürlicher  Aenderung,  zu  der  die  schadhafte  Ueberlie- 
ferung  nöthigte,  und  leicht  können  schon  auf  den  Blttttern  selbst, 
von  denen  die  doppelte  Abschrift  ein  Mal  für  C,  das  andre  Mal  für 
T  genommen  wurde,  derlei  Aenderungen  zur  Lesbarmachnng  des 
Textes  sich  vorgefunden  haben. 

345,  23  Fallaces  Ligures  Vv  Audaces  Hcii  C.  Der  Vers  war 
bei  der  Uebertragung  in  den  Nachlass  nebst  dem  folgenden 
überhaupt  nicht  mehr  lesbar;  C  (bez.  sein  Vorgänger)  fand 
noch  Spuren,  welche  denn  falsch  interpretirt  wurden^  indem 
man  Nachbarn  der  Carier  einschob  statt  der  nach  Vergil  A. 
XI  701  (haud  Ligurum  eztremus,  dum  fallere  fata  sinebant) 
erwähnten  Ligurer.  Dieselbe  Veranlassung  hat 
345,  26  fOr  die  Lesart:  Nota  caledoniis  nuribus  Vv  (die  eben 

^^  Denn  dieser  ist  völlig  kenntnisslos:  er  verwechselt  l^nfig  die 
ähnlichen  Buchstaben  mit  einander  und  stellt  andere  um:  36  letiferj 
leofer  39  Semita]  Semita  44  iure]  inro  58  rear]  rera  69  saucinsj 
suaciua     71  fruar]  fiaias     81  mens]  mens. 


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Die  handschrifbL  üeberliefernng  des  Ausonius.  289 

der  Abechreiber  nicht  kennen  lernte,  oder  Tielleicht  doch 
noch,  wenn  ihm  die  Sachkenntniss  nicht  gefehlt  hätte,  zu 
entziffern  vermocht  hätte)  das  Jedem  mögliche:    Nota  et 
pamornm  cunis  erzeugt. 
Wir  können  nun  weiter  beobachten,    wie  gerade  bestimmte 
Partien  eine  grössere  Anzahl  solcher  Aenderungen  oder  TraD^>08i- 
tionen  enthalten,  während  andere  ganz  frei  davon  bleiben.   Zunächst 
sind  es,  wie  wir  schon  sahen,  345  und  349^  die  so  stark  betroffen 
werden.    Wenn  nun  ein  Theil  als  inteipolirt  sich  zeigt,  dürften  wir 
wohl  auch  die  übrigen  Beispiele  (die  gewiss,  dafür  wird  der  Inter- 
polator  gesorgt  haben.  Erträgliches  bieten  werden)  auch  für  unterge- 
schoben erklären^  wenn  keine  besonderen  Gründe  dagegen  sprechen« 
So  also  in  345  v.  6  die  Lesung 

Et  furiata  Oestro  tranat  mare  Cimmerium  bos  CZ 
anstatt  des  in  Vv  stehenden: 

Threicium  Libycum  freta  Cimmeriumque  secat  bos. 
Wenn  wir  349,  21  schon  eine  Interpolation  Fauline  CZ  für  Paeate 
Y  entdeckten,  dürften  wir  vidleicht  auch  die  Durchführung  des  Con- 
jusetivs  in  v«  7 — 19  anstatt  des  Indicativs,  den  Y  bietet,  dem  Inter- 
polator  zusehreiben. 

Yielleicht  mtLssen  wir  schon  für  v.  1  der  Oratio  Anwendung 
von  dieser  Erfahrung  machen, 

Y:  Omnipotens  solo  mentis  mihi  cognite  cultu 
CT:  Omnipotens  quem  mente  colo  pater  unice  rerum. 

Der  letztere  kann  doch  keine  Correctur  des  Dichters  darstellen; 
wohl  aber  konnten  die  verwischten  Züge  des  ersten  Yerses,  wo  das 
erste  und  dritte  Wort  und  die  Schlusssiiben  des  vorletzten  Wortes 
«.nice  noch  sichtbar  erschienen,  zu  solcher  Ergänzung  anleiten. 

Jedenfalls  aber  gehört  hierher  der  Schluss  der  ep.  YIII  in  Z: 
der  kürzere  Sohlussvers  (der  in  Y  lautet:  Nugarum  unteres  cum  sale 
relliquias)  war  ausgefallen,  die  Lücke  schon  äuaserlich  sichtbar:  sie 
wurde  flottweg  ausgefüllt .  durch  den  ein  klein  wenig  veränderten, 
aber  woder  dem  Sinne  noch  Metrum  nach  an  dieser  Stelle  passen- 
den Schlussvers  von  ep.  XIY 

,        ,         .      ,  (iam  uenL 

uale  ualere  si  uoles  ine{     ,      . 
\uel  uola. 

Ob  der  Yers  freilich  auch  dort  echt  ist,  kann  zweifelhaft  erscheinen. 
Yon  den  Epigrammen  des  Yossianus  zeigen  gerade  die  beiden 
letzten  gewaltige  Aenderungen  in  Z:  von  92  ist  der  vor-  und  dritt- 
letzte, von  72  der  letzte  Yers  dniok  andere  ersetzt,  deren  ünecht- 
heit  sofort  in  die  Augen  springt. 

2)  Zum  andern,  aber  kleineren  Theile  verdankt  man  über- 
gesetzten Erklärungen  die  Entstehung  von  Abweichungen. 

3)  Endlich  mochten  sich  in  der  That  Doppellesarten  von  glei- 


jAbrb.  t  cUm.  PhUol.  Buppl.  Bd.  XI.  n.^lÄ  k  C^OOQIc 


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290  B.  Peiper: 

eher  Güte  vorfinden,  von  denen  ein  Theil  auf  Ausonius  selbst  zurück- 
gehen mag.  Ich  kann  sichere  Beispiele  davon  nicht  ausfindig  machen. 

Wenn  diese  Doppellesarten  die  Annahme  gestatten  sollten,  die 
Y-Handschriften  entstammten  einer  vor  Hinzufügung  jener  Aende- 
rungen  genommenen  Abschrift,  würden  wir  doch  noch  längst  nicht 
berechtigt  sein,  von  einer  ^zweiten  Ausgabe'  zu  reden. 

Dagegen  ist  beträchtlich  gross  die  Zahl  der  anderweitigen  nur 
auf  ein  Wort  sich  erstreckenden  Abweichungen  zwischen  V  und  C. 
Indessen  wenn  wir  uns  bei  ihnen  so  häufig  für  C  entscheiden  müssen, 
so  ist  das  nicht  ein  Resultat  der  Abwägung  zweier  gleichwerthiger 
Ausdrücke  gegeneinander,  die  beide  vom  Dichter  herstammen  könn- 
ten, sondern  die  entschiedenste  Sicherheit,  dass  in  Y  oder  Yv  gegen- 
über C  ein  Fehler  liegt.  Wenige  Beispiele  —  es  sind  grossentheils 
die  schon  oben  angeführten  —  genügen  zum  Beweise: 

342,  1  uox  Yv  dos  CZ  8  rex  Yv  arx  CZ  343,  3  consors 
Yv  consi  CZ  12  ueliquoli  Y  uelicoli  v  ueliuoli  CZ  345,  2  et 
Yv  est  QZ  8  quod  Yv  quo  CZ  16  picna  Y  pugna  v  opima  C 
(der  Yers  fehlt  Z)  26  decus  Yv  secus  C  scelus  Z  349,  18 
addidit  Y  astruit  C  adstruit  Z     22  quid  Y  pax  CZ. 

Aber  selbst  diesen  Buhm  dürfen  wir  C  nicht  zugestehen,  dass  er 
das  Bichtige  vor  der  Familie  von  Y  voraus  habe:  sondern  die  er- 
haltenen einzelnen  Exemplare  dieser  Familie  süid  fehlerhafte  Abschrif- 
ten, voran  Yoss.  111  selbst,  aber  dass  es  auch  bessere  gegeben, 
zeigt  der  weiter  unten  zu  besprechende  Parisinus  7558  (F),  in  der 
Oratio: 

35  olim  Y  aetas  FCZ  43  spiratam  Y  spaeratam  F  spera- 
tam  CZ  61  non  Y  nee  FCZ  64  mala  Y  male  FCZ  und  so  Pau- 
lini Oratio  v.  6  f.  Die  letzten  beiden  Fehler  theilt  mit  Y  gerade 
das  der  Familie  Z  zugehörige  Excerpt  in  Paris.  18275.  80  Nate  Y 
Christo  FCZ:  so  gibt  auch  die  Wiederholung  des  Yerses  am  Schluss 
der  Yersus  Paschales. 

Die  guten  Lesarten  in  C  sind  also  die  Lesarten  der  einen 
Ausgabe,  die  Ausonius  gemacht;  die  schlechten  in  Y  haben  mit  dem 
Dichter  nichts  zu  thun. 

Der  Werth  der  Familie  Z  wird  allerdings  durch  unsre  Unter- 
suchung über  das  Yerhältniss  von  C  zu  Y,  von  Z  zu  C  ungemein 
herabgedrückt  betreffs  der  auch  im  Yossianus  vorhandenen  Stücke; 
immerhin  wird  er  ein  freilich  sehr  vorsichtig  zu  verwendendes  Cor- 
rectiv  bilden  können  bei  der  Benutzung  des  letzteren;  seine  grösse- 
ren Abweichungen  werden  ohne  Weiteres  zu  verschmähen  sein,  zu- 
mal wir  eines  wirklich  guten  Exemplars  dieser  Familie  entrathen. 
Die  Hds.  des  Tilius  selbst,  die  verschollene  Hds.  des  Girardinus, 
die  Hdss.  zu  Born  und  London,  wie  weit  diese  unter  sich  häufig 
auseinandergehen,  wie  das  Gut  der  Familie  in  ihnen  versprengt  ist, 
ist  oben  gezeigt  worden.  Da  wird  nun  auch  der  Text  des  Nach- 
lasses in  ihnen  nicht  im  besten  Stande  erhalten  sein.    Wünschen 


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Die  handschriftl.  üeberliefenmg  des  Ansonias.  291 

wir  uns  Glück,  dass  fOr  die  herrorragenderen  Werke  wenigstens  eine 
relaÜY  bessere  Grundlage  in  Y  auf  unsre  Tage  gekommen  ist  nebst 
einer  ganzen  Reibe  lehrreicher  Splitter,  die  über  das  Mass  seiner 
ZuyerlSssigkeit  uns  die  Augen  öffnen  und  nicht  dulden,  dass  wir 
im  Staunen  über  sein  hohes  Alter  und  seine  merovingische  Schrift 
den  Boden  der  Kritik  verlieren. 


Epigrammaton  liber. 

Von  den  sämmtlichen  112  Dichtungen,  die  im  Epigramma- 
ton libei;  der  Tilianusfamilie  vereinigt  sind,  findet  sich  im  Yossia- 
nus  noch  nicht  der  vierte  Theil  vor:  8,  10,  23,  34,  35,  44 — 48, 
51,  52,  54,  72,  75,  81—84,  86,  87,  92,  147  (Pasti),  248,  249 
(Epitaph.  31  und  32),  253  (Epitaph.  36).  Woher  hat  Z  die  Ge- 
dichte, die  auch  der  Yossianus  gibt?  Woher  stammen  die  übrigen 
drei  Yiertheile  der  Sammlung? 

Zunächst  wird  man  sich  darUber  klar  werden  müssen,  dass  in 
dieser  Sammlung  jede  Ordnung  fehlt,  dass  die  vorhandene  nimmer- 
mehr vom  Dichter  selbst  ausgegangen  sein  kann.  Wie  kommen  die 
Fastengedichte  da  hinein,  wie  die  Epigramme,  die  seine  Gattin  Sabina 
betreffen  (18,  19?,  36,  37,  38),  in  jene  Umgebung?  Auch  die  Ge- 
dichte ans  Kaiserhaus  1 — 6  werden  schwerlich  mit  seiner  Bewil- 
ligung so  eng  mit  den  folgenden  verbunden  worden  sein.  Wie 
konconts,  dass  29  von  30,  40  von  41  so  weit  getrennt  sind?  Und 
doch  fehlt  wieder  nicht  ein  und  das  andre  Zeichen  einer  ursprüng- 
lich besseren  Ordnung,  z.  B.  jene  fortlaufende  Beihe  Gedichte  an  die 
Mitglieder  der  kaiserlichen  Familie,  die  sich  voraufgestellt  findet 
1 — 6  (n.  4  ist  versprengt  worden,  über  n.  9  wird  unten  zu  sprechen 
sein),  eine  Beihe  Graeca  hinter  einander  28,  29,  31,  32,  40  (das 
letzte  freilich  abgetrennt).  Dahin  gehört  auch,  dass  45  zweimcd  in 
den  Hdss.  vorkommt  (in  zwei  verschiedenen  Fassungen).  Der  Yer- 
sueh,  diese  ursprüngliche  Ordnung  herzustellen,  dürfte  schwerlich 
gelingen.  Man  wird  sich  begnügen  müssen,  jene, fast  vollst&ndig 
aufgenommene  ^^^)  Yossianusreihe  auszuscheiden.  Dass  diese  ganz 
ebenso  wie  die  übrigen  in  Y  vorhandenen  Stücke  erst  später  und 
aus  derselben  Quelle  in  Z  eingesetzt  worden  sind,  darüber  lässt  die 
Beihenfolge  in  der  sie  erscheinen  keinen  Zweifel,  es  ist  annähernd 
dieselbe,  in  der  sie  im  Yossianus  selbst  stehen.  Diese  sind  iu  an- 
gemessenen Zwischenräumen  nebst  den  wenigen  Epitaphien,  die  sich 
gerettet  (28,  30,  31,  31B,  34),  einzeln,  paarweise  oder  mehrere  in 
eine  bereits  vorhandene  Sammlung  meistens  auf  gut  Glück  hinein- 
geworfen worden  an  fünfzehn  Stellen: 


i«i)  Es  fehlen  von  den  22  Epigrammen  des  Yossianus  nur  das  fjlnfte 
und  sechste  (n.  76  und  138). 


19* 

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Ed.  Paris. 

V 

265  (epit.  36) 

«  epit  81 

8 

=-  ep.  2 

45 

»  ep.  9 

147 

=.  fast.  P««) 

10 

«=  ep.  8 

249  (epit.  32) 

=«  epit.  34 

23 

=»  ep.  14 

34,  35 

=  ep.  1,  epit. 

31B' 

.68) 

292  B.  Peiper: 

Ed  Paris.  V 

44,  46—48  »  ep.  7,  12,  18,  8 
51,  52  »-  ep.  10,  11 
248  (epit.  31),  54  =  epit.  28  und  30>»*) 
72,  75  =  ep.  22,  4 
81—84,  86,  87  =  ep.  16—20 

46  o-  ep.  9  zQsa  zweiten 

Male*) 
92=-ep.  21 

Im  YoBsianns  stehen  jene  Epitaphien  auf  f.  14°,  die  Epigramme 
auf  f.  35B' — 36'  am  Schlüsse  der  Ausoniana. 

Man  kann  öfters  die  Bemerkung  machen,  dass  wo  Excerpte 
aus  einer  Gedichtsammlung,  wie  die  Ausonische  ist,  ausgehoben  wer- 
den, und  Ton  einer  längeren  Reihe,  wie  z.  B.  die  Epigrammenreihe 
des  Vossianus  ist,  wenige  Proben  mitgetheüt  werden  sollen,  der 
Excerpirende  sich  auf  das  erste  bez.  erste  und  letzte  beschrilnkt. 
Das  werden  wir  auch  beim  Ausonius  selbst  finden:  der  unten  zu 
besprechende  St  Oallensis  gibt  72,  das  letzte  des  Vossianus,  die 
Pariser  Sammlung  (Paris.  8500)  34,  das  erste  des  Vossianus;  der 
Bruxellensis  nun  enthSlt  das  im  Vossianus  selbst  fehlende,  sonst 
nur  in  den  Z-Hdss.  überlieferte  Epigr.  9,  das  sich  als  Einleitungs- 
gedicht einer  längeren  Epigiummenreihe  darstellt,  oder  gar,  wenn 
wir  der  Ueberschrift  Glauben  beimessen,  als  Einleitung  zu  einer 
grösseren  Gedichtsammlung: 

COMMENDATIO  CODICIS 
Est  qnod  mane  legas,  est  et  quod  nespere;  laetis 

seria  miflcuimus,  tempore  uti  placeant. 
Non  unus  uitae  oolor  est  nee  carminis  unus 

lector;  habet  tempus  pagina  quaeque  guum: 
Hoc  mirata  Venns,  probat  hoc  galeata  Minerua; 

Stoicus  has  partes,  has  Epicurus  amat. 
Salua  mihi  ueterum  maneat  dnm  regula  momm, 

plaadat  permissis  sobria  musa  iocis.      EXPLIGIT. 

Wenn  wir  dies  Gedicht  in  einer  mit  dem  Vossianus  verwandten 
Sammlung  wiederfinden,  und  zwar  vollstSndig,  während  es  am  an- 
dern Orte  seines  Anfangs  beraubt  ist^  so  ist  das  ein  Zeichen,  dass 
es  ursprünglich  nicht  der  Z-Sammlung,  sondern  der  im  Vossianus 
erhaltenen  eignet,  dass  es  femer  in  der  That  ein  erstes  Gedicht 
war,  welches  seine  derzeitige  Stellung  als  zweites  vielleicht  nur  der 
Lückenhaftigkeit  verdankt,  die  verbot  es  an  erste  Stelle  zu  setzen. 


'^')  Mit  andern  Fastengedichten  verbanden.  --  '®*}  Folgt  in  V 
ohne  Nummer  auf  epit.  31.  —  *")  Die  Verbindung  dieser  beiden,  sowie 
die  ünvoUständigkeit  des  zweiten  ist  wiederum  ein  Zeichen  der  Ent- 
lehfiimg  aus  Fragmenten  der  Vossianus -Familie.  —  *)  Die  Reihe  15— 
22  wird  durch  die  Wiederholung  von  45  »  9  gestM;. 


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Die  handschriflbl.  üeberHefernng  des  Aasonius.  ^93 

Wenn  wir  dann  eine  Reibe  Gedichte  finden,  gegen  deren  Ein- 
reibung in  die  Opuscola  weder  der  Inbalt  nocb  sonst  etwas  einen 
Grund  abgeben  konnte,  Gedicbte,  von  denen  nicbt  zu  erwarten  dass 
sie,  wie  etwa  ein  gelegentlicbar  Brief,  zur  Zeit  dem  Sammler  nicbt 
zu  Händen  waren,  die  wir  also  nicbt  erst  vom  Veranstalter  des 
Nacblasses  eingereibt  uns  denken  dürfen,  so  werden  wir  auf  die 
Vermutbung  unabweisbar  bingefübrt,  dass  die  Gedicbtsammlung  im 
Yossianus  nicbt  abgescblossen  uns  vorliegt,  dass  dieser  Codex,  in 
welcbem  so  plötzlicb  mit  jenen  22  Epigrammen  die  Sammlung  ab> 
bricht,  um  sich  zu  fremden  Producten  zu  wenden,  aus  einer  Vor- 
lage abgescblossen  ist,  deren  letzter  Tbeil  verkürzt  war« 
Zunächst,  glaube  ich,  ist  eine  längere  Gedichtreibe  das  Kaiserhaus 
betreffend,  von  denen  nur  einige  Stück  sich  erhalten,  un$  verloren 
gegangen.  Wie  viele  der  im  Liber  epigrammatum  enthaltenen  Dich- 
tungen zu  der  durch  Epigr.  9  erö&eten  zweiten  Sammlung  ge- 
hören, wird  eben  nicbt  genau  zu  ermitteln  sein^^);  einige  sind  be- 
stimmt auszuscheiden,  zunächst  alle  griechischen  und  grie- 
chisch-lateinischen Spielereien,  die  sämmtlich  dem  Nacblass  eigen 
sein  werden;  sie  finden  sich  fünf  an  Zahl  an  einer  Stelle  der  Samm- 
lung (28,  29,  31,  82  hinter  einander,  40  davon  getrennt),  während 
die  lateinischen  üebertragungen  merkwürdiger  Weise  erst  am  Ende 
erscheinen  (80  auf  29,  41  auf  40  bezüglich),  während  ein  sechstes 
88  Aöbpa  richtig  zu  den  in  die  Vossianusreibe  aufgenommenen 
lateinischen  Versen  desselben  Inhalts  gesetzt  worden  ist.^^^)  Dann 
werden  auch  eine  Anzahl  obscöner  Epigramme,  wie  126,  von  Au- 
sonius  selbst  so  wenig  pubbcirt  worden  sein,  wie  der  Cento;  ande- 
res war  vielleicht  als  gar  zu  unbedeutend  oder  aus  besonderen  Bück- 
sichten ^^^)  von  Ausonius  übergangen  (gewiss  recht  wenig!),  anderes 
was  später  im  Anscbluss  an  Früheres  hinzugedichtet  (etwa  die 
Bufus-Gedichte  49  u.  50)  und  darum  dem  Nachlass-Sammler  anheim- 
gefallen ist,  werden  wir  schwerlich  in  der  Lage  sein,  sicher  zu  er- 
kennen und  auszuscheiden. 


'^^)  Demi  die  Annahme^  dass  wir  hier  lauter  Epigramme  des  Haupt- 
corpus  vor  uns  haben,  und  nur  weiter  unten  in  den  Epigrammen  de  Poly- 
gitone  und  de  Siluio  mit  Nachträgen  des  Nachlasses  zu  thun  hätten,  würde 
wie  die  Graeca  beweisen,  falsch  sein.  —  "*)  Die  Versuche,  einzelne  jener 
Tilianus- Epigramme  zu  verdächtigen,  die  wir  bei  Vinetus  finden,  sind 
binföUig.  Die  Annahme,  dass  sie  wie  jene  an  Paulas  gerichteten  Graeca 
erst  durch  den  Nacblass  Veröffentlichung  gefunden  haben,  schützt  sie. 
Damit  würde  sich  eine  Annahme,  dass  29  nichtausonisch  und  nur  als 
Vorbild  zu  30  von  ihm  benutzt  worden  sei,  immerhin  noch  vertragen.  — 
*^^  Die  Dedicationsverse  der  Fasten  an  Probus,  die  Zueignung  eines 
Exemplars  der  Apologen  des  Titianus  und  der  Chronica  des  Nepos  an 
denselben  fehlen  im  Hauptcorpus;  es  liegt  die  Veranlassung  vielleicht 
darin,  dass  Probus  in  Ungnade  gefallen  war  und  sich  Ausonius  der 
Thaten  des  einst  von  ihm  so  sehr  gerühmten  Mannes  schämen  mochte, 
vgL  Ammianus  30,  6. 


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294  R.  Peiper: 

VI. 
Verlorene  Schriften,  Fragmente,  Eclogen,  Zersplittertes, 

Dass  Ausonius  ausser  den  uns  erhaltenen  Werken  noch  andere 
geschrieben^  die  für  uns  verloren  gegangen  sind,  darauf  weisen  nur 
geringe  Spuren  hin,  wenn  wir  absehen  von  den  aus  lateinischen 
Annalisten  ezcerpirten  Fasten  (Mommsen,  röm.  Chronologie  S.  130 
Anm.  242,  der  die  etwaige  Vermuthung,  dieselben  dürften  dem 
chronologischen  Werke  des  Cassiodorus  zu  Grunde  liegen,  ebenda 
zu  entkräften  sucht).  Dieses  Werk  hat  Ausonius  selbst  aus  der 
Sammlung  seiner  Opuscula,  die  nur  Poetisches  enthielt  —  vielleicht 
im  Anschluss  an  den  Wunsch  des  Theodosius  — ,  ausgeschlossen, 
wie  die  Au&ahme  der  auf  dies  Werk  bezüglichen  Epigramme  in 
die  Gedichtsammlung  beweisen  kann.  Warum  der  Sammler  des 
Nachlasses  sie  nicht  aufgenommen  hat,  wie  die  Gratiarum  actio, 
weiss  ich  nicht  zu  sagen.  Nach  L.  Both  (Die  mittelalterlichen  Samm- 
Inngen  lateinischer  Thierfabeln,  Philologus  I  1846  S.  538  Anm.) 
und  Teuffei  Litteraturg.^  395,  2  soll  Ausonius  die  prosaischen  Apo- 
logen  des  Julius  Titianus  um  375  für  den  Sohn  des  Probus  in 
Trimeter  umgesetzt  haben.  Ich  kann  aus  Ausonius  £p.  XVI  73  K 
das  nicht  herauslesen: 

Apologos  ea  misit  tibi 

Ab  usque  Rheni  limite 

Ausonius  nomen  Italum, 

Praeceptor  August!  tui, 

Aesopiam  trimetriam, 

Quam  uertit  exili  stilo 

Pedestre  concinnans  opus 

Fandi  Titianus  artifex. 

Ich  lese  ein  Lob  der  Babrius-Uebertragung  ^^  des  Titianus  her- 
aus, finde  aber  keinen  Ausdruck,  der  auf  eine  poetische  Umformung 
seitens  unsers  Ausonius  hinwiese.  Dass  er  nur  dies  Werk  gerade 
mit  einer  Widmung  schmückt,  die  gleichzeitig  mitgesandte  Abschrift 
aber  der  Chronica  des  Nepos  nicht  mit  einer  solchen  begleitet, 
ist  so  natürlich,  dass  man  es  doch  nicht  als  Grund  für  jene  Annahme 
geltend  machen  darf,  noch  weniger,  dass  er  diese  seine  Verse  mit 


106^  Dass  Titianus  den  Babrios  selbst  übertragen,  ist  bereits  von 
Gannegieter  Dissert.  de  aetato  Aviani  c.  XI  augenommen  worden,  welchem 
nach  Wemsdorf  Y  666  auch  Bernhardy  BLG."  S.  576,  Anm.  478  u.  &. 
zastimmen.  Schon  die  Bezeichnung  Aesopiam  trimetriam  weist  auf  die 
Mu8(a|u^ßoi  alaÜTTCioi  hin.  —  Avianus  brauchte,  wie  Wemsdorf  V  666  seigt, 
des  Titianus  gar  nicht  zu  gedenken;  yielleicht  hätte  er  des  zeitge- 
nössischen  Ausonius  gedacht,  wenn  ihm  eine  poetische  Uebertragung 
desselben  bekannt  geworden  wftre. 


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Die  handschriftl.  Ueberlieferong  des  Aasonixu.  295 

einem  plaatiiiischen  Antelogium  vergleicht,  oder  seine  sedulitas 
empfiehlt,  die  eben  nur  in  der  Besorgung  zweier  für  die  Unterwei- 
sung des  Knaben  geeigneter  Bücher  bestand.  Ausserdem  würde 
wohl  Ausonius  eine  directe  üebertragung  aus  dem  Griechischen  einer 
derartigen  Bearbeitung  vorgezogen  haben. 

Das  Versprechen,  welches  Ausonius  in  der  Mosella  392  ff.  und 
448  iL  gegeben,  die  berühmten  Städte  und  Männer  des  Moselthales 
zu  besingen,  wenn  er  an  seinem  Lebensabend  seinen  Buhesitz  in 
der  Heimath  genommen,  hat  er  sicher  nicht  eingelöst« 

Wir  sind  bezüglich  verlorener  Stücke  also  nur  auf  die  drei 
Fragmente  angewiesen,  welche  der  Auetor  de  dubiis  nominibus 
unter  des  Ausonius  Namen  mittheilt: 

579,  3  Keil.       flumen  generis  neutri,  ut  Ausonius: 
rediie  sursum  flumina! 
(auronius  rediT  M    rursum  die  Hdss.,  offenbar  liegt  das  grie- 
chische övw  yop  TroTamSv  zu  Grunde.)^*®) 

582,  27  Keil,     lepus  generis  masculini,  ut  Ausonius: 
inuestigato  ferre  dolos  lepori. 
(inuestigatum  fern  dolus  Hdss.,  verbessert  von  M.  Haupt.) 
589,  6  EeiL       rumor  generis  masculini,  ut  Ausonius: 

quae  tantae  tenuere  morae  rumore  sub  omni? 
(que  tante  de  sub  omni  M.) 


^^  Ich  mag  mirs  nicht  versagen,  eine  kleine,  durchaus  nicht  yoU- 
siAndige  Stellensammlung  für  dies  Adjnaton  zu  geben:  Aeschylus  ap. 
HesyelL  Eurip.  Suppt  620  Med.  412  Schol.  ad  Theoer.  I  134  Lucian. 
diaL  mort.  6,  2  Nazianzeni  carmen  de  vita  ana  Zenob.  II  56  Diogeo. 
I  27  Smdas  etc.  Horat.  epod.  XVI  26  C.  I  29,  11  Vergil  A.  I  607  XI 
405,  daza  SerWue  Ovid.  Trist.  I  8,  1  ex  Pento  IV  5,  43  Met.  XIII 
3S4  Her.  V  28  Propert.  I  15,  29  III  7,  32  IV  18,  6  Seneca  Med.  408 
Apnleios  Met.  I  3  (p.  2  Eyss.)  Claudian.  in  Eutrop.  I  353  Dracontius 
Hexaem.  v.  489  Carpzow.  Anthol.  lai  Ries.  II,  XXXV.  Fär  sein  Fort- 
leben in  Mittelalter  und  Neuzeit  zeugen  u.  a.: 

ErmenricuB  Augiensis  ed.  Dünmuer  s.  37,  v.  55  f.: 
Ante  cadant  imis  nascentia  sidera  terris 
aut  fluat  ad  summos  flumen  ubique  polos, 
quam  tuuB  a  nostro  pectore  amor  redeat. 
Anonymus  Neyeleti  U  7: 

Nee  tibi  nee  riuo  nocui:  nam  prona  supinum 
nescit  iter  nee  adhuc  unda  nitore  caret. 
BicharduB  Venusinus  de  Paulino  et  Polla  861  f.: 

Cum  mare  siccatum,  uer  non  florere  uidebis 
et  fluuioB  uersis  cursibuB  ire  retro, 
femina  tunc  poterit  tibi  non  linguosa  uideri. 
Paul  Heyse  in  'der  Weinhüter':   ^Eh'  mir  einer  gut  genug  ist  fttr 
dich,  muaa  die  PaBser  den  Ifinger  hiDanflieBBen\     G.  Freytag  Die  Qe- 
Bchwister  b.  11:  —  wenn  die  Compagnie  'Euch  zurücknimmt'.    'Also  wenn 
WasBcr  den  Berg  hinauffliesst,'  lachte  der  Gesandte. 


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296  B.  Peiper: 

Wir  werden  die  Autoritftt  des  Sammlers  nicht  anfechten,  auch 
nicht  den  faulen  Ausweg,  ein  anderer  Ausonius  (oder  Auxonius,  oder 
Auxanius)  sei  hier  zu  verstehen,  einschlagen  dürfen;  den  Gedanken 
aber,  dass  diese  Stellen  einer  wichtigeren  Schrift  |des  Mannes  ange- 
hören, oder  einer  Schrift,  die  in  das  Corpus  seiner  Gedichte  ehe- 
mals  nicht  Aufnahme  gefunden,  glaube  ich  mit  guten  Gründen  ab- 
weisen zu  dürfen.  Wir  haben  wohl  nur  den  Verlust  weniger  un- 
bedeutender Stücke,  vielleicht  nur  eines  einzigen  polymetrischen 
Briefes,  der  möglicher  Weise  an  Paulinus  gerichtet  war,  zu  bekla- 
gen ,  der  sich  aus  der  Vorlage  des  Vossianus  oder  dem  Archetypus 
verloren  etwa  wie  der  Theodosiusbrief,  der  Anfang  des  Planeten- 
gedichts hinter  dem  Hesiodion,  der  Schluss  der  Caesares-Tetrasticha, 
wie  Epigr.  9  mit  anderen,  wie  der  zweite  Theil  des  zweiten  Pau- 
linerbriefes V.  49^-68  imd  anderes. 

Der  Urheber  jener  Ezcerptensammlung  (de  dubüs  nominibus 
oder  de  generibus  nominum)  hat  nftmlich  von  den  Werken  des  Pau- 
linus nicht  eine  vollständige  Sammlung,  wie  der  Puteanus  u.  a.  sie 
bieten^  benutzt;  er  kennt  einzig  nur  die  Gedichte,  die  sich  von  Pau- 
linus in  unserem  Vossianus  finden ^^^:  von  den  beiden  ersten  an 
Gestidius  (foL  SO',  in  den  Ausgaben  des  Paulinus  Gedicht  I  und  II) 
nimmt  er  keine  Notiz;  aus  dem  dritten  an  Nicetas  (foLd6^,  n.iVlI 
der  Ausgaben)  hat  er  sechs  Stellen  ausgehoben;  wenn  die  Hdss. 
hier  allerdings  recht  stark  vom  Vossiauischen  Texte  abweicten,  so 
nähern  sie  sich  in  diesen  Abweichungen  —  die  nur  Verstümmelungen 
auf  der  einen  oder  andern  Seite  sind,  eben  auch  nicht  den  bisher 
bekannt  gewordenen  Texten,  während  schon  die  üebereinstimmung 
mit  V  in  der  einzigen  Stelle  v.  106  (f.  37'  des  Voss.,  p.  589, 17  Keil): 

Et  rate  armata  titulo  salutes^^^) 
wo  die  Ausgaben  amata  (und  natürlich  salutis)  geben,  überzeugend 
auf  Verwandtschaft  der  Quellen  hindeutet  Ausserdem  erscheint 
eine  Stelle  der  Oratio  (fol.  35',  p.  IV  der  Ausgaben),  die  nur  durch 
Ausoniushandschriften  (ausser  dem  Vossianus  die  Excerpte  in  cod. 
Paris.  7558)  überliefert  ist.  Zwei  Stellen  nur  sind  es,  die  Haupt  und 
Eeil  nicht  nachzuweisen  vermocht  haben,  s.  594,  7  K.:  Taulinus: 
zelus  discrepat  atrox',  vermuthlich  die  Schlussworte  einer  verloren 
gegangenen  Strophe  ebendesselben  Gedichts: 


^^^  Auch  die  eine  Symmachus-Stelle  8.  88,  5  und  90,  7  Haupt  ist 
nicht  direct  ans  des  Symmachus  Briefen,  sondern  ohne  Zweifel  einer  Hds. 
von  PrudentiuB  contra  Symmachum  (Symmachus  ed.  prior  lureti  p.  347, 
Pnidentius  ed.  Dressel  p.  261  ad  libr.  II  v.  877)  entlehnt  —  "')  V.  8  f. 
(584,  14)  adnixa  f£Lr  adnexa  ist  wie  das  obige  salntes  nur  eine  ortho- 
graphische Verschiedenheit;  267  f.  (680,  20)  extracta  richtig  für  ex- 
tracto  des  Voss,  und  der  Dracke;  274  f.  (585,  20  und  582,  12)  condeos 
mit  Ausgaben,  condis  schlecht  der  Voss.«  oomulans  ebenso  im  Voss.  la 
cumulas  verstümmelt;  saori  lucrum  .  .  talenti  hat  der  Auetor  fölschlicli 
für  sacrum  lucris  . .  talentnm,  wie  auch  Voss,  hat,  geschrieben. 


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Die  handschrifü.  Ueberliefenmg  des  Ausonius.  297 

—  • . .  —  .  zelus 

diserepat  atrox. 

(s.  L.  MüUer  de  re  m,  314,  318)  und  571,  17: 

erit  nt  (vielleicht  et  sicnt)  arbor  quae  propinqua  flumini. 
Es  mag  eigenthümlioh  erscheinen,  dass  gerade  zwei  verlorene 
Terse  von  diesem  Autor  citirt  worden  sein  sollen:  wie  wenn  gar 
ein  drittes  Beispiel  dazu  kommt?  Die  Verwunderung  muss  wachsen, 
in  gleicher  Weise  aber  auch  der  Glaube  an  die  Möglichkeit  der  An- 
nahme.   Der  Yossianus  gibt  folgende  Strophe  im  Nicetas-Gedicht: 

289    Caritas  XP  ^i^o  ^^sa  ca^lo 

294  Orbis  aut  alter  fieque  mors  renellet 

295  Corporis  uita  moriente  uita 

uiuet  amoris. 

V.  290 — 29^  sind  weggelassen:  aber  gerade  293  wird  von  unserem      ^ 
Autor  84,  9  H.  citirt:  nuUa  nos  aetas  nulla  tibi  labes. 

Die  Schrift  de  dubiis  nominibus  ist,  da  Yenantius  und  einmal 
Isidorus  citirt  wird,  niqht  vor  der  Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts 
abgefasst.  Bis  dahin  ist  also  wohl  das  Corpus  Ausonianum  ziemlich 
unversehrt  geblieben«  Der  Aufenthaltsort  dieses  Exemplars,  das  als 
Archetypus  für  den  Yossianus  betrachtet  werden  darf,  wird  nicht 
gar  weit  vom  Fundorte  angenommen  werden  dürfen :  der  ungenanute 
Grammatiker  bringt  auch  drei  Stellen  des  A vitus  (das  erste  und  dritte 
findet  sich  in  ep.  86).  Dass  dessen  Brief-  und  Homiliensammlung  durch 
zahlreiche  Abschriften  verbreitet  gewesen,  ist  nicht  leicht  anzuneh- 
men; möglicherweise  liegt  also  diesen  AnfOhrungen  dasselbe  Papj- 
rusexemplar  zu  Grunde,  dessen  Beste  sich  heut  in  Paris  finden  und 
das,  einst  von  dem  L joner  Diaconus  Florus  excerpirt  für  seinen 
Commentar  der  Paulinischen  Briefe,  späterhin  im  12  — 13.  Jahr- 
hundert, da  es  offenbar  schon  sehr  defect  geworden  var,  umgeschiie- 
ben  wurde  in  den  heut  zu  Lyon  befindlichen  Codex,  auf  dem  jetzt  allein 
unsere  Eenntniss  der  Prosaschriften  des  Bischofs  von  Yienne  beruht 
In  diesem  fehlt  gerade  ep.  86,  der  das  erste  und  dritte  jener  Citate  ge- 
liefert hat.  Ein  Geistlicher  ist  jener  Autor  selbstverständlich;  auf  die 
Nähe  von  Lugdunum  deuten  ausser  Avitus  wohl  auch  die  verhält- 
nissmässig  zahlreichen  CHtate  des  Sidonius,  auf  Frankreich  minde- 
stens die  Citate  aus  dem  von  Yenantius  genannten,  sonst  verschol- 
lenen Dynamius.  Nach  der  Ile-Barbe  wird  der  Ausonius  also  schwerlich 
aus  grösserer  Entfernung  gebracht  worden  sein;  in  Lyon  wird  auch 
sein  Archetypus,  durch  irgend  welches  Geschick  aus  der  Heimath 
des  Dichters  verschleppt,  die  Bibliothek  der  alten  Cathedrale  Saint- 
Just  geziert  haben.  Bei  der  Restauration  des  Klosters  Ile-Barbe 
mag  man  fGLf  die  neue  Bibliothek  von  der  dort  bewahrten  Hds.  eine 
Absehrift  genommen  haben. 

Yon  Lyon  war  der  Weg  nach  Beichenau  und  St.  Gallen  zumal 

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^ 


298  K.  Peiper: 

für  ein  den  Bbein  betreffendes  Stück  leicht  gefunden.  Mit  verwandten 
poetischen  Stadien  beschfiftigt  lebte  dort  Walahfrid  Strabo,  der 
zu  Agobard,  der  als  Erzbischof  der  Ljoner  Diöcese  bis  840  vor- 
stand, freundliche  Beziehungen  hatte:  schon  am  Hofe  zu  Aachen 
hatten  sie  sich  kennen  gelernt;  dass  [diese  Beziehungen  fortgeseizt 
wurden,  beweist  ein  poetischer  Gruss  des  Abts  von  Beichenau  an 
Agobard  (Canisius  Lect  antiquae  VI  648).  Walahfrids  Dichtungen 
sind  hauptsächlich  durch  St.  Oaller  Hss.  auf  uns  gekommen:  der- 
selbe Codex,  der  die  Mosella  enth&lt,  bewahrt  einen  Theil  derselben. 
(Vgl.  E.  Dümmler,  N.  Archiv  IV  270.  276.  263.)  Die  Abschrift 
Walahfrids  lernte  Ermenricus  (über  ihn  E. Dümmler  ebenda  S. 321), 
der  vor  des  Letzteren  Tode  Beichenau  und  St  Gallen  besuchte,  ken- 
nen und  verwerthete  sie  in  seiner  bekannten  Schrift 

Wir  werden  also  auch  hier  nicht  über  die  alte  Hauptsammlung, 
von  der  eine  in  manchen  Theilen  verstünunelte  Abschriffc  im  Vos- 
sianus  vorliegt,  hinausgewiesen,  und  dürfen  nun  wohl  an  die  Frage 
herantreten,  ob  ein  grösseres  Stück,  ja  das  edelste  der*Ausoniani- 
schen  Dichtung,  wenn  wir  die  Briefe  an  PauHnus  ausnehmen,  die 
Moseila,  dieser  Sammlung  von  Anfang  an  fremd  geblieben,  oder  in 
ihr  ursprünglich  Au&ahme  gefunden,  aber  durch  einen  unglück- 
lichen Zufall  ihr  später  entfremdet  worden  sein  möge. 


Eclogae  Ausonianae. 

Dass  die  Mosella,  der  Ausonius  doch  wohl  hauptsächlich  An- 
erkennung als  Dichter  verdankte,  von  ihm  aus  dem  Grunde  in  die 
Hauptsammlung  nicht  aufgenonunen  worden,  weil  sie  in  separaten 
Exemplaren  schon  grosse  Verbreitimg  gefunden,  ist  schon  schwer- 
lich glaublich.  ^''^  Bei  einem  umfangreicheren  Werke  könnte  man 
das  allenfalls  zugeben«  Dass  nun  aber  auch  der  Veranstalter  des 
Nachlasses,  der  das  Moselgedicht  sicherlich  gekannt  hat,  jenen  Grün- 
den eben  so  grosses  Gewicht  beigelegt  haben  sollte,  ist  nicht  blos 
schwer,  sondern  nimmermehr  zu  glauben.  Dass  die  Mosella  im 
Nachlass  fehlt  ist  ein  Beweis,  dass  sie  im  Hauptcorpus  ihren  ver- 
dienten Platz  gefunden  hatte. 

An  welcher  Stelle,  wollen  wir  jetzt  nicht  fragen,  eine  hervor- 
ragende Stelle  verdiente  sie  sicherlich  ^^^),  wenn  der  Dichter  nach 
der  Würdigkeit  die  Ordnung  hergestellt  hätte. 


"^  Sollte  sie  wirklich,  wie  Gronov  annimmt,  erst  nach  des  Auso- 
nius Consulat  publicirt  worden  sein,  so  wird  sie  doch  sicherlich  vor  der 
Gesommtausgabe  de/  Opuscula  längst  ihren  Abschloss  gefunden  haben. 
—  "■)  Der  Vossianus  hat  die  ersten  vier  Quatemionen  eingebüsst  (s.  Biese 
Anth.  lat  II,  p..  XVI)  und  begint  ^abhinc  Ausonii  opu8cnl%' ;  schwerlidi 
haben  also  auf  den  verlorenen  Quatemionen  Ausoniana  gestanden,  unter 
ihnen  etwa  die  Mosella.  Dem  Inhalte  nach  müsste  sie  in  dem  Theile 
etwa,  der  die  Clarae  urbes  enthält,  gestanden  haben. 


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Die  handflchriftl.  Ueberliefening  des  Ausonius.  899 

In  den  massgebenden  Handschriften,  dem  S.  Oallensis  (G) 
8.  XI^^^)  und  Bruxellensis  (B)  finden  wir  dies  Ausonianum  nicht 
vereinzelt  Nur  die  durch  Irrthum  des  Buchbinders  bewirkte  Zer- 
splitterung auf  verschiedene  Theile  der  Hds.  G^^*)  macht  es  erklärlich, 
dass  man  bisher  nicht  daran  gedacht  hat,  die  Ausoniana  derselben 
unter  einem  Gesichtspunkte  zu  betrachten,  dass  man  sich  gar  nicht 
einmal  um  den  auf  das  Gedicht  Bezug  nehmenden  Sjmmachus- 
Brief  gekümmert  hat,  den  sie  wie  der  Bruxellensis  und  die  Quelle, 
aus  der  XJgoletus  schöpfte,  enthält  Sodann  bietet  der  S.  Gallensis 
die  Herculis  aerumnae.,  Vir  bonus.  Est  et  Non,  Hesiodion, 
de  Achilla  d.  h.  das  Schlussepigramm  der  Yossianus- Reihe; 
der  Bruxellensis  hat  die  vier  zuletzt  genannten  nicht:  dafür  gibt  er 
die  Caesares  und  Epigramm  9  in  der  echten,  sonst  nirgends  er- 
scheinenden Fassung:  d.  h.  das  Anfangsepigramm  einer  im  Yos- 
sianus derzeit  fehlenden  Epigrammenreihe.  Wir  haben  es  offenbar 
mit  Excerpten  der  Gesammtausgabe  zu  thun,  deren  Archetypus 
uns  freilich  nicht  erhalten  ist  Als  eine  dritte  Auswahl  aus  dieser 
Excerptensammlung  reiht  sich  an  der  Puteanus  (tt  =  Paris. 
4887)^^^,  welcher  die  Moseila  (nebst  dem  Briefe)  und  die  beiden 
Epigramme  weggelassen  hat  Der  Archetypus,  aus  denen  diese  drei 
Sammlungen  geflossen  sind^  enthielt  also  mindestens  folgende  Stücke 
n  folgender  Ordnung: 

1.  MoseUa  nebst  Symmachus -Brief,     enthalten  in  G  B  — 

2.  Caesares,  monosticha  et  tetrasticha         -  -  —  B  ir 


^^*)  Aofiffihrlich  beschrieben  ist  dieselbe  von  E.  Dümmler  in  seinen 
St.  Gallischen  Denkmalen  aus  der  Earolingischen  Zeit  »»  Mittheilnngen 
der  Züricher  Antiqu.  Ges.  XU  (1859)  s.  Y,  femer  in  Haupts  Z.  f.  d.  A. 
XII  446  ff.  (vgl.  Pertz  Archiv  XII  279  über  cod. 'Christinae  421,  der  ur- 
sprünglich em  Stück  unserer  Hds.  bildet),  weiteres  E.  Dümmler  im  Neuen 
Archiv  lY,  S.  106  ff.,  276  ff.  Dümmler  und  Scherrer  im  Catalog  S.  315 
setzen  sie  ins  X.  Jahrhundert  —  "")  P.  2  Symmachi  epistola,  p.  3  Est 
et  Non,  p.  4  Hesiodion,  p.  22—45  Mosella,  p.  45  Herculis  aemmnae,  p.  47 
Yir  bonos,  p.  48  de  Achilla,  also  eine  geringfügige  Umgestaltung  der  im 
Folgenden  gegebenen  ursprünglichen  Anordnung.  Yon  der  Moseila  liegt 
die  Collation  von  Bücking,  berichtigt  durch  Schenkl  (zur  Kritik  späterer 
lat  Dichter  Wien  1863,  S.  57  und  H.  J.  Müller  Progr.  des  Friedrich- 
Werder-Gymnasium  EU  Berlin  1876,  S.  24)  vor.  Für  die  übrigen  Stücke, 
ausser  dem  Symmachus-Briefe,  die  Yer£[leichnng  Schenkls  a.  0.  S.  57  u. 
58.  Den  Symmachus -Brief  hat  für  mich  Herr  Dr.  Idtensohn  zu  ver- 
gleichen die  Güte  gehabt  —  "•)  Paris.  4887  membr.  s.  XII,  olim 
Pufceanos  4902.  Hinter  Freculf  erscheiat  f.  78'  ein  Stück  Julius  Afri- 
canus,  welchem  andere  Ezcerpte  de  tempjoribus  et  aetatibus  aus  Isidor, 
Beda,  Eusebius,  Hieronymus,  Prosper,  Orosius  folgen,  nebst  einem  Stück 
'de  discretione  temporum'.  Darauf  fr.  74'  die  schon  früher  von  WOlfflin 
verglichenen  Caesares  nebst  dem  anderen  vier  Ausoniana.  Hinter  Freculf 
gal^n  diese  Stücke  denn  auch  die  vom  Puteanus  als  Sohn  und  Enkel  ab- 
Btammenden  Hdw.  von  Pontigoy,  jetzt  in  Auxerre  n.  85  und  67  s.  XII 
und  XIU  (diese  drei  Hdss.  habe  ich  selbst  verglichen),  sowie  eine  in 
Troyes  n.  887)  Clairvaux  Q  88)  s.  XII. 


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300  B.  Peiper: 

3.  Herculis  aerumnae enthalten  in  G  B  tt 

4 — 6.  Vir  bonus,  Est  et  Non,  Hesiodion  -          -  G  —  n 

7.  de  Achilla  (Epigr.  72)^")        .     .         -  -  G 

8.  Epigr.  9 -          -—  G  — 


Mosella. 

Betrachten  wir  zunähst  die  Mosella,  so  ist  unzweifelhaft  der 
besfe,  wenn  auch  von  Fehlem  nicht  ganz  freie  Text  der  des  S.  Gal- 
lensis.  Die  Exemplare  in  Brüssel  und  Beichenau  (jetzt  in  Zürich, 
=>  B)  ^^^)  können  aus  diesem  selbst  nicht  geflossen  sein,  da  sie  hier 
und  da  (freilich  selten  genug)  Bichtigeres  bieten,  was  man  nicht 
auf  Conjectur  zurückführen  darf,  z.  B.  372  cumque  G  quenque  BB. 
Sie  sind  also  aus  dem  Archetypus,  jedoch  nicht  direct,  geflossen.  Ein 
und  derselben  Abschrift  jenes  Archetypus  aber  entstammen  beide,  denn 
sie  stimmen  häufig  gegen  G  in  Lesarten  überein,  die  nicht  als  bessere 
zu  bezeichnen  sind,  z.  B.  281  conuerrere  G  conuertere  BB  378  Da 
ueniam  da  G  Da  ueniam  mihi  BB  306  uolumine  G  uolumina  BB 
359  belgis  G  gelbis  BB  415  Detexatur  G  Detestatur  BB  452 
munera  G  tempora  BB.  Vgl.  femer:  18  nitentis  G  nitentes  B*BV 
35  properare  G  reparare  BB  preparare  V  50  dispectis  G  despectis 
BB  despectus  V  60  profundi  G  fluenti  BBV  93  melioris  G  maio- 
ris  BBV  (131  flumineis  O  flumineas  BBV)  149  additus  G  ad- 
ditur  BB?V  178  aureus  G  igneus  BBV  417  in  undas  G  in  un- 
dis  BB.  Ihre  Texte  haben  sich  aber  getrennt,  indem  sie  entweder 
offenbar  Fehler  des  Archetypus^  die  G  hier  und  da  conservirt  hat, 
auf  verschiedene  Weise  zu  berichtigen  suchen  — :  so  liest  G  V.  312 
quadra  cui;  dafür  findet  sich  statt  der  einfachen  Correctur  quadrata 
cui,  die  alle  Schwierigkeiten  hebt  (cui  quadrata  ist  durchaus  un* 
nöthig)  in  B  quadr§  cui,  in  B  quadro  cui  —  oder  indem  der  über- 
lieferte Text  durch  den  einen  oder  andern  verändert  wird,  z.B.  331, 
wo  das  von  G^  und  B  ausgelassene  eet  von  B  zugesetzt  wird  (die 
Zusetzung  von  G^  kann  aus  demselben  Gmnde  wie  in  B  erfolgt 
sein).  294  palsu  GB  plausu  B  261  quique  GB  (anstatt  des  von 
Avantius  1507  gefundenen  Cuique)  qufque  B.  Ein  Theil  dieser 
Fehler  mag  auf  Bechnung  der  vorhandenen  Exemplare  B  und  B, 
nicht  ihrer  Vorlage  kommen;  denn  als  Söhne  jener  Abschrift  aus 
dem  Archetypus,  aus  der  ihre  Texte  geflossen  sind,  dürfen  wir  sie 


^^')  Das  Epigramm  -72  ist  offenbar  aus  S.  Gall.  899  —  oder  seiner 
Vorlage  —  nach  8.  Gall.  897  s.  IX  med.  übertragen  worden;  es  findet 
sich  auch  sonst  vereinzelt,  z.  B.  im  Laorentianus  XXXIII  c.  31  (Bandini 
II  126,  XXII),  irre  ich  nicht  auch  LXXXIX  c.  25  s,  XIII  (Band.  III  460 
n.  IX) ^  deren  Lesarten  ich  nicht  kenne;  ea  wäre  wünsohenswerth ,  so 
wissen,  ob  diese  Texte  aus  V  oder  Z  entlehnt  sind.  —  "*)  Universit&ta- 
Bibliothek  n.  LXII  s.  XII.  Eine  neue  Vergleichung  verdanke  ich  Herrn 
Prof.  Dr.  BlOmner. 


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Die  handscbriftl.  üeberlieferang  des  Aasonius.  301 

nicht  ansehen.  Besonders  B  strotzt  so  von  Fehlem,  dass  er  fast 
allen  Werthes  baar  ist:  dieselben  sind  offenbar  zum  grössten  Theil 
Schuld  des  Schreibers. 

Indessen  werden  wir  vor  üeberschätzung  der  Si  Galler  Hds., 
vor  Unterschätzung  der  beiden  anderen  Hdss.  gewarnt  durch  das 
unbedeutende  und  fehlerhafte  Fragment  im  Vaticanus  Beg.  1650 
(einst  S.  Eemigii)  s.  IX  f.  38^  bis  f.  40.  med.,  welches  V.  1—180 
gibt."») 

Denn  dies  stammt  aus  einer  'dem  8.  Gallensis  nahestehenden 
Quelle:  4  sinopes  OY  53  umentia  GY  72  assintulant  G^  Adsi- 
mulant  Y  79  que  (et  fehlt)  GY  119  secmentis  GY  144  adlan- 
tiaco  GY     144  baUena  GY. 

Die  Entstehung  mancher  Abweichungen  in  BB  erklärt  sich  aus 

Ist  es  Zufall,  dass  er  134  Prospexi  mit  B  gibt  und  175  furate, 
wo  B  furatae,  statt  farata  e? 

Aus  G  abgeschrieben  ist  er  nicht  (schon  das  Alter  schliesst 
diese  Annahme  aus):  17  non  inuidat  Y  noniuidet  G  52  luxoriatur 
Y  luxuriae  G. 

Noch  mehr  beweisen  dies  die  zahlreichen  Stellen,  in  denen  er 
sich  gegen  G  mit  BB  verbündet:  es  ist  das  an  allen  den  oben  an- 
geftthrten,  soweit  sie  in  Y  enthalten  sind,  der  Fall.  Alle  diese  Ya- 
rianten  gehen  also  auf  ein  mit  G  sehr  nahe  verwandtes  Exemplar 
zurück,  und  es  wird,  da  G  selbst  voraussetzlich  manchen  singularen  Irr- 
thum  enthalten  wird  und  nachweislich  hier  und  da  geirrt  hat,  wie 
wir  gesehen,  sich  denn  doch  fragen,  ob  z.  B.  v.  60  profundi,  v.  93 
melioris,  v.  178  aureus  u.  a.  als  echte  Lesarten  des  Ausonius  be- 
trachtet werden  müssen  dem  gemeinsamen  Widerspruch  von  YBB 
gegenüber,  die  doch  wohl  aus  verschiedenen  Quellen  geschöpft 
haben. 

Welcher  von  diesen  beiden  Klassen  die  Hds.  des  Ermenricus 
angeh^e,  ist  nicht  zu  erkennen:  dass  sie  mit  B  nicht  stimmt  (die- 
ser gibt  436  amne,  225  Atque,  wo  Ermenricus  mit  GB  amni  und 
ütque  liest)  würde  noch  nichts  besagen,  da  jene  Lesarten  dem  Li- 
brarius  dieser  Hds.  zugeschrieben  werden  müssen;  dass  er  202 
horas  wie  BB  liest,  während  G  oras  gibt,  ist  für  den  Anschluss  an 
die  Yorlage  dieser  Hds.  noch  kein  triftiger  Grund.  Für  den  Text 
der  Moseila  selbst  ist  selbstverständlich  die  Sache  gleichgültig. 

Der  Text  des  ügoletus  schliesst  sich  eng  an  B  an,  wie  schon 


^^')  Die  Hds.  ist  sehr  nachlässig  geachrieben:  zwei  ganze  Yerse  sind 
weggelassen  (86  und  166),  die  Wortverbinduiig  fehlerhaft  und  dadurch 
zaMreiche  und  schlimme  Fehler  erzeugt,  z.  B.  172 :  Gapede  sagittat  cum 
laeta  proptemia  panas.    Mitten  auf  S.  40  bricht  die  Mosella  ab. 


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302  R.  Peiper: 

früher  gesagt  worden  ist.  Das  ergibt  sich  auch  aus  den  Eigenthttm- 
lichkeiten  beider  im  Symmachus-Briefe,  wo  beispielsweise  Z.  7, 
8  (ed.  Bipont  p.  336)  die  Worte  Unde  —  credidisti  in  beiden  fehlen. 


Caesares. 

Gehen  wir  weiter  zu  den  Caesares.  Von  diesen  findet  tich 
I.  Monosticha  und  Tetrasticha  yollstftndig:  l)  im  Vossianus  V, 
2)  im  Bruxellensis  B  und  ed.  Vgoleti  (welche,  wie  früher  gezeigt, 
auf  einer  verwandten  Hds.  beruht),  3)  im  Puteanus,  hier  s»  ol^^ 
Die  Monosticha  yollst&ndig,  von  den  Tetrasticha  nur  ein  TJbeil  in 
Ed.  princeps  und  Tilianus  (zu  deren  Sippe  die  Ezcerpte  in  Paris. 
18275  B=  P  gehören).  2  und  3  gründen  sich  auf  einen  durch  Aus- 
lassungen entstellten  Yossianustext,  der  sich  scharf  von  der  Sippe 
des  Tilianus  sondert. 

Ganz  charakteristich  ist: 
Tetrast  Xu:  Nerua  tetrarcha  YBa. 

XXII:  Bassianus  antonius  sine  caracaUa  Ya  Ugol.  (B 

lässt  hier  siue  caracalla  weg,  aber  ügolet  hat  es  und  das 

beweist,  dass  es  nicht  dieser  Klasse,  sondern  nur  dem  em- 

zelnen  Exemplare  fremd  ist). 

Tetrast.  XX,  1  sceptris  Y  sceleris  B  celeris  XJgoL  a  —  spoliis  T. 

Monost.  n   Monosticha  de  ordine  imperiorum  a  mit  Y  (B  om.) 

Monostica  de  ordine  imperatorum  TGP. 
Monost.  III  de  aetate  imperii  eorum  YBa     de  aetate  imperato- 
rum in  imperiis  TG. 
und  zwar  stellt  sich  a  dar  als  eine  weitergehende  Yerschlech- 
terung  des  Textes  von  B.    Ygl.  ausser  dem  eben  angeführten  Bei- 
spiele Tetr.  Y,  3 :  die  Worte  et  crimma  passus,  welche  Yoss.  bietet, 
sind  in  B  ausgefallen,  a  ergänzt  flottweg:  certa  potestas. 
Tetr.  YI,  4:   set  Y  et  BUgol.  me  a 

Den  Zusammenhang  aller  bekannten  Texte  mit  der  Yossianus- 
Familie  bekundet  deutlich  genug  die  allen  mit  Y  gemeinsame  Aus- 
lassung der  beiden  letzten  Yei'se,  für  die  Y  wenigstens  den  nöthigen 
Baum  ausspart.  lieber  die  Yossianus-Becension  hinaus  weist  uns 
nichts,  üeber  den  Ursprung  der  Z-Recension  ist  bereits  oben  ge- 
sprochen worden.  Wir  müssen  hier  noch  der  in  den  Hdss.  des 
Suetonius  erhaltenen  Monosticha  gedenken.    Mir  liegen  vor: 


^^^  Mit  Ba  stimmt  in  den  Monosticha,  die  er  allein  hat,  überein 
B  s»  Parisinus  9847  s.  IX;  yon  einem,  wie  es  scheint,  mit  diesem 
darchaas  verwandten  'Petauianus  in  quo  catalecta  Yirgilii'  sind  in 
HeinsiuB  Handexemplar  zu  den  Monosticha  die  Lesarten  notirt;  das  wird 
PsEris.  7927  s.  X  sem  (vgl.  Näke  Catonis  Dirae  p.  844). 


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Die  handschriftl.  üeberliefenmg  des  Ausonias.  303 

A  Suetonii  ed.  Bomana  a.  1470,  von  Sweinheiin  und  Pannartz 
gedruckt,  mit  einem  Briefe  des  Joannes  Episcopns  Aleriensis. 
Dieser  nebst  den  Monosticha  ist  abgedruckt  in  dem  Werke: 
A.  M.  Card.  Q'uirini  de  optimorum  scriptorum  edd.  .  .  .  reo. 
Schelhoni;  Lindaugiae  1761  p.  192—194. 
D    Bemensis  285  s.  XU  (eine  Yergleicbung  von  Bongarsius  Hand 

in  der  ed.  Gryphii  1575  in  Bern). 
E  Bemensis  104  s.  XIV  (eine  Abscbrift  des  P.  Daniel  im  Cod. 
Bemensis  189  n.  48). 
Das  scheinbar  geringe  Material  ist  ausreichend,  um  Einsicht 
in  die  Sachlage  zu  gewinnen.  Hinter  Sueton,  wie  in  E,  finden  sich 
die  Yerse  in  zahlreichen  Hdss.  des  15.  Jahrhunderts  zu  Paris,  Wien 
u.  8.  w.,  z.  B.  Vindobon.  264  und  266,  EndL  s.  XY  in  einem  von 
Heinsius  verglichenen  Membranaceus  (der  in  den  Hauptpunkten  mit 
£  stimmt);  im  British  Museum  Addit.  Ms.  12009  f.  157^  Im  Lauren- 
tianus  XLY  26  membr.  s.  Xn  (Bandini  11 363 II)  stehen  sie  wie  in  D 
(dessen  Lesarten  jener  theilt,  wie  aus  gewissen  Angaben  zu  schliessen 
ist)  unter  den  Werken  des  Sidoniu  s.  Geradezu  unter  dem  Namen  des 
Sidonius  stehen  sie  —  in  Folge  davon  —  im  Paris.  6116  s.  XII  (Roths 
praef.  p.  XXYII),  im  Laurentianus  LXIY,  9  s.  XIV  (zu  den  Caesa- 
res  ist  hier  bemerkt:  Isti  uersus  aL  leguntur  Decimi  Magni  Ausonii 
Musellae:  das  ist  ein  Hinweis  auf  die  Yerazzanu8*Hds.) ,  und  wie  es 
scheint  auch  im  Laurent.  LXXXIX  inf.  8. 

Beide  Texte  stimmen  im  Ganzen  ttberein  in  ihren  Abweichungen 
von  YaBT*®^),  abhängig  sind  sie  von  Ba^®*);  der  Text  der  Sueton- 
Hdss.,  wie  der  Zeit  nach  so  auch  innerlich  verschieden  von  dem  der 
Sidonius-Hdss.,  ist  eine  Weiterbildung  jenes  schon  so  stark  inter- 
polirten  Textes.  Yiele  Lesarten  dieser  schlechtesten  Klasse  verun- 
stalten heute  noch  unsere  gangbaren  Ausgaben.*^) 


***)  Der  Sidopius-  wie  Suetonius-Text  abweichend  von  YBaT: 
Monost.  U  4  Caeaar  alle  Hdss.;  aber:  Gaias  DE  Caius  A  III  Titel: 
De  aetate  imperii  eorum  YBa  De  aetate  imperatomm  in  imperiis 
T]  De  longitudine  regni  eorum  D  E  Caesarum  tempora  A  5  •  ebdoma- 
dam]  ebdomadem  D  ebdomade  E  Hebdoadem  A  7  famose]  formose  DE  A 
8  neaciet  (auch  Y?)]  nesciit  DEA  (uestiit  D)  nesciat  a  10  decadam 
YBaT  etc.]  decadem  DEA  lY  titolus:  De  obitu  singulorom]  De  fi- 
nibua  eorum  DE  Ordnung  der  Yeree  in  DAE  abweichend:  4  2  3  5 
(v.  1  fehlt  wie  in  Ba)  4  Expetiit]  Exegit,  was  heute  noch  in  den  Texten 
steht,  nur  DEA  4  Chaerea]  curia  DEA  (and  G  hat  es  übernommen! 
wie  er  auch  in  III  8  nesciit  daher  genommen  zu  haben  scheint)  12  pia- 
cula]  pericola  DAE?  (so  hatte  sich  Bchon  P  verschrieben,  aber  sogleich 
corrigirt).  —  "•)  ÜI  11  fehlt  RaB  DAE  lY  1  fehlt  BaB  DAE  lY  7 
othone  IlaB  DAE  lY  8  potitur  RaB  DAE.  —  ^^')  EA  inteipoliren 
weiter  auf  Qrund  von  D.  Monost.  II  8  infamis  aeuo  auch  D,  infEunis 
aeui  EA  m  9  der  Yers  fehlt  noch  in  D,  er  ist  erst  eingeschwärst  in 
EA  und  bisher  als  Ausonisch  festgehalten  worden  UI  11  fehlt  in  D 
(wie  auch  in  Ba),  an  seiner  Stelle  ist  in  EA  ein  neuer  Yers  eingesetzt: 


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304  R.  Peiper: 

Da  wir  nun  auch  in  Slteren  Sueton-HdB8.  diese  Verse  nicht  an- 
treffen, ist  es  wohl  wahrscheinlich,  dass  sie  erst  im  14.  Jahrh. 
aus  einer  solchen  Sidonins-Hds.  (in  die  sie  ans  mit  dem  Pnteanus  ver- 
wandten Exerpten  übertragen  worden)  dahin  verpflanzt  und  gleich- 
zeitig die  Interpolation  vollendet  wurde. 

Der  Name  des  Ausonius  fehlt  in  DE,  vorhanden  ist  er  in  A^ 
wenigstens  den  Worten  des  Bischofs  von  Ateria  nach:  Haec  hahni 
quae  sununatim  de  Suetonio  refen'em,  postea  uigum  est  uersas  quos- 
dam  Ausonii  poetae  in  ipsius  commendaüonem  adscribere,  ütulosque 
ipsis  uersibus  per  partes  inserere  (das . Letztere  ist  mir,  dem  die 
Ausgabe  selbst  nicht  vorliegt,  unverständlich;  aus  Audiffredi  Bomanae 
edd.  s.  XY  p.  64  ergiebt  sich  auch  nichts)  und  in  der  oben  ge- 
nannten Sueton-Hds.  des  British  Mus.  heisst  es:  ^Expliciunt 
Versus  Ausonii'  und  vorher:  ^Versus  Ausonii  de  Xu  Caesaribus'. 

Im  Bemensis  104  »=  E  folgt  durch  die  ersten  beiden  Verse 
der  Tetrasticha  (Nunc  et  praedictos)  angeknüpft  ein  Auszug  aus 
Sextus  Aurelius  Victor.    Das  kann  vielleicht  auf  die  Quelle  hinleiten. 

Wie  hat  sich  einzelnes  aus  diesem  Text  der  Monosticha  nun  in 
die  Ausgaben  eindrängen  können? 

Es  ist  das  die  Schuld  des  ügoletus,  der  hier  seinen  B-Text 
contaminirte  mit  dem  der  ed.  princeps  und  dem  Sueton-Texte,  den 
er  einer  der  ersten  Sueton-Ausgaben  entnahm.^^) 

Aus  B  z.  B.  stammt  es,  wenn  er  U  3  regnat,  was  in  B^  fehlt, 
weglässt  Aus  der  Familie  Z  nimmt  er  die  Verse  in  11  und  IV  1, 
wie  die  Titel  von  I  und  II. 

Aus  der  Suetonrecension  den  Vers  III  9,  femer  III  7  die  Les- 
art: lasciue  et  formose  und  IV  6  proprio  se  perculit  ense. 

In  den  Testraetiofaa  wahrt  er  seinen  B-  Text^  und  dieser  ist  oft 


OstenBus  terria  Titas  est  brenitate  perenni.  Damit  nicht  zufrieden,  fOgt 
E  einen  zweiten  zu:  Heu  tite  monstrauit  terris  te  uita  biennis. 
rV  zwischen  v.  4  und  6  wird  in  EA  ein  neuer  Yen  eingeschoben,  der 
noch  in  D  fehlt:  Terdecies  periit  repetito  uulnere  gaius.  IV  6  pro- 
prii  nim  peitulit  ensis]  propriorum  protulit  enses  D  proprio  se  perculit 
ense  EA.  —  ^^*)  Es  standen  ihm  jedenfalls  andere  eher  su  Gebote  aU 
die  jedenfalls  seltene  des  Bischofs  von  Aleria  (man  vergleiche  dessen  Brief 
an  den  Pabst,  in  welchem  das  Verzeichniss  der  Druckwerke  von  Sweyn- 
heym  und  Pannartz  befindlich):  die  römische  Ausgabe  des  J.  A.  Oampa- 
nu8  von  demselben  Jahre  kennt  jene  Verse  nicht,  dagegen  die  Jenso- 
niana  Venetiis  1471,  welche  nach  Schweiger  Versus  Ausonii  in  libro« 
Suetonii  auf  f.  1^  gibt,  und  mit  den  Versen  des  Ausonius  auf  f.  162^ 
Bohliesst;  die  letzteren  könnten  schon  die  Tetrasticha  sein,  da  die  ed. 
Ferrariensis  des  folgenden  Jahres  ebenso  f.  1^  Ausonius  versus  und  am 
Ende  nach  bestimmter  Angabe  ^Tetrastica  de  Gesaribus  post  Tranquillam' 
gibt.  Ob  sämmtUche?  ob  nur  die  der  Aussähe  des  BartholonLaeus  Girar- 
dinuB?  Die  Ausgabe  s.  1.  1480  hat  f.  1*  Ausonii  uersus;  ob  die  Tetra- 
sticha am  8chlnss  ?  Die  Bononiensis  1488  scheint  schon  die  Ausgabe  der 
Gedichte  zu  kennen,  da  f.  1^  der  Titel  lautet:  Ausonius  Hesperio  F^io 
•salutem:  In  libros  Suetonii. 


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Die  handflchrift.  üeberlieferang  des  AuBonius.  305 

besser  als  der  des  Brüsseler  Exemplars  (man  muss  von  den  zahl- 
losen und  entsetzlichen  Schreibfehlem,  sowie  den  Druckfehlern,  die 
nicht  blos  dem  Nachdruck  von  1501  zur  Last  fallen,  absehen).  Die 
Lesart  des  Archetypus  von  B  wird  sich  durch  Vergleichung  von 
Ugoletus  Text  öfters  ermitteln  lassen. 


Monosticha  de  Herculis  aerumnis. 

In  den  Monosticha  de  aerumnis  Hercnlis  finden  wir  dieüeber- 
einstimmung  zwischen  V  und  GBtt  nur  in  kleineren  Dingen,  wie 
Orthographicis  gestört  Li  y.  11  gibt  V  das  richtige  destricta,  die 
anderen  6 Bit  districta,  das  wird  die  bedeutendste  Abweichung  sein 
und  es  mag  noch  fraglich  erscheinen,  ob  sie  ursprünglich  vorhanden 
war,  da  ein  yon  dieser  Klasse  GBir  abhängiges  Exemplar  (der  Ger- 

manensis,  von  dem  weiter  unten  gesprochen  wird)  destracta  hat  Er- 
wähnt muss  werden,  dass  auch  die  Z-Hdss.  diese  Monosticha  bieten. 
Der  Tilianus  selbst  gibt  einige  meistens  fehlerhafte  Abweichungen: 
1  leonis]  laboris  5  discrimine]  certamine  6  threicium]  threitio  7 
augeis]  augei.  Diese  theilt  die  ed.  princeps,  mit  Ausnahme  des  rich- 
tigen augei,  nicht,  jedenfalls  weil  dem  Girardinus  ausser  der  Hand- 
schrift G  hierfür  noch  andere  Quellen  zu  Gebote  standen.  Denn  durch 
Coi^ectur  bedürfte  höchstens  das  dritte  einer  Aenderung,  die  übrigen 
Punkte  forderten  an  sich  nicht  dazu  auf.  Jenes  threitio  wird  auch  nur 
dem  Einzelexemplare  der  Familie  zur  Last  fallen ;  laboris  aber  geben 
schon  die  älteren  Exerpte  (Paris.  18275),  so  gut  wie  augei  (nur  ent- 
stellt: ageis  tabur)  und  wahrscheinlich  auch  certamine.  —  Das  Gedicht- 
chen ist  weit  yerbreitet  in  älteren  und  jüngeren  Sammel-Hdss.,  z.  B. 
Bern  250  f.  11^  s.  X;  der  Familie  Z  aber  ist  es  nirgend  entlehnt;  es 
ist,  da  wir  eine  directe  Entlehnung  aus  V  nirgend  annehmen  dürfen, 
auf  GBiT  zurückleiten,  und  dafür  spricht  auch,  dass  es  in  derLischrif- 
tensammlung  des  Walahfrid  (cod.  Einsidlensis  n.  326  s.  IX)  stehi^^) 


Vir  bonus,  Est  et  Non. 

Die  Hdss.,  welche  ausser  Verbindung  mit  den  übrigen  Werken 
des  Ausonius  den  Vir  bonus  und  Est  et  Non  enthalten,  sondern 
sich  scharf  in  zwei  Klassen;  der  Führer  der  einen,  sich  eng  an 
Vossianus  anlehnenden  Klasse,  ist  unser  S.  Gallensis  (G). 

Dieser  Klasse  gegenüber  tritt  das  Juuenalis  ludi  libellus  (a) 
in  seinen  Hauptyertretem  Augustanus,  Bembinus,  Thuaneus  und 
Petauianus.^^) 


^")  Mommsen  Bh.  M.  1854  IX  299.  —  >^^  Siehe  meine  Bemerkungen 
zur  Appendix  Vergiliana  an:  Q.  Valerius  CatuÜus  Beiträge  z.  Kritik  seiner 
Gedichte,  Breslau  1875  s.  63  fP. 

Jfthrb.  f.  cUm.  Phil.  Suppl.   Bd.  XI.  Digiti^Öby  C^OOQIc 


306  B.  Peiper: 

Man  vergleiche  in  Vir  bonuB  folgende  Stellen: 

GV  a 

6  labis  l^lanis  V)  labiis 

6  sidat  fidat 

7  quam  qaem 
21  qnod  quid 

21  foret  (feret  V)  fhret 

8  capricorno  capricomu 
10  protuberet  protorberet 

12  subter  snbtos 

14  declinaDS  declinat  is 

13  ist  yorhanden  fehlt 

22  perstrictos  perstrictis 

Der  AugustanuB  allein  geht  an  einigen  dieser  Stellen,  den  ersten 
fünf,  mit  VG;  darüber  weiter  unten. 

Ans  G  selbst  ist  von  den  bekannten  Hdss.  keine  einzige  ab- 
geleitet; es  würde  sonst  doch  wohl  eine  sich  näher  an  Y  anschliessen 
oder  die  Fehler  von  G,  von  denen  er  natürlich  nicht  frei  ist,  theüen: 
z.  B.  12  qnocnmque  und  ianua  16  quod  gestum  18  fehlt  nur  in  G 
19  quid.  Auch  gewisse  Vorzüge  theilt  keine  Hds.  mit  ihm  (wenn 
wir  absehen  vom  Augustanus);  v.  26  gibt  G  ganz  allein  dat,  wo 
selbst  V  det  liest  An  eine  Herleitung  der  Hds.  G  aus  V  selbst  ist 
nicht  zu  denken,  aber  ihre  Voreltern  waren  eng  verwandt:  Die  obige 
Annahme,  dass  schon  G  aus  einer  Excerpten-Hds.  geflossen,  findet 
nun  neue  Bestätigung  durch  die  enge  Verwandtschaft,  die  zwischen 
ihm  und  den  Excerpten  im  Puteanus  erkennbar  ist.  In  den  oben  ange- 
geftthrten  12  Stellen  weicht  er  nur  v.  21,  wo  auch  er  quid  gibt,  von 
VG  ab.  Vereinsamt  steht  er  da  mit  gewissen  fehlerhaften  Lesarten 
(in  V.  2  scheint  er  multis  zu  geben,  was  Aldus  liest,  6  per  deuia,  10 
aequus  11  amissis  15  reputarit  17  fehlt  22  non  (mit  Petav.  und 
Helmstad.)  25  ad  uesperum),  die  obengenannten  Fehler  von  G  theilt 
er  nicht,  v.  26  gibt  er  mit  V  und  den  Hauptvertretern  der  zweiten 
Klasse  det.  Aus  V  selbst  ist  der  Puteanus  nicht  geflossen,  selbst 
wenn  man  auf  die  orthographischen  Verschiedenheiten  kein  Gewicht 
legen  wollte.  Wie  im  Titel  des  Vir  bonus,  so  ist  auch  im  Titel 
von  Est  et  Non  ein  Zusammengehen  zwischen  Gir  gegen  V  zu 
bemerken: 

De  uiro  bono  pytagorice  atioacic     V  (es  ist  auch  hier  diröq)acic 
wie  IdjlL  XV  zu  lesen,  s.  oben  S  277.) 

De  institutione  uiri  boni  Gtt 

NaY.  KAY  OY  PITAGORICON      V 

Incipit  de  pythagoricis  difOnitionibus  naikeoY  GiT  (pitagoricis  ir 
Tay  KH  wj  ir) 
In  diesem  zweiten  Gedicht  nun  bleibt  das  Verhältniss  von  G 
zu  V  dasselbe^^^,  und  wenig  anders  das  von  ir  zu  G^  nur  dass  tt  in 


**^)  Vgl.  V.  19  fulgeribuB  VG  (gut)  falgoribos  air. 

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I 

Die  handschriiFt].  üeberlieferang  des  AuBonius.  307 

Kleinigkeiten  hier  einigemal  mit  a  gebt,  z.  B.  lässt  er  v.  21  gegen 
GV  mit  a  das  est  weg,  v.  9  liest  er  Sin  mit  a.  Das  erklärt  sich 
ans  dem  spftter  zu  Sagenden.  In  diesem  Stücke  gewinnt  die  Klasse  V  0  ir 
eine  Anzahl  asseclae,  die  freilich  im  kritischen  Apparat  zu  fignriren 
keine  Berechtigung  fernerhin  haben.    Das  sind: 

Voss.  Q  86  nebst  seinem  Vetter  Paris.  13026  (S.  Germanensis), 

beide  8.  IX^««), 
Darlacensis  36  s.  IX,  gleichfalls  mit  seinem  Vetter  Voss.  Q  33 
s.  X  (»=  Cod.  Beginae).^») 

Dass  das  zweite  Paar  auf  einem,  mit  dem  ersten  Paar  engver- 
wandten Texte  beruht,  der  weiter  durch  Interpolationen  entstellt 
wurde,  ist  ersichtlich.*^^) 

Wir  hüten  uns  bei  dem  unzulänglichen  Material  über  die  Ab- 
stammung der  Hdss.  zu  weit  gehende  Schlüsse  zu  ziehen.  Die 
Zwischenglieder  sind  uns  ja  nicht  zur  Hand.  Wenn  wir  v.  7  An- 
schluss  dieser  beiden  Hdss.-Paare  an  Vossianus  finden  (faciüs  und 
difficilis,  nata),  hingegen  a  und  ir  ebenda  übereinstimmend  mit  G 
(&cile8  und  difficiles,  nancta  G,  nacta  air),  wenn  dieselben  v.  9  In 
mit  V  lesen,  Sin  ira,  was  eher  auf  G,  welcher  Si  gibt,  zu  deuten 
scheint,  so  dürfte  das  z.  B.  zu  dem  Schlüsse,  die  Quelle  für  an  sei 
näher  mit  G,  die  Quelle  von  jenen  vier  Hdss.  näher  mit  dem  Vossianus 
verwandt,  nicht  zureichend  sein. 

Als  sicher  werden  wir  nnr  amiehmen  dürfen,  dass  ihre  Herkunft 
auf  einer  Hds.  der  Familie  GV  beruht.  In  gleicher  Weise  werden 
wir  aber  auch  den  Urahnen  der  Familie  o,  die  sich  nach  ihrer  Auf- 
nahme ins  luyenaUs  ludi  libellus  selbständig  weiter  entwickelt  hat, 
auf  ein  zu  GV  gehöriges  Glied  zurückführen  dürfen:  und,  wenn  hier 
und  da  eine  Verwandtschaft  des  Puteanus  mit  a  durchzuleuchten 
schien,  so  werden  wir  jetzt  umgekehrt  a  aus  einem  Vorfahren 
dieser  Hds.  hergeleitet  erklären  dürfen.^^^) 

Dass  die  Familie  a  nicht  gleich  Anfangs  bei  ihrer  Aufnahme 
in  das  luyenalis  ludi  libellus  den  festen  Text,  welchen  wir  aus 
Bembinus,  Thuaneus,  Petavianus  u.  a.  kennen,  gehabt,  sondern  den- 
selben erst  im  Lauf  der  Zeit  gewonnen  hat,  seheiat  der  Augustanus 
zu  beweisen,  der  zu  öfterem  im  Vir  bonus  von  a  zu  VGn  abgefallen 


^^  VgL  ▼.  10  foro  für  fora,  t.  8  interuenit  est  mit  Auslassung  des 
zweiten  est  —  ^^)  Sie  stimmen  z.  B.  fiberein  v.  3  in  der  Aoslassmig 
von  et,  y.  6  studüs  studiere»  fär  st.  ut  mores ,  23  commemorantar  für 
commeditantes,  11  teatro  für  theatri,  8  iutemeniens  est  statt  interuenit 
est  est,  6  seorsnm  statt  seorsis.  Im  Duxlacensis  steht  das  Gedicht  hinter 
Prisciani  periegesis  und  darum  wird  es  im  cod.  Reginae  sofort  dem 
Priscian  selbst  zugeschrieben.  —  **^)  V.  23  commeditantes]  Germanensis 
hai  come..,  daraus  macht  Voss.  Q  86  comine,  Dnrl.  und  cod.  ßeginae 
verändern  das  unsinnig  weiter  in  conmiemoxantnr.  —  ^'')  Schon  die  Be- 
zeichnung des  Vir  bonus  als  Egloga  in  der  Snbscxiptio  von  ir,  welche 
weder  in  G  noch  V  vorkommt,  sich  aber  in  a  findet,  scheint  d^uf  zu 
deuten. 


bdby 


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308  R.  Peiper: 

scheint:  z.  B.  in  den  ersten  fünf  Stellen  des  obigen  YerzeichmBses. 
So  wie  er  es  auch  ist,  der  in  den  Bosae  eine  Anzahl  besserer  Les- 
arten bietet  als  die  übrigen  Hdss.;  z«  B.  y.  6  hat  er  allein  uegetare, 
V.  26  Ac  tenus  et  folio  —  vielleicht  für  Ac  tenui  folio?  —  Die 
Lücke,  welche  alle  filteren  Hdss.  am  Ende  von  v.  41  bieten  (florom 
est  ist  erst  jüngere  Interpolation),  füllt  er  idlein  durch  talis  aus  — 
die  Ribbeck' sehen  Hdss.  Yl  haben  mit  ihm  irgend  welchen  Zu- 
sammenhang —  Y.  45  bietet  er  wiederum  allein  das  richtige  rutilus, 
y.  5  hortis,  y.  9  teretes  patuHs,  was  nicht  zu  yerschmfthen  war,  so 
wenig  wie  y.  44  Cum  pubescenti . .  breuis  statt  quae  pubescentes  . . 
premit.  Wir  sehen  einen  Theil  der  jüngeren  Hdss.  seiner  Sippe 
folgen,  z.  B.  die  eben  genannten  Hdss.  Y  und  1  (ygl.  y.  41),  sowie 
den  Helmstadiensis  (ygl.  y.  5  und  9):  ein  Umstand,  der  den  Werth 
des  Bruzellensis  (s.  65  ff.  meiner  Beiträge  *zur  Appendix  Yergiliana) 
zu  erhöhen,  seine  Wiederauffindung  um  so  erfreulicher  zu  machen 
geeignet  ist 

Es  ist  klar,  dass  Niemand  daran  gedacht  haben  kann,  diese 
Gedichte  aus  einer  yollst&ndigen  Sammlung  der  Werke  des  Ausonius, 
wie  der  Yossianus  111  sie  bietet,  zu  übertragen  ins  luyenalis  ludi 
libellus;  sie  müssen  nothwendig  yereinzelt  und  namenlos,  wie  schon 
der  Name  Edoga  andeuten  mag,  in  einer  Anthologie  hinter  einem 
oder  dem  andern  Gedichte  des  Yergü  sich  gefunden  haben. 

Die  Zersplitterung  jener  ursprünglichen  Auswahl  aus  Auso- 
nius' Gedichten  ist  danach  schon  yor  der  Entstehung  des  lu- 
yenalis ludi  libellus  erfolgt. 

Hieronjmus  Aleander  ^^)  hat  nun,  aus  einer  yerhttltnissmSssig 
jungen  Hds.  dieses  libellus  auch  die  Bosae,  die  nur  in  dieser  Samm- 
lung überliefert  sind  ^^'),  unter  die  Werke  des  Ausonius  aufgenommen, 
die  inneren  Gründe  würden  genügen,  um  sie  auch  femer  an  ihrem 
Platze  zu  erhalten,  die  äusseren  scheinen  nicht  ausreichend.  Dass 
im  Yossianus  das  Gedicht  fehlt,  brauchte  bei  überwiegenden  inneren 
Gründen  nicht  als  entscheidendes  Hindemiss  angesehen  zu  werden: 
er  bietet  ja  offenbare  Lücken;  so  ist  u.  A.  der  Schluss  der  Caesarea 
in  ihm  ausgefallen,  so  der  Anfang  des  Planetengediohtes  hinter  den 
Hesiodion^^)  —  aber  dass  weder  G  noch  TT  es  kennen,  scheint  doch 
darauf  hinzudeuten,  dass  wie  in  ihnen  und  im  Yossianus,  so  auch 
im  Archetypus  yon  YGtt  Yir  bonus  Est  et  Non  Hesiodion  un- 
getrennt durch  die  Bosae  standen:  dann  hat  es  aber  nie  in  jenen 
Ezcerpten  gestanden,  auf  die  indirekt  a  zurückgeht,  und  wir  müssen 
die  Echtheit  bestreiten,  wenn  auch  Inhalt  und  Form  gegen  Ausonius 
als  Yerfasser  nicht  zeugen. 


*•*)  In  der  Ausoabe  von  1611.  Accnrsius  stimmt  ihm  bu.  —  '••)  Auch 
wo  sie  einzeln  erscheinen,  stammen  sie  doch  stets  aus  dieser  Quelle.  — 
1»«)  Dass  Gir  übereinstimmend  den  Schluss  des  Hesiodion  hinter  v.  10 
ansetzen,  ist  in  Yerbindung  mit  dem  abweichenden  Inhalt  der  folgenden 
Verse  ein  genügender  Beweis  far  jenen  von  Schenkl  vermutheten  Aus&U. 

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Die  handschriftl.  Ueberliefenmg  des  AoBoniiiB.  309 

HesiodioxL 

üeber  das  Hesiodion  können  wir  kurz  sein,  so  wichtig  es  für 
unsere  Frage  ist.  Die  Ueberschrift  lautet  in  Y :  De  aetatibus.  Hesiodion. 
Vollständiger  in  Gtt:  Explicit  egloga  supra  scripta,  incipit  de  aetati- 
bus animantium.  Hesiodion  (supra  om.  G  Hesidion  0  hHcyuJ^yuuA^, 
darüber  hesiodion  ir).  Eine  Hds.  von  Yalencienne  s.  IX  (auf  der 
eine  jüngere  daselbst  s.  XII  beruhen  wird)  geht  auf  Gir  zurück, 
wie  zunächst  die  ueberschrift,  Incipit  de  aetatibus  animantium 
hesiod  — ,  dann  wenigstens  eine  Lesart  bezeugt,  v.  10  secreta,  wo  V 
secreti  gibt 

Woher  stammt  nun  in  dem  Titel  dieses  Gedichtes,  wie  der 
früher  genannten,  das  Wort  Egloga?  Ist  es  aus  dem  Archetypus 
von  GttY  herübergenommen,  der  ein  Eclogarium  bietet?  ^^^)  Schwer- 
lich! denn  da  stehen  die  oben  genannten  Gedichte  in  einem  anderen 
Theile.    Es  findet  sich  jener  Titel  nur: 

1)  In  der  Subscriptio  des  Yir  bonus  in  tt  und  a  (AB PC); 

2)  In  dem  damit  verbundenen  Incipit  der  Bosae  in  a  (in  B 
scheint  es  zu  fehlen) ,  ebenso  in  dem  Explicit  der  Bosae 
in  a; 

3)  In  dem  Explicit  von  Est  et  non  Gir; 

4)  In  dem  Explicit  des  Hesiodion  G. 
Also  nur  in  Gira,  nicht  im  Yossianus. 

Wir  dürfen  dies  hier  mit  der  bisher  missachteten  Ueberschrift 
der  Mosella  in  G  und  B  verbinden: 

Incipiunt  excerpta  de  (ex  B)  opusculis  Decimi  Magni  Ausonii, 
um  nun  die  üeberzeugung  zu  gewinnen,  dass  Egloga  den  kleineren 
aus  Ausonius  ausgehobenen  Gedichten  in  der  Urhandschrift  dieser 
Excerpta  beigesetzt  wurde.   Bei  der  Nachlässigkeit  und  Inconsequenz 
der  Abschreiber  ist  es  bei  einigen  dann  verloren  gegangen. 


Monatsgedichte. 

Man  könnte  sich  versucht  fühlen,  aus  dieser  Excerpten- Samm- 
lung auch  die  Splitter  von  Ausonischen  Gedichten  herzuleiten,  die 
Sannazarius  ^ex  alio  oodice  bybliothecae  in  Araris  insula'  geschöpft 
hat    Es  sind  das: 

1.  Epigr.  75  In  Eunomum  medicum,  im  Yossianus  wie  auch  in 

der  Z-Familie  erhalten; 

2.  ecl.  XIY  (n.  382)  Principium  lani  «=  Anth.  lat.  Biese  640. 


'*")  So  wenigstens  scheint  man,  wie  früher  bemerkt,  die  Ueberschrift 
der  fSnften  Ecloge  im  Yossianus:  Incpt  eglogar,  de  nominib.  septe  dier, 
deuten  zu  müssen.  Noch  einmal  kommt  der  Titel  vor  Id.  XY:  Egloga 
de  ambigoitate  vitae  im  Ticinensis. 


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310  B.  Peiper: 

Diese  üeberlieferung  des  Epigramms  weicht  sehr  stark  von  Z, 
wenig  vom  Yossianus  ab,  aber  doch  genügt  sie  letzteren  nicht  als 
directe  Quelle  erkennen  zu  lassen,  der  Text  hat  offenbar  durch  wieder- 
holte Abschrift  gelitten:  v.  7  gibt  die  Hds.  qui,  der  Yossianus  nebst 
ed.  pr.  quia  (worauf  auch  das  qs  des  Tilianus  —  anstatt  q2  — 
deutet),  femer  y.  8  diese  Hds.  adcirem,  wo  Voss,  accirem,  die  Fa- 
milie Z  acciperem  liest.  In  der  Ecloge,  die  in  Z  fehlt,  zeigt  er  mit 
dem  Yalentianus  n.  330,  der  dadurch  an  Werth  gewinnt,  Ver- 
wandtschaft. 

Hier  eine  bestimmte  Entscheidung  treffen  zu  wollen,  wäre  sehr 
unvorsichtig,  zumal  zwei  noch  nicht  genügend  erörterte  ümstftnde 
auf  die  endgültige  Entscheidung  einwirken  müssen: 

1.  Die  Ecloge  (Anth.  6405  Principium  lani  —  wird  von  Beda 
de  temporum  ratione  c.  16  citirt  ('quidam  ueterum').  Ein  Vers  daraus 
findet  sich  in  den  biblischen  Glossen  des  Kölner  Codex  211  (Darm- 
stad.  2180)  s.  IX,  s.  Jaff&- Wattenbachs  Catalog  S.  160:  Mensisqui 
apud  grecos  dioscori  apud  latinos  uocatur  lunins.  Huic  ergo  mensi 
geminorum  signa  asscribnntnr.  Unde  poeta:  lunius  aequatas  (sie) 
caelo  uidet  ire  Laconas. 

Die  Verse  dieser  Ecloge  sind  femer  den  Bildern  der  pracht- 
vollsten Handschrift  von  Wandalberts  von  Prüm  Martjrologium 
(Vatican.  christin.  438  s.  X)  vorgesetzt  (E.  Dümmler  N.  Archiv  IV 
309).  Vereinzelt  scheint  das  Gedicht  auch  in  anderen  Hdss.  vorzu- 
kommen. Es  war  wohl  von  alter  Zeit  bekannt,  und  dass  es  sich  von 
Lyon  aus  verbreitet  hat^  dafür  kann  die  von  Sannazar  gesehene  Hds., 
in  die  es  nicht  direct  aus  Vbssianus  gekommen  sein  mag,  sprechen. 

2.  Dieselbe  Ecloge  steht  nebst  einem  anderen  Ausonianum  in 
einer  kleinen,  neuerdings  mehrfach  besprochenen  Sammlung^^)  von 
Monatsgedichten,  die  nach  Bährens'  Annahme  von  Beda  veranstaltet  ist 
und  folgende  Nummern  enthält:  1.  Ausonii  ecl.  IX  =  376  (Anth. 
lat.  639)  Primus  romanas  — ;  2.  u.  3.  Anth.  394  und  395;  4.  Frag- 
ment aus  Ciceros  Aratea  (Meyer  1028);  5.  Ausonii  ecl.  XV  =»  382 
(Anth.  lat.  640)  Principium  lani  — .  Die  wunderliche  Ueberschrift 
von  394  in  den  Hdss.: 

versus  de  numero  dierum  singulorum  mensium 

deutet  Bährens  auf  den  Ausfall  von  Auson.  ecl.  IX  =»  378  (Implent 
tricenas  — ),  dessen  Ueberschrift  im  Vossianus  lautet:  Quoteni  dies 
sint  mensuum  singulorum.  Dies  Gedicht  trifft  man  jedoch  ausser- 
halb des  Vossianus  nirgends  an.  Mit  mehr  Recht  erklärt  er  394  für 


'•«)  Biese  Rh.  M.  XXX  136.  Bährens  Bh.  M.  XXXI  96  ff.  Ueber 
den  cod.  Mos.  Brit.  16  B  XIX,  siehe  Zangemeister  S.  B.  der  Wiener  Ak. 
phil.-hist.  El.  84  (1877)  S.  614.  üeber  die  Hdss.  von  S.  Gallen  gibt 
Scherrers  Catalog,  selbst  mit  Hilfe  der  Indices  keine  ausreichende  Xunde; 
vgl.  z.  B.  die  Mittheilungen  E.  Dümmlers  an  der  oben  angeführten 
Stelle. 


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Die  handschriftl.  Ueberlieferang  des  Ansonins.  311 

zusammengesehweisst  ans  Fragmenten  zweier  Gedichte.  ^^^)  Einen  rich- 
tigeren Titel,  der  natürlich  nur  auf  den  ersten  Theil  des  Qedichts 
sich  beäeht,  bietet  Cod.  S.  Gallensis  250  s.  IX: 

Versus  de  honore  deorum  singulorumque  mensium. 

Dort  steht  das  Gedicht  mit  Anth.  680,  Versus  Bedae  presbiteri 
lind  Anth.  395.  Mit  Beda  hat  die  Sammlung  dieser  fünf  Gedichte 
(von  denen  394,  395  ihm  freilich  bekannt  sein  konnten)  ^^),  gar 
nichts  zu  thun.  Die  Hdss.  dieser  Sammlung  gehen  —  soviel  bis 
bis  jetzt  bekannt  —  über  das  neunte  Jahrhundert  nicht  zurück.  Man 
wird  eher  jfragen  dürfen,  ob  nicht  unsere  Sammlung  in  Connex  ge- 
standen zu  der  unter  den  Nummern  676  —  680  bei  Biese  heraus- 
gegebenen*^*), die  in  dem  römischen  Codex  des  Wandalbert  gleich- 
falls vorkommen,  und  ob  dieser  Gründer  beider  sein  könnte:  der 
Diaconas  Florus  von  Lyon,  dessen  reicher  Bibliothek  Wandalbert 
soviel  verdankte,  wie  er  in  der  Vorrede  selbst  bekennt*^),  könnte 
ihm  dazu  die  bisher  unbekannte  Ecloge  des  Ausonius  (Primus  ro- 
manas  — )  beigesteuert  haben.  Indessen  liegt  das  Material  auch  heute 
noch  in  solcher  Unvollständigkeit  vor,  dass  das  Aussprechen  einer 
so  vagen  Vermuthung  nur  bezwecken  kann,  die  Auünerksamkeit  auch 
nach  dieser  Seite  hin  zu  lenken.  Ein  Umstand  wird  bei  Erledigung 
der  Frage  nach  dem  Entstehungsorte  dieser  Sammlung  nicht  ohne 
Gewicht  sein:  die  einzige  Ecloge  des  Ausonius,  welche  in  die  Hdss. 
Z  übergegangen  ist  (ecl.  VIEL  =  375,  Aetemos  menses  — ),  fehlt  in 
der  besprochenen  Sammlung;  sie  könnte  nicht  fehlen,  wenn 
eine  alte  Hds.  dieser  Familie  Z  sich  in  dem  Vaterlande 
jener  Sammlung  befunden  hätte.  Stanmit  die  Sammlung  von 
Wandalbert,  bez.  Floi^us,  so  war  der  Archetypus  von  Z  schon  im  s. 
IX  ins  Ausland  gekommen;  und  h&tte  sich  im  Frankenreiche  eine 
Abschrift  von  ihm  erhalten,  so  würde  sicherlich  aus  ihr  die  Samm- 
hmg  im  Laufe  der  Zeit  um  dies  Gedicht  sich  bereichert  haben. 

Sonst  ist  mir  von  einzelnen  Gedichten  der  Vossianus- Familie, 
die  zersprengt  in  Miscellen-Hdss.  aufgefunden  werden,  nichts  bekannt 
geworden  aasser  drei  Diogenes -Epitaphien,  epit.  31,  epigr.  53  und 
54  (die  unter  den  Epitaphien  des  Vossianus  eine  Beihe,  28,  29,  30, 


^*^)  So  gewinnt  er  eine  Sammlung  von  7  Monatsgedichten.  —  ^*^) 
Dass  Ausomus  der  VerfiäBser  dieser  beiden  —  bez.  drei  —  Gedichte  sei, 
wie  Biese  muthmasst,  dürfte  sich  schwerlich  aasreichend  begründen  lassen. 
—  ^*^  Üeber  diese  s.  Scaliger  Lectiones  Ausonianae  II  c.  29:  die  Les- 
arten des  von  diesem  benutzten  Ctgacianos  führt  Biese  nach  Burmami 
mangelhaft  an.  Das  Gedicht'  676  ist  vor  Hieronymas  ver&sst.  In  dem 
Jahrhundert  zwischen  Hieronymns  nnd  Columbanus,  die  es  beide  kennen 
(der  letztere  verwebt  es  vollständig  ausser  v.  1,  den  er  durch  einen  an- 
dern einleitenden  Vers  ersetst,  in  sein  Gredicht  ad  Sethnm),  schmückt 
Dracontias  damit  seine  SatisfEbctio  (v.  4,  5,  6,  8,  12  »  Satisf.  247,  249, 
261,  269,  263),  von  v.  4  hat  er  die  erste  Hälfte  in  der  Medea  v.  182  und 
im  dritten  seiner  kleinen  Gedichte  v.  6  benutzt.  —  ^^)  d'Achery  Spicileg. 
ed.  Vetos  V  p.  386,  ed.  nova  II  p.  39. 


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312  B.  Peiper: 

bilden).  Sie  finden  sich  im  Cod.  des  britischen  Mas.  Reg.  15  B 
XIX,  s.  IX— X  f.  99'  (s.  E.  Bährens  Rh.  Mus.  XXXI  94,  Zange- 
meister S.  B.  der  Wiener  Akad.  1877  Bd.  84  S.  615).  Weiterhin 
folgt  f.  102^  Mentio  duodecim  uersuum  predpuanun  nirtntam  Her- 
culis.  siue  epyOA^yoM  (um  übergeschrieben)  ipsius.  Prima  cleomei 
etc.  Das  dritte  Epitaph  ist  ai'g  verstümmelt.  Statt  des  Croesus 
redet  Diogenes  den  Xerzes  an  —  eine  mittelalterliche  Umwandlang, 
wie  sie  auch  im  Carmen  Buranum  XI  S.  9  von  mir  nachgewiesen 
worden  ist  Rh.  Mus.  N.  F.  XXXlT  S.  521  —  die  zweite  Nennung 
desselben  Namens  in  v.  3  ist  getilgt: 
Nil,  inquid,  tibi  Croese  tuum  superat,  mici  cuncta,  gibt  Yossianus, 
Nil,  inquit,  curo  tua:  sat  superant  ndhi  cuncta,  die  britische  Hds.; 
ausserdem  ändert  die  Hds.  5  mendice  in  mendace,  6  si  in  sie.  Die 
Verse  3 — 6,  die  in  den  Ausgaben  noch  fehlen  (statt  ihrer  stehen  die 
unechten  Verse  des  ügoletus),  lauten: 

^Nil,  inquit,  tibi,  Croese,  tuum  superat;  mihi  cuncta; 

Nudus  eram:  sie  sum;  nil  habui:  hoc  habeo.' 
Rex  alt:  ^Haud  egui,  cum  tu  mendice  carebas 
Omnibus'.    *Et  careo,  si  modo  non  egeo.' 
Ich  lasse  dahin  gestellt,  ob  auch  sie  aus  unseren  Ezcerpten 
stammen,  worauf  die  Verbindung  mit  den  aerumnae  Herculis  führen 
könnte. 

Parisinus  8600. 

Eben  so  wenig  wie  in  den  Hdss.  Z  werden  wir  in  dieser  Hds. 
die  Arbeit  eines  Excerpten-Sammlers  suchen  dürfen.  Auch  die  Mit- 
theilungen dieser  Hds.  gehen  auf  Fragmente  eines  alten  Exemplars 
der  Opuscula  Ausoniana  zurück.  Und  auch  hier  sind  es,  wenn  wir 
die  Vertheilung  der  Stücke  auf  Quatemionen  im  Vossianus  zu  Grunde 
legen^^^),  naturgemSss  die  mittleren  Quatemionen,  die  am  besten  sich 
erhalten  und  die  meisten  Stücke  hergegeben  haben: 
.Q.      LI........ 

.Q.  n ,  .   .  15  16 

.Q.  m.  17  18  19  .   ,  21  22  23  24 

.Q.  im.  25  26  .  .   ,29  30  31  32 

.Q.  V.  33  34  35  35B,  .... 

üud  zwar  finden  sich  zwei  Mal  vollständige  Reihen  ohne  alle  Lücken 

aus  der  Mutterhandschrift  ausgehoben  1)  24^  bis  26^  Griphus  und 

'<^')  In  den  Schreibstuben  war  wan  behufs  der  Erleichterung  des  Ge- 
schäfts, der  Berechnung  des  nöthigen  Pergaments,  der  Vertheilung  an 
die  Scribae,  und  ihrer  Beaufsichtiguig  zu  mechanischem  Festhalten  der 
äussern  Anordnung  genOthigt.  Eine  Berechnung,  wie  wir  sie  anstellen, 
kann  also  nicht  völlig  trügen.  Die  Vul^rhdss.  des  Ausonius  und  die 
ersten  Drucke  stimmen  ebenso  sehr  aus  begreiflichen  Grfinden  in  der 
Vertheilung  Qherein. 


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Die  bandschriftl.  üeberliefeniug  des  Ausonius.  313 

SymmachasBriefe,  2)  29^  bis  35 B  Briefvvechsel  mit  PanlinaB  nebst 
epigr.  34  (welches  im  Yossianus  vom  Briefwechsel  dnrch  Paulini 
oratio  getrennt  steht).  Bei  dieser  zweiten  Beihe  ist  die  völlige  Umkehr 
der  Reihenfolge  zu  beachten,  die  doch  nicht  auf  einer  Laune  des  Ab- 
schreibenden beruhen  kann,  sondern  eine  Folge  falscher  Lage  los- 
gelöster Bl&tter  sein  muss:  und  möglich  dürfte  es  sein,  daraus  und 
aus  den  Umstellungen  der  anderen  Stücke  annKhemd  den  Umfang 
und  die  Zeilenzahl  der  Bltttter  in  der  Vorlage  zu  berechnen.  Von 
grosser  Wichtigkeit  ist  die  Erkenntniss,  dass  die  Vorlage  voll- 
ständiger war  als  der  Vossianus:  Der  Brief  des  Theodosius 
hat  sich  vor  dem  Briefe  des  Ausonius  an  denselben  (469)  erhalten, 
und  es  fehlt  nicht  der  jambische  Schluss  von  Paulinus  11 ;  dagegen 
ist  im  ersten  Paulinus -Briefe  der  Hymnus  auf  Christus  285  —331 
weggelassen. 

Der  Gedanke  tritt  zunächst  nahe  bei  dem  verschiedenartigen 
Inhalte  von  P  und  Z,  dass  die  verschiedenen  Theile  derselben  Hds. 
sich  in  diese  beiden  Sammlungen  zersplittert  haben.  Indessen  sind 
es  doch  vier  Stücke,  die  Beide  gemeinsam  haben: 

Id.  I  Versus  pascales, 
Id.  XI  Griphus  mit  Vorrede, 
Id.  rV  Protrepticus  mit  Vorrede, 
Epigr.  34  Ad  Proculum. 

Dass  sich  beide  Sammlungen  soweit  ergänzen,  ist  also  nur  Spiel  des 
Zufalls,  von  dem  es  ja  eigenthümliche  Beispiele  gibt.^^') 

Der  Zufall  hat  uns  aber,  wenn  nicht  alles  trügt,  wirklich  aus 
derselben  alten  Hds.  einige  weitere  Stücke  bewahrt:  Der  Bestand 
der  oben  angeführten,  vorläufig  als  Excerpte  bezeich- 
neten Sammlungen  S.  Gallensis,  Bruzellensis,  Puteanus 
ist  es:  aus  dem  ersten  Quaternio  hat  er  die  Herculis  aerumnae  er- 
halten (und  daraus  ist  seine  Herleitung  aus  einer  andern  als  der 
Stamm-Hds.  von  Z  ersichtlich),  am  Schluss  des  zweiten  die  ersten 
drei  der  zwischen  Pythagoricon  und  Versus  Pascales  ausgefallenen 
Stücke  (Vir  bonus,  Nat  Kai  oö,  Hesiodion),  in  der  zweiten  Hälfte  des 
dritten  den  vollen  Inhalt  der  Lücke  zwischen  Ludus  und  Griphus, 
die  Caesares. 

Wenn  P  das  erste  der  epigrammata  de  diuersis  causis 
noch  vorfand,  so  konnte  für  diese  Sammlung  noch  das  Schluss- 
epigramm der  Eeihe  benutzt  werden:  dazu  kommt  nun  das  einleitende 
Epigramm  der  nur  in  Z  erhaltenen  anderen  Epigrammensammlung, 
sowie  die  Mosella:  beide  dürften  in  der  zweiten  Hälfte  des  vierten 
und  im  fünften  Quaternio  jener  alten  Hds.  gestanden  haben. 


>os)  Wenn  z.  B.  die  Breslauer  Hds.  von  Apulejus  herbarium,  s.  IX, 
eine  Lücke  aufweiset,  welche  gerade  durch  ein  einzeln  erhaltenes  Blatt 
einer  bedeutend  altem  Hds.  aus  S.  Emmeram  ausgefüllt  wird.  S.  Spengel 
im  Phüol.  XXI  p.  119--122. 

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314  B.  Peiper; 

Doch  wo  bleiben  die  Periochae?  Sollen  wir  wirklich  annehmen^ 
dasB  sie  aus  der  voUstttiidigen  Sammlimg  ausgeschieden  sind  auf  die- 
selbe Art  wie  die  Mosella?  Und  dass  sie  sich  nun  in  die  Sammlung 
P  gerettet?  Denn  das  ist  die  einzig  nachweisbare  Hds.  dieses  Werkes. 
Inscriptio  und  Explidt,  jede  Bezeichnung  des  Verfassers  wird  ver- 
missty  während  bei  den  Ausoniana  niemals  ein  Titel,  aus  dem  der 
Verfasser  sich  ergibt,  fehlt  Innere  Ghrttnde  sprechen  für  die  Autor- 
schaft des  Ausonius  nicht:  auch  der  äussere  Grund,  dass  die  Schrift 
zwischen  Ludus  und  den  PauHnus-Briefm  steht,  ist  kein  triftiger,  da  wir 
doch  auch  zwei  Mal  Stücke  aus  Prudentius  unter  die  Ausoniana  ge- 
stellt finden.  Die  inneren  Gründe  würden  an  einen  Autor  wie  Pul- 
gentius  denken  lassen,  und  eine  Hauptschrift  dieses  Mannes,  die 
Mjrthologica,  gehen  nebst  seiner  Vita  dem  Ludus  vorauf.  Es  würde 
sich  also  wohl  eine  sprachliche  Untersuchung,  ob  diesem  die  Vater- 
schaft zuzuweisen,  lohnen:  dem  Ausonius,  dem  nur  Leichtfertigkeit 
dies  Produkt  zugewiesen,  entschuldbare  Unkenntniss  des  Sachverhalts 
bis  jetzt  bewahrt  hat,  muss  sie  unter  allen  Umständen  abgesprochen 
werden,  wenn  nicht,  was  kaum  glaublich,  die  triftigsten  Gründe  für 
ihn  nachträglich  entdeckt  werden  sollten. 


VIL 

Resultate. 

Ich  entwerfe  nach  den  bisherigen  Untersuchungen  einen  Stamm- 
baum, zu  dessen  Erläuterung  die  folgende  Eecapitulation  dienen  möge. 

L 
Die  zuerst  durch  den  Druck  ans  Licht  getretenen  Dichtungen 
des  Ausonius  enthalten  zunächst  den  Nachlass  des  Dichters  z. 
Dieser  Nachlass  muss  mit  der  Hauptsammlung  in  einem  Bande  ver- 
einigt gewesen  sein,  nicht  dass  er  einen  zweiten  gesonderten  Band 
gebildet  hätte.  Er  löste  sich  von  ihr  und  nahm  eine,  den  Schluss 
der  Hauptsammlung  bildende  Epigrammen-Masse  mit  fort.  Die  um 
diese  Masse  gekürzte  Hauptsammlung  j  gerieth  völlig  in  Verfall; 
Abschriften  von  den  letzten  Splittern  derselben,  y^,  wurden  in  den 
Nachlass  eingereiht  (y*  +  z^).  In  alter  Zeit,  vielleicht  schon  vor 
Mitte  des  9.  Jahrhunderts,  ist  der  Stammvater  aller  erhaltenen  Ab- 
schriften der  so  entstandenen  Sammlung  Z,  ohne  eine  Spur  in  der 
Heimath  zu  hinterlassen,  nach  dem  nordöstlichen  Italien,  zunächst 
wohl  nach  Venedig,  gekommen;  Zeugniss  dafür  legen  unbedeutende 
und  umfassendere  Excerpte  des  12.  und  13.  Jahrhunderts  ab,  von 
denen  die  einen  durch  Friaul  nach  Steiermark  auf  vielbenutztem 

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Die  handBchrifU.  UeberliefiBning  des  Auflonius.  315 

Ffade^^)  ihren  Weg  fanden  (Vorau),  die  anderen  nach  Sodfraakreich 
(Montpellier)  zurückkehrten  (p  =»  Paris.  18275).  Der  Enstor- 
gianns  (»»  Tilianns)  T  und  die  von  B.  Girardinus  der  ed.  pr. 
zu  Gmnde  gelegte  Hds.^  G,  sind  aus'  verschiedenen  Abschriften  der 
ürhandschrift  geflossen.  Eine  andere  Abschrift  wurde,  offenbar  von 
Venedig  ans,  nach  Zara  yersehlagen  und  bereite  vor  der  Mitte  des 
15.  Jahrhunderts  zu  um&ngreicheren  Excerpten  verwendet,  deren 
älteste  erhaltene  Gopie  der  Gudianus  vom  J.  1445  ist,  g^,  als  auch 
vollständig  abgesclndeben,  wofttr  das  Eings-Ms.  vom  Jahre  1475 
—  E  —  K6ugt  Der  Zusammenhang  der  übrigen  sehr  jungen  Hdss. 
der  Familie  Z  ist  noch  unermittelt.  GTK  sind  die  vornehmsten  Ver- 
mittler unserer  Kenntaiss  einerseits  des  Nachlasses,  andererseits  einer 
der  Hauptsammlung  entfremdeten  zweittei  Epigrammen-Masse. 

n. 

Einige  Theile  wenigstens  jener  in  den  Nachlass  (z)  verwebten 
Splitter  von  y  sind  bereits,  ehe  sie  in  der  Abschrift  y^  mit  z  sich 
verbanden,  einmal  abgeschrieben  worden:  y^  Von  dieser  Abschrift 
stammen  die  Fragmente  imCantabrigiensis,  C  (Oratio  und  Stücke 
des  Technopaegnion).  Früher,  aber  bereits  als  der  Nachlass  mit  den 
letzten  Blättern  des  Hauptcorpus  sich  von  diesem  losgelöst  hatte, 
ist  von  dem  Codex  y,  dessen  Zersetzung  inzwischen  weitere  Fort- 
schritte gemacht  hatte,  so  dass  nun  u.  a.  auch  die  Moseila  aus  ihm 
verschwunden  war,  eine  vollständige  Abschrift  y*  genommen.  Den 
am  Anfang  stehenden  Brief  des  Theodosius  fand  der  Schreiber  nicht 
mehr  vor,  eine  Blattumstellung  mag  den  Ausfall  des  jambischen 
Theils  von  Paulinus  ep.  11  sammt  der  hier  bemerkbaren  Unordnung 
verschuldet  haben.  Diese  Hds.  y^  ist  als  Vater  des  Cod.  Lugdu- 
nensis  (Voss.  111)  V  anzusehen.  Zur  Annahme  dieser  engeren 
Verwandtschaft  zwischen  V  und  den  Trümmern  von  y  (y*y^)  nöthigen 
die  im  Voss.  Q  33  und  Paris.  2772  erhaltenen  Stücke  des  Techno- 
paegnion —  V  p;  zwischen  y  und  V  wenigstens  ein  Mittelglied  ein- 
zuschieben, lassen  die  Lücken  in  V  als  rathsam  erscheinen,  wie  die 
(wegen  y*  y*)  offenbar  sehr  früh  anzusetzende  Zeit  des  Verfalls 
von  y.  Aus  y^  gleichfalls  scheinen  direct  geflossen  die  vermuthlich 
auf  Flor  US  Diaconus  Lugdunensis  (von  denen  der  erste  Anhang 
Näheres  mittheilen  soll)  zurückgehenden  Ezcerpte  des  Parisinus  7558 
=  F,  indirect  die  schon  genannten  Stücke  des  Technopaegnion  in  v  p. 

HL 
Die  Mosella  ist  nicht  von  alter  Zeit  her  in  Einzelhandschriften 
verbreitet  gewesen,  sondern  stets  nur  in  Verbindung  mit  anderen 
Ausoniana,  z^    In  den  wenigen  Einzeltexten,  die  wir  kennen  (R  «» 


108^  Vgl.  J.  V.  Zahn  Austro-Fiiulana  (Fontes  rerom  Austriacanun  II, 
Bd.  XL)  Wien  1877,  und  desselben  Friaolische  Stadien  I  (Archiv  ftlr 
österreich.  Gesch.  LVII,  2  S.  277  ff.)  Wien  1878. 

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316  R.  Peiper: 

Bhenaugiensis,  V  «»  Yaüconus)  erscheint  sie  willkührlich  dieser  Ver- 
bindung entfremdet.  Die  ganze  Sammlung,  in  der  sie  einst  das 
Hauptstück  bildete^  ist  in  ihrer  Integritttt  nicht  mehr  erhalten;  die 
einzebien  Stücke  derselben  sind  in  manchfaltiger  Gruppirung  in  klei- 
nere Sammlungen  übertragen  worden,  von  denen  uns  mindestens  drei 
Gestaltungen  deutlich  erkennbar  vorliegen;  ihre  characteristischen 
Vertreter  sind  für  1)  S.  Gallensis  899  =  G,  für  2)  Bruxcl- 
lensis  5370  =  B,  für  3)  Puteanus  (Parisinus  4887)  «=  it.  Die 
Natur  dieser  Stücke  wehrt  dem  Gedanken,  den  der  mehrfach  ge- 
brauchte Titel  Ecloga,  sowie  Ezcerpta  de  opuscuUs  Decii  Magni 
Ausonii  erzeugen  könnte,  dass  nur  frei  ausgewählte  Excerpte  der 
vollständigen  Sammltmg  vorliegen;  für  versprengte  Trümmer  von 
y  dürfen  wir  sie  indessen  nicht  halten,  weil  ein  Theil  des  Caesares, 
sowie  ein  Epigramm  in  x^  sowohl  wie  in  Z  Aufriahme  gefunden  hat. 

Aufklärung  gibt  uns  eine  zweite,  mit  j  nicht  zusammenhängende, 
grössere  Trümmersanmilung,  x\  erhalten  im  Ticinensis  (Parisinas 
8500)  '='  P,  in  die  sich  die  Stücke  von  x'  einfügen:  zusammen  re- 
präsentiren  x^  und  x^  einen  nicht  unbedeutenden  Theil  eines  zweiten 
Exemplars  der  Hauptsanunlung,  x,  welches  vermuthlich  noch  nicht 
um  den  Nachlass  vermehrt  war.  (Dann  liesse  sich  x  sogar  mit  dem 
echten  Exemplar  des  Ausonius  identificiren  und  j  würde  eine  Ab- 
schrift davon  darstellen.)  —  Wenn  nun  gleich  P  aus  alter  Hds.  ab- 
geschrieben sein  muss,  so  mag  man  doch  zwischen  ihm  nnd  dem 
Exemplar  x^  ein,  vielleicht  sogar  mehrere^  Zwischenglieder  (durch 
x^'  bezeichnet)  ansetzen;  muss  doch  jene  durch  x  bezeichnete  Hds. 
in  sehr  früher  Zeit  (wohl  früher  noch  wie  j)  in  Trümmer  gegangen 
sein,  sehr  früh  also  die  Bildung  von  x^  und  x'  stattgefunden  haben, 
da  drei  Gedichte  der  zweiten  Splitter- Sammlung  x^  schon  in  recht 
alter  Zeit  in  das  bekannte  luvenalis  ludi  libellus  «»  a  Aufnahme  ge- 
funden haben,  dessen  relativ  reinster  Text  sich  im  Augustanas  zu 
Trier  findet  —  Ein  Best  der  Vaterhandschrift  von  dem  in  Italien 
geschriebenen  Codex  P  hat  sich  in  dem  Fragment  der  ürbes  (übel 
zugerichtet,  weil  dieser  Catalogus  den  Schluss  der  Handschrift  bil- 
dete) in  den  Eustorgianus  T  hinüber  gerettet 

Es  kann  kaum  bezweifelt  werden,  dass  die  von  der  Haupthds.  y 
abgeleiteten  Hdss.  sämmtlich  in  Lyon  ihre  Heimathsstätte 
haben;  von  dort  her  stanamt  Y,  dort  wurden  doch  wohl,  von  Floros 
selbst  vermuthlich,  die  Excerpte  F  abgeschrieben.  Dort,  oder  nicht  weit 
von  Lyon  wird  also  auch  wohl  der  YerfEiU  von  y  vor  sich  gegangen 
sein,  in  einer  Zeit,  ¥de  sie  uns  beispielsweise  Ado  zum  Jahre  737 
schildert'^)    Auf  Lyon  deuteten  auch  die  beim  auotor  de  dubiis 

104^  Wilicarius  Austreberto  uenerabili  episcopo  Vieonae  eucoedit 
Qui  ob  cladem  Sarrasenorum,  cum  eseet  domus  piaeclarissima  mar- 
tjnim  citra  Bhodanum  ab  eis  iam  incensa,  ossa  beati  Ferreoli  cum  ca- 
mte  luliani  matyris  infra  urbem  transtalit . . .  Idem  Wilicarius  cum 
nirioso  et  insano  eatis  oonsilio  Franci  res  aacras  ecdeaarum  ad  usus 


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Die  handflchriftl.  Ueberliefenmg  des  Atuonias. 


317 


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318  R.  Peiper: 

nominibus  erhaltenen  Fragmente  hin,  und  bei  ihrer  Besprechnng 
wurde  auch  auf  die  Möglichkeit  einer  Abstammung  von  x^  aus  der- 
selben Stadt  hingewiesen,  bei  der  nahen  Verbindung,  in  der  Walah- 
frid  mit  Agobard  von  Lyon  stand.  Für  Z  und  x^  ist  soviel  sicher, 
dass  sie  frtth  nach  Italien  gelangt  sind,  dort  aber  verschiedenes  Ge- 
schick erfahren  haben:  der  bessere  Theil  der  Opuscula  wurde  nur 
einmal  abgeschrieben,  während  Z  weitere  Verbreitung  &nd.  Sie  waren 
also  jedenfalls  in  verschiedene  Hftnde  gekommen.  Dieselbe  Hand  kann 
dennoch  beide  gleichzeitig  von  Lyon  aus  mit  dahin  genommen  haben: 
vielleicht  dass  es  Agobard  selbst  war,  da  er  mit  Kaiser  Lothar  dahin 
flflchtete.  Aus  der  Capit-elsbibliothek  von  St  Justus  zu  Lyon  dürften 
sie  aber  gewiss  stammen. 

Auf  welchem  Wege  nun  die  Werke  des  Ausonius  von  der 
Garonne  nach  der  Bhone  verschlagen  worden,  das  mag  als 
eine  müssige  Frage  erscheinen;  aufdrängen  wird  sie  sich  den- 
noch Jedem,  der  an  dem  Schicksale  der  Hdss.,  wie  ihres  Inhalts 
und  ihrer  Verfasser  Theil  nimmt.  Bei  der  beschränkten  Anzahl  von 
Exemplaren,  deren  Spuren  in  alter  Zeit  nachweisbar,  werden  wir 
zunächst  eine  Uebertragung  durch  vollberechtigte  Erben  annehmen, 
diese  selbst  in  die  Nähe  der  Bhone  verpflanzt  denken  müssen.  Bei 
der  Seltenheit  des  Namens  Ausonius,  der  sich  (wir  lassen  den  Mär- 
tyrer von  Angoul^me,  der  vor  unserem  Dichter  gelebt  und  gelitten 
haben  soll^^)  bei  Seite)  rein  auf  die  Familie  des  Dichters,  von  seinem 
Grossvater  bis  auf  seinen  Tochtersohn,  beschi-änkt,  werden  wir,  wenn 
in  nicht  zu  weitem,  räumlichem  und  zeitlichem  Abstände  ein  Mann 
dieses  Namens  begegnet,  zunächst  berechtigt  sein  denselben  als 
Nachkommen  des  Dichters  anzusehen.  Ein  Schreiben  des  Papstes 
Hi&rus  nun  vom  Jahre  464,  welches  sich  an  die  Bischöfe  eines 
Theils  der  Provence  (der  provincia  Viennensis,  Lugdunensis,  Narbo- 
nensis  prima  et  secunda,  Alpina)  richtet,  führt  unter  den  Adressaten 
auch  einen  Ausonius  auf:  die  Diöcese,  der  er  vorstand,  ist  so 
wenig  wie  bei  den  meisten  übrigen  Adressaten  zu  ermitteln,  aus 
der  Anordnung  kaum  ein  Anhalt  zu  gewinnen  —  man  könnte  ver- 
sucht sein,  weil  er  bald  hinter  Faustus,  jedenMls  dem  Bischöfe  von 
Riez,  und  Auxanius,  der  vielleicht  nach  Apt  oder  Aix  gehört,  nur 
durch  einen  Namen  von  diesen  getrennt,  genannt  wird,  auch  ihn 
zum  Suffiragan  des  Bischofs  von  Arelate  zu  machen,  wenn  nur  dieser, 


8U0B  retorqnerent,  uidens  Viennensem  ecdesiam  Buam  indecenter  hnmi- 
liari,  relicto  episcopatu  in  monasterium  Banctorum  martymm  Agaunen- 
sium  ingressus  oitam  uenerabiliter  daxit.  Vastata  et  dissipata  Vien- 
nensis et  Lugdunensis  prouinoia  aliquot  annis  sine  episcopis 
utraque  ecclesia  feit,  laicis  sacrilege  et  baroare  res  sacras  ecclesiamm 
obtinentibuB.  Ado  bei  Perts  SS.  II  319.  —  '<>»)  Acta  SS.  Bolland.  S2. 
Mai  t  V  p.  131  ff.  Eine  Lvoner  Märtyrin  Ausonia  erwiUmt  nach  Lyoner 
Martyrologien  Ruinart  zu  Gregor  von  Tours  p.  799  not.  —  •*•)  Ph.  ^bbei 
et  Gossartii  Concilia  IV  1045.  A.  Thiel  Epistolae  romanorum  poidäficuin 
I  148.  / 


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Die  handschriftl.  üeberlieferang  des  Ausonioa.  319 

Leontius  mit  Namen,  nicht  grade  an  letzterer  Stelle  selbst  genannt 
-wftre.  £ine  Yerwechselung  mit  Anxonius,  Episcopus  Viyariensis  un- 
bestimmter Zeit^^^,  ist  nicht  anzunehmen.^®)  Unter  den  Bischöfen, 
die  um  die  Zeit  des  Concils  von  Arles  475  des  Faustos  Protest 
gegen  den  Presbyter  Luddus  unterzeichneten,  und  denen,  an  die  der 
Letztere  seinen  Widerruf  richtet^,  erscheint  der  Name  Ausonius 
nicht  mehr.  Sehr  wohl  könnte  also  dieser  Ausonius,  ob  er  mm 
Suffiragan  des  Episcopus  Lugdnnensis  oder  Arelatensis  gewesen,  ein 
Enkel  dessen  sein,  dem  der  Dichter  sein  Protreptieon  und  Geneth- 
liacon  gewidmet.  Daraus  würde  sich  nun  auoh  eine  Erklttrung  er- 
geben für  das  Lob,  welches  Sidonius  ApoUinaris,  der  Bischof  der 
Arvemerstadt,  dem  Dichter  Ausonius  zollt,  dessen  Werke  schwer- 
lich anders  als  durch  solche  Privatverbindungen  zugänglich  waren, 
deren  sich  Sidonius  mit  einer  so  grossen  Zahl  von  gallischen 
Bischöfen  rühmen  konnte  ^'^)  —  wie  hinwiederum  diese  Erwfthnung 
fEbr  die  den  Bischof  Ausonius  betreffende  Annahme  einen  Halt 
gew&hrt 

Eben  des  Sidonius  Lob  führt  jedoch  auf  eine  zweite  Vermuthung,  die 
mir  ansprechender  erscheinen  will.  Ausonius  hat  die  opuacula  dem 
Syagrius,  seinem  alter  ego,  gewidmet  (470  v.  41 — 44),  welcher, 
Consul  im  J.  381,  wegen  seiner  Beredsamkeit  zum  öftem  von  Sjm- 
machus,  als  Dichter  von  Sidonius  gerühmt  wird.^^^)  Derselbe  stammte 
selbst  aus  Lugdunum;  dort  befand  sich  sein  Grabmal,  zu  dem  sich 
einmal  nach  der  Feier  des  h.  Justus  die  Festversammlung  begibt^^^); 
dort  lebten  seine  Nachkommen:  Ferreolus  praefectorius  Affiranii,  Sya- 


'^^  Gallia  christiana  t.  XYI  543  f.;  vielleicht  ist  dies  der  gallische 
Bischoi,  den  Pabst  Caelestinus  in  seinem  Decret  v.  J.  432  nennt.  — 
><>>)  Ueber  die  Handschriften  der  Canones-Sammlung  von  Arles,  in  denen 
der  Brief  erhalten,  s.  F.  Maassen  G.  d.  Quellen  und  der  Litteratur  des 
canonischen  Rechte  Gratz  1870,  I  s.  767,  A.  Thiel  I  p.  XXVII.  Die 
angedeutete  Verwechselung  scheint  in  der  Gallia  Christ.  XYI  p.  8  der 
Einleitung  freilich  stattgefunden  zu  haben.  -—  '^')  Labbei  ConoiHa  IV 
p.  1044.  —  '^^  Sidonius  und  seine  Zeit  von  Fertig  II  p.  32.  —  Ueber 
den  Verbleib  der  Bücher  eines  verstorbenen  Bischofs  dürfte  es  in  jener 
Zeit  nicht  gerade  zahlreiche  Nachrichten  ^eben;  nahe  üe^t  die  An- 
nahme, dass  dieser  Nachlass  meist  an  die  Metropolitanlorche  kam. 
Ausdrücklich  vermacht  Bischof  Perpetaus  von  Tonrs  im  J.  476  seiner 
Ecclesia  alle  seine  Bücher  mit  Ausnahme  eines,  von  HilariuB  von  Poitiers 
geschriebenen  £vangeliariimi,  das  er  seinem  Freunde  Eufronius  (dem  Bi- 
schof von  Autun  vennuthlich)  zueignet.  d^Achery  Spicileg.  V  106.  in 
den  erhaltenen  testamenten  des  S.  Remigins  von  Rheims,  f  683,  und 
Caesarius  von  Arles,  f  542  (Br^uigny  et  La  Porte  du  Theil  Diplomata 

I  n.  XV,  XVI  und  XXIII)  ist  von  Büchern  keine  Bede,  und  in  dem  Frag- 
mentnm  Testamenti  Desiderii  Caturcensis  episcopi  a.  663  ^libros  uero 
meos  tibi  matri  ecclesiae  tuoque  aduocato  successori  meo  commendo', 
ebenda  n.  CXXXII  ist  sicherlich  libertos  an  Stelle  von  libros  zu  lesen. 
—  *")  Sid.  ep.  V  5  —  Teuffei»  401,  2  führt  diese  Stelle  nicht  an.  — 
*^*)  Si4.  ep.  V  17  placuit  ad  oonditorium  (conductorium  vulg.)  cinium 
primis  una  coire.    Vgl  M.  Fertig  Sidonius  und  seine  Zeit  Würzb.  1846 

II  29. 


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320  R.  Peiper: 

grii  consnlis  e  filia  nepos*")  Salonius***),  vor  allem,  am  Hofe  Chilpe- 
rieh  I,^^^)  Syagrius  *der  Vermittler  der  römischen  Civilisation  nnter 
den  Bnrgundionen/***)  Des  Vorfahren  Dichterruhm  war  in  der  Familie 
bekannt  geblieben,  seine  poetischen  Versuche  erhalten^^^;  so  sind 
dieselben,  die  schwerlich  eine  weitere  Verbreitung  gefunden  haben, 
dem  Sidonius  zugänglich  und  bekannt  geworden.  Ohne  Zweifel  be- 
wahrte die  Familienbibliothek  auch  andere  werthvoUe  Erinnerungen 
an  den  Vorfiahren,  unter  denen  die  opuscula  Ausonii  einen  besonderen 
Platz  verdienten.  Dies  dem  Sidonius  bekannte  Exemplar^^^  dttrfte 
der  Stammvater  aUer  erhaltenen  Handschriften  sein. 


vni. 

Briefwechsel  mit  Symmachus. 

Derselbe  beschränkt  sich  in  den  Ausonius-Hdss.:  l)  Anf  die 
Mittheilung  des  die  Mosella  betreffenden  Briefes  des  Symmachus,  an- 
gehängt an  die  Mosella  im  S.  Gallensis,  Bruxellensis,  Laurentianus, 
ed.  Ugoleti.  (Symmachus  ed.  prior  Jureti  18,  ed.  Parei  I  14.) 
2)  Auf  die  Widmung  des  Gxiphus  (id.  XI  «==  336),  die  natürlich  in 
den  Symmachus-Ausgaben  fehlt  —  an  welche  sich  im  Vossianus 
Symmachi  ep.  I  31  Par.  (I  25  Jur.)  mit  des  Ausonius  Antwort, 
Aus.  ep.  XVn  BS  Symm.  I  32  Par.  (I  26  Jur.)  auf  den  Protrepticus 
bezüglich,  nebst  einem  kleineren  Billet  des  Symmachus  den  Thalassius 
(Thalysius?)  betreffend  (I  25  Par.,  1 19  Jur.),  für  dessen  Mittheilung 
es  an  jeder  Begründung  mangelt,  anreiht.    Die  letztgenannten  drei 


«»")  Sid.  ep.  I  7,  n  9,  VH  12  Carm.  XXIV  86.  —  "*)  Sid.  ep. 
Vm  8:  redde  te  patriae.  —  "»)  Sid.  ep.  V  6,  der  6.  u.  7.  Brief  sind  im 
Herbste  474  geschrieben:  0.  Binding,  das  Burgundisch-Bomanische  König- 
reich Leipsig  1868  I  78  Anm.  306 ;  A.  Jahn  I  629.  —  *^^)  Seine  Bedeutung 
nach  dieser  Richtung  hin  schildert  -nach  dem  an  ihn  gerichteten  Briefe 
des  Sidonius  V  5  A.  Jahn,  Gesch.  d.  Burgundionen  und  Burgnndiens  I 
148—160,  ygl.  n  16  und  Anm.  1.  —  Derselben  Familie  {fehOrt  offenbar 
die  fromme  Syama  (thesaurus  ecdesiae  nennt  Ennodius  dieselbe),  welche 
den  Ayitns  fSr  Loskaufung  von  EriegsgeÜBuigenen  Gelder  spendet  (um 
494);  sie  ist  vielleicht  identisch  mit  der  in  der  Historia  abbatnm  Agan- 
nensium  c.  2  (W.  Arndt,  El.  Denkm.  a.  d.  Merovingerzeit,  Hannover 
1874  s.  14)  erwähnten  Syagria.  —  '*')  Sid.  ep.  V  6  Syagrio  suo.  Com 
sis  consnlis  pronepos  idque  per  uirilem  successionem  .  .  .  cum  m  igitur 
e  semine  poetae,  cui  procul  dubio  statuas  dederant  littorae,  si  trMeae 
non  dedissent:  quod  etiamnuno  auctoris  culta  uendbus  uerba  testaatur. 
a  quo  studia  posterorum  ne  parum  quidem,  <^uippe  in  hac  parte  de^gene* 
rauemnt  —  '*')  Ausser  der  oben  S.  192  citurten  lobenden  Aeusserung 
dürften  sich  bei  Sidonius  auch  einzelne  Spuren  wirklicher  BekanntBchm 
mit  den  opuscula  des  Dichters  nachweisen  lassen:  selbst  bei  Avitns 
glaube  ich  einiges  der  Art  zu  finden. 


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Die  liandflchriftl.  Ueberliefemng  des  Aasonius.  321 

Btttcke  giebt  in  derselben  Reihenfolge  auch  Paris.  8500.    Die  Ueber- 
Schrift  des  letzteren  lautet  im  Voss.: 

Ausonius.  Axio  Simacus:  Ausonio. 
im  Parisinus: 

Besponsio  ausonii  ad  symmachum. 
Symmachus  ausonio. 
In  beiden  ein  Irrthum,  der  in  der  älteren  gemeinsamen  Quelle  be- 
gründet sein  muss.  Den  des  Vossianus  könnte  man  aus  einem 
leichten  Versehen  erklttren,  da  der  Briefwechsel  mit  Axius  Paulus 
hinter  dem  Schreiben  des  Symmachus  beginnt;  der  Parisinus  leitet 
aber  wohl  eher  auf  den  Ausfall  eines  Briefes  des  Ausonius. 

Eine  vollständige  Mittheilung  seiner  Correspondenz  mit  Sym- 
machus hatte  gewiss  Ausonius  so  wenig  beabsichtigt,  als  er  sie  zu 
liefern  im  Stande  sein  mochte.  Ebenso  wenig  hat  sich  Paulinus 
darauf  eingelassen,  fOr  ein  Epistolarwerk  die  Briefe  seiner  Freunde 
zu  sammeln.  Grössere  Verluste  haben  wir  also  schwerlich  zu  be- 
klagen, als  höchstens  jenes  eine  auf  den  Thalysiusbrief,  dessen  Be- 
rechtigung in  dieser  Sammlung  jetzt  so  fragwürdig  erscheinen  muss, 
sich  beziehende  Schreiben  des  Ausonius.  Symmachus  hat  nur  seine 
eignen  Briefe  gesammelt,  alle  an  ihn  gerichteten  Briefe  aus- 
geschlossen:'^^) man  muss  sich  darum  wundem,  den  Brief  des 
Ausonius  (ep.  XVII  Modo  intellego  — )  an  ihn  im  ersten  Buch  (ep.  32) 
eingelegt  zu  finden,  und  wird  geneigt  sein^  da  das  darin  gespendete 
Lob  ihn  nicht  zu  einer  solchen  Ausnahme  bewogen  haben  dürfte,  den- 
selben für  später  aus  Ausonius'  Werken  in  die  Hdss.  des  Sym- 
machus eingeschwärzt  zuhalten.  Der  alte  Parisinus  beginnt  leider 
erst  mit  I  25,  der  Divionensis  und  Pithoeanus  des  Juret,  die  bereits 
jenen  Brief  enthalten,  werden  von  Glason  als  deprauati  bezeichnet 
Scioppius  reproducirt  nur  den  Text  seiner  Vorgänger:  aus  den  guten 
Hdss.)  die  er  benutzte  (Fuldensis,  Cod.  Bessarionis,  Haupthandschriften 
nach  Clasons  Annahme),  theUt  er  auch  nicht  eine  Lesart  mit:  doch 
wohl,  weil  in  ihnen  dieser  Brief  fehlte,  denn  Gelegenheit  zur  An- 
führung bot  dieser  Brief  gewiss  in  Fülle.  Zu  einem  ürtheil  reicht 
also  der  bisherige  Apparat  nicht  aus.  Vorerst  können  wir  fQr  diesen 
Brief  dem  Symmachustexte  nur  die  Geltung  einer  mit  dem  Vossianus 
gleichberechtigten  Abschrift  aus  gemeinsamer  Quelle  zuerkennen. 
Vier  von  den  sieben  Briefen  des  Symmachus,  die  heute  den  An- 
hang der  Bipontina  bilden,  sind  erst  von  den  Herausgebern  aus  der 
nmfiangreichen  Sammlung  seiner  an  Ausonius  in  einem  kaum  zehn- 
jährigen Zeitraum  (der  Zeit  der  ersten  Praefektur  bis  vor  Ausonius 
Fortgang  in  die  Heimath,  nach  383)  gerichteten  Schreiben  (Sym- 
machus epp.  I  13 — 53  Par.)^  ausgehoben  worden:   es  sind  die. 


>i^  Ausser  einem  Beines  Vaters  12.  —  "^)  Die  Amiahme  Le  Mer- 
eiers,  dass  auch  I  4  nicht  an  den  Vater,  sondern  an  Ausonias  gerichtet 
sei,  hat  Ritschl  Opp.  III  618  widerlegt. 

Jfthrb.  f.  clMW.  PhU.  Snppl    Bd.  XI.  21    ^  j 

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322  B.  Peiper: 

welche  von  den  Ehrenstellen,  die  Ausonios  und  sein  Sohn  Hesperius 
bekleidete,  handeln  (I  16,  18,  21,  23);  sollte  dieser  Anhang  seinen 
Zweck  erfüllen,  so  dürften  auch  30  u.  38,  36  u.  42  nebst  anderen 
nicht  fehlen.***) 


'*')  Die  Bemer  Bibliothek  besitzt  ein  Exemplar  des  Sjmmachiu  ed. 
Juret  1680  (H  11)  mit  Bongarsiiu'  Bemerkmigen.  (Das  Frobensche 
Ebcemplar  Basil.  1649  (F  91)  enth&lt  keine  Varianten  oder  Goigectaren 
zu  den  Aosonins- Briefen.)  Zuiächst  hat  er  yor  den  Briefen  einge- 
tragen eine 

Symmachi  nita  ex  C.  Ms.  Bibliothecae  Begiae. 

Sjrmmachns  genere  Bomanas  tempore  Constanini  magni  consul  cum  Probe 
mit  sicat  in  legi.  Rom.  inueni  — -  nuUo  uetemm  minor  noster  Symmachns 
Inxuriator. 

Dann  sind  za  den  Briefen  eine  Reihe  Lesarten  angemerkt,  von  denen 
man  zim&chst  annehmen  wird,  dass  sie  derselben,  verrnnthlich  also  der 
heute  erst  mit  I  62  Par.  beginnenden  und  mit  VIII  41  schliessenden  Hds. 
Paris.  8628  (0.  Clason  de  cod.  Parisino  opp.  Sjmm.  diss.  Bonn.  1867) 
entstammen.  Mir  liegen  durch  H.  Hagens  Freundlichkeit  die  Varianten 
zu  drei  an  Ausonius  gerichteten  Briefen  vor,  die  ich  hier  mittheile. 

1 7  Jur.»  13  Par.  fuunda  esse ]  laetitia  et  angustias  |  gestire ] 

tibi  autem  scribendi  (amice  fehlt))  peperit. . .]   res  secnnda  |  residem 
fehlt  I  opere]  operae  praetium  |  Primores  fehlt  |  lanus  aperibat]  lanua- 
rias  I  creperum]  crepusculum  |  quam  operiamur]  quam  adhuc  operiamur| 
si  credis— iLlius  fehlt  |  cruditatem]  crudelitatem  |  Bonus— ofiQcii   fehlt 
Iquae  tunc}  qui  tunc  |  hie]  hinc  |  natura  tutetur]  fortuna  tutetur  |  deli- 
cias]  reliquias  |  scripta]  scripto  |  plausus  e£fudit]  multomm  pl.  effnderit| 
I  8  Jur.  "i  14  Par.     poematis    tuiA]    Apedibus  j  pedestrium]    tuomm 
djLioucoc]  imperitus  |  tacere]  reticere  |  quam  nominibus]   quae  sunt  nomi 
nibus  j  uaria  tarn]  uariata  |  ut  magnitudine]  et  magnitudine  |  probabilem 
amabuem  |  trahas]  accedat        I  9  Jur.  »  16    oper§]  opus  |  euentilatis' 
euentilatam  i  nouus   athenaei   hospes  Latiare]  nos  at.  hospitis  latiale 
probus  est  oratione]  probasse  oraüone  |  dissentiuntA]  Auel  etiam  quod 
pectus]   genus  |  Non]   nee  |  certiores   habet  natura  uindicias  bene  sen< 
tiendi]  certiora  h.  n.  mdicia  bene  sciendi  |  quod  alÜA]  Aqui  |  Hanc]  Haec  1 
et  quod]  quod  et  |  a  te  fiam  numquaml  a  te  fiam  non  |  quod]  et  quod  | 
factum    uolo]    fitmam    cnpio  |  prolatuj    relatum  |  uoluptatem]    uolun. 
tatem. 

Wir  finden  hier  eine  ziemliche  Anzahl  von  Lesungen,  die  in  den 
späteren  Ausgaben  Aufnahme  gefunden  haben,  wie  in  dem  Mosella- Briefe 
(1  8)  reticere  und  accedat,  anderes  findet  sich  in  Hdss.,  wie  ebenda  ua- 
riata; indess  dies  letztere  ist  hier  von  der  im  vorausgehenden  ange- 
gebenen Lesart  quae  sunt  erfordert,  und  diese,  wie  die  übrigen  ange- 
gebenen Varianten  sind  den  mir  bekannten  Hdss.  so  fremd,  ihre  Anzahl 
dazu  eine  sogar  dürftige,  dass  wir  es  offenbar  mit  Conjecturen  neben  ein- 
zelnen Mittheilungen  aus  anderen  Ausgaben  zu  thun  haben.  Gäbe  es 
aber  wirklich  eine  Hds.  mit  diesen  Lesungen,  so  würde  sie  .als  inter^ 
polirt  auf  Grund  eines  lücken-  und  fehlerhaften  Textee  TÖllig  bei 
Seite  zu  schieben  sein;  es  genügt,  auf  die  ersten  Versuche  in  I  8  hin- 
zuweisen. 


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Die  handscluiftl.  Ueberlieferung  des  AuBonius.  323 

IX. 
Briefv^echsel  mit  Paulinus. 

Der  Briefwechsel  des  Ausonius  mit  Paulinus  ist  in  mehr  als 
einer  Beziehung  höchst  interessant,  einmal  durch  seinen  Inhalt, 
der  uns  die  beiden  Männer  in  ihrem  Charakter  vorftihrt,  den  Auso- 
nius als  den  milden,  innige  Freundschaft  und  Liebe  zu  seinem  Zög- 
ling im  vollen  Herzen  hegenden  und  hier  von  jugendlichem  Feuer 
glühenden  Greis,  den  Andern  als  den  angehenden  Eiferer  für  die 
christliche  Lehre,  die  im  Ertödten  alles  Fleisches  ihre  Hauptaufgabe 
zu  suchen  begann,  zum  Andern,  indem  sie  uns  einen  Blick  in  die 
Werkstätte  des  Dichters  thun  lässt  und  einen  Beweis  gibt,  wie  er 
wenigstens  die  Gedichte,  an  denen  sein  Herz  Antheil  hat,  zu  feilen 
und  abzurunden  und,  und  zunächst  fOr  sich,  zu  etwas  Besserem  zu 
gestalten  sich  angelegen  sein  lässt.  Drittens  aber  gibt  er  uns 
auch  wichtige  Aufschlüsse  zur  Beurtheilung  des  Werthes  unserer 
Haupthandschrift,  des  Vossianus. 

Dieser  Briefwechsel  umfasst  im  Vossianus  f.  31'  bis  36  B'*") 
folgende  Stücke: 

Ausonius  ep.  XXV,  XXIV»,  XXIV^  XXIII; 

Paulinus  ep.  11  (der  jambische  Schlusstheil  fehlt)  P,  I*  P  dazu 
die  Oratio.    (Dieselben  Stücke  finden  sich  in  P.) 

Alle  diese  Stücke  fehlen  im  Tilianus,  er  enthält: 

Ausonius  ep.  XIX  (409),  XXI  (411—413),  XXH  (414.  415), 
XX  (410)  (zwischen  XIX  und  XXI  ist  ep.  XVm  eingeschoben; 
XX  ist  nebst  ep.  IV  zwischen  Cento  und  Precatio  matutina  Ter- 
schlagen). 

In  den  mir  bekannt  gewordenen  Hdss.  der  Gedichte  des  Pauli- 
nus findet  sich  der  Inhalt  des  Vossianus  mit  Ausnahme  der  Oratio 
S.  Paulini;  von  den  an  Paulinus  gerichteten  Briefen  des  Tilianus 
findet  sich  nichts.  Die  Anordnung  der  sftmmtlichen  Gedichte  des 
Paulinus  im  Puteanus  (Paris.  2122),  von  den  früheren  Heraus- 
gebern als  Begius  bezeichnet,  habe  ich  mir  nicht  notirt.  Der  Brief- 
wechsel mit  Ausonius  folgt  hinter  dem  metrischen  Briefe  an  Jovius 
in  folgender  Ordnung: 
Aus.  ep.  25,  Paul.  I"**),  Aus.  ep.  23,  Paul.  II,  Aus.  ep.  24,  Paul.  I«. 

Der  Bruxellensis  Nr.  10703—10705,  kleine  Schrift  des 
12.  Jahrhunderts  (ein  Theil  der  Hds.  oot^  10614—10729),  offenbar 
derselbe  den  Poelmann  als  Vetus  Gandavensis  benutzt  und  unter  der 


*'*)  Mnratori  erwähnt  neben  dem  Lngdunenais  (-«  Voss.  lat.  111) 
öfters  einen  Vossianus  oder  Vossianus  in  Anglia,  welcher  Pauli- 
nus I  und  Ausonius  ep.  XXIV  enthalte.  Beide  Hdst.  sind  identisch,  wie 
die  Vergleiohung  der  oetr.  Stellen  ergibt.  —  '**)  Ich  numerire  nach  dem 
Anhange  der  Bipontina  des  Ausonius,  nicht  nach  den  Paulinus- Ausgaben. 


81* 

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324  B.  Peiper: 

Sigle  Y  citirt,  befolgt  dieselbe  Ordnung.'^)  Voraus  gehen  die  Briefe 
des  Sidonius;  die  Prosabriefe  des  Paulinus  enthält  er  nicht,  indess 
setzt  die  üeberschrift  des  ersten  Gedichtes  ^Finit  ad  Jovium  prosa. 
Incipit  ad  eundem  versus'  diese  voraus.  Nach  dem  Joviusbriefe 
folgt  der  Briefwechsel  mit  Ausonius  in  angegebener  Reihe  —  bis 
auf  ebe  unten  angegebene,  eine  Lücke  im  Puteanus  erweisende  Ab- 
weichung; dann:  adCitherium,  de  natali  domini Felicis I — X, zwischen 
Natalis  VIII  und  IX  wird  jedoch  ein  Gedicht  de  obitn  pueri  ein- 
gereiht; zum  Schlüsse:  de  Nicete  episcopo  de  Dacia.  Zusammen 
17  Briefe  des  Paulinus,  die  drei  des  Ausonius. 

Der  Briefwechsel  mit  Ausonius  nebst  den  Orationes  beider 
Männer  erscheint  auch  in  der  Sammlung  Paris,  lai  7558,  S.  IX^^^), 
deren  Gesammtinhalt  soeben  E.  Dümmler  im  N.  Archiv  IV  299  ff. 
verzeichnet  hat.  Der  uns  interessirende  Theil  der  Hds.,  von  dem 
E.  Dümmler  die  Güte  gehabt  hat,  die  eben  genannten  Stücke  zu  ver- 
gleichen, enthält  Folgendes: 

f.  87^  Sancti  Paulini  Epigramm!.  *Si  domini  temelum  supplex  {)ec- 
cator  adisti  —  (sehr  abweichend  vom  Abdruck  bei  Fabricius 
Poet  eccles.  349) 

f.    9(F  Inc.  Oratio  sei  Paulini  (Paulini  c.  IV) 

f.    90^  Inc.  Oratio  sei  ausoni 

f.    92^  Inc.  ausoni  ad  paulium  (ep.  25) 


f.    94'  Item  ausoni  ad  paulinu  (ep.  23) 

fep.n) 
f.    96'  Ausonio  paulinus  (ep.  P) 


f.    94^  Ausonio  paulinus 


f.  101^  ad  paulinum  ausonius  (ep.  24^) 

f.  102'  Ausonio  paulinus  Tep.  I*) 

f.  102^  Ausonio  paulinus  (ep.  I^) 

f.  104^  Incipit    laus    sei    iohanni    (Summe   pater   rerum    — 

Paulini  c.  VI) 
f.  111^  Inc.  laudes  domini  cum  miraculo  quod  accedit  in  Aeduico 

(Fabricius  765) 


'**)  Nähere  EenntniBS  des  Inhalts  verdanke  ich  der  gütigen  Ver- 
mittelung  des  Conservateur  en  ohef ,  Herrn  L.  Alvin.  Die  Hds.  gehörte 
einst  nach  S.  Nicolaus  von  Cnes,  dann  dem  Jesuitencollegium  zu  Ant- 
werpen. ^11  est  enti^rement  ^crit  snr  denz  colonnes.  II  n'y  a  pas  daos 
le  texte  d'interpolations  proprement  dites.  Par  ci  par  Ul,  la  mßme  main 
et  une  main  post^rieure  ont  ajout^  quelques  mote.  Le  texte  (foL  188' — 
166'  col.  1)  contient  plus  de  73  colomies  de  70  lignes  chacune,  oe  qui 
fait  un  total  de  plus  de  6100  lignes. '  —  Eine  Belgische  Hds.  ist  von  den 
Herausgebern  für  die  Prosabriefe  benutzt;  ich  kemie  dieselbe  nicht. 
Üebrigens  scheint  Poehnann  auch  Lesarten  ans  Drucken  am  Bande  na- 
saführen. —  ''^  Wegen  der  h&nfigen  u  fSr  a  setzt  Dfimmler  die  Hds. 
noch  ins  s.  IX,  doch  könnte  sie  allenflBtlU  noch,  wie  er  zugibt,  ins  zehnte 
gehören. 


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Die  handschriftl.  Ueberliefenmg  des  Ansonins. 


326 


f.  114^  Inc.    heroo    ad    quem    supra    (lam   mihi   polliceor    — 

Paulini  c.  XTOT) 
f.  118    Inc.  Bebiani  diverso  modo  et  metro  dictis    (Fabricins  775). 

Von  F.  121  an  folgen  die  dem  Florus  Diaconus  Ecclesiae  Lng- 
dimensis'^  (f  nach  854)  theils  mit  Unrecht  zugeschriebenen,  theils 
wirklich  zagehörenden  Dichtungen; 

Eben  diese  Oedichte  beweisen,  dass  die  Hds.  aus  Lyon  stammt. 
Eine  weitere  Bestätigung  dafOr  bietet  die  zweite  von  E.  Dümmler  a.  0. 
beschriebene  Florus-Hds.  (Paris.  2832,  s.  IX),  in  der  wir  zwei  von 
Sannazar  im  Kloster  der  Ile-Barbe  abgeschriebene  Stücke,  von  denen 
sich  das  eine,  eine  Grabschrift,  die  Quelle  bisher  nicht  ermitteln  Hess, 
wiederfinden  (s.  unten  8.  349).  Bei  den  ausgebireiteten  Studien 
dieses  Florus,  von  denen  auch  seine  Commentare  zu  den  Paulinischen 
Briefen,  seine  Schrift  De  missa  u.  A.  zeugen,  wird  man  ihn  als 
Sammler  obiger  auf  S.  Paulinus  bezüglichen  Stücke  annehmen  dürfen. 

Die  Ordnung  der  Briefe  ist  in  den  Hdss.  folgende: 


Anfang  d^ 
Stacke  in  der 
Bcihe  Ton  T: 


V 
Von.  111 


F 
Paris.  7568 


P 
Ptfii.  8MK) 


PuteanoB,  mit 

welchem  Bmxel- 

lentii  flberein- 

Btimml 


Qpartatibi  — 
DiBcntimus — 


Agnocirae 


Proxima  — 
Continaata  - 


Egote  — 
Defbre  me 

Quarta 

redit  — 
goid 

abdicatas 


ep.  XXV  t 
ep.  XXIV»  + 
(V.  1—102) 
[v.  31 —37  fehl.] 
ep.  XXIV^  t 
(v.  103  ff.) 


ep.  XXUI 
ep.  II» 


[ep.  IP  V.  49— 
68  fehlt] 


gp.  I« 
(v.  108— 


331) 


fep.l»  t 

I    (V.  1-18) 

l  (v.  19-102) 


ep.  XXV         + 
ep.  XXIU       + 

ep.  II»  t 

[ep.  IP»  fehlt] 
ep.  I<^  t 

ep.  XXIVi»      + 


[ep.  XXIV»' 
fehlt] 
ep.  I»  t 


ep.  XXV         * 

[ep.l»fehlt]"0 


lep.P 


ep.  11^  * 

ep.  I«  * 

[v.  286-331 

fehlen] 


ep.  xxni  + 

|ep.  XXIV»  + 

\ep.  XXIV^  * 

ep.  XXV  + 


ep.  P 
ep.  XXIII 


[ep.  IP 


+ 
+ 


t 


ep.  XXIV       + 
[v.  6—122  feh- 
len in  S] 
ep.  I««") 


Durch  f  habe    ich  die  Anwesenheit  einer  Anrede    (Ausonio 
Paulinus  etc.)  bezeichnet,  durch  ^   eine  üeberschrift  ohne  Anrede, 


"^  lieber  ihn  s.  Dümmler  a.  0.  —  "^  Dies  Stück  scheint  nur  durch 
AusoniuB-Hdss.  überliefert  —  '**)  Erst  seit  Muratori  ist  dies  Stück  zu 
einem  Briefe  mit  I»  und  P  verbmiden  worden,  wShrend  es  früher  in  den 
Aasgabeo,  entsprechend  der  Ueberlieferang  der  Hdss.,  ein  Gedicht  fEUr 
iich  bildete. 

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826  ^  Peipert 

durch  *  das  Fehlen  beider.  Die  der  Vossianus-Beoenflion  zöge- 
hörigen  Handschriften  geben  die  Briefe  der  beiden  Correipondenten 
getrennt,  VPF  zuerst  die  des  Ausonius,  danach  die  des  Panünns 
(in  F  ist  durch  Zufall  die  zweite  Hälfte  von  XXIV  um  zwei  Num- 
mern hinab  gerückt,  die  erste  Hälfte  ausgefallen);  in  P  umgekehrt 
Paulinus  vor  Ausonius.  Die  Paulinus-Hds.  lassen  je  einem  Briefe 
des  Ausonius  einen  des  Paulinus  folgen.  Auf  keiner  Seite  ist  die 
Anordnung  den  thatsächlichen  Verhältnissen  entsprechend. 

Die  Ansichten  von  Vinetus,  Soaliger,  Tollius  (zu  XXTV  41  p.  687), 
A.  Ebert,  Gesch.  d.  chrisüich-lateinischeu  Literatur.  Leipzig  1874. 
S.  287  gehen  hier  weit  auseinander.  Meine  eigenen  Besultate 
kommen  auf  das  von  Letzterem  Beigebrachte  hinaus.  Es  scheint  näm- 
lich durch  die  Stellen,  in  denen  sich  Paulinus  auf  bestimmte  Aeusse- 
rungen  des  Ausonius  zurückbezieht,  ausser  Frage  gestellt,  dass 
derselbe 

mit  ep.  I*  und  I^  des  Aus.  ep.  XXV  beantwortet:  schon  der  An- 
fang des  Gedichtes  enthält  eine  Anspielung  auf  y.  1  des 
Ausonius-Briefes ; 

mit  ep.  V  einen  verloren  gegangenen  (vgl.  v.  103),  sowie  zwei  der 
uns  erhaltenen,  ep.  XXHI  und  nochmals  XXV. 
Diese  drei  also  sind  es,  welche  Paulinus  I*  v.  7  andeutet: 

Trina  etenim  uario  florebat  epistola  textu, 

nicht  aber  ep.  XXEI— XXV. 

Paulinus  ep.  II  dagegen  hat  es  ausschliesslich  mit  Ausonius 
ep.  XXTV  zu  thun.  Wenn  nun  ep.  XXV  der  vierte  Elagebrief  des 
Aus.  war,  dann  müssen  der  verlorene  und  ep.  XXHI  der  zweite 
und  dritte  in  der  Reihe  gewesen  sein.  Wunderlich  die  Ueberein- 
stimmung  der  beiderseitigen  Sammlungen  in  Auslassung  dieses 
Schreibens !  vielleicht  deutet  das  aber  nur  auf  Geringfügigknit  eines 
in  Prosa  abgefassten  Billets  hin.  Beiden  war  lange  vorausgegangen 
ep.  XXIV  (auf  welchen  Paulinus  auch  später  in  I*  noch  einmal  Be- 
zug zu  nehmen  scheint,  vgl.  Paul.  v.  232  f.  mit  Aus.  v.  88  f.*^®)),  der 
durch  eine  ausweichende  und  ungenügende  Antwort  des  Paulinus 
provocirt  war.  Das  sagt  uns  der  Titel  im  Voss.,  der  nicht  so  inept 
ist,  wie  Toll  annimmt: 

Incpt  alia  ad  eundem  cum  iUe  ad  alia  magis  respo&dere[t] 
neque  so  benturum  polHceretur. 

Noch  nachdrücklicher  sagt*s  der  Inhalt:  wer  würde  einen  so  lieben 
Freund,  wie  Paulinus  dem  Ausonius  gewesen,  mit  so  scharfen  Vor- 


''*)  Di^  Zweitkeilung  des  Briefes,  nur  durch  neue  Am'ode  im  Voss, 
bezeichnet,  hindert  nicht,  ihn  als  einen  einzigen  aufzufassen,  die  Becb- 
nung  des  Ausonius  zwingt  aber  zu  letzterem.  —  ''^)  Der  Titel  von  XXV 
ist  dagegen  durch  ein  Missverständnisa  von  v.  1  erzeugt:  Com  Pontius 
Paulinus  iunior  quartis  iam  litteris  non  respondisset  sie  ad  eum  scnp^tom  est 


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Die  handsehxiftl.  Ueberliefenmg  des  AoBonios.  327 

wUrfen,  olme  durch  ihn  tief  verletzt  zu  sein,  anfallen,  wie  es  hier 
durch  das  ^Discutimus'  geschieht? 

und  auf  die  vorausgegangene  ep.  XXIY  nimmt  offenbar  auch 
Aüsonius  zu  Anfang  der  ep.  XXTTT  mit  ^blanda  obiurgatio'  Bezug. 
Die  Ueberschrift  des  Letzteren  lautet  darum  nicht  ohne  Grund  im 
Yossianus : 

Item  ad  eundem  Pontium  Paulinum  epistola  subinde  scripta. 

Diese  üeberschriften  hätten  offenbar  keinen  Sinn,  wenn  der 
Archetypus  die  Briefe  nicht  in  entsprechender  Ordnung  aufgeführt 
hätte.  Spuren  wenigstens  der  rechten  Ordnung  fehlen  aber  nicht, 
insofern  XXIV  vor  XXLLl,  11  vor  I  im  Voss,  erscheint.  Wir  dürften  also 
wohl  berechtigt  sein,  die  gefundene  Ordnung  wieder  zurückzuführen. 

In  obigen  Resultaten  treffe  ich  also  mit  Ebert  zusammen;  in 
der  Schätzung  des  poetischen  Werthes  der  Paulinusbriefe  um  so 
weniger.  Er  rühmt  den  eingelegten  Hymnus  auf  Christus  ungemein, 
S.  290;  ingleichen  die  Jamben,  betreffs  deren  er  freilich  das  ürtheil 
Scaligers  nicht  unterdrückt,  der  sie  bei  allem  Lobe  doch  gar  zu 
überschwänglich  findet.  Ich  kann  mich  in  meinem  Urtheil  nur  an- 
schliessen  an  den  Sammler  von  P,  der  den  Hynmus  ganz  verschmäht 
hat.  Die  Theile,  wo  Paulinus  seines  Verhältnisses  zu  Aüsonius  ge- 
denkt, sind  unzweifelhaft  schön;  der  poetische  Schwung,  die  Wärme, 
auch  die  feine  Urbanität,  die  Ebert  rühmt,  sind  mir  entgegengetreten, 
die  Wortfügung  ist  leicht,  die  Verse  entbehren  nicht  des  Wortklanges: 
dagegen  schwerfällig  und  gesucht,  abstossend  wirkend  in  Inhalt  und 
Ton,  in  Sprache  und  Bythmus,  sind  jene  Stellen,  die  von  seiner 
Hingebung  an  Christus  handeln;  aller  Natürlichkeit  hat  er  Abschied 
gegeben,  in  das  neue  Element  sich  noch  nicht  so  hineingefunden, 
um  der  Stelzen  entbehren  zu  können.  Dass  nach  solchen  Expositionen 
Aüsonius  den  Freund  den  eigenen  Weg  gehen  Hess,  ohne  ihn  fürder 
zu  belästigen,  ist  doch  gewiss  klar.  Ep.  I  hat  gewiss  von  seiner 
Seite  keine  Erwiederung  erfahren. 

Wir  müssen  zunächst  eine  etwaige  Vermuthung  abweisen,  der 
Briefwechsel  könne  in  die  Paulinus-Sammlung  erst  später  aus  der 
Ausonius-Sammlung  zugesetzt  sein.  Nicht  darum  etwa,  dass  wir 
dann  auch  die  vier  Ausonius-Briefe  XIX — XXH,  die  der  Tilianus 
gibt,  mit  demselben  Becht  darin  finden  müssten  —  sondern  aus  einem 
wirklich  triftigen  Grunde:  die  Briefe  des  Aüsonius  liegen  in 
den  beiden  Sammlungen  zum  Theil  in  durchaus  verschie- 
denen, durchaus  mit  der  Annahme  eines  und  desselben  Archetypus 
nnvereinbarten  Texten  vor.  Auf  einige  hervorragende  Fälle  wird 
noch  weiterhin  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  werden;  hier  will  ich 
auf  Aüsonius  ep.  XXIV  hinweisen,  welche  im  Puteanus  folgende 
kürzere  Fassung  hat: 


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328  B.  Peiper: 

Ep.  xxniL 

Item  Atisoni  ad  Paulinum. 

Discutimus  Pauline  ingum,  quod  certa  fouebat 

Temperies:  leue  quod  positu  et  tolerabile  ixmctis 

Tractabat  paribus  concordia  mitis  habenis: 

Quod  per  tarn  longam  seriem  redeuntibus  annis 
5    Fabula  non  umquam,  numquam  querimonia  mouit. 
20.  21    Discutimus,  sed  tu  tantum  reus;  ast  ego  semper 
22    Contenta  ceruice  feram.    consorte  laborum 

Destituor:  nee  tarn  promptum  gestata  duobus 

Deficiente  alio  solum  perferre  iugalem. 
26    Non  animus  uiresque  labant,  sed  iniqua  ferendo 

Condicio  est  oneri,  cum  munus  utrumque  relicto 

Ingrnit  acceduntque  alienae  pondera  librae. 

Sic  pars  aegra  hominis  trabit  ad  contagia  sanum 

Corpus  et  exigui  quamuis  discrimine  membri 
30    Tota  per  innumeros  artus  conpago  uacillat. 

Obruar  usque  tamen,  ueteris  ne  desit  amici 

Me  durante  fides:  memorique  ut  fiza  sub  aeuo 

Bestituant  profugum  solatia  cassa  sodalem. 

Impie,  Pirithoo  diiungere  Thesea  posses 

36  EurjaJumque  suo  socium  secemere  Niso; 
Te  suadente  fngam  Pjlades  liquisset  Oresten 

37  Nee  custodisset  Siculus  uadimonia  Dämon. 

123        En  erit  ut  nostras  hie  nuntius  excitet  aures: 

^Ecce  tuus  Paulinus  adest!  iam  ningoida  linquit 
126    Oppida  Hiberorum,  Terbellica  iam  tenet  arua, 

Y  ^  YosaianuB  111  f.  31^  ool.  2  P  —  Parisinus  8600  f.  23'  F  » 
PariBinus  7668  (erst  von  y.  123  an)  S  a  Puteanus  Paulini  (Paria.  2122) 
f.  91'    b  BruxellensiB  Panlini  ■*  Gandayensis  nach  Poelmanns  Angaben. 

Incpfc  alia  ad  eundem  cum  ille  ad  alia  magis  respondere  neque  se 
benturnm  polliceretur  V  Alia^  epistola  eiusdem  ad  eundem  P  1  Paline 
y  I  certa  Sb  nota  YP  2  positu  et  tolerabile  S  positum  et  uene- 
rabile  YP  (uenerabile  b?)  |  uinctis  S  4  redeuntibus  S  uolnentibus  YP 
(nolbentibus  Y)  |  armis  P  6  deest  YP  6—19  desunt  S  20  +  ^1 
sie  Sb  at:  Discutitur  Pauline  tamen  nee  culpa  duorum 

Ista  sed  (set  Y)  unius  tantum  tua  namque  ego  semper  YP 
22  cerbice  Y  23  Distituor  P  |  promtum  Y  |  gestata  Y  ffesta  P  te- 
stata  S  24  ünum  deficiente  pari  perferre  sodalem  YP  (deficienti  p) 
26  lauant  S  26  Condicio  Y  Condictio  P  Conditio  S  |  oneris  P  |  com- 
mxmis  S  cum  munus  Heinsins  cum  pondus  YP  (quum  Y)  |  relito  Y 
28  homines  P  |  trait  Y  |  saxum  S  29  membri]  uerbi  S  31-— 37 
desunt  YP  33  cassa  S  casta  uulgo  34  piritho  odiiungere  S  |  possis 
S    poases   Graeyius         36   Orestem    uulgo  38  — 122    desunt   S 

123  sie  Sb,  at:  Et  quando  iste  meas  inpeUet  nuntius  aures  YPF 
(Et  quand<>  Y  Ecquando  Heinsins,  Brand  es  |  impleuit  F 
implebit  Brandes   coli.    Yergil.    XI    896)  124  linqnid  F  125 

iberorum    Y'  |  terbellica  SY  t'bellica  P   Tarbellica   F?    Accursius 

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Die  bandschriftl  Ueberlieferung  des  Aosoniiu.  329 

Ebromagi  iam  tecta  subit,  iam  praedia  fratris 
Yicina  ingreditur,  iam  labitnr  amne  secondo, 
lamqae  in  conspectn  est,  iam  prora  adaerütnr  amoi 
Ingressusque  sui  celebrata  per  ostia  portus 
130    Praeuertit  conctos,  ut  te  amplectatur,  amicos, 
Et  sua  praeteriens  iam  iam  tna  limina  pulsat!' 
Credimns?  an  qni  amant  ipsi  sibi  somnia  fingunt? 
VALE  FELIX  OPTATISSIME. 

126  Hebromagi  Pb  hebr/omagi  (e  eras.  et  infra  pr.  m.  add.  q* 
ebromagi)  V  Ebromagi  SF  j  fratris  V  127  inreditmr  F  y.  128  deest 
P,  non  deest  VSF  |  conspecnta  Y  \  adnertitar  S  obuertltnr  VF?  |  afini  Y 

o 

129  caelebrata  S  celebrata  VF  colebrat  P  |  ostia  SF  hostia  VP  |  partes 
S  portur  F  129  sie  Sb  at:  Totum  occnrsantis  popnli  praeuertdtar 
agmen  YP  (occursantes  P)  181  Et  saam  praeteriens  o  Et  sapra  eteriens 
P  recte  Y  iam  semel  S  132  an]  a  et  n  ss.  al.  Y  132  somnia  VF 
"omnia  S    omia  P  |  Finit  epFa  P. 

Ich  bin  hier  leider  fOr  die  Sammlung  des  Paulinus  auf  den 
PuteanuB  beschränkt  gewesen,  und  gebe  nicht  blos  zu,  sondern 
spreche  es  als  sicher  aus,  dass  die  Abwesenheit  des  ganzen  Theils 
V.  38 — 122  nur  auf  einem  Missgeschick  beruht,  welches  glücklicher- 
weise die  Brüsseler  Hds.  nicht  mit  betroffen  zu  haben  scheint.^'^)  In 
dem  vorausgehenden  wie  folgenden  Theile  aber  zeigt  der  Text  eine  so 
verschiedene  Fassung,  dass  wenn  irgendwo  hier  die  Annahme  einer 
zweifachen  Bearbeitung  durch  denselben  Yerfasser,  das 
eine  Mal^  da  Ausonius  das  Schreiben  dem  Freunde  übersandte,  in 
welcher  Gestalt  es  in  des  Freundes  Werken  Aufnahme  fand  —  das 
andre  Mal,  da  Ausonius  vergeblich  der  Antwort  des  Freundes  har- 
rend in  tiefer  Oemüthsbewegung  diesen  Herzenserguss  erneuter 
Durchsicht  würdigte,  gegründet  erscheint ***) 

Dass  auch  die  Briefe  des  Paulinus  an  Ausonius  einer 
späteren  Bearbeitung  seitens  des  Yerfsiissers  unterzogen  worden  sind, 
darauf  führt  in  unseren  Hss.  keine  Spur. 

Nach  ihrer  Aufnahme  in  die  beiderseitigen  Sammlungen  sind 
sie  aber  verschiedene  Wege  gegangen,  haben  verschiedene  Schick- 
sale gehabt,  sind  verschiedenen  Yerderbnissen  ausgesetzt  gewesen. 

*»)  Der  Uebergang  von  v.  37  zu  123  wäre  gar  zu  schroff.   Die  An- 

Sben  PoelmannB  aus  seinem  Yetas  Gandavensis  lassen  anch  erkennen, 
SB  hier  (d.  h.  im  heutigen  Bruxellensis)  mit  v.  103  ein  neuer  Brief  oder 
eine  neu  anhebende  Fortisetzung  wenigstens  des  Briefes  XXIV  mit  neuer 
Anrede  beginnt  wie  im  Yossianus.  —  *'*)  XXIY  v.  5  Fabula  etc.  wird 
nur  durch  Zufall  in  der  Yorlage  von  YP  aus^e&Uen,  nicht  von  Anso- 
niu8  später  getilgt  sein.  Paunnus  II  46  bezieht  sich  übrigens  darauf. 
Die  übrigen  Beziehungen  des  Paulinus  auf  diesen  Brief  in  seinem  zweiten 
Briefe  werden  sämmtlich  in  der  Fassung  des  Pnteanus  wiedergefunden 
(XXIY  1  —  II  30;  28  —  31;  31  —  8  und  42).  Zugefügt  ist  später  v. 
6—19,  weggelassen  81 — 87;  bedeutende  Zeichen  der  Umänderung  liegen 
in  20  f.,  123,  ISO. 


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880  B.  Peiper: 

Dass  solche  Yerderbnigse  schon  in  den  alten  Exemplaren  dieser 
beiden  Ausgaben  durch  Zuziehung  von  Hdss.  der  anderen  Sammlung 
corrigirt  worden  sind,  dafür  findet  sich  kein  sicherer  Anhalt;  die 
Möglichkeit  war  da:  denn  beide  Ausgaben  werden  wir  beim 
Schreiber  von  F  in  einer  Hand  finden  s.  S.  335  f.  Aber  auch  er 
scheint  an  eine  Besserung  durch  Yergleichung  nicht  gedacht  zu  haben. 

Daraus  folgt,  dass  wenn  wir  Uebereinstimmung  zwischen 
beiden  Ausgaben  finden,  diese  bei  Constituirong  des  Textes  fCLr 
uns  massgebend  sein  muss.  Dieser  Consensus  wird  da  anzunehmen 
sein,  wo  S  mit  einem  Vertreter  der  anderen  Ausgabe,  sei  es  P  oder 
V  +  P  dieselbe  Lesart  gibt.**') 

Es  gibt  aber  gewisse  Dinge,  in  denen  dieser  Consensus  freilich 
ohne  Bedeutung  sein  kann,  das  sind  selbstverständlich 

1)  Orthographica.  Wer  würde  dem  Paulinus  die  Form 
mallis  Schuld  geben,  die  wir  P  241  in  allen  Hdss.  finden?  Wer 
würde  meinen,  Ausonius  selbst  habe  Boetia  für  Boeotia  ge- 
schrieben (XXV  73)  oder  rethor  P  37  u.  a.?  Diese  Formen  sind 
Gemeingut  geworden  aus  der  vulgaren  Aussprache  für  Alle.  So 
würde  Paulin.  11  7  melle,  selbst  wenn  auch  V  dafür  eintreten 
sollte  (ich  habe  aus  ihm  keine  Abweichung  von  melli  angemerkt), 
dennoch  gegen  den  Dativ  mit  i  ohne  Weiteres  zu  vertauschen  sein^ 
wenn  nicht  admiscere  so  häufig  mit  dem  Ablativ  verbunden  würde. 
So  wird  P  113  reducis  SVF  als  reduces  gelten  müssen,  selbst 
wenn  P  nicht  letzteres  gäbe. 

2)  Es  dürfte  schwerlich  dem  Schreiber  oder  den  Schreibern, 
welche  Paulinus  mit  den  Abschriften  aus  seinem  Concept  oder  mit 
dem  Nachschreiben  seines  Dictats  betraute,  gelungen  sein,  dies  Werk 
ohne  Flüchtigkeitsfehler  zu  vollführen.  Jn  einer  so  langen  Epistel, 
deren  Verständniss  theilweis  recht  schwierig,  mag  mancher  kleine 
Irrthum,  der  uns  durch  beide  Becensionen  überliefert  wird,  darauf 
zurückzuführen  sein.  Warum  nicht  z.  B.  P  264  parentem  für  pa- 
rentum  in  SP  durch  das  vorangehende  decet  veranlasst,  oder  239 
der  Ausfall  von  si  zwischen  illustris  und  seribere  in  SP,  258  Mate-- 

*'•)  P  ist  trotz  der  Nachlässigkeit,  mit  der  er  Lesarten  cormmpirt 
und  nicht  selten  Verse  auslässt,  dennoch  ein  Hauptvertreter  dieser  Aus- 
gabe. Aus  uncialer  Vorlage  ist  er  sicher  abgeschrieben,  wie  schon 
r<^  12  et  flandis  statt  et  e  blandis  darthnn  kann.  In  vielen  Stellen  be- 
zeugt er  seine  Verwandtschaft  mit  der  älteren  Vorlage  von  V  und  F 
P  54  induendo  P  induendos  F  induendus  VS  66  inter  PF  in  S  inter 
oder  in  fehlt  V  69  pigrii  PV  ^28  petere  fönte  PVF.  Die  letzte  Stelle 
zeugt  von  dem  in  P  nicht  seltenen  Versuch,  den  fehlerhaften  Text  les- 
bar zu  machen;  denn  das  unmetrische  nemoribns  hat  P  in  nemore  um- 
gewandelt. Verwandt  damit  sind  Textändernngen,  wie  P  38  nnbilant] 
nubilent  wegen  des  falsch  verstandenen  Quamuis.  Jene  Stelle  P  28  ist 
zugleich  ein  beweis,  dass  sich  im  Archetypus  doppelte  Lesarten  oder  Glossen 
vor&ndea.    So  findet  sich  P  249  uiret]  uiueret  m  F,  wo  P  ueret  liest,  der 

Archetypus  also  wohl  ueret  hatte.   An  einigen  Stellen  hat  uns  P  allein  das 
richtige  erhalten,  P  77   Sine  P   Ne  V   Sic  SF. 


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Die  handschrifU.  Uabierlieferong  des  AusoninB.  881 

ria  praebente  loco  für  Maieriam  pr.  L,  P  29  aliam  mentem  (Itbr  alia) 
gpSM^^  273  mutatus  fttr  rnntatur,  PaoL  11  89  Snstmeat  ftlr  Su&ti- 
neant  in  YS?  Die  Yoraassetzang,  dass  jene  Abschriften^  selbst 
wenn  Paulinns  sie  eigenhändig  gefertigt,  ohne  solche  kleine  Fehler 
aus  seiner  Hand  gekonnnen,  widerspricht  jedenfalls  aller  practischen 
Er&hmng.  Indessen  lassen  sich  solche  Fehler,  zu  denen  ein  augen- 
blickliches MissyerstSndniss  der  Worte  den  nnr  auf  das  Nächste  ge- 
richteten Sinn  veranlasst,  auch  selbständig  von  einer  Reihe  von  ein- 
ander unabhängiger  Schreiber  begehen. 

8)  Jeder  mit  Hdss.  Yertraute  weiss,  dass  dieselben  Yersehen 
ewig  und  ewig  in  ihnen  wiederkehren,  dass  dieselben  nicht  blos 
Schreibern  möglich,  sondern  allen  geläufig  waren,  gerade  wie  die 
Orthographie  ihrer  Zeit.  Die  stehend  gewordenen  Yertauschnngen 
von  num  mit  non,  quid  mit  quod,  Nonumquam  mit  Nonnum* 
quam  gehören  hierher  (wie  auch  Paulin.  11  10  Non  numquam  SP). 
Die  Kritik  hat  mit  ihnen  zu  rechnen, 
non  statt  num  I®  248 

an  statt  anne  P  239  von  Heinsius  gebessert.  Möglich  dass  hier 
P  wie  in  einigen  Fällen  aus  eigener  Initiative  denYers  ver- 
vollständigt hat,  indem  er  mi  domine  statt  o  domine  schrieb. 
Aehnliche  Yersuohe  in  P,  eine  leiohtere  Lesart  zu  gewinnen, 
werden  wir  zu  P  129,  193,  11  21  besprechen 
quod  enim  för  quid  enim  PauL  P  43  (S  YF) 
est  für  eiit  besonders  am  Yerssohluase:  PauL  P  100.  Ygl.  femer 
P  27  Fandi]  Fundi  Y'  S     P  77  Sine]  Sic  SP. 

Solche  Kleinigkeiten  abgerechnet  werden  wir  schwerer  wie- 
gende Fehler  selbst  in  geringer  Anzahl  in  dem  Consensus  der  bei- 
den Ausgaben  nicht  finden  dürfen. ''^) 

Auf  der  einen  Seite  tritt  nun  fOr  die  Paulinus-Ausgabe  zu- 
n&(di8t  nnr  S  ein,  auf  der  andern  Seite  für  die  Ausonius- Ausgabe 
habe«  wir  PYF.  Der  Werth  von  F  wird  sich  weiterhin  als  ver- 
hältnissmässig  unbedeutend  herausstellen;  der  von  P  ist  nach  dem, 
was  in  früheren  Theilen  der  Abhandlung  mitgetheilt  worden  ist,  ein 
riel  höherer,  und  selbst  Y  muss  ihm  oft  weichen.  Wir  können  hier 
feststellen,  dass  schon  wo  P  allein  mit  S  geht,  der  Consensus, 
dessen  wir  bedürfen^  vorhanden  ist,  und  dass  an  solch^i  Stellen  Y 
alle  Autorität  einbüsst.    Beispiele: 


**^  Wozu  die  Erinnerung  an  die  bekamite  Stelle,  die  dem  Paulinus 
▼ondiwebte,  gefttirt  hat,  (Von  Yinet  angefflbit);  in  Terenz  Andria 
sagt  Bimo:  Konc  hie  dies  aliam  oiiam  offert,  ahos  mores  postulat.  — 
''^  Kämen  sie  in  grösserer  Zahl  vor,  so  würde  nicht  einmal  der  Aus- 
weg ofien  stehen,  eine  Contamination  beider  Ausgaben  durch  Eintragen 
von  Lesarten  der  anderen  Ausgabe  anzunehmen;  denn  welcher  Schreiber 
hätte  den  Text  dnioik  schwierige  Lesartea  sich  gern  verdwben. 

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332  B.  Peiper: 

P  269  Condatmo  SP  Conlatino  VF 
P  178  haec  Ulis  aedisse  sententia  gibt  hier  S  falsch 
h'  .  .  .  Ulis  sententia  P 
P  also  Iftsst  ein  Wort  ans  yor  iUis,  nnd  man  darf  nicht  zweifeln, 
dass  dies  das  durch  S  angedeutete  Sedisse  gewesen  ist,  dem  nun  die 
rechte  Stellung  angewiesen  wird«   haec  illis  aedi  sententia  geben  VF. 
P  201  durch  den  Yossianus  hat  man  sich  hier  gewaltig  düpiren 


aut  quid  in  istis 
improbitas  aliena  nocet. 
So  ist  mit  SP  zu  lesen:  in  istis  d.  h.  in  istis  studiis.    honestis  VF 
gibt  einen  kläglichen  Sinn. 

Wir  sind  verpflichtet,  wenigstens  die  Hauptstellen,  wo  der 
Consensus  beider  Ausgaben  klar  ist  und  die  eingeführten  Aende- 
rungen  als  unzulässig  erweist,  anzuführen. 

Paulin.  P  54  induendus  induit  SV  (induendos  F  und  induendo  P 
gehen  auf  denselben,  im  Archetypus  der  Ausonius- Ausgabe 
vorhandenen  Fehler  zurück) 
Paulin.  P  114,  115  alle  Hdss.: 

Surda  uocas  et  nulla  rogas  (leuis  hoc  feret  aura, 
qubd  datur  in  nihilum)  sine  numine  nomina  Musas. 
Paulin.  P  138  istic  alle  Hdss. 
Paulin.  P  143 

Mens  noua  mi,  fateor,  mens  non  mea;  non  mea  quondam^ 
Sed  mea  nunc  auctore  deo. 

(me  vielleicht  in  P,  non  mea  einmal  in  PF.) 
Das  mag  ja  nicht  gerade  schön  und  geschmackvoll  ausgedrückt 
sein:  dem  guten  Geschmack  aber  hat  Paulinus  wahrlich  in  diesem 
Product  seiner  Muse  nicht  gehuldigt. 

Paulin.  P  129  quid  me  accusas?  si  displicet  actus 

quem  gero  agente  deo,  prius  est  si  fas  reus  auctor. 
So  scheint  S  zu  geben:  trotzdem  wage  ich  die  Stelle  hier  auf- 
zunehmen ^  ich  sehe  vorläufig  dies  si  fas  als  eine  Interpolation  des 
bez.  Exemplars  der  Paulinus-Ausgabe  an.  prius  est  fiat  deus  auctor 
bietet  dafOr  die  andre  Ausgabe  VFP  und  zwar  der  letztere  dem  Sinne 
nach  ganz  richtig:  prius  est  ut  fiat.  prius  est  ut  ist  formelhaft^  vgl. 
Aulularia  p.  20,  27  (prius  est  ut  hae  pateant  ipsaque  sese  tellus 
aperiat,  quam  ut  tu  exdudas  uel  submoueas  quod  mutari  non  potest, 
sagt  der  Lar  zum  Querulus).  Paulinus  verlangt,  dass  wie  bei  einer 
Rechtssache  vorgegangen  werde:  Mu  müsstest  zunächst  Gott  die 
Schuld  geben';  er  will  meines  Bedünkens  nicht  sagen:  Gott  ist  der 
Angeklagte. 

V.  193  lautet  jetzt: 

Nee  mihi  nunc  patrii  est  ut  uis  obliuio  caeli. 

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Die  handsohrifiil.  Ueberlieferong  des  Ausonius.  333 

Das  ist  die  Lesart  von  P,  aber  VF  nnd  S  geben  übereinstimmend 

Nee  mihi  ntmc  patrii  est  uisa  obliuio  caeli, 
nnr  dass  S  patri  giebt  und  V,  der  von  erster  Hand  den  Vers  am 
unteren  Rande  hat,  est  hinter  uisa  wiederholt;   hier  hat  P  das  ut 
wenigstens  conservirt,  das  uisa  (sc.  est)  in  uis  geändert.    Paulinus 
aber  schrieb: 

Nee  piihi  nunc  patrii  est,  ut  uisa,  obliuio  caeli. 
Paulin.  n  21    Quo  rumore  pium  facilis  tibi  fama  per  aures 
Inrupit  pepulitque  animum. 
So  VF  wie  auch  S  (P  scheint  pias  zu  haben),  d.  h.  fama  tibi 
inrupit  pium  animum  eumque  pepulit. 

Paulin.  P  202  quid]  quod  VPFS;  das  ist  hier  ganz  richtig  (vgl. 
Auson.  XXV  51  f.).  Hinter  207  ist  statt  Fragezeichen  Colon 
zu  setzen  und  kein  Alinea:  selbst  in  Wiederholung  einzelner 
Worte  und  Begrifife  zeigt  sich  die  Erwiderung  auf  jenen  Vor- 
wurf (Vascone  saltu  212,  hospite  215).  Der  sicherste  Be- 
weis bleibt  die  erst  durch  Avantius  Aenderunff  (Num  in  Non) 
getilgte  Frageform  v.  209  f.,  womit  man  quod  —  an  v.  221, 
226  vergleiche. 
Paulia.  P  221  in  euersis  .  .  .  Hiberis  VPFS  (nicht  in  auersis): 
Paulinus  bezieht  sich  auf  Auson.  XXV  58  f. 

Aut  quae  deiectis  iuga  per  scruposa  ruinis 
arida  torrentem  Sicorim  despectat  Hilerda. 
Paulinus  nennt  gleich  darauf  coUem  iacentis  Hilerdae.    Was 
Ausonius  durch  arida  bezeichnete  (v.  59),  gibt  Paulinus  222  durch 
deserta  wieder,  wozu  Ausonius  XXV  69  veranlasst  haben  kann. 

P  232.  Die  Hdss.  geben  cui  nur  einmal:  Paulinus  hatte  hier 
die  Form  Barcinus  mit  langem  i  gebraucht,  vielleicht  geradezu 
Barcinnus,  wie  P  gibt***),  geschrieben.  In  S  wurde  die  gewöhn- 
lichere, noch  von  Ausonius  ep.  XXV  angewendete  Form  Barcino  (zu 
der  ep.  XX,  1  Barcinonensis  gehört)  eingesetzt  und  der  Fehler  war  da. 
Durchaus  überflüssige  Aenderungen  wurden  in  P  250, 251  (heu 
deuenisse  und  fano  in  huc  deuexisse  und  panno),  femer  314  (aere 
in  agmine)  vorgenommen. 

Femer  wird  die  Schreibung  des  StSdtenamens  Birbilis  P  231 
XXV  57  nach  diesem  Consensus  festzusetzen  sein,  ebenso  I^  260 
Baraunum,  und  etwas  Wesentliches  wird  sich  selbst  P  248  gegen 
die  arenosas  Vasatas  nicht  einwenden  lassen,  zumal  ein  blosser 
Schreibfehler  in  S  sicher  nicht  vorliegt,  wo  has  harenosas  steht 


^')  Bosweyde  gibt  hier  durch  die  Schreibung  Barcinnus  zu  erkennen, 
daas  er  bereits  P  gekannt  und  benutzt  hat.  —  Dass  in  geographischen 
Namen  PauHnns  ein  Abgehen  vom  gebränchlichsten  nicht  scheut,  zeigt 
ja  auch  Betis  P  236.  Denn  man  wird  doch  wohl  dem  Aenderongs-Vor- 
Bchlag  Muratoris  'Qua  Baeti  0.  T.  que  a.  Hibero'  nicht  beistimmen. 


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384  B.  Peipert 

Ob  P  127  uotis  .  .  noBtri  statt  uotis  •  .  uostris  zu  halten? 
Y.  235  f.  finde  ich  eher  Schwierigkeit,  wenn  beide  Verse  mit  Qua 
beginnen,  als  wenn  im  ersten 

urbes 
quas  geminum  felix  Hispania  tendit  in  aequor, 
geschrieben  wird. 

Ernstlichen  Schwierigkeiten  begegne  ich  nur 

Communique  deo  uentura  in  saecula  rebus 
Expectare  trucem  securo  pectore  mortem; 
Man  kanns^  weder  dem  Yinetus  noch  irgend  wem  verdenken,  der 
gesteht  *hoc  equidem  quid  sibi  uelit  non  intelligo'.  Jenes  Communi 
gibt  S  Communes  VF:  die  ersten  beiden  Silben  also  wSfen  durch 
den  Consensus  gesichert  und  gegen  C.  Barths  sich  sonst  empfeh- 
lende Conjectur  Gommissisque  geschützt.  Kann  der^  welcher  sich 
in  den  Willen  Gottes  fügt,  sich  in  Gott  versenkt,  Communis  deo 
genannt  werden  ?  Schwerlich !  r  e  b  u  s  (der  geschafPenen  Welt)  könnte 
man  ja  allenfalls  von  uentura  abhängig  machen.  Ich  glaube,  es 
wtlrde  füglich  erlaubt  sein  zu  schreiben: 

Commune mque  adeo,  uentura  in  saecula,  rebus 
Expectare  trucem  securo  pectore  mortem. 
Ciceros  Wort  (de  sen.  c.  18)  ^omni  aetati  mors  est  communis^  könnte 
wohl   Communem  rebus  mortem  nicht  uneben   erscheinen  lassen, 
obiit  . . .  morte  communi  bei  Eutropius  7,  8  kommt  schliesslich  auf 
dasselbe  hinaus. 

Dazu  kommt  213 

si  (oder  sie)  Vascone  saltu 
Quisquis  agit  purus  sceleris  uitam,  integer  aequo 
NuUa  ab  inhumane  morum  contagia  ducit. 
integer  wie  purus  sceleris  sind  dem  Horaz  C.  I  22, 1  entlehnt.  Viel- 
leicht liegt  hier  nur  ein  kleiner  Fehler  aequo  statt  aeque  vor,  der 
sich  ja  wohl  mit  dem  oben  Gesagten  irgendwie  entschuldigen  Hesse: 
^gerade  wie  in  Bordigala  und  anderen  cultivirten  6egenden^ 

Endlich  I®  268.  Paulinus  geht  oft  scharf  gegen  Ausonius  los, 
aber  so  vergisst  er  nirgend  alle  Achtung,  dass  man  ihn  das  dürfte 
sagen  lassen,  was  jetzt  in  den  Ausgaben  steht:  hoc  . .  mens  patris 
. .  haerescere  cordi  Non  sinat  ut  utügus  scaeuo  rumore  malignum. 
Hüft:  scheint  doch  durch  den  Consensus  Aushilfe  geboten,  welche  e  t 
statt  ut  gibt.  Man  setze  also  Punkt  nach  sinat  und  tilge  mit 
Heinsius  den  Punct  hinter  malignum.  Man  hat  offenbar  sich 
beeinflussen  lassen  durch  eine  falsche  Deutung  des  Ausdrucks  cri- 
men habet,  welchen  man  in  dem  Sinne  wie  er  bei  Tibull  I  6,  41 
vorkommt  (ne  possit  crimen  habere)  fasste,  statt  das  Synonym  von 
crimini  dat  darin  zu  erkennen.  Vgl.  Cicero  de  nat.  deor.  HI  22,  56 
Mercurius  . .  •  quartus  Kilo  patre  quem  Aegyptii  neias  habent  no- 
minare. 


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Die  handfichriftl.  Ueberliefenmg  des  AuBonius.  335 

Der  Schreiber  Yon  F  hat,  um  hier  den  oben  S.  330  bereits  ange- 
deuteten Ptmct  zn  erledigen,  seine  Anordnung  sicherlich  der  Yossianos- 
Becension  entlehnt  ^  die  Texte  aber  nicht  in  gleicher  Weise. 

1)  F  geht  mit  V  gegen  den  Pateanus  (S)  in  Brief  XXIV 
(er  enthält  nnr  ¥.103^132),  in  Panlinus  I  B  (vgL  die  Inscriptio, 
ferner  v.  28,  101  u.  a.),  Panlinus  P  (vgl  v.  129  n.  a.)  und  IL 
Und  zwar  ergibt  sich^  besonders  aus  dem  letzten  Briefe  ganz  schla- 
gend, engste  Verwandtschaft  nicht  blos  mit  der  Becen- 
sion,  sondern  mit  dem  vorhandenen  Exemplar  Voss.  111; 
wenn  man  die  Abwesenheit  der  Verse  49 — 68  anders  erklftren 
dürfte  (was  ich  nicht  glaube),  so  weist  doch  üebereinstimmung 
zwischen  diesen  beiden  Exemplaren  allein  in  orthographicis  wie  in 
irrthOmüchen  Lesarten  deutlich  darauf  hin;  24  magis  fdr  natis,  31 
ne  für  nee,  37  uiuuma  für  uiburna,  44  resoluet  für  resoluii  Und 
wo  die  erste  Hand  von  V  verdunkelt  ist,  Iftsst  F  sie  uns  genau  er- 
kennen: 36  aedona  parrae,  45  nostra  fUr  longa,  was  gleichÜEdls  nur 
diesen  beiden  Exemplaren  eignet. 

Ich  lasse  ein  vollständigeres  Verzeichniss  der  Stellen  folgen,  woV 
imd  F  zusammen  stinmien  der  Lesart  von  S  P  gegenüber.  (In  I*  fehlt  S.) 

1*  5  cum]  quam  (in  der  Lesart  comxmi  P  liegt  offenbar  cum) 
9  multa  modis  9  querellis  V  querillis  F  13  regenda  V^F  (v.  13 
s.  fehlt  in  P)     15  praecurret 

I^  [Inscriptio:]  Ausonio  Panlinus  28  petere  fönte  nemoribus 
(petere  fönte  nemore  P  petere  e  nemoribus  S)  62  uitae  V^F 
77  auta     95  auctus     101  amens 

n  5  iaces  V^F  7  absintia  V^  absentia  F  24  natis]  magis 
31  nee]  ne  36  cicnis  V*P  37  uiuuma  V^P  39  iungor  44  re- 
soluet    45  nostra     49—68  fehlen 

P  103  trietheride  106  querellis  V  quaerillis  F  123  omnia 
125  qni  —  qui  127  nostris  150  credes  156  Non  enim  V^F 
156  sed]  est  (sed  fehlt  P,  S  ISsst  mehrere  Worte  'aus)  170  di- 
sperantibus  178  illis  edi  sententia  (aedi  V*)  124  scopolis  V*F 
233  dispectans  V^F  247  altae  259  co^latino  V«  (V*  vielleicht 
cölatino)  conlatino  F  278  Ad  285  sancsit  V^F  (285-- 331 
fehlt  P)  293  Et  nisi  311  leuis  V*P  316  acris  322  obscurae 
trisüa  (tristitia  irrthtbnlich  F)     330  diuitae  V^  (wie  es  scheint)  F. 

Jedoch  kann  F  nicht  aus  V^  direct  abgeleitet  sein,  denn  oft 
genug  sehen  wir  letzteren  in  Lesarten  (die  wir,  wenn  wir  vorar- 
tlieilsfrei  an  die  Kritik  gehen,  aber  doch  diesen  Verhältnissen  Bech- 
nung  tragen,  als  interpolirte  erkennen  werden)  von  der  Gruppe 
SPP  sich  sondern;  so  z.  B.  P  124  f.  in  einer  besonders  hervor- 
stechenden Stelle. 

119    8i  tibi  cura  mei  reditus,  illum  aspice  et  ora, 
Qni  tonitru  summi  quatit  ignea  culmina  caeli, 
Qui  trifido  igne  micat  nee  inania  murmura  misoet, 
Quique  saiis  caelo  soles  largitnr  et  imbres,  — 


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336  B*  Peiper: 

vom  alliuftclitigen  Gott  ist  die  Bede,  wie  doch  wohl  Niemand  be- 
zweifeln wird;  die  Fortsetzung  aber  lautet  in  der  Vulgata: 

123  Qui  super  omne  quod  est  nel  in  omnia  totus  ubique 

124  Omnibus  infusus  rebus  regit  omnia  Christus. 

125  Qui  mentes  tenet  atque  mouet^  qui  tempora  nostra 
Et  loca  disponit 

Damach  hätten  wir  uns  also  gewaltig  getäuscht  Oder  viel> 
mehr  der  Dichter  hätte  mit  uns  seinen  Scherz  getrieben.  Schätzen 
wir  aber  die  üeberlieferung  nach  den  bisher  gesanunelten  Er- 
fahrungen ab,  so  ergibt  sich  eine  stufenweis  fortschreitende  Inter- 
polation, infiisus  XP^  üt  Lesart  des  einzigen  V:  infuso  christo  geben 
SPP:  sie  lassen  also  den  Dichter  von  Gott  reden.**')     Wie  kam 

V  zur  Aenderung?  sie  war  mit  dem  folgenden  Qui  —  qui  —  ge- 
geben (VF),  wofür  noch  SP  richtig  Quo  -—  quo  —  haben.  In 
omnia  (v.  123)  ist  nun  gleichfidls  eine  Textverschlechterung,  die 
VF  verdankt  wird;  dem  omnia  des  folgenden  Verses  verdankt  sie 
ihren  Ursprung;  SP  geben  in  onmi.    Diese  Verse  lauten  also: 

Qui  super  omne  quod  est,  uel  in  omni  totus  ubique, 
Omnibus  infuso  rebus  regit  omnia  Christo, 
Quo  mentes  tenet  atque  mouet,  quo  tempora  nostra 
Et  loca  disponit 
2)  F  schliesst  sich  an  den  Puteanus  an  im  Gegensatz  zu 

V  in  ep.  XXIII  (vgl.  v.  3,  22,  27  f.,  34,  subscriptio)  in  ep.  XXV 
(inscr.  12,  14,  16,  4  9,  69,  70,  72  u.  a.). 

Dem  Gründer  dieser  Excerptensammlung  haben  also  offenbar 
beide  Becensionen  vorgelegen:  die  Veranlassungen,  aus  der 
Paulinus -Sammlung  den  einen,  den  andeiii  Theil  aus  der  Ausonius- 
Sammlung  zu  entnehmen,  mögen  ganz  zufällige  gewesen  sein.  Wenn 
F  gerade  mit  den  Stücken,  die  er  aus  der  Paulinus-Becension  ent- 
lehnt, die  Sammlung  eröfhet:  so  hängt  das  vielleicht  mit  dem  Aus- 
fall von  XXIV*  zusammen:  seiner  Vorlage  fehlte  XXV  und  XXIV*, 
die  in  V  diese  Correspondenz  eröffnen.  Indessen  hier  sich  den  Kopf 
zu  zerbrechen  ist  in  der  That  unfruchtbar. 

Aus  der  Au  sonius- Sammlung  sind  nun  auch  die  beiden  Ora- 
tiones  entlehnt,  die  des  Ausonius  so  gut  wie  die  des  Paulinus,  von 
denen  die  eine  durch  die  andre  hervorgerufen  ward:  darum 
dürfte  eine  Sammlung,  die  das  Verhältniss  dieser  beiden  Männer 
betraf,  keine  von  beiden  missen. 

Offenbar  ist  es,  dass  der  Sammler  vom  Nachlasse  des  Ausonius 
keine  Ahnung  hatte;  er  würde  uns  sonst  die  von  diesem  überliefer- 
ten Briefe  des  Ausonius  schwerlich  vorenthalten  haben. 

In  F  aber  stehen  noch  einige  andre  Gedichte  des  Paulinus,  die 
mit  Ausonius  nichts  zu  thun  haben,  gleicherweise  hinter  den  Frag- 


''^  Vgl.  V*  46  f.  deum  quem  nemo  nifti  in  Christo  nidet. 

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Die  bandschriftl.  UeberliefernDg  des  Ansonias.  337 

menten  des  Technopaegnion  in  ood.  Paria.  2772  (p)  und  zwar  hier 
grade  das  Nicetaa-Gedicht  nebst  den  beiden  Psalmen  1  u.  136  (Paulini 
c.  XVII,  YII,  IX).  Hat  ein  und  derselbe  Sammler  aas  derselben  Quelle 
sie  zusammengetragen?  oder  haben  dieselben  sich  hier  nur  zuföllig 
zu  jenen  gesellt?  Wenn  eine  Vergleichung  der  Texte  dieser  Stücke 
in  F,  p  und  S,  die  ich  leider  nicht  habe  anstellen  können,  bedeu- 
tendere Abweichungen  ergebe,  könnte  man  vermuthen,  dass  die 
andern  ebenso  wie  die  auf  Nicetas  und  Oestidius  bezüglichen  Ge- 
dichte in  dem  Archetypus  des  Yossianus  gestanden  haben,  dass  also, 
wie  gelegentlich  der  yom  Auetor  de  dubiis  nominibus  erhaltenen 
Fragmente  angenommen  wurde,  der  Vorfahr  des  Vossianus  einst 
mehr  enthalten  als  wir  heut  in  V  finden. 

Von  den  Episteln  an  Gestidius  möge  die  Ab]¥eichung  des  Vos- 
sianus Yom  Migneschen  Texte  ^^),  von  dem  an  Nicetas  der  ganze 
Vossianische  Text  zu  nftherer  Vergleichung  mit  den  Paalinus-Hdss. 
mitgetheilt  werden.  Für  das  letztere  Gedicht  ist  mir  die  yoUstftn- 
dige  üeberlieferung  bisher  unbekannt  geblieben:  dieselbe  wird  doch 
wohl  auch  auf  den  Archetypus  des  Vossianus  zurückzuführen  sein. 

Die  beiden  Episteln  des  Paulinus  werden  ins  Jahr  393  gesetzt; 
das  Gedicht  an  Nicetas  in  den  Sommer  398.  Die  Grundlagen  dieser 
Berechnung  bin  ich  jetzt  nicht  in  der  Lage  zu  prüfen.  Immerhin 
wird  darauf  zu  achten  sein,  ob  daraus  für  die  Lebensdauer  des  Auso- 
niuSy  oder  wenn  das  nicht,  für  den  Abschluss  der  im  Archetypus 
des  Vossianus  enthaltenen  Sammlung  ein  Moment  zu  gewinnen  ist. 
_    p.  437  Migne    Voss.  111  f.  36B  coL  2     iNcipnjNT  bopistolab 

6CI  PAUUNI  I  DNÖ   MERITO    SUSPICIENDO    OESTIDIO  |  PAULINUS  |  Iniuria 

u.  8.  w.       4  habundanti  |  pra^bere      5  aput      6  conloq.  |  aliqui^ 

8  hcedulaf    a  ss.,  d  in  a  al.  c.  (facetulas) 

438,  4  uidea//tur  n  eras.  6  pra^dam  6  riire  unklar  |  dum. 
insume  und  dann  m  mre  m.  s.  XVI  marg.  7  fihcif 

439,  7  tabella^      8  pra^lata  sagina^  9  iubat 

Es  folgt:  Item  alia  ad  quem  super  2  quaf  4  lituf  6 
mirof  und  direptof  7  ffondiluf  9  »=  f.  36  ß^  a^quoreo  10 
prafdulce. 

f.  36B^  coL  1    It  epistola  sei  paulini  ad  nicetam  BPiöic 

1    lamne  —  abis  et  nos  properans  relinquis 
See  niceta  neque  nos  relinquis 
Semper  adnexa  sine  fine  tecujm 
4  Mente  futuros. 

18    Omnis  et  terra  et  populi  beati 
Quos  modo  a  nobis  remeans  sulibis 


*^  Patrologiae  cmnuB  i  LXI  p.  487  ff. 

Jahrb.  1  oImm.  PhiloL  SnppL  Bd.  XI.  22 


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338  R.  Peiper: 

Quos  tuo  accedens  pede  uisitabit 

Christus  et  höre 
Ibis  auctoVes  proctil  usque  Dacos 
Tbis  Epiro  gemina  uidendas 
Et  per  egeos  penetrauis  a^stus 
20  Tessalonicen 

Apulis  sed  nimc  uia  prima  terris 
Te  uehet  longo  spatiosa  piano 
Qua  uenusino  medicata  flagrant 

Vellera  fuco 
26    Ast  ubi  paulum  uia  proferetur 

Deprecor  mites  tibi  Christus  a^stus 
Et  leues  pire  sine  nube  siccis 

Aura  calabris 
29    Sicut  antiqui  manibus  profeta^ 

Per  sacramentum  crucis  unda  misso 
Deleuit  ligno  posuitque  tristes 

Mirra  licores 
33    Sic  tibi  ca^lum  modo  temperetur 
Et  leue  Sudans  tenuatus  a§r 
Flatibus  puris  placide  salubres 

fpiret  in  auras 
col.  2       87    Qui  seiet  flatu  grabis  exque  lustris 
Anguium  tetros  referens  odores 
Soluere  in  moruos  tumefacta  crassö 
40  Corpora  uentre 

4t — 66  deBont 

57  Perge  nicaeta  bene  qua  recursus 
Prosperos  aristo  oomitante  ducis 
Ponec  optato  patriam  ueharis  ' 

Lotus  ad  urbem 
61 — 68  desunt 

69   Et  quia  spes  iam  rapitur  tenendi, 
Yrguet  affectus  placitis  fauere 
Iam  uias  illas  licet  oderimus 

Quae  rapiunt  te. 
» 
78    Odimus  quamuis  sed  easdem  ammus 
Odimus  quod  te  retrahunt  amamus 
Quod  tuum  nobis  procul  attulerunt 

Cemere  uultum. 

16  h  eras  19  penetrabis  al.  m.  28  ^canusino  C  m.  b.  XVI  mg. 
26  'Det  precor  C  27  'leuifl  C  34  Tudet  C  86  £  al.  m.  in  ras.  Ex  eraso  ? 
89  a  in  b  al.  c.    67  nicaeta]  a  aL  deL    78  a  pr.  uf 


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Die  handBcfarifti.  Ueberlieferang  des  Aasonias.  339 

77    Qnas  per  ad^tricti  superante  amore 
Nunc  tibi  stemi  faciles  prafcamur 
Pra^nio  ferris  pelagoque  summi 

Nomine  xpi 
81    Qui  tibi  factis  iter  omne  campis 
Arduos  montes  deprimat  causasque 
Impleat  ualles  salebras  ada^quet 

iungat  iatus 
86    Te  per  id//rontam  lepiasque  uectam 
Innube  fratrum  simol  et  sororom 
Ambient  uno  dominum  canentes 

ore  caterua^ 
89—100  deeimt 

101    Ante  iam  terris  subennte  ponto 
Stratus  adria^  sinns  obsequetar. 
Vnda  proctimbet  zefiroque  leni 

Yela  tmnescent. 
f.  37'     106    Ibis  inlabens  pelago  iacenti 
Et  rate  armata  titulo  salntis 
Victor  antemna  cmciB  ibis  undis 

TutuB  et  anstris 

T 

109    Nauitag  la§ti  solitum  celeoma 

Concinent  nersis  modnlis  et  hTniT 

Et  piis  ducent  comites  in  aeqnor 

Yocibus  anras 
113    Precinet  cnnctiB  tuba  ceu  resultans 

Lingna  nicaetae  modnlata  xpo 

Psallet  a^temuB  citharista  toto 

Aequore  damt 
117    Audienf  tarnen  tremefacta  coete 

Tä  sacerdotem  domino  canentem 

Leta  lascino  procnladmeh  abunt 

Monstra  natato. 
121    Yndique  adlndent  patulo  uerentes 

Ore  delfines,  sine  uoce  quamquam 

A^mula  humanis  tarnen  eloquentur 

Caudia  Unguis 
126    Nam  deo  qui  non  sapit  atque  uiuit 

Cuius  et  uerbo  sata  cuncta  crescunt 

Hie  dei  laudem  maris  hima  noscunt 
128  Mutaque  clamant 

77  X  pr.  gs.    78  a  eraa.    86  ro  eras?    110  *>-  himniB    114  nicaetae] 
a  al  del.    116  dauit  aL  c.  ex  tauit    119  h  aL  del    127  h  al.  deL 

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340  R.  Peiper: 

129—136  desnnt 

137    Qualiuet  pergas  licet  et  per  undas 
Perque  tellurem  licet  et  per  a^quor 
Ibis  armatus  galea  salutis 
140  Vertice  XPO 

141—192  deflont 

193    Tu  filippeos  macedum  per  agros 
Per  tominatam  gradieris  nrbem 
Ibis  et  scopos  patriae  propinquos 
col.  2  dardanus  bospes. 

0.  quibiis  iam  tunc  resonauit  iUa 
Gaudiis  tellus  ubi  tu  rigentes 
Edoces  Xfiofervk  colla  miti 

Subdere  gentes 
201    Qaaque  ripheis  boreas  in  oris 
Alligat  densis  fluni  us  pruinis 
Hie  gelu  mentis  rigidas  supemo 

Igne  resoluis. 
206—216  desunt 

217    0  lices  rerum  bene  uarsa  forma 
Inuii  montes  prius  et  ementi 

h 

Nunc  tegunt  uersos  monaci  latrones 
Pacis  alumnos. 

T 

221    Sanguinis  qondam  modo  terra  uita^  est 
Vertitur  ca^lo  pia  uis  latronum 
Et  fauet  xpf  super  occupantes 

Regna  rapinis 
226    Monf  ubi  condam  fuerat  ferarum 
Nunc  ibi  ritus  man  et  angelorum 
Et  latet  iustus  quibus  ipse  latro 

Vizit  in  antris. 

Pra^da  fit  sanctis  uetus  ille  pra^do 
Et  gemit  uersis  homicida  damnis 
Dum  renudatus  spoliante  Xpo 

Criminis  armis 
288    Interit  casu  satanae  uicissim 
Inuidus  Cain  rediuiuus  Abel 
Pascit  effusi  pretio  redemtos 

sanguinis  agnos 

187  Qua  libet  al.  corr.    197  u  in  b  al.  c.    203  tif  in  tef  pr.  c    817 

mg.  al.  litterifl  langobardicis  'üarsa'     219  h  al  bb.     221  qon  al.  ex  con 
226  'uiget  C    236  of  pr.  ex  üb  ni  f.  corr. 


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Die  handscluriftl.  Ueberliefenmg  des  AusomuB.  341 

Enge  Niceta  bone  serae  XPt 
Qui  tibi  donat  lapides  in  astra 
Vertere  et  uinis  eacra  templa  saxis 
f.  37^     240  Aedificare. 

241—244  desimt 

246    Te  patrem  didt  plaga  tota  bora^ 
Ad  tuos  fatas  schita  mitigatnr 
Et  Btii  discors  fera  te  magistro 

Pectora  ponit. 
Et  Oete  currnnt  et  uterque  datus 
Qni  eolit  terrae  media  uel  ille 
Dinitis  multo  boue  palleatos 
262  'Accola  ripa^ 

268—264  deannt 

266    Sic  tuo  miti  lupns  est  ouili 
Pascitur  consors  oitulns  leoni 
Pamus  extracto  trucibus  cauemis 

Aspide  ludit 
Callidos  auri  legulos  in  anrum 
Vertis  inque  ipsis  imitaris  ipsos 
E  quibus  uiuum  fodiente  uerbo 

Eruis  aurum. 
Has  o/pes  condis  domino  perenni 
His  Bacrum  lucris  cumulas  talentum 
Audi  intra  domini  perennis 
276  G^tidia  lagtus 

277—284  desimt 

286    ünde  conplexi  sine  fine  canun 
Pectus  heremus  laqueo  fideli 
Quaque  contendas  comites  herimus 

/////////// 

289    Caritas  XQi  bene  fasa  ca^lo 
290—293  desunt 

294    Orbis  aut  alter  neque  mors  reuellet 

Corporis  uita  moriente  nita 
296  Yiuet  amoris 

297-386  desimt 

337    lam  uale  nobis  et  in  omne  nostri 
Diligens  a^axun  bonus  nsque  finem 
Duo  bonum  cursmn  positamque  iustis 
Sume  coronam. 
fmit  (al.  add.) 
Seqnitar  Anthol.  lat.  Biesii  o.  648. 

246  schita,  h  al.  del.  249  daoctis,  al.  c.  daccua,  tertia  m.  dacus 
261  1  post  a  al.  del.  266  'concors  C  273  feras.?  287  h  al.  del. 
288  'Mente  sequad  C ;  erasa  codicis  scriptora  Mt:  aeochenf  aroe. 

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342  R.  Peiperr 

Zuerst  hat  H.  Avantius  in  seiner  zweiten  im  J.  1507  erschie- 
nenen Ausgabe  des  Ausonius  epp.  XXIH  bis  XXV  nebst  den  Briefen 
des  Paulinus  publicirt,  nachdem  ügoletus  allerdings  bereits  ep.  XXV 
mitgetheUt  hatte.  In  seiner  dritten  Ausgabe,  der  Aldina  Ton  1517, 
erscheint  der  Text  von  Avantius  gründlich  darchgearbeitei  Welcher 
Abstand  zwischen  diesen  beiden  Ausgaben!  wie  nachlSssig  noch  die 
erstere,  wie  sorgfältig  und  sauber  die  letztere!  Wenn  das  Verdienst 
des  Herausgebers  nicht  zu  unterschätzen,  so  gebührt  dennoch  das 
bei  weitem  grössere  dem  Streben  und  Drängen  des  Aldus,  etwas 
Vollkommenes  zu  liefern;  die  hohen  Verdienste  dieses  Mannes  er- 
kennt man  erst  genau  durch  Vergleichung  zweier  derartiger  Aus- 
gaben im  Innern  und  Aeussem.  Der  Text  des  Avantius  lag  den 
Correcturen  des  Accursius  zu  Oronde  und  fernerhin,  nur  wenig  mo- 
dificirt  durch  Au&ahme  von  Lesarten  des  Lugdunensis  (■»  Vossia- 
nuslll)  von  Seiten  der  Herausgeber  der  Tomaesiana  1558,  auch 
Scaligers  Bemühungen;  er  ist  im  Ganzen  bis  heut  die  Vulgata  ge- 
blieben.*»») 

Der  Veroneser  Kritiker  fusste  auf  einer  Abschrift  von  Paris. 
8500  B»  P,  wie  früher  angegeben;  hier  und  da  hat  er  durch  Con- 
jectur  die  Fehler  in  P  oder  in  seiner  Abschrift  geändert***^);  in- 
dessen müssen  ihm  noch  andre  Hülfsmittel  zu  Gebote  gestanden 
haben  zur  Ausfüllung  einiger  in  P  vorhandenen  Lücken.  Eine  Aus- 
gabe des  Paulinus  war  noch  nicht  erschienen  *^^):  also  muss  es  eine 
uns  unbekannte  Handschrift  sein,  aus  der  er  Fehlendes  er- 
gänzt, z.  B.: 

Aus.  XXIV  5  und  31—37  fehlen  bei  Avantius;  aber  57,  91.  92. 
128  hat  er  ergänzt,  ebenso  ausgelassene  Worte  wie  79 
Aginnum,  89  et  ostrifero,  90  trino  me, 

Paulinus  I  136  und  173  fehlt,  ebenso  285—231,  aber  ergänzt 
ist  V.  13.  14,  femer  103  tota  trieteride  terris,  195  caeU 
(213  lässt  er  mit  P  iniqua  aus), 

Paulinus  IE  13  fehlt,  aber  v.  56.  57  sind  ergänzt. 

Auch  einzelne  Lesarten  muss  Avantius  aus  dieser  Quelle  be- 
richtigt haben,  aber  hier  ist  er  offenbar  noch  weniger  als  bei  den 
Ergänzimgen  consequent  verfahren.  So  z.  B.  Paul.  I  260  iocis  fOr 
satis  P,  I  178  gibt  Voss.:  Attomen  haec  illis  aedi  sententia  uisa  est, 
Puteanus:  A.  haec  illis  aedisse  sententia  u.  e.  P:  A.  haeo  .  • .  illis  sen- 


''*)  So  findet  sich  noch  heute  I  5  die  Coxgectur  cum  für  quam,  1 12 
Sederit  et  blandis  ftlr  Sedit  et  e  blandis,  I  54  nos  induendo  se  ezuit  fOr 
noB  indaendus  indnit.  —  '*°)  Z.  B.  Paolin.  1 123  et  für  das  ausgelassene, 
auch  im  Voss,  nur  von  anderer  Hd.  fibergesetzte  uel.  132  enim  ffir  eo  P 
(eum  Voss.).  200  cnlta  statt  inoulta,  um  experientia,  wie  P  fflr  expertia 
gibt,  zu  haJten.  1  62  uirtutuum  statt  uirtutum  P  (uirtutium  VSF^  etc. 
—  ■**^  lod.  Bad.  AscensiuB  kündigt  den  Druck  der  opera  Paulini  Nolani 
dem  Michael  Hummelberg  an  in  einem  Briefe  vom  23.  Oct.  1515  (A. 
Horawitz  in  S.-B.  der  Wiener  Akad.  Bd.  86,  1877,  S.  268).  Diese  erste 
Ausgabe  erschien  im  J.  1516. 


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Gpogle 


Die  handsohriftl.  Ueberlieferung  des  AusoniaB.  343 

tentia  u.  e.  Offenbar  erg&nzt  At.  diese  Lücke  ans  andrer  Quelle 
zugleich  conjicirend,  wenn  er  schreibt:  A.  haec  illis  saeclis  senten- 
tia  u.  e. 

In  dem  schon  von  seinem  Vorgänger  herausgegebenen  Briefe 
XXV  ist  Ayantius  nicht  seiner  Hds.  gefolgt,  sondern  hat  sich  ge- 
treulich an  den  Text  des  ügoletus  gehalten^*)  bis  auf  wenige 
Stellen,  die  er  theils  aus  Conjectur  (wie  v.  1  direxit),  theils  aus  P 
geändert  (73  nomina);  meist  sind  es  nur  ganz  offenbare  Fehler,  die 
er  auf  diese  Art  tilgt.***)  ügolets  Text  ist  ein  ganz  andrer 
als  P,  in  dem  ja  z.  B.  die  Verse  21.  42  fehlen;  aber  auch  mit 
Tilianus,  in  welchem  später  dies  Gedicht  von  jüngerer  Hand  hin- 
zugefügt ist,  stimmt  üg.  nicht:  in  T  fehlt  71,  v.  4  liest  er  re- 
scribens,  wo  ügoL  et  scribens  mit  F,  P  aber  asscribens  mit  Voss, 
(adscribens)  gibt.  V.  10  scheint  UgoL  das  ausgefallene  redit  et 
durch  Conjectur  mit  reboat  ersetzt  zu  haben:  hier  hatte  die  Vor- 
lage von  T  offenbar  dieselbe  Lücke,  und  durch  Zufügung  von  resul- 
tat  hinter  imago  wurde  in  T  der  Vers  vervollständigt.  Die  letztere 
Stelle  aber  weist  doch  auf  Verwandtschaft  von  T  mit  ügolets 
Exemplar  hin;  fOr  die  denn  auch  andre  Stellen  sprechen,  z.  B. 
V.  14: 

Atque  argnta  suis  loquitur  coma  pinea  uentis. 
Voss,  und  P  geben  hier: 

Cumque  suis  loquitur  tremulum  coma  pinea  uentis. 
Diese  Abweichung  wird    erklärt  durch  S  (Puteanus),  in  welchem 
weder  arguta  noch  tremulum  erscheint: 

Atque  suis  loquitur  coma  pinea  uentis. 
arguta  ergibt  sich  als  Interpolation  behufs  Ausfüllung  des  Verses, 
und  erscheint  zuerst  in  F: 

Atque  argutu  (so!)  suis  loquitur  coma  pinea  uentis. 

Der  Zusammenhang  beider  Exemplare  mit  der  Vorlage 
von  F  bez.  dem  Puteanus  S  ist  ersichtlich;  weiter  wird  derselbe 
bestätigt  durch  v.  12,  der  in  diesen  vier  Exemplaren  lautet: 

Sonmiferumque  canit  sepis  depasta  susurrum, 

während  die  üeberarbeitung  des  Ausonius  in  VP  dem  Verse  fol- 
gende Gestalt  gegeben: 

Hyblaeis  apibus  saepes  depasta  susurrat. 
Femer  durch  v.  16,  wo  SFTVgoL 

Dindymaque  idaeo  respondent  cantica  luco 


***)  Selbst  an  Stellen,  wie  v.  14,  oder  49  deponere,  wo  P  postponere, 
b%  senatus  wo  P  aenati.  —  '*^)  Damm  sind  zur  Ermittelung  der  von  ihm 
benutzten  Quellen  nur  die  Stücke,  die  er  zuerst  herausgegeben,  zu  be- 
finEigen. 


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344  K.  Feiper: 

durch  Ausonius,  wie  VP  zeigen,  umgeftndert  worden  ist  in: 
Dindyma  gargarico  r.  c.  L 
Ein  für  die  Mediceer  geschriebener  Laurentianus  der  Werke 
des  Paulinus  (pl.  XXTTT  c,  20  mbr.  s.  XV)  enthält  als  n.  XXXIV 
einen  Brief  des  Ausonius  ad  Paulinum:   vielleicht  ist  dies  das  von 
Ugolet  benutzte  Exemplar,***) 

Die  Berner  Hds.  330  s.  X  enthält  f.  38^  col.  2  folgende  Verse: 
ANSONius  (sie)  Pauuno  [ep.  XXTTT  28  s.] 
Innumeras  possum  celandae  ostendere  formas 
Et  clandestinas  ueterum  reserare  loquelas. 
Dirimit  paulinus  quartae  [II  45] 
Fabula  non  terris  absentia  nostra  dirimit 

Lucanus  tertiae  protulit  in  IIII  ^  pm  33] 
Qui  mediis  castris  tutam  dirimebat  üerdam 

uirgV  praeteritum  eins  [A  V  467] 
Caede  deo  dixit  q;  et  praelia  uoce  diremit 
Von  andrer  Hand  folgt: 

Fabian^  abaside  (sie)  inbula  obecie  deportat^ 

DYSTICON  DB  EA 

Argiua  primo  sum  transportata  carina 
Ante  mihi  notum  Nil  nisi  fasis  erat. 
Die  zweite  Hälfto  der  Columne  ist  leer. 

Aus  welcher  üeberlieferung  sind  jene  Verse  geflossen?  Im 
Ausonius -Briefe  fehlen  v.  27.  28,  in  F,  in  S  sind  die  Verse  am 
unteren  Bande  nachgetragen.  Der  Vossianus  gibt  loquellas,  die 
anderen  Hdss.  loquelas.  In  dem  des  Paulinus  geben  nostra  Voss, 
und  F,  ob  P  und  S  wirklich  longa  haben,  wie  Avantius,  kann  ich 
nicht  sicher  behaupten,  dirimit  liest  auch  SF;  P  gibt  subsentia. 
Zunächst  scheint  also  die  Entlehnung  aus  einer  mit  F  verwandten 
Hds.  das  Wahrscheinlichste,  —  Das  Distichon  vermag  ich  nicht 
nachzuweisen. 


X 

Sannazars  Excerpte,  Accursii  copiae.*) 

Die  ersteren  sind  enthalten  im  Cod.  Vindob.  306  Endl.  «s 
3261/q)  336,  chart.  s.  XVI  (vgl.  Schenkl,  Z.  f.  österr.  Gymn.  XXn^ 
1871.  S.  127  Anm.  3)  und  beginnen  f.  3': 

*^*)  Aus  einem  vetns  liber  Baptistae  Pii  führt  Poelmann  eine  durch- 
aus unbekamite  Lesart  zu  v.  27  unseres  Briefes  an  ^Bapt.  Pins  in  Amph. 
Plauti  ex  ueteri  lib.  le^t:  Vestraque  Sigalion  Aegytius  ora  reaignat'. 
Das  dürfte  doch  wohl  eme  Conjector  sein.  Aber  da  ügolet  und  B.  Pius 
in  Verbindosg  standen,  mag  darauf  hinffewiesen  werden. 

*)  S.  213  Z.  4  lies  Accursius  statt  Ascensiiuk 


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PHILOLOGISCHE  STUDIEN 

ZU 

GRIECHISCHEN  MATHEMATIKERN. 

i.  n. 


J.  L.  HEIBXBG 


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346  R.  Feiper: 

304,  6.  12.  14  (Cleobolus), 
308,  15  (Periander), 

303,  8.  10.  12.  14  (Clulon),  SPAR|TANVS  an  Bande  von  v.  8, 
ANDER  zu  beiden  Seiten  von  v.  14« 

304,  9.  13.  16  (Cleobolus). 

F.  20^  z.  7  beginnt  ein  zweiter  Theil: 

Quo  ordine  Ansonii  carmina  disposita  sint  in  codice  uetusto 
Lngdunensi  qui  ab  Actio  Sincero  inuentus  est  in  Araris  insula. 

Das  ist  kein  vollständiges  Yerzeichniss  der  Werke,  wie  sie  im 
Vossianus  stehen  —  und  soll  es  auch  nicht  sein.  Die  Titel  der 
excerpirten  Gedichte  werden  nebst  den  Anfangswoi-ten  mitgetheilt, 
nur  sind  auch  die  Titel  und  Anfüge  einiger  längstbekannten  Ge- 
dichte in  die  Reihe  aufgenonunen,  z.  B.  hinter  dem  Pythagoricon 
die  Trias:  De  uiro  bono,  Nau  xai  ou,  Hesiodion,  hinter  den  Urbes 
sämmtliche  Titel  des  Technopaegnion,  hinter  dem  Paulinasbriefe  die 
von  drei  Epigrammen  (10.  72.  75).  Wunderlicherweise  sind  mitten 
zwischen  die  Sapientes-Stücke  eingeklenmit  ^Fragmentum  ex  epigram- 
mate  in  Othonem*  (268,  v.  3.  4). 

Ein  dritter  Theil  f.  22',  25  med.  ist  überschrieben: 

Quae  aut  emendanda  aut  aliter  scripta  inueniantur  quam  in 
expressis. 
Er  enthält  Yergleichung  und  Ergänzung  des  Technopaegnion.    Auf 
f.  24^  ist  mitten  drin  eine  Abweichung  in  Epigr.  72  mitgetheilt. 

Anordnung,  Ueberschriften,  Lesarten  der  mitgetheilten  Stücke 
deuten  klärlich  auf  den  Vossianus  als  Quelle  der  Auszüge,^*) 
Die  Ordnung  Y  ist  nur  an  drei  Stellen  verlassen:  Einmal  ist  die  Oratio 
zu  dem  Briefwechsel  zvrischen  Ausonius  und  dem  sich  entwickelnden 
Heiligen  gezogen.  (Der  Titel  Oratio  Paulini  episcopi  ist  nur  eine 
Folge  des  Irrthums  in  YP,  welche  Sancti  Ausonii  geben.  Ob  schon 
Sannazarius  aus  inneren  Gründen  dem  Ausonius  dies  Gedicht  ab- 
gesprochen haben  sollte,  wie  viele  bis  in  neuste  Zeit?)  Zweitens 
ist  Epigr.  72  vor  75  gestellt,  drittens  sind  einige  Stücke  der 
Sapientes  auf  f.  21^  erst  nachträglich  excerpirt  und  an  den  Schluss 
gestellt 

Aber  eine  durchaus  accurate  Abschrift  zu  nehmen,  dazu  waren 
die  Gelehrten  jener  Zeit  so  wenig  beföhigt,  wie  gewillt.  Die  Ortho- 
graphie ist  zeitgemäss  gestaltet:  Paul.  II  37  coiylos,  uibuma;  sie 
ist  in  die  bei  Avantius  übliche  übertragen:  chrystus.  Der  Text  ist 
durch  manchfache  Correcturen  und  Conjecturen  umgeändert 
(z.  B.  Paul,  n  21  quorum  ex  ore,  I  101  Ignosce  amice),  die  freilich 
auch  als  solche  keinen  Werth  beanspruchen  dürfen.  Yermuthlich 
hat  Sannazarius  selbst  beim  raschen  Uebertragen  der  ungewöhnten 
Charaktere  vieles  falsch  gelesen  (so  Paul.  I  72  Sed  ui  magis  curas 


'^^    Die  Lesarten   sind   ofb  die  in  Y   eingetragenen  Aendenmgen 
späterer  Hand,  z.  B.  PauL  11  36  lollia  fiurre. 


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Die  handschrifU.  Ueberliefenmg  des  AnsoniaB.  347 

monet  statt  Sed  ut  m.  caras  monet  PanL  11  46  abstruar  statt 
ab8tra(h)ar;  Grammaticomastix  18:  endoruum  statt  endo  su am) 
und  selbst  schon  einzelne  Verse  ausgelassen  (z,  B.  ep.  XXV  9,  47; 
Panl.  n  3,  24).  In  dieser  Hds.  aber  haben  wir  es ,  was  schon  M. 
Haupt^^  erkannte,  nicht  mit  seinem  Aatograph  zu  thun.  Ein 
sicheres  Zeugniss  dafür  ist  die  wnndesliche  Fassung  der  Sapientes- 
Verse,  die  dem  Leser  in  der  obigen  Aufführung  nicht  entgangen  sein 
kann.  Bei  Solon  war  Alles  in  Ordnung:  die  Unordnung  im  übrigen 
stammt  aus  falscher  üebertragung  des  Sannazarschen  Autographs, 
wo  je  zwei  Verse  in  einer  Zeile  standen : 

303: 


304: 


308: 

üngef&hr  so  mochte  Sannazar  abgetheilt  haben:  wie  die  Ver- 
schiebung des  Namens  (PEBI)AND£B  zeigt^  müssen  andere  Irr- 
thümer  untergelaufen,  vielleicht  Verse  weggelassen  sein.  Was  den 
Sannazar  bewog,  gerade  diese  Verse,  die  in  der  Ausgabe  des  Avan- 
tius  theilweise  gerade  so  lauten,  auszuheben,  lässt  sich  ja  nicht  con- 
statiren.  Dass  er  selbst  Chilon  y.  15  weggelassen  und  den  Satz  nicht 
einmal  abjgeschlossen  haben  sollte,  ist  nicht  glaublich. 

Wir  begegnen  mehrfach  übergesetzten  Besserungen  in  einigen 
Theilen  des  Technopaegnion,  sonst  nicht.    Es  sind  folgende: 


CHILON 

SPABTANVS 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

io   CLEO 
^'^  BOLVS 

14 

6 

9 

12 

13 

14 

15 

(PERI) 

(PKBT) 

^°  ANDEE 

'ANDER 

340  A,     3  polut 

poisent  Vt 

o 

12  mutaum 

mutao  ▼ 

340  B,    3  mea  congrua 
842,  12   dira 

nee    alle  Ausgaben 
Clara   alle  Hdss. 

«1 
343,    9   genitus 

t                 1 

gern  vf  V"    gen.uf  v* 

1 
344,  10   quinquagenis 

quinq;gemr  y    qainquetenis  V 

iDditUi  ut  perlt 
346,1  12   Ibiour  nt  periit 
Pugn» 
15   picna 

Indituf  nt  periit  y 
pugna  V 

'*^  Oyidii  Halieutica  etc.  p«  XXV  sqq. 

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348  K.  Peiper: 

a 

26   celedoniifl  caledoniis  Vv 

deooa    triz 

26    fceluB  Btryx  decns  Vv 

niret 
846,    2   nitet  nitet  fehlt  V  846  fehlt  t 

Vergleichen  wir  die  zur  Seite  angeführten  Lesarten  der  Hdss., 
so  finden  wir  eine  handschriftliche  Quelle,  aus  der  sie  s&mmtlich 
bis  auf  die  beiden  letzten  (trix  und  nitet)  geflossen  sind :  v  =  Lei- 
densis  Q  33,  dessen  Herkunft  aus  St  Gallen  ersichtlich.  Einige  Male 
sind  es  Fehler  aus  flüchtiger  Lesung  von  V  entstanden^  oder  aus  dem 
alten  Druck  beibehaltene  Lesarten'^),  die  durch  diese  Vergleichung 
beseitigt  werden. 

Ob  Accursius  von  diesen  Lesarten  Kunde  gehabt,  kann  man 
nicht  ersehen.  Er  citirt  345,  12  und  15  ohne  dieser  widersinnigen 
"^  Lesungen  zu  gedenken. 

Wenn  wir  im  letzten  Verse  des  Grammaticomastix  Baum  aus- 
gespart finden  für  das  im  Vossianus  ganz  deutlich  lesbare  Wort 
crinis,  das  dem  Sannazar  schwerlich  entgangen  ist,  wenn  wir  dort 
'  atiphile  für  antiphile  in  den  Excerpten  lesen,  wenn  Accursius  Technop. 
Xn  3,  auf  die  Mittheilungen  dieser  Excerpte  gestützt,  latiar  e  gibt, 
wie  der  Vossianus,  in  den  Wiener  Hds.  aber  latus  e  erscheint,  wenn 
im  folgenden  Verse  qu6d  fiatium  angefahrt  wird,  wo  offenbar  eine 
Verbesserung  der  Vossianischen  Lesart  (quod  latium)  mitgetheilt 
werden  sollte:  so  spricht  dies  alles  wohl  stark  genug  gegen  die  Echt- 
heit dieser  Handschrift 

So  ist  diese  Hds.  also  für  die  fijitik  der  Ausonianischen  Gedichte 
völlig  werthlos**^);  immerhin  aber  ist  sie,  wenn  wir  die  Hand- 
schriften-Geschichte verfolgen,  nicht  ohne  Literesse.^ 


**^  In  840  A  hat  Sannazarius  selbst  die  Worte  hiulcola—haberent, 
die  doch  weder  in  V  noch  v  stehen,  als  unentbehrlich  nicht  weggelassen. 
*^p  Für  f.  18  des  Voss.  Profess.  16  —  22  (Aemilius  Magnus  Arborias— 
Victorinus),  welches  verloren  gegangen,  verdanken  wir  unsere  Eenntniss 
nur  der  Ausgabe  des  Charpinas,  wo  vieles  überflüssig  geändert  ist.  Da 
ist  freilich  auch  der  Brocken,  den  uns  diese  Excerpte  geben,  nicht  ra 
verachten.    Dort  steht  20  (Stafilus)  v.  7—14,  v.  12  lautet  bei  Charpin: 

Nee  cunctator  eras  nee  properante  sono. 
Sannasar  gibt:  Nee  cunctator  erat  nee  properator  erat, 
woran  kein  Buchstabe  2n  ändern  ist.    Im  folgenden  Verse: 

procul  iia  dolusque 
lässt  die  Wiener  Abschrift  die  Schlusssilben  usque  weg;  das  scheint 
nicht  irrthümlich  geschehen  zu  sein,  wenngleich  die  Buchstaben  dol  am 
Seit^nschluss  (f.  8^)  stehen:  man  muss  doch  wohl  ira  dolorque  erwarten. 
Im  letzten  Verse  stimmt  Sannazar  mit  Charpin  in  dem  aumllligeD,  von 
Graevius  nnd  Heinsius  verbesserten  Fehler: 

Et  placidae  finis  congrua  meta  fuit; 
f£lr  fait  gibt  Accursius  fehlerhaft  tibi.    Grammatic§  haben  die  Excerpte 
wie  Charpin,  ausserdem  rethor  und  sescentis.  —  **^)  f.  26'  wird  aus 

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Die  handschriftl.  Ueberliefernng  des  AasoniaB.  349 

Das  Wiener  Exemplar  war,  wie  auf  f.  O'  gesagt  ist,  einst  Eigen- 
thnm  ^Martirani  et  doctorom  amicomm',  also  des  im  J.  1557  ver- 
storbenen Bischof  von  San  Marco,  Coriolano  Martirano,  der  als  Tra- 
giker nnd  Epistolograph  in  lateinischer  Sprache  sich  einen  Namen 
gemacht  hat  (vgl.  GrÄsse  HI  1  p.  331,  337,  700;  Biogr.  univ. 
XXVn  333). 

Es  hat  geraume  Zeit  gedauert,  ehe  dieser  Fund,  den  nebst  den 
anderen  Sannazarius  im  J.  1501,  spätestens  1502  in  Frankreich 
machte^^),  der  OeffenÜichkeit  übergeben  wurde.  Selbst  von  anderen 
Abschriften,  die  doch  von  Ovid  und  Gratius  bekannt  geworden  isind, 
wissen  wir  betreff  der  Ausonius-Ezcerpte  nichts.  Weder  der  Heraus- 
geber  der   Ascensiana    1511    und    1513    noch   Avantius   für    die 


einem  anderen  Codex  derselben  Bibliothek  das  epigr.  76  (Languentem 
Gaiom)  nebst  dem  Gedichte  des  Eugenius  über  die  Erfinder  der  Schrift 
(386  Meyer,  Kiese  11  p.  XXXVI,  auch  in  B.  Eagenii  opuscula  ed.  Sir- 
mond) mitgetheilt;  vielleTcht  aus  derselben  Hds.  Ausonii  de  XII  signis 
(Auson.  382,  Anthol.  Biese  640).  Anderer  Hds.,  derselben  Bibliothek  je- 
doch zweifelsohne,  entstammen  die  auf  f.  25'  verzeichneten  Stücke: 
1)  Eine  Stelle  aus  Donati  uita  Yergilii  über  den  An&ng  der  Aeneide 
nach  Nisus  [Scholia  Bemensia  ed.  H.  Hagen  p.  739  §  42  (60):  Nisus— 
gratnm  opus  agricolis  &c.    Die  Worte  uarium — correxisse   sind  ausge- 

» 
lassen;  statt  aiebat  steht  dicebat,  in  v.    1  qui  siluis  inter  modulatus, 

V.  2  Carmen]. 

2)  Epitaphium  Archeli,  Incerto  Authore: 

0 

Meam  Amice  ne  doleas  sortem,  moriendum  fuit, 
Sic  sunt  hominum  fata,  sicut  in  arbore  poma, 
Immatnra  cadunt,  et  matura  leguntur 
Hie  legar,  hie  uinam,  nee  nomen  inane  relinquar. 
0  domuB,  0  Muse,  darate,  manete,  Yalete. 

Diese  Inschrift  findet  sich  im  Cod.  Paris.  2832  s.  IX  (mit  Florus  Diaco- 
nus*  Dichtungen,  f.  121^,  in  welchem  auch  unter  anderen  Gedichten  des 
Eugenius  das  oben  genannte  erscheint)  vgl.  Antiiol.  lat.  1564  Meyer,  IH 
96  Burm.  Dahinter  3)  Avienus  Theodosio  —  (die  Vorrede  zum  Avienus). 
f.  27""— 42^  sind  leer  gelassen,  f.  43'— 46"^  kommen  YEESVS  OVIDII  de 
piscibuB  et  feris,  f.  47  leer,  t  48'— 66«  M.  AVRELIJ  NEMESIANI 1 
CARTHAGINENSIS  |  CYNEGETICON,  f.  67«  Apud  Nasonem  in  Vltima 
elegia  de  ponto  [XVI  33  s.]  leguntur  hi  duo  uersus: 

Til^rus  antiquas  et  erat  qui  pasceret  herbas 
Aptaque  uenanti  Grattius  arma  daret. 
f.  58'— 72^  ITEM  GBATTI  CYNE|GETICON  LIBEB  .1.  Dahinter  neun 
leere  Bl&tter.  Auf  dem  hintern  Deckel  innerhalb  unten  rechts  von  einer 
Hand  s.  XVI  die  Zahl:  4444,  von  der  Hand  des  Schreibers  aber  auf  dem 
VoTsatzblatte  oben:  236.  f.  1'  enthält  den  Brief  des  Potanus  an  Sincerus, 
welchen  M.  Haupt  p.  XXUI  mitgetheilt  hat.  —  '^^)  Nicht  erst  als  er 
den  unglücklichen  König  Friedrich  von  Neapel  (f  1604)  dahia  ins  Eni 
begleitete  (W.  Boscoe  Leo  X,  Leipzig  1806  III  821),  denn  Pontanus,  der 
im  August  1608  starb,  sah  wie  viele  andere  auch  diese  Erwerbungen  noch 
bei  Sannazar  in  Neapel,  wie  L.  Gyraldus  (Haupt  p.  XXII)  versichert. 
Der  bezügliche  Brief  des  Pontanus  an  Syncems  ist  zu  Neapel  im  Februar 
1608  geschrieben  (Pontani  opp.  UI  299,  Haupt  p.  XXUI). 


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350  R.  Peiper: 

Ausgaben  von  1507  tuid  1517  haben  von  ihnen  Eenntniss 
gehabt  Offenbar  hat  Petrus  Sammontius,  dem  Sannazarius  alle 
jene  Funde  zur  Herausgabe  überlassen  hatte  ^^'),  erst  spät  An- 
deren ausführlichere  Mittheilungen  zukommen  lassen:  den  Gratius, 
Nemesianus,  Butilius  beabsichtigte  und  versprach  er  sogleich 
nach  Vollendung  seiner  Ausgabe  der  Werke  seines  Freundes  Pon- 
tanus  (Venedig  bei  Aldus  1518,  1519  in  3  Bänden)  vom  Stapel 
zu  lassen^^^);  die  Ausonius-Excerpte  mag  er  selbst  um  dieselbe  Zeit 
dem  bewährten  Kenner  und  Herausgeber  des  Dichters,  Hierony- 
mus  Aleander^^),  der  im  J.  1516  ins  Vaterland  zurückkehrte,  um 
1517  den  Acoiajoli  als  Bibliothekar  der  Vaticanischeu  Sammlung  zu 
ersetzen  —  ein  Amt,  das  er  nur  bis  ins  Jahr  1519  verwaltete*^) 
—  mitgetheilt  haben,  wenn  nicht  vielmehr  der  umstand,  dass  Sanna- 
zars  Name  femer  nicht  dabei  gexiannt  wird,  dahin  zu  deuten,  dass 
erst  nach  dem  Tode  des  Summoutius,  der  ihn  1520  überrascht  zu 
haben  scheint  (s.  Wemsdorf  P.  m.  V  1  p.  48^,  Aleander  in  den  Besitz 
der  Excerpte  gekommen  ist.  Dieser  selbst  scheint  in  ihnen  eine  Spur 
hinterlassen  zu  haben,  in  den  ihm  vielleicht  durch  Hummelberg  zu- 
gekommenen St.  Galler  Varianten  zum  Technopaegnion.  Eine  be- 
deutungsvollere Thätrgkeit  zog  aber  Aleander  von  diesen  Studien 
ab;  Mariangelus  Accursius  war  es,  dem  jene  übergeben  wurden, 
und  sie  bilden  den  besten  Theü  der  handschriftlichen  Mittheilungen 
zu  Ausonius,  die  seinem  Werke  Diatribae  in  Ouidium  Ausonium  et 
Solinum  Bomae  1524  FoL  zu  Grunde  liegen.  Er  selbst  gibt  dar- 
über nur  gelegentliche  Aeusserungen ,  am  vollständigsten  zu  den 
drei  Gedichten  de  Aetatibus^  de  uiro  bono,  Est  et  Non:  ^haec 
Ausonii  esse  lusus,  non  Virgilii^  fragmenta  quaedam  Longobar- 
dorum  quandoque  characteribus  fidem  fadunt,  quorum  inspiciendi 
sed  et  euulgandi  publicandique  mihi  facultatem  fedt  Hieronymüs 
idem  Aleander'.  Vorher  zum  Technopaegnion:  *in  perueteri  codicis 
fragmento  qui  penes  Hieronymum  Aleandrum  est',  zur  Precatio 
matutina:  ^In  partioula  manuscripti  exemplaris  quam  penes  Hiero- 
nymum Aleandrum  esse  testati  sumus',  zu  den  ürbes  (Arelate) 
^Nuper  in  parte  codicis  non  aspemandae  uetustatis  haec  ipsa  ita 
legimus'. 

»>)  Auch  Werke  des  Sannazar  selbst,  z.  B.  dessen  Aroadia,  gab  er 
in  Druck.  S.  ausser  Jöcher:  Roscoe  Leo  X  I  82  f.  —  ■*•)  Petrus  Sum- 
montiuB  Francisco  Poderico  Patricio  Neapolitaao:  vor  Pontanos  Dialog 
Actius  opp.  II  f.  101  —  103  siehe  die  Stelle  l  102«;  Haupt  p.  XXI^ 
Gratius,  Nemesian,  Ovidii  HaUeutica  wurden  nebet  Oalphumius  erst  im 
J.  1534  durch  Georg  von  Logau  herausgegeben.  —  '^)  Ueber  Aleander 
s.  ausser  P.  Jovius  die  neueren  Mittheilungen  bei  Boscoe  Leo  X  IE 
315—824,  Ersch  u.  Gruber  s.  v.,  Gasa  in  Allg.  deutsche  Biographie  I 
392  ff.  u.  a.  Sehr  lückenhaft  sind  die  Nachrichten  in  Budinszkys  Buch 
'Die  Universität  Paris'  Berlin  1876  s.  190.  —  ^^)  Erst  als  Cardinal  1538 
soll  er  es  wirklich  niedergelegt  haben.  Seine  Bücher  kamen  nach  seinem 
1542  erfolgten  Tode  durch  Verm&chtniss  an  das  Kloster  8.  Maria  del  Orte 
in  Venedig  und  von  da  in  die  Marensbibliothek;  vgL  Boscoe  a.  0.  S.  384. 


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Die  handschriftL  üeberlieferong  des  Ansonins.  351 

Wenn  wir  seine  Mittheilungen  ins  Einzelne  verfolgen,  finden 
wir  jene  Ezcerpte  nicht  erschöpft.  Im  Pythagoricum  (id.  XY) ,  so- 
wie im  epigr.  54^  dessen  Verse  3  —  6  wegen  ihrer  völligen  Ab- 
weichxmg  von  ügolets  Ausgabe  doch  Interesse  erregen  mussten, 
werden  sie  nicht  herangezogen.  Er  hat  sie  also  nicht  in  der  Yoll- 
stftndigkeit  überkommen,  in  der  das  Wiener  Exemplar  sie  über- 
liefert. Wenn  aber  die  Einweisung  auf  Alter  und  Schrifteharakter 
der  Hds.y  der  die  Ezcerpte  entlehnt  waren,  mehr  Kenntniss  ver- 
rathen,  als  aus  der  Wiener  Abschrift  zu  gewinnen  ist,  und  darauf 
hinweisen,  dass  Aleander  die  echten  Papiere  Sannazars  selbst  besass, 
können  wir  bei  dem  guten  Willen,  den  wir  bei  diesem  zu  voll- 
ständiger Mittheilung  voraussetzen  dürfen,  nur  vermuthen,  dass  bereits 
in  Aleanders  Hause  der  Verlust  stattgefunden,  aber  erst  nachdem 
bei  ihm  vollständige  Abschriften  genommen  worden  waren.  Wir  können 
aber  genau  ermessen,  wie  viel  fehlte:  die  Ezcerpte  des  S.,  denen 
offenbar  die  Wiener  Abschrift  genau  folgt  in  der  Einrichtung,  hatten 
zwei  Lücken  im  ersten  Theile:  es  waren  ausgefallen  l)  248,  53, 
54,  362  (id.  XV),  welche  hintereinander  folgen  im  Vindobonensis 
f.  4^  bis  6'  »s  cbrei  Seiten,  wahrscheinlich  1  Blatt  des  Originals; 
2)  Paulini  ep.  H  V  302  —  304,  ebendort  f.  15^^,  Z.  8  bis  f.  20^ 
Z.  7  "=  neun  Seiten,  drei  Blatt  des  Originals,  welches  also  16  Blätter 
umfasst  haben  mag.  Die  Verbesserung  zu  75  kannte  Aoc,  aus  dem 
zweiten  Theile  oder  dem  Anhang.  Dass  ihm  fOr  den  Brief  des  Pauli- 
nns  und  Ludus  handschriftliche  Mittel  fehlten,  sagt  er  selbst  aus- 
drücklich. Auf  die  Authentidtät  deuten  auch  die  Angaben  des  Ac- 
cursius,  durch  welche  hin  und  wieder  die  Wiener  Lesarten  ihre  Be- 
richtigung finden.^^  Er  gibt  übrigens,  wie  er  selbst  gesteht,  die 
längeren  Mittheilungen  mit  seinen  eigenen  Verbesserungen,  nicht 
diplomatisch  getreue  Copien. 

Für  den  Nachlass  des  Ausonius  muss  Accursius  mehrere  voU- 


Accursius  richtig: 
Hta 
quod 
latiar 
E  latinm 
negat 
et  y 

coDspicior 
Betae  (beate  Voss.) 
addit 
Adque 
pro  se 
tltulo 
Cappa 
pene  ultima 
Oefters  noch  allerdings  findet  sich  die  Lesart  durch  Accursius  verändert 


»»«)  Im  Technopaegnio 

Vind.  f^sch: 

8  Hita 

quodam 
latus 

4  flacium 

6  egat 

eoy 

10  oompenor 

13  beta 

20  addita 

22  Atqs 

>er  se 

itulum 

26  Eappa 

27  penultima 

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352  B.  Peiper: 

ständige  Hdss.  eingesehen  liaben.  Ws.  aliquot',  ^rnsta  exemplaria', 
^uetusta  ezemplaria%  erwlUint  er  zu  dem  epigr.  57,  Bissula  praef. 
(326,  327),  ep.  XVI  (406),  Fast.  1  (147),  Griphus  (335,  336). 

Seine  Angaben  sind  aber  hdchst  dürftig;  die  Bezeichnung  uetus 
und  uetustuB  wendet  er  sowohl  (bei  epigr.  107)  auf  ein  Exemplar 
^quod  potuerit  post  Ausonii  quoque  tempora  scriptum  uideri'  als  auf 
unzweifelhafte  Erzeugnisse  des  16.  Jahrhunderts  an.  Quellen  von 
recht  fragwürdiger  Natur  citirt  er  an  folgenden  Stellen:  zu  2,  6 
(fehlt  in  den  ältesten  Ausgaben)  bemerkt  er:  in  uetustioribus  quibus. 
dam  hunc  in  modum  haberi  sunt  qui  nobis  indicauerint:  Queritur 
et  fallit  lumina  plaga  recens.  9,  1  bringt  er  zuerst  den  Yers  Est 
iocuB  —  libellis  (dass  die  Lesart  Nostra  simul  certant  etc.  von  Avan- 
tius  erfunden  ist,  ahnt  er  nicht),  beide  Verse,  deren  die  ed.  pr.  so 
gut  wie  Laur.  I  (pL  33  c.  19)  entbehrt,  werden  wir  als  neuere  Er- 
findungen betrachten  müssen. 

Mehrere  Lesarten,  die  er  unter  der  Firma  uetus  lectio,  uetus 
codex,  uetustum  exemplar  beibringt,  finde  ich  in  keiner  der  mir  zu- 
gänglichen Hdss.: 

ep.  XIX:  Chalcidicas ad  arces  für  ad  arctos  yulg.  c£  Vergil. 

A  VI  16  f ; 

Grat,  actio  p.  285  ed.  Bip.:  Ipsa  autem  sedes  honoris  für  Ista; 

Griphus  praef:  peruenit  fOr  perueniet; 

condemnationis  für  emendationis ; 

Protrept.  praef.:  adiudicationem  *  codex  nost^  mstus'  für  iudica- 
tionem; 

—  V.  22  balbus  für  blandus; 

—  Y.  42  cupias  ^codex  idem'  für  capias. 

Ein  Theil  davon  hat  mit  Recht  Beifall  gefunden  und  Au&ahme 
in  dem  Texte;  die  unbekannte  Hds.,  die  sie  bietet,  wird  aber  darum 
keinen  höheren  Werth  beanspruchen  dürfen  als  die  eben  bezeich- 
neten. Die  zuletzt  angeführte  Lesart  steht  möglicherweise  im  Lau- 
rentianus  I  auch  andere  Anführungen  weisen  auf  Benutzung  dieser 
Hds.  hin: 

ep.  XI  praef.    comoedis  ^uetustus  codex'  statt  comoedüs; 

ep.  XXI  praef.    hoc  für  haec; 

(ep.  XVI  Lalli  „msti  codd."  für  Lilli  (ed.  pr.)  Tilianus  gibt  Lali); 

Griphus  v.  31   solls  ^uetustus  codex'  statt  solas; 

Cento   (p.  208  Bip.  Z.  4  y.  u.)   qualisque  uideri  ^mstus.  codex 

duntaxat  unus'  (fehlt  sonst); 
Cupido  Y.  18   fulminis  ^codd.  msti.'  statt  fulguris. 

Im  Cento  verrftth  sich  Bekanntschaft  mit  einer  den  Guelpher- 
bytani  verwandten  Hds.:  p.  205  Z.  3  y.  u.  turturis  ^exemplar  mstum.' 
statt  turris. 

Den  Laurentianus  des  Verazzanus  hat  er  vielleicht  nicht  ge- 
kannt, denn  ihm  fehlte  nach  eigner  Aussage  handsdirifüiches  Material 
für  Mosella  und  Symmachus-Brief. 


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Die  handschrifbl.  üeberlieferang  des  Aasonius.  353 

Besseres  Material  lag  dem  Accursius  vor  für  die  Pseudo-Aaso- 
niana:  epigr.  107,  Sapientum  sententiae  (seine  Fragmente  geben  die 
Thales-Yerse  dem  Anacharsis,  wie  Wölfflins  PBM),  Priscians  Gedicht, 
und  das  Juvencus-Fragment,  das  Acc.  seinem  Verfasser  zurückgibt. 

Für  die  Periochae  freilicb  muss  ich  Alter  und  Güte  seiner 
Hds.  bestreiten.  Dieser  ^uetus  codex'  ist  weder  Paris.  8500  noch 
die  Abschrift  desselben,  die  ügolet  benutzt  hat.  Einige  beliebig 
herausgegriffene  Beispiele  genügen,  dies  darzuthun.  Accursius  gibt 
Ilias  XV  fratre  conterrito,  Paris,  fratrem  conterrita,  Ug.  conterrita 
fratrem.  Dias  I  ex.  affectans,  Paris,  und  Ug.  affectantL  IL  XVn 
Cum  in  diuersa,  Par.  u.  Ug.  Cum  diuersi.  Od.  XV  diuerso,  Par.  und 
Ug.  aduerso.  Auf  Ugolets  Ausgabe  jedoch  stützt  sich  seine  Hds. 
nicht;  sie  geht  in  einer  Anzahl  Stellen  mit  Parisinus  und  meidet 
Ugolets  Fehler.  Ugolet  gibt  D.  Xu  Paris  dubiae,  Acc.  mit  Par.  Res 
dubiae,  ebenda  Ug.  statui,  jene  statu.  H.  VIII  Ug.  alterii^s,  jene 
alteros.  Od.  VULl  ex.  lassen  Acc.  und  Par.  cuncta  und  omnia  weg, 
was  Ugolets  Text  hat  Eine  zweite,  yiel&ch  geänderte  Abschrift 
des  Parisinus  also  mag  in  Accursius*  HSnde  gekommen  sein. 


Jalirb.  1  olMi.  Philol.  SappL  Bd.  XI.  23 

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PHILOLOGISCHE  STUDIEN 


GRIECHISCHEN  MATHEMATIKERN. 

I.  n. 


J.  L.  HEIBXBa 


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I. 

üeber  Eutokios. 

Unter  den  späteren  griechischen  Mathematikern  aus  derjenigen 
Zeit,  wo  die  griechische  Litteratur  auch  auf  diesem  Felde  aufgehört 
hatte  Selbständiges  zu  produciren,  nimmt  Eutokios  aus  Askalon 
einen  ehrenwerthen  Platz  ein.  Es  dürfte  daher  nicht  ohne  Interesse 
sein,  das  wenige,  was  wir  ttber  seine  Person  wissen,  zusammen- 
zustellen und  seine  Arbeiten  im  Allgemeinen  zu  charakterisiren. 
Ausserdem  sollen  einige  Beiträge  zur  Textkritik  beigefügt  werden; 
denn  die  Zeit  kann  doch  wohl  nicht  fern  sein,  wo  man  die  Werke 
der  grossen  griechischen  Mathematiker  einer  kritischen,  auch  dem 
Philologen  genügenden  Herausgabe  würdigen  wird;  dann  wird  die 
Reihe  auch  an  Eutokios  kommen,  dessen  Commentare  ein  schätz- 
bares Supplement  zu  den  grössten  unter  ihnen,  Archimedes  und 
Apollonios,  liefern  und  ausserdem  so  manches  für  die  Geschichte  der 
Mathematik  wichtige  enthalten. 

Eutokios  ist  aus  Askalon  gebürtig,  wie  wir  aus  dem  ihm  in 
den  Handschriften  des  Archimedes  und  Apollonios  constant  bei- 
gelegten Namen:  6  *AcKaXu)viTT|C  ersehen.  Sein  Lehrer  war  der 
Mechaniker  Isidoros  aus  Milet  (rip  MtXriciifi  )iT)xaviK(|)  'lcib({)p(f), 
Tui  fifxeT^pi}!  btbaCKäXifi,  sagt  er  selbst  Comment  in  Archimed.  p.  130, 
143,  201,  216),  und  hieraus  lässt  sich  seine  Lebenszeit  mit  Sicher- 
heit bestimmen.  Isidoros  aus  Milet  war  nämlich  unter  Jnstinianus 
als  Architekt  thätig.^)  Als  die  Sophiakirche  in  dem  grossen  Auf- 
stand zu  Constantinopel  im  Jahre  532  abgebrannt  war,  beauftragte 
Justinianus  ihn  und  den  noch  berühmteren  Anthemius  aus  Tralles  mit 
der  Wiederaufführung  (Prokopios  De  aedific.  lustiniani  III  p.  174  ed. 
Bonn.:  *Av6^|liioc  hk  TpaXXiavoc,  dm  coqpiqi  rq  KaXoujii^vij  jniixaviK^ 
XoTiunraToc  ou  Tuiv  Kax'  auröv  jliövov  dirdvTwv,  dXXa  xal  tOüv 

auToö  TrpoT€T€Vii|Li^vuiV  iToXXifi,  T^  ßaciX^UK  üiroüpTei  ciroub^ 

KOI  MTlX^vcmoidc  cOv  oöriö  Srepoc  *lc{bu)poc  dvo|ia,  MiXrjcioc  t^voc, 
l^q>puiv  T€  fiXXu>c  Ktti  7Tp^iru>v  loucTiviAvifi  u7ToupT€iv  ßaciXei); 
auch  aaiderswo  finden  wir  diese  beiden  Männer  in  Vereinigung  wirkend. 


')  Er  ift  Erfinder  eines  btaßfiTiic,  wodurch  eine  Parabel  sich  zeich- 
nen liess;  die  Beschreibung  dieses  Instruments  hatte  er  in  seinem  Com- 
mentar  zu  Herons  KUfiapiKd  mitgetheilt;  s.  Eutokios  zu  Archim.  p.  143. 


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358  J.  L.  Heiberg: 

wie  bei  der  Eindämmung  und  Ableituog  des  Flusses  Dara  (Prokop.  ibid. 
p.  217).  Freilich  wird  auch  ein  jüngerer  leidoros  aus  Milet  erwähnt, 
der  Neffe  des  Yorhergenannten  und  ebenfalls  ein  tüchtiger  Baumeister, 
dessen  Hülfe  Justinianus  in  Zenobia  benutzte  (Prokop.  a.  a.  0.  p.  234: 
'Iciöwpcc  MiXrjcioc  f^voc,  'Iciöuipou  döeXqpiöoOc,  ouTtep  ^juirpocOev 
dTTe|ivric6Tiv);  auf  ihn  bezieht  sich  sicher  ebenfalls  Agathias  p.  295, 
welche  Stelle  ich  in  meinen  Quaestiones  Archimedeae  p.  29  irrig  vom 
ersteren  verstanden  habe;  Agathias  erzählt  nämlich,  dass  Justinianus 
die  Sophiakirche,  die  von  einem  Erdbeben  im  J.  557  beschädigt  war, 
restauriren  liess,  und  fügt  hinzu:  KaiTOt  'AvO^Mioc  pikv  dx  irXeCcTOU 
dTe0VTiK€i,  'lclbu)poc  bk  6  v^oc  Ktti  o\  fiXXoi  jLiiixavoTroioi  ktX. 
Dass  aber  nicht  dieser  Isidoros,  sondern  der  ältere  der  Lehrer  des 
Eutokios  gewesen,  geht  daraus  hervor,  dass  Eutokios  den  Anthemios, 
den  Zeitgenossen  des  älteren  Isidoros,  der  aber,  wie  wir  eben  aus  Aga- 
thias gesehen  haben,  als  der  jüngere  Isidoros  auftrat,  bereits  ge- 
storben, als  seinen  Freund  erwähnt;  denn  dass  der  Anthemios,  den  er 
Commeni  in  Apollon.  p.  8  und  218:  (Jj  qpiXe  draipe  *AvO^|ii€  und 
ebendas.  p.  107,  158:  di  qpiXraTe  )lioi  'AvO^jiie  anredet,  kein  anderer 
sei,  als  eben  der  genannte,  als  Architekt  und  kunstfertiger  Mecha- 
niker bekannte  (über  ihn  s.  Gibbon:  Hist,  of  the  fall  etc.  VII,  p.  103 ff.), 
von  dessen  Schrift  irepl  irapaböSuJV  ^iixotvii|idTU)V  wir  Bruchstücke 
(Westermann:  Paradoxographi,  p.  149 — 158),  kann  kaum  zweifel- 
haft sein.  Er  scheint  nach  der  Anrede  des  Eutokios  mit  ihm  gleich- 
altrig gewesen  zu  sein,  also  etwas  jünger  als  sein  College  Isidoros 
der  Aeltere.  Hiernach  dürfte  das  Leben  des  Eutokios  um  550  zu 
setzen  sein.  Der  Ammonios,  dem  er  den  Commentar  zu  Archimedes' 
zwei  Büchern  über  Kugel  und  Cylinder  dedicirt  mit  den  Worten: 
KpdTiCT€  (piXocöqpuiV  'Amiiwvie  (p.  66),  ist  daher  wohl  der  Ammo- 
nios Hermeias'  Sohn,  Schüler  des  Proklos.  Der  Petros  dagegen, 
dem  der  Commentar  zu  Archimedes'  Büchern  irept  icoppoTTiÜJV  ge- 
widmet ist  (p.  2:  (i  Y€UvaiÖTaT€  TT^rpe),  ist  kaum  mit  einiger  Wahr- 
scheinlichkeit zu  identificiren. 

Wir  besitzen  von  Eutokios  bekanntlich  Commentare  zu  den 
vier  ersten  Büchern  der  Conica  des  Apollonios  und  zu  folgenden 
Werken  des  Archimedes:  irepi  iniTT^buJV  IcoppOTTiuJV  I — 11,  irepi 
cqpaipac  Kai  KuXivbpou  I — ^11  und  kukXou  jn^rpricic.  Unter  ihnen 
ist  der  älteste  der  Commentar  zu  den  zwei  Büchern  über  Kugel 
und  Cylinder,  ausdrücklich  vom  Verfasser  als  Jugendarbeit  bezeichnet 
(p.  65  eitr.:  e!  Ti  Kai  Tiapd  ji^Xoc  h\ä  veÖTiiTa  (pBiyioiiax)]  denn 
in  dem  Commentar  zu  den  Büchern  7T€pi  icoppoiridiv  heisst  es  zum 
I  Buch  p.  3:  Tivac  KaXei  xdc  iiii  xd  aurd  KOiXac  TpciMMdc,  cTpiixai 
f)^iv  caq)iX>c  iv  toTc  irpooiiüiioic  (so  die  Hds.)  toO  irepi  cqpaipac 
Kai  KuXivöpou  (d.  h.  p.  66),  und  zu  ü,  10  p.  58:  cuTKeixai  bk  Kai 
6  Toö  diTÖ  AZ  Kiißou  irpöc  xdv  dirö  AH  KÜßov  Xö^oc  ^k  xüjv 

7      AZ'  AZ\ 

auxwv  h:  ^^  und  ^1,  ujc  b^beiKxai  dv  xoTc  cxoXioic  xoO  irepi 


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Philologische  Studien  zu  griechischen  Mathematikern.         359 

ccpatpac  Kai  KuXivbpou  (nämlich  zu  II,  9  p.  195,  30  ff.).  Aber  auch 
der  Conunentar  zu  kukXou  )Li^Tpr)cic  ist  später  als  der  zu  den  Büchern 
über  Kugel  und  Cjlinder  verfasst^  wie  es  aus  folgenden  Stellen  in 
jenem  Commentar  hervorgeht:  p.  204:  toTc  irpÖTcpov  u(p*  i\\i6JV 
iv  Tip  (vielleicht  eic  tö)  irepi  C9aipac  xai  KuXivbpou  TCTpa^M^voic; 
und  p.  206:  Sil  dtiXÄc  Tiepi  töv  boG^vxa  kukXov  öuvaiöv  eu9ü- 
YpajLijiiOV  7T€piYP<iM'Cti,  u»ct€  toi  T|irj^aTa  rd  ^eraHu  tüjv  toO  kükXou 
Trepi9€p€iwv  Kai  toiv  TrXeupiöv  toö  irepitpacpo^^vou  eu9uTpd|Li^ou 
iXarrova  elvai  toO  öoG^vtoc  xiwpiou,  caqpOuc  eXprytax  iv  toTc  elc 
TÖ  TTpurrov  Tujv  Ttepi  cqpaipac  Kai  KuXivbpou  TCTpaw^voic  fmiv 
(d.  h.  p.  76).  Aus  der  angeführten  Stelle  p.  204  scheint  geschlossen 
werden  zu  müssen,  dass  der  Commentar  zur  kukXou  fix^Tpricic  un- 
mittelbar nach  dem  zu  den  Büchern  TT€pi  cq)aipac  Kai  KuXivbpou 
geschrieben  ist  (eXr]  ö'  äv,  ibc  Tipöc  tö  iTpOK6i|i€VOV,  i(peif\c  tö 
T€Tpa|ui]Li€VOV  *Apxi|iiilÖ€i  ßißXibiov  kukXou  juiTpriciv  Tfjv  ^iriTpacp^iv 
Ixov).  Wir  erhalten  daher  folgende  Beihenfolge  der  Commentare 
zu  Archimedes;  1)  zu  nepl  cq)aipac  Kai  KuXivbpou  I — II,  2)  zu 
kukXou  ^iriTpricic,  3)  zu  Trepi  dTiiiT^buiv  icoppoinOuv  I  -II.  Nun  ent- 
halten die  Handschriften  des  Archimedes  seine  Werke  in  folgender  Ord- 
nung (Quaest.  Archimed.  p.  10):  irepi  cqpaipac  Kai  KuXivbpou  I — II, 
kukXou  la^Tpricic,  Trepi  kwvociWujv,  irepi  ^Xikujv,  Tiepi  ^iriTr^biüv 
icoppoTTiOuv  I— II,  ipa|Li|LiiTnc,  TeTpaTWVicjiiöc  iTapaßoXfic.  Dass 
Eutokios  das  Buch  über  die  Quadratur  der  Parabel  nicht  gekannt 
hat,  wissen  wir  mit  Sicherheit;  ebenÜEdls  ist  es  wahrscheinlich,  dass 
er  irepi  dXiKWV  nicht  gelesen  (s.  hierüber  Quaest.  Archim.  p.  29). 
Die  Vermuthung  liegt  daher  sehr  nahe,  dass  die  von  Eutokios  be- 
nutzte Ausgabe  des  Archimedes  nur  diejenigen  Werke  enthalten 
hat,  die  er  commentirt  Wirklich  finden  sich  hin  und  wieder  die 
Bücher  irepi  KUivoeib^ujv,  irepi  ^Xikujv  und  TeTpaTWVicjLiöc  irapa- 
ßoXfic  in  Handschriften  besonders,  wie  in  cod.  Scorial.  R.  1 7  (s.  Miller: 
Catid.  p.  3),  worin  sonderbar  genug  die  Commentare  des  Eutokios 
mit  enthalten  sind.  Die  Ausgabe,  welche  dem  Eutokios  vorlag,  war 
von  seinem  Lehrer,  dem  oben  erwähnten  Isidoros,  besorgt.  Am 
Schluss  der  Commentare  zu  irepi  C9aipac  Kai  KuXivbpou  I  und  II 
und  zu  kukXou  jH^Tpricic  lesen  wir  nämlich  (die  Stellen  s.  oben  p.  3): 
^KböcetüC  irapavaYVWcGeicTic  'Icibuipip  ktX.  Die  Bedeutung  des 
Wortes  irapavaYiTVu»CKeiv  kann  zwar  zweifelhaft  sein;  in  der  eigent- 
lichen Bedeutung:  nebenbei  lesen,  d.  h.  conferiren,  gebraucht  es 
Longinus  in  einem  Briefe,  mitgetheilt  von  Porphyrios  uita  Plotini 
I  p.  XXXin,  KirchhofF;  hiervon  ist  aber  kein  weiter  Schritt  zu  der 
Bedeutung:  eine  Ausgabe  mit  andern  vergleichen,  eine  Textrecension 
besorgen;  so  wird  es  wohl  hier  zu  verstehen  sein;  denn  die  ^KÖocic 
ist  jedenfalls  eine  Ausgabe  des  Archimedes,  nicht  des  Commentars 
des  Eutokios;  sonst  würde  der  Artikel  T^c  nicht  fehlen  dürfen. 

Der  Commentar  zu  ApoUonios  zeugt  schon  durch  seinen  Ton 
von  grösserer  Einsicht  und  Se^bstiindigkeit  des  Verfassers  und  be- 


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360  J.  L.  Heibeig: 

urkundet  sich  dadurch  als  eine  Arbeit  des  reiferen  Alters.    Aus- 
drücklich als  später  geschrieben  als  die  Conunentare  zu  Archimedes 
erweist  sich  dieser  Commentar  durch  das  Citat  zu  I,  11  p.  32:  T^- 
Tpairrai  dv  toTc  ^Kbeboiidvoic  f^Tv  clc  tö  T^xopTOV  Ocufprijuia  toö 
bcuT^pou  ßißXiou  ToO  'ApxiMn^ouc  Trepl  cq>aipoc  xal  xuXivbpou;  es 
handelt  sich  um  zusammengesetzte  Proportionen  (irepi  cuvOdcewc 
XÖTWv),  wovon  Eutokios  zu  trepl  C9aipac  xai  kuX.  n,  ö  p.  160ff. 
ed.  Torelli  ausführlich  spricht.    Aus  diesem  Citat  geht  übrigens  her- 
vor, dass  Torelli  mit  unrecht  die  Zahl  der  Sstze  im  Buch  n  irepi 
C9aipac  xal  KuXivbpou  um  eins  vermehrt  hat,  dadurch  dass  er  als 
prop.  I  aussonderte,  was  ed.  Basil.  p.  33,  die  lateinische  üebersetzung 
des  Jaoobus  Gremonensis  ebend.  p.  41  und  ohne  Zweifel  alle  unsere 
Handschriften  richtig  zur  Vorrede  des  Archimedes  geschlagen.   Aber 
hierauf  werden  wir  weiter  unten  zurückkommen.  —  Der  Commentar 
umfasste  wohl  nur  die  vier  ersten  Bücher  der  Conica,  welche  die 
Elemente  der  Lehre  von  den  Kegelschnitten  vollständig  enthalte^ 
wie  Apollonios  selbst  sagt  p.  8:  ätrö  bi  rwv  öktuj  ßißXiuiv  tq 
irpurra  T^ccapa  nimwKe  irpöc  elcaTUlirtv  CTOix€iu)br|  (cfr.  Eutokios 
p.  218:  bid  Kai  aurdc  6  *AiToXXu>vioc  iv  dpxQ  toö  ßißXiou  <pnd 
TO  T^ccapa  ßißXia  dpKcTv  irpöc  Tf|V  ÄTUiirtv  Ti\y  cTOiX€ii&bn);  jeden- 
falls ist  der  Commentar  zu  diesen  Büchern  besonders  ausgegeben 
worden,  wie  es  aus  Eutokios'  Worten  im  Anfang  des  Commentars 
zu  Buch  lY  erhellt  (p.  218:  ävdrvu^Gi  odv  ainä  ^irijüieXuic,  xat  €i 
CGI  KttTä  eujiov  T^VTiTai,  Kai  to  Xonrä  Kaxd  toOtov  töv  tuitov  im' 
i\iO\}  dKTedfivai  (dKTt9f]vai  unrichtig  ed.  Hallej),  Kai  toOto  OeoO 
flTOUjüi^vou  T^VT)C€Tai.    "'Cppuico).     In  wie  fem  Eutokios  auch  die 
vier  noch  übrigen  Bücher  commentirt  hat,  ist  uns  nicht  überliefert^ 
aber  durchaus  nicht  wahrscheinlich.    Denn,  wie  es  scheint,  sind  diese 
vier  Bücher,  die  bekanntlich  nicht  mehr  griechisch  vorhanden  sind, 
eben  dadurch  verloren  gegangen,  dass  wir  nur  die  von  Eutokios  be- 
sorgte Ausgabe  der  Conica  haben,  welche  also  einer  allgemeinen 
Verbreitung  sich  erfreut  hat;  hStte  er  daher  die  vier  letzten  Bücher 
in  entsprechender  Weise  herausgegeben,  würden  sich  gewiss  grie- 
chische Exemplare  erhalten  haben.  Auch  findet  sich  in  der  arabischen 
üebersetzung  der  Bücher  V — VII  keine  Spur  von  einem  griechi- 
schen Commentar.    Während  Eutokios  bei  Archimedes  die  Ausgabe 
des  Isidoros  benutzte,  hat  er  hier  selbst  den  Text  des  Apollonios 
redigirt  (p.  218:  IcTi  bi  Ti  xap»^v  Kai  caqpic  to?c  dvTUirx<ivouci, 
Kai  fLidXicca  dirö  rfic  fmeT^pac  ^KÖöceuic).  Worin  seine  ThStig- 
keit  in  dieser  Bücksicht  (die  wir  wohl  eben  mit  dem  Wort  irapccva- 
YiTV(ibCK€iv  benennen  dürfen)  bestand,  giebt  er  selbst  an  p.  10: 
irXeiövuiv  bk  oOcaiv  dKÖöcewv,  uic  Kai  auröc  (nftml.  Apollonios) 
qpiiciv  iv  Tfl  ^TTiCToXTi  (Vorrede  zu  Buch  I  p.  8:  Kai  inex  cuMß^ßf)K€ 
Kai  fiXXouc  Tivdc  tu»v  cu)Li)Lie)iixÖTUiv  [ed.  Hallej  falsch  cO}X}i^ii\xB&' 

TU>V]   flJLiTv   ji€T€lXTl<P^Vai   TÖ  TtpOITOV   Kai  TÖ  b€UT€pOV  ßlßXlOV  TTpiV 

f\  biopeu>eflvai,  jif|  eaujidojc,  iav  TrepmiTrrgc  auroic  ir^puic  ixov- 


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Philologische  Stadien  zn  griechischen  Mathematikern.        361 

civ)  äfi€ivov  f|YT|cdMiiv  cuvaYOTCiv  auroc  ^k  t&v  ^^irnTTÖVTWV  xä 
co<p^CT€pa  irapa-no^iicvoc  ^v  t^  t^VJ^^)  öi&  Tf|v  tiäv  cicato^^vujv 
€u^df>€tav  (€d|i€p€iav  unrichtig  ed.  Hallej),  £Su)6€V  bk  iSf  toTc 
cuvT€TaT|i^voic  qcoXioic  d7ncii|üiaiv€c9ai  touc  l)ia9opouc,  die  €Ik6c, 
Tpoirouc  TWY  dirobciSeuiv.  Er  entfernt  daher  zum  Beispiel  aus  dem 
Texte  diejenigen  Sätze,  welche  nur  specielle  Fälle  (7rruiC€ic)  der  be- 
reits aufgeführten  sind,  und  daher  keinen  besonderen  Platz  verdienen, 
sammelt  sie  aber  sorgfältig  in  seinen  Anmerkungen^  wie  zu  II,  14 
p.  116:  cöp^öncav  bi  ?v  Tia  kqI  raOra  xd  GeujpriiuiaTa  dtT^Tpoiüi- 
jüi^va,  äir€p  d)c  irepirrä  dqpijpdOii  u(p'  fmuiv  . . .  o\)bk  dirobciEetc 
^Xouci  Tivac,  dXXd  biaq)opdc  KaraTpacpuiv  tva  bk  toic  ivxuxx^i" 
voua  Tf|V  f|ji€T^pav  yy[b\ir\v  bf{\r\v  TTon^cwiLiev,  ^wceiceu)  ^vraöOa 
Td  d)C  iT€ptTTd  dqpijprm^va;  auf  diese  Stelle  weist  er  zu  III,  16 
p.  172  hin:  ?v  Tici  TÜuv  dvTiTpdcpuJv  toOto  tö  GeiapTjM«  ^<^  iZ' 

TTap^K€iTO'  Icrx  bk  Kax'  dXTjGciav  ttxiIicic  xoO  i^' ^Cv  cxoXioic 

ouv  ?b€i  xoOxo  KcTcöai,  djcirep  iyp6.\\Kx^e\  elc  xd  \b'  xoO  beux^pou 
ßißXiou;  cfr.  p.  174:  Kai  xoöxo  6|üioiu)c  x<ö  npö  auxoO  Ikcixo  Oeiö- 
pif^a  (stand  als  eigenes  Theorem  aufgeführt)'  öirep  fmeic  u)c  irriuciv 
dq)€Xövx€C  ivxaOOa  ^yP^^kx^cv;  ebenso  p.  181:  xö  Oeiupima  xoOxo 
TToXXdc  ?xei  nxübceic,  d&CTrep  Kai  xd  fiXXa.  'Cnel  bk  (so  ist  zu  lesen 
für:  iiT€ib#|)  Iv  xiciv  dvxitpdcpoic  dvxi  Gewprmdxujv  trxObccic  cöpi- 
CKovxat  KaTaT€Tpa)Lifi^vai  Kai  dXXai  xiv^c  dirobeiSeic,  ^boKl^dca)Lt€v 
(d:  ^Eiu)ca|ui€v)  auxdc  irepieXeiv  Vva  bk  o\  ivxurxdvovxec  ditö  xf]c 
biaqiöpou  irapaO^ceuic  (Darstellung)  Tteipuivxai  xf)c  f^ex^pac  dm- 
voioc,  iEeBi}X€Qa  xauxac  iv  xoTc  cxoXioic  Ebenftdls  erwähnt  er 
öfters,  dass  der  Beweis  in  andern  Handschriften  abweichend  dar- 
gestellt sei;  er  habe  den  zweckmässigsten  ausgesucht,  die  übrigen 
in  die  Anmerkungen  aufgenommen;  so  zum  Beispiel  p.  20:  . .  xoOxo 
xd  Getiipiiiia  eOpicKCxai  Iv  xiciv  dvxiypdcpoic  öXov  bid  xf\c  elc  dbu- 
vorrov  diraruirfic  bebeiTM^vov;  p.  45:  Iv  xiciv  dvxixpdqpoic  xö 
0€(6pTma  xoOxo  km  }x6vr\c  [xf\c]  irapaßoXfic  Kai  öirepßoXfic  Icxr 
KdXXiov  bk  KaGoXiKUixepov  Ix^iv  xf|V  itpöxaciv;  cfr.  p.  68;  p.  62: 
fv  xiciv  dvxiTpdqpoic  xoO  ekocxoö  Gcwpriiüiaxoc  9^p€xai  xoiaüxii 
diröbcigic;  cfr.  p.  76,  113,  116,  176,  176;  p.  114:  eöp^Gn  ?v  xiciv 
dvnTpd90ic  xoöxo  xd  Gciiipima  bevKVUjLicvov  bid  büo  irapaXXi^XuiV 
KxX/  £7t€X€£d)L(eGa  bk  xauxnv  xf|v  KaxacK€uf|v  die  xd  aöxd  beiKvGcav 
dirXoucx^puic;  cfr.  p.  161,  auch  p.  190:  buvaxöv  ^cxi  xoOxo  xö  Geüu- 
pima  5€iiai  ö)io(u)c  v^  irpö  ainov  kxX.*  dXX'  ^Tteibfj  irdvxij  xauxöv 
icTi  Tfj^  ItA  xfjc  lüiiäc  uirepßoXfjc  npobcbeiTM^vi}!,  aöxri  f^  diröbci^ic 
dTTcX^X^^  ^^d  p.  158:  Icxi  bk  Kai  dXXr)  diröbetStc  beziehen  sich 
wohl  auf  eine  Verschiedenheit  der  üeberüeferung.  Wenn  Eutokios 
von  m,  34  an  nicht  mehr  verschiedene  Handschriften  erwähnt,  aber 
öfters  andere  Beweise  mit  einem  dXXiuc  anführt,  kann  es  wohl  nicht 


*)  D.  h.  ^im  Text';  s.  zu  Archi^.  p.  6;  p.  93;  zu  Apollon.  p.  76,  1; 
153,  18;  166,  32;  168  extr.;  162,  30;  163,  46;  168,  43. 


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362  J.  L.  Heiberg: 

zweifelhaft  sein,  dass  dieses  fiXXu)C  eben  dasselbe  bedeutet^  was 
früher:  Iv  Ticiv  dvTiTpAqpoic  9^p€Tai  diröbciEic  xoiauTTi  hiess,  und 
dass  die  so  aufgeführten  Beweise  nicht  Eutokios'  eigne  Erfindung, 
sondern  abweichende  üeberlieferung  sind;  dasselbe  wird  wohl  von 
p.  177  gelten,  wo  wir  dXXuiC  zum  ersten  Male  treffen;  Ton  III,  37 
an  wird  es  häufig:  p.  193,  194,  196,  196,  229,  230,  239.  An 
einer  einzigen  Stelle  scheint  Eutokios  selbst  ohne  die  Stütze  der 
üeberliefeining  den  Beweis  des  Apollonios  geändert  und  simplificirt 
zu  haben;  wenn  nämlich  p.  59  so  gelesen  wird:  ircXurpöiruic  bebeiT- 
^€VOu  TOÜTOu  Toö  9€U)p^|iaT0C  dv  öia9Öpoic  ^Kböceciv  f|M€Tc  Tf|V 
dTrXoucT^pav  Kai  caqpecr^pav  ^TTOirjcaiüiev,  scheint  die  Stelle  kaum 
anders  restituirt  werden  zu  können,  als  durch  die  Supplirung  eines 
vor  aTrXoucT^pav  ausgefallen  dTTÖbeiEiV;  denn  der  Sinn:  ^so  haben 
wir  den  einfachsten  (Beweis)  ausgewählt',  kann  nicht  ohne  ge- 
waltsame Aenderungen  (jedenfalls  würden  die  Comparative  zu  ent- 
fernen sein)  hineingebracht  werden.  Ueber  die  verschiedenen  Aus- 
gaben, besonders  des  merkwürdigen  und  von  Apollonios  selbst  (p.  8) 
als  sehr  interessant  bezeichneten  dritten  Buchs  der  Conica  s.  Eutokios 

p    168:    TÖ    TpiTOV   TOIV   KWVIKÜÜV   TTOXXfiC   ji€V   (ppOVribOC   UTlÖ  TUJV 

TiaXaiujv  i^EioOrai,  ibc  a\  iroXuTpoTTOi  auroO  ^Kböceic  br^Xcöciv, 
woraus  geschlossen  werden  kann,  dass  die  einzelnen  Bücher  be- 
sonders ausgegeben  waren,  was  auch  Apollonios  selbst  andeutet  p.  8 
(s.  oben).  Bei  dieser  Verschiedenheit  und  Mannigfaltigkeit  der  Aus- 
gaben darf  es  nicht  befremden,  dass  die  Zahlen  der  in  dem  Commen- 
tare  zu  Archimedes  citirten  Sätze  aus  Apollonios  nicht  mit  der  uns 
überlieferten  Zählung  der  Conica  selbst  übereinstimmen;  es  erklärt 
sich  einfach  daraus,  dass  Eutokios  damals  noch  nicht  seine  eigene 
Ausgabe  veranstaltet  hatte,  sondern  nach  einer  der  gewöhnlichen 
citirt  Im  Commentar  zu  trepi  ccpaipac  Kai  KuXivbpou  II ,  5  wird 
nämlich  Con.  11,  12  durchweg  als  H,  8  citirt  (p.  164,  39;  166,  6; 
170,  18;  174,  35);  dagegen  p.  167,  12,  wie  in  unsel'en  Handschriften 
der  Conica,  11,  3;  auch  in  dem  ersten  Buche  der  Conica  waren  die 
Sätze  anders  geordnet:  p.  166,  42  wird  I,  27  citirt  für  I,  26,  ebenso 
p.  166,  49  I,  34  für  I,  33;  dagegen  p.  174,  2  und  41  wird  I,  20 
citirt,  wo  wir  I,  21  erwarten.  Man  darf  sich  in  den  hier  angeführten 
Stellen  nicht  dadurch  irren  lassen,  dass  Torelli  nach  seiner  Weise 
(cfr.  Quaest.  Archim.  p.  154)  stillschweigend  die  üebereinstimmimg 
mit  unsem  Ausgaben  der  Conica  wiederhergestellt  hat;  die  Üeber- 
lieferung steht  hinlänglich  fest  durch  die  Lesart  der  ed.  Basil.,  durch 
die  üebersetzung  des  Jacobus  Cremonensis  und  durch  das  Schweigen 
der  nach  der  Baseler  Ausgabe  angefertigten  Handschriftcollationen  der 
Torellischen  Ausgabe.  Bei  der  Consequenz  der  Abweichungen  ist  an 
Schreibfehler  gar  nicht  zu  denken.  Eben  so  wenig  darf  es  ange- 
nommen werden,  dass  etwa  die  Zählung  der  Sätze  iu  unseren  Hand- 
schriften der  Conica  irrig  sei.  Denn  für  das  erste  Buch  ist  die 
Folgereihe  der  propp.  1 — 10  durch  Eutokios'  Recapitulatiou  p.  30, 


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Philologische  Stadien  zu  griechischen  Mathematikern.         363 

propp.  11  —  14  durch  p.  39  (Eutok.  ad  prop.  14:  (pavcpöc  bi  kiiv 
6  CKÖTTOC  oivcx^c  uiv  Toic  TTpö  oinov  Tpidv),  propp.  15—16  durch 
p.  42  und  43;  endlich  werden  propp.  17 — 56  (ausserdem  noch  An- 
deutungen über  prop.  1 — 16)  von  Eutokios  p.  99 — 100  summarisch 
referirt,  wozu  noch  hie  und  da  übereinstimmende  Citate  hinzukonmien 
(I,  8  citirt  mit  dieser  Nummerr  p.  43;  I,  11  —p.  53  [iv  Tiu  cxoXtip 
Tou  dvöCKOTOU  Getupri^aTOc);  I,  15— p.  49;  I,  30— p.  77;  I,  37 — 
p.  77;  L  41  — p.  76  (ÖVTOC  Xafou  toO  ^a  0€Ujpl^jLiaTOc);  I,  43  — 
p.  78  (a\  iTTU)C6ic  aÖToO  iß'  €lci,  KaGdirep  im  Tf\c  ÖTT€pßoXf\c  Iv 
TU»  ^T'  iX^XÖT],  d.  ^'  p.  75:  ix^i  imÄceic  im  }ikv  tiic  öiTcpßoXfic 
?v5€Ka,  öcac  cTxe  kqi  tö  irpö  auroO  inx  Tf\c  irapaßoXfic  Ka\  Sk\r\v 
fiiav).  Fflr  das  zweite  Buch  mag  p.  172:  djCTtep  dTpdipa|i€v  elc  tö 
ib'  ToO  beuT^pou  ßißXiou  —  p.  116  genügen  (p.  161:  die  cTprirai 
^v  TW  Ö€UT^p(}i  ßtßXiiu  =  II,  32  p.  129).  Es  ist  daher  kaum  etwas 
anderes  übrig,  als  diese  Abweichungen  deijenigen  Ausgabe  des 
ApoUonios  zuzuschreiben,  die  Eutokios  früher  benutzte^  wodurch 
wir  in  die  Veränderungen,  die  er  in  seiner  eigenen  Ausgabe  yor- 
nahm,  jedoch  gewiss  auf  andere  Handschriften  gestützt,  einen  Blick 
gewinnen. 

Ausser  den  erhaltenen  zwei  Commentaren  hatte  Eutokios  noch 
die  cuvToSic  des  Ptolemaeus  erläutert.  Dieser  Commentar  war  vor 
dem  Commentar  zu  Apollonios  abgefasst;  denn  zu  Con.  1,11  p.  32 
heisst  es:  dZr)T/|ca^€V  ainö  (die  Lehre  von  zusammengesezten  Pro- 
portionen) Kai  fifpamax  iv  toic  dKbebo|i^voic  fijiiiv  de  tö  T^Tap- 
Tov  Geuiprma  toO  öevr^pou  ßißXiou  toO  'ApxiMH^ouc  trepi  cqpaipac 
Ktti  KuXivbpou  Kai  4v  toTc  cxoXioic  toO  itpiÄTOu  ßißXiou  ttJc  TlToXe- 
Mttiou  cuvTd£€iüC'  ouK  ävicov  bk  koi  dvraöOa  toOto  Tptt<pnvai  biä 
TÖ  }xi\  Trdvrac  touc  dvaTivuiCKOVTac  K<jiK€ivoic  ivTUYX^veiv.  Wahr- 
scheinlich war  er  aber  später  als  die  Commentare  zu  Archimedes 
verfasst;  sonst  würde  Eutokios  zu  kükXou  ji^Tp.  in  p.  208,  wo  er 
Ton  Theon  und  Pappos  *Ka\  dT^poic  nXeiociv  ^Etiyoum^voic  Tf|V  |ui€- 
TaXiiv  cüvTofiv  ToO  KXaubiou  TTToXeiuaiou '  spricht,  gewiss  auch 
seine  eigene  Arbeit  angeführt  haben.  Die  Auseinandersetzung  der 
zusammengetzten  Proportionien,  ein  Lieblingsthema  des  Eutokios,  wie 
es  scheint,  hatte  er  ohne  Zweifel  zu  Ptolem.  cuvr.  I,  12  gegeben, 
wo  PtolemäOB  sich  ihrer  bedient;  daselbst  hat  T)ieon  in  seinem 
Commentar  p.  61 — 62  einiges  über  sie  mitgetheilt,  was  aber  dem 
Eutokios  ungenügend  schien  (p.  32:  direi  bi  ^iraKTiKWTepov  jiäXXov 
(durch  Induction)  Kai  oO^  KaTa  töv  dvoTKaiov  Tpöitov  uttö  tujv 
uTTO^vimaTiCTUiv  ^X^T^TO;  cfr.  zu  irepl  C9aipac  Kai  KuXivbpou. 
II,  5  p.  160:  ibc  &TIV  eupeiv  dvTurx^vovTac  TTdirTTi})  Te  Kai  6^ lu vi 
Kai  'ApKobiiu  dv  iToXXoTc  cuvrdTMOciv  oök  diroöciKTiKÄc  (so  die 
besseren  Hdschr.),  dXX'  dnaTiWTTl  "^^  Xcf  ö^evov  irapicrwciv). 

Eutokios  erweist  sich  durchgehende  als  ein  sehr  fleissiger  Samm- 
ler von  weit  ausgedehnter  Belesenheit;  es  soll  hier  ein  Yerzeichniss 
der  von  ihm  angeführten  Schiiften  gegeben  werden,  woraus  wir  zu- 


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364  J.  L.  Heiberg: 

gleich  einige  Aufklftrung  darüber  erhalten  werden,  welche  mathe- 
matischen Schriften  den  Griechen  des  sechsten  Jahrhunderts  nodi 
zugänglich  waren. 

Den  ersten  Platz  nimmt  natürlich  Euklid  ein;  die  Elemente 
werden  öfters  mit  Angabe  des  Buches  und  Satzes  citirt,  welche  An- 
gaben in  der  Regel  mit  unseren  Handschriften  der  Elemente  über- 
einkommen, wie  z.  B.  Eukl.  Elem.  ü,  1  zu  ircpi  cq[>aipac  Kat  kuXiv- 
bpou  I,  17  p.  94  und  zu  II,  10  p.  199;  Eukl.  V,  25  zu  ApoUon. 
II,  48  p.  139;  Eukl.  VI,  3  zu  icükXou  M^Tp.  III  p.  209;  Eukl.  VI,  23 
zu  Apollon.  I,  11  p.  32;  endlich:  iv  rfji  äpx^  toO  bcKdrou  Ti]C 
CTOiX€tu)C€WC  eÖKXeibou  (=  X,  1)  zu  ittm.  Icopp.  I,  7  p.  7;  cfr.  zo 
II,  4  p.  41:  £v  Ti]^  bcKÖiTip  Tf)C  CTOiX€iaiC€UJC  (■»  X,  l);  so  findet 
sich  auch:  dv  Tip  irpiÖTip  Kai  bexATip  ttjc  GÖKXelbou  ctoix€iu)C€ijc 
(=  XI,  18)  zu  Apollon.  I,  5  p.  23;  ungenauer  blos:  iv  tQ  CTOixeiiii- 
C€i  zu  TT€pt  cqmpac  Kai  KuXivbpou  I,  11  p.  82  (»*  Eukl.  XII,  2 
p.  200  August)  und  zu  I,  14  p.  90  (—  Eukl.  XU,  l);  zu  Apollon. 
p.  12,  48  (=  Eukl.  m,  8);  dv  TOic  CTOixeioic  zu  Apollon.  I,  27 
p.  63  (=  Eukl.  VI,  26);  zu  I,  32  p.  59  (-«  EuU.  HI,  16).  Ausser- 
dem wird  Euklid  an  unzähligen  Stellen  stillschweigend  benutzt.  Be- 
sonders zu  bemerken  sind  zwei  Stellen,  wo  Euklidische  Sfttse  wört- 
lich angeführt  werden,  nfimlich  zu  ircpl  cq[>aipac  Kai  KuXivbpou  n,  5 
p.  160:  ibc  Yop  iv  Tfl  CTOixeiiücei  (Xötoc  ^k  Xötiwv  cuipceicOoi  Xc- 
T€Tai),  ÖTav  al  tiIiv  X6tu>v  miXiKÖTriTec  4<p*  laurac  iroXXairXocio- 
c6€icai  iTOiuJCiv  Tiva  (rivi  unrichtig  TorelH,  Tiva  ed.  Basil.  p.  28, 
die  Codices  und  Jacobus  Cremonensis  p.  30:  ^quandam  quantitatem'), 
genau  wie  EukL  VI  def.  5;  dagegen  wird  zu  Apollon.  Con.  II,  48, 
Eukl.  V,  25  etwas  abweichend  angeftlhrt  p.  139:  läv  rdccopa  M^T^^ 
dvdXoTOV  fi,  TÖ  Ttporrov  Kai  tö  T^TapTOV  (tö  jh^tictov  koI  t6  dXd- 
XiCTOV  Eukl.)  biJO  TUiv  Xomuiv  (tujv  büo  Xoiirüjv  einige  codd.  und 
edd.  des  Eukl.)  lieilovoi  Icrax  (dcTiv  Eukl.).  Eine  Abweichung  in 
der  Zfthlung  der  Sätze  kommt  nur  zweimal  vor;  zu  irepl  cqxxipac 
Kai  KuX.  III,  10  p.  199  wird  Eukl.  U,  3  als  TÖ  b€UT€pov  dt\bprpa 
ToO  beuT^pou  ßißXiou  Tf)c  ctoix€Iiuc€u>c  (Torelli  hat  den  Hand- 
sohriften,  ed.  Basil.  und  der  alten  üebersetzung  zuwider  rpiTOV  cor- 
rigirt)  angeführt,  und  zu  Apollon.  I,  17  p.  44  steht  EukL  m,  15 
für  m,  16. 

Ausser  den  Elementen  finden  die  Data  Euklids  vielfEusbe  Be- 
rücksichtigung; so  beziehen  sich  die  Worte:  i&v  bebo^i^vov  ^iy^doc 
TTpöc  Ti  ^opiov  ^auToö  Xdxov  ixv  beboji^vov,  Kai  npdc  tö  Xotiröv 
XÖTOV  £E€i  bebojLi^vov,  bei  Eutokios  zu  irept  cqiaipoc  xal  kuX.  II,  8 
p.  184  auf  Eukl.  Dat.  prop.  5:  dov  ^^T^Ooc  irpöc  iaoüToQ  ti  |Li€poc 
XÖTOV  ixQ  b€bo|idvov,  Kai  npdc  tö  Xoiirdv  Xöyov  äiex  b€bofi€vov; 
zu  demselben  Werke  II,  4  p.  156  wird  Dat.  7  angeftkhrt;  zu  II,  5 
p.  160,  35  und  U,  8  p.  184  Dat.  8;  zu  U,  6  p.  180,  22  Dat.  30; 
ebend.  lin.  19  Dat  40;  ebend.  p.  179—180  Dat.  57.  Mit  Namen 
werden  die  Euklidischen  Data  citirt  zu  irept  opoipac  Ka\  kuX.  II,  6 


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Philologische  Stadien  zu  griechischen  Mathematikern.         365 

p.  180,  13  ff.:  tva  bk  KoA  toGto  dKoXouOuic  t^  ctoix€1((>c€i  tuiv 
Aebofi^vuiv  boicQ  cuvdT€c6ai,  Xexd^erai;  darauf  wird  die  ävri- 
CTpo(pifj  von  Dat  88  benutzt  Dagegen  waren  die  2  Bücher  Euklids 
über  die  TÖiTOt  npdc  imq)av€{(m  die  Pappos  noch  hatte  (VII,  3  p.  636 
Holtsch;  Hilfsfttze  zu  ihnen  VII,  312 ff.  p.  1004ff.),  schon  damals  yer- 
loren;  s.  Eutokios  zu  ApoUon.  p.  12:  ibc  €otK€V,  £v  Iripui  ßißXi({i  irepl 
TÖ1TUIV  ^efpaiiiiiyw  tijj  EÖKXeibi]  ^mau&irrei  (d.  h.  er  spottet  über 
das,  was  Euklid  in  einem  andern  Buche  irept  TÖiruiv  geschrieben), 
incp  de  fljüiäc  ou  (päpexai.  Diese  Stelle  des  Eutokios  bietet 
übrigens  grosse  Schwierigkeiten.  Apollonios  sagt  nämlich  p.  8: 
TÖ  b^  TpiTOV  (das  dritte  Buch  der  Conica)  noAXä  xal  napäboia 
9€Ujp<^jui«Ta  XPn<^iM<x  ^p6c  t€  tAc  cuvO^ceic  töv  crepcüiv  töttujv 
KaiTouc  biopicjüiouc,  dbv  rä  irXeicra  xaXä  xal  liva  Karavcf^avTec^ 
cuv£i&o|üi€V  (if|  cuvTie^|üi€VOV  tiiTÖ  GöicXcibou  TÖv  ixA  TpeTc  Kai 
Tkcapac  fpaixiiäc  töitov,  dXXä  jüiopiov  tö  tuxöv  oötoO,  koI  toOto 

OUX  6ÖTUXWC*   OÖ  T^  bUVQTÖV  äv€U  TUPV  1TpOC€Upim^VUIV  f^tV   T€- 

X€iw6f)vai  Tf|V  cuvOcciv.  Hierüber  sagt  Eutokios  p.  12:  M^Mcperai 
bi  Öfjc  ri^  €öicX€{bi],  oux,  liic  oTeTai  ndrntoc  Ka\  £t€po{  nvec,  bid 
t6  ^f|  cöpHK^vai  buo  fui^cac  &vdXoTov'  6  t€  yctp  CöicXeibiic  ört^i^c 
cupibv*)  tf|V  lüiiav  ^^ciiv  dväXoTOV,  dXX*  oöx,  Jbc  ainöc  «pnav,  otihc 
cuTuxöc  (BuM.  Eiern.  VI,  13),  ircpi  t«Sv  büo  \iicwfv  oflb*  öXiuc  im- 
X€ip€iTai  ZYirficai  dv  tQ  ctoix€u(»C6i,  aördc  8  T€  'AiToXXanaoc  oubfev 
TTCpl  Tuiv  buo  ^^cuiv  dvdXoTOV  9a{v€Tai  ZT|Tf|cai  iv  v3^  rpiti}) 
ßtßXiif}'  dXX'  die  foiK€V  ktX.  (s.  oben).  Der  Sinn  kann  kein  anderer 
sein  füs  dieser:  Pappos  habe  irgendwo  gesagt,  dass  Apollonios  den 
Euklid  darum  getadelt,  weil  er  in  seinen  Elementen  nur  die  eine 
mittlere  Proportionallinie,  nicht  aber  die  doppelte  gefunden  habe. 
DuB  dies  gar  nicht  der  Sinn  der  angeführten  Worte  des  Apollonios 
ist,  geht  hinlänglich  aus  der  Widerlegung  des  Eutokios  hervor,  der 
sehr  richtig  die  wahre  Meinung  des  Apollonios  angiebt;  aber  auch 
Pappos  Vn,  33  ff.  p.  676  ff.,  wo  er  die  Stelle  aus  Apollonios  tadelnd 
anführt,  weiss  sehr  wohl,  dass  Apollonios  von  einer  Arbeit  Euklids 
über  die  Kegelschnitte  redet,  nicht  von  den  Elementen;  er  sagt 
nämlich:  8v  bi  qtr\ciy  4v  Tiji  rplrip  töitov  dm  y'  Kai  b'  TpoWidc 
;rf|  TeT€X€tuJ€6ai  öirö  EÖKXeibou,  oub*  öv  aöröc  t^feuWieiri  oöb' 
äXXoc  oöbclc  dXX*  oubfe^)  iniKpöv  ti  TrpocBcivai  toTc  und  eöxXcibou 
Tpaipctav,  bid  t€  ^övujv  tiöv  Ttpobebciy^^vuiv  fjbT]  xuivt- 
Kuiv  dxpi  '^^  koet'  GtincXeibiiv;  Euklid  habe,  heisst  es  in  den  folgen- 
den Worten,  die  zu  verdächtigen  ich  auch  keinen  genttgenden  Orund 
finde,  nur  ^e  Conica  des  Aristaios  benutzen  wollen.  Es  ist  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  Pi^pos  an  Euklids  Bücher  ttber  TÖirot  irp6c  im- 


*)  So  richtig  Pappos  VII  88  p.  676;  im  Apollonios  steht:  E^va,  & 
Kai  KOTcrvoyicavrec,  durch  Dittographie  von  — a  Kar—.  —  *)  Im  ApoUo- 
nios  steht  eüpc,  das  die  Construotion  stört.  —  ^)  Ich  halte  diese  Worte 
gegen  Hultsch  fdr  echt:  Venn  auch  nur'. 


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366  J.  L.  Heiberg! 

q>av€(<ji  dachte;  wenigstens  spricht  er  nirgends  von  dem,  was  Eutoldos 
ihm  zuschreibt.  Das  Bftthsel  scheint  nur  dadurch  zu  lösen,  dass  wir 
annehmen,  dass  Pappos  anderswo  (vielleicht  in  dem  Commentar  zu 
den  Elementen,  worüber  s.  unten),  bevor  er  noch  Euklids  Bücher 
iTCpl  TÖTTUiv  kannte,  den  Sinn  der  apoUonischen  Stelle  missverstanden 
und  falsch  erklärt  hatte  auf  die  von  Eutokios  angegebene  Weise. 
Sonderbar  bleibt  es  aber  dennoch,  dass  Eutokios  die  Stelle  aus  den 
cuvaTUJTCtic  nicht  berücksichtigt. 

Ich  fahre  nach  dieser  Digression  in  der  Au&fthlung  der  von 
Eutokios  erwähnten  Werke  fort 

Von  frühem  Geometern  hatte  er  den  Eudoxos  noch  gelesen, 
dessen  Lösung  des  Problems  von  der  doppelten  mittleren  Proportional- 
linie er  zu  TTcpt  cqpaipac  xat  kuX.  ü,  2  p.  135  etwas  höhnisch  ver- 
wirft (gewiss  mit  Unrecht,  s.  Bretschneider:  Die  Geometrie  u.  d. 
Geometer  vor  Euklid  p.  166  f.):  ttoWoiv  hi  xXeivöv  dvöpuiv  Tpa- 
q>aic  dvTCTuxnKa^ev  (so  die  codd.)  tö  irpößXima  toOto  iiraTTtXXo- 
M^vaic,  div  -rfjv  eöböEou  toO  Kviöiou  (Kvibeiou  Torelli)  irapijTncä- 
^€6a  Tpa<Pnv  (so  cod.  Flor.  u.  a.),  ^Treibi^  fpr]Ci  juifev  dv  [toTc]  TTpooijiioic 
bid  KttinTTuXuiv  YpainiLiiüV  aörfiv  T]vpn«<^vai,  ^v  bi  Tr|  dmobeÜex  rrpöc 
(so  cod.  Flor.)  tuj  (tö  vulg.)  jutf)  K€XPncOai  Ka^iniXaic  TP^MMaic*), 
dXXd  Ktti^  biqpnii^VTiv  dvaXotiav  eöpdiv  d)c  cuvexeT  XP^^ai  (mit 
cod.  Flor.)*  önep  f\y  ätottov  ÜTrovoiicai,  ti  \if\u  Tiepl  GöböHou, 
dXXd  Ttepi  Toiv  xal  )i€Tpiuic  irepl  T^uj^erplav  dvecrpa^^^vujv.  Die 
letzten  Worte  sind  vielleicht,  trotz  der  wunderlichen  Construction, 
dennoch  richtig  und  so  zu  übersetzen:  was  ein  ungereimter  Einfsdl 
war,  nicht  nur  von  Eudoxos  (von  dem  Eudoxos  will  ich  gar  nicht 
reden),  sondern  selbst  von  den  auch  nur  wenig  der  Geometrie  Kun> 
digen  (quod  ineptum  erat  non  modo  Eudoxo  in  meutern  venisse,  sed 
iis,  qui  parum  in  geometria  versati  sunt).  Wenn  Eutokios  p.  135 
darauf  hinzufügt:  Kva  bi\  f|  Tiöv  elc  fmäc  dXnXuGÖTWV  dvöpujv 
fvvoia  ^jLiq)aW|C  T^vtirai,  6  dKdcTOu  ttic  cöp^cewc  rpöiroc  Kai  iv- 
xaOGa  Tpaq>ific€Tai,  und  weiter  unten  p.  143  nur  bei  der  Lösung 
des  Archytas  ausdrücklich  angiebt:  f|  'ApxuTOU  eSpecic,  die  Göbii- 
)iOC  IcTopei,  möchte  man  schllessen,  er  habe  die  übrigen  Lösungen 
aus  den  eigenen  Schriften  der  Erfinder  geschöpft,  während  nur  die 
Schrift  des  Archytas  verloren  gegangen  war.  Das  ist  aber  wenig- 
stens bei  Piaton,  dessen  Methode  er  p.  135  mittheilt,  unmöglich, 
weü  Piaton  gewiss  keine  eigenen  Schriften  über  Mathematik  hinter- 
liess.  Dadurch  wird  es  auch  in  der  Folge  zweifelhaft,  in  wie  fem 
er  wirklich  die  Arbeit  des  Menaichmos,  des  Freundes  Piatons 
und  Begründers  der  Lehre  von  den  Kegelschnitten,  vor  sich  hatte. 


^)  Man  vgl.  doch  Eratostheues  bei  Eutokios  selbst  p.  144:  €öboSoc 
bi  biä  Tiöv  KoXoufi^vuiv  KajjiiruXiuv  tpctM^^»  iMid  p.  146;  iir\h*  €t  ti 
6€ou6^oc  €06ö£oio  KÖfiTruXov  tv,  "xpapipia^c  ctboc  dvatpdipeTat.  —  *)  AU  ob 
vorher  geschrieben  wäre:  oO  juiövov  oi)  k^xP^I'^^^^* 


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Philologische  Stadien  zu  griechischen  Mathematikern.         367 

oder  ob  er  yielleicht  seine  beiden  Lösungen^)  (p.  141  — 143),  wie 
die  des  Piaton,  anderswoher  (jedoch  wohl  nicht  aus  Eudengios) 
kannte.  Von  den  übrigen  Mathematikern^  die  er  in  dieser  Sache  an- 
führt, darf  es  wohl  behauptet  werden,  dass  er  ihre  Schriften  noch 
hatte.  So  Dioldes  nepi  irupiujv  p.  138  (nochmals  citirt  p.  171 — 176; 
cfr.  p.  163)  und  Nikomedes  nepi  KOTXO€ibwv  TPOiMM*JLiv  p.  146—149 
(cfr.  Pappos  m,  24  p.  58—72;  IV,  42  sq.  p.  246—260).  Weiter 
kennt  er  die  Lösungen  von  Sporos  p.  141  (über  ihn  cfr.  Pappos  IV,  46 
p.  252  sq.  Schol.  ad  Arat.  p.  99,  24;  152,  10  ed.  Bekker;  es  ist 
kein  genügender  Grund  da,  ihn  mit  Porös  ö  NiKaieuc  zu  identificiren, 
dessen  Kfipia  Eutokios  p.  216  erwähnt)  xmd  von  Eratostheues 
p.  144 — 146,  dessen  Brief  an  König  Ptolemaios  über  seine  Lösung 
er  ganz  mittheilt;  eben  diesen  Brief  scheint  Pappos  m,  21  p.  54:  iv 
m  '€paTOc0^vouc  ^ecoXdß^l  zu  meinen;  denn  wenn  auch  die  von 
ihm  in,  23  p.  56 — 58  aus  diesem  Buche  mitgetheilte  Lösung  des 
Eratosthenes  beträchtlich  von  der  des  Eutokios  abweicht,  sind  die 
Abweichungen,  die  den  Gang  des  Beweises  und  der  Construction 
nicht  berühren,  doch  der  Art,  dass  sie  sehr  wohl  von  Pappos  selbst 
herrühren  können.  Wo  ApoUonios  die  p.  137 — 138  aufgeführte 
Lösung  mitgetheilt  hatte,  wissen  wir  nicht;  aus  Pappos  in,  21  p.  56: 
Tf|v  KaTacK€uf|V  aÖToO  (des  delischen  Problems)  jnövov  6pTaviKdic 
TTCTToiiivTai  cu|ii9a»vu)c  'AiroXXuivliji  tcö  TTepTaiifi,  6c  xai  Tf|v  dvd- 
Xuciv  auToG  iT€7roiT|Tai  bid  twv  tou  kiIivou  toihüjv  geht  hervor,  dass 
er  das  Problem  irgendwo  analytisch  durch  Hülfe  der  Kegelschnitte 
behandelt  hatte;  dazu  hatte  er  wohl  die  mehr  praktische  Lösung, 
die  sich  bei  Eutokios  findet,  gefügt;  aber  eine  Anspielung  auf  diese 
praktische  Lösimg,  die  man  bei  Pappos  hat  finden  wollen,  liegt 
nicht  notbwendig  in  seinen  Worten;  die  bezüglichen  Worte:  öc  Kai 
Tf)V  dvdXuciv  bedeuten  kaum  mehr  als:  der  (auch)  wirklich  u.  s.  w. 
Die  Lösung  des  Philon  aus  Byzanz  p,  136—137  befand  sich  im 
ersten  Buche  seiner  ßeXoTrouKd,  wovon  wir  Buch  IV  und  V  besitzen 
(Mathematici  vett.  p.  49 — 104);  in  der  Vorrede  zu  IV  p.  51  sq. 
sagt  er:  ictx  bfe xdc  Xomdc  cuvlcracGai  biaju^xpouc  dp- 

TaVlKÄC    KQTd   TÖV   TOO    KUßOU    blTlXaClOCHÖV,    d)C    iv    TljJ    npiüTUI 

ßißXiip  &€bTiXiuKa|Li€V  Kai  vOv  bk  ouk  dKvrjcoiuiev  ÜTiOTpdijiai,  und 
giebt  darauf  einen  gedrängten  Auszug  seiner  von  Eutokios  be- 
schriebenen Methode.  Herons  Lösung  p.  136  fand  £)utokios  sowohl 
in  seinen  ^nX^viKOi  elcaTWTCii  (gewöhnlich  jiniXttViKd  genannt,  siehe 
H.  Martin:  Eecherches  sur  H6ron  p.  29—31)  als  in  den  ßeXoTioiiKd 
(oder  KaTa-rreXTiKd,  s.  Martin  p.  36 — 37);  wirklich  finden  wir  in 
der  heronischen  Schrift  ßeXoTTOUKd  in  den  Mathemat  vett.  p.  143 — 
144  die  Originalstelle,  die  Eutokios  fast  wörtlich,  nur  mit  mehreren 
erklärenden  Erweiterungen   des  Beweises    und   mit   Vertauschung 

")  Jedenfalls  sind  sie  nicht  mit  den  eigenen  Worten  des  Ver&ssers 
angef&hrt;  denn  die  Namen  CitTcpßoX/)  (p.  142,  3;  17)  und  TrapaßoX/| 
(p.  Utull;  142, 19;  42;  48;  143  mehrmalB)  kannte  MenaichmoB  noch  nicht. 


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368  J.  L.  Heiberg: 

zweier  Buchstaben  iu  der  Figur  wiedergegeben  hat  Pappos  dagegen, 
der  III,  25 — 26  p.  62  ff.  ebenfiedls  den  beronisclien  Beweis  in  wesent- 
lich gleicher  Fassung  giebt,  hat  aus  den  |u»ixotviKd  geschöpft  (siehe 
m,  21  p.  56);  davon  rührt  die  üebereinstiimmung  in  Einzelheiten 
zwischen  ihm  und  Eutokios  her.  Endlich  führt  Eutokios  noch 
p.  139 — 140  die  Methode  des  Pappos  an  ^iv  iit]xay\KaiQ  €tcaTUiT<3(tc'; 
in  den  cuvatuitctl  des  Pappos  findet  sich  die  Lösung  zweimal:  111,  27 
p.  64 ff.  und  YIU,  26  p.  1070 ff.;  die  erstere  Stelle  weicht  weit 
mehr  von  Eutokios  ab,  als  die  letztere,  die  nur  ganz  unbedeutende 
Verschiedenheiten  darbietet,  so  dass  Eutokios  sie  sehr  wohl  als  xard 
X^£tv  (p.  139,  38)  abgeschrieben  bezeichnen  darf;  unter  dem  Namen 
jiilXCXViKal  elcatUJTai  ist  daher  das  achte  Buch  der  cuvat(MT<iti 
welches  die  Mechanik  behandelt,  zu  verstehen  (cfr.  Beimer:  Gubi 
dupL  p.  193).  Von  Pappos  besass  Eutokios  noch  ausserdem  die 
beiden  Commentare,  zu  Euklids  Elementen  p.  90,  6:  €Tpr]Tai  b^  xai 
TTdirrr^i  elc  (?)  tö  uTTÖ^vriiiia  t(Dv  CTOixciu^v,  hin  und  wieder  von 
Proklos  benutzt  (Comment  zu  Eukl.  p.  189,  197,  249  ff.,  429),  und 
zu  der  cuVToEic  des  Ptolemaios,  s.  zu  Archimed.  p.  160  n.  p.  208; 
cfr.  Suidas  s.  v.  TTöiiTTroc:  de  t&  b'  ßißXia  Tf^c  TTToX€^a(ou  liCTÖtXnc 
cuvrdSeuJC  önÖMVima.  Von  Herons  Schriften  dtirt  er  noch  die  |yi€' 
TpiKd,  Comm.  zu  Arohim.  p.  208,  und  kennt  auch  die  von  seinem 
Lehrer  Isidoros  commentirten  KafnopiKd  p.  143.  Ausser  den  KUivtKd 
des  ApoUonios  hatte  er  von  ihm  noch :  6  dvaXudfüievoc  TÖtroq  woraus 
er  ein  Fragment  mittheilt  zu  Apollon.  p.  11 — 12;  es  ist  ohne  Zweifel 
mit  den  2  Büchern  TÖiruiv  ^mir^buiv  identisch,  worüber  Pi4>po6  VH, 
21-- 26;  denn  Eutokios  führt  die  SteUe  an  als  Beispiel  eines  TÖiTOC 
^iriireboc;  auch  kann  diese  Schrift  mit  keiner  'anderen  der  von 
PappoB  Vn,  3  aufgeführten  apollonischen  Schriften  indentificiH  wer- 
den, und  es  würde  sehr  auffaUend  sein,  wenn  sie  an  dieser  Stelle, 
wo  Pappos  eben  vom  töttoc  dvoXuö^cvoc  (Vn,  1)  handelt,  von  ihm 
übergangen  wäre.  Im  Comment.  zu  kukXou  )i^Tpi]Cic  p.  216  nennt  er 
die  bekannte  Schrift  des  ApoUonios:  djKurÖKiov,  wo  dieser  ir  mit 
grösserer  Genauigkeit  als  Archimedes  berechnet  hatte;  der  Name  ist 
schon  von  anderen  wieder  hergestellt  (s.Hultsch:  Pappo8lUp.l212); 
Torelli  hat  aus  ed.  Basil.  ty  if^  uiKUToßöqi  aufgenommen;  im  Codex 
Venetus  und  den  von  ihm  abhängigen  Pariser  Handschriften  AD 
steht  d)KUTOß(ip,  und  dasselbe  soll  nach  Bandini  bei  Torelli  p.  405 
auch  Codex  Fbrentinus,  die  einzige  selbständige  Quelle  für  den 
Archimedischen  Text,  haben;  das  ist  mir  aber  durchaus  unglaublich; 
Codex  Florent.  hat  ohne  Zweifel  wie  seine  Abschriften,  Paris.  BC, 
diKUTOKiqi,  worauf  auch  die  Lesart  der  alten  üebersetsung  p.  67: 
*Mocyntocio'  führt.*) 

*)  Bandini  hat  ohne  Zweifel  die  in  einigen  Handschriften  sehr  ähn- 
lichen Buchstaben  ß  und  k  verwechselt,  wie  dies  bei  altem  Herausgebern 
nicht  selten  ist  (s.  Bast :  Epist  crit.  p.  92).  üebrigens  ist  die  Verbesse- 
rung schon  von  Halley  in  der  Vorrede  zu  ApoUonios  vorgeschlagen  worden. 


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Philologiflche  Stadien  za  grieefaiachen  Mathematikern.  369 

unter  den  übrigen  von  Eutokios  angeftlhrten  Schrifbstellem  sind 
uns  gftnzlich  anbekannt:  Arkadios  (zu  Arcbimed.  p.  160,  über,  zu- 
sammengesetzte  Proportionen),  Magnes  (XoTicriKd,  ibid.  p.  216)  und 
Heronas  (und^vrma  eic  Tf|V  äpiO^T]TiKf|V  eicaTUJTilv  des  Nikomacbos, 
ilnd.  p.  160),  den  Martin  (Beeh.  s.  H^ron  p.  240  ff.)  willkttrlich  mit 
Heron  aus  Eonstantinopel,  dem  Lehrer  des  Proklos,  identificirt. 
Nicht  Yiel  mehr  wissen  wir  von  Dionysodorns  (p.  163,  169,  cfr.  Bret- 
Schneider:  Oeom.  vor  Enkl.  p.  181,  Not  2)  und  dem  VerfAsser  einer 
Lebensbeschreibung  des  Archimedes,  Herakleides  (zu  Arcbimed. 
p.  204;  zu  AppoUon.  p.  8;  cfr.  meine  Quaest  Arcbimed.  p.  4 — 6). 
Nach  Comm.  zu  Arcbim.  p.  160  besass  Eutokios  noch  die  ftlr  uns 
rerloren  gegangene  Schrift  des  Nikomachos  7T€pl  ^ouciicf^c,  von 
Boethius  benutzt.  Ausser  der  cuvToEic  des  Ptolemaios  (zu  Archim. 
p.  216)  hatte  er  dessen  Buch  TTcpl  ßoiTWV  (zu  Arcbimed.  p.  2), 
auch  von  Simplikios  zu  Aristoteles  Trepi  oupdvou  p.  517  ed.  Berol. 
dtirt;  cfr.  p.  348.  Dass  er  Theons  Commentar  zu  der  cuvToEic 
mehr&ch  erwähnt  (zu  Archim.  p.  160  «s  Theon  p.  61  ff.,  zu  Archim. 
p.  208  as  Theon  p.  44  ff.),  haben  wir  schon  oben  gesehen. 

Im  Comm.  zu  Archim.  imrc.  Icopp.  17:  xal  dqnjpi^cOui  dird 
ToO  AB  £Xaccov  töc  öirepoxfic,  ^  fiiciCöv  icjx  tö  AB  toö  T  [f{] 
&CT€  IcoppoircTv,  uicT€  TÖ  Xcindv  tö  A  cO)ii|ii€Tpov  ctuev  j^  f 
bemerkt  Eutokios  p.  7:  bei,  (piiciv,  dqpcXciv  dirö  ToO  AB  ji^Y^eöc 
Ti  Td  B,  8  iroici  Xoiiröv  tö  A  ti?»  F  cümucTpov  Ka\  ^icKov  tö  A 
TOÖ  r  t^  KOTd  Tf|v  koppoiT(av.  toOto  bi  buvardv  iroicTv  bid  tOjv 
iv  tQ  dpx^  ToO  bcxdrrou  Tfjc  croixetiiiccuic  CÖKXelbou  (X  1) 
€ipTi>i^vuiv  Ka\  dv  jCj»  TpiTip  Tuiv  Gcobocicu  ccpaipiKuiv; 
dieses  bezieht  sich  auf  Theodos.  cqnxip.  m  9  p.  73  Nizze:  xai 
Tpiüjv  oöcujv  irepicpcpeiurv  6poT€vd»v  dvicuiv . .  elXt^cpGuj  Tic  ircpi- 
q>^p€ia  f\  8P,  ^6i2;uJV  pfev  oöca  Tflc  611,  dXdccuiv  bi  Tflc  GK, 
cujujJieTpoc  bfe  t(|  H6  (cfr.  III  10  p.  76),  aber  der  Ausdruck  des 
£utokios  ist  etwas  ungenau;  denn  Theodosios  giebt  weiter  nicht  an, 
wie  sich  dieses  thun  lasse;  der  von  ihm  angewandte  Satz  ist  von 
den  Herausgebern  hinzugefügt  und  durch  Eukl.  X  1  bewiesen  worden 
(Kizze  p.  151;  Hunt  H  p.  81).  Dass  Eutokios  den  Eudemos  be- 
nutzte (p.  143:  ibc  €ubrmoc  lcTOp€i),  haben  wir  schon  oben  gesehen; 
auch  zu  Archim.  p.  204  citirt  er  dessen  T€Ui)ieTpticf|  icTopia:  ßoOXe- 
Tai  ydp  b€iiax,  Tivi  x^p^^^  €66utpd|iimp  fcoc  öv  dr\  kukXoc, 
TTpoTiüia  irdXai  npdc  tu>v  npö  auToO  kXciviüv  <piXocöq>uiv  itryn]' 
M^vov.  bf)Xov  f&Pj  ÖTi  tout'  dv  eTri  tö  £riTOU|iievov,  öirep  Iittto- 
Kpdn)c  Tc  6  Xioc  xai  'AvTiqMÖv  lr\vi\ca}nec  iiripcXtüc  ^k€(vouc 
f)fiiv  Touc  TrapaXoTiC)iouc  eupifJKaciv,  oOc  dKpißuic  eib^vai  voiniZiu 

TOüC    T€    T#|V    eöbilMOU    T€UJ|l€Tpilrf|V     ICTOplaV    d7reCK€|LA|lX^V0UC    Kttl 

Tujv  *ApiCTOT€XiKÜüv  jutCTacxövTac  Kiipiiüv.  Gemeint  ist  offenbar 
die  von  Simplikios  aufbewahrte  Stelle  aus  Eudemos  (Spengel:  Eudem. 
p.  120  ff.;  Bretschneider  p.  100  ff);  unter  die  Kif)pia  des  Aristoteles 
sind  TTcpl  co<piCT.  dXexX*  H  zu  verstehen. 


Jahrb.  1  cUm.  Philo!.  SappL  Bd.  XI.  ^?4    .     C^OOqIc 


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370  J.  L.  Heiberg: 

Auch  den  andern  mathematischen  Geschichtsforscher  der 
Griechen,  den  Geminos,  nennt  er  mehrfoch  (zu  Archim.  p.  2;  zu 
Apollon.  p.  9).  Schliesslich  mag  noch  erwähnt  werden,  dass  er  zu 
Archim.  p.  2  Aristoteles  (de  caelo  IV  1,  2  nach  Schneider:  Eclog. 
phys.  n  p.  150)  und  Piatons  Timaios  (aber  wo?)  citirt.  Was  aber 
unter  TÖ  CuJKpaTiKÖv*  ToC  OcoO  cuXXajißdvovTOC  irdvu  cIköc  m 
im  rikovc  (tAoc?)  fmfic  iflc  ciroubfic  dXGeiv  zu  verstehen  ist, 
ist  mir  unbekannt  (zu  Archim.  p.  65).  —  Schon  durch  diese  Ueber- 
sieht  ist  Eutokios  als  der  fleissige,  yielbelesene  Mann  bezeichnet,  dem 
die  ganze  damalige  mathematische  Litteratur  zu  Gebote  steht.  Nicht 
nur  für  seine  Ausgabe  des  ApoUonios,  wie  auch  bei  Archimedes 
(s.  p.  163,  26:  iv  oö5€vl  bk  TUiv  dvTiTpä(pu)v),  sondern  auch  bei  den 
übrigen  von  ihm  benutzten  Schriftstellern  ist  er  bemüht,  verschiedene 
Handschriften  zu  vergleichen  und  zu  verbessern  (so  bei  der  Stelle 
aus  DionTSodorus  im  Gomm.  zu  Archim.  p.  169:  dJi^OT]M€V  bciv  xal 
auTÖv  TouTOic  ^mcuvd^iai  &iop6u)cd^€voi  xara  5uva^lv.  Kai  t^P 
auTÖc  Ik  iroXXfjc  diicXcTiiciac  tujv  dvOpuiirwv  Td  iroXXd  tüuy 
dTTobeiEcuiv  t^  riXifjOci  tujv  TTraiCjndTUiv  i^cpövicji^va  (so  cod.  Flor.) 
fxwv  iy  Tidciv,  olc  fiiicic  ivTeTÜxajüiev^®),  dvriTpdcpoic  iq>^p€To), 
und  er  scheute  keine  Mühe,  um  verlorene  Schriften  au&uspüren,  wie 
er  zum  Beispiel  ein  vermeintliches  Fragment  Archimedes*  nach  vielem 
Suchen  in  einer  sehr  verdorbenen  Abschrift  fluid  (zu  Archim.  p.  163: 
fv  Tivi  füi^VTOi  iraXaiiJ»  ßißXiip  (oöbfe  xdp  ttJc  elc  iroXXd  Ztitttccuic 
dTT^CTTmev)  dvT€TÖxaji€V  eeuipi^juiaci  T^TPaMM^voic  oök  öXIttiv  Tf|v 
Ik  tujv  ^^TalC^dTUlv  fxouciv  dcdq)€iav  irepi  T€  Tdc  KcrraTPCtqpdc 
TToXuTpÖTTUJC  f||iiapTT||ii^voic).  Nur  bei  Eudoxos  scheint  er  sich  dieser 
Mühe  überhoben  zu  haben;  denn  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass 
die  von  Eutokios  dem  Eudoxos  vorgeworfenen  Fehler  nur  Y erderbniss 
der  von  ihm  benutzten  Handschrift  sind  (Bretschneider  a.  0.). 

Selbstst&ndiges  von  Bedeutung  ist  von  Eutokios  nicht  zu  er- 
warten; auf  seine  Vervollständigung  der  Theorie  der  zusammen- 
gesetzten Proportionen  scheint  er  selbst  grosses  Gewicht  gelegt  zu 
haben  (s.  oben).  Zu  Apollon  p.  23  —  24  hat  er  einen  neuen  Satz 
über  den  Diameter  der  uTrevavTia,  wie  es  scheint,  selbst  erfunden. 
Sonst  ist  er  nur  darum  bemüht,  die  Sprünge  in  der  Beweisführung 
seines  Autors  möglichst  genau  auszufüllen;  die  Sfttze  und  Beweise, 
welche  er  in  dieser  Absicht  aufstellt,  rühren  wohl  sSmmtlich  von 
ihm  selbst  her,  betreffen  aber  der  Natur  der  Sache  nach  nur  unter- 
geordnete Puncto.  Sie  sind  mit  den  Lemmata,  welchen  Namen  Ento- 
kios  ihnen  auch  beilegt  (s.  Quaest.  Arch.  p.  71),  des  Pappos  zu 
ApoUonios  u.  a.  vergleichbar,  mit  denen  sie  auch  sachlich  hin  und 
wieder  übereinstimmen  (so  z.  B.  die  Note  zu  ApoUon.  p.  62,  8,  wieder- 


^°)  Diese  Form,  die  bei  altem  Verfassern  zweifelhaft  ist  (Lobeck  ad 
Phryn.  p.  896),  darf  bei  einem  Spätling  wie  Eutokios  nicht  verworfen 
werden;  sie  findet  sich  auch  bei  ApoUonios  p.  218,  8;  6. 


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Philologische  Stadien  zu  griechischen  Mathematikern.         371 

holt  zu  Archinu  p.  190,  16  ff.  ««  Pappos  YII  59  p.  696;  vgl  zu 
Archim.  p.  189,  36  ff.  mit  Pappos  YII  58  p.  696;  zu  ApoUon.  II 
p.  124  =  Pappos  YII  250  p.  936).  Die  Bemerkungen  und  Er- 
gfinzungen  des  Eutokios  sind  meistens  sowohl  nützlich  als  zutreffend; 
nur  selten  wird  Oeringitlgiges  (wie  zu  Archim.  p.  129)  oder  gar  Un- 
richtiges (wie  zu  Archim.  p.  80;  p.  127;  zu  ApoUon.  p.  46)  ge- 
fanden. Yon  ^iriTTeb.  Icopp.  des  Archimedes  11  9  giebt  er  eine  ganze 
Paraphrase  (p.  50:  TÖ  ^waTOV  O€0üpT]|iia  irdvu  öv  dcaqpk  ^KOfico- 
MeOa  Tiapaq>pd£ovT€C  ca<piüc  Korä  tö  öuvaröv).  Im  Comment.  zu 
ApoUonios  giebt  er  besonders  genau  die  verschiedenen  Fälle  (TTTibceic) 
der  i^ollonischen  Sstze  an  (s.  p.  18:  trept  Twv  biacpöpuiv  Karatpa- 
cpuiv  i{Toi  irruiceuiv  tuiv  OeuipimAruiv  tocoOtov  Ict^ov,  6ti  tttäcic 
M^v  icriv,  6t€  Td  iv  t^  TrpoTdcei  beboji^va  t^  O^cei  §  boe^vra. 
f)  top  bidqpopoc  aÖTUiV  peTdXiiipic,  toO  atJToO  cu)i1T€päc^aToc^^) 
ÖVToc,  iioiei  Tf|v  irruiciv.  ö^oiuic  bk  xal  dirö  xflc  KoracKcuflc  jie- 
TaTiOe^i^VTic  TivcTtti  tttuicic  TToXXdc  bk  irrijüceic  dx<ivTuiv  tuiv 
Oeuipiipdruiv,  irdcaic  f|  aCrrfi  dnöbciEic  dpiiöCci  xai  iiiX  tuiv  adT(£iv 
CToixeiwv^)  7rXf|v  ßpax^uiv,  «bc  Üx\c  elcöjueea;  vgl.  p.  19,47,  72, 
73,  75,  76,  78,  79,  80,  82,  86  u.  s.  w.);  übrigens  ist  dieser  Gom- 
mentar  an  historischen  Notizen  im  Yergleich  mit  dem  Commentar 
zu  Archimedes  arm.  Der  Umfang  der  Commentare  zu  den  einzelnen 
Büchern  ist  sehr  verschieden;  besonders  kurz  sind  die  Commentare 
zu  Archimedes'  iiim^b.  icopp.  I  (von  dem  doch  Eutokios  selbst  p. 
36  das  Wort  dxpißwc  braucht)  und  zu  ApoUonios  11  und  lY  (von 
diesem  bemerkt  er  es  selbst  p.  218). 


Hieran  sollen  einige  Emendationen  und  anderweitige  Be- 
merkungen angeknüpft  werden.  Für  den  Commentar  zu  ApoUonios 
entbehren  wir  jede  Grundlage  der  Eüritik;  wie  Hallej  seine  Hand- 
schrift benutzt  habe,  wissen  wir  gar  nicht;  man  wird  aber  ängstlich, 
wenn  man  p.  241  Uest:  ^hano  propositionem  foede  depravatam  inte- 
gritati  suae  restituimus'.  Gewiss  ist  er  auch  nach  der  Weise  der 
älteren,  besonders  nicht -phüologischen  Herausgeber,  nicht  allzu- 
gewisseoihaft  mit  der  üeberlieferung  umgegangen.  Wenn  einmal  die 
ApoUonios-Handschriften  genauer  untersucht  werden,  wird  sich  ohne 
Zweifel  manches  anders  gestalten  und  manche  nur  oberflächlich  ge- 
heilte Fehler  an  den  Tag  kommen.  Aber  auch  so  ist  hier  und  da 
einiges  mit  genügender  Sicherheit  zu  verbessern. 

P.  9,  3  ist  TToXaiuiT^pac  ttic  ctoix€iiüC€UJC  zu  schreiben,  und 
Lin.  33  in  xal  TÖTe  bid  tt]C  AZ  diiinebov  das  T€  zu  streichen  als 
Dittographie  von  TÖ. 

P.  10,  46:  ö  biopicjidc  ÖTi  biTiXoöc  dcTi  iravTi  nou  bf^Xov,  6 
ph  fi€Td  Ti|v  JkOcciv  ^cpiCTdvTwv,  Ti  dcTi  TÖ  Ctitoujuicvov]  man  muss 

")  Cfr.  KU  ApoUon.  p.  204.  —  ^*)  Buchstaben  auf  der  Figur,  wie  zu 
ApoUon.  p.  162. 


24* 

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372  J.  L.  Heiberg: 

^q[>iCTdvuiv  lesen  (^überlegend,  unterBnchend';  dr.  p.  20,  13;  162, 
36);  denn  es  folgt:  ö  bi  —  oü  cuTXU'puiVy  Xiv^  bi  ktX.  üeber  die 
zwiefache  Bedeatnng  des  blOplC^öc  TgL  Proklos  zu  EokL  p.  202: 
Kai  toOto  ^äXicra  iv  toic  btoptqioTc  ÜeväLovca  tö  bia  toOto 
ZTlT(ni^€vov  i^  buvotTÖv,  KQi  \iixpi  Ttvoc  £tXu>P€i  Kai  TTOcaxuic  (cfr. 
Pappos  Vn  2  p.  636:  biopiCMÖc  bi  icTiv  irpobiacToXJ|  toO  iroT6 
Kai  mk.  Kai  irocoxwc  btivcrrdv  £cTai  koI  t6  irpößXii^a)  ond  p.  203: 
ö  bi  btoplC^öc  X^^c  '^^  ZfiTOUfiievov,  5,  n  (Friedlein  hat  nnrichtig 
ön)  iTOT^  den,  biacaq>€t  (ygL  p.  208:  Tpöirov  tiv&  npoccxciac  odfTioc 

6  blOptCpöC  .  1TpOC€X€CT€pOUC  J^P  ^M^c   ItOtCt   TTpÖC   Tr|V  dlfÖb€l£lV 

dvaqMUVuiv  t6  Irjfvov^eyoy).  Lin.  68  steht  für  jcuip^patc  frisch 
T€ui^dTpoic. 

F.  10,  69:  olov  iv  imräfei,  Tf|C  eöSeiac  bo6€iciic  ircirepa- 
cpdvnc  €up€tv  ktX.]  ist  zu  schreiben:  olov  fjv  (im)  £inTd£T|  Tic, 
eöOeiac  ktX-  Vgl  p.  11,  3—4,  wo  zu  lesen:  idv  nc  ^TnrdSi)  (ffir 
dniTÖici). 

P.  11,  8:  ddtv  Top  Tf|v  boOcicav  €Ö6€iav  bixa  repdiv  koI  &7To 
Ti]c  bixoTOMiac  TTpic  6p6&c  dTÄT^Ic»  olov  dir*  a\nt\c  Xäßqc  ciimciov, 
Troirjcei  tö  dtrrraxOdv]  das  koI  ist  zu  streichen  oder  t^mqc  zu  lesen; 
weiter  mnss  oTov  dv  geles^i  werden.  Ueber  die  Weglassnng  des 
Wortes  €Ö6€iav  Tgl.  p.  46,  34  (wo  zn  lesen  äir*  airvirv  fttr  dir' 
aÖTUiv);  zu  Archim.  irepi  cqnxtp.  xal  kuX.  I  31  p.  109,  36;  so  auch 
bei  Archimedes  selbst  T€TpaT.  itapaß.  14  p.  25,  16;  15  p.  27,  9; 
ircpl  C9.  Kai  kuX.  I  34  p.  110,  41;  48  p.  126,  28;  irepl  KU)V0€ib.4 
p.  265,  40  und  43;  9  p.  271,  10;  28  p.  297,  15.  AixoTOfyiia  ist 
wie  Lin.  7:  Mittelpunkt;  cfr.  p.  75,  46;  93,  2;  3;  zu  Archim.  p.  15, 
41  u.  45;  wie  auch  Archimedes  selbst  dmir.  icopp.  I  6  p.  6,  46; 
9  p.  8,  29  u.  32;  15  p.  14,  30  u.  32.  Ebenso  wird  cu^irrwcic  in 
der  Bedeutung:  Tunct  des  Zusammenfallens'  gebraucht,  wie  Apollon. 
II  24  p.  124,  wozu  Eutokios  p.  125:  bei  onneiuicacOai,  ÖTi  cuMimOccic 
KaXei  rä  crmeia,  koO'  &  cu^ßäXXoucl  al  AB,  TA  euOetai  r^  Toyi^; 
cfr.  Eutok.  p.  127,  16,  wo  omcCou  nicht  zu  rf\c  cu^imucewc  zu 
ziehen,  wie  die  Auslassung  des  Artikels  vor  crmeiou  zeigt;  ttJc 
cu^1^^tüC6U)C  ist  Apposition  zu  toO  £  CT]fi€iou;  so  auch  Archimedes 
iT€pl  (Tcp.  Kai  KuX.  I  11  p.  80.  Verwandt  ist  biaipecic  ^Theilungs- 
punct'  Archim.  Trepl  ku)V.  21  p.  284,  15;  TO^f)  ^Schneidungslmie' 
Archim.  kuiv.  18  p.  281,  34;  'Schneidungspunct'  diriir.  kopp.  I  13 
p.  11,  36;  14  p.  25,  13  und  das  sehr  häufige  dq)rj  ^Berührongs- 
punct'  KUiV.  18  p.  281  u.  s.  w. 

P.  12,  33  ist  zu  lesen  o\  bk  XcTÖ^evoi.  Ad  ist  ebenso  ausge- 
gefeUen  Lin.  42:  irepl  bd  Torv  bOo  jndcuiy;  p.  127,  27:  Kai  dirö  tujv 
dcpaiTTOjidvujv  bfe  buvaTÖv;  p.  181,  11:  direibfi  bi. 

P.  14,  20:  dXX'  oö  tö  ti  den  biopic^oO  napabdbuiKev]  man 
schreibe:  dXX'  ou  TÖv  Ti  dcTi  biopiC|iöv  ir.  Der  Sinn:  Apoll,  be- 
schreibt nur  die  Entstehung  der  Eegelflfiche,  giebt  aber  keine  directe 
Definition  ihres  Wesens. 


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Philologische  Studien  zu  griechisehen  Mathematikern.         373 

P.  15,  46  ist  für  dXXd  hl  zu  schreiben:  dXXd  bf),  wie  p.  16, 
38  richtig  steht  (^at  rursus');  auch  p.  79,  18  ist  zu  schreiben:  £äv 

P.  17,  34:  ddv  vo|iilcu>|i€V  rdc  A*,  B  Tpawidc]  fOr  vo|lllCUl^€V 
ist  vor)CUJ|Li€V  wieder  herzustellen. 

P.  19,  4  ist  zu  schreiben:  ^m  Ttic  Kaxd  Kopü9f|V  auiQ  (für 
ainfic)  d7riK€i|Li^VTic. 

P.  30,  64  steht  oux  die  ix^i  für  oöx  outujc  ixex. 

P,  33,  21  ff.:  Ol  T€  Tdp  TtaXaioi  K^xP^VTai  xaTc  TOiauraic 
diTobeiSeci,  juaGcjuariKaTc  (d.  h.  ^a9Ti)iaTiKaic)  ^aXXov  oucaic  f[ 
dpiGjLiTiTiKaic  bid  tdc  dvaXotiac,  kqi  8ti  tö  ZriTOiijLievov  dpiGjbiTiTi- 
KÖv  icjx]  das  zu  o\'  T€  TtaXaioi  entsprechende  Glied  ist  offenbar:  Kai 
ÖTi;  man  wird  daher  lesen  müssen:  Kai  aÖTÖ  tö  jT]T0\i)i€VOV.  Bei 
o\  TraXaiol  ist  wohl  namentlich  an  die  arithmetischen  Darstellung 
der  Proportionslehre  von  Euklides  zu  denken.  Auch  die  Worte  bid 
rdc  dvaXofiac  sind  mir  verdächtig;  steckt  darin  kein  Fehler,  müssen 
sie  zum  Vorhergehenden  gezogen  werden:  die  Beweise  sind  wegen 
der  Proportionen  mehr  allgemein  mathematische  als  eigentlich  arith- 
metische zu  nennen.  Auch  die  Lin.  28  folgenden  Worte  sind  ver- 
dorben. Um  zu  begründen,  dass  tö  2;r)TOU|ii6VOV  arithmetisch  sei, 
sagt  Eutokios,  dass  XÖTOi  und  7niXiKÖT»iT€C  und  TroXXaTrXaciacjioi 
ursprünglich  auf  Zahlen  sich  beziehen  und  nur  durch  diese  auch  auf 
Grössen  im  Allgemeinen:  Katd  TÖv  einövra*  ^raöra  f  dp  rd  inaOriiiaTa 
boKoOvrai  elvai  db€X9d'.  Ich  möchte  lesen:  toiv  )ia9ii)idTU)v  boK. 
eivai  b€CjLid  und  den  Ausspruch  auf  Eratosthenes  beziehen,  der  nach 
Proklos  zum  Eukl.  p.  43,  22  die  Proportion  als  cüvbec)iOC  der  Mathe- 
matik angab. 

P.  44,  36  ist  zu  schreiben:  6  bk  ^AttoXXiüvioc  ^v  toutiü  KaGoXi- 
Kov  Ti  beiKVuci  buvd)ievov  ^q>ap|iöcai  laTc  Te  rpici  toO  kuüvou 
TOjuiaTc  Kai  rtu  KÜKXqj. 

P.  45,  23:  €1  Kai  ÖTi  ist  sinnlos;  vielleicht:  d  jiir)  ÖTi  (nisi 
quod). 

P.  46,  34  ist,  wie  ich  glaube,  cuvexn  vor  CT]|U€Ta  zu  streichen; 
es  ist  ans  Lin.  30  u.  32  hineingekommen;  dort  ist  es  an  seinem 
Platze,  wo  von  einer  Parabel  die  Bede  ist;  aber  an  unserer  Stelle, 
bei  einer  Geraden,  kat  es  keinen  Sinn. 

P.  47,  34  muss  Tpdq>OM€V  in  Tpdipojuiev  und  Lin.  36  irpoc- 
€M߀ßXr|c6u)  in  TrpoccKßeßXrjcGuj  corrigirt  werden. 

P.  61,  30  ist  zu  lesen:  Tfic  ToO  kOkXou  TrepKpepetac;  ebenso 
ist  der  Artikel  ausgefallen  p.  73,  20:  Kai  ai  7rapdXXT]Xoi;  p.  99 
extr.:  Kevrpov  Tf]C  UTT€pßoXf]C;  p.  107,  35:  Kai  al  aurai;  p.  139,  3: 
TÖ  irpdiTOV  Toö  beuT^pou;  p.  159,  24:  toutou  toö  OewprjiiaToc; 
p.  168,  12:  Ixovra  rdc  Ttpoc  xoTc  6,  B  t^vioc. 

P.  71,  1  ff.:  el  be  . .  XiiqpöeiTi . .  Kai  . .  necij]  es  kann  zweifel- 
haft sein,  ob  man  tt^coi  corrigireu  darf;  vgl.  p.  127^  22:  el  }xiy  ydp 
eiTi  . .  ei  b€  . .  Ixq.    Wegen  des  Optativs  vgl  p.  46,  86:  ßouXn- 


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374  J.  L.  Hdberg: 

eeinv;  p.  133,  40;  134,  40;  136,  14;  168,  33;  p.  80,  43  steht:  däv 
niiTTOtTO.  Aber  p.  76,  6  und  39  n.  48  scheint  doch  TriTirei  nach 
^dv  in  iriTTTT)  geändert  werden  zu  müssen.  Lin.'^ö  ist  zu  lesen:  Kai 
äXXuic  hk  TaÖT|d  (ftb:  Taurac)  öuvaxöv  beiEai.  Lin.  27  bemerke  man 
den  Ausdruck:  6vT0C  Xö^ou  »=  nftmlich. 

P.  80,  11:  fcn  T&P  öca  iv  xijj  TrpoXaßövri  OeuipfJMaTi  Xncpöq] 
man  lese:  £X/j(pOT];  wegen  TtpoXaßiiiv  (Vorhergehend')  ygL  p.  158; 
18;  zu  Archimedes  p.  40,  15;  43,  8;  192,  18;  193,  12. 

P.  84,  23:  Kai  f|  diTÖbeiHic  f|  auTTJ.  dp|Li6c€i  xpnci^uic  bi 
toCto  cic  rd  ^c]  die  Interpunction  ist  verkehrt;  man  schreibe:  xai 
f)  dnöb.  f\  auTTi  dpjiiöcei.    Xp^cijucv  bk  ktX. 

P.  93,  4:  JcTUi  vuv  (nicht  vOv)  x^uic  KOTiüT^piü]  T^uic,  dem 
kein  entsprechendes  ^TTCixa  o.  dgl.  folgt,  scheint  fast:  ^zum  Beispiel' 
zu  bedeuten  (eigentlich  wohl:  'vorläufig').    P.  99,  30  ff.:  €ipT|Tai  fiiv 

iV  TOiC  |i€Td  TÖ  l'  CXOXioiC  Ö  CKÖTIOC  TUIV  It'  TtpiWTWV  6€U)pl^^dTUIV 

Ktti  ^v  ToTc  €lc  TÖ  ^KKaib^KaTOV  6  TWY  Öfic  Tpituv]  die  erst  citirte 
Stelle  ist  p.  30;  aber  zu  prop.  16  p.  42  wird  nur  von  propp.  15  u. 
16  gesprochen;  über  das  Ziel  des  14.  Satzes  s.  p.  39.  Lin.  34  ist 
entweder  fi  (ftlr  f|)  TrapdXXfiXoc  . .  äxcTai  (wie  p.  12,  38  oi,  nicht 
Ol  zu  schreiben)  oder  besser,  wie  sonst  gewöhnlich:  f)  TropoXX. ... 
dt 0 in ^ VT]  zu  lesen,  Lin.  40  ist  statt  KaÖ*  ?v  Ti  TO|nf|  cu^irnrroucnc 
zu  schreiben:  KaO"  Sv  Tq  TO^^  cu)iTr. 

P.  107,  31:  ÖTi  Tocaura  inöva  elc  auiö  YP<i<pw),  d)c  fiv  fiv 
öuvttTÖv  bid  TUJV  dv  Tif»  npiüTqi  ßißXiqj  V0T|öf|vai]  diese  Worte  geben, 
wenn  überhaupt  einen,  den  verkehrten  Sinn,  dass  Eutokios  nur  das- 
jenige zum  n.  Buche  schreiben  werde,  was  schon  aus  dem  Commen- 
tar  zum  L  Buche  klar  ist;  ich  schlage  vor:  TOcäura  juiöva  . . .  Tp6<P*J^> 
äca  |Lif|  f\v  buvaTÖv  ktX.  Lin.  35  steht  falsch  dcu^irruiToi  eiciv 
iv  liji  TOji^;  iv  ist  zu  streichen  mit  ApoUon.  11  2  p.  108,  23;  p. 
115,  43  u.  s.  w. 

P.  114,  33  ist  TUIV  fdp  li  eöOeiuüV  dxOeicOjv  verdorben;  es  ist 
nur  von  vier  Linien  die  Bede  (die  Asymptoten  können  nicht  mit- 
gerechnet werden);  ob  ^li  aus  dem  vorhergehenden  (Trruaceic  S)  ent- 
standen ist,  oder  ob  etwas  anderes  darin  zu  suchen,  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden. 

P.  127,  13  musö  et  bfe  (für  yop)  jirj,  ou  gelesen  werden. 

P.  158,  38  ist  jedenfalls  für  Kai  dKßaXXojH^vaic  zu  lesen:  ii 
^Kß.,  dem  folgenden  f\  iui  rd  ^repa  jiiepr]  entsprechend,  wodurch  wir 
erst  die  zwei  TTTUiceic  bei  der  Ellipse  erhalten ;  aber  auch  Ka6'  d  TÖ 
€  scheint  verdorben;  vielleicht  KaO*  &  tö  H. 

P.  160,  31  steht  d7ria(f)vai  statt  dmcK^^iacOat,  cfr.  p.  127. 

P.  161,  28:  dXX'  ^9'  ^Kax^pac  auruiv  jiiac  (sie)  cunrnnroucac 
dXXrjXatc]  man  schreibe  )iiav  im  Gegensatz  zu  Lin.  27:  rdc  büo 
itpanro^xivac  Im  ttic  pidc. 

P.  175  war  nach  OeuiprjjüUXTOC  Lin.  32  ein  Punct  za  setzen,  und 


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Philologische  Studien  zu  griechiflchen  Mathematikern.         375 

die  folgenden  Worte  mit  grösserer  Schrift  zu  drucken;  denn  mit  ddv 
beginnt  der  neue  Satz. 

P.  205,  8:  oÖTU)c  Top  ^  T^vriceTai,  6ti]  ich  schlage  vor: 
outuk:  Top  öeixÖTJceTai,  6ti. 

P.  218,  30:  Ktti  ouöfe  cxoXiqj  henai  "i6  fOLQ  ivbiov  a\  napaYpa- 
qMxi  TrXiipoöci]  fftr  cxoXiifi  muss  cxoXiuüV  gelesen  werden.  Wegen 
ovbi  Xgsa)  nicht'  vgl.  p.  44,  39:  oitbk  yäp.  Aber  was  sind  napatpa- 
(pai?  Ich  yermuthe,  dass  KaTatpacpai  zu  schreiben  ist  (^Figuren', 
wie  p.  14;  zu  Archim.  p.  93  tu  s.  w.). 


Für  den  Commentar  zu  Archimedes,  wie  ftir  den  Text  des  Archi- 
medes  selbst,  ist,  wie  ich  in  meinen  Quaestiones  Archimedeae  cap.  VI 
zu  erweisen  versucht,  auf  den  Codex  Florentinus  (F)  als  einzige  oder 
doch  einzig  zuverlässige  Quelle  zurückzugehen.  Von  ihm  besitzen 
wir  nur  die  gewiss  ungenaue  Collation  von  Bandini  in  der  Ausgabe 
Torellis. 

P.  2,  33  ist  statt  dTrecKcmu^voic  aus  F  dTTiacenTOinevoic  aufeu- 
nehmen.  Lin.  40  muss  dneZieuxOujcav  gelesen  werden  (c&.  Quaest. 
Archim.  p.  144).  P.  3,  7  ist  mit  F  TTpocijuioic  zu  lesen  st.  Tipocipn- 
^€VOic;  ^in  prooemiis'  hat  die  alte  Uebersetzung  des  J.  Cremonensis 
(Gr.).  P.  7,  31—32  hat  F  richtig  tö  fXaTTOV  juieTeeoc  toO  MeiZovoc. 
Gewiss  fehlt  auch  aiCT€  Lin.  33,  wie  in  allen  übrigen  Handschriften 
[dr,  Archim.  p.  7,  19).  P.  13,  5  aurd  td  Tpitujva  hat  F  richtig. 
Lin.  19  muss  für  ^Keivip  gelesen  werden:  dKCivo.  P.  16,  7  hat  F 
richtig  ßdpouc  fOr  die  dorische  Form  ßdpeoc,  die  im  Eutokios  un- 
gehörig ist 

P.  37,  8:  öid  ToO  TCTdpTou  GewpriiiaTOC  toö  TtpuiTou  toOtujv 
TWY  ßißXiuJv]  der  vierte  (oder  bei  Torelli  sechste)  Satz  kommt  in 
dem  Beweis  des  Archimedes  nicht  zur  Anwendung;  für  T€TdpTOU 
(b')  ist  wohl  beKdrou  zu  schreiben;  I,  10  wird  p.  36,  10  ange- 
wandt. Hieraus  würde  dann  folgen,  dass  ToreUi  die  Satzeintheilung 
der  ed.  Basil.  und  der  Handschriften  mit  Becht  geändert  hat.  Lin. 
43  hat  Torelli  mit  ed.  Basil.  tui  tfjV  AB;  jeden^iJls  ist  zu  schreiben: 
im  Tf|V  Ar,  und  vielleicht  ist  dies  eben  die  Lesart  des  F;  wenigstens 
hat  Gr.  richtig  *ac'.  Dass  ebendaselbst  mit  F  zu  lesen  ou  T^  irdvrujc, 
habe  ich  Qnaest.  Archim.  p.  138  schon  gezeigt  (^denn  nicht  in  allen 
Fällen'). 

P.  39,  11  ist  mit  F  zu  schreiben:  €ic  Touc  ÄTtd  )iOvdboc  i,&\c 
K€l^^vouc  dpiOinouc;  T^jUVOVTai  ist  von  Torelli  richtig  zugefügt. 

P.  40,  12  hat  F  richtig  TTpöc  xaic  Kopu9aic. 

P.  44,  31  muss  &tuj,  ei  xüxoi  gelesen  werden. 

P.  45,  31  ist  zu  schreiben:  etvai  (so  alle  Quellen)  xaTc  toO. 

P.  51,  19:  TÖv  auTÖv  XÖTOV  und  p.  52,  51:  jixeT^eeav 
f|TOÜ|ii€Vov  f|  cufKCiM^VTi  mit  F.  Ebenso  p.  58,  41:  TipiüTOV  pev 
und  Lin.  43:  xai  beurepov;  p.  59,  6:  uqioc  bi]  Lin.  7:  outwc  f| 


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376  J.  L.  Heiberg: 

cuTKCi^^vr).  P.  59,  20  ist  zu  schreiben  f|  ZH  Tipöc  ZE.  Lül  51 
bat  F  ^£€1  statt  ix€\, 

P.  60,  5:  Ka\  icvx  tö  P  K^vrpov]  6ir€p  tö  P  K^vrpov  F;  man 
lese:  ujct€  tö  P  Kcvrp.  Ueber  die  Yertauschung  von  öirep  und 
djCTe  s.  Quaest.  Archim.  p.  149. 

P.  65,  36:  die  IcTc]  man  beachte  den  Plural  in  der  Anrede 
eines  Einzelnen;  c&.  u^^T6poc  p.  66,  7.  Ebendaselbst  haben  ed. 
Basil.  und  die  Hdschr.  €U€irißoXou,  was  ToreUi  ohne  Noth  in 
eueTtT^ßöXou  geändert  hat.  Lin.  38  ist  das  sinnlose  irpaxOeic  nur 
durch  Unkenntniss  der  alterthümlichen  Druckweise  der  ed.  BasiL 
hineingekommen;  sie  hat^  wie  ohne  Zweifel  auch  die  Hdschr.  richtig 
TrpoaxBcic.  Lin.  41  ist  IxBeciv  wieder  eine  unglückliche  Conjectnr 
ToreUi's;  weder  kann  JKdectc  ganz  allgemein  ^Auseinandersetsung' 
bedeuten  noch  dtU'fte  der  Artikel  fehlen«  Ed.  BasiL  und  die  Hds. 
haben  Ik  Tpiuiv;  ich  vermuthe,  dass  zu  lesen  ist:  Ik  rpiTUiv  (d.  h. 
^drittens',  s.  Jacobs  zu  Aelian  ü  p.  337);  Eutokios  giebt  drei  Grfinde 
an,  aus  welchen  er  den  Archimedes  zu  commentiren  trotz  seiner 
Jugend  gewagt  hat,  erstens  weil  es  Niemand  vor  ihm  gethan, 
zweitens  weil  er  das  sokratisohe  Wort:  OeoO  cuXXapßdvovToc  ktX. 
bedenkt,  drittens  weil  er  seine  Arbeit  dem  Ammonios  zu  Berichtigung 
und  Beurtheüung  vorlegt 

P.  66,  4  ist  cuvdpacOai  (^helfen')  mit  ed.  Basil.  und  den  Hdss. 
beizubehalten.  Ebenso  Lin.  5  )xr\bi  (^gar  nicht')  statt  \xr\.  Auf  die 
von  ToreUi  nicht  bezeichnete  Lücke  p.  66,  23  habe  ich  Quaest.  Arch. 
p.  123  aufmerksam  gemacht;  cfr.  Lin.  25:  die  Kai  dvuiT^pui 
eipiiTai.  Lin.  39  ist  für  rdbe  aurd  zu  schreiben:  rä  bk  aurd.  Lin. 
47  hat  F  richtig  Twv  aiTTijLidTU)V.  Lin.  55:  ^m  raic  AFB  tP«^- 
^aic]  im  rdc  AFB  TpaMMHC  F;  man  lese:  dm  rflc  AFB  Tpa^J^fl^ 
P.  67,  9  ist  zu  schreiben:  diruCeuSui^ev  und  Lin.  11  cöpi^coyiev, 
wie  p.  66,  18  TVtucd^eOa  (mit  ed.  Basil.  und  den  Hdss.).  Lin.  21 
ist  TipoXa^ßdveiv  und  Lin.  28  xaTdbiiXov  aus  F  aufimnehmen. 

P.  68,  22  war  6ti  (statt  In)  beizubehalten  mit  ed.  Basil.  und 
den  Hdss.  Lin.  25  TrpocdOiiK€  die  Hds.  richtig.  Lin.  35  dKardpov 
statt  dxdpav  F  richtig;  ebenso  Lin.  40  tö  b€?v  statt  tauTÖ  b€iv; 
Lin.  50  caqp^c  statt  caqxxk:. 

P.  68,  48:  oöb*  dv  7r€piXa|iipdvoiVTO  ünö  dXXfjXwv  oibi  oStwc 
dvicol  elcr  dXX'  dvioie  tcai  ktX.]  für  oubfe  oötu)c  soll  F  ttuic  haben, 

d.  h.  ^  (s.  p.  (ni)  bei  Torelli);  man  wird  lesen  müssen:  ovb'  av 

TT€piXa|ißdvoiVTO  uirö  dXXrjXiwv,  TrdvTUic  dvicoi  ktX.  Auch  Cr.  las 
TTUüC;  er  übersetzt:  ^quomodo  igitur  inaquales  erunt'  und  fttgt  will- 
kürlich hinzu:  ^nisi  casu'. 

P.  71,  28  ist  6  ToO  dvacTp^iiKXVTi  Xötoc,  was  die  Hdss.  haben, 
das  allein  richtige.  Ebenso  p.  72,  27:  iTpoc6KßXTi6€icY)C  (über  die 
Verwechslung  von  irpöc  und  Kai  s.  Quaest.  Arch.  p.  136). 

P.  73,  33:  rf\c  npoc  tö  K  Tü)viac]  F  hat  gewiss  nicht,  wie  ge- 


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Philologische  Studien  zq  griecfaiBchen  Mathematikeni.        377 

sagt  wird^  Tf^c  irpdc  T(p  KT  T^uviac,  aber  nur  tt\c  irpdc  rdfi  K  P,  ein 
Compendiom  des  Wortes  Y^viac;  denn  in  VAD  etdit:  k t  •  •  •  •;  der 
Sdireiber  vom  V  verstand  also  das  Compendinm  nicht  (AD  sind  nur 
Abschriften  von  V,  s.  Quaest.  Arch.  p.  136);  auch  Lin.  11  fehlt  das 
Wort  TW'viac  in  VAD,  Lin.  36:  ö}X0t6v  dcnv.  ficre  f|]  &ct€  ist 
Conjector  von  Torelli  ftbr  das  (bc  der  ed.  BasiL;  man  muss  mit  F: 
öfiotöv  icTiv  Kat^CTivibcfi  lesen;  wegen  des  wiederholten  dcTiv 
sind  die  zwei  Worte  in  ed.  BasiL  ausgeMlen. 

P.  78,  46,  hat  F  richtig:  xal  al  im.  P.  79, 1  haben  ed.  BasiL 
und  Hds.  i^xivavTO.  Ebend.  Lin.  2  ist  irpodOiiKCV  zu  schreiben. 
P.  90,  6  ist  nach  F  t«£i  £v  ^T^pifi  zu  schreiben.  Lin.  28  ist  die 
Lücke  der  ed.  Basil.  nicht  ^xouci,  sondern  cici  mit  F  zu  suppliren, 
wie  Lin.  25  und  30,  wo  ed.  Basil.  eb^n&lls  das  Compendium  dieses 
Wortes  weggelassen  hat  P.  93,  2  vcvofjcOu)  und  Lin.  9  f^Tic  yi' 
vexai  F,  welche  Lesarten  au&unehmen  sind;  Aber  {|Tic  vgL  zu 
Apollon.  p.  20,  37.  Lin.  26  haben  ed.  Basil.  und  F  öi|ioc,  wofür 
u^ouc,  nicht  ui|ieoc  gelesen  werden  muss.  P.  94,  35  hat  F  richtig 
UTTÖ TvE>v B A,  AZ;  Lin. 39 ist  irpocKeicOui  zuschreiben.  P.109,27ff. 
steht  in  ed.  BasiL  und  Cr.  im  Text  durchweg  ^  für  c  (die  Figur 
hat  c).  Vielleicht  ist  wegen  des  folgenden  TJ|V  XK  zu  lesen:  vooi}- 
M€V0V  t6  M  Tf|v  XM.  Lin.  29  ict|  äpa]  Tai  T<^  ^  BasiL  und  die 
Hds.;  man  lese  IcTi  yivCTat  (Quaest  Arch.  p.  136);  Cr.  hat  ^nam- 
que'.  Ebendaselbst  war  &XXa  ^fjv  mit  ed.  Basil.  und  den  Hds.  bei- 
zabehalten.  P.  112,  15:  6p6uiv  tujvi&v  Tiiiv  Trp6c  TOtc  K,  A]  dpOui 
Tivofievov  TÄv  TT.  T.  KA  F;  man  lese:  6p0iüv  Tivojiivuiv  tüjv 
npöc  TOic  K,  A;  über  das  Compendium  ftlr  Y^via  s.  zu  p.  73,  33. 
Lin.  16  steht  in  F  richtig  yx  ^'-  T^veTai  für  äpa,  wie  oben;  *enim' 
Cr.  Lin.  41  iK  ToO  K^vrpoü  F. 

P.  115,  47:  Trot€tT€  bk  toOto  oötuic]  F  hat  ttoiii.,  was  mit 
cod.  Paris.  C  iroiriT^ov  zu  lesen^  oder  vielleicht  iroieu  P.  126,  6 
ist  die  Lücke  der  ed.  Baül.  mit  F  so  zu  ergSnzen:  tout^ctiv  f)  €K 
Tipöc  AA,  f|  diTÖ  ToO  K^vrpou  ^ttI  Tf|V  &ipi\v  iniZeuxöeica 
(-COV  F)  TOUT^CTiv  f|  dx  ToO  K^VTpou  Tf)c  ^Xoccovoc  ktX.  In 
ed.  Basil.  ist  vom  ersten  K^VTpou  zum  zweiten  gesprungen  worden. 
Cr.  hat  richtig:  ^sic  quae  ex  centro  ad  oontactum  ducta,  hoc  est  quae 
ex  centro  minoris  sphaerae'. 

Dass  p.  130, 3  die  von  F  weggelassenen  Worte:  dXäccova  Xöyov 
€X€i  entbehrlich  sind,  habe  ich  Quaest  Arch.  p.  159  nachgewiesen; 
^minorem  habet'  Cr. 

P.  133,  24  ist  TOtc  Toö  beuT^pou  zu  lesen.  Lin.  25  q>Tici  brj 
mit  F.  Eb^d.  haben  alle  Quellen  iv  ti^  d'  Oeuipripari,  was  bei- 
zubehalten war  (Quaest.  Arch.  p.  156).  Lin.  27  steht  in  F  richtig 
iToieiv  für  ciTteiv;  ^fieri'  Cr.  Lin.  31  sind  die  Worte  kuivou  f\  ku- 
Xivbpou,  die  Yon  Torelli  herrühren,  auszuwerfen;  dagegen  Lin.  43 
TOÖ  Ar  Kiiivou  mit  F  aufisunehmen.  P.  134, 16  ist  T^TpcupOu)  für 
TTCpitctpcKpOttJ  aus  F  wiederherzustellen;  Lin.  21  ist  nach  la  bei 

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378  J.  L.  Heiberg: 

Torelli  avird  und  Lin.  23  nach  auToO  der  Artikel  Tf\v  ausgeMen. 
Lin.  23  fehlt  i&y  in  ed.  BasiL  und  den  Hds.;  es  ist  auch  unnöthig. 

P.  135,  5  dürfte  satt  a^rroO  zu  lesen  sein:  aÖTtli.  Lin.  30 
hat  ed.  BasiL:  cu)Xrjvi  c6€tcu)v;  ebenso  die  Hds.;  man  darf  keines- 
wegs mit  Torelli:  cu)Xif)Vi  cxicOeicuiV  corrigiren,  sondern  emfu^h: 
cuiXiivicGeicuJv  lesen,  von  einem  auch  bei  Heron  (Mathemat  vett 
p.  115,  11)  und  Oribasios  vorkommenden  cu)XT)viZ€iv,  ^aushöhlen' 
oder  Wt  einer  Furche  (cuiXt]v)  versehen'.  Cr.  hat  hier  eine  Lücke» 
wie  überall,  wo  das  von  ihm  nicht  gekannte  Wojt  ctliX^v  vor- 
kommt. Li  derselben  Linie  zeigt  SvuiOev  (Cr.  ^superioribus'),  dass 
die  Figur  in  ed.  Basil.  und  bei  Torelli  unrichtig  ist.  Lin.  40 
ist  äxpic  &v  TÖ  (ohne  ou)  mit  F  zu  lesen,  wie  p.  136,  uli; 
137,  32;  35.  P.  137,  9  ist  picht  Trpdc  tö  6,  sondern  Tipöc  tu)  9 
sprachgemäss.  Lin.  28  hat  Torelli  wiederum  eine  offenbare  Lücke 
der  ed.  BasiL  willkürlich  ergänzt,  trotzdem  dass  schon  der  von  ihm 
benutzte  Codex  Yenetus  das  richtige  bot.  Es  ist  nämlich  mit  den 
Hdss.  und  Cr.  so  zu  schreiben:  tt|  uttö  "Hpu)VOC.  Tö  Top  Bö  irop- 
aXXriXÖTPcimiiov  tö  auTÖ  ictx  tuj  Xt]<p6€Vti  ^tti  Tf)c  "Hpuivoc  Kora- 
CKCuiic  Kai  al  7rpoc€KßaXX6)Li€vai;  in  ed.  BasiL  sind  die  Worte  tö 
Täp  .  .  .  "Hpuivoc  wegen  der  Wiederholung  dieses  Namens  aus- 
gefallen. Lin.  34  lese  ich  irpocmiTTOucai  (euOeiai  wird,  wie  nicht 
selten  geschieht,  zugedacht).  Lin.  39  kann  die  Lesart  des  F:  ttoXü 
T€  euKoXiÜTepov  (^autem*  Cr.)  beibehalten  werden,  wenn  man  die 
Interpunction  ändert.  Lin.  45  ist  xai  vor  Tr6piq>^peia  wohl  nur  durch 
Versehen  (cfr.  Lin.  44  u)  in  den  Text  gekommen;  es  fehlt  in  ed. 
Basil.  und  den  Hdss.;  ebenfalls  ist  ^1x9^  tocoOtov  Lin.  32  wohl 
nur  Druckfehler,  statt  in.  tocoutou  (so  ed.  BasiL  und  die  Hds.). 
P.  138,  15  steht  OiXovoc  st.  0(Xu)VOC  und  Lin.  16  äp|iiu»C€i  st 
dp|uiöc€i,  wie  p.  140,  2  Troirjcwinev  st  TTOificoiLiev  und  p.  143,  29 
irepiatOT^  st.  iiepiaTWiiTi  u.  s.  w.  Auf  p.  138  sind  folgende  Les- 
arten aus  F  wiederherzustellen:  Lin.  28:  biä  tö  tI^c;  Lin.  41:  icm 
al  MB;  Lin.  47:  im  ja  T€vd|Li€va  (tevöineva?)  CTipeia  (*ad  puncto 
facta'  Cr.);  Lin.  48:  6|iioiU)V;  Lin.  50:  die  zu  ßtreichen;  Lin.  63: 
icjai  f)  (kqi  f|  ed.  BasU.;  cfr.  Quaest.  Arch.  p.  135).  Femer  mu»s 
Lin.  40  fttr  Trapä  kaTepa  (irap*  ^KaT^pa  ed.  BasiL)  ^9*  ^KaTtpa 
geschrieben  werden  (cfr.  Lin.  19);  Lin.  51  hat  F  TrapaO^ccic,  Torelli 
mit  ed.  Basil.  TtapaOecei,  was  mir  nicht  ganz  passend  scheint;  ich 
kann  aber  eine  zutreffende  Emendation  nicht  finden  (^regula  i^pli- 
cata'  Cr.). 

F.  139,  6  soUte  TTpoKaT€CK€uac)i€VWV  stehen.  Lin.  32  hat  F 
richtig  TTpöOeciv  (cfr.  Lin.  31 :  irpo^OcTo)  und  Lin.  33  lässt  derselbe 
ebenso  richtig  ättö  weg.  Lin.  35  muss  mit  F  dav  Tuiv  öq>€iXoucwv 
—  f\  beuT^pa  gelesen  werden,  wie  p.  140,  27.  Lin.  45:  awiciov* 
TÖ  hk  XoiTTÖv]  aijicTov  &tui-  tö  bfe  X.  F;  aus  Pappos  voL  I  p.  66, 4 
geht  hervor,  dass  zu  lesen  ist  omeTov  dcTUJTr  TÖ  hk  X.  Aus  dem- 
selben ebend.  Lin.  5  ersehen  wir,  dass  im  Eutokios  Lin*  46  die  nepi 


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Philologische  Stadien  £n  griechischen  Mathematikern.         379 

K^VTpov  16  TuXäpiov  mit  ed.  Basil.  und  den  Hdss.  zu  schreiben  und 
die  Conjectur  Torelli's  dbc  irepi  k.  irepi  TÖ  tuX.  zu  verwerfen  ist. 
Lin.  48  ist  ebenfalls  mit  Pappos  a.  0.  Lin.  6:  toutu)v  bf)  Karc- 
CK6uac)i^vwv  zu  schreiben.  P.  140,  8  fehlen  die  Worte  tQ  AH  in  F 
wie  bei  Pappos  selbst  a.  0.  Lin.  20;  man  muss  dann  mit  Pappos 
T^  B  A  lesen;  auch  Cr.  hat  unrichtig:  ^cui  est  aequedistans  ipsa  bd'. 
Lin.  38  ist  nach  constantem  Sprachgebrauch:  ^KßXn^ioic  ttjc  MH 
itri  (fnr  KttTÖ)  TÖ  N  zu  lesen;  cfr.  z.  B.  p.  139,  53;  140,  7.  Lin.  46 
sollte  f|  aÖTTJ  stehen.  P.  141, 41  war  fCTpaMiu^vir)  auf  F  aafzuuehmen 
(cfr.  p.  138,  15);  ed.  Basil.  hat  ypa^^xrjiy  wofür  Torelli  nach  Conjectur 
eipr\}iivrj  geschrieben  hat,  ungeachtet  dass  auch  Codex  Yenetus  das 
Richtige  hat.    Auch  Cr.  hat:  ^illi,  qu»  —  dicta  fuit'. 

Im  ersten  Beweise  des  Menaichmos  hat  F  auf  der  zugehörenden 
Figur  (abgedruckt  bei  Torelli  p.  394)  die  Buchstaben  A  und  A  um- 
getauscht, woraus  dieselbe  Abweichung  durch  den  ganzen  Beweis 
folgt  (p.  141,  43;  44;, 45  [AE  statt  AH];  46;  47  zweimal;  gewiss 
auch  Lin.  48  und  p.  142,  wenn  gleich  hier  nichts  darüber  gesagt 
wird).  Auch  Cr.  hat  'durchgängig  a  für  d  und  umgekehrt  in  dem 
Text;  die  Figur  ist  aber  dieselbe,  die  der  griechische  Text  der  Baseler- 
ausgabe hat.  Es  ist  nichts  dagegen  auch  hier  dem  F  zu  folgen. 
P.  142,  20  steht  in  F  richtig:  kov  icrl  toi  utrd  AAZ,  d.  h.  A, 
fiiZj  nicht,  wie  sonst  AA,  AZ;  so  hat  Cr.  es  irrig  gedeutet  (^con- 
tento  sub  da,  af').  Lin.  30  euOciai  ai  Tipöc  F.  Lin.  35  hat  Torelli 
sachlich  richtig  diie  Lücke  der  ed.  Basil.  so  ergftnzt:  tbcf^rBTipöc 
BA,  o6TU)cf)AB(&o  auch  Cr.);  aber  ouruic  fehlt  in  den  Hdss. 
und  wird  öfters  so  weggelassen  (wie  z.  B.  p.  149,  16;  27);  hieraus 
wird  die  Entstehung  der  Lücke  erklSrbar.^^)  Lin.  50,  wo  Torelli 
aus  Cod.  Yenet.  richtig  dpa  aufgenommen  (so  auch  F);  wttre  Kai  vor 
boe^vra  mit  den  Hdss.  zu  streichen  gewesen  (^puncta  igitur'  Cr). 
Lin.  53  ist  BA,  AE  ebenfalls  als  erkl&rende  Interpolation  der  ed. 
BasiL  zu  entfernen  mit  F  (und  Cr.);  man  setze  vor  Ka\  dKßeßXrjcOui- 
cav  ein  Komma.  P.  143,  4  dXX^iXac  F,  Lin.  27  T€|iX€i  F,  Lin.  42 
TÖ  fiiv  KlVOu^€VOV  F,  was  alles  aü£sunehmen  ist  Lin.  45  muss 
dvTiTT€piaT<S|ievov  in  einem  Wort  gelesen  werden  (^in  entgegen- 
gesetzter Richtung  gedreht').  P.  144,  6  hat  F  die  richtige  Wort- 
stellung: öjnoiov  dpa  dcTi,  wie  öfters,  bewahrt 

Der  Brief  des  Eratosthenes  ist  neuestens  von  Bernhard j:  Era- 
tosthenica  p.  175 — 185  behandelt  worden,  wo  einige  der  gröbsten 
Fehler  berichtigt  sind;  jedoch  ist,  meistens  aus  F,  nicht  weniges 
nachzutragen.  Erstens  mag  es  angemerkt  sein,  dass  das  im  Anfang 
dtirte  Fragment  eines  unbekannten  Tragikers  von  Nauck:  Euripidis 
Fragm.  p.  I  richtig  mit  einem  Verse  vermehrt  worden  durch  eine 
leichte  Emendation,  die  auch  mir  von  ihm  unabhängig  eingefallen 


^')  Ebenso  ist  oötuüc  p.  179,  28  mit  F  wegzulassen^  wie  auch  p. 
183,  6  und  p.  189,  44. 

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380  J.  L.  Heiberg: 

war.  Aus  F  sind  femer  folgende  Lesarten  anfznnelmien:  P.  144,  27: 
iTpiiJTOC;  Lin.  36:  Wo  Turv  öoecicuiv;  Lin.  42:  öptaviK^  Xnipic 
^abia;  Lin.  46:  jueTacxnMaTiJeiv;  p.  145,  49:  fx^JC-  P*  144,  82 ff.: 
^eT&  xP<^ov  bk  Ttvd  cpaciv  At]Xiouc  ^mßoXopidvric  v6cou  Korä 
Xprjcjuidv  bmXacicicai  riva  tuiv  ßu)|uiu»v  diriTaxÖ^vrac  i^treceiv  clc 
TÖ  ainö  dTTÖpinna]  vöcou  und  diriTaxd^vrac  fehlen  in  den  Hds.,  f&r 
TivA  hat  F  Tivdc;  für  imßaXojüi^vnc  hat  Cod.  Paris.  C:  ImßaXXo- 
M^vouc,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass  auch  F  dasselbe  bietet;  denn 
auch  Cr.  hatte  offenbar  dieselbe  Lesart,  wenn  er  auch  falsch  über- 
setzt: ^tempore  autem  quodam  post  ferunt  Delios  iussos  per  oia- 
culum  duplare'  u.  s.  w.  Man  wird  schreiben  müssen:  ^€Td  xpövov 
bk  Tiväc  9aci  AriXiquc  iTTtßaXXo^^vouc  (sich  daran  machend)  Korä 
XPncMÖv  bmXacidcal  riva  tuiv  ßuj)iuiv  ^jUTreccTv  ktX.  Lin.  48  muss 
b^  nach  buvr)C<S^€Oa  gestrichen  werden.  Lin.  49  ist  st.  )i€TpTiTf)V 
^ebijLivuiv  (ed.  BasiL  und  die  Hds.)  nicht  ^€TpTiTJ|V  )üi^bi)ivov  (Torelli), 
sondern  p€TpT]Tf)v  f^  jndbi^vov  zu  lesen.  P.  145,  43  ist  dcxicta 
zu  schreiben  st  dcxacra  (ed.  BasiL,  die  Hds.)  oder  dcxecra  (Torelli). 
Lin.  45  ist  npoc|üi€)ioXußboxoT])üi^vov  in  einem  Wort  zu  schreiben; 
^adnexum  plumbo'  Cr. 

P.  146,  41  &  in  dem  Auszuge  aus  Nikomedes  liest  man:  xm 
T€ui|i€TpiKf)c  ^Eeuic^*)  dcTepfiji^voic,  toötc  dveXXemoOc.  Tüjv  to(- 
vuv  irepi  To  TipößXnna  TreiroviiKÖTiüv  Tf|c  t€  Trpdc  'eparoce^vn 
cuipcpiceujc  £v€Ka  ktX.  Die  Stelle  ist,  wie  sie  dasteht,  völlig  sinn- 
los. F  hat  Toivuv  tujv  st  tuiv  Toivuv;  man  darf  daher  nur  die 
Buchstaben  richtig  abtheilen  und  die  Literpunction  ändern:  . . .  iae- 
pn/i^voic  ToO  Te  dveXXcinoöc  toCvuv  twv  . . .  if\c  re  . .  ?v€Ka  ktX. 
Denn  toO  T€  entspricht  Tiic  T€,  beides  von  £v€Ka  abhängig.  Etwas 
ähnliches  mag  auch  Cr.  gewollt  haben:  ^privata  sint.  Hanc  vero 
partim  quod  explete  quae  circa  hoc  problema  elaborata  sunt,  tradi- 
dit  (!),  partim  ut  eins  ad  £.  comparatio  haberi  possit  etc.'.  Lin.  44 
scheint  buvd^ei  zu  bedeuten:  ^dem  Sinne  oder  dem  Inhalt  nach',  im 
Gegensatz  zu  KQTd  X^EiV;  es  bezieht  sich  nur  auf  den  ersten  Theil 
bis  zu  p.  149;  denn  die  eigentliche  Lösung  des  delischen  Problems 
ist  wörtlich  aufgeführt,  ¥rie  wir  ans  Pappos  III  24  und  IV  42 
wissen. 

P.  147,  3  ist  X€XiüViov  zu  schreiben;  cfr.  Lin.  13:  x^Xuivapiu). 
Lin.  5  möchte  ich  st.  Kai  \xicr\v  Tf)v  biatpoOcav  lesen:  Kai  rrjv 
\xicov  biaipoOcav  oder  wenigstens  \xicoy,  Lin.  12  ist  Ti  dSöviov 
aus  F  aufzunehmen;  ebenso  Lin.  41  Tfic  AB  (sc:  euOeiac)  und 
p.  148,  1:  f)  XeinoCca,  wie  Lin.  26:  biaTateiv  und  p.  149,  1: 
cu^ßdXXei.  P.  149,  18  möchte  ich  nach  inü  ein  tdp  einschalten 
mit  Pappos  vol.  I  p.  60,  20,  wenn  auch  Pappos  p.  248,  15  es  weg- 

^*)  So  wohl  richtig  Torelli  aus  Venetüs;  aber  ed.  Basil.  hat  nicht 
hiUxxK,  wie  er  anhiebt,  sondern  lUceiuc.  Sollte  ile\uc  nicht  auch  in  den 
übrigen  Hds.  stehen,  oder  ist  etwas  anderes  in  dE^ceuic  zu  sachen? 
'doetrina'  Cr. 


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Phüolc^sche  Stadien  sa  griechiachen  Mathematikern.         381 

iSsflt  Lin.  36  hat  Torelli  lächerlich  genug  ckuO^vti  mit  ecL  BaaiL 
beibehalten  für  cuvB^VTi  (E).  Lin.  42—43  fehlen  die  Worte:  Tcov 
dpa  TÖ  öiTÖ  BMA  |i€Td  toO  dird  AA  Tiji  lirrd  BKF  iicrd  toO  äixö 
rZ  in  F;  sie  sind  abeiflttssig  nild  also  zu  streichen;  sie  feUan  auch 
bei  Cr.  und  Pappos  I  p.  62,  7;  250,  18.  Ebenfidls  ist  Lin.  47  oÖTUic 
mit  F  und  Pappos  I  p.  62,  11  w^gsolassen;  dr.  Lin.  48  u.  49. 

P.  154  ist  mit  F  zu  schreiben:  Lin.  6:  Sri  bk  Kai  TÖ;  Lin.  13: 
vocicOuj  (ö  ist  zu  streichen);  Lin.  16:  ö  dpa  €  KuhfOC;  Lüi.  18: 
oijirep  Kat  f|;  Lin.  23:  ö  dpa  Z  Kiiivoc;  Lin.  36:  dXXt^Xouc. 
P.  155,  19  hat  F:  ofiruic  tö  dirö  Af;  ich  mOchte  daher  schreiban: 
wcTC  Kai  d)c  TÖ  dTrd  KA  . . .  oötujc  tö  dirö  Af.  Im  folgenden 
sind  noch  diese  Berichtigungen  aus  F  au£sunehmen:  p.  160,  5: 
fiiravTa  Td;  Lin.  20:  y&p  icTiv  die;  Lin.  31:  &Tai  bo6€(c; 
Lin.  41:.  dbiapBpdiTUK  iTWC  (^indearticulate  quodammodo'  Gr.); 
Lin.  42:  dTTOtrXTipuJcai;  Lin.  44:  dTTobcucTiKUiC;  Lin.  45:  ivbia* 
TpiifiavTac;  Lin.  55:  irpuiTiii  Trepi  (ohne  Tifi);  p.  161,  13:  odca  {| 
Movdc;  Lin.  21  ist  statt:  6  dpa  E  töv  A  TroXXairXaadcoc  (iroXXa- 
TTÄaciac  ist  wohl  nur  Druckfehler  bei  Torelli;  ed.  Basil.  hat  iroXXa- 
nXactdcac)  töv  Z  iroieiTU)  mit  F  (und  Cr.)  so  zu  schreiben:  ö  dpa 
r  töv  A  iroXXaTrXacidcac  töv  A  irout,  6  b^  B  töv  £  iroXXa- 
irXacidcac  töv  F*  6  bf|  A  töv  €  TuoXXairXacidcac  töv  2 
Troi€iTui.  P.  162,  5  hat  ed.  Basil.  und  ohne  Zweifel  auch  die  Hds. 
jiovdc  A  d:  fiovdc  pia,  wie  Meibom  las;  derselbe  hat  auch  Lin.  17 
richtig  K€ijLi€VOi  dpot,  wie  jetzt  F.  Lin.  13  ist  mit  F  trdvTUiv  bi 
zu  lesen;  ebenso  Lin.  18:  buo  yäp  dvTUiV  dpuiv;  Lin.  27:  dv 
Ix^i  6  A;  Lin.  40:  oÖTUK  ?CTai  bf)Xov  (st  ofirui  bidbtiXov); 
auch  p.  163,  4  ff.  ist  st  6  aÖTÖc  bk  Ttp  Tf)c  BZ  Tupöc  26  dcri  xal 
6  cuTK€t|ii€voc  Ik  toO  Tf)c  BZ  Trpöc  2K  xal  toO  tt^c  2X  irpöc  26 
XoTou  nach  F  aufzunehmen:  Xf^  bk  aÖTilD,  Tip  Tfrc  B2  trpöc  26, 
6  auTÖc  tcTi  Kttl  ö  cuTKcijLicvoc  £k  toO  TTic  62  irpöc  2K  xal 
r^c  X2  Trpöc  26.  P.  163,  26:  TÖbc  dirdrrcXpa]  bk  tö  itrarf. 
ed.  Basil.;  man  wird  wohl  mit  cod.  Paris.  B  bk  streidien  müssen. 
Lin.  28:  ^irißaXeTv  F.  Lin.  34:  7rpoßXeXT)fip^va  (siel)]  irpoXeXr)^* 
H€va  ed.  BasiL,  dpa  XeXrijLip^va  F;  ich  möehte  irapoXeXetpjLi^va 
lesen.  Lin.  35  sollte  KaTacKCudZov  stehen,  und  Lin.  38  mit  F  ÖXiT^v 
pdv.  Lin.  48  ist  zu  lesen:  dirocuXrjcavT€C  (mit  ed.  Basil.  und  den 
Hds.)  KOivoT^pqi  Kai  cax^ectipq.  kojcl  tö  buvoröv  \4ia.  P.  16&,  45 
ist  o(jTUic  Yor  f|  rZ  mit  F  zu  streichen;  cfr.  zu  p.  142,  35.  Ferner 
ist  aus  F  au£Bunehmen:  p.  166,  2:  £cTU)  die  f);  Lin.  25:  &n  bk 
bmX.  Lin.  27:  im  ttic  BA;  Lin.  20:  r2N  tcov  TÖ;  Lin.  87: 
TrdvTuivTubv;  p.  167,  29:  Icovriverai  (für  dpa;  *fit'Cr.);  Lin.  49: 
cufißaXX^TUi.  P.  168, 15  hat  ed.  Basü.  nach  eiser  Lücke  c  dmcT^- 
coi;  was  sich  in  c  verbirgt,  ist  noch  nicht  zu  ermittehi,  weU  wir 
nicht  wissen,  was  in  F  steht  Lin.  44  ist  vielleicht  st  f)  b^  äc  ToO 
K^vrpou  f|  B2  zu  lesen:  t^  bk  Ik  to€  K^VTpou  Xcx\  i\  B2.  Auf 
p.  169   ist  aus  F  Folgendes  wieder  herzustellen:  Lin.  6:  tlxtv; 

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382  J.  L.  Heiberg: 

Lin.  18:  u<p'  fmufv;  Lin.  38:  oöbafioG;  Lin.  41:  cuvexp^M^aTO 
TpÖTTOV.  Lin.  14  hat  F:  TTpoßaivei  st  irpdKeiTai;  ich  Yermuthe, 
dass  zu  lesen  sei:  oijiT€p  öirdpxovTOC,  die  dbeiSaficv,  buvordv  Ictai 
(für  Kai;  cfr.  Quaest.  Arch.  p.  135^  ömuc  irpoßaivq.  Lin.  15  ist 
mir  Karavoeiv  mit  Dativ  verdftchtig,  aber  eine  leichte  Emendation 
finde  ich  nicht  Lin..  37  ist  wohl  dL'noyefQa\X}ieBa  zu  schreiben. 
Lin.  39  steht  in  ed.  BasiL  nnd  den  Hds.  richtig  dTOvrjcac,  was  aber 
in  uicir€p  liegt,  kann  ich  nicht  ausfindig  machen.  P.  170^  14:  ai 
ABK,  richtig  F;  Lin.  22:  ^criv  To]  F;  Lin.  25  schreibe  ich:  bia  t6 
TÖ;  Lin.  33:  outujc  f|  MA  mit  F;  Lin.45:  kOjvoc  ö  ßdctv;  p.171,3: 
im  xdp;  Lin.  6:  TÖv  kukXov,  wie  sonst;  Lin.  25:  Ti^  T^fjfiaTi; 
Lin.  28  ist  vielleicht  st  outujc  zn  schreiben:  TOurecTi;  denn  Lb.  29 
fehlt  Kai  vor  outuic  in  F;  p.  172,  16:  oö  ßdcic  icrX  6;  Lin.  17: 
Kai  TÄp  Kai  toOto;  Lin.  18:  In*  Tcuiv  (ohne  tujv);  Lin.  29:  boOei- 
cav  €uO€tav,  alles  ans  F;  ausserdem  ist  noch  Lin.  17:  äTTCbeixOr], 
ÖTi  o\  und  Lin.  57:  al  KA€  zu  lesen.  P.  173,  18:  Kord  xd  T, 
Y  und  Lin.  19:  b€bo|i^vov  F.  Lin.  29ff:  hat  F:  irpdc  OYZ  oötwc 
f|  C€  irpöc  €P,  OUTUJC  rö  xmö  TOY;  etwas  ähnliches  hat  auch 
Gr.  gewollt:  ^ad  07  et  se  ad  er,  ita  contentum  sub  toy';  ich  möchte 
lesen:  irpdc  OY,  tout^ctiv  i\  G€  ktX.;  cfr.  zu  p.  171,  28. 
P.  175,  3:  fmicti  F,  wie  auch  p.  200,  26.  Lin.  4  fehlen  die  Worte: 
Kai  TÖ  dirö  Tf)c  €H  in  ed.  BasiL  und  den  Hdss.;  ausserdem  fehlen  in 
diesen:  Tai  T^  (P^  ed.  Basil.)  f|  HO;  offenbar  ist  wegen  des  wieder- 
holten £0  in  F  eine  Lücke  entstanden,  die  von  dem  Herausgeber 
der  ed.  Basil.  nur  halb  ei^ftnzt  ist;  ich  möchte  sie  so  suppHren:  lö 
dird  =0  [tout^ctiv  tö  dirö  Tflc  €H-  Ten  TÄp  f|  HO]  t^  €H. 
P.  176,  15  ist  TtSli  A  zu  schreiben.  Lin.  40  würde  Tij  f|MiC€i(|f 
ainf\c  To]V  Tf| v  ZB  sachgemässer  sein.  Lin.  55 ist  ylvCTai  (st  T<ip) 
dKÖXouOoc  zu  lesen.  P.  180,  6  hat  F:  irpoc  <i>H*  Kai  b^boTUi  i\ 
<t>H*  b^boTat  dpa;  in  ed.  BasiL  ist  f)  <i>H*  bdbOTat  ausgeMen; 
Torelli  hat  darauf  nach  dem  Sinn  richtig  ergänzt:  bo9€ica  f|  <t>H. 
Lin.  7  haben  ed.  BasiL  und  die  Hds.  richtig:  dXXd  jLufjv;  Lin.  11: 
fcTai  für  dcTi  F;  cfr.  Lin.  18;  20  u.  s.  w.  P.  182,  32  findet  sich 
wieder  ein  Beispiel  des  Compendiums  f  für  iftuviai;  F  hat  nfimlich 
TOtc  BAr  st  Toic  BA  TUiVtai;  ebenso  hat  p.  173,  46  ed.  BasiL 
Tiv€Tai  st  Tujvlqu  P.  183,  8:  al  irpöc  P;  p.  189,  45:  cTirep  F. 
P.  190,  9:  dq)&TTiK€V  F.  Lin.  46  ist  mit  F  zu  lesen:  Tounfcriv  i\ 
OB  [irpöc  BK-  TOUT^CTiv  f|  9 B]  irpdc  B€;  cfr.  p.  186, 21.  P.  191, 18 
bietet  F  das  richtige  Supplement  der  Lücke  der  ed.  BasiL:  Xötov 
lX€x  ToO,  8v  Ix^i  ^  r  TTpöc  A'  (&CT€  f|  AB  irpöc  A  fietZovafi 
fmtöXiov  XoTOV  ^x^^  'foC  Tf|C  r  irpöc  A.  Lin.  37  hat  ed.  BasiL 
richtig:  dir€i  6  dirö;  so  gewiss  auch  die  Hds.  Lin.  33  F  richtig 
ö  dpa;  es  wird  öpoc  zugedacht  oder  dptöjLiöc  P.  192,  2:  Kui 
ioTX  TÖ  F.  Lin.  19  ti  ^^cov  mit  F,  wie  auch  Lin.  21:  ÖMOtuic  bi\; 
Lin.  27:  irpöc  kujvov  ohne  TÖv;  auch  das  folgende  T/jv  ist  wohl  zu 
strichen. 


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PhilologiBChe  Stadien  sa  griechischen  Mathematikem.         383 

P.  193, 1  ist  zu  lesen:  xal  T^p  toGto.  Lin.  5:  öiirXaciova  F, 
wie  p.  191,  10  biirXdctov  (so  ed.  BasiL)  d.  h.  btirXaciuiv.  Lin.  26: 
jLteiZuiv  dcTtv  F.  P.  194,  2  schreibe  ich:  dmcpaveiufv  Tiu.  Lin.  32 
hat  P:  jdp  für  dcTi;  man  lese  jxv€ra\. 

P.  196,  24flf.  steht  in  F  so:  im  Tf|v  GH,  oötujc  tö  dtrö  AG 
Tipöc  TÖ  UTTÖ  TG  iiti  Tf|v  GZ  |Li€ttova  XÖTOV  ?X€i  fJTrep  tö  dnö 
A6  irpöc  TÖ  U1TÖ  FGB.  ^0  bi.  Es  soll  ohne  Zweifel  gelesen  wer- 
den: im  Tf|v  GH  [die  U  tö  dirö  AG  dm  Tf|V  GH  npöc  tö  uttö 
res  im  Tf|v  GH]  ouTiüc  tö  dirö  AG  Ttpöc  tö  öttö  FGB.  tö  dpa 
dTTÖ  AG  im  Tf|v  GH  irpöc  tö  dirö  TG  dm  Tf|v  GZ  \i€ilow 
XÖTOV  ?X€i  <iiT€p  TÖ  dirö  AG  irpöc  tö  uitö  FGB.  '0  bi]  wegen 
des  gleichen  Ausgangs  fielen  die  eingeklammerten  Worte  weg,  und 
von  TGB  verirrte  sich  das  Auge  des  Schreibers  zu  TG  Lin.  22. 
P.  199,  8  fcTUi  Ktti  t^  F;  c£r,  p.  198,  7.  Lin.  33  ist  st.  dpa  zu 
lesen  fcTai  (cfr.  Quaest  Arch.  p.  135).  Lin.  41  hat  F  richtig:  Tip 
fi^v  UITÖ  APT;  Lin.  42  und  44  hat  F  falsch:  j&Q  dcTt  st.  TiV€Tat, 
wie  p.  200,  17.    P.  200,  4:  Icov  dcTi  tiu  F. 

Die  Vorrede  zum  Comm.  zu  kukXou  ^eTpT]ClC  p.  204  ist  mir  un- 
klar; vielleicht  ist  nur  dvTUTXdvoVTi  Lin.  25  in  dvTUXÖVTi  zu  an- 
dern, und  die  ganze  Stelle  so  zu  übersetzen:  ^es  dürfte  mir,  indem 
ich  mein  Ziel  erfülle,  das  nfichste  sein,  weil  ich  das  deutlichere 
and  nur  kürzeres  Einhaltens  bedürftige  der  Archimedischen  Schriften 
schon  behandelt  habe,  auch  alles ,  was  in  ihnen  (den  Schriften  des 
Archimedes)  der  Erläuterung  bedarf,  in  einer  mit  einem  Commentar  zu 
den  Büchern  über  Kugel  und  Cylinder  übereinstimmenden  Weise  zu 
bearbeiten,  weil  es  wahrhaft  wünschenswerth  ist  auch  über  das 
grössere  und  eines  tieferen  Studiums  bedürftige  nachzudenken'.  Doch 
gestehe  ich,  dass  mich  die  Stelle  noch  nicht  befriedigt.  P.  204,  38 
ist  mit  F  ÖTi  toutI  dv  wiederherzustellen.  P.  205, 1  hat  F  richtig: 
boK6i  hi  Tivt;  Cr.  hat  dasselbe  gelesen,  übersetzt  es  aber  falsch 
dnrch  ^videtur  autem  quadam  re'.  Lin.  5  schreibe  ich:  bebeiT^^vov 
dv  ein.  Lin.  8:  Ti  juit^^oc  F  richtig,  üebrigens  ist  so  zu  inter- 
pungiren:  iravri  iiou  bf^Xov,  oT^ai,  kui  toOto  (*und  zwar*)  täv. 
Lin.  10  ist  für  xdv  wohl  xai  zu  schreibea  Lin.  13:  tö  TpiTUiVOV  F. 
Lin.  16  mu88  Oau/yiacTÖc  gelesen  werden,  und  Lin.  15:  oubeinidc 
bei  ZriT^ceuiC.  P.  208,  40:  fcrai  f|  F  (kui  ed.  Basil.),  wie  p.  209, 16: 
übe  f|  Z€.  Lin,  36  kann  IrficroL  nach  <psa'  r\'  sehr  wohl  mit  F 
beibehalten  werden  ('691  et  %  proxime'  Cr.).  P.  212, 18:  iroX'Xa- 
TTXacioZöjiievoc  F.  P.  213,  9  ist  uttö  mit  F  zu  streichen,  und  Lin.  25: 
Tf^c  dicpißcCc  zu  lesen.  P.  214,  2  ist  xal  Tf|V  öjüOiÖTTiTa  und  xal 
Tf}v  dvaXoTiav  zu  schreiben;  cfr.  Lin.  22  ff.  Lia  6:  dcriv  fXaccov 
F.    Lin.  35  ist  die  Lücke  der  ed.  Basil.  in  F  so  ergänzt:  t&nep^x^t 

Top  TÖ  dir'  aÖTfic  toO  dxpißoOc  M  iß'  t'  X^';  Torelli  tat  die- 
selben Worte  restituiut,  aber  in  verkehrter  Ordnung. 

Aus  dieser  Zusanmienstellung  wird  die  Vorzüglichkeit  des  Codex 
Florentinus  den  Ausgaben  gegenüber  noch  deutlicher  hervorgehen; 

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384  J.  L.  Heiberg: 

in  den  meisten  Fsllen  genügt  ein  einfoches  Zorttckgehen  auf  seine 
Lesarten  zur  Wiederherstellung  eines  genauen  und  richtigen  Textes. 
Oewiss  wird  aber  eine  neue,  sorgfUtige  Collation  noch  manche  Be- 
richtigung hinzufügen. 


n. 

lieber  die  Restitution  der  zwei  Bücher  des  Archimedes 
irepi  cqpatpac  Kai  KuXivbpou. 

In  meiner  Dissertation:  Quaestiones  Archimedae  p.  69 — 77 
habe  ich  zu  zeigen  versucht,  dass  die  Bftcher  ir€pl  c<patpac  m 
KuXivöpou  imd  die  Abhandlung  kukXou  ji^Tpiicic  Ton  Archimedes 
nicht  in  ihrer  ursprflnglichtti  Form,  sondern  in  einer  sp&ten,  wenig- 
stens nach  Eutokios  Torgenommenen  Umarbeitung  überliefert  sini 
Ich  habe  dort  nur  einige  der  aufBaUendsten  Belege  kurz  angedeutet; 
hier  soll  die  ganze  Frage  etwas  eingehender  erläutert  und  neues 
Material  hinzugefügt  werden. 

Bekanntlich  sind  diese  Bücher  ihrer  dorischen  Form  entklei- 
det**), und  Torelli  hatte  (s.  p.  XV  seiner  Vorrede)  die  Absicht  sie 
wiederherzustellen,  unterliess  es  aber  auf  den  Bath  einiger  seiner 
Freunde.  Ich  möchte  es  auch  nicht  für  rathsam  halten,  bei  einer 
künftigen  Ausgabe  des  Archimedes  diesen  Versuch  zu  machen. 
Denn  der  Tranescriptor  hat  sich  offenbar  nicht  damit  begnügt,  etwa 
Tl  für  a  zu  substituiren  oder  die  dorischen  Endungen  zu  Sndem 
u.  dgl.;  er  hat  vielfach  die  zu  seiner  Zeit  gebräuchliche  mathema- 
tische Bedeweise,  die  von  der  archimedischen  nicht  unbedeutend 
abweicht,  hineingebracht,  was  die  Bestitution  sehr  zweifelhaft  macht 
(einige  Beispiele  s.  Quaest.  Arch.  p.69 — 70),  imd,  was  noch  schlim- 
mer ist  und  eine  einigermEissen  sichere  Wiederherstellung  nahesu 
unmöglich  macht,  er  ist  öfters  ohne  besonderen  Orund  ganz  will- 
kürlich von  der  archimedischen  Darstellungsweise  im  Einzelnen  ab- 
gewichen. Den  Beweis  hierfür  liefern  die  Lemmata  des  Eutokios, 
die  der  Transseriptor  wohl  ebenÜEdls  des  dorischen  Dialekts  entldei- 
det,  nicht  aber  (wenigstens  nicht  überall)  mit  seiner  Bearbeitung 
des  Textes  in  Einklang  gebracht  hai  Von  solchen  willkürlicheu 
Abweichungen,  gegen  welche  man  sich  niemals  sicher  wissen  kann, 
seien  hier  die  folgenden  angeführt: 

Im  Text:  Eutokios: 

P.  76,  11:  6i&  toOto  6f|  «Xaccov  P.  76,  16:  bxä  bi\  toOto  Äacc6v 

tooi  tö  ircpiTpoup^  cuvofuupot^pou.      icxi  t6  nepiTpcupdiülcvov   toO  ort- 

")  Gelegentlioh  bemerke  ich,  dass  eine  solche  Transscription  ans 
einem  entlegenen  Dialekt  in  die  icotvyi  nichts  unerhörtes  irt;  fSr  Hippo- 
krates  wird  dasselbe  beseogt  von  Galen  XVIII'  p.  778  ed.  Kühn. 


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PhilologiBche  Studien  zu  griechiBclien  Mathematikern.         885 


P.  78,  8:  fcovrai  dpa  xal  ai  dir6 
rf\c  icopuq>f)c  toO  kuüvou  krci  täc 
äqpÄc  ImicuYviIiiLicvai  xdOcTOi  ^irt 
Tdc  A€,  Ze,  ZA. 

P.  79,21:  toai  6i?i  xd  ABf,  BAf 
Tpixwva  fA€ti:ova  toO  AAP  xpiTtiü- 
vou. 

P.  82,  8:  d€l  6f|  ir€piTpd(povT€C 
iroXi&yuivo  ir€pl  xd  x|bifi)biaxa  (un- 
richtig; es  ist  nur  Ton  einem  Tnf\\xa 
die  oede). 

P.  82,  11:  dTTOX)Lif|jbiaxa,  fit  Icrai 
^Xdccova  xoO  6  xuipiou. 

P.  87, 80:  vocicOw  6f|  ir€piT€TP<»|A- 
fiivov  Kttl  ^CTpafAjuugvov. 

P.  88,  14:  xöv  a(rr6v  Kei  Xötov 
xd  €(»OOYpaji)Lia,  ßvircp.  Torelli  will 
mit  Eutokios  xd  €(»80Tpa|üi|üia  strei- 
chen. 

P.  111, 16:  (&cx€  Kai  al  xiliv  M,  N 
&td^€xpoi  xöv  a{ixöv  l%qva  Xdfov 
TCt!c  xÄrv  iroXuf  il»vwv  irXcupalc. 

P.  118,  46:  x6  hk  (mö  xfjc  €0 
KxX.  . . .  x({»  Oirö  vSjv  €A,  K6  irepi- 

P.  166, 1:  Xöyoc  dpa  xflc  AP  irp6c 
TB  boedc 

P.  168,  4:  dXX'  liic  M^  V)  PA 
irpdc  AA,  x6  dirö  BA. 

P.  182,  9:  xd  kitX  xijjv  KM,  AP 
eöOctijjv  xiliv  kOkXujv  x^fjibiaxa. 

P.  183,  28:  XÖTOC  dpa  cuva^cpo- 
T^pou  xf)c  €A,  ZA  irpdc  ZA  6o- 
Ocic. 

P.  197,28:  6flXov,  öxi  /j  BA  Ikdc- 
cuiv  ^cxl  H  ftiirXadujv  6uvd^€i  xfjc 
AK,  xflc  bi  tK  xoO  K^vxpou  neilwv 
fi  öiirXaduiv  öuvdfxci  (buvdfiet  streicht 
ToreUi). 

An  diesen  Stellen  darf  man  gewiss  die  von  Eutokios  gebotenen 
Lesarten,  die  meistens  sowohl  sinn-  als  sprachgemftsser  sind,  als 
echt  archimedisch  in  den  Text  au&ehmen.  Weil  aber  unzählige 
solche  kleine  Modificationen  des  Ausdrucks  filr  uns  yerborgen  sein 
können,  würd  es  verlorene  Mühe  sein,  die  dorische  Dialekt  wieder- 
herstellen zu  wollen;  man  wird  doch  nicht  die  Hand  des  Archimedes 
erreichen.  Ebenfalls  scheint  es  mir  zu  gewagt^,  die  archimedische 
Terminologie  wieder  einzuführen,  wenn  wir  auch  zuweilen  den 
Transscriptor  gleichsam  auf  frischer  That  ertappen  können;  so  z.B. 
p.  151,  50:  irpöc  Tf|v  K66eTov  toO  Xomqö  i\ir\}xaioc,  während 
Eutokios  p.  192,  36  mit  dem  Spraohgebrauche  des  Archimedes 
übereinstimmend:  Trpöc  tö  övpoc  toG  XoiitoC  TMfjjiaTOC  citirt;  cfr. 
Quaest.  Arch.  p.  71;  ebenso  p.  158,  46:  TTCiroirjcdu)  yop  die  (i&v 


P.  78,  88:  al  dpa  dir6  xf)c  KOpu- 
q)f^c  ^irl  xd  A,  B,  f  ^TnZ!euTvO|bi£vai 
Kd6€Xo(  clciv  ^ir*  aöxdc  (c:  xdc  iqp- 
oirro)Li6^ac  Lin.  8). 

P.  80,  23:  |yic(2:ova  dpa  icr\  xd 
ABA,  BAT  xpiywva  xoO  AAP  xpi- 
Yiirvou. 

P.  82,  46:  TTCpiYpd^ovxcc  b9\  izo- 
XuTuiva  TTcpl  xö  x|Lifi|bia  (was  To- 
relli mi6  unrecht  ändern  will). 

P.  82,  48:  dirox|jif)jbiaxa  ^dccova 
xoO  0  xwpiov. 

P.  90,  2:  vocicOuu  bk  clc  x6v  B 
kOkXov  ircpiteTpafifji^vov  xal  ^tT^- 
Ypa^^^ov. 

P.  90,  13:  xöv  auxöv  Sei  XdYov, 

ÖVTTCp. 


P.  112,  14:  £x€t  bk  Kai  /j  btdfi€- 
xpoc  xoO  M  kOkXou  irpdc  Tf\v  bid- 
^€xpov  xoO  N  XÖTOV,  öv  €x€t  /j  €A 
irpdc  AK. 

P.  119,  7:  dXXd  x6  tnrö  €0  . . . 
r<p  <mö  vSjy  €A,  K0. 

P.  166,  39:  boOclc  bk  \6^oc  xf|c 
Ar  irpdc  TB. 

P.  162,  80:  du*  Oic  M^^  Vi  PA 
irpdc  AA,  iödxOn  x6  dird  BA. 

P.  ,182,  47:  xd  iizl  xC&v  KM,  AT 
x|jifmaxa  kOkXuüv. 

P.  184,  19:  XÖTOC  dpa  bcöo^^^oc 
cuvaiLupox^pou  xf)c  €A,  AZ  irpdc 
AZ. 

P.  198,  39:  bfjXov  6^,  öxi  i»|  BA 
xfjc  fi^  AK  ^dcciwv  ^cxl  f\  bnrXa- 
c(a  6uvd^€t,  xf)c  bk  kx.  xoO  K^vxpou 
l^eiZuiv  f\  6itrXada. 


Jahrb.  f.  olMi.  PhiloL  Suppl.  Bd.  XI. 


2ö 

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386  J.  L.  Heiberg: 

cuva^qpÖTCpoc  f|  KB,  BX  yerglichen  xnitEntokios  p.  176, 44:  q>na, 
öir  T€TOV^TUi  die  cuvapcpÖTCpoc  f)  KAX;  cfr.  Quaest  Arch.  p.  70. 
In  den  meisten  Fällen  aber  können  wir  nur  sagen,  dass  Archimedes 
so  nicht  geschrieben  habe,  wohl  auch  annShemd  die  nrsprOngliche 
Form  angeben,  die  eigenen  Worte  des  Archimedes  aber  nicht  mit 
Sicherheit  restituiren.  Dasselbe  gilt  von  den  Stellen,  wo  der  Trans- 
scriptor  aus  Nachlässigkeit  die  wohl  berechnete  und  nothwendige 
Ausführlichkeit  des  Archimedes  verkürzt  hat  und  dadurch  die  Ge- 
nauigkeit und  Verständlichkeit  beeinträchtigt  (Quaest.  Arch.  p.  72 
und  73).  Hin  und  wieder  lässt  sich  auch  hier  das  Richtige  aus 
Eutokios  ersehen,  wie  z.  B.  p.  72,  2:  icoXuTUiVOU  tcxi  xrXeupd  ico- 
itXeupou;  aber  Eutokios  p.  72,  36:  ttoXutuivou  iczi  IcoirXeupou 
Kai  äpTtoirXeupou  irXeupd;  cur.  p.  73,  4  u.  Quaest  Arch.  p.  76. 
Ebenso  steht  p.  89,  2  kurz:  xat  IvaXXdS'  Sirep  ä^uvarov;  aber 
Eutokios  p.  90,  49  hat:  ^vaXXdf  äpa  ^Xdccova  Xötov  £x^i  tö 
7rp(c)ia  irpdc  töv  KÜXivbpov  f^ircp  tö  dTT^TpaiiM^vov  clc  töv  B 
kukXov  TToXuTunfOV  trpöc  töv  B  kökXov  ötrep  firoTTov.  Am  häufig- 
sten können  wir  aber  nur  die  Nachlässigkeiten  anzeigen,  ohne  genau 
sagen  zu  können,  wie  sich  Archimedes  ausgedrückt  hatte. 

Es  ist  daher  nur  eines  übrig,  das  wir  fOr  die  Reinheit  des 
Textes  thun  können:  die  zahlreichen  Einschiebsel  zu  entfernen. 
Daran  soll  hier  ein  Versuch  gemacht  werden  im  Anschluss  an  das 
Quaest  Arch.  p.  74 — 76  gesagte. 

I  4  p.  71,  61  sind  die  Worte:  buvarAv  T&p  toOro  ans  Euto- 
kios p.  72  in  den  Text  gedrungen.  Seine  Anmerkung  ist  nämlich 
so  anzuordnen:  xal  dirö  toO  K  Tf|  6  Tct]  Kari^x^  f)  KM]  buvaTÖv 
TÄp  toOtö,  trpoc€KßXri9€icT]C  (so  cod.  Flor.)  ..,  Kcd  teOeicTic  ..,  bwt- 
cn^luaTt  bk  . .  TP<3tq>^VT0C.  Sonst  würden  die  QenitLvi  absolnti  ohne 
Verbindung  stehen;  auch  beginnt  Eutokios  regelmässig  seine  An- 
merkungen mit  T<ip* 

P.  72,  2  flf.  sind  die  Worte:  direiirep  i\  iird  NHP  fuivfa  fierpei 
Tf|v  uiTÖ  AHr  dp6J)v  oficav,  Ka\  f)  NT  äpa  ircpup^peta  Mcrpci 
-rtjv  TA,  T^TopTov  oijcav  kukXou.  &ct€  xal  töv  kükXov  juieTpc?. 
iroXuT^vou  dpa  dcrl  itX€up&  kotiXcOpou.  <pav€pdv  t^  Icn  toOto 
als  unecht  schon  durch  die  Form  bezeichnet;  sioher  wird  dies  da- 
durch, dass  sie  eben  den  Inhalt  der  Anmerkung  des  Eutokios  p.  73, 
36  —  73, 4  in  etwas  trivialisierter  Gestalt  wiedergeben.  Aneh  p.  72, 
12  sind  die  schon  durch  die  mangelhafte  grammatische  Verbindung 
verdächtigen  Worte:  qxxvcpöv,  örr  Ka\  6|üU>iov  xC^  ixTPOB^o^ivw^ 
oS  irXeupd  f)  NT  nur  ein  Besum6e  von  der  Bemerkung  des  Euto- 
kios p.  73,  24  £,  die  seine  eigene  Zuthat  ist.  Die  Yorhergehenden 
Worte  p.  72,  10—11  hatten  nach  Eutokios  p.  73,  6  diese  Form: 
I&CT6  Kai  f|  OTT  troXuT^iC'VOu  icrlv  IconXcupou  irXeupd,  nioht  wie 
im  Text  etwas  unlogisch  steht:  &CT€  Ka\  f)  TTO  iroXuri&vou  icA 
trXeupd  toO  nepiTpacpoM^vou  nepl  töv  kukXov  Ka\  UonXeupou. 
P.  72,  19  sollten  die  Worte:  Tour^cnv  f|  TTO  npdc  NF  tot  tildc- 


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Philologische  Studien  sa  griechischen  Mathematikern.         387 

cova  XÖTOV  €x€i  stehe«.  —  I  5  p.  74^  1  und  3  sind:  buvOTÖv  yop 
TOÖTo  and  buvordv  top  toöto,  ^neitrep  ^€t2:ttlv  icrX  fi  H  rflc  OK 
wegen  ihrer  Aehnlichkeit  mit  den  Einschiebseln  p.  71,  51  und  72, 
2  als  nnacht  anzneehen. 

I  6  p.  75,  2  schrieb  Archimedes  gewiss  nicht:  KOtOwc  ijLiddo« 
^€V  mit  Bezug  auf  I,  4;  auch  ö^oia  t^  Lin.  5  ist  wohl  unecht 

Ueber  I  7  s.  Quaesi.  Aroh.  p.  74;  Archimedea  hatte  gewiss 
nitr  einen  Beweis  ftr  einen  so  einfachen  Satz  Yorgetragen;  das 
echte  scheint  aber  hier  in  ungewöhnlich  hohem  Orade  verwischt. 

I  8  ist  ebenfaUa  der  zweite  Beweis  p.  77  entschieden  unecht; 
er  ist,  wie  auch  die  Ueberschrift  angiebt  (caq»^CT€pov  (!)  dXXuiC  f| 
5€iEic),  nur  eine  Verdeutlichung  des  ersteren.  Es  würde  ja  doch 
seltsam  sein,  denselben  Beweis  erst  in  einer  gedrängteren  Fassung, 
dann  gedehnter  und  „deutlicher^'  zu  geben. 

I  9  ist  es  wahrscheinlich,  dass  der  echte  Beweis,  der  wie  der 
Beweis  I  8  p.  76  geführt  gewesen  sein  mag,  ganz  von  einem  dem  I  8 
p.  77  unterschobenen  ähnlicben  yerdrftngt  worden.  Jedenfalls  sind 
die  Worte  p.  78,  1  ff.:  6  d£u)v  toC  kJjvox)  öpOöc  dcri  irpöc  Tf|v 
pdctv,  TOUT^cri  irpdc  töv  ASr  kukXov,  icai  unecht;  denn  sonst 
würde  der  Beweis  des  Eutokios  überflüssig  sein;  s.  namenüich  p.  78, 
39.  Das  üebrige  von  dem  Anfang  des  Beweises  mag  dagegen  echt 
sein;  wenigstens  fanden  sich  in  dem  echten  Beweis  die  Worte  Lin. 
8:  im  Tctc  £<poirro^^vac;  denn  auf  sie  bezieht  sich  aördc  im  Lenuna 
des  Etttokios  p.  78,  34  (s.  oben). 

I  14  p.  88  ist  ausser  den  Quaest  Aroh.  p.  74  bezeichneten 
Worten  noch  Lin.  3:  £iT€ibf|  ß(iciv  fikv  fx^t  t^  nept^^Tpi))  Tcnv, 
vi|ioc  bi  fcov  Tfl  ^K  ToO  K^VTpou  ToO  A-KUKXofif,  Lin.  7:  ine\br\ 
n^i}iX€rai  öttö  xfic  TrXeupac  toO  KvXivbpou  Ka\  -rtjc  Tciic  tQ  nepi- 
M^Tpip  Tf)c  ßdc€uic  ToC  1Tp(c^aT0C,  Lin.  17:  a\  t&P  TA,  H  tcai  eld 
TaTc  £k  tu)V  K^vrpuiv  (so  Florent.)  und  Lin.  35:  iireib/nrcp  Tcai 
eldv  a\  KA,  AZ  etwas  müssige  Zasätze;  Archimedes  lässt  duroh- 
gehends  solche  einfache  Begründungen  weg.  Auch  p.  89,  3  ff.:  f| 
M^v  T^  ^ni^ävcict  Toö  irptc^aroc  toO  ireptifCTpaHM^vou  nepi  t6v 
KuXivbpov  ^€i2ulv  odca  b^bciKTat  Tf)c  iiiispaveiac  toO  KvXivbpou, 
t6  bk  [dt-JT^TpaMM^vov  €Ö9uTP<xmiU)V  ty  tif»  B  k6k\\^  IXaccöv  kri 
ToO  B  kukXov  mnss  unecht  sein;  denn  p.  90,  61  giebt  Eutokios 
eine  andere  Begründung  des  dronov,  was  er  ohne  Zweifel  nicht 
gethan  bfttte,  wenn  Archimedes  selbst  das  Nähere  zugefügt. 

I  15  p.  91,  40  ff.  halte  ich  die  Worte:  f)  M^v  t&P  T  to]  lci\ 
T$  ditd  TOÖ  K^vrpou  KOd^rtfi  iiA  ^iov  irXcup&v  toO  ttoXut^vou,  f| 
bi  A  T^  irXcup^  ToO  w^w.  Koivöv  bk  fiipoc  f|  ircpi^crpoc  toO  wo- 
Xurutvou  irpöc  td  fmicn  Twv  intcpaveturv  für  eingeschoben;  denn 
ausserdem  dass  sie  überflüssig  sind,  sind  sie,  namentlich  die  letzten 
Worte,  sehr  unklar;  der  Beweis  ergiebt  sich  leicht  aus  p.  88,  2  ff., 
I  9  und  EnkL  VI  1  nnd  war  gewiss  von  Archimedes  als  selbst- 
verstfindlich  weggelassen.    Noch  ein  Orund  gegen  die  Echtheit  die* 

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388  J.  L.  Heiberg: 

ser  Worte  liegt  darin,  dass  die  ganz  entsprechenden  p.  92,  26  ff.: 
f|  ydp  Ik  toO  K^vTpou  toO  A  kukXou  trpdc  Tf|V  TiXeupav  toö 
Kiivou  jiettova  Xötov  Ix^i  fjirep  i\  dnö  toO  K^vrpou  dto^^vr)  ko6- 
exoc  im  )iiav  irXeupdv  xoO  ttoXutoivou  irpöc  Tf|v  iiA  -rtjv  itXcu- 
pdv  ToO  TroXuyilivou  xdOeTOV  dTO^^VTjV  dtrd  rflc  Kopuqpfic  toö 
Kidvou  echt  nicht  sein  können;  denn  eben  diese  Begründung,  zum 
Theil  mit  eben  denselben  Worten,  giebt  Eutokios  p.  92 — 93.  Auch 
die  Worte  p.  92,  4  ff.:  f|  jiifev  ydp  dTTicpdveia  xfjc  TTupajiiboc  ficiZwv 
oöca  b^beiKxai  xfJc  dTnq)av€iac  xoO  kiIivou,  xd  b^  dTT€TP«MM^vov 
€u6uTpa|Li^ov  iv  xip  B  xuKXqj  ^Xaccöv  icrX  xoO  B  kukXou  werden 
durch  die  Aehnlichkeit  des  beweislichen  Einschiebsels  p.  89,  3  £ 
verdächtig. 

I  16  p.  93,  48  möchte  ich  xoOxo  ydp  IbetxOii  tv  xijj  irpo 
xouxou  auswerfen;  ebend.  sind  gewiss  nicht  nur  die  Qnaest.  Arcb. 
p.  74  angezeigten  Worte,  sondern  auch  die  zunächst  vorausgeben- 
den p.  93,  62:  ^Kdxcpoc  ydp  6  aöxöc  dcxi  xijji  xflc  €  npdc  B  öuvd- 
|üi€i  bid  xö  xouc  kükXouc  Ttpöc  dXXrjXouc  ctvai,  die  xd  dTrö  xwv 
bia/i^xpujv  xexpdyiüva  trpöc  fiXXnXa,  ö/ioiujc  bi  kqi  xd  dnd  xwv 
^K  xujv  K€vxpujv  xujv  kukXuiv  uud  die  folgenden  p.  94,  3:  xatc  bi 
Ik  xiüv  K^vxpuiv  Icai  elciv  a\  B,  €  zu  streichen;  cfr.  p.  91,  34  ff. 

U.  8.  W. 

I  18  p.  96  möchte  ich  Lin.  31:  xd  bk  Tca  trpöc  x6  aux6  xöv 
auxöv  ix^x  XÖTOV  streichen;  ebenso  halte  ich  die  Wiederholung  von 
I  16  mit  den  daran  gereihten  Folgerungen  (Lin.  38  ff.:  dbcixOr] 
Tdp  xoOxo,  8x1  travxöc  kiüvou  icocKeXoCc  f|  imq>av€ia  irpöc  xf|v 
ßdciv  xöv  auxöv  Xöyov  ?X€i,  8v  f|  TuXeupd  xoO  kuivou  irpöc  xf|v  ^k 
xoö  K^vxpou  xfic  ßdceujc,  xoux^cxi  f|  A€  irpöc  €9.  'Qc  bi  f|  €A 
irpöc  06,  ouxuic  f|  AG  irpöc  GK*  IcoTiivia  f&p  icvi  xd  xpifuiva* 
Ten  bi  kxiv  fi  GK  xq  AH)  für  unecht. 

I  19  p.  97  sind  vielleicht  Lin.  33  die  Worte:  ö\io\a  yäp  xd 
xpiyujva  und  Lin.  36:  utr^Keixo  ydp  derselben  Sucht  auch  das 
Selbstverständlichste  ausdrücklich  angeben  zu  wollen  entsprungen. 

I  22  p.  100—101  sind  die  Worte:  Kttl  inex  buo  irapdXXiiXoi 
elciv  a\  €A,  KZ,  Kai  bOo  buiTM^vai  eiciv  a\  €K,  AO  ganz  über- 
flüssig und  rühren  schwerlich  von  Archimedes  her.  Dasselbe  gilt 
von  I  23  p.  101,  46:  Kai  d)c  dpa  irdvxa  irpöc  rrdvxa,  de  xtöv 
Xöyuiv  irpöc  iva,  die  überdem  eine  üngenauigkeit  enthalten;  denn 
es  müsste  entweder:  ouxuic  elc  xwv  Xöyujv  heissen  oder:  ouxuic  tv 
TTpöc  Sv;  cfr.  Eutokios  p.  162^  42  u.  s.  w. 

I  31  p.  109,  18  kann  Eutokios  nicht  die  Worte:  biirXada 
rdp  ^cxi  xfic  XC,  oöcr|C  ^k  xoO  K^vxpou  xoO  AB  TA  kOkXou  gelesen 
haben;  denn  seine  Anmerkung  p.  109  geht  eben  darauf  aus  zu  be- 
weisen, dass  GK  das  Doppelte  von  XC  sei;  auch  dürfte  in  dem 
Text  eine  Angabe  über  den  Pimkt  C  nicht  fehlen.  Aus  Eutokios' 
Worten  geht  deutlich  hervor,  dass  er  den  Punkt  C  auf  der  archi- 
medischen Figur  nicht  angegeben  vorfand. 


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Philologische  Stndien  zu  griechischen  Mathematikern.         389 

I  33  p.  110  sind  jedenfalls  die  letzten  Worte  Lin.  17:  ßdciv  T€ 
Top  jigiZova  f\  TCxpaTrXaciav  ?X€i  kqi  öipoc  Tcov  unecht;  Archi- 
medes  stützte  sich  gewiss  stillschweigend  auf  p.  96  Lemma  1;  viel- 
leicht beginnt  aber  das  erklärende  Einschiebsel  mit  ^ireibrj  Lin.  16. 

I  34  p.  111,  16  stand  nicht:  ulict€  Kai  a\  toiv  M,N  bidperpoi 
TÖv  ainöy  Ixouci  Xötov  rate  toiv  iroXuTiivuiv  TrXeupaic,  sondern, 
wie  Eutokios  hat  p.  112, 13:  ^x^  ^^  ^ai  f)  bidpeTpoc  toC  M  kukXou 
irpdc  Tf|v  bid^eipov  xoO  N  Xötov,  6v  fx^i  ^  €A  irpöc  AK.  Sowohl 
diese  unzweifelhaft  echte  Fassung  dieser  Worte  als  namentlich  auch 
der  Umstand,  dass  Eutokios  p.  112  sorgf&ltig  beweist,  dass  die 
beiden  Diameter  sich  wie  die  Polygonseiten  €A  und  AK  verhalten, 
zeigt,  dass  Archimedes  diese  Folgerung  ohne  alle  Begründung  als 
eine  von  dem  kundigen  Leser  leicht  zu  ermittelnde  hingestellt 
hatte.  Daher  sind  die  Worte  p.  111,  9  ff.:  Kai  dirci  öpoid  den  xd 
TTcXurw^va,  ö|Lioia  Sv  eXx]  Kai  xd  7T6pi€XÖji€va  xiwp'ci  öttö  täv  eipn- 
ji^vuiv  TpajijiÄv,  TOUT^CTi  Tuiv  dm  xdc  yi^vCac  Kai  xäv  TrXeupujv 
Tiöv  TToXuTwvuiV.  "Qcxe  xdv  auxöv  Xötov  Ix^iv  irpöc  äXXiiXa,  8v 
^Xouciv  al  xuiv  troXuTiwvujv  nXeopai  buvdjxei.  'AXXd  Kai  6v  ix^i 
XÄTOV  xd  Tr€pi€XÖ^€va  utrö  xuiv  elpimdvuiv  TPCtmiÄv,  xoOxov  ^xov)- 
civ  a\  Ik  xujv  Kdvxpujv  xi&v  M,N  kukXujv  Ttpöc  dXXrjXac  buvdjuei, 
die  eine,  jedoch  nicht  sehr  exaote,  Begründung  eben  jener  Propor- 
tion enthalten,  als  spttteres'Einschiebsel  zu  streichen.  Auch  die  fol- 
genden Worte:  ol  bk  kukXoi  irpöc  dXXrjXouc  biirXaciova  Xötov 
Ixouci  xaiv  biapdxpuiv,  oKxivec  !coi  elci  xak  dTriq)av€iaic  xoö  7T€pi- 
T€Tpolfi^dvou  Kai  dTT^TpctM^dvou  Lin.  18  ff.  sind  zu  streichen; 
Archimedes  hatte  ohne  Zweifel  die  Folgerung:  bf)Xov  oOv  kxX.  un- 
mittelbar angereiht 

I  36  p.  116,  |6  ff.:  biöxi  6  iikv  5  k&voc  xexpaTiXdciöc  dcxi 
xoO  Kiiivou  xoO  ßdciv  \ikv  ?xovxoc  Icriv  xifi  AB  TA  KUKXtp,  övpoc 
bfe  Icov  x^  dK  xoö  Kdvxpou  xf}c  cq)aipac*  xd  bt  dTTCTPCiMMdvov 
cxnMa  fXaccov  xoO  clpi^^vou  kuivou  f\  xexpaxrXdciov  halte  ich  für 
unecht;  das  gesagte  scMoss  Archimedes  stillschweigend  aus  I  28. 

I  39  p.  118,  21  fil:  x6  Tdp  auxö  irdpac  auxwv  dcxiv  dv  dm- 
irdbi}!  xoO  X6  x|Liri|iaxoc  Kai  xoö  cxTiMCfroc  f|  TtepKpdpeia  xoö  kukXou, 
oö  bid)i€xpoc  f)  AB*  Kai  dm  xd  auxd  KOiXai  dpcpöxepat  eiciv  a\ 
diTi<pdv€iai,  Kai  irepiXa^ßdvexai  f)  dxdpa  uttö  xf)c  dxepdc  sind, 
ausserdem  dass  der  Anfang  verworren  und  unklar  ist,  yöllig  über- 
flüssig. Denn  die  in  ihnen  gegebene  Erläuterung  ist  schon  in  den 
eigenen  Worten  des  Archimedes:  Kai  £cxai  xö  T^viiO^v  cxfiMa  exe- 
peöv  imö  kuivikujv  diTiqpavcnöv  ircpiexöjievov,  ßdciv  pfev  fxov 
kükXov,  o\}  bld^€xpoc  f|  AB,  KopuqpfjV  bi,  xö  f  Lin.  15  ff.  ent- 
halten, wie  ja  auch  die  erläuterten  Worte:  ö^oiuiC  bf|  xoic  irpö- 
xepov  xf|v  dmcpdveiav  dXdccova  Öei  xfjc  xoö  T\xf\\iaTOC  dmqpaveiac 
xoö  1T€plXa^ßdvovxoc  durch  die  Partikel  brj  als  in  dem  Vorher- 
gehenden begründet  bezeichnet  werden.  Auch  hat  Archimedes 
durch  die  HinzufÜgung  Ton  xoö  nepiXafißdvovxoc  dem  Leser  die 


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390  J.  L.  Heiberg: 

Anwendung  Yon  Lemma  4  p.  65  so  nahe  gebracht,  dass  es  einer 
ausführlichen  Anwendu;^  desselben  nicht  bedurfte.  Ich  «rkenne 
daher  in  den  bezeichneten  Schlussworten  ein  Olossem. 

I  40  p.  118—119  sind  die  Worte:  Ka\  T^P  toO  uttö  AG,  GK, 
Tcou  dvTOC  Ti$>  dtrö  9A  dem  Eutokios  entnommen,  dessen  Anmer- 
kung p.  119,  11  ff.  ich  so  gestalten  möchte:  tö  bk  t&nd  €A,  K6 
Aaccöv  dcTi  ToO  dird  GA]  Kai  T^p  toO  öttö  AG,  GK,  Tcou  dvroc 
r^  dtrö  GA,  &c  icn  bfJXov  ktX.  Denn  nur  mit  den  Worten:  xai 
Y^lp  ToO  imö  ktX.  erhKlt  sie  einen  passenden  und  mit  der  Gewohn- 
heit des  Eutokios  übereinstimmenden  Anfang.    Cfr.  zu  I,  4. 

I  42  p.  111,  27  ff.  möchte  ich  die  auch  sprachlich  bedenk- 
lichen Worte:  ir^pac  T^p  ^v  ^vl  dmiTebiji  Tf^  auTiiSj  (t6  aörd?) 
^ouciv  TÖv  nepl  bid)i€Tpov  Tf|v  AB  kukXov,  kqü  iT€piXa|Lißdv€Tm 
TÖ  Tfif^^a  imö  ToO  q(i^)iaTOC  wegen  der  üebereinstimmung  mit  der 
Interpolation  I  39  streichen.  Auch  Lin.  32  ist:  (m6  tdp  öp9f|v 
iitroTelvei  gewiss  unecht. 

I  43  p.  122,  18  enthalten  die  Worte:  toOto  bk  ^f)Xov  bid  tö 
npOTCTpcimi^vov  eine  Ungenauigkeit;  denn  toOto  bezieht  sieh  nicht 
auf  das  zunSchst  Vorhergehende,  sondern  auf  den  ganzen  Satz.  Da 
an  einen  Schreibfehler  kaum  zu  denken  ist,  sind  diese  Worte  ohne 
Zweifel  späterer  Zusatz.  Dann  werden  auch  die  ähnlichen  I  45 
p.  123,  38:  bfjXov  oöv  TÖ  X€TÖ)i€VÖv  Icriv  ^k  toO  trpoT€Tpaw*€- 
VOU  in  Verdacht  gezogen. 

I,  48  p.  127,  14  fohlt  offenbar  etwas  in  dem  Beweis,  nämlich 
die  Begründung,  warum  Z  auch  nicht  grösser  sein  kann  ^s  die 
OberÜächo  des  eingeschri^>enen  Polygons. 

I  49  p.  127—128:  direibfiiTep  iKoripa  T6TpanXacta  dcri  toö 
rrept  bid^erpov  Tf|V  Bf  kijkXov  ist  überflüssig  und  gewiss  inter- 
polirt;  über  ^Tr€tb/|iT€p  cfr.  die  Interpolation  p.  88,  35.  Aber  auch 
p.  128,  3:  b^beiKTai  ydp  toOto  ^m  toö  iXdcccvoc  fmic^aipiou 
sind  vielleicht  zu  streichen. 

I  50  p.  129,  9  sind  jedenfalls  die  Worte:  tout^cti  toö  h^' 
Toc  ßdciv  jLifev  kOkXov,  oö  i]  iK  ToO  K^VTpou  \cr\  tcr\  Tfji  Anö  tnc 
Kopu<pf)c  ToO  TfinfLiaroc  iiA  ri\y  neptcp^peiav  £irt£€UTVUfi^vq  cdGetqi 
TOÖ  kukXou,  öc  icTi  ßdac  toO  T|uiri|üiaTOC,  äjioc  bfe  tf|V  Ik  toö  kcv- 
Tpou  Tfjc  cqKxipac.  oötoc  b^  ^ctiv  6  elprunkvoc  kO&voc  6  G'  ^av 
Tf|  Tdp  ix^i  kOkXov  kov  tQ  £in(pav€{(|t  toö  TjiTJiiaToc,  Tourtoi  Tiji 
cipriM^vq)  KÜKXqj  kqI  äipoc  tcov  t^  Ik  toö  K^vrpou  Tf)C  ccpaipoc, 
die  nichts  als  eine  alberne  und  wortreiche  Umschreibung  der  hin- 
länglich deutlichen  Worte:  TOÖ  ttiXikoutou  KUivau  Lin.  9  enthalten» 
als  Einschiebsel  zu  betrachten. 

n  2  p.  132,  21  sind  die  Worte:  toiv  bi  Icuiv  KuXtvbpuiv 
dvnnEiTÖvOaciv  cd  ßdccic  rote  utjicav  vielleicht  unecht;  denn  eis 
Satz  von  dieser  Form  kommt  bei  Archimedes  nicht  vor;  er  hat  sich 
wohl  stillschweigend  auf  Lemma  3  und  4  p.  96  bezogen.  Auch  die 
Worte  Lin.  25  ff.:  6  ydp  fmiöXioc  xOXivbpoc  Tf^c  cqpaipac  fcov  i%^^ 


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Philologische  Stmdien  zu  griechischen  Mathematikern.         391 

t6v  ä£ovo  Tq  biofi^Tpifi  Ti^c  c<paipac,  xai  6  K  kukXoc  ^^t»ct6c 
i<x\  Tuiv  iv  Tf\  ccpaipcf  geben  sich  durch  ihre  nicht  eben  glücklich 
gewählte  Form  als  Interpolation  kund.    Es  müsste  heissen:  denn 

weil  der  Cylinder  «»  ---  Kugel,  und  die  Axe  «»  dem  Diameter  der 

Kugel,  muss  die  Basis  dem  grössten  Kreise  gleich  sein,  also  ihr 
Diameter  «>  der  Axe  (I  37).  üebrigens  finden  wir  hier  wieder 
ein  Beispiel  der  oben  erwfihnten  willkürlichen  Aenderungen  des 
Interpolators;  denn  erstens  stand  nach  p.  218  im  Schluss  des  Satzes: 

tCT]V  (tcav)  TIJJ  KWVlü  fj  T(fl  KuXlVbpi}!,    nicht  TUJ  KUIVlü  fj  TUJ  KUXlV- 

bpijj  Tcr^v,  wie  p.  132,  14  steht;  zweitens  ersehen  wir  aus  Eutokios 
p.  133,  26,  dass  die  echte  Form  der  Worte:  xai  K€tc6uj  toC  A  K(Ii- 
vou  f\  KuXivbpou  f)pi6Xioc  KuXivbpoc  6  fZA  p.  132, 16  diese  war: 
€lXr|q)eu)  ToO  bo9^vTOC  kwvou  fj  KuXivbpou  fiJLiiöXioc  KuXivbpoc; 
auch  fällt  in  der  überlieferten  Form  die  ungewöhnliche  und  unpas- 
sende  Bezeichnung  des  Cjlinders  durch  fZA  auf.  Auch  p.  133,  3 
hat  Archimedes  nicht  eiXfjqpGu;  (in  unrichtigem  Numerus),  sondern 
eupncOuJcav  geschrieben  nach  Eutokios  p.  135,  8.  Der  Beweis  der 
Synthesis  p.  133,  10  ff.  ist  im  Anfang  sehr  ungenau  und  nachlässig 
redigirt,  aber  die  echte  Gestalt  festzustellen  traue  ich  mir  nicht  zu. 
II  3  p.  152,  11:  dTTci  xai  f|  ßdcic  Tf]C  ßdceujc  xai  f|  dTTiqpä- 
veia  Tf)C  cqpaipac  toC  fieTtCTOu  kukXou  itSjv  iv  aurQ  ist  ganz  sinn- 
los; denn  die  beiden  Grundflächen  sind  eben  die  Oberfläche  der 
Kugel  und  der  grösste  Kreis;  vielleicht  sind  auch  die  vorhergehen- 
den Worte  Lin.  8  ff.:  f|  fäp  cqpaipa  b^betxTai  TerpaTrXada  toO 

KlüVOU  TOO  ßdciV  fifeV  f XOVTOC   TÖV    ^^T^CTOV   XUkXoV   xai   ÖvpOC  Tf|V 

Ik  toO  x^vTpou  Tfjc  cqpaipac.  *AXXä  |Lif|v  xm  6  N  xOjvoc  toO  avroO 
^CTi  TCTpairXacia  zu  streichen.  Archimedes  durfte  sehr  wohl  dem 
Leser  zumuthen  den  Beweis  aus  I  36,  I  35  und  Lemma  I  p.  96 
seibat  zu  suppliren.  üebrigens  ist  der  Anfang  dieses  zweiten  Be- 
weises der  letzten  Hälfte  von  Satz  3  p.  152  corrumpirt  (Quaest 
Arch.  p.  73),  und  das  echte  schwerlich  mit  genügender  Sicherheit 
wiederherzustellen,  üeber  die  unechten  Stellen  p.  151,  4 — 14  und 
p.  153,  3 — 11  8.  Quaest.  Arch.  p.  75.  Ich  habe  nüch  dort  irrig 
für  die  Unechtheit  derselben  auf  Eutokios  p.  154  berufen;  es  findet 
sich  bei  ihm  nichts,  das  ihnen  widerspräche.  Dennoch  steht  ihre 
Unechtheit  fest,  schon  wegen  des  sinnlosen  Anfangs:  f\  outuic^  was 
nur  dann  passend  wäre,  wenn  ein  anderer  Beweis  vorausginge;  das 
ist  aber  nicht  der  Fall,  Archimedes  stellt  die  Behauptung  (die  sich 
sehr  leicht  durch  Lemma  1  und  4  p.  96  begründen  lässt;  cfr.  Euto- 
kios p.  154,  35  ff.)  als  selbsteinleuchtend  hin.  Die  Worte  p.  151, 
4:  TOÖTO  T&p  iv  TOic  X/j)üi|Liaci  ToC  TrpüJTOu  ßißXiou  b^bciKTai  könnte 
man  vielleicht  vertheidigen  wollen;  aber  die  aufgestellte  Behaup- 
tung ist  keineswegs,  wie  sie  besagen,  ^in  den  Lemmata  des  ersten 
Buchs  bewiesen',  sondern  muss  durch  Combinaüon  zweier  von  ihnen 
ermittelt  werden.     Für  die  Stelle  p.  151^  31:  Icoc  dpa  icix  tCu 


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392  J.  L.  Heiberg:     • 

B6ZA  CT€p€ib  To^ei*  toOto  t^P  iv  t^  irpü&rqj  b^beiKiai  könnte 
man  aus  Euiokios  p.  153,  39:  9ficiv,  ÖTt  ö  N  kwvoc  tcoc  den  r^ 
ZAB6  CTcpeuj  tojicT,  dbc  bdbeiKTai  dv  t<\)  irpufTt))  ßißXitfJ  auf  eine 
andere  Gestaltung  schliessen  wollen,  aber  Eutolsios  citirt  hier  nicht 
wörtlich,  wie  schon  das  Fehlen  von  einem  Spa  zeigt,  das  jedenfalls 
im  Text  gestanden  haben  mnss;  vielleicht  sind  jedoch  die  Worte: 
d)c  b^bciKTai  dv  Tip  irpuiTUJ  ßißXiijJ,  auf  welche  es  hier  dem  Euto- 
Mos  hauptsächlich  ankommt,  in  dieser  Form  aufzunehmen. 

II  4  p.  155  finden  wir  in  der  ursprünglichen  Fassung  p.  218, 
woraus  sich  ergiebt^  dass  der  Transscriptor  ausser  einigen  mindern 
Veränderungen  sich  die  Einführung  des  nicht-archimedischen  5ituuc 
fttr  djCT€  (Quaest.  Arch.  p.  70)  erlaubte. 

P.  166:  P.  218: 

Tf)v    öoO^cav    ccpotipav    ^tnirdbip  Täiv    6o0dcav    cqpatpav    ^imr^&qi 

T€|Li€tv,  Öiriwc  al  TtSjv  T)Lin|bidTiuv  km-  t€|uiöv,  löcre  tA  T^dfbiaTa  töc  tm- 

q>dv€iai  irpöc   dXX/|Xac  Xötov  ^x^^^  qpavciac  t6v   xaxö^a   Xöyov  Ixew 

t6v  aÖTÖv  Tiji  6o6^vTi.  ttot'  dXXoXa. 

Es  ist  auffallend,  dass  Archimedes  p.  218  ^  wo  er  eine  üeber- 
sicht  der  dem  Eonon  zugeschickten  Probleme  giebt,  die  meistens 
im  zweiten  Buch  über  Kugel  und  Cylinder  gelöst  sind^^),  II,  5  vor 
II  4  stellt.  Wahrscheinlich  sind  diese  beiden  Sätze  von  dem  Inter- 
polator,  ungewiss  warum,  verwechselt  worden;  denn  in  seiner  Note 
zu  II  5  sagt  Eutokios  p.  159,  29:  tv  yäp  Tf^  trpö  toutou  cuv- 
riT€TO  oÖTUic,  was  nicht  füglich  anders  als:  *im  vorhergehenden  Satz' 
aufgefasst  werden  kann.  Die  angeführte  Schlussreihe  findet  sich 
aber  nicht  in  II  4,  wohl  aber  in  EL  3  p.  150,  27  ff.*^)  Demnach 
folgte  in  der  dem  Eutokios  vorliegenden  Bedaction  II  5  unmittel- 
bar auf  n  3.  Auch  in  der  Abhandlung  über  Kreismessung  hat  der 
Interpolator  vielleicht  zwei  Sätze  vertauscht  (Quaest.  Arch.  p.  77). 

II  5  p.  157,  20  sind  die  Worte:  inemep  TfjV  auTfjV  ßdciv 
fxouci  TÖv  irepi  SidjLieTpov  xfjv  AT  kukXov  sicher  \mecht;  ^TTeiirep 
gebraucht  der  Fälscher  auch  p.  74,  3.  Der  Satz  selbst  ist  wie  der 
vorhergehende  verunstaltet  worden;  die  echte  Form,  wodurch  das 
schwerfällige  ty]C  C9aipac  p.  157,  3  vermieden  wird,  finden  wir 
p.  218: 

P.  167:  P.  218: 

Tf]v  6o6€icav  c(paipav  t€|u€!v  üjct€  TAv    6o6^cav    cqpotlpav    ^mir^bqj 

T&  T)Li/maTa  Tfjc  cq>a(pac  irpöc  dX-  reiidv  üjctc  tä  TpLAytara  aÖTÖc  itor ' 

XnXa   XÖTOV    ^€iv    t6v    oOtöv    t«J>  dXXaXa  töv  TaxO^vra  Xöyov  ^xeiv. 
boQivn. 


^^)  Nur  II  3  fehlt,  wie  auch  sein  Anfang  von  II  1,  II  2  und  II  4 
abweicht;  dieser  Satz  diont  nur  zur  LöBong  der  folgenden  Probleme; 
daraus  erklärt  sich,  daee  er  dem  Eonon  nicht  zugesandt  werden  dnrfte. 
—  ")  Das  Citat  des  Eutokios  ist  offenbar  nicht  als  wörtlich  zu  fassen; 
daher  darf  man  daraus  keinen  Schluss  auf  die  Form  von  II  3  p.  150,  27 
zieheu  wollen. 


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Philologische  Studien  su  griechifichen  Mathematikern.         393 

üeber  die  unechten  Worte  p.  159,  9  s.  Quaest.  Arch.  p.  75. 
Auch  die  ganze  Stelle  p.  158,  23 — 33  könnte  man  versucht  sein 
streichen  zu  wollen,  als  aus  dem  Commentar  des  Eutokios  ent- 
nommen. Denn  bei  ihm  p.  163,  12 — 24  findet  sie  sich  wörtlich 
wiederholt;  nur  ist  Lin.  14  vor  Tf|V  Z6  und  ebenso  Yor  TÖ  diTÖ  B  A 
daa  Wort  tout^cti  hinzugefügt.  Im  Ganzen  muss  aber  diese  Er- 
örterung über  den  biopic^öc  echt  sein,  wie  aus  Eutokios  p.  163,  49: 
KaeöXou  bi,  TrpujTOV  tö  9€u)pTi|ia  TpacpriceTai,  Iva  tö  Xctömc- 
vov  UTT*  auToO  caq)iivic9^  irepi  tu»v  biopic/iOav  hervorgeht. 
Auch  sagt  er  p.  169,  20  ff.:  q)nciv,  bo9€icav  Tf|v  AZ  Tcpeiv  bei 

KttTtt    TÖ    X    Kttl    TTOieiV,    U)C    Tf|V    XZ    TipÖC    bo9€TcaV,    OUTUIC    TÖ 

boGtv  Tipdc  TÖ  &nö  Tf|C  AX.    ctra  diruiv,  vbc  Ka96Xou  ^kv  lö  Xe- 

T6^€V0V  ix^X  blOpiCjiÖV,  'rTpOCT€9^VTU)V  b^  TOIV  ^TT*  aÖToO  €up€9^v- 

Twv  TTpoßXimdTUJV,  ToO  T€  cTvai  bmXadav  tfjv  AB  Tf\c  BZ  xal 
ficKova  xfiv  BZ  ttic  ZG,  |if|  ^x^w  bloplc^6v,  pcpiKuiiepov  iirava- 

Xa^ßav6l  TÖ  TTpößXima  Kai  qpnciv,  ÖTi'  xai  ?CTai  tö  rcpößXiiiia 

TejieTv  Tf|V  AB  KaTä  tö  X.  Cfr.  p.  168,  45  —  169,  1  und  p.  169, 
6—9.  Aber  eben  aus  diesen  Worten  des  Eutokios  geht  hervor,  dass 
Tftv  Z6  p.  158,  22  und  tö  &nö  BA  p.  158,  23  unecht  sind  (siehe 
p.  168,  47;  p.  169,  22),  dass  also  p.  163:  tout^cti  Tf|V  ZG  und 
TOUT^CTi  TÖ  diTÖ  BA  erläuternde  ZusStze  des  Eutokios  sind.  Ich 
bin  überzeugt,  dass  auch  tout^cti  toC  T€  biirXaciav  civai  Tf)V  AB 
Tfic  BZ  Kttl  Toö  jieülova  Tf|v  BZ  ttic  ZG,  ibc  xaTä  Tf|v  dvdXuciv 
p.  158,  26  ff.  von  dem  Interpolator  aus  Eutokios  p.  163,  17  ff.,  wo 
er  diese  Worte  zur  Erläuterung  von  TtJV  TTpoßXii|idTUJV  Toiv  dvOdbe 
UTrapxövTUJV  hinzufügt,  herübergenommen  sind.  Eutokios  hat  sie 
noch  zweimal  mit  kleinen  Abweichungen:  p.  169,  8:  tout^cti  toO 
T€  biTiXaciav  elvai  Tfjv  AB  Tf]c  ZB  Kai  toO  jxeKova  elvai  Tf|v 
BZ  Tf]C  Z6  (ohne  die  folgenden  Worte)  und  ebend.  Lin.  24:  toG 
Te  elvai  biTiXaciav  Tf|v  AB  Tflc  BZ  xai  \xe\loya  Tf|v  BZ  Tfjc 
ZO'y  wenn  es  nicht  seine  eigenen,  sondern  Worte  des  Archimedes  ge- 
wesen wären,  hätte  er  sie  gewiss,  wie  das  übrige,  an  beiden  Stellen 
wörtlich  und  übereinstimmend  citirt. 

n  6  p.  177,  50:  TU)V  bk  Icuiv  Kütivujv  dvTiTTetrövöaciv  a\ 
ßdc€ic  TOtc  ui|i€Civ  ist  wiederum  eine  Interpolation  gewöhnlichsten 
Schlags,  um  die  Anwendung  von  Lemma  4  p.  96  näher  zu  legen. 
Auch  p.  178, 19:  bid  tö  !cov  eTvai  tö  dnö  GK  Tiji  üxrö  tAv  AB,  c 
ist  überflüssig  und  vielleicht  unecht 

n  7  p.  181,  24  ff.  ist  ohne  Zweifel  die  Wiederholung  von  I 
48 — 49  unecht:  a\  ydp  dmqpdveiat  Tuiv  elpiiiidvujv  TjurmdTUJV  Tcat 
ibeixBr\cav  kukXoic,  liv  al  Ik  tujv  K^VTpujv  Tcai  elciv  TaTc  dxrö 
TOIV  Kopuqp&v  Tujv  T|Lir||LidTUJV  im  Tdc  ßdccic  dTTiZeuTVuoücaic;  auch 
musB  ^TTiieuTVuoucaic  statt  ^mZeuTVup^vaic  befremden.  Ein 
ganz  ähnliches  Einschiebsel  findet  sich  p.  197;  s.  Quaest.  Arch.  p.  75. 
Auch:  ö^oia  ipdp  Td  TpiTUJVa  p.  181,  33  halte  ich  für  einen  Zusatz. 
Der  Satz  selbst  findet  sich  etwas  abweichend  ausgedi*ückt  p.  218: 


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394  J.  L,  Heiberg: 

P.  IW:  P.  218: 

Auo  boB^vrwv  apaipac  T^t^fi^buiv  Ai^o  boO^vrwv  T^a^idnuv  cqKiipac 

€Tt€    rf\c    aOrf^c    cTtc    ^f|,    c^pdv  cTtc  tAc  aördc  eTtc  AXXac,  eöpctv 

T)bii))üux  cqmfpac,  6  Scrai  ^l  fi^  rd^v  n  T^A^a  cqMtipac,  6  ^cc^tron  ctörö 

6o6^vTUiv  ö^otov,  Tf|v  5^  imtp&vtWY  ^  öfiotov  t<|»   ^räptfi  tOjv  t|Uifid- 

S€t  foiv  tig  ToO  iripw)  T^fifiOTOc  tuiv,  rdv  h^  toi<pdveiav  Icav  hci 

^mqpavcif .  T(Ji  £in<pav€iqi  toO  ^^pou  Tiidfioroc 

n  8  Bteht  ebenfalls  richtiger  und  yoUstSndiger  p.  218;  nament- 
lich hat  die  Angabe  über  die  Möglichkeitsbedingong  kaum  in  dem 
Satz  selbst  gefehlt: 

P.  188:  P.  218: 

'Airö  Tf^c  boBdcnc  apafpoc  TpLfi}xa  'A-nö  rdc  bo6€(cac  cqpMiipac  tiifipa 
TC^dv  ^imr^^i,  Uicrc  t6  Tfiftga  irp6c  dirorcM^lv  hnitdftqi,  «Kkre  t6  r^ä^ui 
t6v  kOEivov  tt?|v  ßtov  ^x^vra  t^v  irorl  t^  ioSivov  Tf|v  [töv?]  f&av 
aÖTf|v  nji  TfiAM<ni  Koi  ö^oc  icov  f xovra  t4v  aördv  t«|i  T|Ad^an  xai 
t6v  5o6^a  Xötov  Ixew,  öyoc  Tcov  t6v  Tax6dvTO  X^yov  ^ov 

[^f|]  iLicÜCova  ToO,  8v  ^x^i  rä  Tpia 
hotI  t4  ß'. 

P.  183,  29  müssen  wenigstens  die  Worte:  ficT€  Kai  Tflc  €A 
irpoc  AZ'  bo9€tca  äpa  koM\  AZ  unecht  sein,  wie  aus  der  Anmer- 
kung deä  Eutokios  p.  184  hervorgeht.  Dem  von  ihm  dort  vorange- 
stellten Lemma  aus  dem  Text  sind  die  Worte:  i&CTe  Kai  f|  Af  bei- 
zufügen; denn  die  Note  geht  darauf  hinaus  zu  zeigen,  dass  AP 
gegeben  sei,  was  auf  eine  zwei&che  Weise  geschieht  (Lin.  30:  xai 
fiXXuic  bk  X^YOic  äv,  ön  f|  AF  boOeicd  dcTiv).  Die  beiden  oben 
bezeichneten  Mittelglieder  kann  er  nicht  im  Texte  gelesen  haben; 
denn  er  führt  sie  selbst  (Lin.  26:  b^boxat  äpa  ö  Tf)c  €A  irpdc  AZ 
XÖTOC  und  Lin.  27:  ö^borai  dpa  Kai  f)  AZ)  als  Glieder  seines  Be- 
weises auf. 

n  9  p.  18Ö,  19  ff.:  bciKTtov,  8ti  tö  lüieiZov  T)üi{))ia  xf\c  c<po{- 
pac  trpdc  xi  £Xaccov,  ^Xdccova  Xötov  ix^x  t\  btairXdciov  ijircp  f| 
£7ri<päv€ia  ToC  juciZovoc  T^f||üuxTOC  irpöc  Ti\v  dmqxiveiav  toC  £Xic- 
covoc  T^rj^aroc  wird  man  streichen  müssen;  denn  diese  Worte  sind 
nur  eine  unnütze  Wiederholung  von  Lin.  4 — 8;  auch  ist  ihre  Form 
anstössig;  es  müsste  wenigstens  heissen:  ^Trei  bcirr^ov  ^cri. 

Lin.  28  sind  die  Worte:  uic  bk  cuva^<pÖT€poc  f|  €0,  BZ  icp6c 
BZ,  OÖTUic  f|  ZH  irpöc  ZA  gar  nicht  an  ihrem  Platz;  denn  es 
wird  weiter  kerne  Anwendung  von  ihnen  gemacht  Ertlich  ist  auch 
diese  Proportion  vorher  (p.  150,  26  ff.)  mit  bewiesen  worden;  aber 
hier  soll  nur  ermittelt  werden,  daes  BZ : ZA  «»  OB  :  B€,  was  aas 
der  zuerst  aogeftthrten  Proportion:  €A  -f-  AZ :  AZ  «*  6Z  :  ZB 
imd  der  Oleichung  B€  ««»  €A  sogleich  erhellt,  und  auch  p.  151, 
24  ff.  bewiesen  ist.  Wenn  die  angeführten  Worte  geBtriohen  wer- 
den, muss  auch  ^^v  Lin.  27  dem  Transscriptor  angerechnet  werden. 
Nach  dem  hier  Oesagten  sind  die  Lin.  30 — 31  folgenden  Worte: 
toOto  t&p  iv  Toic  iirdvw  cuvairob^beiKrai  sachlich  wahr;  dennoch 
können  sie  schwerlich  echt  sein;  denn  erstens  würde  Archimedes 


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FhilologiBche  Studien  wa  griediiachen  Maihematikem.         395 

kaum  für  jeine  so  einÜMhe  Saehe  (die  Proportion  ergiebt  sick  so- 
gleich bieXövTt  KQi  dvaXXdf)  auf  einen  früheren  Beweis  verwiesen 
haben,  und  ausserdem  giebt  die  Anknüpfung  durch  y^P  i^^^  den 
anmittelbar  Torhergehenden  Worten:  Ter]  T^P  ^  6C  '^  £^  Anstoss; 
denn  nicht  diese  Worte  begründet  jenes  TOUTO  yop,  sondern  die  zu- 
nächst vorangehenden,  die  auch  durch  teil  Ydp  ktX.  begründet 
werden. 

P.  186,  3  sind  die  Worte:  tout^ctiv  f)  Z6  icpöc  ZH  unecht; 
denn  sie  f^en  im  Lemma  des  Eutokios  p.  189  extr.,  und  es  geht 
aus  seiner  Note  (die  fäp  i\  &Z  irpdc  ZH,  outujc  t6  uttö  6ZH 
irp6c  TÖ  diTÖ  ZH  p.  189 — 190)  deutlich  hervor,  dass  sie  ihm  nicht 
vorlagen.  Uebrigens  sehen  wir  aus  demselben  Lemma,  dass  Archi- 
medes  p.  186,  3  nicht:  toO  Sv  ^x^i  t6  drrrö  Tf]C  KZ  schrieb,  son- 
dern einf^her:  r^irep  t6  diiö  KZ.  Die  Worte  p.  186,  4  ff.:  tö  hk 
diTÖ  KZ  irpdc  id  dtrd  ZH  bmXaciova  Xöyov  fx^i  fii^tp  fi  KZ  irpdc 
ZH  möchte  ich  eher  dem  Interpolator  als  Archimedes  zuchreiben. 
Lin.  8  ff.  hat  die  Baseler  Ausgabe,  Codex  Florentinus  und  zwei 
Pariser  Handschriften  (BC)  so:  f|  KZ  Trpöc  ZH  dXdccova  XÖTOV 
^X^i  fj  biirXaciova  toö  &v  kyiei  i\BZ  irpöc  ZA  (die  übrigen  Worte: 
UK  b€  und  f)  BZ  npöc  ZA.  'H  eZ  äpa  irpöc  ZH  hat  ToreUi 
selbst  willkürlich  hinzugefügt);  die  Baseler  Ausgabe  hat  die  Worte 
in  Parenthese  und  in  der  üeberseteung  des  Jacob  Cremonensis  fehlen 
sie  gftnzlich;  wahrscheinlich  stehen  sie  im  Florentinus  nicht  im 
Text,  sondern  als  Scholion  am  Rande;  sie  sind  jedenfalls  unecht 

Lin.  19  fF.:  Ka\  tö  dnd  ÖZ  äpa  irpöc  tö  dnö  ZK  Mcttova 
XÖTOV  Ix^x  fJTtep  f|  0B  irpöc  BK'  tout^ctiv  f|  ©B  irpöc  B€-  tout- 
^CTiv  f|  KZ  TTpöc  ZH  rühren  nicht  von  Archimedes  her;  denn 
Eutokios  kannte  sie  nicht,  was  daraus  hervorgeht,  dass  er  sie  (zum 
Tbeil  mit  aadem  Worten)  als  seine  eigene  anfahrt  p.  190  extr. 
(über  diese  Stelle  s.  oben  p.  382). 

Besonders  übel  ist  der  zweite  Beweis  p.  187 — 188  mitgenom- 
men worden.  Bei  unserer  üeberlieferung  muss  man  annehmen,  dass 
Eutokios  p.  192 — 195  eine  Paraphrase  des  ganzen  Beweises  gab,  die 
meistens  in  einer  fast  wörtlichen  Wiederholung  desselben  besteht,  mit 
wenigen^  kurzen  eingemischten  Erläuterungen.  Die  Möglichkeit  hier- 
von kann  nicht  geleugnet  werden  (cfr.  p.  393);  doch  kann  ich  mich 
der  Yermuthung  nicht  wehren,  der  echte  Beweis  sei  viel  kürzer  und 
gedrängter  gewesen,  so  dass  der  uns  überlieferte  durch  Einmischung 
Yon  den  Aimierkungen  des  Eutokios  entstellt  worden  sei;  wenn 
dies  sich  so  verhält,  sind  echte  und  unechte  Bettandtheile  dergestalt 
vermengt  und  in  einander  verschlungen,  dass  eine  Trennung  uamiög- 
lioh  ist  Auch  die  Sprachform  hat  viel  nidit-archimedisches,  wie 
das  wiederholt  vorkommende  ÖTi  (Quaest.  Ai^eh.  p.  76)  in  der  Be- 
deutung: beiKT^v,  ÖTi  (cfr.  Eutokios  p.l93,  16;  195,  42;  45),  das 
den  Oommentatoren  geläufig  ist^  so  leitet  z.  B.  Pappoe  «eine  Lemmata 

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396  J.  L.  Heiberg: 

zu  Apollonios  ein.  üeber  p.  187,'  32;  p.  188,  22  und  27  s.  Quaefii 
Archim.  p.  75;  die  beiden  Stellen  p.  188  finden  sich  jedoch  auch 
bei  Eutokios  p.  195.  Ich  wage  es  nicht  eine  durchgängige  Besti- 
tution  zu  versuchen  und  halte  eine  solche  hier  überhaupt  für  un- 
möglich; ich  knüpfe  daher  nur  noch  einige  wenige  Bemerkungen  an. 

P.  187,  26  ff.  steht  in  der  Baseler  Ausgabe  und  allen  Hdss.: 
npöc  TÖ  &nö  0r  inx  xfiv  0H,  nicht  0Z,  wie  Torelli  liest,  und  die 
folgenden  Worte,  Lin.  27:  6  aÖTÖc  kri  ...  Lin.  80:  im  Tf|V  GH 
fehlen  ganz  und  gar,  wie  auch  bei  Cremonensis.  Wir  haben  es  hier 
wieder  mit 'einem  zwar  sachlich  richtigen,  aber  der  echten  Form 
verfehlenden  Supplement  Torellis  zu  thun.  Nach  dem  von  Eutokios 
p.  192—193  aufbewahrten  Lemma:  6  bk  toö  tSirö  HGA  im  Tf|V 
0  A  6  auTÖc  icTx  Tiö  dirö  A0  im  TfjV  0H  (denn  auch  hier  hat 
Torelli  aus  eigener  Erfindung  die  Worte:  irpöc  tö  dirö  ©f  im  Tfiv 
eZ  p.  192  extr.  und:  np6c  tö  dirö  0r  ircX  ttjv  02  p.  193,  1 
hinzugefügt;  sie  fehlen  in  edii  Basil.  und  allen  Hdss.;  gegen  dieses 
hat  es  kein  Gewicht,  dass  auch  Cremonensis  p.  48  zu&llig  auf  das- 
selbe Supplement  gekommen)  ist  die  Stelle  so  zu  restituiren:  6  b^ 
ToO  tjirö  Tujv  H0,  0A  im  T#|V  0A  [6  aöröc  icriv  Tt|»  dirö  A0 
d7r\  T#|V  0H-  6  bk  TOÖ  öirö  täv  H0,  A0  im  Tf\v  A0]  irpöc  t6 
dird  0r  im  t#|v  0H,  6  toO  inö  Tfjc  0A  ktX.  Doch  ist  wahr- 
scheinlich 6  aÖTÖc  icTW  Tip  TG 0  dirö  A0,  und  der  Ausdruck  ist 
etwas  ungewöhnlich;  man  hStte  eher  erwartet:  tö  b^  öirö  tujv 
H0,  0A  im  T#|V  0A  TÖ  auTÖ  icTiv  tuj  dirö;  aber  diese  Besserung, 
die  noch  dazu  zweimal  vorzunehmen  wSre,  ist  allzu  gewaltsam,  und 
die  Ueberlieferung  lässt  sich  zur  Noth  erklären;  es  wird  hinzugedacht, 
dass  die  Nachglieder  der  Proportion  gleich  sind.  Die  Lacune  er- 
klart sich  leicht  aus  der  Wiederholung  von  im  Tf|V  0A. 

P.  188,  3  scheint  Eutokios  die  Worte:  tö  dnö  Tfjc  AB  Kußoc 
TTpöc  TÖv  dirö,  Tflc  BF  Kußov  TOUT^CTi  nicht  gehabt  zu  haben; 
denn  p.  194,  28  führt  er  die  Stelle  an  ohne  sie,  nachdem  er  p.  194, 
16  ff.  die  in  denselben  enthaltene  Proportion  mit  seinen  eigenen 
Worten  und  als  seinen  eigenen  erklärenden  Zusatz  auseinander  gesetzt 
hat.  Oanz  ebenso  verhält  es  sich  mit  der  Stelle  p.  188,  13:  TÖ 
dnö  A0  TTpöc  TÖ  UTTÖ  80,  0r-  TOUT^CTi,  die  Eutokios  p.  195,  9 
übergeht,  nachdem  er  p.  195,  4  ff.  ihren  Inhalt  als  ein  von  Arebi- 
medes  übergangenes  Mittelglied  der  Schlussfolgerung  selbst  hinzu- 
gefügt hat 

Der  Wortlaut  des  Satzes  selbst  würde  nach  p.  218,  42  ff.  fest- 
gestellt werden  können,  wenn  nicht  dort  die  Schreibung  sehr  zwei- 
felhaft wäre.  Was  jetzt  dasteht,  enthält  eine  positive  Unrichtigkeit; 
denn  die  Theile  der  |Eugel  verhalten  sich  nicht  wie  die  der  Dia- 
meter. Nizze,  der  zuerst  die  Stelle  richtig  verstanden  hat  und  gegen 
die  Missverständnisse  Torellis  (als  ob  Archimedes  drei  fidsche 
Sätze  aufgeführt  hätte)  und  des  Beoensenten  seiner  Ausgabe  in  der 


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Philologische  Stadien  za  griechiBchen  Mafliematikeni.         397 

Jenaer  Litterataizeitiuig  (als  ob  die  falschen  Sfttze  von  Eonon  her- 
rührten) vertheidigt,  will  in  seiner  Uebersetznng  p.  282  die  Worte 
Lin.  44—46:  ttoti  tö  fllaccov  töv  aöröv  ?E€i  Xdyov,  8v  tö  T^fi^a 
Td  |U€iZov  TÖc  öia^^Tpou  ttoti  tö  Aaccov.  Tö  Top  ^icffov  Tjuaiiia 
streichen.  Dadurch  wird  freilich  die  Unrichtigkeit  beseitigt,  aber 
wie  sind  die  Worte  in  den  Text  gekommen?  Vielleicht  wird  eine 
genaue  Collation  des  Florentinns  über  diese,  wie  hoffentlich  über 
viele  andere,  für  jetzt  unlösbare  Schwierigkeiten  Licht  verbreiten. 
Denn  eben  hier  ist  das,  was  die  Collationen  Torellis  über  die  Hds. 
bieten,  ganz  unbegreiflich  und  ohne  Zweifel  von  irgend  einem  Fehler 
entstellt;  im  Florentinus  soll  die  Stelle  wie  bei  Torelli  stehen,  nur 
statt  €Xaccov:  ^Xdccova  p^v  Lin.  47,  wie  auch  im  Yenetus:  ^accov 
a^€v;  Parisinus  A  soll  ganz  wie  Torelli  haben;  in  G  sollen  die 
Worte  Lin.  46—47:  TÖ  fäp  jiieKov  T|Lifi|üia  räc  cq>a(pac  ttotI  tö 
fXaccov  fehlen  und  statt  ihrer  d  jn^v  f^  stehen,  was  D  statt  Tfic 
cqKxipac  ttoti  tö  IXaccov  hat;  Parisinus  B  endlich  soll  Folgendes 
bieten  Lin.  46—48:  TÖ  fäp  |üi€iZov  Tjnä^a  &  ixiv  f|  biTfXaciova 
Xöjov  ktX.  Sollten  aber  die  von  Nizze  verworfenen  Worte,  wenig- 
stens ohne  bedeutende  Abweichung  im  Florentinus  stehen,  was  da- 
durch wahrscheinlich  wird,  dass  Gremonensis  ganz  wie  Torelli  ge- 
lesen haben  muss,  möchte  ich  vorschlagen  Lin.  44  nach  dv  t^  cq>aip<]i 
ein  zum  folgenden  tö  fieiZIov  Tfiäjüia  gehörendes  Tf\c  jii^v  dmqpaveiac 
einzuschalten  und  Lin.  46  statt  y&p,  dem  fi^v  entsprechend,  b4.  zu 
schreiben,  eine  nicht  eben  seltene  Verwechslung.  Dass  die  beiden 
Theile  der  Kugelüberflttche  sich  wie  die  der  Diameter  verhalten, 
wird  wirklich  TL  9  p.  185,  16  ff.  und  Lin.  25  gesagt  Aus  der 
ganzen  Form  des  Beweises  für  11  9  geht  freilich  hervor,  dass  diese 
Angabe  über  das  Verhältniss  der  Theile  der  Oberfläche  im  Satze 
selbst  nicht  mit  aufgeführt  war,  und  dass  sie  überhaupt  nicht  als 
selbständiges  Theorem,  sondern  nur  als  eine  Stufe  des  Beweises 
behandelt  worden.  Dennoch  kann  Archimedes  sehr  wohl  p.  218 
diese  Angabe  besonders  hervorheben,  weil  er  im  falschen  Satz  dieses 
Verhältniss  als  dem  der  Kugelabschnitte  gleich  angegeben  hatte, 
und  daher  besonders  darauf  aufmerksam  machen  wollte,  dass  nicht 
das  Verhältniss  der  Abschnitte,  sondern  das  der  Diameterstücke 
jenem  Verhältnisse  der  Theile  der  Eugeloberfläche  gleich  sei.  Wenn 
die  hierauf  bezüglichen  Worte  weggeworfen  werden,  dürfen  wir  in 
den  übrigen  den  Woi-tlaut  des  neunten  Satzes  erblicken,  der  jedoch 
bei  der  Transscription  bedeutend  gelitten  hat. 

P.  184:  P.  218: 

'ۊv  cqpdlpa   dmirdbqi  t^t^OQ  ^i^  Af  ko  cqpcdpa  diriir^bq)  T^aOf)  eic 

hiä  ToO  K^vTpou   TÖ   ^^ov  T^f^^a  dvica  1T0T*  Öp6dc  bta^^Tpqi  nvi  tCliv 

irp6c  TÖ  {Xaccov  ^dccova  \xtv  Xötov  ^v  t^  ccpdpqi  . . .  tö  ^€!2:ov  T^d^a 

fX«  *)  biirXdciov  ToO,  8v  ix'^i  if\  toO  täc  c<pa(pac  wotI  tö  CXoccov  ^dc- 

ficiZovoc   T^iPmaTOC  ^iri9dvcia  irpöc  covo  \xiy  ^  öiirXdciov  Xötov  ix€\  toO, 

Tf|v  ToO  ^dccovoc  ^in9dv€iav,   ^ei-  8v  ^x^t  &  ^€ÜIu>v  4in<pdv€ia  iroTi  Tdv 

Zova  bk,  fi  /jfitöXiov.  ^Xdccova,  ^€(Zova  bi  f\  /j)üitöXiov. 


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998    J.  L.  Heiberg:  Philolog.  Stadien  za  grieeh.  MatlieiBatikem. 

n  10  p.  197  ist  ebeofeUs  der  WorÜaut  des  Satzes  beträcht- 
lich TeruBstaltet  worden,  wie  sehoii  das  unriohtige  ^liov  Lin.  3 
andeutet,  und  das  von  Arohimedes  nicht  angewandte  c<paipiKUJv: 

P.  197:  P.  21»: 

TSrv  tI^  Io}  ^inq)av€i<)i  1vepl€Xo^d-  (A^betinrai  tdp,  fln)  t6  ^^ictpai- 
vvjv  cqMXtpiioXrv  T}xr)^&r\uv  i^dCüy  icn  piov  |yi^icröv  icn  vSjv  irepicxofji^- 
TÖ  1?i^lcq>a(plov.  vwv  imö  tcac    ^qpoveiac  C9a(pac 

T|uia^dTUiv. 

üeber  p*  197,  23  flf.  s.  Quaest  Arch.  p.  76.  F.  198,  17  aind 
die  Worte:  xd  fipa  Trepiexöjiievov  önd  tujv  TA,  AP  ixe\l6y  dcri  toO 
U1TÖ  TU>v  £K,  KA  sicher  unecht;  denn  sonst  wlirde  Eutokios  p.  199, 
37  an  sie  und  nicht  an  die  vorhergehenden  Worte  seine  Be> 
merkung  angeknüpft  haben.  Den  in  den  bezeicbneten  Worten  lie- 
genden Schluss,  ein  von  Archimedes  weggelassenes  Kittelglied  des 
Beweises,  &lgt  Eutokios  selbst  p.  199,  44  ff.  hinzu.  Ebenfalls  sind 
die  Lin.  19  folgenden  Worte:  dicTC  ineTIöv  den  tA  tänd  twv  TA, 
AP  Toö  ätrd  TUJV  MK,  KP  zu  streichen  aus  ganz  denselben  Orün- 
den;  Eutokios  hat  selbst  p.  200,  5  ff.  dieses  übersprungene  Glied 
des  Beweises  nachgeholt,  kann  es  demnach  nicht  schon  im  Text 
gelesen  haben,  oder  er  würde  wenigstens  in  seinem  Lemma  diese 
Worte  mitgenommen  haben. 

Hiermit  bin  ich  mit  diesen  Untersuchungen  zu  Ende.  Dass  ich 
bei  einer  so  schwierigen  Sache  nicht  manchmal  fehlgegriffen,  oder 
dass  ich  gar  mit  einem  Mal  die  ganze  Frage  erschöpfend  belumdelt 
haben  sollte,  bin  ich  sehr  weit  entfernt  zu  glauben.  Ich  habe  naeb 
reiflicher  üeberlegung  yi^es,  dessen  Echtheit  mir  zweifelhaft  war 
(wie  z.  B.  die  häufigen  Verweise  auf  frühere  Sätze),  ohne  dass  ich 
doch  die  ünechtheit  zu  beweisen  mir  getraute,  unberührt  gelassen, 
um  lieber  hie  und  da  auch  unechtes  durchschlüpfen  zu  lassen,  was 
leicht  nachgeholt  werden  kann,  als  echtes  anzugreifen.  Auch  halte 
ich  es  für  unzweifelhaft,  dass  viele  etwas  besser  gedeckte  und  durch 
Veränderung  der  Ausdruoksweise  übertünchte  Literpolationen  uns 
für  immer  verborgen  bleiben  werden,  besonders  wo  wir  der  Anlei- 
tung des  Eutokios  entbehren;  denn  wie  viele  der  hier  bezeichneten 
würden  nicht  unentdeckt  geblieben  sein»  wenn  nicht  die  Lemmata 
des  Eutokios  uns  auf  das  echte  führten? 


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Inhalt. 


S«ito 

1.  Die    Fiagmente    des    L.  Coelius  Antipater.     Von 

Wilbdm  Sieglin 1—92 

2.  Ueber  den  gallischen  Brand.    Von  Georg  Thouret      93—188 

3.  Die  handschriftliche  Ueberliefenmg  des  Ausonius. 

Von  B.  Päper 189—363 

4.  Philologische   Stadien    zn  griech.  Mathematikern. 

1.  n.    Von  J.  L.  Heiberg 355—398 


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»/  ^  " 


i  I 


3EP271880 

JAHRBÜCHER 

FÜR 

CLASSISCHE  PHILOLOGIE. 

Herausgegeben 


Dr.  Alfred  Fleckeisen, 

Professor  iu  Dresden. 


Elfter  Snpplementband. 

Zweites  Heft. 
ISchlnss  des  XI.  Bandes.) 


'  Leipzig, 

Druck  und  Verlag  von  B.  (i.  Teubner. 
1880. 


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DE 

SÜIDAE  BIOGRAPHIC  ORUM 

ORIGINE  ET  FIDE. 

SCBIPSIT 


A.   DAUB 

BADSN8I8. 


Jahrb.  f.  olau.  PhUol.  SoppL  Bd.  XI.  26 

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Litterarum  Graecaram  yeram  historiam  nonprius  posse  perscribi 
quam  de  fontinm  et  testiinomorum,  a  quibns  omnis  fere  et  profici- 
scator  opera  nostra  notitiaque  et  ad  quae  usquequaqae  revertatar 
oportet,  forma  condicione  fontibus  fide  diligentissime  sit  quaesitum, 
non  iam  potest  snbterfdgere  peritos  iudices,  quamyis  harmn  rerum 
parnm  babnerint  rationem,  qni  artem  ipsam  susceperunt  enarrandam. 
Emmyero  quae  yeteres  anctores  de  re  litteraria  Graecorum  prodidere 
plenunque  non  ipsa  aetatem  tulerunt,  sed  per  maltos  flayios  riyolos^ 
qne  propagata  continnata  dilatata,  mox  etiam  deformata  et  obscorata 
recentioris  et  infimae  aetatis  scriptorum  seu  conpilatorum  industria 
nobis  seryata  sunt.  Pemecessarinm  igitar  est  ut  omnia  testimonia 
quam  adcnratissüne  examinentur,  eaque  quae  e  priscis  limpidisque 
fontibüs  manaront  per  singnlos  gradns  ad  säum  auctorem  referantar. 
Quo  qnidem  in  genere  quam  multa  adbuc  yel  incerta  yacillent  yel 
delitescant  obscura,  nemo  nescit  qui  has  litteras  paululum  adtigerit. 
In  Suidae  yero  biographids,  quae  largissimam  ac  saepe  fere  unicam 
litterarum  Graecarum  notitiam  suppeditant,  nuper  extiterunt  qui  lauda- 
bile  ac  bonae  frugis  plenissimum  conlocareut  Studium;  tamen  sicut 
res  ferebat  minime  omnia  cum  pulyisculo  ut  aiunt  exbauserunt  multa- 
que  aliis  emendanda  supplenda  enucleanda  reliquerunt.  Quae  cum  ita 
ßint  operae  pretium  futurum  iudicayi,  si  in  Suidae  yitas  scriptorum 
Graecorum  denuo  inquirere  conarer.  Sed  noH  opinari  totam  me  quae- 
stionem  absolyere  yoluisse:  quod  ne  possem  quidem  pro  innumeris 
quibus  hoc  opus  inpeditum  est  difficultatibus.  Ego  equidem  satis 
habeo  hominum  doctorum  opinionibus  subtiliter  et  circumspecte  exa- 
minatis  huius  disquisitionis  eam  potissimum  partem  quae  in  librorum 
tabularum  Suidianarum  origine  fideque  indaganda  yersatur  pertractasse, 
ac  cetera  quae  de  singularum  notationum  indole  fontibüs  auctoritate 
recte  auimadyertisse  mihi  yidear,  apte  disposita  protulisse.  Qua  in 
re  dici  nequit  quantum  adiutus  sim  C.  Wachsmuthii  praeceptoris 
optumi  insigni  opera  consilio  exemplo:  quod  aequare  licet  yiribns 
meis  denegatum  fuerit,  suayissimum  tamen  fuit  pro  yirili  parte  imitari. 

Verum  antequam  ad  propositum  ipsum  adgrediamur  pauca  prae- 
fariplacet.  Suidas  quibus  ex  fontibüs  in  ßioic  scriptorum  Graecorum 
hauserit,  post  Bemhardyum  (Conmentat.  de  Suid.  lexic.  C.  II.  §  9, 
p.  Lni  sq.)  primum  dedita  opera  rimari  conatus  est  Did.  Volkmann 
(dissert.  ^de  Suidae  biographicis  quaestt.  selectae',  Bonn.  1861); 
dein    hanc    quaestionem    tractarunt   Otto    Schneider    (disputatioue 

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404  A.  Danb: 

Me  Callimachi  opermn  tab.  qnae  extat  ap.  Suidam'  «=  Callimach.  11 
Ta.  1873),  p.  23  sq.);  tum  eodem  fere  tempore  et  C.  Wachsmath 
(*de  fontibus  ex  quibus  Suid.  in  vit.  Graec.  script  haus/,  Symb. 
Phil.  Bonn.  I,  137  sq.)  et  iterum  D.  Volkmann  (Me  Suid.  biograph. 
quaestt.  alterae',  ibidem  II,  717  sq.);  denique  etiam  Fr.  Nietzsche 
(cap.  V  de  Laertii  Diog.  fontibus  disputationis :  Me  Laertio  et  He- 
sychio'  =  Mus.  Bhen.  n.  XXIV,  210  sq.),  cuius  sententiam  novis 
argumentis  firmare  idem  Yolkmannus  (*de  Suid.  biogr.  quaestt  novae',^) 
Progr.  schol.  Portens.  a.  1873)  studuit.  Possumns  autem  duplicem 
in  modum  instituere  hanc  quaestionem,  aut  ita  ut  a  primis  fontibus 
aliuiide  inTCstigatis  proficiscamur,  deinde  singulos  flayios  riyolosqne 
permetiamur  usque  dum  in  mare  Suidianum  perrenerimus,  aut  ita 
ut  a  Suida  ipso  exorsi  ad  singulos  fontes  vlam  persequamur,  quoad 
his  cursibus  iteratis  ad  summos  montes  ascenderimus.  Ac  priorem 
quidem  viam  ita  ingressus  est  Yolkmannus,  ut  inter  diversissimas 
Suidae  notationes  seorsum  quasdam  consideraret  artiore  oognatione 
inter  se  conexas  earumque  originem  argumentis  aliunde  petitis  erueret 
atque  sie  primos  fontes  indagaret,  nihil  curans  quibus  itineribue  in 
„Oceanum^*  Suidianum  inmigrassent:  ceteri  yero,  in  primis  Wachs- 
muthius^  alteram  amplexi  sunt  rationem  longe  sane  difficillimam. 
Quarum  duarum  rationum  per  se  satis  probabilium  eam  esse  cum 
maxime  commendabilem,  quae  alteram  teneat  semitam  salebrosam 
priore  tanquam  certissimo  duce  nunquam  derelicta,  verissime  monuit 
WachsmuthiuB  (1.  1.  p.  137):  quam  nos  quoque  in  hac  disputatione 
sequemur. 

Caput  I. 

De  Hesjchlo  Hilesio  elosque  Onomatologi  epltoma  nnico 

fere  Snidae  fönte. 

Hesychium  Milesium  in  litteris  Graecis  praecipuum  Suidae  ducem 
fuisse  ex  huius  ipsius  verbis  quae  extant  s.  *Hcuxioc  (ftpo^^v 
övojLioToXdTOV  f{  TftvaKa  tOuv  dv  TTmbeCiji  övo^acrujv,  oö  dTriTOji!^ 
icTX  TOÖTO  TÖ  ßißXiov)  post  M.  Schmidtium  TDidym.  Pragm. 
p.  17,*),  G.  Bemhardyum  (1.  1.  p.  LV),  V.  Boseum  (de  Aristot.  libr. 
ord.  et  auct.  p.  49)  conclusit  certaque')  argumentatione  demonstravit 

')  Has  tres  Volkmanni  commentationes  numeris  I II  UI  breviter  de- 
signabimuB.  —  ^  Tarnen  Schneideram  in  una  re  fallaci  opinione  deceptum 
esse  WachsmutbiuB  (1.  L  p.  188)  ezposuit,  qui  in  ceteris  illi  adsentitur.  Nam 
post  Lehrsii  luculentam  disputationem  (7.  supr.  p.  405)  iam  dubium  esae 
nequit  (cfr.  etiam  Wachsmathium  Nietzschiamque  1.  1.),  quin  libellus  iste 
qui  Bub  Hesychii  Milesii  nomine  hodie  circumfertur  („wcpl  xiirv  tv  iraibd<^ 
öiaXafüMiidvTUiv  C09d[iv**)  recentiBflima  demum  aetate  ex  froBtulis  Suidianis 
et  Laertianifl  misere  conflatus  sit:  quamquam  id  ne  nunc  qnidem  Sehnei- 
deruB  (1.  1.  24,  n.  1)  concedit.  [Ceterum  hac  de  re  nunc  prorsns  aliter 
ittdicat  H.  Flachias  (vide  eins  disputatiunculam  Iq  Teubneri  Nunt.  a.  1879, 
no.  5,  85  sq.  Hesychii  Milesii  libeili  editioni  praemiBsam),  cuiuB  rationea 


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De  Snidae  biographicomm  origine  et  fide.  405 

0.  Schneider  (Callim.  II,  23  sq.).  Neqne  vero  conprobo  sententiam 
quam  de  yerbis  ^oi  dTTiTO^rj  den  toOto  tö  ßißXiov'  proposnit:  quae 
cum  hominibus  doctis  satis  negotii  facessiverint,  iam  paulo  enacleatiiis 
erunt  examinanda.  Nee  enim  cum  Schneidere  interpolatori  cuidam 
tribuo,  sed  unice  Snidae  ipsi,  ita  tarnen  nt  non  cum  Wachsmuthio 
(1, 1.  p.  138),  Lehrsio  (Mus.  Ehen.  n.  XVII,  463,  n.  2  -=  'die  Pindar- 
scholien'  p.  159,  n.  2),  Schmidtio  (1. 1,),  Bernhardyo  (1. 1.),  Boseo  (L 1.) 
illud  toOto  tö  ßißXiov  ad  Suidae  lexicon  referam,  sed  cum  Naekio 
(Choer.  p.  35),  C.  MueUero  (F.  H.G.IV,  144),  Volkmanno  (n,729  noi), 
Nietzschio  (Mus.  Bh.  n.  XXII,  193  not.  17),  Bergkio  (Eist.  litt.  Graec.  I, 
293,  n.  50),  L.  Mendelssohnio  (Act.  soc.  phiL  Lips.  II,  181,  n.  l), 
H.  Flachio  (Eudoc.  et  Said.  p.  37,  96,  n.  2)  his  yerbis  epitomen 
aliquam  operis  Hesychiani  nunc  oblitteratam  significari  censeam.  At 
Volkmanno  quem  Nietssechius  sequitur  id  unum  non  concedo,  quod 
huic  ipsi  epitomae  Hesychii  vitam  quae  apud  Suidam  legitur  olim 
praefixam  fuisse  statuit,  sed  multo  simplicius  existumo  Suidam  verba 
illa  ex  epitoma  ipsa  in  qua  Hesychii  quoque  yita  enarrabatar  parom 
cogitate  descripsisse.')  Namque  eorum  opinio  qui  yerba  toOto  tö 
ßißXiov  ad  Suidae  libram  ipsum  reyocant  propterea  displicet,  quod 
tum  prorsus  singulariter  et  inooncinne  dicta  essent,  utpote  quae  non 
toti  lexico  Suidiano  quod  in  glossis  seu  X^geciv  inlustrandis  magnam 
partem  yersatur  ac  plane  diyersis  nititur  fundamentis,  sed  articalis 
ad  litterarum  tantum  historiam  pertinentibus  conyeniant:  nee  secus 
inepte,  eüamsi  interpolatori  nescio  cui  inputaremus,  immo  multo 
ineptiuB  quam  a  Suida  ipso  essent  adposita.  Sed  nuUam  omnino 
idoneam  causam  yideo,  qua  yerba  illa  Suidae  abiudicare  cogamur: 
quippe  in  tali  condicione  quali  nunc*  leguntor  ab  omni  dubitatione 
exemta  sunt. 

Duo  igituropera  litteraria  olim  extitisse  yidemus,  ambonunc  de- 
perdita,  et  plenius  Hesyehü,  i.  e.  övojiiaToXÖTOV  f|  mvaica  tiüv  iy 
Tiaibüq,  övojuaCTijav,  et  breyius,  huius  scüicet  libri  epitomen  ab 
alio  factam.  Quae  cum  ita  sint,  id  yel  maxime  quaeritur,  qualis  tandem 
ratio  inter  utramque  scriptionem  intercesserit.  Ac  de  indole  quidem  et 
ordine  Onomatologi,  quo  omnium  Graecorum  qui  inde  ab  antiquis  tem- 
poribus  usque  ad  lustiniani  aetatem^)  litteris  floruerunt  ecclesiae  pa- 


quoniam  non  integras  habeo  perspeetae,  sab  examen  yooare  in  praesens 
non  placuit]  Sed  ut  cetera  argumenta  omittam,  yel  illud  grayem  moyet 
suspicionem,  quod  hoius  libelli  ratio  et  consiHum  toto  caelo  distat  ab  eo 
quod  in  genuine  'Onomatologo'  obtinuisse  perspeotam  habemus  (cf. 
Schneider.  1.  1.  26  sq.).  Enimvero  in  illo  mhil  msi  exües  quaedam  de  yita 
singuloram  fabellae  et  philosophorum  qaaedam  pladta  constipata  snnt. 
—  ')  Similiter  hac  de  re  nunc  yideo  iudloare  Bergkium  (1. 1.)  neque  aliter 
Flachiam  (1.  c.  96,').  —  Ceterum  ne  id  quidem  a  Suidae  ingenio  idienum 
fore  opinor,  si  quis  Suidam  ipsum  yerba  illa  adiecisse  iisque  hanc  ipsam 
epitomen  quam  perpetuo  in  lexico  auo  contexendo  manibus  triyit  oscitanter 
significasse  oontenderit  —  *)  Ceterum  cf.  nunc  Bohdium  Mas.  Bh.  n, 
XXXr7,  663,  n.  1. 


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406  A.  Danb: 

tribüs  seclnsis  (cfr.  Suid.  s.  ^Hcüx^o^)  ^li&s  enarravit  Hesychius,  post 
Schneidenun  (L  L  26  sq.)  Wachsmuthius  snbtilins  ita  dispatafit 
(1.  L  p.  139),  nt  bomines  littoris  insignes  non  mia  serie  conprebensos, 
sed  in  diyersa  litteranun  genera  diyisos  xarä  XP^^^^  dispositos 
fciisse  ex  indiciis  qnibnsdam  ennclearet.  Beyocat  autem  illud  qaod 
yerba  xai  auTÖc  in  Suidae  vitis  aliqnotiens  reperinntnr  plane  soper- 
yacanea  ad  indicem  aliqaem  eamque  Hesjcbii  Onomatologom.  Velut 
qnod  illa  8.  TToXeMiuv  ö  vedirepoc  et  b.  "Yirepibiic  ita  asorpantur,  ab 
eo  ordine  quo  apud  HesycMum  glossae  secutae  sint  iure  repetiit  (sed 
cf.  Bohdinm  Mus.  Bb.  n.  XXXIV,  620);  nee  secns  relicua  exempla 
bnic  cansae  conyeninnt,  si  ab  indice  s.  Curräbiic  bnc  yix  reyocando 
discesseris.  Praeterea  antem  alia  in  promptn  sunt  sane  quam  gra- 
yissima,  quibus  Wacbsmutbii  opinio  potest  stabiliii.^)  Veluti  qoae 
leguntur  8.  TTiTTaKÖc  .  .  elc  xai  aÖTÖc  Turv  t  coqM&v  du»v,  et  s. 
CöXuiv . .  fcTi  hk  Kai  ouToc  cTc  TUfV  t  6vo^aZo]Ll^vurv  c(Kpuyv(ubi 
id  quoque  yelim  adtendas,  prope  ad  finem  posita  esse  baec  yerba, 
unde  Hesjcbii  ^epitomatorem'  ea  ipsum  adiecisse  illius  ordinis  raü<me 
babita  demonstratur) ,  si  conparayeris  cum  glossis  s.  KXeößouXoc 
(. .  elc  TWY  t  övojüialoMevuiv  coqpuiv,  ^ibpi)  xai  xäXXci  biaq>^pwv 
TÄv  xttT*  auTÖv)  et  s.  TTeptavbpoc  (. .  tujv  t  cocpdiv,  cf.  etiam 
gl.  8.  Aäcoc,  MijüivepMOC,  Tupraioc),  in  Onomatologo  ipso  Septem 
sapientes  seorsum  ex  tcmporis  ordine  digestos  fnisse  facile  perspicies. 
Quod  item  cadere  yidetur  in  Septem  illos  tragicos,  oinvcc  divo^äc^ncav 
TTXeidc;  modo  considera  glossas  s.  'AX^Eavbpoc,  AItuiXöc,  Aiovu* 
ctäbnC;  Auxdq)piuv,  "OjiniPoc,  Coq>OKXf\c,  CuKiOcoc,  Cuiciqxivnc, 
<t>iXiCKOc;  nee  dissimilem  ad  causam  redire  yidentur  quae  in  yitis 
poetarum  comicornm  Aristopbanis  et  Menandri  aequalium  leguntur 
(cf.  8.  0€6iro|Liiroc,  NixoxöipTic,  NiKoq)iüv,  TTXdrruiv;  s.  OiXn^uiv.. 
ßpaxu  Mevövbpou  irpÖTcpoc,  s.  'AiroXXöbuipoc  fcXiDoc  . .  cuxxpovoc 
ToO  KUi^iKoO  Mevdvbpou,  s.  TToceibimroc  .  .  Tpirip  ?T€i  ^ctä  rd 
T€X€UTficai  TÖv  Mevavbpov  . .),  pariterque  alia  multa.  Sed  praeterea 
ad  ordinem  cbronologicum  in  Hesjcbii  libro  seryatum  rettulerim  quae 
reperiuntur  s.  CijüiuJvibTic  Kpiveu) . .  x^TOVe  b^  xai  atJToc  jucrd  iv€- 
'  VTjKOvra  xai  Tpidxovra  ?tti  täv  TpuiixAv,  sc.  ut  'ApxiXoxoc,  cuius  vitam 
ab  Hesjchio  sine  dubio  enarratam  Suidas  describere  omisit  (cf.  Volk- 
mannum  ÜI,  p.  IV,  atque  post  eum  Bohdium  Mus.  Bb.  n.  x^xili, 
193  sq.  et  de  yerbis  istis  et  de  re  ipsa  multo  snbtilius  ac  proba- 
bilius  disputantem);  s.  Moucaioc '€q)^cioc,  si  qnidem  yera  est  Wacbs- 
mutbii coniectura  yerba  sie  refingentis:  M.  ^€.  xai  auTÖc  ^ttoitoiöc 
(sc.  ut  M.  *€X€UCivioc  poeta  yetustior)  tOjv  elc  touc  TTcpTajLiiivouc 
kukXouc;  8.  TTeicavbpoc  N^CTopoc  toö  ttohitoO  u\öc  . .  ^ttottoiöc 
xai  auTÖc,  85-  ut  N^CTuip  Aapavbeuc  . .  diTOTroiöc  (cf.  Suid.  s.h.y.), 
s.  NiKÖXaoc  .  .  äb€Xq)öc  Aiocxopibou  TpotMM^^'^^KoO  .  .  coq)iCT€Ücac 


*)  In  quibuB  non  desunt  quae  ipse  mihi  comiter  rappeditayit  Wachs- 
Tnntbius. 


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De  Snidae  biographiconun  origine  et  fide.  407 

Kai  aÖTÖc  iv  KujvcTavTivouTTÖXei  (ceterum  glossam  quae  prae- 
cedit,  8.  NiKÖXaoc  ^rj'^ujp,  cum  hac  ipsa  conectendam  esse  vidit 
Boissonadas  [in  Marin.  Vit  Procl.  p.  87j),  sc.  ut  frater  qui  antea  apud 
Snidam  nominatnr  AiocKÖpioc,  Mupaioc,  . .  6  öibdgac  rdc  GuTar^pac 
A^ovToc.dv  BuCavTiijj  (cf.  Bemh.  ad  b.  gl.);  s.  'Opq)€uc  KiKOvaToc. 
T^TOve  bk  Kai  outoc  npö  'O^ripou,  öuo  x^veaTc  npecßuTepoc  tujv 
TpuiiKUJV,  sc.  ut  *Opq)€uc  Thrax,  quem  T^TOvevai  irpö  la'  T€V€UJV 
TÜJV  TpiuiKUJV  Suidas  s.  b.  y.  ait  (cf.  Lobeck.  Aglaopb.  356),  quocum 
conparare  licet  quod  dicitur  €ö^oXnoc  . .  dTTOTTOiöc  tOüv  irpö  'O^f^pou 
(cf.  etiam  gl.  Köpiwoc).  Porro  glossa  s.  *€|üi7r€boKXf|c,  OuTaTpiöoOc 
ToO  rrpoT^pou  (sc.  Empedoclis  pbilosopbi),  TpaxiKÖc  .  .  nunc  ap. 
Snidam  ante  y.  '€)üiiT€boKXfic  . .  <piXöcoq)oc  conlocata  in  Onomatologo 
banun  glossamm  inyersum  olim  ordinem  regnasse  luculenter  evincit, 
quem  quidem  cbronologicum  'epitomator'  eumque  secutus  Suidas  ita 
inmutayerint,  ut  primo  loco  Empedoclis  (tanquam  poetae),  secundo 
E.  pbilosopbi  (tanquam  pedestris  scriptoris)  notationem  po- 
nerent.^ 

Itemque  totius  sententiae  yeritatem  firmius  conroborare  yidentur 
yerba  quae  leguntur  ingl.  Eucdßioc  'Apdßioc,  propterea  satis  nota- 
büia  quod  Eusebii  istius  aetas  ad  Hesjchianam  propius  quam  ceterorum 
quos  adbuc  enumerayimus  scriptorum  accedit:  coq)iCTrjc,  dvTicoq)i- 
cT€Ucac  KaiauTÖc  DöXmavif»,  nullius  Eusebii  yel  alius  cuiusdam  qui 
fuerit  ülpiani  aemnlus  mentione  antea  facta,  unde  suspicari  licet  apud 
Hesycbinm  praecessisse  memoriam  nesdo  cuius  sopbistae,  qui  con- 
parem  in  modum  atque  Eusebius  illius  aemulus  extiterit:  quäl  es 
quidem  cogitari  possunt  Constantini  aequales  bice:  fu^vacioc,  6^ujv 
Ciöiüvioc,  'IdjüißXixoc  q)iX6coq)oc,  'OvdciMOC,  TTaXXdbioc,  TTaOXoc 
AItuittioc. 

Denique  unum  suppetit  exemplum,  quo  nescio  an  idem  ordo 
stabillatur,  s.  TTpÖKXoc  ö  AuKioc,  )üia9iiTf)C  Cupiavoö,  dK0ucTf|c  bk 
TTXourdpxou  toO  Nccxopiou,  Kai  auTÖc  q)iX6coq)oc  TIXariüviKÖc, 
pariter  ac  Cupiavöc  .  .  q)iX6coq)oc,  f^Tncd/üievoc  Tf|c  iv  *A9rivaic 
cxoXfjc  T€  Kai  biarpißf^c  (i.  e.  scholae  quae  nuncupatur  neoplatonicae), 

')  Nam  in  Soidae  lezico  (nee  aliter  fmt  in  Hesycbii  epitoma)  sin- 
gulos  öfiuuvii^ouc  Bcriptores  in  nniyersum  ita  yidemus  dispositos,  ut 
prima m  poetae,  dein  prosae  orationis  aactores  recenseantur,  id  quod 
cadit  in  gl.  s.  'AiroXX6bu)poc,  'AiroXXiiivioc,  *ApiCToq>dvr)c,  *Appiav6c,  Aio- 
T^viic,  *'€pmTnToc,  0€o6diCTTjc,  9€Ötro)Liiroc,  *'linropxoc,  M^vavbpoc,  MevcKpdnic, 
Mupuü,  "O^iipoc,  TToXaCqpOTOC,  TTroXciLicrtoc,  CTpdmc,  CxpcÄTiüv,  CcüTdbtic, 
Tinö6€0C,  0!XkKOc,  0iX6S€voc,  0pOvixoc.  At  pauca  ezempla  quae  huic 
legi  repugnant  plerumque  sie  possunt  ezpediri,  ut  Suidas  ipse  ex  aliis 
fontibuB  gloBsam  ö^divu^ov  ceteria  inseruerit  siye  adposuent,  cf.  gU  s- 
'Apicropxoc,  Aiöbuupoc,  NiKÖcxpOTOC,  CidiraTpoc,  0(Xnnroc,  quarum  omnes 
prima  excepta  Suidas  ex  Atbenaeo  conpilavit.  —  Ceterum  parum  iuvat 
quod  Bernbardyus  lectorem  ad  Laertii  1.  VIII,  68  relegavit,  ubi  boc  unum 
legimus:  'HpaKX€t6r)c  bk  .  .  ^T^pou  <pT)clv  cTvai  rdc  TpaT(})6(ac  (sc.  quae 
Empedocli  philosopho  yolgo  adscribebantur)  nuUa  altenus  Empedoclis 
mentione  antea  iniecta. 


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408  A.  Dftnb: 

bibdcKaXoc  T€VÖM€VOC  TTpöicXou,  6c  Kai  buiboxoc  auroG  It^vcto  . . 
lam  yero  eidem  fere  libri,  qui  snb  Syriani  nomine  hio  recenseatoii 
illic  Proclo  tribnimtar,  qna^qtudem  in  caass  a  Syriani  discipiilo 
„eosdem  titnlos  retentos  et  in  paribas  argomentis  esse  oonsun^W^ 
Bernhardjns  reete  negayit,  eidemqne  plane  adstipolor,  qnod  omnia 
scripta  inde  a  yerbis,  ^£tP<xU'€V  cic  ''OMiipov  6Xov  ur^ö^v^|yia'  nsqae 
ad  ^ßißXia  b^xa'  a  Sjriano  abindicavit  (cfL  etiam  Lobeck.  Aglaoph. 
p.  344).  Qni  tarnen  noUem  addidisset  per  „fraudem^  opers  lila 
Syriano  snpposita  indeqne,  qnod  bomo  male  sedulus  similitndine  tam  ' 
studiorom  quam  libromm  ntrinsqne  pbilosopbi  comnotns  ante  libnun  ! 
Vepi  Twv  irap'  *0\if\pvj  Oeuiv'  yerba  ek  tq  TTpöicXou  adpikudsset,  | 
factum  esse,  nt  e  gL  TTpöxXoc  traducerentur  verba  ncpi  tüjv  icop*  { 
'Ojüit^pip  —  ßtßXia  iiKa  (cetenim  idem  censet  Flachias,  L  L  p.  42  sq.)*  j 
Nam  si  quid  video  res  ita  se  babet,  nt  ^epitomator',  qni  in  *Ono- 
matologo'  Syriani  et  Procli  glossas  inxta  conlocatas  reppererit,  ea- 
dem  fere  opera  utriqne  temere  adscripserit  ' 

Cum  plennm  opus  Hesychiannm  ex  temporis  ratione  ad-        I 
omatom  füisse  nunc  pro  oerto  adfirmari  possit,  ^epitomatorem'        | 
qui  in  breviorem  formam  illnd  red^t  singnlos  articalos  rorsus  ad        ^ 
litteranim  ordinem  in  Soidae  lexico  qoalem  nunc  animadvertimus 
digessisse  ex  duabus  potissimum  rebus  licet  conligere.    Ac  primum        ' 
quidem  me  docoit  Wacbsmutbius  verba  Kai  adröc  aliquotiens  ita        I 
esse  adhibita,  ut  non  solnm  ad  ö)yiuJVU)yiouc  auctores  qui  antecedont        | 
relegent  {cL  Volkm.  HI,  p.  YI  sq.),  sed  etiam  ad  tales  qualinm  no- 
mina  ex  ordine  alphabetico  proxima  sint.     Yelat  legitar  s.  CuKi- 
qxiviic  .  .  TpatiKÖc  .  .  Ion  bi  xai  auTÖc  ^k  twv  V  TpatiKuiv . ., 
pariter  atque  Cu)ciO€oc,  cuins  nomen  in  ^epitoma'  praeiit;   item  s. 
Tt^OKp^wv  .  .  KUJ^iKOC  Kai  auTÖc  rfic  dpxaiac  KU)^(pbiac,  sc.  ut 
Ti^okXtic;  s.  OiXhmujv  CupaKÖcioc,  xal  auTÖc  kui^ik6c  t{)c  veac 
KUi^qibiac,  sc.  ut  <t>iX^Taipoc;  s.  OiXimribnc  'AOnvaioc,  kuimiköc 
Kai  auTÖc  Tflc  viac  Kuijüiqibiac  (et  Volkm.  III,  p.  Vn,^),   sc  ut 
0iXT)MOVec  dno.^)   Dein  ad  eundem  ordinem  rettiüerim  qnod  legitar 
s.  'EmviKOC,  Kai  auTÖc  kuijliiköc,  ubi  yerba  Kai  auröc  ad  glossam 
s.  '€tt(Xukoc,  ku)^iköc  itoitittjc,  paulo  ante  positam,  quanqoam  vita 
Epimenidis  interiaoet,  respicere  videntur.    Porro  ni  fidlit  opinio  verba 
in  calce  glossae  s.  C^XeuKOC  '€)üiictivöc  exbibita  ^xai  äXXov  bi.  Ttva 

Ot  6 

C^XcuKOV  €\jpov  dMirapd8€Tov  (dv  Trapa     A,  ^jüinapa  *V)*,  quae 

mirum  quantas  difQcultates  bominibus  dootis  praebuerint,  buc  item 
possunt  adsdrL  Neque  enim  probabiliter  Bemhardyns  vocis  djUTropd- 
8€T0C  interpretationem  ex  verbis  gl.  NiKÖcrparoc . .  raOra  iy  irapa6i)Kr) 
eöpov  K€i)i€va  nondum  satis  explicatis  petiit  traditamqne  seripturam 
€i)pov  tv  napaOi^Kg  conrexit,  i.  e.  ^va  alio  scrinio  quam  qno  litterae 
grammaticorum  continebantur,  sive  in  coroUario  quodam  vel  anctario 

*)  Dubitanter  addo  gl.  Aiöbuipoc,  Kai  ainöc  kui^ucöc,  pariter  atqne 
cuins  nomen  Bubsequitur  AtoicXf^c  kui^iköc. 


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De  Snidae  biographieorntn  origiiie.  et  fide.  409 

narrationis  de  yariis  Selencis' . .,  nisi  forte  MfüinapäGeTOv'  ^inter  alios 
citatum'  quispiam  explicayerit.^)  Sed  vox  illa  i^napdOeTOV  tolerari 
sane  potest:  quam  usitatam  fuisse  Suidae  ipsius  glossa  d^7TapdOeTOC 
doeei  Ergo  Suidas  ait  se  alinin  quendam  Seleucum  in  Seleucorum 
namero  proxime  ceteros  conlocatum  repp^sse.  Noli  tarnen  com 
Volkmanno  (lY,  p.  XI,  n.  19)  de  Demetrii  Magnetis  indioe  scriptoram 
cogitare,  sed  unke  de  Hesychii  epitoma,  in  qua  Seleuci  litteris  in- 
signes  una  serie  conprehensi  erant 

Aliis  deinde  argumentis  alphabeticus  ordo  ^epitomae'  probatur. 
Enimvero  glossa  s.  KdcTUJp  'Pöbioc  ^rJTUjp  apud  Suidam  duobus  locis 
invenitur,  primum  post  v.  Kapvedbr^c  .  .  q>iXöcoq)OC  et  ante  v.  Kap- 
vciuivoc,  dein  post  y.  KacTUüXöc  et  ante  v.  KacTpeucavrec.   lam  yero 
cum  inter  glossam  Kapvedbric  ?T€poc  et  v.  KacTOjXöc  nulla  alia  inter- 
cedat,  bac  ipsa  causa  me  quidem  iudice  luculenter  eyincitur  Suidam 
in  fönte  quo  utebatur  articulum  illum  post  gl.  Kapvedbric  q)i\öcoq)OC 
repperisse  litterarumque  ordine  neglecto  huic  ipsi  adnexuisse,  infra 
tarnen  yolgaris  ordinis  habita  ratione  suo  loco  iter^se.    Hinc  duae 
res  necessaho  consectariae  sunt,  et  Epitomen  xard  CTOiX€Tov  ad- 
omatam  (cf.  etiam  Nietzschium  Mus.  Bh.  n.  XXII,  196,  et  Bergkium, 
1. 1.  p.  292,  n.  47,  qui  tamen  Epitomen  a  pleniore  Qnomatologo  non 
distinxerunt),  nee  secundum  litterar  um  genera  dispositam  fuisse,  cum 
phijosopbum  rhetor  subsequatur.    Idem  abunde  docent  testimonia 
qualia  leguntur  s.  M^Xtitoc  .  .  i>r\TiX)p,  ubi  verba  Kai  f\v  im  täv 
Zrjvuivoc  K.  T.  X.  ad  nomen  M^Xiccoc  haud  dubie  referenda  apud 
Suidam  Eudociamque  (p.  301)  cum  bac  glossa  male  coaluerunt  (cf. 
Laert  IX,  24,  vid.  Menag.  ad  h.  L,  et  Clint  F.  H.  II,  p.  69,  L); 
s.  ''Ittuc  yerba  extrema  ouTOC  nparroc  ifpa\\^e  .  .  Kai  äXXa  ad  gL 
'lTnrü&va£  pertinent  (vid.  Bemh.  ad  v.  "Ittuc);  s.  Ciju^iac  quae  verba 
(fiv  bk  ^Hapxfic  Cd^ioc  —  ti&v  Caiiiujv)  alieno  loco  leguntur,  ad 
Cimjjvibriv  *AmoptTvov  referenda  sunt  (cf.  Ions,  de  Sor.  Hist.  Phil.  26, 
Clint  P.  H.  I,  179,  HI,  487,  Welcker.  Mus.  Rh.  a.  1835,  p.  364) ; 
nee  Bernhardyo  adsentior  ex  hac  quoque  glossa  intellegi  dicenti, 
quantum  dedecoris  Suidas  per  Ubrariorum  an  lectorum  neglegentiam 
iadoctamque  temeritatem  inmeritus  subierit.     Adde  quod  post  gl. 
'6q|)iTrTroc  nomen  ''€q)mTroc  turpi  errore  iteratum  est,  cuius  in  locum 
''€q)opoc  erat  substituendum  (cf.  Clint.  F.  H.  Append.  c.  21,  p.  374, 
et  Bernhard,  ad  h.  L):   unde  liquide  adparet  ambas  glossas  in  Epi- 
toma iuxta  positas  Suidae  culpa  esse  confusas.    Denique  Bergkius 


^  Aliter  sed  vix  probabiliter  bis  de  duabus  glossis  BohdiuB  (Mas. 
Rh.  n.  XXXIH  182/)  iudicavit,  qui  8.  Q\€ukoc  proposoit  scriptaram :  €Öpo- 
>i€v  irap'  'Aenvaiiy  (XV,  697,  d?)  et  b.  NiKÖCTparoc  .  .  Taöra  m^(?)  itap' 
'AOfivaiqf  eOpov  Kciimcva,  ubi  quidem  tradita  verba  nimlB  andacter  mutavit: 
ceteram  quantopere  snae  ipsius  coniecturae  diffidat  scriptura  \iitv  probat 
—  Praeterea  Bemhardyos  huc  relegare  non  debebat  verba  s.  Aa)ui6<ptXoc* 
^S  div  TaOrd  |uioi  cöpirrat  tv  Tottc  tiIiv  ßißXüuv  ^xaic  ab  Hesychio  profecta 
planeqne  diversa  significatione  adhibita. 


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410  A.  Daub: 

(1.  8.  c.)  inde  quod  verba  extrema  öi^teive  bfe  —  irdvu  iroWd  ad 
Aristopbanem  Byzantium  pertinentia  cum  gl.  *ApiCTUivu^oc  male 
conglutinata  sint  (cf.  Meinek.  F.  C.  G.  I  198),  oonligere  non  deboit 
Onomatologum  (vel  ut  nunc  rectiuß  loquamur  *Epitomen')  dispositum 
fuisse  ex  litterarum  ordine:  nee  enim  Suidas  Eudociave  priorum 
errores  secure  ropeiderunt,  neque  'Epitomator*  tali  errore  inplicatus 
est,  sed  Suidas  ipse  memoriam  'ApiCTUüVUiiOU  ex  Aihenaeo  in  mediam 
glossara  'ApiCToqwivTic  temere  inculcavit^) 

Caput  n. 

De  Dionysio  Halicarnassensi  primario  Hesychii  in  viüB 
poetarum  et  musicorum  auctore. 

Quoniam  satia  exploratum  est  Suidam  omnes  fere  notitias  ona 
cum  librorum  tabulis  ex  Onomatologi  Hesychiani  ^Epitoma'  desum- 
psisse,  grayissima  oritur  quaestio,  quos  fontes  HesycbiuB  ipse  in  vitis 
pertexendis  adhibuerii  Ac  prae  ceteris  quidem  hie  nominandi  sunt 
Dionysii  Halicarnassensis  minoris  libri  XXXYI  juiouciKfic 
IcTOpiac  (cf.  Suid.  8.  h.  V.),  quod  opus  amplissimum  in  vitis  poe- 
tarum et  musicorum  primarium  fuisse  Hesychii  fontem  post 
Meinekium  (P.  C.  G.  I,  16  sq.,  608  sq.,  V,  1)  Schneiderus  evidenter 
demonstravit*®)  (1. 1.  p.  29  sq.),  Wachsmuthius  novis  argumentis  con- 


^)  In  fine  huiue  disputationculae  conmemorare  lubet  Üsenerum 
(Mufl.  Rh.  n.  XXVIU,  404)  Theonis  et  Pappi  cutxpovic|liöv  qualem  exhibet 
Suidas  reiecisse  (cl.  Leid.  Mscr.  n.  78.  Fast  Theon.)  Pappumque  tertio 
Baeculo  exennti  adsignasse.  Opinatur  nimirum  Hesychii  ^epitomatorem' 
ea  ratione  qua  Pappum  et  Theonem  apud  Hesychium  consociatos  in- 
venerit  inductum  ease,  ut  aequalem  utrumque  foisse  diceret  Theonisque 
aetatem  ad  Pappum  revocaret.  Sed  talis  Hesychii  erroris  explicatio 
parum  adridet.  Theonis  utique  aetatem  sub  Theodosio  M.  certo  constitiBse 
tenendnm  est.  lam  vero  non  solum  iancti  hie  illic  conmemorantnr 
Pappus  et  Theon  interpretes  Ptolomaei  syntaxcos,  sed  in  codicibus  etiam- 
num  operam  ita  videmus  conciliatam,  ut  rä  O^wvoc  €lc  t6  Xctirov  toO 
TTdinrou  exhibeantnr  (cf,  Fabric.  bibl.  VIII,  p.  208);  Pappi  autem  aetas  in- 
certa  fuit:  ergo  hunc  ipsum  cum  Theone  ab  Hesychio  ad  idem  tempus  relatam 
fidsse  credo.  —  ^^)  Qui  tarnen  in  dispntatione  de  memorabili  testimonio  s. 
'Hpwöiavöc  (p.  31  sq.)  id  mihi  non  persuasit,  Dionysium  in  opere  suo 
addidisse  memoriam  eorum  grammaticorum  qui  poetarum  scripta  con- 
mentarÜH  inlastraverint  Nempe  laudat  Sehn,  glossas  s.  TfaiLupUii  et  s. 
CujTTipiöac,  ubi  Dionysii  musica  historia  in  testimonium  vocetur:  nam 
cum  neque  Pamphilam  nee  Soteridam  carmina  panxisse  constet,  permirum 
esse  quod  libros  Pamphilae  volgo  adscriptos  Soteridae  patris  esse  Dio- 
nysius  in  musica  historia  narrasse  dicatur;  unde  facile  posse  conici, 
praesertim  cum  Soteridas  (cf.  Suid.  s.  h.  v.)  de  Homero  Euripide  Menandro 
disseruerit^  Dionysium  eorum  quoque  grammaticorum  qm  in  poetarum 
opera  conmentarios  conscripsennt  vitam  pertractasse.  Qua  in  re  vir 
sagacissimus  falsa  opinatione  deceptus  est;  nam  inde  quod  D.  in  vita 
Pamphilae  testis  excitatnr  minime  sequitur,  ut  idem  Soteridae  vitam 
peculiari  notatione  descripserit.    Deinde  vero  quod  Sehn.  s.  v.  CuiTnp(6ac 


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De  Soidae  biogpraphicorum  origine  et  fide.  411 

firmaYÜ  (1.  L  p.  146  sq.).  Idem  musicae  historiae  indolem  atque 
argumentum  egregie  adnmbravit,  cum  Schneiderus  amplissimum  opus 
a  Rufo  quodam  in  brevem  summam  contractum  esse  acute  evicisset. 
Bufianae  autem  epitomae  imaginem  quandam  nobis  informare  possu- 
mns  opera  Sopatri,  cuius  magnam  eclogarum  partem  ex  Bufiano 
libro  excerptam  esse  docet  Fhotius  (Bibl.  Cod.  161,  16  sq.).  Cuius 
ex  verbis  simul  intellegitur  in  opere  suo  Dionjsium  de  poetis  1  jricis 
tragicis  comicis disputasse  nee  non  epicos^^)  tractasse  (cf.  Schnei- 
der. 1.  L  et  Wachsmuth.  p.  146,  n.  26).  Praeterea  luculenter  exposuit 
Wachsmuthius  in  poetarum  musicorumque  notationibus  Suidianis  ratio- 
nem  plane  earundem  rerum  babitam  esse  quas  praecipue  respexisse 
in  pertexenda  musica  histoiia  Dionysium  ex  Photii  testimonio  ad- 
pareat  (cetei-um  cf.  quae  de  Dionjsii  in  harum  rerum  enarratione 
fontibns  speciosa  coniectura  iudicavit  E.  Bohdius,  in  commentat.  de 
lul.  PoUuc.  in  appar.  scaen.  enarrand.  fontt.  Lips.  1870,  p.  79  sq., 
praeterea  inspicias  Fr.  Scboellium,  de  loc.  nonn.  ad  AeschjL  vit.  etc. 
pertinent.,  len.  1876,  p.  48). 

Ad  banc  igitur  Dionjsii  scriptionem  optima  quaeque  notationum 
Hesychianarum,  prae  ceteris  librorum  tabulas,  recedere  sine 
scrupulo  contendere  possumus:  cui  quidem  opinioni  inde  potissimum 
adfertnr  auxilium,  quod  operum  indices  ex  litterarum  ordine  digesti, 
quem  in  poetarum  maxime  scriptis  recensendis  animadvertimus,  *pe- 
culiarem  sibi  et  proprium'  auctorem  vindicant,  in  poetarum  autem 
yitis  permulta  Dionysii  copiarum  vestigia  inesse  perspectum  est. 

Dehinc  grarior  oritur  quaestio,  quis  tandem  poetarum  libro- 
rum tabulas  Dionysio  suppeditaverit.  Atque  indices  quidem  Kard 
CTOixCiov  dispositos  ex  bibliotbecarum  catalogis  esse  petitos 
optimämque  habere  auctoritatem  dudum  intellectum  est  (cf.  Yolk- 


in  testimoniom  vocari  illnm  contendit  a  vero  maltum  recedit.  Neqne 
enim  dnbium  est  quin  glossa  II  s.  Curnip(&ac  (*€in&aupioc^  iraxfip  Tfa^- 

lcTop(ac,  ßißXia  y  (?)  pretii  nullius  sit  utpote  ex  verbie  s.  UaiKpiKr]  misere 
confonnata  (cf.  qaae  dixi  Mus.  Rh.  n.  XXXY,  58  sq.).  Denique  Schneiderus 
non  amplins  mirabitur  qaod  anetor  musicae  historiae  de  Pamphilae 
librorum  anctoritate  disseruisse  dicitnr,  si  Photii  (Bibl.  Cod.  175,  33  sq.) 
de  hnius  studiis  testimonium  adtente  considerayerit.  Ibi  legitar:  XP^' 
ci^ov  hl  iö  ßtßXiov  (sc.  icTopiKCjv  (nrofjivii|uuiTU)v)  clc  iroXu|ia6iav  •  eifpoi 
ToOv  dv  TIC  Kai  tCöv  IcTopiÄv  oÖK  öXifa  dvaipcalo  xal  bi\  Kai  diro96€TMdTUJV 
Kai  ^T]ToptKf)c  biarpißf^c  €via  Kai  91X0C690U  6€ujp(ac  Kai  iToiriTiKf\c  Ib^ac 
Kai  €tTt  toioOtov  iiinicou  Qaibns  ex  yerbis  elncet  Dionysium  satis 
haboisse  causae  quod  in  opere  suo  mentionem  Pamphilae  faceret  Ergo 
conroit  Schneideri  suspicio  Dionysium  eorum  grammaticoram  vitas  tractasse 
qoi  illorum  carmina  conmentati  essent  opinantis.  —  ")  Dubito  huiusne 
Dionysii  opus  a  Suida  laudetur  s.  'OpcpcOc  'ObpOcnc  .  .  AiovOctoc  bi  toü- 
Tov  oijhi  yerov^vai  X^€i  (cf.  etiam  Lobeck.  Aglaoph.  I,  352,  et  E.  Maass. 
de  Sibyll.  indic.  (1879),  p.  54,  n.  173),  immo  Dionysium  Phaseliten  quem 
ircpl  irourrdw  (cf.  Vit.  Nicandr.  in  Westerm.  Biogr.  p.  61,  20)  scripsisse 
constat  hio  sigoificari  credo.  Contra  s.  *AvTi(pdvT]C  quin  D.  Halicamas- 
sensii  teftimonium  proferatnr  nullus  dubito. 


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412  A.  Daab: 

mann.  I,  28  sq.,  11,  724,  Waohsmuth.  PhiloL  XVI,  662  sq.,  Symb. 
p.  148,  U.  de  Wilamowitzium,  Anal.  Eurip,  131  sq.).  In  Soidae 
tarnen  tabulis  id  praecipue  nobis  agendum  est,  ut  ordinem  pertar- 
batum  qnoad  eins  fied  possit  restituamns  et  recentiora  additamenta 
reseoemus.  Qua  via  procedendo  genuinas  Trivoucuiv  tabnlas  ipaas 
redintegrabimns ,  quanun  haeo  singularis  yirtns  est,  qnod  ea  dum- 
tazat  quae  in  certis  bibliotbecis  sive  Alexandrina  sive  Pergameiia 
sive  aliis  conlecta  erant  volumina  respici  solent  (cf.  üsener.  Anal 
Theophr.  24). 

Ac  tragoediarum  quidem  tabulas  si  perlustramus,  ordinem  alpha- 
beticum  integrum  seryatum  habemus,  id  quod  iam  Volkmaonns  per- 
spexit  (ly  29  sq.),  s.  v.  Aioy^viic  f\  Oivöjüiaoc  (cuiua  de  fabnlis  nuBc 
vide  disputantem  Bohdium  Mus.  Bh.  n.  XXXIV,  620),  KXcoqmiv, 
AuKÖq)piUV,  4>iXoKXfic,  quibus  Waohsmatbios  (1.  L  p.  150)  yerisaime 
addidit  indicem  qui  extat  s.  CnivGopoc  a  Volkmanno  (I^  34)  per- 
peram  explicatnm.  In  Ljcopbronis  vero  tabula  id  velim  adtendas 
tragoedias  tantum  litterarum  ordinem  teuere  (cf.  Welcker.  Trag. 
Or.  ni,  12  sq.),  cum  Carmen  quod  Alexandra  inscribitor  seorsum 
exhibitum  sit.  Que  re  optimae  notae  esse  tragoediarum  indicem 
probatur.  Dein  Philoelis  fabularom  plenum  catalogum  exoerpsisse 
tantum  Suidam  docemur  verbis  ^(I)v  icii  xa  i  rauTa'  (qua de  loquendi 
ratione  infra  agetur),  cum  ab  H  demum  littera  iniüum  faoeret,  in 
calce  titulos  manifeste  omitteret,  velut  Pandionidem  (cf.  Eajser, 
Hisi  er.  trag.  Gr.  54  =  SchoL  Ar.  Av.  282). 

Porro  tragoediarnm  ordinem  alpbabeticum  obscuratum  Volk- 
mannus  (I,  30  sq.)  in  integrom  restituit  s.  v.  'AiToX.Xöbuipoc,  Niko- 
jüiaxoc,  TifüiiiciOeoc,  etiamsi  de  multis  rebus  ambigi  potest;  tabnlam 
denique  s.  4>püvixoc  eandem  prae  se  ferre  indolem  Wachsmuthios 
(L  1.  150,  151)  sagaciter  perspexit. 

Quae  tabulae  cum  fide  dignissimae  sint,  Thespidis  tragoediarum 
indicem  ne  flocci  quidem  fadendum  esse  ^^)  iam  Bentlei  (Phaland.  271, 
interpr.  Bibb.)  acumen  intellexit  (cf.  Volkmann.  I,  34).  Hoc  tamen 
diiudicari  nequit,  utrum  Dionysius  Hesycbio  tabulam  suppeditarit  an 
hie  vel  Suidas  aliunde  delibaverint.  ünum  certissimum  est  fabulas 
a  Suida  enumeratas  ()iVimov€U€Tai  bk  tOjv  ^po^jlaTUlV  . .)  in  iri- 
vaKac  nunquam  fuisse  relatas,  quod  quidem  Tel  usus  verbi  |livt]^o- 
veu€iv  a  catalogorum  sermone  remotissimi  liquide  indicat. 

Dein  oamoediartMn  tabulae  quales  nunc  reperiuntur  apud  Suidam 
partim  ex  priscis  ac  limpidis  fontibus  fluxerunt  partim  ex  Athemiei 
libris  conlectae  sant.  Quo  de  altero  indicum  genere  haud  dubio 
Suidae   ipsius   manu    confectorum   peculiariter   infra  disputabitnr; 


"*)  Goiua  tragoediarum  et  titulos  et  fragmenta  Heraclidis  Pontici 
(cf.  Laert.  Y,  92)  fraodi  deberi  idem  BentleinB  subtiliter  oetendit  De 
hnius  vero  opere  quod  cuvaturrt  xCöv  ^v  t^  jliovcikQ  (6iaXa|LU|»dvtviv)  ia- 
scrifoitur  docte  nuper  diaserait  Bergkius  (Bist,  litt  Gr.  I,  404  sq.),  cf. 
Plut.  de  mas.  III,  p.  1182  d,  et  Ric.  Volkmanni  adnoi  p.  59. 


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De  Suidae  biograpliieonim  origine  et  fide.  413 

priores  yero  Heeychio  Dtonysium  ex  bibliothecarum  oatalogis  haustos 
praebnisee  idem  probat  ordo  alphabetions^^^)  seu  integer  servatus 
Ben  redintegrandas.  Ac  prinram  quidem  fabtdae  s.  v.  Xitüvibric, 
Kp&nic  *A6itvcÄoc,  6öitoXic,  TTXörrwv,  AcOkujv,  Kiicpictoujpoc,  0öp)ioc 
ennmeratae  litterarnm  seriem  etiamnum  stricte  tenent,  qnod  iam  per- 
spexere  cum  Volkmannus  (I^  34  sq.)  tom  maxime  Wachsmuthius 
(L  L  151  sq.).  Praeterea  iidem  orduiem  obscnratum  iUum  sed  in 
integram  sna  enra  resütatum  detexemnt  in  tabnlis  s.  v.  0puvixoc, 
KaXXiac,  CTpdrTic,  NtKOX&pYlc,  NiKoqxtiv,  (tnXiüvi&iic,  4>tXuXXioc, 
Cawup{u)V  (crnns  de  fabulis  vide  quae  dixi  Mas.  Bh.  n.  XXXV, 
64  sq.),  4>iXicK0C.  Quamm  in  ntunero  titiQos  s;  v.  KaXXiac  (. .  oO 
bpd^aTa  Aipjimoc  —  oeterum  nescio  an  buins  inscriptio  faerit 
potina  AiTvnnot  eisd^ai  Antipbanis  et  Timoclis  conlatis  — ,  !^Ta- 
Xdvn],  JTvKXuJTrec,  i7€bf)Tat,  Bdrpaxot,  2^oX(i2;ovr6c)  praeter  untun 
Bdrpaxoi  Karä  CTOixeTov  procedere  omnes  Volkmannus  (I,  36)  vidit 
Iam  si  argumentum  perpenderis  fabulae  TTcbfiTai  —  quae  Calliae 
sine  dul»o  Tindicanda  est,  cf«  Meinek.  F.  0.  Gr.  I,  214  —  TTcbf^rat 
fj  Bdrpoxot  germanam  fuisse  inscriptionem  &eile  mihi  concedes. 

Qaibus  tabulis  dubitanter  addo  eüam  catalogos  s.  M€TaT^VT]C, 
ÄfOKX^c,  *AiroXXo<pdviic,  'Apapdic,  ^tX^raipoc,  'Qq)€Xiu)v,  'Hvioxoc, 
CuKpiXoc,  Tt)tiö0€oc,  'ATCoXXöbtJjpoc  feXAoc,  tarnen  hi  omnes  uberio- 
rem  atque  explicatiorem  flagitant  enarration^n,  quam  in  aliud  tempus 
difierre  praestat. 

Caput  in. 

De  epiconun  eanninum  tabiiis  e  bibliotkeeamm  eatalegis 

petitis. 

Iam  cum  et  tragicorum  et  comioorum  indieibus  examinatis  Calli- 
machi  TrivaKac  omninoque  bibliothecarum  catalogos  tanquam  prima- 
rios  Dionysii  Halicamassensis  fontes  inyeetigaverimus,  ad  epicorum 
poetamm  tabulas  recte  aestimandas  ac  pemoscendas  via  planier  facta 
est  et  expeditior. 

13 1»)  NoH  tarnen  huc  refeire  indicem  s.  *ApicT09dvnc  exhibitum. 
Sabstitoit  nimirom  Saidas  ex  eodem  Amtophanis  comoediarum  exemplo 
ex  quo  Bcbolia  excerpsit  nomina  XI  fabularum  a  plerisqne  tum  lectitatarum 
—  et,  dir€p  Wir€irpdxo|üi€v  'A.  Öpdinara  .  .,  et  de  usu  vocis  irpdTTCiv  etc. 
Tid.  G.  fiuenger.  de  Arist.  Equ.  Lys.  etc.  ap.  Suid.  reliqu.  Dies.  Argent. 
1878,  p.  9,  10  —  in  locom  pleni  indicis  quem  Hesychii  epitome  ei 
praebebat  (cf.  Wilamowitz.  Herrn,  y.  XIV,  464  sq.^  et  iam  Anal.  Eurip.  135, 
not.  3).  Verum  hanc  plenam  tabulam  aliimde  nuper  recaperayimas:  nam 
Fr.  Noyati  ex  cod.  Ambros.  L.  39  Bup.  edidit  (Herrn.  1.  1.  461  sq.)  xaTd- 
XoTov  Tüthr  'Aptcrocpdvovc  iroir^fidTWv,  Quorum  numeras  {\ib')  cum  Snidiano 
{bpdpLora  b*  ai)roü  \xh')  mire  concinit.  Bectissime  igitur  —  convenit 
enim  etiam  'Aptcr.  t^voc  in  Ambros.  enarratum  cum  breyi  yita  Suidae  — 
Hoyati  coniecit  et  Suidae  testimonium  et  indicem  Ambrosiantim  ex  eodem 
iimpido  fönte,  i.  e.  irivaii,  promanasse. 


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414  A.  Daub: 

Enimvero  in  bis  item  ad  litterarum  ordinem  dispositae 
reperiuntur  tabulae,  quarom  luculenta  ezempla  8.  NiKavbpoc 
et  8.  Cuqpopiuiv  extore  iam  Scbneideras  (CalL  11 ,  32)  perspexit. 
quibus  V.  'Hcioboc  nee  non  y.  TTavOacic  et  Gö^oXiroc  Wachst 
mathiii8  (1. 1.  p.  149,  et  not.  38)  addidit.  Qua  in  re  nnum  gravissi- 
mum  e8t.  Nam,  quod  nemodmn  diserti8  verbi8  monuit,  ordinem 
alpbabeticum  non  8ervatam  eernimne  nisi  in  libris  eins- 
dem  generie  indolisye  recensendi8,  i.  e.  plerumqne  poeticis, 
nusquam  tarnen  in  scriptis  generis  diyersi,  ita  ut  Troiifj- 
^ara  et  pedestris  8ernioni8  8criptione8  comunäim  Karä 
CTOiX€iov  non  procedant.  Idqne  yel  mazime  eadit  in  Alezan- 
drinomm  poetarum  indices  ex  litterarum  ordine  dige8to8,  quos  prosa 
quoqne  oratione  libros  conpo8ui8se  nemo  ignorat.  Velut  s.  £uq>o- 
piiüv  epica  tantum  carmina  enumerantnr,  id  quod  ipsa  Suidae  yerba 
liquide  conmonstrant  (ßißXia  b*  auroO  ^ttikoi  raOra*  'Hcloboc^  Mo- 
i|ioiTia  f\  ''AraKTtt . .  XiXtdbcc  . .),  neque  in  tabula  ulla  fit  mentio 
Ubrorum  pede8tri  sermone  per8criptorum ,  yelut  eiusdem  IcTOpiKorv 
uiTO|LiVTi)LidTU)V,  7T€pi  ^cXoTTOiuiv,  Tiepi  'lc6|iiu)V  K.  T.  X.  SocuntuT  vero 
ex  litterarum  ordine  (cf.  Wacbsmutb.  1.  1.  150  et  inprimis  not  39) 
Euphorionis  opera  a  Suida  conmemorata,  de  quibus  optime  disseroit 
Meinekius  (AnaL  Alex.  p.  12 — 15),  eiusque  iudicium  fere  oonprobo, 
cum  mira  narrayerit  Bembardyus  (ad  Suid.  8.  b.  y.).  Ferro  opinari 
licebit  banc  tabulam  in  fronte  (Hcloboc),  in  medio,  in  calce  (^iXiäbec 
qui  quidem  titulus  eorum  qui  innotuere  seeundum  litterarum  ordinem 
est  noyissimus,  cf.  Meinek.  1.  1.  p.  75)  a  Suida  delibatam  esse.^') 

Dein  de  indice  s.  'Hcioboc  seryato  iam  nil  fere  babeo  quod 
addam;  yidemus  autem  tribus  titulis  xard  CTOiX€tov  ordinatis  ea 
He8iodi  carmina  quae  aetatem  tulere  praemissa,  cuiu8  rei  qualis  ratio 
sit  Volkmannus  (II,  728)  exposuit.    Atque  eandem  normam  in  indice 

s.  NiKavbpoc  exbibito  regnasse  in  propatulo   est:   N ^Tpc^VC 

OripiaKd,  'AX€£iq)dp^aKa,  r€UipTiKd,'£h'epoiou|i^vuiv  ßißXiae',  'Jdceujv 
cuvaTUiT/jv,  /ZpOTVujCTiKd  bi  inCjv  (|i€Ta7T^(ppacTai  b*  Ik  toiv  'Imro- 
Kpdrouc  npoTVUiCTiKUJv),  Tiepl  ÄjpncTripiuiv  Trdvrujv  (iTavTOiuiv  con- 
iecit  Volkmannus,  nescio  an  recte,  cf.  simillimam  Pbilemonis  libri 
Trepi  iravTobaTTÜJV  xP^lCTTipiuiV  inscriptionem,  quacum  E.  Bobdius  [de 
Jul.  Foll.  fontt.  p.  12,  n.  3]  apte  conposuit  Nicandreum  libellum,  de 
quo  prorsus  aliter  sensit  0.  Scbneider.  Nicandr.  p.  27)  ßißXfa  t  kqI 
dXXa  TrXcTcTa  ^itikujc.  Sed  de  bac  tabula  paulo  explicatius  dicendum 
est.  Nam  contra  0.  Scbneiderum,  qui  (Nicandr.  edit.  praef.  p.  19  sq.) 
peculiarem  de  Nicandri  scriptis  quaestionem  instituit,  omnia  s.  b.  y. 
recensita  scnpta  inx]  fuisse  arbitror.   Hie  tarnen  ita  ratiocinatus  est 


'")  De  titnlo  'Hdoboc  a  Bembardyo  iniuria  temptato  yide  Bergkium 
Anal.  Alex.  Marb.  1846,  p.  19,  Nietzscbium  Mus.  Bli.  XXV,  538,  et 
XXVIII,  236.  —  In  hnins  glossae  fine  cur  WeBtermannus  cum  Bembardyo 
verba  imypdtpexai  —  dirorcXoCvrai  deleyerit  non  adsequor:  sunt  enim 
yerba  dumtaxat  'ü)c  bm  xiXiwy  ^iruiv  diroTeXoOvT<xi'  remoyenda. 


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De  Soidae  biographicomm  origine  et  fide.  415 

(p.  26,  27):  in  titalo  7Tpotvu)CTtKd  bi*  inwv  verba  eztrema  aut 
solum  ad  TrpoTViucTiKd  aut  —  quod  veri  ducit  similius  —  ad  omnes 
qni  antecedunt  titulos  posse  referri:  iam  si  hoc  stataeremas,  librum 
nepi  xpn^^'nipiujv  pedestri  sermone  conpositum,  sin  illud,  Tf)V  Idcewv 
cuvaTuiTrjV  ^fortasse'  non  item  epos^  sed  prosa  oratione  conscriptam 
fuisse  indicare  volnisse  Soidam.  Sed  neutrom  ef&ci  potest.  Verba 
enim  bi'  iirdiv  ideo,  opinor,  adposita  sunt,  ut  Hippocratei  operis 
pedestri  sermone  perscripti  metaphrasis  Nicandrea  non  item  prosa 
sed  versibus  esse  conposita  significetur.  ünde  consequens  est  verba 
bi*  infjjy  ad  npoTVUiCTiKd  unice  pertinere;  possumus  igitur  atque 
debemus  ex  novissimis  verbis  (nai  SXXa  TrXeTcra  dTiiKUic)  concludere 
scripta  antea  enumerata  ^ttti  fuisse,  cum  AlTUiXiKd  (cf.  Schneider. 
1. 1.  p.  19  sq.),  KoXoq)U)viaKd  (L 1.  p.  25  sq.),  irepi  tXtDCCiöv  (p.  26  sq.), 
Tr€pi  Tronyrüjv  (p.  27  sq.),  pedestria  opera  omnia,  in  Suidiana  tabula 
omissa  sint.  Quae  opinio  firmius  potest  conroborari,  modo  pinaco- 
graphorum  consuetudinis  supra  (p.  1 6)  nobis  adumbratae  reminiscamur. 
Praeter  has  tabulas  egregia  fide  praeditas  non  desunt  aliae 
notationeS;  quas  si  acrius  perpenderis  eisdem  ex  limpidis  fontibus 
promanasse  vix  diffiteberis.  Ac  litterarum  ordini  non  adversari 
titulos  s.  TTavuacic  iam  Wachsmuthius  (p.  149,  n.  38)  animad- 
yertit,  quorum  indolem  bonam  (cf.  etiam  Bemhardyum,  Gr.  Litt. 
Hisi  II,  l',  p.  341)  vel  illud  evincit,  quod  et  versuum  numerus 
sedulo  denotator  et  Iujviküjv  argumentum  paucis  deUneatur.  Nee 
non  yerba  s.  "Hpivva  (.  .  ?TPttM^€V  'HXaKdtriv  iroiriiia  b*  dctlv 
AtoXiicQ  Kat  Au)pibt  biaX^KTiiJ  dnütiv  t')  eandem  resipiunt  auctorita- 
tem,  cum  ea  quae  hisce  adnexa  sunt  (diTOiriC€  bk  Kai  £iTiTpdjLi)iaTa) 
recentiorem  prodant  originem.  Fariterque  verba  reXeuTqi . .  dvvea- 
KaibcK^Tic  —  icoi  TOic  *Ofif^pou  ex  epigrammate  in  Erinnam  oon- 
posito  (cf.  Anthol.  I,  p.  135:  ol  bfe  TpiriKÖcioi  tauTTic  CTixoi  Icoi 
'O^rjpiji  II  THC  Ka\  Trap6evi)ct]C  ^vveaKaibcKdreoc)  efficta  esse  adparet. 
Aiexandrinis  vero  grammaticis  Erinnae  epigrammata  aut  non  in- 
notuisse  aut  suspecta  fuisse  reor:  quanquam  omnino  nondum  habeo 
exploratum  poetriam  revera  conscripsisse  epigrammata,  quantumvis 
adfirmarint  Bergkius  (P.  L.  G.^  p.  926)  et  Bemhardyus  (Gr.  Litt 
Hist  n,  1^  554).  Porro  Choerili  scriptorum  notitiam  ex  prisco 
fönte  baustam  esse  suspicor,  etiamsi  Suidas  Choerilum  Samium  ab 
altero  Alexandri  aequali  non  satis  distinxit:  ?TpOM^e  hl  raöra*  Tf|V 
'AÖTivaiuJV  viKriv  xard  H^pEou,  iq>*  oö  7roiifi|LiaToc  Kard  ctixov 
CTaTflpa  XP^coOv  ^Xaße  (quod  praemium  unice  recentiori  Choerüo 
convenire  subtiliter  ostendit  Naekius,  Choeril.  [Lips.  1817],  p.  81 — 86) 
Koi  CUV  ToTc  'Ofiiipou  dvaTiTVWCKecGoi  dv|;Tiq)iceTi  (quae  verba  ad 
Choerilum  Samium  verissime  idem  rettulit  p.  89  sq.).  Aa^iaxd,  Kai 
dXXa  Tivd  iTOi/i)biaTa  auroO  q)dpeTai.  Sed  de  inscriptione  quam 
priori  carmini  celeberrimo  Choerüus  praefixerit  parum  constat  (cf. 
Naekium  Choer.  p.  79):  quippe  exhibent  nomen  TTepCTitc  Stobaeus 
(Sermon.  XXVII,  1),  TTcpciKd  Herodianus  (ircpi  jLioviip.  X.  p.  13). 


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416  A.  Danb: 

At  inscriptionem  Saidianam  ab  aliquo  Alexandrmorom  grammatieo- 
rum  profectam  esse  crediderim.  Dubitant  etiam  de  altera  scriptioiiey 
utrum  AafüiiaKd  revera  audierit  tum  ad  seqniorem  certe  Choeriltun 
referenda  an  CajiiaKd  conrigendam  sit  (cf.  Naek.  p.  lOl),  quam  qid- 
dem  sententiam  equidem  duco  probabiliorem. 

Debinc  progredimur  ad  uberrimam  tabulam  s.  'Opq)€uc  (Bpq£) 
exbibitam^  qnade  prndentissime  Lobeckius  (Aglaoph.  I,  356  sq.)  iadi- 
cavit,  cum  hac  ipsa  cum  indice  ap.  Clem.  Alex.  Strom.  I,  p.  244  — 
^quem  e  pinace  antiqui  cuiusdam  critici  excerpsisse  videtur'  (p.  353  sq.) 

—  conlata  decem  titulos  apud  dementem  omissos  ^in  grammatieorum 
Alexandrinorum  ävaTpaq)aTc  non  conprebensos  fttisse'  statuit  Ita- 
que  Saidae  catalogum  pristina  niti  auetoritate  (cf.  etiam  Bergk.  Or. 
Litt.  Hist.  I^  396  et  adn.  237),  sed  recentioribus  additamentis  de- 
formatum  esse  censeo.  Quod  ne  Bergkius  quidem  negavit,  tarnen 
ad  Callimacbum  indicem  revocare  dubitavit.  Sed  nescio  an  inmerito : 
etenim  si,  quod  ipse  fatetur,  Orpbei  opera  in  Alexandrinorum  biblio> 
tbeca  extiterunt,  baec  Callimachi  curis  in  irfvaKac  esse  relata  credere 
par  est.  Nee  Bergkio  adsentior  dicenti  Alexandrinos  in  Epigenis  — 
quem  ante  Callimacbum  trepl  rflc  elc  'Opq)^a  [<ivaq)€po^^VT]c]  rcovf\- 
C6U)C  scripsisse  ex  Clem.  AL  Strom.  I,  p.  244  conpertum  babemus 

—  de  Orpbei  scriptis  iudicio  adquievisse  (p.  395  sq.;  not.  235), 
quam  opinionem  conparatio  Epigenis  fragmenti  (1.  1.)  cum  Suidae 
1»bula  instituta  confestim  infringet: 


Epigenes. 
'CiTifdvric  bk  hf  Tolc  ircpl 
rf\c  €lc  *Op(p^a  iroi/|C€U)c 
K^pKUJiroc  (cf.  Lobeck. 
Agl.  I,  364)  €lvai  toO  TTu- 
Oaropciou  Tfjv  elc  "Aibou 
Kard  ßaavxai  t6v  'kpöv  Xö- 
Tov,  TÖv  bi  TTdirXov  xal  tA 
0uciKd  Bpovrivou  .  . 


Suidas. 
.  .  €lc  *Ai6ou  Kardßaciv.  raOra  'HpobfKou 
[TTpoWKOU  0.  Mueller.  Orcbom.  118,  et  Wel- 
cker,  Ep.  Cycl.  266]  toO  TTcpiveiou  .  . 
'kpoOc  XÖTOuc  .  .  X^TOvrai  h*  etvai  G€otv#|- 
Tou  ToO  OeccaXoO,  ol  bk  K^picumoc  toO 
TTueaTopcCou  .  .  TT^irXou  Kai  Adcruov  xal 
ToOra  Zujinipou  toO  'HpaKXet^TOu,  et 
bi  Bpovrivou  .  .  Ouaxd,  &  Bpovrivou  qKidv. 


ünde  probabili  coniectura  possumus  efi&cere  Alexandrinos  gramma- 
ticos  Epigenis  studia  aliorumque  fortasse  in  usum  suum  convertisse, 
ipsos  tamen  in  fidem  librorum  Orpbeo  adscriptorum  inquirere  minime 
supersedisse. 

lam  duae  epicorum  tabulae  reUcuae  sunt^  quas  item  ex  biblio- 
tbecae  alicuius  catalogo  fluxisse  veri  simillimum  est.  Sic  legitur  s. 
*Appiavöc  dTTonoiöc  . .  fi€Tdq)paciv  tijüv  tcuiptiküöv  toO  BepxiXXiou 
^TTiKUJC  TTOirjcac,  'A\eiavbpi&ha  (fcTi  bk  xd  kotä  täv  Maxe^öva 
^v  ^atjitjibiaic  KÖ'),  elc  ^^TxaXov  xöv  TTcprajLHivöv  Troi^^fiara: 
qua  in  tabula  yides  eundem  non  posse  dici  auctorem  et  metaphrasis 
Vergilii  georgicon  et  carminis  in  Attali  honorem  conpositi.  Quam 
temporum  dissidentiam  Meinekius  (Anal.  Alex  371)  ita  fecillime 
sustulit^  ut  duos  cognomines  Suidae  inscitia  confusos  esse  statueret. 
—  Praeterea  indiculum  s.  MoucaToc  *eq)^cioc  servatum  a  irCvoJi 
repeto:  ^TiOTroiöc  xiöv  elc  xoüc  TTepTCt^Tivouc  Kai  aöxöc  kökAouc. 


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De  Snidae  biographicorum  origine  et  fide.  417 

^TPOiH/e  TTepcTitboc  ßißXia  i^Kai  [u^vouc  intercidisse  suspicaturWachs- 
muthins]  eic  6ujli^vti  Ka\  ''ATTaXov.  Qaae  verba  dici  nequit  quant- 
opere  homines  doctos  torserint,  quorum  opiniones  congessit  Volkmannus 
(m,  p.  Vm  et  not.  8,  vid.  etiam  C.  Maellerum,  Fr.  H.  Gr.  IV,  618  cum 
adnot.);  yemin  huius  ipsius  conamen  rei  enodandae  velmaxime  displicet. 
Ac  primnm  quidem  Eustero  et  Bei*nhardjo  adstipulor  ^kukXouc'  de 
conlegio  vel  docta  hominum  Pergamenorom  societate  interpretantibns: 
qaam  rationem  si  amplectimnr  una  cum  Wachsmuthio  verbis  Kä\ 
auTÖc  post  diTOiTOiöc  transpositis  —  ita  nt  Masaeos  Epbesius  com 
Eleusinio  conferretur,  vid.  p.  406  —,  hinc  talis  fere  sententia  elicitur: 
^MusaeuB . .  et  ipse  poeta  epicus,  unns  ex  iis  qoi  in  conlegia  Perga- 
mena  adlecta  erant'.  Qua  cum  notatione  haud  scio  an  apte  queant 
conparari  quae  8.  v.  Aecxi^nc  leguntur:  8c  cuvecTpdreucev  Cufi^vei 
TU»  ßaciXei'  fjv  diTiq)av^CTaTOC  tijüv  (sc.  TTepTajunivaiv)  iroiriTUJV. 
cuvfiv  bi  TouTip  Kai  TTuO^ac  6  cuTTpaq)€Üc  Kai  M^vavbpoc  6  larpöc. 

Unum  Buperest  exemplum,  quod  unde  originem  trazerlt  pro 
certo  dici  nequit,  tabula  videlicet  ß.  'ApiCT^ac. .  xd  *Api)LidciTdia 
KoXoüiLieva  i-nx]  (fcri  b'  Icxopla  tiöv  Tirepßopdujv  'Api^acirÄv) 
ßißXia  t'  .  .  ^TPa^e  b'  ouTOC  Kai  KaraXoTdÖTiv  (nam  sie  distin- 
guendum  est;  notitiam  vero  de  opere  ^GeoTOvia'  plane  mendacem 
esse  constat,  cf.  E.  Hillerum  Mus.  Eh.  n.  XXXTTT,  522)  OeOTOVtav 
eic  lwr\  ^a,  in  qua  carminis  epici  ad  argumentum  numerumque  libro- 
nun  descripti  notitiam  non  sine  veri  specie  irivaEi  vindicare  possu- 
mus  (cf.  etiam  E.  Bohdium  ibid.  p.  181,  n.  2).  Quanquam  Dionysius 
Halicamassensis  (it.  t.  6oukuö.  x<^P*  <^*  ^^i  P*  ^^^  ^q.)  et  Cadmi 
Milesii  et  Aristeae  scripta  inter  ea  rettulit,  quae  licet  aetatem  tulis- 
sent  non  uno  consensu  pro  genuinis  baberentur.  Sed  Callimacbus, 
opinor,  fidem  illius  carminis  suspectam  sedulo  notare  supersedit  — 
Nil  certi  denique  enucleare  potui  de  Homer i  operum  tabula,  quam 
ex  diversis  particulis  conflatam  esse  liquet,  nee  facile  est  singularum 
originem  expiscari,  cum  permulti  scriptores  in  Homeri  yita  et  poesi 
enarranda  desudaverint  (cf.  Tatian.  ap.  Euseb.  Pr.  Ev.  X,  11  «s 
0.  Scbneider.  Call,  ü,  fr.  390).  Tarnen  singulos  titulos  quoniam  in- 
conposite  ac  plane  temere  procedunt,  Callimachi  —  quamvis  Homeri 
quoque  carminibus  hunc  operam  navasse  (cf.  ibid,  fr.  74*)  probe 
cognitum  habeam  —  niti  auctoritate  vix  crediderim  (cf.  C.  Diltheyum 
de  CalL  Cjdipp.  10,  H.  Flach,  Eud.  et  Suid.  66). 

Hactenus  de  epicorum  poetarum  tabulis.  Ceterarum  auctores 
rimari  in  praesens  mitto.  Sed  de  Sibjllarum  indicibus  nonnuUa 
adiciam.  Etenim  E.  Maass  (de  Sibyll.  indic,  dissert.  Gryph.  1879, 
p.  51  sq.)  verissime  perspexit  duos  in  Suidae  lexicon  inmigrasse  indices 
Sibyllarum,  alterum  'Varronianum*  [öti  CißuXXai  —  ßißXia  y'  (pro  ß'), 
cf.  p.  32  sq.,  37  sq.],  alterum  Hesychianum  Sibyllas  quae  carmina  re- 
liqnerunt  recensentem  —  [CißuXXa  A€Xq)ic  —  öwpiujc  XPnCMOtic], 
inter  quos  glossam  de  Sambetha  ludaea  yilissimam  esse  insertam 
[C  XaXöaia  —  o\  XPil^Mol  aürf^c].   Hesychiana  vero  tabula,  in  qua 


Jmhxb.  t  oUsi.  FhüoL  Snppl.  Bd.  XI.  27 

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418  A.  Danb: 

non  nihil  probi  insit,  unde  originem  traxerit  nescit  (p.  54),  aed  ad 
auctorem  Hadrianeae  aetatis  redire  eam  opinatur.  Sed  quid  obstat 
ne  Dionjsinm  (musicum)  auctorem  esee  credamus,  praesertim  cmn 
Photius  (Bibl.  C.  103,  b.  B)  in  Sopatri  (i.  e.  Rufi,  cf.  p.  411)  libro 
Sibyllas  invenerit  recensitas?  Cetenim  band  negaiim  Dionjsianam 
doctrinam  recentioribns  additamentis  sensim  auctam  esse.  ^^*)  Fraeterea 
autem  non  pauci  librorum  indices  occumint,  qnonun  fidem  vel  ad- 
modnm  snspectam  yel  omninö  nnllam  esse  post  Bergkinm  E.  Hilierne 
(Mus.  Rb.  n.  XXXIII,  522  sq.,  cf.  p.  518  sq.)  sagaciter  perspezit  In- 
spiee  qnaeso  Palaepbati  openim  tabulam:  nbi  sat  miram  yersanm 
descriptionem  a  TrivoSi  repetere  nolim,  cnm  omnes  titoli  mere  efficü 
sint  (cf.  Bergkinm,  1.  1.  I,  405,  et  n.  270;  Hillerum,  L  1.  p.  522). 
Ac  plane  eiusdem  generis  sunt  yerba  s.  'Apicr^ac  Md.  snpr. 
p.  417^  extrema,  s,  eöfioXtroc  . .  im\  t&  Trdvra  xpicxiXia  (cf.  Hiller. 
p.  523).  Nee  minorem  dubitationis  causam  babent  indices  s.  *AvTi- 
füiaxoc  £t€POC,  s.  'Eirificvibiic  (cuius  de  scriptis  recte  sensisse  yidetur 
Hillerus,  p.  525  sq.;  praeterea  cf.  Bohrenum  de  Sept.  Sap.,  Bomt 
1867,  p.  9,  n.  8),  s.  Gdfiupic  ((plperai  bk  aöroO  eeoXoTla  €lc  lm\ 
TpicxlXia,  cf.  Bergk.  p.  404  sq.,  Hiller.  p.  522),  s.  "\ba\oc  'Pöbioc 
(. .  ?Tpatpe  Ktti  fiXXa  *PobiaKä  elc  im\  ,t),  s.  Köpivvoc  (irpurroc 
TpAvpoc  Tf|V  *IXidba,  cf.  Bergk.  406),  s.  MoucaToc  *€X€ucivioc 
(fTpa^ev  OToGriKac  Gu^öXirifi  xq)  uliD  iiir\  ,b,  Kai  dXXa),  s.  *Opq[>€uc 
KiKOVaToc,  s.  *0.  KporuiTidTTic,  s.  '0.  'Obpucric,  quorum  de  libris  iam 
Lobeckius  (Aglaopb.  I,  355  sq.)  sanissimum  tulit  iudicium  cum 
diceret:  ^multo  magis  (quae  in  altera  pagina  secuntur)  Bjzantinorom 
pergulas  redolent'.  In  quibus  vel  maidme  suspecti  sxmt  qui  Orpbeo 
Ciconeo  tribuuntur  (cf.  etiam  Lobeck.  p.  378):  et  multa  id  genus 
scripta  Neoplatonicorum  demum  aetate  (altero  p.  Cbr.  saeculo)  orta 
esse  subtiliter  monuit  Bergkius  (1.  1.  p.  400,  401).  Plurimos  yero 
titulos  Hesycbio  non  Dionjsium  suppeditasse,  sed  Hesjcbiom 
Suidamye  ipsum  nescio  quibus  e  latebris  inscite  congessisse  mibi 
persuasum  est. 

Caput  IV. 

De  lyrieornm  carminiiiii  tabnlis  a  Dionyslo  e  CalUmacU 

potissimnm  catalogifi  Hesychio  snppeditetis. 

Dionjsium  musicum  in  lyricorum  vita  rebus  scriptis  enarran- 
dis  praecipuam  conlocasse  operam  cum  buius  operis  indoles  ipsa 
abnnde  doceat^  tum  ex  Sopatri  eclogarum  descriptione  Pbotiana  de 
qua  supra  yidimus  optime  intellegitur.  Prae  ceteris  igitur  buic  ipsi 
Dionysianae  scriptionis  parti  egregiam  fidem  tribuere  possumus,  qua 

^*^)  Tarnen  boo  loco  non  possum  non  casügare  leyitatem  qua 
Maassios  de  Heeycbii  fontibuB  iudicayit:  quippe  ne  Fbilonem  quidem 
Byblimn  inter  praecipuos  iUius  auctores  disertim  conmemorayit,  nee 
pbiloBophomm  yitas  unquam  extremis  tantum  digitis  adtigiise  ylaetor. 


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De  Süidae  biographicoram  origine  et  fide.  419 

tarnen  in  re  id  velim  adtendas,  in  Suidae  notationum  mole  pristinam 
Dion^sii  copianim  spedem  saepiuscule  deformatam  et  recentioribas 
snpplementis  adauctam  esse.  Dionjsii  yero  ipsius  testimonia  a  loca- 
pleti  quodam  auctore  orimida  esse  signa  nonnnlla  probant  eaque 
grayissima.  Etenim  in  lyriconim  poetarum  tabnlis  yel  librorum  seu 
yersaom  numemm  adcurate  definitnm  vel  libros  ex  argnmento 
dispositos  Tel  eosdem  ex  litterarum  ordine  digestos  vel  singolorum 
poematom  dialectum  metrumve  diligenter  enotatum  deprehendimus. 
Nee  non  in  poetartun  ipsoram  aetate  enarranda  distinctam  temporom 
notitiam  cum  spectamus^  ad  emditissima  Alexandrinorum  chrono- 
graphomm  stndia  nitro  deferimnr.  Omnino  autem  qui  barum  yita- 
mm  indolem  considerarit^  artiore  nexn  paene  omnes  contineri  facile 
intelleget.  Qnippe  videmus  uninscniusque  fere  poetae  nomen  patriam 
parentes  poeseos  genns  aetatem  carmina  concisa  eademque  dicendi 
ratione  ita  delineata^  ut  talia  ad  conmunem  peculiaremqne  fontem 
non  redire  neqneant.  Sed  anctorem  ipsnm  quem  tandem  fuisse  cen- 
sebimns  ?  Ac  Mauritius  quidem  Scbmidtius  (Didjrm.  Fragm.  p.  394  sq.) 
Ijricomm  et  Septem  sapientium  yitas  ex  libro  n€p\  XupiKÜJV  itoititu)v 
deriyatas  esse  statuit,  cuius  auctorem  Didjrmum  non  illum  Cbalcen- 
temm  sed  musicum^***)  fuisse  autumat  — :  quam  totam  opinionem 
paene  nnllis  argumentis  fultam  Fr.  Nietzsche  (Mus.  Eh.  n.  XXJI^  200) 
iure  refutayit  unaque  demonstravit  lyticorum  notationes  cum  pinaoo- 
graphorum  curis  multo  magis  quam  yolgo  opinantur  cohaerere.  Tamen 
hie  paolulum  subsistere  et  rem  ipsam  sedulo  pervestigare  placei 
Atque  nt  statim  quod  sentio  pronuntiem,  iUarum  vitarum  eam  con- 
dicionem  esse  yideo;  ut  harum  fundamentum  iecerint  Callimaohi 
irivaK€C,  dein  quae  huius  generis  a  Callimacho  paucis  enotata  erant 
ceteri  Alexandrini  grammatici  yel  successores  quos  ille  in  bibliotheca 
administianda  habuit  auxerint  et  amplificayerint.  Quam  sententiam 
nt  confirmemuSy  id  praecipue  ratione  ac  yia  probandum  yidetur, 
CallimachTmi  in  nfvaSi  non  solum  nuda  scriptorum  operumque  no- 
mina  enumerasse,  sed  de  yita  quoque  auctorum  pauca  adnotasse.  Ac 
dno  potissimum  testimonia  hane  opinionem  conmendare  yidentur:  1) 
Athen.  VI,  262,  c  (cf.  Wachsmuth.  Philol.  XVI,  659,  et  0.  Schneider. 
Call,  n,  318):  'Att(4Xou  bk  toO  ßaciXeuJc  4t^v€to  köXoE  xal  öi- 
ödcKaXoc  Aucifiaxoc,  6v  KaXXifiaxoc  ^ifev  ©eobOüpeiov  dvaTpÄ9€i, 
"'Cpmutroc  bi.  iv  ToTc  0€6q)pdcTou  lüiaGriTaic  KataX^T^i.  2)  Laeri 
fDiog.)  Vin,  8,  1  (yid.  eosdem):  €0öoEoc  .  .  rä  ^fcv  T€Ui^€TpiKA 
*ApxuTa  birJKOuce,  rd  bk  lorpiKd  ct>iXicT(u)voc  toö  CikcXiiAtoU;  Kaöd 
KaXXijuaxoc  dv  toic  irivoEi  qprici,  quocum  cf.  Eudociae  —  quae 
Liaertium  conpilayit  —  Violar.  p.  193:  '6  . .  dKOUCxric  . .  die  KaXXi- 
liaxoc  iv  ToTc  TTivoEiv,  'Apxuta  Kai  0iXiCTiu)voc.    Extat  et  tertium 

141»)  Hanc  ipsam  deDidymo  musico  sententiam  rectissime  inprobaxont 
O.  Schneider  (Diar.  antiqn.  a.  1B55  (no.  81),  p.  241  sq.)  et  E.  de  Lentaeh 
(Phil.  XIj  20,  not.  60),  qui  tuaien  eis  quae  de  Pindari  carminum  disposi- 
tione  (ibid.  p.  17  sq.)  dissemit,  iuitam  rei  rationem  nentiquam  perspexit. 

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420  A.  Daub: 

testimonium  (Procl.  in  Parm.  Plat.  Cous.  5  =  Wachsm.  1.  1.  p.  659 
=  Schneid.  1.  1.  p.  305  sq.:  bibdcKttXoc  jLifev  6  TTapjLievibric,  |Lia9r|- 
Tf|C  bk  Zt^viuv,  "eXcarai  b*  ä^qpui,  Kai  ou  touto  jliövov,  dXXd  xai 
ToO  TTuOaTopiKoO  biöacKaXeiou  )Li€TaXaßövT€^  KaOdirep  irou  Kai 
KaXXl^axoc  [CD:  NiKÖjuiaxoc]  icxöpricev),  sed  hoc  propterea  ad- 
scisci  nequit,  quod  ex  irivaSi  manasse  non  exploratum  est  (cf.  C. 
Diltheyum  de  Call.  Cydipp..l8,  n,  l).  lam  vero  Wachsmnthius 
(1. 1.  661)  singulis  auctoribus  Callimacbum  breves  de  vita  et  studiis 
notnlas  subiecisse  haudquaquam  certum  esse  dixit:  nam  priorem 
illum  locum  (Ath.  YI^  252,  c)  ita  explicari  posse,  ut  Ljsimachus 
pleno  nomine  6eobiüp€ioc  adpellatus  sit  ne  cum  cognominibus  con- 
fnnderetur,  alterum  (Laert  VIII;  8,  l)  sie  nt  similium  reminiscere- 
mur  inscriptionum,  velut  <l>iXobrijLiou  irepi  xfjc  täv  Geiöv  €uctoxou- 
^^vrjc  biaTUJTTic  xatd  Zr|VU)va  (in  voL  Hercul.  VI),  OiXobrijLiou  toiv 
Kar'  dTTiTO|Lif|v  dEeipTacjLi^viwv  irepi  i^Goiv  Kai  ßiujv  ^k  tüjv  Zrjvuivoc 
cxoXdiv  (vid.  Wacbsm.).  ütramque  vero  explicationem  incertam  esse 
quamvis  non  diffiteatur,  respecta  tarnen  tota  iTivdKWV  indole  singulis 
scriptoribus  de  praeceptoribus  potissimum  pauca  addita  foisse  arbitra- 
tur.  Hactenus  Wachsmuthius.  Sed  priohs  testimonii  explicatio  Wachs- 
muthiana  mihi  equidem  parum  adridet:  etenim  cum  Lysimachi  iUius 
nomen  minus  fuerit  celebratum  quam  ut  istius  modi  opus  esset  di- 
stinctionO;  tum  Hermippi  Callimachei  verba  liquido  monstrare  videntur 
ilUc  revera  agi  de  Ljsimachi  praeceptore  investigandO;  non  de  illo 
a  cognominibus  secemendo.  Alterum  autem  exemplum  quo  res 
dirimatur  aptissimum  est:  enimvero  TTivaKCC  ipsi  in  testimonium 
Yocantur,  nee  Wachsmutbii  ratio  interpretandi  ut  nimis  artificiosa 
mihi  probatur.  Quare  ne  hie  quidem  infitias  ire  possumus  CaJli- 
machum  de  Eudoxi  magistro  quaedam  adnotasse.  Quid?  quod  Trivd- 
KU)V  indoles  ipsa  prohibere  videtur,  ne  auctorum  nomina  et  scripta 
nude  posita  fuisse  opinemur.  ^^)  Cave  tarnen  hoc  munus  latius  patuisse 

^^)  De  inmortalibuB  Callimachi  cnris  pinacographicis  sat  notum  eet 
doctiBsime  disputasse  C.  Wachsmnthium  (Philol.  XVI,  653  sq.),  deinde 
Fr.  Nietzschium  (Mus.  Rh.  n.  XXIY,  189  sq.)  hanc  rem  in  transcursn 
tetigisse,  sed  parum  probabiliter  [sie  huius  de  nnmero  CXX  librorum 
irtvdKwv  coniectura  iam  a  Schneidere  (Call.  II,  304  sq.)  merito  explosa 
ab  omni  veritate  abhorret^  nee  secua  iÜud  displicet,  quod  Callimacham 
catalogo  tOl^v  KarA  xP<^vouc  Kai  dir'  dpxf)c  f€voixtv\uv  bi6acKdXurv  ad  certam 
mvdxwv  partem  carmina  omnis  generis  conpleotentem  'sese  praeparaeae' 
Btatait;  rectisBime  vero  meo  quidem  iudicio  de  ordine  catalo^  Tiiiv 
irovrobaiTiIiv  cuTTP^^MI^dTUiv  dissemit,  p.  190,  n.  2],  tum  0.  Schneidermn 
(Call.  II,  297  sq.)  totam  quaestionem  retractasse  et  WachBmuthio  ad- 
sentientem  et  refragantem.  Verum  singula  plenius  enarrare  vel  i>er- 
censere  ab  hoc  loco  aliennm  est,  sed  pauca  delibare  plaouit.  Ac  primum 
quidem  Schneidero  (p.  300,  301,  302)  nequeo  non  obloqui  ex  yerbis 
Tzetzae  conmentarii  in  sec.  Ambrosiano  conprehensi  (cf.  Bitachelü  opnsc. 
phil.  I,  200,  liD.  2):  KaXX{|üioxoc  —  öcr^puic  |ui€Tä  Tf|v  dvöpOuiav  xoiic  wi- 
vaKOc  oOtiIiv  direrpdM/aTO  (c1.  etiam  verba  Ambros.  primi:  div  ßfßXuiv 
To{ic  TtlvaKOC  K.  äir€Tpd\|iaTo)  id  eKoienti,  Callimachum  libromm  tabnlas 
a  primis  bibliothecae  ordinatoribus  conpoaitas  in  buos  idvaKac  postea 


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De  Saidae  biographicorum  origine  et  fide.  421 

suspicere,  quasi  Callimachus  in  scriptorum  vitam  dedita  opera  in- 
qnisivisset:  fundamentum  tantum  iecit,  quo  posteriores  vere  bio- 
graphi  (in  primis  Hermippus)  sua  supersiiuxerunt  aedificia, 

Aperuimus  igitnr  interiorem  Snidae  notationum  et  Callimachi 
TTivdi^iuv  cognationem:  qua  enucleata  pemecessarium  est  pristinam 
germanamqne  singularum  vitarum  formam  recuperare. 

Quae  praefatus  iam  lyricorum  carminum  tabulas  ipsas  examini 
snbiciam.  Ac  primum  quidem  indices  ex  argumento  digestos  percensere 
lubet,  quem  quidem  ordinem  lyricae  poeseos  generi  utpote  maxime 
conyenientem  (cf.  Wachsmuth.  Symb.  149)  et  Callimachus  secutus 
videtur   (cf.   eundem    Phil.    XVI,   661  sq.).*®)     Prae   ceteris    vero 

transtolisse  in  snumque  usum  convertisse.  Cui  interpretationi  obstrepit 
sane  usus  loquendi  (vid.  Herod.  III,  136,  Plut.  reg.  apophth.  p.  143),  at- 
que  ex  yocabulo  öcr^pwc  bis  adhibito  (in  Ambros.  sec.  et  in  gramm. 
Paris.) ,  qood  Schneideras  consulto  neglexit,  necessano  efficitur  iictä  tV|v 
ötöpOuiav  demum  operam  institutam  esse  pinacographicam.  Praeterea 
Bcholii  Plautioi  yerba  (p.  6,  3:  'Callimachus  —  etiam  singulis  volumi- 
nibus  titulos  inscripsit',  quae  equidem  yersionem  parum  adcuratam  non 
tarn  yerborum  gramm.  Paris,  [p.  6,  16  Cram.],  'div  toOc  irCvaKac  öcTcpov 
K.  dir€Tpd\(iaTo"  [sie  enim  scrioendum  esse  ducopro  ^ireTpdMiaxo,  Meinek. 
Praef.  ad  Call.  edit.  XV:  cuv€Tpdi)ioTo]  quam  Ambrosiani  sec.  (<JDv  ßißXuiv 
Tovfc  IT.  K.  dircTpdHiaTo  esse  censeo)  adratim  docent  singula  yolumiua  ante 
Callimachi  operam  ad  irfvaKac  npndum  relata  sed  disposita  tantum  f uisse : 
eis  yero  quae  infra  exposuit  Schneiderus  (p.  307  sq.),  tota  eins  opinio 
labefactatur.  Qua  re  inmerito  Tzetzae  eam  yindicayit  sententiam  (p.  302), 
ut  bibliothecae  Alexandrinae  catalogos  diyersoB  foisse  existumarit  a 
Callimachi  TrCvaEiv,  in  quibus  conscribendis  illos  adhibuerit.  Nee  ceteris 
quidem  argumentis  id  mihi  persuasit  Schneiderus  (p.  303  sq.),  cum  Calli- 
machum  litterarnm  historiam  condere  voluisse  probatum  iret.  Num  tandem 
inde  quod  idvaS  TiXn/  &t6acKdXu>v  Kurd  xp<^vouc  dispositus  fuisse  perhibetur 
pro  certo  licet  conligere  in  relicuis  scriptoribus  adomandis  eandem  in- 
yaloisse  rationem  chronologicam  ?  Immo  ni  omnia  fallunt  ex  peculiari 
illo  testimonio  contrarium  effici  potest.  Sed  omnino  nondum  perspectum 
est  qualis  fuerit  indoles  huius  &i&acKdXujv  catalogi  a  Suida  seorsum  re- 
censiti;  tamen  non  inepte  suspicari  possumus  hoc  ipsum  opus  a  ceteris 
catalogis  seiunctum  foisse,  quo  quidem  Callimachus  didascsJicis  curis 
Aristotelis  locupletissimis  adiutus  peculiarem  scaenicorum  poetarum  histo- 
riam conprehendisse  videtnr.  Atque  hoc  ipsum  fuit  quo  huius  irivQKoc 
ratio  a  ceteris  longo  differebat.  Herum  autem  indolem  a  nostrorum 
catalogorum  ieiunitate  multo  a^sse  sciendum  est.  Inde  etiam  illud  ex- 
plicatur  quod  Callimachus  singulorum  auctorum  nominibus  breyes  de 
vita  subiecit  notationes.  Tamen  hoc  mxmus  artissimis  limitibus  coer- 
citum  erat  nee  tam  late  patuisse  yidetur  quam  Schneidere  yisum  est, 
quo  suam  opinionem  stabiliri  putayit.  Certe  quae  ille  de  Homeri  genere 
atque  aetate  disputasse  narratnr  (cf.  Call.  fr.  890),  num  ad  idvaKoic  per- 
tinuerint  nescitur,  neque  etiam  in  cpiXocöcpujv  dvaxpacpfji  monuit  ircpl 
tXujccuiv  Democriti  (fr.  29  =  Schneid,  p.  322),  sed  proprio  opere  de 
ns  egit,  quod  pluribus  explanare  huc  non  adtinet.  De  ceteris  rebus 
quae  huc  faciunt  adi  subtilem  Wachsmuthii  (1.  1.  661  sq.,  Symb.  148  sq.) 
enarrationem.  Denique  confer  quae  bis  de  rebus  prudenter  exposuit 
Q.  Steffen  de  canon.  qui  die.  Aristoph.  et  Aristarchi,  Lips.  1876,  p.  3  sq. 
et  not.  3,  quem  deinde  secutus  est  0.  Hampe  (Ueber  d.  sog.  Kanon  der 
Alexandriner,  Progr.  Gymn.  Jauer.  1877,  p.  5  sq.)  in  eandem  sententiam 
atque  Schneiderus  inclinans,  auctore  tamen  non  nominato.  —   ^^  Quae 


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422  A.  Daab: 

enitet  tabula  ditissima  s.  TT(v^apoc  .  .  ifQax^e  b'  dv  ßißXioic  il' 
Au)pibt  biaX^KTqi  raOra'  (quae  nunc  ennmerantur):  quade  quan- 
quam  docte  et  sagaciter  ut  adsolet  nuper  disputaTit  Bergkius  (Poet 
Lyr.  Gr.  I^^  367  sq.),  tarnen  omnia  nondum  ad  liquidum  perducta 
videntur.  Sed  totam  tabulam  singillatim  examinare  nolo,  immo  satis 
babeo  Bergkii  sententiam  bic  illic  vel  emendasse  vel  supplevisse. 
Extant  vero  duae  carminum  Pindaricorum  recensiones^  quarum  unam 
exbibet  Suidas  (vel  ut  rectius  dicam  eins  fontes),  alteram  vitae 
Pindari  (in  cod.  VratisL,  et  Westerm.  Biogr.  p.  98,  43  sq.)  auctor 
atque  Eustatbius  (vid.  Westerm.  L 1.  p.  96,  70  sq.,  Bergk.  1. 1.  p.  367  sq.). 
Quae  cum  ita  sint  quaestio  oritur  gravissima,  utra  barum  recensio- 
num  vetustiorem  babeat  originem.  Ac  Boeckbius  quidem  (Pind.  Opp. 
II,  2,  553  sq.)  Suidianum  indicem  recentiorem  eumque  ab  Aristarebo 
profectum  esse  censet,  Aristopbani  autem  Byzantio  alterum  vindicat, 
quem  Pindari  carmina  primum  in  ordinem  redegisse  statuit  At 
Scbneidewinus  (Pind.  Carm.  ed.  Dissen-Scbneidewin.  I,  p.  XCVI)  pro 
Aristarcbi  nomine  Callimacbum  substituit,  ceterum  in  medio  reliquit, 
utram  confecerit  tabulam.  Cuius  opinionem  ad  yeritatem  malte 
propius  accedere  negari  nequit  Sed  Bergkius  primus  (1. 1.  396  sq.) 
mutuam  inter  utramque  recensionem  rationem  acrius  perspexit,  cum 
alteram  Aristopbani  adtribueret,  vetustiorem  esse  priorem  contenderet. 
Hanc  tamen  non  a  Callimacbo  alienam  esse  sibi  persuasit,  quippe 
qui  cum  ita  disposita  repperisset  poetae  carmina  etiam  in.  tabulas 
suas  recepisset:  Suidae  vero  auctorem  ex  boc  TTivdKUDV  opere  Pinda- 
ricorum carminum  tabulam  delibasse.  Nee  recte  Scbneidewinum 
coniecisse  a  Callimacbo  talem  in  Pindari  carminibus  operam  positam 
esse,  quae  buius  studiis  minime  conveniret^  ut  qui  non  carminum 
editiones  Aristopbanis  Aristarcbi  aliorumque  instar  paravisset  sed 
librorum  indices  confecisset;  neque  omnino  fuisse  consentaneum  nova 
cum  moliri,  verum  res  a  maioribus  traditas  sedulo  recolere,  denique 
hac  recensione  ante  Callimacbum  usos  esse  Aristoxenum  Tbeopbrastum 
Cbamaeleontem.  Haec  quidem  Bergkius.  Cui  statim  obiciendum  est 
de  Callimacbi  editionibus  bic  non  agi;  is  enim  libros  in  bibliotbeca 
servatos  et  antea  ordinatos  in  TiivaKac  suos  rettulit,  qua  in  re  con- 
siderandum  est  multa  opera  quavis  inscriptione  caruisse,  quam  eruere 
demum  et  constituere  debuit  Callimacbus.  Ergo  buius  catalogo 
tabulam  iure  adsignabimus.  Beceusionem  autem  illam  iam  Pen- 
pateticis  innotuisse  veri  dissimillimum  est  neque  ullo  nomine  Bergkii 
explanatione  probatum  (p.  371  sq.):  baudquaquam  enim  exploratom 
est  fragmentum  123  (Bergk.)  ex  Chamaeleonte,  vel  fr.  126  ex  Ari- 

WilamowitiiuB  (Anal.  Eurip.  p.  182)  de  lyricornm  et  ceteromm  scripto- 
rum  disponeDdorum  ratione  m  medium  protulit,  parnm  dilncide  ant 
diatincte  expoeita  sunt  nee  omnioo  probabUiter.  Quid  enim  illud 
valet:  'bcIo  {joid  in  Suidae  fidem  infnngendam  non  sine  quadam  veri 
specie  obverti  possit,'  vel  similia  quae  pro  exploiatis  venditavit  vir  in- 
genioBus? 


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De  Saidae  biogpraphicoram  origine  et  fide.  423 

stozeno,  yel  etiam  fr.  128  ex  Theopfarasto  promanasse  —  id  certe 
faUum  est,  quod  yerba  Athenaei  X,  427  d:  X^t^  ^'  olov  Kai  TTtv- 
bapoc  TrenoitiKC  k.  t.  X.  evidenter  arguunt.  Sed  omnino  Feripatetici 
de  Pindari  carminom  recensione  pamm  solliciti  fnisse  videntur. 

Yenun  nt  ad  Saidae  tabulam  praevertamur,  generalem  eius 
divisionein  talem  esse  animadvertimus,  ut  primo  loco  carmina  enu- 
merentur  —  in  fine  enim  scribendom  videtur  invxQ&pL^aTOy  irdvTa 
dTTiKO,  cum  volgo  legatur  L  ^kiko,  quam  yocem  mendosam  esse  nullo 
iure  BergkiuB  (L  1.  367^  not.  4)  contendit  in  ^iixiKa'  versuum  nume- 
nun  latitare  opinatus;  immo  est  Versibus  conposita',  quo  de  usu 
Tocabuli  Tide  e.  g.  Nietzscbium  Mus.  Bh.  n.  XXII,  197;  cf.  etiam 
Suid.  s.  NiKOvbpoc,  XpiCTÖbiupoc,  alibi;  respicit  autem  ad  omnes  qui 
antecedunt  titulos  — ,  secundo  liber  pedestri  sermone  conscriptus 
(kqi  KttTaXoTÄbTiv  TTttpaiv^ceic  toic  "€XXiici  Kai  fiXXa  TiXeicro,  quae 
verba  extrema  haud  scio  an  Suidas  ipse  suo  arbitratu  adposuerit). 
Qnoniam  yero  verbis  ßißXia  iL'  sine  dubio  carmina  dumtaxat  con- 
prehenduntur,  Snidae  autem  sen  librariorum  socordia  titulos  Ne^eo- 
viKttC  et  IcO^ioviKac  omissos  esse  Eusterus  perspexit;  poemata  re- 
censita  numerum  illum  uno  excedere  patet:  quare  scribendum  esse 
dnco  CKoXtd  f[  ifK\b\ixa^  quorum  iam  Boeckhius  et  Bergkius  ().  L 
p.  373)  bis  illa  adnumerarunt.  Idem  denique  carmina  ipsa  secundum 
argumentum  disposita  esse  luculenter  evicit  (p.  370). 

Inter  ceteras  lyricorum  poetarum  tabulas  Theognidea  vel 
digniseima  est  quae  paulo  enucleatius  excutiatur:  G^OTVic  Meya- 
p€uc . .  ?TPCtv|i€v  dXeTeiav  elc  touc  cwO^vrac  täv  CupaKOuciiüv  dv 
xq  TToXiopKicm  TViüMac  bi*  dXetelac  elc  ^ttti  ,ßuj,  Kai  7rp6c  Kupvov 
TÖv  auToO  dpu>|Li€Vov,  Yvui|ioXotiav  bi'  dXeteiuiv  Kai  dt^pac  utto- 
GrJKac  TTopaivcTiKdc,  td  ndvra  iniKUiC.  Quo  de  indice  plenissime 
ac  doctissime  disputavit  Fr.  Nietzsche  (Mus.  Bhen.  n.  XXII,  in- 
primis  p.  188  sq.),  tamen  huius  iudicium  in  multis  üsque  gra- 
yiseimis  rebus  conprobare  nequeo.  Praecipue  autem  id  demonstrare 
conatas  est,  Alexandrinis  grammaticis  carminum  Theognideorum  Vo- 
lumen non  iam  integrum  praesto  fnisse,  unde  yvu)]liujv  conlectionem 
ad  tempora  quae  inter  Flatonem  ac  Ptolemaeum  Fbiladelphum  inter- 
iacent  redire  condusit.  Suidae  vero  notationem  ipsam  a  doctis  Ale- 
xandrinomm  studiis  repetiit  (ceterum  cf.  quae  iam  Welckerus  ex- 
posnit  Proleg.  in  Theognid.  edit.  p.  LXIII  sq.);  dein  rectissime 
yerba  in  fine  glossae  adiecta  (8t i  fiev  irapaiv^ceic  k.  t.  X.)  Suidae 
ipsi  tribuit  (cf.  H.  Schneidewin.  de  sjllogis  Theognideis,  Diss.  Ar- 
gentor.  1878,  p.  40  sq.),  relicua  ab  Hesychio  Milesio  derivayit. 
Tamen  in  bis  biTT0Ypaq)iav  latere  coniecit,  cum  titulus  Yva»Mai  bi* 
dX€T€lac  elc  im]  ,ßuj  idem  esset  qui  YVW^ioXoTia  7rp6c  Kiipvov . . 
Kai  Irepai  uiro8f)Kai  TrapaivcTiKai.  Ergo  Suidam  duas  Hesjchii 
notaüones  in  unam  conglutinasse,  quam  observationem  eo  confirmari 
arbitratur,  quod  in  Eudociae  yiolario  duae  de  Theognide  glossae 
oocurrerent.    Dehinc  illud  probare  studuit  (p.  191  — 193),  Eudociam 


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424  A.  Danb: 

usam  esse  non  Suidae  sed  Hesychii  opere.  Sed  hie  paulnlum  sab- 
sistamus.  Enimvero  Nietzschius  nequaquam  probavit  revera  conflasse 
Suidam  duos  Hesychii  articalos  (idem  sumpsit  BemhardjnB,  Hist. 
Litt.  Gr.  n,  1^  629);  immo  res  aliter  potest  expediri.  Nam  ut  ilico 
profitear,  Suidas  vel  anctor  eius  totnm  opus  (TVUi|Liai)  versuum  na- 
mero  adiecto  in  fronte  tabulae  laudavit,  deinde  singulas  eius  partes 
subiunxit:  l)  fviwMoXoTiav  TTpdc  Kupvov.  2)  irlpac  uiroBi^Kac 
TiapaiveTiKdc,  in  quibus  nomina  eorum  quos  poeta  adpellaverit  olim 
eodem  modo  enotata  fuisse  suspicari  licebit. 

Deinde  vero  mihi  nondum  exploratum  est  Eudociam  ab  Hesy- 
chio  Milesio  totam  pendere;  immo  rem  sie  sese  habere  credo,  ut  docta 
mulier  et  Hesychii  et  Suidae  thensauros  despoliaverit  ^^   Praeterea 


^^  Quod  uberiore  argumentatione  probari  yetant  conmentationis  an- 
guBtiae ;  quare  pauca  delibasse  Bufficiat.  De  fontibus  quos  Eudocia  con- 
sulaerit  hominum  doctoram  opiniones  in  duas  partes  abeunt,  cum  alü 
yelut  Bernhardyus  (Gonm.  de  Suid.  lex.  p.  XXVIII,  XXXI),  Rio.  NitESchius. 
(p.  28  sq.),  UseneruB  (Mus.  Rh.  n.  XXVIII,  417)  e  Suidae  lexico  Eudo- 
ciam pleraque  deprompsisse,  alü  iique  plnrimi,  ut  M.  Schmidtius  (Didym. 
892,  et  Annal.  phil.  t.  71  (a.  1855),  p.  474),  Roseus  (De  Ar.  libr.  o.  et  a. 
p.  50),  H.  WeberuB  (PhiloL  Suppl.  III  (1864),  p.  469,  n.  35),  prae  ceteris 
autem  Fr.  Nietzschius  (1.  1.  189  sq.)  et  nuperrime  H.  Flachius  (Untersuch, 
üb.  Eudok.  u.  Suid.  Lips.  1879,  p.  37  sq.)  onomatologum  Hesychianum 
conmunem  Suidae  Eudociaeque  fontem  fiiisse  autument.  Qaibus  omuibus 
posBum  neque  adsentiri  neque  obloqui.  Totam  vero  quaestionem  qui 
nunc  retractandam  suscepit  Flachius  praeiudicata  opinione  plane  abreptna 
ad  eandem  omuia  normam  eadem  fere  putida  sedulitate  exegit  nee  in 
re  ipsa  enucleanda  multum  pofecit,  quantumvis  chartae  fuerit  prodigus. 
Flachii  tarnen  librum  expbeatius  enarrare  ac  percensere  mox  alibi 
conabor.  Maiore  contra  cautione  ac  prudentia  R.  Nitssche  (Quaestt. 
Eudoe.  capp.  IV,  Lips.  1868)  rem  adaressus  est,  cuius  disputationis  ordini 
quae  nunc  proponam  adconmodaie  liceat.  Ac  primum  quidem  tenendum 
est  excerpta  Eudociana  praeeipue  in  adferendis  singulorum  Bcriptorum 
operibuB  interdum  esse  auctiora  (p.  80,  31):  quae  partim  ipsam  addere 
potuisse  NitzBchio  lar^or,  plurima  non  item  (p.  32,  33).  Quorum  addita- 
mentorum  indolem  bi  considerayeris,  non  pauca  ueminem  suppeditare 
potuisse  nisi  Hesychium  facile  diepicieB.  Recte  porro  N.  (p.  84—35) 
de  Eudociae  narrationibus  ad  fabularem  historiam  pertinentibus  seosisse 
yidetur;  id  tamen  probare  haud  contigit  (p.  86—40)  Eudociam  mtdtas 
narrationes  Suidianis  manifesto  yetustiores  e  propriae  doctriDae  dotibus 
adiecisse,  quae  omnes  fere  unice  Heeyehio  debentur.  At  non  desnnt 
indicia  saue  quam  grayissima,  quibus  illam  Suidae  thensaurum  in  usum 
SQum  conyertiBse  lucul enter  eyincitur.  In  Wiolario'  nimirum  antiatoichici 
quem  nuncupant  ordinis  tot  yestigia  N.  detexit  (p.  41—43),  ut  ampIiuB 
dubitari  nequeat  quiu  plurimas  yitas  hauBerit  ex  lexico  ratione  anti> 
stoichica  adornato,  quod  aliud  fuisse  arbitrabimur  nisi  Suidianum? 
Sed  haud  mediocriter  demiror  quod  Flacbius  huius  rei  singularis  param 
habuit  rationem.  Huc  adprime  conyenit  quod  Eudocianae  scripturae  cum 
deterioribus  libris  Suidae  multifariam  concinunt,  neque  etiam  ab  erroribus 
in  qvLöB  Suidas  incurrit  illa  cavit  (p.  48  sq.,  sed  s.  AioTCV€iavöc  iusto  sim- 
plicius  N.  rem  expedire  conatus  est;  cf.  Rohdium  Mus.  Rh.  XXXIII,  180), 
qua  iu  re  id  N.  potuit  urgere,  quod  Eudocia  una  cum  Suida  in  glossa 
M^Xr^TOC  describenda  eodem  modo  turpiter  errayit.  Quibus  ponderatis 
Eudocia  Suidae  lexicon  usarpasse  mihi  yidetur,  ita  tamen  ut  Hesychii 


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De  Suidae  biographicomm  origine  et  fide.  425 

Nietzschins  ingens  tnrpium  errorum  onus  pamm  caute  Hesychio  ipsi 
ioposuit,  quonim  plurimos  nemo  nisi  Snidas  Eudociaye  conmisisse 
mihi  videntur.  Sed  plane  praepostere  de  dnabns  Eudociae  glossis 
cogitavit.  übi  tandem  Theognidis  bis  memoriam  iniecit erudita  mulier? 
Nimimm  hunc  primum  recensuit  in  grege  eorum  hominum,  qnos  doctrina 
non  insignes  ceteris  praemisit:  posteaquam  enim  de  Theognide  Athe- 
niensinm  tjranno  egit,  statim  Theognidis  poetae  memoriam  adnexuit 
(ceterom  cf.  Flach.  1. 1.  p.  83).  Quae  glossa  in  brevius  contracta  cum 
Suidiana  convenit  remoto  quidem  in  fine  cum  Nietzschio  (p.  194)  errore 
(Ifpai^fe  b^  Kai  TVWjLiac  irapatveriKdc).  Adparet  autem  illam  utpote 
ex  Suida  conflatam  (nescio  an  ipsa  Eudociae  manu)  quavis  auctoritate 
esse  inmunem.  Nee  minus  in  aperto  est  Eudociam  ex  eodem  alteram 
glossam  s.  Ö^OTVic  (ttohtttjc)  p.  232  deprompsisse,  nisi  quod  paulo 
aliter  eam  excerpsit.  Qnare  temere  ille  opinatur  huius  yerba  ^tvuj- 
jiac  bi'  ^XeT€iac  eic  im]  ,ßu}*  ex  priore  articulo  adglutinata  esse. 
ütramque  igitur  glossam  Eudocianam  cum  Suida  conspirare  patet. 
Unde  consequitur  Nietzschü  molimen  quo  duas  glossas  Hesychio 
reddidit  plane  cassum  esse,  nee  non  ceteras  eins  ratiocinationes  omni 
carere  fundamento.  ^®)  Sic  conruit  etiam  ista  opinio  quam  priore 
glossa  perpensa  mente  concepit:  cuius  auctori  et  yvujjliOjv  sjllogam 
et  unam  elegiam,  non  carmina  integra  omnia  innotuisse  existumat. 
Nee  vero  conpertam  habemus  quot  elegias  Theognis  conscripserit 
(p.  198,  vid.  Welcker.  Proll.  in  Theogn.  XV  sq.),  perinde  atque 
incertum  est  elegiam  in  Syracusanos  conpositam  genuinorum  car- 
minum  fuisse  particulam  vel  TVvi^^MOtc  ex  bis  ipsis  esse  excerptas. 
Horum  omnium  argumentorum  nervum  admodum  laxum  esse  per  se 
ipsum  intellegitur.  Nee  Leutschium  (Philol.  XXX,  232)  quidem 
Nietzschü  disputationem  conprobasse  video,  quanquam  argumenta 
addere  supersedit  (oeterum  cf.  etiam  F.  Bamorino  Bivist.  di  filo- 
log.  IV,  1 — 49,  238 — 249).  Hie  tarnen  ipse  suam  de  singulis 
Theognidis  carminibus  sententiam  parum  perspicue  neque  ad  per- 
suadendum  adposite  in  chartam  coniecit.  Namque  tria  maiora  car- 
mina Yoluit  distingui  (p.  207),  primum  elegiam  in  Syracusanos,  qua- 

onomatolognm  et  conrigendi  et  locupletandi  causa  consuluerit.  — 
*«)  Sic  nt  uno  exemplo  evincat  (p.  196)  in  irivoKac  Theognidem  biß 
esse  relatum,  ad  gl.  'EirixapMoc  nos  relegat,  ut  cuius  bis  fecerit  mentio- 
nem  Eudocia.  Quo  nil  probatar,  cum  priorem  ex  Suida  (s.  ex  Hesychio), 
alteram  ex  Laertio  VIII,  78  ipsa  deprompserit.  Ergo  perperam  conlegit 
Theognidis  memoriam  et  in  dvaTpa<Ptl  Ttiuv  TroirjTdiv  et  in  d.  Tiiiv  <piXo- 
c6<puiv  illam  repperisse.  Nee  minus  prave  coniecit  in  q)iXoc6q>u)v  dva- 
Tpocp^  Phocylidem  subsecntum  esse  Theognidem,  propterea  quod  ille 
q)iX6coq>oc  et  cOxxpovoc  Suidae  adpellaretur,  ac  plane  incredibile  est 
alterum  quem  posuit  (p.  194)  Hesychii  articulum^propter  aetatis  defini- 
üonem  suppressam  ex  tali  dvaTpaq)^  fluxisse.  Quid?  quod  Diltheyi  (Mus. 
Bh.  XVIII,  160  sq.)  coniecturam  /iGiKtfic  pro  ^ttikuic  in  ordinem  recepit: 
sed  Yocabulum  illud  'in  versibus*  est,  quo  omnes  (moöf^Kai  versibus 
conpositae  fuisse  diserÜm  notantar,  cf.  s.  N(Kav&poc,  TTivbapoc,  sim.  (cf. 
supra  p.  428). 


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426  A.  Daub: 

cum  conposiüt  uirodrJKac  a  Suida  in  fine  conmemoratas,  deinde  elegias 
(p.  522),  quibus  omnia  quae  non  ad  Cjmum  pertinent  conprehendit, 
tum  TVUJjLioXoTiav  npöc  Kupvov,  quam  olim  unoGiiKac  (irpöc  Kupvov) 
inscriptam  fuisse  sütuit.  Qua  in  enarratione  paria  dispaiibas  ad- 
mizta  esBe  liquet,  sed  singula  refeilere  nunc  displicet. 

Attamen  nt  huius  rei  summam  conplectar:  Si  verum  expiscari 
YolumuSy  Suidae  notationem  totam  considerare  debemns  neque  in 
duas  particulas  discerpere.  Quam  ob  causam  sagacissimo  homini  hoc 
minime  probare  contigit,  Alezandrinis  grammaticis  non  iam  cannina 
integra  sed  sjllogam  dumtaxat  fVUJiLidiv  innotuisse.  Itaque  ne  id 
quidem  quo  praecipue  intendit  demonstravit,  poematum  conlectionem 
quam  bodie  manibus  terimus  inter  Piatonis  Ptolemaeique  aetatem 
conpositam  esse  (cf.  etiam  H.  Sohneidewinum  L  1.  32  sq.). 

ToUm  vero  Suidae  glossam,  non  unam  tantum  partem  —  coius 
pristinam  ohginem  Nietzschius  (p.  200)  perspexit,  qui  etiam  ex 
Fiat  Legg.  I,  p.  630  A  iure  conlegit  Suidae  de  Theognidis  patria 
testimonium  non  Didymo  (quod  parum  recte  Scbmidtius  [Didjm.  p.  394] 
sumpserat),  sed  grammatico  vetustiori,  i.  e.  Alexandrinorum  aequali, 
posse  adscribi  —  ex  Alexandrinorum  catalogis  oriundam  esse  nemo 
diffitebitur.  His  denique  pauca  subiungere  placet.  Welckerus  ^^*  (ProlL 
in  Theogn.  p.  LXUI)  quidem  tres  titulos  a  Suida  adlatos  (TVUf^ac, 
YVUJ)üioXotiav,  irapaiv^ceic)  unum  eundemque  librum  foisse  oon- 
tendit;  sed  aliter  equidem  sentio,  cum  universam  operis  Theognidei 
inscriptionem  fViuiiac  b\*  ^X€Y€iac  fuisse  arbitrer,  quarum  partes 
fuerint  et  YVUijioXoTia  irpöc  Kupvov  (xal^^^)  npöc  Kupvov . .  Tvuifio- 
XoT(av)  et  ceterae  Suidae  manu  coartatae uiroGnKai  (Kai  ^T^pac  u.).'^) 

'**)  Gai  nuperrime  adstipulatus  est  J.  Sitzlems  rTheogoidis  Reliqo. 
Heidelb.  1880,  p.  61).  —  "*>)  Nam  particulae  koI  —  xai  divisionem  efficinnt, 
cf.  B.  TTavöXßioc,  s.  Köptvva,  al.  —  *^)  Quibns  dubitanter  addo  tabnlam 
8.  dcÖKpiToc  exhibitam,  quam  ad  yetafitiores  fontes  redire  inde  elucet, 
quod  Theocriti  carminom  tertia  eaque  novissima  Bylloga,  cnios  auctorem 
AhrenBius  (Philol.  XXXIII,  400  sq.,  679  sq.)  EratoBthenem  qnendam  (ca. 
a.  400  p.  Chr.)  sagaciter  exploravit  (sed  vide  nunc  Vahlenum  Ind. 
aest.  lectt  Berol.  1876,  p.  6),  aliquot  a  Suida  enumerata  poemata  non 
conpleotitur  diversamqne  etiam  prodit  ordinandi  rationem  (p.  682  sq.)- 
Idem  AhrensiuB  Suidae  indicem  satis  Yetastnm  esse  disertis  yerbis  mo- 
nuit  (p.  686,  ubi  de  mutua  inter  metaphrasin  Marianam  Theocriteaqne 
carmina  ratione  longo  probabiliora  quam  Haulerus  J[de  Theoer.  yü  et 
carm.  Friburg.  1866,  p.  31  sq.]  proposuit).  Atqne  ipse  Buspicor  hanc 
tabulam  niti  Alexandrinorum  catalogis,  quoram  quidem  aetate  nondnm 
conlecta  illa  vel  in  nnum  corpus  consociata  erant  (cf.  Ahrens.  391  sq., 
Haul.  31  8q.).  In  tabnla  vero  ipsa  hunc  fere  ordinem  animadvertiwe 
mihi  yideor,  ut  primo  loco  ponereDtnr  carmina  bucolica,  secundo  dno 
peculiares  ^tcCujv  titnli,  tertio  üjuivoi,  'HpiUlvat,  ^inic/|&eta,  cum  argumenta 
flimilitudine  omnia  int^  Bemet  conexa  tum  maxime  epico  generi  adfinia, 
ultimo  \xiXr),  ikef^ai,  ta|ißoi,  imypiß^aTa  inter  lyrica  poemata  refermda 
(cf.  Theoer.  carm.  ed.  Fritzsche,  p.  6  adn.,  Bergk.  Mos.  Bh.  VI  (1838), 
28  8q.),  id  quod  hie  pluribus  explicare  longam  est.  Sed  prodere  ▼idettu' 
haec  tabula  ordinem  argumento  carminum  adpositum,  licet  medioeriter 
dilucidum  Saidaeque  describentiB  socordia  conturbatum. 


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De  ßuidae  biogn^hicorain  origine  et  fide.  427 

Qmbus  ezpositia  ceteromm  Ijricomm  tabulae  iam  brevins  possunt 
percenseri.  Ordinem  nimiram  ex  argumento  libroram  inBÜtatam 
pariter  deprehendimus  in  indice  s.  CifiU)v(biic  'louXirJTTic*  .  .  Ka\ 
Y^TpcwTTtti  auTip  Avwpibi  biaXe'KTijj  f^  Ka^ßiicou  Kai  Aapeiou  ßaci- 
Xeia  Ktti  H^plou  vaujaaxia*  Kai  f^  dir'  'ApTe|Liicii|i  vaujuaxia  bi* 
^Xeyeiac,  f|  b'  dv  CaXajiTvi  ^eXiKUK,  Gpfivoi,  dT«CiJ[>|Aia,  dTriTpdjLijiaTa, 
Tiaiävcc,  Kai  TpaYijibtai  Ka\  dXXa  Tarnen  non  satis  iustam  causam 
dispicio,  cur  Bergkius  (P.  L.  G.  '  p.  1145)  una  oom  Bemhardjo  ele- 
giae  f\  Ka^ßucou  —  ßaciXeia  nomen  errore  Suidae  natum  esse  opine- 
tur,  cum  Simonidis  aetate  Cambyses  et  Dareos  regnaTerint.  Verba 
deinde  xal  f)  in^  'ApTejuiciifi  vaujuaxia  ex  Eudociae  violeto  volgo 
supplent  (cf.  Bergk.  L  1.),  sed  nescio  an  magis  oonmendetur  Wachs- 
muthii  coniectura  locum  sie  reconcinnantis  ^Z^pEou  vaujuaxiat,  f) 
in*  'ApT.  jieXiKUK,  i\  b*  iv  CaX.  bi'  iXcTciac':  reete  enim  Bergkius 
Yocum  ^eXiKWC  et  bi'  iXcT^iac  sedem  hunc  in  modum  permutandam 
esse  yidit,  com  Bernhai'dyi  (vid.  ad  Said.)  sententia  prorsus  reicula  sit 
At  idem  iure  titulum  TpaT4>i>iat  in  suspitionem  vocavit  tanquam  mero 
conmento  enatum. 

Sed  ad  litterarum  ordinem  recensentur  scripta  s.  TTapO^vioc . , 
dX€T€ioTTOiöc  Kai  ji^Tpuiv  bia<pöpiuv  iTOitiTTJc  . .  ^TP^M^c  bT  ^creiac* 
(sie  optime  emendavit  Sohneideras  Call.  II,  32,  cf.  Wachsm.  Sjmb.  152, 
et  not.  44,  cum  volgo  exhibeant  d'  dX€'f€iac)  '^(ppobiTtiv,  *j^pr\vi\c 
dTTiKrjbeiov,  '^prJTTic  ^yi^uü^igv  (de  quibus  cf.  Meinek.  Anal.  Alex, 
p.  259  sq.),  Kai  äXXa  noXXd,  quibus  plenioris  tabulae  ex  bibliothecalb 
catalogo  petitae  initium  servatum  est.  Videtur  autem  qui  tabulam 
confecit  singulas  elegias  primum  enumerasse  Kard  CTOixciov  dispo- 
sitas,  dein  cetera  poetae  carmina  (velut  '€pU)TiKd),  quae  Suidas  de- 
scribere  noluit,  Accedimus  ad  glossam  s.  Mi]Livep]ioc,  quae  indice 
sane  orbata  haec  verba  in  calce  praebet:  ^TP^M^^  ßißXta  raCra 
TToXXd:  quae  quamvis  difücillima  plerisque  visa  sint,  res  tarnen  ipsa 
perspicua  est  (cf.  Westerm.  BiOTpaq).  p.  110,  qui  varias  opiniones 
congessit).  Nimirum  largam  tabulam  liquide  indicant^  quam  Sui- 
das sive  librarü  eins  describere  noluerint.  Dionysium  vero,  credo 
etiam  Hesycbium,  plenum  indicem  exhibuisse  nee  non  verba  ßißXia 
raöra  (iroXXd)  dedisse  mihi  equidem  persuasum  est:  quae  cum  tabula 
non  adiecta  haud  satis  apta  viderenttir,  in  Eudociae  violario  Suidae- 
que  aliquot  libris  vox  TßOra  prudenter  omissa  est  Sed  displicet 
utique  Yolkmanni  (U,  727  sq.)  explicatio  ex  vita  Mimnermi  carmi- 
nibus  praefixa  talia  fluxisse  censentis;  quae  si  vera  esset,  dici  oerte 
debuit:  ifpax^fe  ßißXta  raOra  Kai  dXXa  iroXXd.  Nee  felicius  Bergkio 
res  cessit  verba  iÜa  Suidae  aÖTOCxebiacjLia  esse  simplidter  statuenti; 
ceterorum  autem  opiniones  iam  a  Yolkmanno  confutatas  silentio  pre- 
mere  praestat.  Nuper  denique  6uil.  Meyerus  (Mus.  Rh.  n.  XXIII,  691) 
TOiaGra  suasit  eamque  vocem  ad  djiijLieX^c  Kai  Xif  u  referri  iussit,  quam 
coniecturam  ideo  reprobo,  quod  duo  enuntiata  tali  nexu  copulare  non 
adsolet  Suidas  (at  paulo  aliter  res   se  habet  in  gl.  GuboEoc  .  • 

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428  A.  Daub: 

Kttl   &X€   TTpdc   dcTpoXotiav  .  .  iypa^ii   t€   TrXeTcTa   toO   etbouc 

TOUTOU). 

Progredimur  ad  tabulam  quae  eztat  8.  CaTrqpd)^^)  .  .  ä'xpa\\fe 
jueXOüV  XupiKWV  ßißXia  9'.  xai  irpOüTii  irXfiKTpov  eupev.  ?TP0V€ 
bk  Kai  ^iriTpdinjLiaTa  xai  AeTcTa  Kai  Mjuißouc  Kai  fiovifibtac,  ubi 
verba  jieXüüV  XupiKUüV  ßißXia  6',  quibus  qnot  libfis  constiterint  jicXri 
disertum  profertar  testimonium,  irivogiv  adsignare  nemo  dubitabit. 
Qoaeritar  autem  nom  relicua  mentione  plectri  a  Sapphone  inventi 
intetiecta  ex  eodem  limpido  fönte  promanaverint  (cf.  A.  Schoeninm 
Symb.  Phil.  Bonn.  p.  760).  Nego,  quam  vis  litterarum  seriem  teneant, 
eidemque  illa  auctori  adtribuo,  cni  verba  Kai  updiTTi  TTXf]KTpov  eöpev 
debentur.  Volkmannas  contra  (II,  728)  utrinsque  testimonii  eam  esse 
rationem  statuit,  nt  primo  loco  nobilissimnm  Sapphonis  opns,  secundo 
cetera  minus  celebrata  vel  citius  oblitterata  (^Tpotil^e  bi.  Kai  .  .)  ex- 
hibeantur.  Quod  fieri  sane  potuit,  nee  strenue  Yolkmanni  rationi  per- 
belle excogitatae  obloquor;  tarnen  si  utrumque  eodem  ex  fönte  fluxisse 
verum  est,  cur  tandem  ab  Hesychio  verba  Kai  irpdrrov  k.  t.  X.  inter- 
posita  esse  censebimus?  —  Sed  Yolkmanno  (1.  L)  prorsus  refragor 
eadem ratione explicanti,  quods.  OiXöEevoc  primum  conmemorentur 
biGupajLißot  KÖ',  dein  de  vita  eins  paucis  enarratis  ad  operis  alicuius 
mentionem  iterum  deflectat  oratio  idque  bis  verbis :  ^Tpaq/e  bk  jicXi- 
k6jc  Tfjv  TeveaXoTiav  tu)v  AlaKib&v.  Satis  enim  dilucidum  est  totam 
glossam  duabus  particulis  contineri,  quarum  alteram  (usque  ad 
dÖTOC  dvbpaTTobicO^VTUJv)  auctori  pinacographico,  uberiorem  alteram 
Hermippo  Berytio  (cf.  Wachsmuth.  1. 1. 142)  vindico.  Sequilur  tabula 
8.  Ti]i66€OC^^^)  exbibita,  quae  quamvis  truncata  pristinae  tarnen 


*')  Qua  in  glosBa  diversorum  auctorum  testimonia  in  unum  con- 
glutinata  sont.  Sapphonis  autem  vitae  enarrandae  solidum  fundamentum 
grammatici  Alexandrini  iecerunt,  a  quibus  nomen  patris  matria  patriae, 
aetas,  opera  denotata  fuisse  videntur  (cf.  Schoen.  1.  1.  741).  Eis  accedunt 
quae  ab  aliorum  Btudiis  sive  inventia  repetenda  sunt,  velut  quae  de 
nominibus  patria  fratruxn  familiarium  diacipulorum ,  vita,  rebus  poetriae 
proferuntur,  offeDaionis  illa  haud  inmunia  (cf.  Schoen.  759,  qui  quidem 
originem  verborum  ^TOji/iOr]  —  £i)vtiKa  ad  mediam  revocat  comoediam); 
cetera  referenda  videntur  ad  Ghamaeleoutem  (ircpl  CaTrq)oOc  Ath.  VIII, 
569  c),  aive  ad  Calliam  (ö  ti^v  Cair9dj  kuI  *AXKa1ov  4EiiTTlcd|bievoc  Strab. 
XIII,  p.  618).  —  *^^)  Hie  de  Tunothei  temporibus  paucis  exponendum 
esse  videtift".  Haec  enim  apud  Suidam  leguntur:  Ti)üiö9€oc  :  .  t^v  6*  ixd 
tCöv  €OpiiT(&^u  xp^vuiv,  Ka9'  oöc  xal  <t)(Xiinroc  ö  MuKC&djv  ^ßad- 
Xcuev:  mirum  profecto  cuTXPOvic^öv  inter  Euripidem  et  Philippum  posuit 
Suidaa,  nee-  difficile  erat  cum  Beineaio  vooem  <l>{XiinTOC  m  *Apx^aoc 
conrigere.  Quod  tamen  cum  Rohdio  (Mus.  Rh.  n.  XXXIII  192,  n.  1)  in- 
probo,  cum  talo  erratum  librariorum  oscitantiae  inputari  nequeat.  Sed 
verborum  illorum  patrocinium  Rohdius  (p.  191  aq.)  suacepit  eaque  sie 
explicavit,  ut  in  vacno  temporum  interatitio,  quod  inter  extremam  ^trox^iv 
Tuüv  TTeXoirowiiciaKiöv  et  Philippi  regnum  inteivenit,  huiua  regnum  lumiiiis 
instar  fuisse  sumpserit,  quod  Suidae  vel  rectiua  eius  auctoribus  in  tempo- 
ribus definiendis  praefulserit,  conl.  s.  Kapk!voc  .  .  f|K|Lia2^€  kutu  Tf)v  p' 
öXufimd&a  (cf.  Meinek.  F.  C.  G.  I,  507)  irp6  Tf^c  4>iX(inT0U  ßaciXcCac;    b. 


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De  Saidae  biographicoram  origine  et  fide.  429 

originis  etiamnum  prae  se  fert  yesiigia:  . .  Ypdifiac^öi'  ^nuiv  vöjiouc 
MOuciKOÜc  10',  npooCjiio  W  (ex  Stephano  Bjzantio  s.  MiXtitoc',^ q^i 
Philone  Bjblio  auctore  Timotheo  \r\  ßißXia  vö^wv  KiGaptubiKOiv  et 
Trpovoma  äXXuiv  (?)  x^^ia  adscripsit,  nihil  lucramur),  "Apieiiiv, 
biacK€udc  r\\  dTKi&Mia,  TTepcac  f\  NauirXiov,  Oivcibac,  Aa^priiv, 
biGupäfißouc  IT]',  UMVOUC  kq  ,  xai  äXXa  rivä,  in  quibus  et  generales 
et  peculiares  titulos  una  sehe  conprehensos  esse  Bergkias|^(P/^L. 
G.'  p.  1268)  recte  perspexit,  cum  "ApTejuic  bymnus  fnerit  (vide 
Alex.  Aetol.  ap.  Macrob.  Sat  V,  22),  Persae  vöjnoc  (Paus.  VIII, 
50,  3),  Laertes  et  Phinidae  vel  ad  vö^ouc  vel  ad   biOupäjiißouc 


'6(popoc . .  ibc  Kai  Trp6  tt^c  4>iX(inT0u  ßaciX€(ac  cTvai:  unde  conlegisse  videtur 
tum  quoqne  com  certa  ^irox^i  indicari  potuit  Pbilippi  aetatem  termini 
yicibus  functam  esse.  £a  vero  exempla  num  ad  pravam  istam  chrono- 
logiam  tuendam.  quicquam  yalent?  Minime,  opinor.  Nee  mihi  qnidem 
ratio  illa  satis  fecit,  qua  Bohdiua  intellezit  Ephori  cuYXPOvic^öv.  Voca- 
bulo  f\v  (h*  itd  Tf\c  QT  6Xu^ir.)  nil  aliud  nisi  annus  natalis  significatur; 
ac  quamTis  locutio  i^v  pro  f^ovc  (^t^cto)  yolgo  non  adhibita  sit,  Suidae 
tarnen  inscitiae  ;i  eiusmodi  usum  tribui  posse  Rohdio  (p.  191)  largior: 
Ephori  enim  'historiam'  nsque  ad  yicesimum  Pbilippi  r^rni  annum  (340) 
quo  Perinthum  oppugnavit  fpertinuisse  ex  jDiodoro  (Xvr,  76)  adparet. 
Ergo  Ephori  dx^f)  in  oljmp.  93.  poni  neqnit.  Sed  quid  sibi  volunt  verba 
^dic  Kol  irpö  T^c  <l)iX(inrou  ßaaXe(ac  cTvai'?  Non  dubium  est  quin  de 
Ephori  aetate  duo  testimonia  praesto  fuerint  Hesychio:  1)  annus  natalis, 
2)  dK^f)  sive  omnino  aetas  eins  ad  tempora  Pbilippi  relata,  quoniam  £. 
res  sub  imperio  eins  per  yiginti  annos  gestas  descripsit.  Quibus  testi- 
moniis  usus  Suidas  ait:  'natus  est  Olymp.  93,  ita  ut  etiam  ante  Pbi- 
lippi regnum  fuerit'  (i.  e.  floruerit),  non  solum  igitur  sub  regno  Pbilippi 
ipso.  Quare  in  promptu  fuit  talem  Ephori  cuTXpovlc^6v  constituere.  — 
Sed  in  altera  notatione  s.  v.  Kopkivoc  Bohdianam  rationem  conprobo, 
etiamsi  ne  hoc  quidem  exemplo  Suidae  istae  ineptiae  defendi  queant. 
Quid  enim?  In  utraque  vita  per  Philippi  imperium  terminus  denotatur, 
ante  quem  scriptores  illi  fuerunt.  Num  hoc  convenit  locutioni:  'floruit 
Th.  Euripidis  temporibus,  quibus  (yel  ^circa  quae')  etiam  Philippua 
regnavit?'  Si  Suidas  scripsisset  '\bc  irp6  Tffc  O.  ß.  eTvm',  sive  etiam 
^KaO'  oOc  oÖnuj  0(XiinToc  ^ßac(X€U€v',  haec  verba  forsitan  patererour. 
—  Sed  nunc  Bobdius  ipse  hanc  totam  opinionem  abiecisse  "ddetur 
(cf.  Mus.  Rh.  n.  XXXIV,  673,  n.  2):  inde  nimirum  quod  Timothens  sub 
Philippi  imperio  vixisse  dicatur  cum  Bembardyo  conlegit  Suidam 
(s.  Hesychium)  hie  plane  aiium  Timotheum  —  quem  auletam  fuisse 
et  Philippi  Alexan<bique  aetate  floruisse  autnmat  —  perperam  in- 
miscuisse.  Quae  coniectura  quamvis  acutissime  excogitata  ab  omni 
tarnen  probabilitate  abhorret  (cf.  n.  22,  b).  Omnia  nimirum  apte 
proeedent,  si  leni  transpositione  cum  Wacbsmuthio  'jcal  Ka6'  oOc 
<t>{XtTnTOc'  restituerimns;  fuit  Euripidis  aequalis  T.,  sed  vixit  etiam  regnante 
Philippe  —  id  quod  verum  est:  adtigpsse  eum  certe  testatur  marmor 
Parium  epoch.  76.  Tim.  nonagenarium  (septem  etiam  plus  annos  tribuit 
ei  Suidas);  cumque  in  Macedonia  mortem  obierit  (teste  Philone  Byblio 
ap.  Steph.  Byz.  s.  M<Xt)toc),  extrema  aetate  in  aula  regia  Pellaea  vixisse 
eum  veri  simile  est.  Quae  coniectura  multo  sane  probabilior  est  quam 
quod  ego  olim  suspicabar,  Suidam  ipsum  verba  illa  dormitanter  adiecisse, 
ita  quidem  ut  mutuae  inter  Euripidem  regesque  Macedonum  necessitu- 
dinis  haud  inmemor  nobilissimum  ante  Alexandmm  regem  Philippum 
pro  Toro  Archeiao  substituerit. 


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430  A.  Danb: 

(cf.  Arist.  Poet  2)  pertmuerint.  Idem  porro  cam  Bipparto  (conL 
Athen«  Vlll,  338  a)  NaurAov  ^  NauTiXiov  redintegravit,  denique 
plennm  titalnm  C€M^Xt)c  uibic  (Dio  Cliiys.  77,  768)  fuisse  ooniedt. 
Qua  re  pensitata  in  Alexandiinomm  catalogis  Timothei  cannina 
secundum  argumentum  dieposita^  singulorum  autem  librorum  in- 
scriptiones  ex  litterarum  ordine  —  onius  vestigia  in  Suidae  tabula 
non  latitant  —  recensitas  fnisBe  credo,  quas  Suidas  eiusre  auctor 
non  integras  (xai  äXXa  nvd)  neque  sedulo  descripeerint^^) 

Ceteri  Ijricorum  carminum  indices  partim  eandem  atque  quoe 
supra  percensuimus  prae  se  ferunt  indolem,  partim  inter  semet  ipsos 
id  conmune  habent,  quod  librorum  seu  yersuum  numerus  bis  illia 
de  metro  dialectove  notulis  adnexis  distincte  indicatur,  quo  fides 
borum  testimoniorum  non  nihil  firmatur**),  Yelut  s.  'AXx^dv  . . 
^TPCttpe  ßißXJa  g'  \il\r] . .  K^pxnrai  bi  Auipibi  öioX^ktui  . .,  s.  *Ava- 
Kp^uiv,  qua  in  glossa  vetustiorem  et  sequiorem  auctorem  dignoscere 
possumus;  verba  enim  ßioc  b'  fjv  —  'AvaKpeövTcia  manifesto  re- 
centioris  hominis  sunt  (cf.  Welcker.  Praef.  Theogn.  LXXIV),  com 
anteriora  fypaiiicv  dXeteTa  kqi  id^ßouc  Idbi  irävra  biaX^icru) 
priscam  redoleant  originem;  s.  "IßuKOC  . .  iccx  b'  aÖToG  rä  ßißXia  t 
tQ  Aujp(bi  biaX^KTqi;  8,  Köpivva  (de  Corinnarum  quae  feruntor 
nominibus  adi  Welckerum  in  Creuzer.  Melet  crit.  11,  16)  . .  lyf^\\^ 
ßißXia  e',  (hie  nimirum  yelim  interpungas)  xai  imfpA}iiiaTa  xal 
vöjiouc  XupiKOuc;  s.  Crticlxopoc  . .  Icnv  aörif)  rä  iroiVJMaTa  Aui- 
pibi  biaX^KTtp  dv  ßißXioic  Kff';  s.  TupTaioc . .  ifpa\\f€  TroXiTciav 
AaKcbaijLiovioic  xai  örroGriKac  bi'  dXeTeiac  xai  ^i\r]  YroXcincTrjpia, 
ßißXta  €^ 

Haec  de  lyricorum  notationibus  satis  sunto;  quae  praeterea  in 
eo  genere  conlegi,  in  praesens  mittere  placuit 


**^)  Sagadanme  nuper  hac  de  tabula  Stephani  Bjrs.  (s.  MCXirroc) 
indiculo  nmul  adhibito  diBputavit  Bohdins  (1. 1.  573,  n.  8),  qni  Timotiiei 
vöfiouc  (una  cum  titulis  peculiaribus)  et  ^i6upd|Aßouc,  itemque  npoofHia 
et  dMvouc  eadem  carmina  fuisse  ratos  Suidam  duo  Timothei  irfvaKoc 
conflasse  coniedt,  titnloa  autem  öiaoccuai  f\  et  irnJ^^ui  Timodi  aoletae 
(vid.  not.  38,  a)  adsignarit.  Quae  omnia  quam  ineerta  sint  ipse  fatetui; 
sed  omnino  non  ansim  Stephani  tabula  nixns  —  quam  mutüam  esse 
credo  —  emendare  Suidianam;  neque  enim  hi  duo  indices  artius  oo- 
haerere  mihi  videntnr.  —  *")  Sed  noii  titulo  confidere  quem  Suidas  ■. 
*Ap{uiv  ezhibet,  irpoo{|Lita  de  inr\  ,fL,  quem  numenmi  mere  efßctom  esse 
HilleruB  (Mus.  Bh.  1.  1.  682)  penpeadt.  Praeterea  Periaadri  canainis 
notitia  ((nroef)Kat  de  t6v  dvepUmciov  ßiov  ^n)  ,ß,  cf.  Laert  I,  97)  ob 
Bingnlarem  Tenuum  numerum  admodum  suspecta  ex  Lobonis  Argivi 
opere  (irepi  ironrnSiv)  fimdsse  Tidetur  (cf.  Hiller.  1.  L  p.  620,  624  sq.).  Kec 
minus  in  tabula  s.  TTtrraicöc  titolus  iXefCIa  ficT)  x'  in  gravissimam  cadit 
ofEuksionem. 


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De  Soidae  biographicomm  oiigine  et  fide.  431 

Caput  V. 
De  PMlonis  Byblii  auctoritate. 

Postqti&m  Dionjsii  Halicaniassensis  tanquam  primarii  Hesjchii 
in  Yitis  poetarum  et  musicorum  ducis  anctoritatem  fidemque  ex- 
plorayimus^  nova  nunc  existit  eaqne  subdifficilis  quaestio,  quibus  ex 
fontibas  Hesychins  oratornm  et  sopbi stamm,  grammatico- 
rum,  historicorum,  pbilosophorum  notationes,  in  bis  cum 
maxime  librorum  tabalas  bauserit.  Ac  primam  quidem  eorum 
hominnm  inlnstrinm  qni  inde  a  primo  a.  Gbr.  saecnlo  ex- 
eunte  nsqne  ad  Hadriani  aetatem  floruerunt  vitas  tempo- 
ram  nota  distinctas  intentius  considerare  in  animo  est. 

In  recensendo  grammaticorum  grege  Hesycbinm  luculento 
auctore  sive  anctoribus  Hadriani  aetatis  usum  esse  iam  Wacbsmntbius 
(Symb.  144  sq.)  probabili  ratiocinatione  eflfecit:  inter  qnos  Phüonem 
Byblium  prae  ceteris  enitere  perspexit,  tamen  adcuratiorem  buins 
anctoritatis  investigationem  aliis  relinquere  maluit.  Nee  vero  eun- 
dem  id  fagit  (p.  145J,  observationem  illam  non  solum  intra  gramma- 
ticorum fines  contineri,  sed  multo  latius  patere.  Quod  ut  palam  fiat; 
gravissima  quaeque  exempla  quorum  communis  fere  indoles  singula- 
rem  sibi  yindicat  anctorem  in  uno  conspectu  ponam.  Qua  in  re 
quatenus  licebit  sequar  ordinem  cbronologicum. 

B.  Ti^aT^VTic  .  .  'AXeHavbpeöc,  ßrJTiwp  .  .  8c  im  TToilitttiiou 
ToO  |i€T<iXou  aiXMÄXujToc  dxOcic  ^v  *Pibjir|  und  toö  Taßmou  ^Huj- 
vrjen  •  -Ktti  £coq)icT€uc€v  dv  *Pu>|biij  InX  t'  auToö  TTo)iTniiou  xal 
|ui€T*  airröv,  ini  T€  Kaicapoc  toO  Aötouctou  kqI  incTdireiTa  &|Lia 
KcKtXiuu . .  (cf.  8.  TTiüXCiuv  5  'Acivioc). 

s.  Tupavviiüv  6  veuirepoc  .  .  fiaOtitfic  Tupawiuivoc  toO 
TTp€cßirrepou . .  dx^AXurroc  hk  T€vdia€Voc  Ka\  auröc  inX  toO  tto- 
X^liou  *AvTu>v(ou  Kttl  Kaicapoc  . .  {bYf\Br\  . .  ^XeuOepuiGek  .  .  dco- 
<p{cT€UC€V  iv  *Piw|Liij . .,  conl.  ctiam  s.  TupawCiuv  ^Ajuicnvöc. 

8.  AiocKopibric . .  larpöc,  cuvflv  bk  KXeoTtdrpqt  dtr*  'Avtuj- 
viou  (cl  B.  KdcTiup  'Pöbioc  et  s.  'lößac). 

8.  AiöbiJüpoc  CiKeXiiÖTHC,  icropiKÖc  . .  t^tovc  6'  inx  tiBv 
Xpövuiv  AtLTfoucTOu  Kaicapoc  Ka\  ^trdvuj. 

B.  9du)v  *AX€Havbp€uc,  (piXöco<poc,  reTOVuic  dir'  Autouctou 
fiex'  "Apciov. 

(Of.  etiam  s.  OX^x^v  TpaXXiavöc,  dTrcXeuOcpoc  toO  CcßacxoO 
Kaicapoc,  o\  b'  *AbpiavoO  q)aciv,  kropiKÖc.) 

8.  Aiovucioc  .  .  'AXiKapvacceOc,  ^Tujp  Kai  Travroiuic 
XÖTioc.  T^TOve  b*  dirl  Kaicapoc  toO  CeßacroO,  npÖTOvoc  toO  dir* 
'Abptavoö  T^TOVÖTOC  'AttikictoO. 

s.  *€p|LiaTÖpac  Tfiiiivou  . .  dtralbeuce  b*  oötoc  ^erd  Kcki- 
Xiou  dv  'PiwMTj  dir!  Kaicapoc  Aötoüctou  Kai  TeXeurql  tröppuj  tf^c 
flXtxiac 

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432  A.  Danb: 

8.  KeKiXioc  .  .  ^riTiüp,  coqpiCTCucac  dv  Taiinq  ivX  toO 
CeßacToC  Kaicapoc  xai  ^U)C  'AöpiavoC  (hoc  fidem  excedit.  Locum 
non  magis  integrum  quam  emendatum  esse  ait  Bemhardjus.  Quare 
nescio  an  verba  sie  reconcinnanda  sint:  Kai  etc  tuiv  Sujc  'AbpiavoO, 
cl.  8.  Aiovucioc  6  rXouKOu  et  s.  *Apxißioc,  cf.  praeterea  Eohdium 
Mus.  Eh.  n.  XXXin,  175  med.),  Kai  dirö  boiiXuiV,  die  Tivec  icxopriKaciv. 

8.  TToTd)iU)v  'AXeEavbpeüc,  cpiX6coq)oc,  t€tovuic  npd  Au- 
TOUCTOU  Kai  ]i€T'  auTÖv  (quae  verba  extrema  alii  aliter  conrexerunt, 
yid.  Bemh.  ad  Suid.  et  Bohdium  Mus.  Bh.  n.  XXXIII,  166,  not.  1)  nuper 
coniecit  Kar'  auTÖv.  Sed  iila  non  tam  absona  sunt  ut  mutatione 
indigeant,  Nam  si  Potamon  et  ante  Augustum  et  post  eum  floruit, 
hunc  etiam  sub  Augusti  imperio  vixisse  sua  sponte  intellegitur) ; 
cf.  ß.  AecßoivaH  . .  9iXöco<poc,  t^TOvujc  in'  Autoüctou  (?),  ira-rfip 
TToTdjLiiJüVGC  ToC  9iXocö<pou  (qua  de  glossa  vide  egregie  disputantem 
Bohdium  d.  griech.  Boman.  p.  342,  not.). 

8.  NiKÖXaoc  AaMacKTivöc,  TvuipiMOC  'Hpuibou  .  .  koI  M- 
toücTOU  Kaicapoc  (ceterum  cf.  Mus,  Bh.  n.  XXXV,  63  sq.). 

6.  Aiovücioc  5  irepiriYTiTric  . .  fifove  ö'  dm  tujv  TojjLia'i- 
Kuiv  xpovuiv  ji€T'  AÖTOucTov  Kalcapa,  f\  Itc'  auroO,  o\  bi  Korä 
Ndpwva  TÖv  'Pujjuaiwv  ßaciXda  qpaci  T€vdc0ai. 

s.  Crpdßwv  'AjLiaceuc,  q)iXöcoq)oc,  YCTOvev  im  Tißepiou 
Kaicapoc. 

s.  6e6bujpoc  rabapeOc,  cocpicn^c,  dirö  bouXuiv,  bibdcKaXoc 
Y€Tovdic  Tißepiou  Kaicapoc.  dTriToO  bi  (sie  enim  conrigendum  est 
pro  inü  bi,  vid.  Mus.  Bh.  1. 1.  66)  cuvcKpiGf]  irepi  cocpicxiKfic  dTUü- 
vicdjLievoc  TToTd)iuJVi  Kai  'AvTiTrdipij;  dv  aui^  t^  'Pi^Mq.  dir* 
*AbpiavoO  Kaicapoc  6  ulöc  aöroö  'Avtüüvioc  cutkXtitiköc  dTdvero. 

s.  TToTdjiUiv  MuTiXrivaToc  .  .  ^rJTUjp  .  .  dcocpicxeucev 
dv  Taijuri  dm  Kaicapoc  Tißepiou  k.  t.  X. 

s.  *ATriujv  6  TTXeicToviKOu  . .  AItutttioc,  Kaxd  b*  '€XiKdiviov 
Kprjc,  YPttMMCtxiKÖc,  jnaOrix^jc  'ATToXXujviou  xoö  'Apxißiou  . .  dirai- 
beuce  b'  dirl  Tißepiou  Kaicapoc  Kai  KXaubiou  dv  'Püüjlhj.  fjv  bk 
bidboxoc  edujvoc  xoö  TpOMMaxiKOÖ  Kai  cuYXPOVoc  Aio- 
vuciou  xoö  *AXiK. 

8.  CaXoucxioc  . .  laxpdc,  dm  Tißepiou  Kaicapoc. 

s.  TToXuaivoc  Capbiavöc,  cocpicxric,  t€TOVujc  dm  xoö 
Trpibxou  Kaicapoc  Tatou  (sed  cf.  nunc  Bohdium  Mus.  Bh.  n. 
XXXIV,  620). 

8.  'Avxdpuic  6  Kai  'AttoXXiuvioc,  TpamnaxiKÖc,  iraibeucac 
dv  Tiwjüiij  dxrl  KXaubiou  xoö  jLiexd  fdiov  ßaciXeucavxoc, 
i(p*  oÖTiep  Kai  'HpaKXeibric  6  TTovxiköc  fdTOvev,  dK0ucxf|c 
b'  flv  'AttIuüvoc  xoö  MöxOou. 

B.  'HpaKXeibric  TTovxiköc  ..  tpaWiaxiKÖc  .  .  elc  ^Pd}\xr\y 
bk  Koiiicac  Kai  xoö  ''Arrepoc  Kaxacpavelc  (fortasse  KaxeKq>aveic 
sive  KaxeKcpavTic,  cf.  s.  AounepKoc*  .  .  .  KaxeubOKijuei  'Hpujbiavoö) 
Kaxdjieive  cxoXapxujv  dv  auxQ  dm  KXaubiou  Kai  Ndpuivoc 


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De  Süidae  biographiconnn  origine  et  fide.  433 

s,  'AttoXXoivioc  TuaveiJc,  (piX6coq)oc  .  .  iJKjüKxZc  \ikv  in\ 
KXauöiou  Ka\  fatou  Kai  Ndpujvoc  xal  ji^xp^  N^pßcc;  £<p'  oS  xal 
M€TriXXa£€V  (cf.  etiam  s.  *ATTTriav6c  et  s.  Aiiauc). 

8.  AibuMoc  ö  TOO  "HpaKXetbou,  TP<XMMttTiK6c,  8c  bi^rpiifie 
rrapd  N^puivi . . 

8.  Aiovucioc  *AX€Havbp6uc,  6  fXauKOU  uWc,  YPöMMaTiKÖc, 
8CTIC  dirö  N^piüVOC  cwnv  xal  rolq  fiixQ*'  Tqaiavw  (Rohdm8 
1.  L  165,  n.  1  ante  cuvf\v  addidit  j\v  xai  (cl.  s.  ^ApiCTÖSevoc),  ipse 
olim  insemi  i&v.  Sed  utraque  scriptura  multo  probabilior  e8t 
Wachsmathii  emendatio  *8c  TOic  dtird  N.  cuvf^v*,  praesertim  cum 
in  his  ^biographicis'  nomini  hominis  litterati  plenaeque  eins  signi- 
ficationi  relicua  memoria  soleat  adnecti  pronomine  Sc  neqae  ScTic'^)), 
Kai  Tupv  ßißXio6TiKU)V  npoCcTr) . .  ?jv  b^  Kai  bibdcKaXoc  TTap0€viou 
TOü  TpaWiaTiKoO,  |ia8TiTf|c  hk  XaipTJMOVOC  toO  q)iXocÖ90u, 
8v  Kttl  biebtf  aro  . . 

8.  *€Traq)pdbiToc  Xaipuüveuc,  YpO|Li|LiaTiKÖc,  *Apxlou  . .  9p€- 
irröc.Kal  iraibcucac. .  dv  Ti{)|Lir|  bidripeMicv  ^Tti  N^puivoc 
Kai  \xi\p\  N^pßa,  KaO*  8v  xpövov  xal  IlroXefiatoq  o"H<pai' 
Czia^Toq  1JV  xal  äXXoi  avxvol  r<ov  6vofMMöx^v  iv  xaidei^  K.  T.  X. 

8.  'AX^gavbpoc  AlTaToc,  (piX6coq)oc  . .  bibdcKaXoc  Ndpuivoc 
ToO  ßactX^uic,  ä^a  Xatprjiiovi . . 

8.  KopvoOTOC  AcTTTdiic,  q)iX6co(poc,  f  ^Tovdic  iv  'Puijuij 
iiA  N^puivoc  Kai  Ttpoc  auroO  ävaip66eic  cuv  tCD  Moucujviqj. 

8.  Moucubvioc..  Tupprivöc  .  .  biaXcKiiKÖc  q)iXöcocpoc  Kai 
cnutKÖC,  Y^TOvdic  irA  N^puivoc,  yviOQifw^  6*  *AxoXla>viov  rov 
Tvaviütq  xal  aXXtov  xoXXdiv  •  • 

8.  'AKOuciXaoc  *AeiivaToc  öiv  •  •  oötoc  t^pdcOn  Xötuiv  tv 
'Aefivaic  Kai  dX0d)v  elc  'Puijunv  im  TdXßa  bi^rpiMiev  (an  b\i- 

7rp€l|l€V?)  £V  XÖYOIC  ^T^TOpiKOlC 

8.  CKOTTeXtavöc  KXaZo)i^vioc,  cocpiCT/jc,  y^YOVujc  in\ 
N^pßa  . .  cuYXPovujv  *A7roXXuivii}i  tiD  TuaveT. 

8.  TTXouTapxoc  Xaipuiveuc  . .  y€Y0vuic  im  tdiv  TpaiavoO 
ToO  Kaicapoc  xpövuiv  Kai  in  irpöcOev  (cf.  etiam  s.  'Idcuiv  'ApYeioc). 

8.  'ApiCTOKXiic . .  coq)icTric,  y^YOVujc  ini  T€  TpaiavoO  Kai 
'AbpiavoO. 

s.  Aiuiv  6  TTaciKpdTOuc  .  .  bi^Tp€i|i6  tö  ttXcictov  wapd 
Tpaiavifi . . 

8.  'Apxißioc  TTxoXeiLiaiou  . .  yQafAfiavixdq  xmv  Smq  ToaXa- 

*^)  Novit  tarnen  ezempla  contraria  haece:  s.  ^Avncd^c  .  .  q>tX6coq)oc 
CtuKpoTiKÖc,  ÖCTic  ir6piiraTT|TiK6c  ^KXf|6r];  a.  *ApiCTOY€(TWv  .  .  piyrwp  .  . 
öcTtc  lircKoX^TO  KOuiv;  bis  in  talibus  öcircp  adhibitnm  est:  s.  'Ap{- 
cntnroc  .  .  <ptX6coq>oc  .  .  d<p'  oOircp  fj  Kupiiva'iKi^  .  .  aYpcctc  fJpSaTO;  s. 
Kapv€d&T)€  .  .  91XÖC090C,  d(p*  o{)iT€p  Vj  v^a  dKa&nM^cx  f|pEaTO.  Opinatur 
yero  talibus  fortasse  interdnm  fontem  reddi  pariter  ac  viz  casu  factum  sit, 
qaod  quater  'otTiv€c'  usurpetur  ad  significandos  VII  tragicos,  cf.  s.  Au- 
ic6<ppuiv,  CoqiOKXf)c  'A6r)vottoc,  CuiaqM&vy)c,  <t>tXicKOC. 

jAhrb.  t  dass.  Phllol  Snppl.  Ed.  XI.  28        ^  j 

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484  A.  Danb: 

8.  TTroXe^aioc  . .  YPctmiaTiKÖc,  5  toO  'Hcpmcriuivoc,  t€TO- 
vibc  diri  Te  TpaiavoO  Kai  'AbpiavoO  tujv  auroxpaTÖpuiv. 

s.  *ApxiT^VTic  . .  in\  TpaiavoO  larpeücac  iv  'Pw^ij. 

ß.  *Poö(poc  'Gqp^cioc,  larpöc  • .  T €TOVibc  dirl  TpaiavoO  cuv 
KpiiiüVi  (vid.  Rohdium  1.  1.  180,  n.  4). 

s.  Cuipavöc  . .  *e<p^cioc,  laxpöc  . .  Kai  dv  Tuiinq  b*  iorpcu- 
cac  im  TpaiavoO  Kai  'AbpiavoO  xdiv  ßaciX^uJV,  ßißXia  t€  cuvrdiac 
irXeTcTa  Kai  KdXXicia. 

ß.M€CO|i/ibnc  KprjC,  XupiKÖc,  fCTOVoic  dm  xuiv 'AbpiavoO xpo- 
vuJVjdTTeXeüGepoc  aöroO  Kai  dvxoTc  juiXicia  qpiXoc  (velrectius  cpiXoic). 

8.  KeqpaXiuuv  f\  KecpdXuiv  . .  ^/JTuip  Kai  kropiKÖc,  y^TOvibc 
dir'  *AbpiavoO. 

8.  Zrivößioc  C09iCTyic,  iraibcucac  £v  Tifi^iq  in*  *Abpia- 
voO  Kaicapoc. 

8.  AoXXiavöc  '€cp^cioc,  cocpictfjc  . .  yctovuic  dir'  'AbpiavoC 
ToO  Katcapoc. 

8.  TTaOXoc  Tupioc,  ^rJTUip,  y^TOVwc  xaxd  ^IXetva  xov 
BvßXiov,  og  ix*  'A^ifiavov  tav  ßaCiXia^q  xf^ößcvöa^  M^no* 
xoXiv  T^  TvQov  ixol'^aevm 

8.  AiOTevciavöc  'HpaKXeiac  Tf\c  TTövrou,  TpaMM^triKÖc, 
Y6T0VÜÜC  du'  'AbpiövoO  ToO  ßaciXduic. 

8.  Aioteveiavdc  'HpaKXeiac  drdpac,  ou  xf^c  TTövrou,  t^- 
Tovujc  Kai  aÖTÖc  dir'  'AbpiavoO  toO  ßaciXduiC  Cetenun  Suidas 
perperam  res  uiiiu8  Diogeniani  in  duas  glossas  dissecuit,  vide  Roh- 
dium 1. 1.  180,  n.  3,  Flachinm  Suid.  et  Endoc.  p.  66,  n.  1  (cf.  etiam 
Mu8.  Rh.  n.  XXXV,  62). 

8.  Aiovücioc  *AXiKapvacc€uc,  T^TOvdic  dir'  *AbpiavoO 
KaicapoC;  coq)iCTf|C  Kai  iliouciköc  KXn^ic. 

-  8.  NiKdvuip  . .  Ypa)i)iaTiKÖc,  t€TOVuic  dir'  *AbpiavoO  toO  Kai- 
capoc, 8t€  Kai  "CpiiiTnroc  6  BripuTioc. 

8.  TTuiXliüv  *AX€Havbp€uc  .  .  q)iX6co<poc  .  .  y^Tovuic  dir' 
'AbpiavoO  (cetenun  cf.  nunc  H.  Petenun  de  variis  eiusdem  nominis 
8criptoriba8  disserentem  in  Fleckeiseni  Annal.  phil.  t.  CXX  [1879], 
420  sq.,  de  coins  placitis  mox  alibi  indicium  faciam). 

8.  Aiöbujpoc  6  OuaXdpioc  dmKXriGeic,  cpiXöcocpoc,  f cjovibc 
iiA  ToO  Kaicapoc  'AbpiavoO. 

Haec  omnia  teetimonia  qni  adcurate  consideraverit  singolarem 
eorum  naturam  &cile  intelleget.  Ac  prae  ceteris  enitent  notationes 
optima  auctoritate  praeditae,  quae  snnt  de  vita  servornm  liber- 
tornmve  qni  litteris  inclaruere  (s.  '€Traq)pöbiTOC,  6eöbuipoc,  Kcki- 
Xioc,  M€CO|LiribT]C,  Ti^aTdvTic,  Tupavviujv).  In  relicuis  vero  ezemplis 
diligenter  enotatam  yidemus,  quo  imperatore  siye  quibus  impera- 
toribus  (cf.  s.  'Anluiv,  'ApiCTOKX^c,  'Apxtßioc,  'AiroXXdivioc  Tuaveüc, 
Aiovucioc  'AXeE.,  'GtraqppöbiTOc,  ^HpaiAeibric,  KckiXioc,  TTroXefiaToc 
ö  'Hq)aiCTiuivoc,  Cuipavöc,  aL)  singuli  flomerint,  quäle  studium  idque 
Romae  potissimum  exercuerint  (coq)iCTeucac  vel  naibeucac  dv  'PiÄjiij 


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De  Suidae  biographicomm  origine  et  fide.  435 

simüiave,  velut  s.  KeKiXioc,  TTord^uiv  MuTiXnvaToc,  TTuiXiuJV  6  *Acivioc, 
*AvTdpiüc,  'Atticdv,  *epjiaTÖpac,  TTToXepaioc  5  'AacaXiJüviTTic,  aL), 
quibuscnm  hominibus  inlustaibus  una  ^erint  quosque  praeceptores 
sive  disdpulos  habuerint  (s.  *AX^Havbpoc  AiTaioc,  *AvTdpuic,  'Arriuiv, 
Aiovucioc  *AX€£.,  'eiracppöbiTOC,  'GpinaTÖpac,  Geöbuipoc,  Kopvoöroc, 
Mouciuvioc,  NiKdvuip,  flaöXoc  Tüpioc,  'PoOq)oc,  CKOireXiavöc,  al.). 
Qoibus  adprime  convenit  qnod  bomm  scriptonun  yita  copiosissime 
saepe  ne  minutiis  quidem  contemptis  narratar  (s.  'AiroXXuivioc 
Tuaveuc,  Aioyucioc  'AXeE.,  AioT€veiavöc,  Aiiwv  6  TTaciKpaiouc, 
'6Tra<ppöbiT0C,  'HpaicXeibric  TTovtiköc,  Mouciuvioc,  TTXourapxoc, 
TToTdjiiJüv  Mut.,  Tupawiujv  6  veuiTcpoc). 

Haec  omnia  indicia  ealutaria  sibi  invicem  liquide  produnt  spien- 
didom  Hadriani  aetatis  auctorem.  Sed  rem  paulo  intentius  per- 
quiramas.  Inspice  modo  exempla  s.  'Apx^ß^oc,  Aiovucioc  'AXeS., 
Mouctuvioc,  *eTTaq)pöbiToc  (bi^irp€ipev  dirl  Nepuivoc  xai  jn^xP* 
N^pßa,  Ka9'  8v  xpovov  kqi  TTioXeiiaToc  6  *H<paiCTiiuvoc 
fjv  Kai  dXXoi  cuxvoi  tüjv  övojLiacTOjv  iv  Traibeiqi,  conl.  s. 
TTToXe^aToc  6  tou  'HcpaicTiuivoc,  TCTOvd^c  ini  xe  Tpa'iavou 
Ka\*Abpiavou  rdiv  auTOKparöpuiv),  TTaOXocTüpioc,  quibus  accedit 
gravissimum  testimonium  s.  'Hpiubiavöc  T^TOve  Kard  töv  Kaicapa 
*AvTUJVivov  TÖV  Ktti  MdpKOV,  die  veüüTepov  elvai  Km  Aiovuciou  tou 
T#iv  ^ouciKf|V  IcTopiav  fp&x^tavroc  Kai  ^iXiovoq  rov  BvßXiav  (cf. 
p.  410;  Wachem.  1. 1.  p,  145;  Rohdium  Mus.  Rh.  n.  XXXIV,  561  sq., 
quode  vide  infra). 

Herum  universa  condicio  nonne  firmiter  conroborat  opinionem 
sapra  propositam  vel  imperiose  flagitat  luculentum  Hadriani  aequa- 
lem  auctorem,  qui  oratorum  sophistarum  grammaticorum  medicorum 
nee  non  historicorum  philosophorum  quotquot  inde  ab  Augusto  usque 
ad  Hadriani  tempora  Romae  potissimum  floruere  memoriam  quam 
diligenüssime  tradiderit?  Nee  vero  ille  incertos  nos  reliquit,  qua 
ratione  opus  suum  adomaverit.  Adparet  nimirum  hunc  singulos 
aactores  ad  imperatorum  Romanorum  imperium  direxisse,  ac  videre 
etiamnum  licet  Augusti  Neronis  Traiani  Hadriani  inprimis  aetatem 
termini  vel  limitis  instar  fuisse.  Nee  minus  in  propatulo  est  certas 
epochas  maiores  distingui,  tempora  scilicet  ab  Augusto  usque  ad 
Neronis  imperium,  dein  a  Nerone  usque  ad'Traianum,  tum  Hadriani 
aeyum  ipsum. 

Quibus  rebus  delineatis  si  anquirimus,  quis  tale  opus  bonae 
frugis  plenissimum  couposuerit^  non  diu  anceps  erit  iudicium,  dum 
modo  ex  testimonio  satis  memorabili  quod  extat  s.  'Hpuibiavöc 
conligere  aliquid  yelimus.  Accedit  quod  s.  TTaGXoc  Tupioc  Paulus 
Philonis  aequalis  fuisse  dicitur:  nam  videtur  Philo  legationis  suae 
in  libris  suis  mentionem  fecisse,  atque  cum  de  T jro  metropoli  narravit 
etiam  clarissimum  qui  tum  fuit  civem  Paulum  conmemorasse  (praeterea 
cf.  Suid.  s.  <DiXu)V  BußXioc,  et  Rohdium  1.  1.  661,  n.  1).  Phüonem 
igUur  ByhUum  praecipuum  harum  notationum  auctorem  esse  iam 

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436  A.  Danb: 

citra  opinandi  yicissitadines  positum  erit.  Quanquam  —  ut  hoc 
statim  conmoneam  —  Hadriani  temporibns  non  defaere  qui  eandem 
pertractarent  materiam  qniqae  omnino  res  biograpbicas  in  snmmis 
haberent  deliciis.  Nee  male  coniecit  Yolkmamms  (lU,  p.  XVll, 
not.  31)  Lncianum  in  dialogo  qui  ßiuiv  TTpdctc  inscribitnr  talia  po- 
tissimum  stndia  cayillatam  esse. 

Itaqne  non  abs  re  esse  videtur,  antequam  ad  Philonem  ipsnm 
dispntalio  accedat,  panca  prae&ri  Inter  illos  anctores  Hermippns 
Berytius  praecipua  lande  nominandus  est,  quem  librum  Trepi  Tuiv 
bmTtpcipdvTUiv  dv  iraibeiqi  bouXiuv  scripsisse  Suidas  (s.  ''Icrpoc)  ipse 
testatnr,  euiusque  auctoritatem  Wachsmnthins  (1. 1.  p.  140  sq.)  snb- 
tiliter  adumbravit.*^)  Hnius  vero  Hermippi  stndia  fructnosissima 
panlo  latins  patuisse  nescio  an  conligi  liceat  ex  verbis  mnltifaiie 
adhibitis  qnae  reperiuntnr  in  Etymol.  M.  p.  118,  v.  22  ß.  v.  'And- 
rem *  TTÖXic  BiGuviac,  Trpdrepov  MupX^a  KaXou^dvri,  f^v  Xaßu)v  bfSbpa 
Trapd  OiXiTnrou  toO  Ar\iir\Tp{ov  6  Zii\\ac  |bi€Tuivdiiac€V  'A1Tä^€lav 
ÄTTÖ  Tf^c  dauToO  f^vaiKÖc  *ATr(i|biac,  ibc  (add.  V"*)  *'ep^iTrtroc  iv 
Tip  Trepl  TUIV  dv  7T0ib€i<jt  XajiipdvTiJüV  Xötiu.  Quem  qnidem 
Hermippnm  non  Callimacbeum  sed  Berytinm'^  esse  verissime 
monuit  Wachsmutbins  (1.  L  p.  143,  not.  16)*^:  qnod  si  verum  est 
resuBcitavimus  libri  alicuius  Berytii  generalem  inscriptionem  irepi 
Toiv  £v  iraibeiif  Xa|ii|idvTU)V  Callimachi  TTivdKUiv  titulo  simillimam, 
quam  adtrectare  interim  non  ausim.  lam  duae  res  cogitari  quennt: 
aut  huiusce  operis  partem  faisse  librum  nobilissimum  *ir£p\  ti&v  £v 

*^)  Inter  testimonia  Wachsmuthii  cnra  plene  congesta  nondum  per- 
Banata  sunt  yerba  illa  qnae  eztant  s.  4>X^Tun^  TpoXX.  .  .  direXeOeepoc  toO 
CcßacToO  Kakapoc  (Wachsm.  p.  142,  n.  18);  conri^endum  esse  opinor 
'toO  OOcciractavoO  K.'  —  '•)  Cf.  Lozynskinm  Hermippi  Smym.  Peiipat. 
Fra^.  (Bonn.  1882)  p.  24  sq.,  et  Prellemm  in  Jahn.  AnnaL  phil.  XVII,  160 

gl  lUiuB  Hbelli  nimis  acri  censnra),  qui  veritatem  non  adsecuii  snnt, 
ermippi  enim  Callimachei  libri  amplissimi  intcriptio  utique  ßioi  tait; 
non  ßiot  TtXrv  iy  naxb^iq.  btaXaji^idvTuiv  (cf.  Nietsechinm  Mus.  Bh, 
n.  XXIV,  190,  n.  2)  nee  ßiot  ij  ircpl  vSrv  .  .  Xa|yit)fdvTwv  (cf.  Loi^iiBk.), 
ut  proxsus  taceam  de  Prellero  (p.  167)  titulum  ircpi  tiXiv  .  .  XofiHidvTuiv 
certam  'ß(urv'  partem  effecisse  opinante.  Nanckina  vero  erravit  com 
(Philol.  V  (1850),  693  sq.)  CaUimacheum  Berytiumque  eundem  fdiase 
contendit  (vid.  Kieteschium  Mus.  Rh.  1.  1.  192).  Denique  MueUems, 
aliquid  veri  cum  subodoratus  esset  (F.  H.  G.  III,  86,  86),  tarnen  yeiis 
faloBk  permiscuit:  confndit  nempe  librum  ircpl  t<£iv  .  .  ^tairpei|idvTuiv  boO- 
Xuiv  disertim  contestatum  cum  opere  irepl  £v66Euiv  dv&pOtiv  (larpdiv).  — 
*')  Cf.  etiam  A.  üppenkampium  Princip.  disp.  de  orig.  conscrib.  hiai. 
litt.  ap.  Gr.,  Monast.  1847,  p.  28.  Neque  tarnen  Wachsmuthio  adaoitior 
cum  Hematerhusio  pro  insolito  Xötm«  vocem  öot^Xuiv  restituenti,  qua 
yerba  yolgari  operia  Hermippei  insoriptioni  adconmodentur;  band  dnbie 
enim  X^ei  emendandum  est.  —  De  Bexytio  autem  Mo  unice  posse  cogi- 
tari Tel  illud  iLicTurvö^ace  demonstrat,  quo  ad  Philonem  Byblinm  necessario 
deferimur:  quem  in  opere  ircpl  iröXcu^v  k.  t.  X.  metonomasias  respexisse  eon- 
pertum  habemus  (cf.  B.  Nieaium  de  Steph.  B^z.  auct.  p.  87),  ouiasqne 
yeatigiia  Hermippua  diacipulus  hie  inatitiase  yidetur,  o£  Wachsm.  1.  1., 
praeterea  Steph.  Byz.  a.  MOpXcia,  NiKOMfjöcio,  Pdßcwo  (iröXic  'iToXiac 
tpminroc  ö  BfipOrtoc  'Poücwav  aM\y  xoXd). 


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De  Smdae  biogr^phiconim  origine  et  fide.  437 

TiaibeiqibtaTrpeiiidvTUiv  bouXuJv'  aut  peonliaremHermippi  sGriptionem. 
Sed  alind  accedit  quod  respici  debet:  in  scholio  nimirnm  Oribasii 
(in  Mai  Clasa.  Anctor.  IV  (Rom.  1831)  p.  H  =  Daremberg  IH,  687) 
talia  legnntnr:  6  <t>iXuiv  dv  t(^  Q'  rrepi  ßißXioOiiKiic  KTf)C€U)C  Kai 
*'ep|üiTiTroc  (L  e.  "ep/AiTriroc)  dv  rd^  e'  trepi  tujv  dvböHiuv  dvbpÄv 
laxpdiv  Kai  6  Ciupavöc  dv  laTc  tujv  larpoiv  biaboxaic  (cf.  etiam 
Y.  Bosenm  de  Arist.  libr.  ord.  et  anct.  p.  32).  Praeterire  praestat  Bern- 
hardyi  (ad  Suid.  s.  <l>iXu>v)  opinionem  plane  incredibilem  meritoqne 
a  Wachsmuthio  (1.  1.)  explosam,  qui  quidem  in  libro  Trep\  dvböSuiV 
dvbpujv  iarpoiv  magistri  vestigia  calcasse  Hermippum  snspicatar. 
Verom  dubito  nnm  sana  illa  inscriptio  sit:  censeo  enim  vocem 
iarpujv  utpote  emblema  esse  delendam,  nnde  evadet  titulus  generalis 
iT€pi  dvböguiv  dvbpujv^  cnius  particala  irepi  larpuiv  quintum  librum 
effedsse  yidetur.  Quae  cum  ita  sint,  -  credere  par  est  Hoc  ipsum  opus 
idem  fnisse  quod  Etymologici  anctor  laudavit.  Ac  qüis  ab  Hermippo 
quem  Suidas  (cf.  s.  "Ep^iiTTTOc)  cqpöbpa  Xötiov  fuisse  multaque  con- 
posnisse  testatur  eiusmodi  scriptionem  profectam  esse  infitiabitur? 
Sed  quoniam  haec  omnia  coniecturae  tantum  probabilitate  evicimus, 
inde  longius  evebi  non  ausim. 

Praeterea  autem  alii  einsdem  vel  sequioris  aetatis  scriptores 

reperiuntnr  in  eodem  genere  ac  Fbilo  versati,  quorum  opera  Hesj- 

chinm  pariter  ad  usum  adlexisse  Y&n  simile  est,  in  quibus  praeter 

Telephi  Hadriani  aequalis  (cf.   Capitol.  Ver.  c.   2,  et  in   eum 

Salmasium  p.  101)  ßißXiaKf\c  djuireiptac  ßißXia  f'  (dv  oTc  bibdcKCi 

xä  KTriceiuc  dEia  ßißXia  —  Suid.  s.  TrjXeqpoc  — ,  quibus  ex  verbis 

operis  argumentum  reddentibus  nescio  an  effici  queat  ipsum  Hesy- 

cfaiumilludnoTisse  nee  non  consuluisse,  cf.  Bohdium  Mus.  Bh.  n.XXXTn, 

182  not.  1)  inscriptionePbiloneorum  nepi  KTrjceuJC  Kai  dKXoTfic  ßißXiuiv 

simillima  —  Damophilum  conmemorasse  satis  habeo.    De  hoc  ni- 

mirum,  quem  ab  luliano  Marci  Antonini  aetate  consule  (a.  175  p.  Chr., 

yid.  Bergkium  Hist.  Or.  litt  I,  276,  n.  24)  educatom  fuisse  Suidas 

testis  est  (s.  AajUÖqpiXoc),  idem  narrat:  Tpdipac  irdjiTroXXa,  i.i  (Lv 

TaOrd  ^01  eöpriTaUTri  laic  tujv  ßißXiuJV  WJKaic  cpiXoßißXoc  t\  (?libri 

praebent  Trparroc)  irepl  dHiOKTrJTUJV  ßißXiujv  Trpöc  AdXXiov  MdHijiOV, 

quae  verba  Hesjchio  ipsi  deberi  Bergkio  (L  1.  p.  293,  n«  50)  credo. 

Ädparet  igitur  Hesychium  bibliothecarum  forulos  armariaque  per- 

Yestigasse,  ut  Damophili  libros  nancisceretor.    Sed  quid  causae  erat 

cor  talia  nuntiaret  Hesychius?    Ni  egregie  fallor  Ms  liquide  ille  in- 

dicat  se  Damophili  scripta  dedita  opera  conquisivisse  ac  revera  in- 

venisse.    Ergo  dubitari  nequit  quin  hoius  (piXößißXov  in  suum  usum 

converterit  Hesychius.    Eins  tamen  auctoritatiis  vestigia  ipsa  eruere 

yix  ccntinget:  quocirca  eum  nunc  mittamus. 

Hinc  ad  Philonem  Byblium^^)  revertamur,  cuius  de  studiis 
doctrina  auctoritate  iam  paulo  explicatius  disputandum  est. 

s^  In  Philonis '  aetate  indaganda  naper  elaborarunt  B.  Niese  (1.  1. 
p.  27  sq),  J.  Wackernagel  (Mus.  Bh.  n.  XXXI,  489),  qui  quidem  illum 


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438  A.  Danb: 

Scripsit  autem  ipso  teste  Suida  duo  opera  ad  Hesjchii  usnm 
prorsus  adconmodata:  7T€pl  ktVjc€ujc  Kai  dKXoxfic  ßißXiuiv 
libros  duodecim,  et  irepi  iTÖXeuüv  xai  oOc  ^KdcTT]  aÖTiöv  iv- 
böEouc  fiveTKCV  libros  trigint*.  Quorum  prius  Hesycbio  cum 
maxime  conmodum  fuisse  et  habile  statim  elucet.  Cuius  memoria 
quanquam  fere  oblitterata  est,  ex  scholio  tamen  Oribasii  (vid.  supra) 
cum  Stephane  Byzantio  conparato  potest  conclud)  nonum  ^bibliothecae' 
librum  conprehendisse  vitas  iaipiDv  (cf.  Wachsmuthium  1.  l.p.  145, 
Bergkium  Eist.  Litt  Gr.  I,  276,  n.  24).  lam  vero  B.  Niese  (de 
Steph.  Byz.  auctt.  I,  41)  istud  ideo  parum  valere  contendit,  quod 
1.  c.  praeter  Philonem  et  Hermippus  et  Soranus  laudarentur,  quos 
inter  et  illum  quae  ratio  intercederet  nesciremus.  Quam  mira  argu- 
mentatio!  Oribasii  verba  adfatim  docent  nonum  bibliothecae  librum 
in  medicis  enarrandis  versatum' esse ,  nee  quicquam  refert  scire  quo 
nexu  singuli  cöntineantur.  *^  Prorsus  autem  displicet  Niesii  ipsius 
ratio  medicos  libro  rrepl  TröXeiuv  k.  t.  X.  sie  fortasse  conprehensos 
fuisse  censentis,  ut  suum  de  üs  libellum  scriptor  in  testimonium  vo- 
caret.'^)  Quid  tandem  inpedit  quominus  utraque  scriptione  Stepha- 
num  usum  esse  sumamus  et  libro  irepl  tOjv  rröXeuiv  .  .  et  Trepl  la- 
Tpwv,  i.  e.  ßißXioOrJKTic  libro  nono?'^) 

Itaque  si  verum  est  quod  supra  cum  Wachsmuthio  posuimns, 
duodecim  rrepi  KTrjceuüC  Ka\  ^kXot^c  ßißXiiuv  libros  ita  digestos 
fuisse  iudicabimus,  ut  in  singulis  de  singulis  litterarum  generibus 
eorumque  auctoribus  praecipuis  ageretur.  Qua  quidem  in  re  etiam- 
num  videmus  (cf.  Steph.  Byz.  s.  Auppdxiov,  ubi  Philonis  de  Philonide 
medico  verba  ipsa  citantur:  OiXtüv  iv  toTc  larpiKOic  Auppaxnvöv 
dvaTpAcpei  OiXujvibiiv  oötuüc  **AcKXriTTidbTic  dKOucidc  Ic^e  Titov 
Auq)ibiov  CiKcXöv  Kai  OiXujvibiiv  A.  Kai  NiKiwva  ^AKpaTavrivov'. 
Kai  irdXiv  ^OiXiJüvibTic  bfe  6  Auppaxnvöc  f^Kouce  \iky/  'AcKXirmdbou. 
laipeOcac  bk  iv  t^  Trarpibi  ^vböEuüc*  cuveTdEaro  ßißXia  jue")  singu- 
lorum  auctorum  patriam  —  cuius  quidem  notitiam  Philoni  ex  opere 
Trepl  TTÖXeujv  .  .  petitam  esse  credere  licebit  —  praeceptores  disci- 
pulos  adcurate  enotatos.     Porro  sponte  patet  singula   scripta   ea- 


sequitur,  sagacissime  vero  Bohdius  (1.1.  p.  176  sq.);  tamen  hanc  quaestio- 
nem  valde  spinosam  vix  unqnam  ad  liquidum  perductum  iri  arbitror.  — 
Cetemm  addere  placet  verba  quae  apud  Suid.  s.  <t>(Xuiv  leguntur  irap^civev  €lc 
fiaxpöv  (pro  quibus  Westermannus  de  MdpKov  temptavit)  sana  esse,  cf. 
8.  *€p)üiOTÄy]c  .  .  dXX'  oök  €lc  \xaKp6v  TaOTT]C  dir^Xaucc.  —  **)  Wacbs- 
muthiuB  (1. 1.  p.  143,  n.  16)  autem  Hermippum  Philonis  praeceptoris  vestigia 
legisse  hie  suspicatur.  —  ^^)  Geternm  pecuiiare  ircpl  iarpilyv  opus  a 
Philone  conscriptum  esse  minime  ezploratam  neque  ex  Stephano  Byz. 
B.  Auppdxiov  et  8.  KOpTOC,  ubi  citatur  iy  Totc  larpotc  (sie  Behdig)  et 
^v  T(|i  ircpl  iarpuiv,  consectarium  est,  quam  vis  praefracte  negari  nequeat 
(cf.  nunc  etiam  Rohdium  Mus.  Rh.  n.  XXXIV,  562,  n.  8).  —  '*)  Nee  magis 
Niesio  adstipulor  quod  Philonis  Phoenicica  a  Stephano  (s.  N(aßic)  lau- 
data  ab  hoc  ipso  inepecta  esse  ne^vit.  Num  id  ^ipsum  opus  spretum 
esse  arbitrabimur,  cum  generale  ircpl  iröXcun/  diligentissime  Stephanos 
adierit? 


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De  Saidae  biographicomm  origine  et  fide.  439 

qua  lectu  dignissima  faisse  recensita.  Ergo  anctorem  egregiae  fidei 
depreh^idimns  in  libromm  indidbas  conficiendis:  quae  fides  nescio 
an  60  angeatar  quod  Philoni  tanquam  optima  adminicnla  Hadrianeae 
aetatis  bibliothecae  amplissimae  suppetebant  (cf.  Paus.  I,  18,  6; 
ffieronym.  Cbron,  Ol.  227;  Bemliardjum  Hist.  Litt.  Gr.  I*,  607). 
Ad  Philonem  igitnr  revocabimus  hasce  tabnlas  partim  ditissimas:  s. 
TTuiXiuiv  6  'Acivioc,  Tupawiuiv  6  veuirepoc,  *ep^cr^öpac,  KcKiXioc, 
NucöXaoc  Aa^acKV)v6c,  deöbuipoc  Tabapeuc,  TToTd^ulv  MutiXti- 
vaToc**),  noXuaivoc**),  ^Avr^puic,  'HpaKXeibric  TTovtiköc,  'Apicxo- 
kX^c,  Aiuiv  6  TTaciKpdTOuc,  TTToXeMaioc  6  toO  'Hqpaicriuüvoc,  Ke- 
(paXiuiv,  ZrivößiQC,  TTaOXoc  Tupioc,  AioTeveiavöc**),  Aiovucioc 
'AXiKOpv.;  NiKävuip^),  al.  Nee  dubito  eodem  referre  largissimos 
indioes  eomm  soriptorum,  quos  quanquam  siipra  non  consignavimus 
oerte  ob  temporum  rationes  Philoni  yindicare  poBSumns:  s.  TTdjiiqpiXoc, 
CumipibaC;  ApdKuiv*^),  Nou^Tivloc,  'AttoXXuivioc  AuckoXoc,  Out]- 
cxivoc,  TToKaTOc.**) 

Sed  prae  ceteris  medicornm  vitas  —  quatenns  per  tempora 
licebit  —  nna  cum  librorom  tabnlis  ad  Philonem  Bjblium  redire 
mihi  persnasum  est:  quanquam  Hesjchius  Philonem  non  ipsum  sed 
Sorani  ianioris*'^^)  opas  ßioi  laTpüJV  Kai  atp^ccic  xai  cuvror^aTa 
(Snid.  8.  Cujpavöc)  adhibuisse,  is  vero  ex  Philone  hausisse  videtnr. 
Philoni  autem  indices  libromm  e  bibliotheeis  potissimum  sappeditatos 
esse  epigramma  docet  in  Marcellom  medicom  conpositum  (cf.  Anthol. 
PaL  Vn,  158;  Bernhard,  ad  Said.  s.  MdpxeXXoc),  unde  einest  Hadria- 
nom  et  post  eum  Antoninum  Marcelli  opera  in  publica  Bomae  urbis 
bibUotheca  reposuisse.  Dein  Saidae  tabularum  partim  satis  largarum 
tota  indoles  —  videmus  nimirum  singulorum  librorum  numerum  ad- 
curatissime  denotatum  —  optimum  resipit  auctorem.  Philonisque 
operis  irepi  KTrjceuJC  kqi  dicXoTtfc  ßißXiuJV  naturae  haud  scio  an  et 
illud  conveniat,  quod  s.'lTTTroKpdTTic'*)  (Tiparroc)  et  s.*ApiCTOT^VTic*^) 

**)  Hoios  Bcriptoram  cogmtio  oni  fere  Saidae  debetar,  unde  propria 
eonmi*origo  confirmator.  —  ")  Habemas  tabalam  ad  argamentam  dispo- 
sitam  qaantumTis  non  integram  (ceterum  cf.  Mus.  Bh.  n.  XXXV,  62).  — 
**)  Hoias  scripta  ex  argumento  apte  disposita  esse  facile  intellegitur.  — 
^  Singali  libri  secandum  qaaedam  genera  digesti  esse  videntor.  Porro 
in  tabula  librorum  nonne  scribendum  est:  ircpl  vSiv  Cairq>oOc  fxcXuiv  (v. 
M€Tp<Xiv)?  —  ••)  De  singulis  scriptis  adi  Berohardyum  ad  Suid.  s.  €lpii- 
vcAcc  et  8.  TTdicaTOc.  Facile  est  perspectu  initium  tabulae  xard  croix^ov 
ordinatae  esse  serratum.  —  ®^  Qui  certe  post  Hadriam  tempora  yixit, 
cam  Soranus  maior  (yid.  Suid.  s.  h.  v.)  Traiauo  et  Hadriano  re^nantibus 
Bomae  floruerit.  Neque  ulla  subest  causa,  cur  unum  tantum  Sorauum 
extitisse  statuamus  (cf.  Paulyi  Eucycl.  BeaL  IV,  p.  1700,  ubi  hie  ad  Galeni 
aetatem  relatas  est).  —  *^  Sine  dubio  huius  yitae  fandamentum  iecit 
Philo  Byblius  (qui  ipse  Arei  —  cf.  Vit.  Hippocr.  Soran.  init  ap.  Westerm. 
BtoTp.  449,  6  —  et  Andreae  opus  (ircpi  Tf^c  (arpiKf^c  T€V€aXoT(ac,  cf. 
ibid.  450,  17)  adhiboisse  videtur),  sed  aliunde  illa  locupletata  est.  — 
**)  Cuius  opera  kutA  ctoix^ov  ita  äisposita  sunt:  irepi  dia{TT)c,  ir.  ^uvd^€U)c, 
IT.  daKirwv,  IT.  <r)r^p|üiaToc,  vt»€IvoO,  toTO|uif|v  ^uoicdtv  ßoiiOimdruiv,  quibus 
adneetontar  iiricToXiKA  irpöc  *Avt(tovov  (sie  in  fine  scribas). 


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440  A.  Daub: 

Gäcioc  (fYPCtipe  ßißX(a  xb'*  dKplGn  ^  irepl  biairnc  a  .  .)  nobi- 
lissimorom  librorum  delectus  tantum  recensetur.  Horunce  igitur 
medicorum  vitas  nna  cum  tabulia  librorum  Philoni  adtribuo:  8. 
iTTTTOKpdTnc  (septem  omnes),  "'AKpiuv,  *ApiCTOT^VTic ,  'ApxiT^vnc, 
BdiXoc  Mevöi^cioc  (?),  A^Hittttoc  Küüoc,  AiocKopibiic,  ApdKiuv,  'Cpa- 
cicxapoc,  6eccaXoc,  NiKÖjuiaxoc,  'PoOqpoc*^),  CoXoucxioc,  Cwpavöc 
Mevdvbpou  (?).") 

Venim  luculenta  specimina  studiorum  a  Philone  Byblio  in  Tita 
hominam  inlustrium  describenda  positorum  nondum  onmia  conlustra- 
vimus.  Nam  praeterea  ille  amplissimum  opus  conscripsit  Ttepi 
TTÖXetuv  KOI  oöc  ^KdcTTi  outOüv  ^vböHouc  flv€TK€,  quod 
multum  lectitatum  et  ad  conmodiorem  usum  ab  Aelio  Sereno  in 
breviorem  formam  redactom  (cf.  Snid.  s.  Cepf)voc)  Hesychio  non 
minus  eximiae  utilitatis  fuisse  patet  Quo  in  opere  hominum  daro- 
rum  vitae,  i.  e.  patriae  et  originis,  praecipuam  habitam  esse  rationem 
vel  inscriptio  abunde  docet.  Nee  vestigia  huius  libri  celeberrimi 
prorsus  evanuerunt.  Stephanum  nimirum  Bjzantium,  quem  in 
hac  quaestione  magno  cum  ftnictu  adhiberi  posse  primus  intellexit 
Wachsmuthius  (1. 1.  p.  145),  in  ^ethnicis'  Philonis  senptione  ipsum 
usum  esse  contra  A,  Lentzium**)  praeclare  exposuit  Ed.  Hillerus 
(in  Fleckeis.  Annal.  pbil.  t.  CHI,  527  sq.),  cuius  sententiam  B.  Nieaius 
(de  Stepb.  Byz.  auctor.  conment  L,  Eil.  1873,  p.  26  sq.)  amplexus 
uberius  confirmavit  (cf.  etiam  Boysen.  de  Harpocrat.  lex.  fontt«. 
Eil.  1876,  p.  12).^)    Qui  quidem  in  ^ethnicis'  plus  centum  extare 


^^  Librorum  tabulam  ad  ^nera  quaedam  diffestam  esse  liquei.  — 
*^)  Glossam  s.  M€veKpdTT)c  Suidas  ex  Athen.  Yll,  289  delibavit;  dein 
vitas  8.  raXr)vöc  et  s.  MdpK€XXoc  Soranus  Hesychio  suppeditasse  yidetnr. 
—  Cetemm  Philonis  in  medicoram  vitis  auctoritas  clariore  in  luce  infra 
ponetar,  ubi  demonstrabitnr  qualis  intercedat  necessitudo  inter  Stephan! 
Byzantii  copias  Philoneas  Suidaeque  notationes.  —  ^')  Qui  quidem  in 
opere  celeberrimo  (Herodian.  Techn.  Beliqu.  Praef.  p.  CXXXVII  sq.) 
contenderat  Stephanum  totnm  fere  librum  ex  Herodiani  fruatolia  conflasse 
ac  Philonis  testimonia  indidem  transecripsisse.  —  *^)  lam  in  eo  erat  ut 
has  Bchedas  typis  describendis  traderem,  cum  in  manus  meae  yenit 
E.  Eohdii  subtilis  de  Philone  Byblio  Hesychioque  Milesio 
disputatio  (Mus.  Rh.  n.  XXXI V,  561  aq),  qua  id  praeoipue  probatum 
it  Hesychium  Philonis  opus  irepl  itöX€u;v  k.  t.  X.  nuequam  ut  primarinm, 
sed  unice  ut  secundarium  adhibuisse  fontem  (p.  567.  564).  Quaerere 
igitur  soperBcdit  quatenas  ille  alteram  Philonis  scriptionem  irepl  ict/|C€U>c 
Kai  ^icXoTf^c  ßißX(ujv  in  usum  suum  converterit,  quam  quidem  inter  pri- 
marios  eins  in  yitia  oratorum  sophistarum  grammaticorum  medicorum 
fontes  faisse  supra  evicisse  videmur.  Sed  prius  illud  opus  (irepl  iröXeuiv . .) 
Hesychium  praeter  primarios  auctor  es  —  inter  quos  non  modo  Dionysii 
)LiouaKf|v  icTop(av  (Bohd.  p.  573.  74),  sed  etiam  Philoneos  libros  irepl 
icTr)C€U)C  K.  T.  X.  fuisse  opinor  —  locnpletandi  potius  supplendive  causa 
consuluisse  Eohdio  generatim  concedo,  quanquam  hanc  sententiam  ali- 
quante cautias  pronuntiandam  esse  nostra  ipsorum  de  Philonis  opere 
explanatio  inlustrabit.  —  Ceterum  iam  non  pauca  Rohdiana  disquisitione 
egregia  mihi  occupata  esse  vix  est  quod  moneam.  Sed  meam  ipsius 
non  ab  una  parte  esse  paulo  uberiorem  neminem  fugiet.    Qua  de  caasa 


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De  Snidae  biographicornm  origine  et  fide. 


441 


oppida  alt,  quorum  cives  inlufitres  ex  opere  Philoneo  petitos  esse 
certnm  sit,  panier  ac  nomina  scriptomm  qoi  de  iis  rettulisse  a 
Stephano  dicantur  ex  eodem  fönte  manaverint  (p.  30  sq.).^)  Tale 
autem  snbsidium  cum  praesto  sit,  Philonis  anctoritaüs  yestigia  per 
Stephanum  dissipata  si  in  nnum  oonponemus,  non  modo*  Philonei 
operis  imaginem  resuscitare  textnramque  qnodammodo  restituere  pote* 
rimuS;  sed  etiam  nna  Buidae  narrationibns  conparatls  aut  certo  de- 
finire  ant  diyinando  conioere,  quatenus  Philoni  dnci  Hesychins  sese 
addixerit  Quae  cum  ita  sint  non  frugtra  elaborasse  mihi  videor^  nt 
omnia  Ethniconun  testimonia  qualia  ex  Philonis  libris  derivata  esse 
videntur  pleno  congererem  ac  sicubi  cum  Suidianis  concinont  sedulo 
notarem.  Nee  enim  omnes  reliqoias  coacerrare  voluit  Niesins  nee 
potuit  Muellerus  (Fr.  Hisi  Or.  IQ,  660  sq.).  Hamm  igitur  amplisi- 
mum  ecce  conspectom: 


Stephanns  Bjzantins. 

8.  V.  "'Aßbripa,  TTÖXeic  Wo.  f|  jnfev  9p(|i- 
KTic . .  dK  Tavrnic  bi  Kai  ArmÖKpiTÖc  ecriv 
ö  q)iX6co<poc.  f)  hk  beuT^pa  ttöXic  tt^c 
'Ißnptoc  . .  irXeTcroi  b*  *AßbiipiTai  öirö  täv 
mvaKOTpäqMUV  dvaTpäqpovrai  (qui  quidem 
hie  significantnr,  quod  Abdera  prima  est 
nrbs,  coius  ciyes  inlnstres  conmemorantur), 
NtKatvcTOc  ^iroiroiöcKaiTTpiWTaTÖpac, 
8v  EöboSoc  (cf.  Niesium  p.  31)  Icropei  töv 
IJccui  Kttl  Kpetccui  XÖTOV  treTTOiTiK^vai  Ka\ 
Touc  MttÖTvrdc  bebibox^vai  töv  auröv  ly^- 
T€tv  Ka\  iiraivetv  (cf.  nunc  de  hac  Stephani 
notatione  disputant^m  O.  Boeperum,  ^üeber 
einige  Schriftsteller  mit  Namen  Hekataeos', 
n,  Danzig.    Progr.  1878,  p.  4  sq.). 

'AßiXTi  .  .  &Ti  bt  Ka\  äXXri  ttöXic 
<|)<AviKTic  "AßiXa,  ii  f)c  fjv  Aiot^vtic  6 
blacT]^6TaT0C  coqpicTric. 

AledXri . .  dq)*  fjc  fjv  6  rXauKOc,  etc 

TUJV  Tf|V  KÖXXnClV  Clbl^pOU    €Up6vTU)V    buO 

Yop  fjcav.  ouToc  fitv  Cd^loc,  öctic  Kai  fp- 
Tov  doibiMiOraTOV  dvd9nK€V  4v  A€Xq)oic, 
die  *HpöboToc,  6  b*  STepoc  Afiinvioc,  dv- 
bpiavTOTTOiöc  bidcimoc  (?). 


Snidas  (Hesychins). 

s.  At]|li6kpitoc  .. 
'AßbripiTHC  iK  6p<jiKTic 
(cf.Rohd.l.l.ö65,n.l). 


TTpiDxaTÖpctc'Aß- 
bTipixTic . .  Tivtc  b*  aö- 
TÖv  KalTi^iov  aviypa- 
lyav  (v.  ^Tpo^ov)  — 
vid.  infra  Steph.  s.  T^- 
uic  — ,  de  quorum  ver- 
borum  fönte  mira  nar- 
rat  Boeperus  1.  L  p.  3  in. 


hanc  totam-  disputationis  particulam  intactam  esse  relinquendam  duzi, 
sie  tarnen  ut  Bohdii  qnaestionum  nusquam  non  habuerim  rationem.  — 
**)  Niesii  totios  disquisitionis  rationem  eammaüm  conprobo,  quamvis  non 
deaint  quae  mihi  quidem  parum  adriserint,  veluti  quae  (p.  81)  de  Piatone 
com  Didymo  a  Philone  (Steph.  p.  806,  1)  laudato,  de  yerbis  b.  Zkuppdxtov 
(p.  33),  de  pagis  Atticis  (p.  84  sq.),  de  Nicanoris  metonomasiis  earumque 
anctore  (p.  88  sq.,  cf.  WackemageL  Mus.  Uh.  n.  XXXIII,  488)  proposnit. 


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442 


A.  Danb: 


Steph.  Byz. 

AIvoc,  TTÖXic  6p<jiiciic  .  .  e'  fcri  Ka\ 
vf^coc  TTapaK€ijLi^VTi  Tfji  eübaipLovi  'Apaßiqi. 
TÖ  dOviKÖv  AIvioc  vbc  Tiivioc  oÖTUJ  xdp 
dvaTpdrq)eTai  iv  TOic  irivaHi  (post  haec 
verba  lacunam  stataere  nolim,  sed  vid.  Roh- 
dium  L  1.  665,  n.  2). 

'AXdßavba  .  .  6  ttoXittic  *AXaßav- 
betic  oÖTU)c  dvaTpd9€Tai  — ,  ubi  *epi- 
tomatorem'  nomina  a  Stephano  conmemo- 
rata  neglexisse  Bohdius  (1.  l.  565,  n.  2) 
vidit. 

'AXeSdvbpetai  .  .  bcuT^pa  kxl  ttö- 
Xic  Tpoiac,  dv  fj  ^t^vcto  'HTnMtüv  irco- 
iroiöc,  8c  fTpo^c  töv  AeuKTpiKÖv  iröXe^ov 
TUJV  6r|ßaiiuv  Kai  AaKcbai^oviuüv. 

'A^dc€la,  iröXic  TTovriKri,  dqp*  f)c 
CTpdßiüv  6  CTiuiKÖc  q>iXöcoq>oc 

*Amoptöc  . .  fxowca  ttöXcic  rpeic,  *Ap- 
KCcivTiv,  Mivwav,  AiTidXriv  . .  dirö  rfic  Mi- 

VUÜUC  fjvClJLllDVibTlC  6  lajLlßOTTOlÖC,  *AjLiop- 
TTvOC  X€TÖ|Ll€VOC. 

'AvdJapßa,  ttöXic  KiXiKiac  . .  dcp'  f)c 
fjv  AiocKOpibnc  (sie  A,  AiocKOUpibn^ 
RV)  6  biacrmÖTttTOC  lorpöc,  xQr\^aTxlwy 
'AvaCap߀uc,  Kai  'AcKXriTridbTic  6  *Ava- 
Zapßeuc,  6  iroXXd  re  Kai  dXXa  Kai  irepi 
iroTajLidiv  TP<ivctc  ßißXiov. 

*Avaia  .  .  dvxeOGev  fjv  MevAaoc  6 
irepmaiHTiKÖc  cpiXöcocpoc,  Kai  M ^  Xac  Icto- 
piKÖc  'Avaioc  (de  quibus  verbiß  pamm 
probabiliter  dissemit  Hansenius  ^Beitr.  zu 
alt.  Geogr/  Progr.  Sonderßh.  1879,  p.  6, 
cf.  etiam  Borsian.  in  Annal.  phil.  99,  630 
noi). 

'AvGn^wv  .  .  AciDvibric  Cu)Tpdq)OC, 
6iKppdvopoc  MaGnTTic,  'AvGnbövioc. 

*AvTiKupai  iröXeic  büo  .  .  f|  bk  iy 
MaXieOciv . . 'AvTiKupaToc,  d)cMdpK€XXoc 
iarpöc  (adnotat  Meinekius:  ^hoc  ad  patriam 
Marcelli  spectat,  non  ut  exemplum  huius 
formae  ex  Marcello  affertar';  aliter  sane 
Bohdius  iudicat,  l.  1.  564  noi  3). 

*AvTiöx€ia  . .  Tplxn  MecoTTOTajLiiac  . . 
HTic  TTpöc  TUJV  diTixujpiuüv  Ndcißic  KaXeTxai, 
öGev  'AiroXXoq>dviic6  ctuüiköc  (piXöcoqpoc 


Suid. 


Crpdßujv  *A|Lia- 
ceijc,  (piXöcoqpoc  (cf. 
Rohd.  665  n.  l). 

Ci^u)vibT)c  .  . 
'AinopTivoc  lajLißoTpd- 
<poc. 

AiocKopibric 
'AvaZapßeuc,  iarpöc 
(ceterum  cf.  Rohd.  L 1. 
565  n.  1). 


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De  Soidae  biograpbiooram  origine  et  fide. 


443 


Steph.  Byz. 
NacißTivöc  Ka\  <|)apvoöxoc  6  TTepciKdc 
IcTopiac  cupr€Tpa<pu)C. 

''AvTicca,  TTÖXic  Adcßou  .  .  dqp*  f)c 
T^pTTQvbpoc   6   *AvTiccaioc,   biacrijuö- 

TttTOC  KlGapiJjbÖC  .  .  Kttl  TpiTTl  *lvblKflC,  flV 

dvaTpÄqpei  OiXwv.  TCf.  Niesium  1.1. 60.) 
'AiroXXujvia  . .  kt   Kp/JTiic  . .,  ^k  rau- 

TTIC  6  (pUClKÖC  AlOT^VTlC 

'AcKdXiüv  .  .  TToXXol  bt  ti  ainr\c 
KexpnMOTiKaci,  cpiXöcoqpoi  jiitv  *Av- 
TIOXOC  6  KUKVOC  Kttl  Cuücoc  Kai  'AVTl- 

ßioc  Ka\  Gdßtoc  CTU)iKo\  dm9av€Tc, 
TpamnaxiKol  hk  TTToXeiuiaioc  *ApiCTdp- 
Xou  fVULipiiLioc  Kai  AuüpöGeoc,  IcTopiKol 
'AiroXXübvtoc  Kai  'ApT€Mibu)poc  6  rd 
Tiepl  BiGuviac  T€TPC"PiA)c  Kai  fiXXoi  (cf. 
Rohd.  1.  1.  Ö65,  n.  2). 

"AcKpTi,  iTÖXic  Boiorriac  . .  tö  dGviKÖv 
'AcKpaToc  (insere:  ibc)  *Hcioboc. 

''Axvai,  iröXic  GeccaXiac,  dvxeOGcv  fjv 
KXcobdjuac  ö  trepl  \ir7nKf]c  Kai  iruiXoba- 
^acTiKf]C  Tpdijiac. 

BaXav^ai . . elc  fiv  ttöXiv *6iriKpdTTi c 
^TKiÖMiov  ^TPo^cv  6  BaXaveiÖTTic. 

BaTTJ,  öi^jLioc  Tf\c  AiTn'^oc  <puXf|c,  öGev 
fjv  "Aßpuüv  6  KaXXiou,  dEnTni^Ci  wepl 
dopTOJV  Kai  Guciujv  T€Tpa9uic. 

B^poia,  iröXic  MaKcbovlac . .  &ti  Kai 
TTÖXic  Cupiac,  dqp*  f)C  Kactavöc  Spicxoc 
^ilTiüp. 

Bi^vn,  TTÖXic  KprjTTic  .  .  Tiavdc  ydp 
6  TTOiirrflc  Brivaioc  fjv  f|  KepcdTtic  f|  Kpf^jc 
(adi  Meinekii  notam  huic  glossae  adpositiun). 


BiGuviov  .  .  dq)*  o\5  TTCvutoc  iff.- 
v€TO  TifijLiiic  TPaMMaTiKÖc,  ^GiracppobiTOu 
ToON^puivoc  uiv  dEeXeüGcpoc.  (*Dicere 
videtur  Pinytum  Epaphroditi,  Epaphroditum 
Neronis  libertum  fiüsse.'  ItaMeinekius;  sed 
nolim  cum  Bohdio  (1. 1.  570)  verba  sie  con- 
rigere:  *6ira(ppobiTOu  toO  im  N^piüvoc  fliv 
K.  T.  X.  (cl.  Snid.  8.  'GiraqppöbiTOc);  tnm  enim 
did  certe  debuit  ToC  liA  N.  dvTOC  juv  L 


Snid. 


T^ptravbpoc  *Ap- 
vatoc  f\  A^cßioc 
dTT*  ^AvTiccnc . . 


TTToXeinaioc  6 
*AcKaXu)viTTic,  TPO^- 
^ariKÖc 


'Hcioboc  KuMaToc 
.  .  jLiTiTpdc  TTuKifit^bnc 
dv  ''ACKplJ  Tfjc  Boiuj- 
riac. 


'Piavöc,  6  Kai 
Kpt^c,  uiv  BnvaToc(Bri- 
VT]  bk  TTÖXic  KprjTTic)' 
Tivfec  bt  KepatTTiv,  dX- 
Xoi  b'lGiiiMnc.aÖTÖv 
IcTÖpricav. 

cf.  8.  *e7T(KTTlT0C  .  . 

boOXoc  'enacppobl- 
Tou,  Twv  ciüjuaTOcpu- 
XdKUüv  ToO  ßaciX^uüc 
Ndpu)voc. 


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444 


A.  Daub: 


Steph.  Byz. 

Verum  recto  talo  sta^e  Stephan!  verba 
docet  glossa  s.  '€iriKTTiTOc). 

BicdvOn,  TTÖXic  MaKcboviac  .  .  dqp* 
fjc  0  a  i  b  i  ji  0  c  iX€T€lu)v  TTOiirrfic  Bicav9r|vöc. 

Bop^(cKoc,  x^piov  MaKeboviac,  dv 
CD  KuvocirdpaKTOC  t^tov€V  €vipnTibTic  .  . 

BoCpa,  TTÖXic  'Axatac  . .  Ik  TauTr\c  fjv 
TTuG^ac  CcuTpdqpoc,  oö  iccxy  fpyov  6  iv 
TTepTdinifJ  dX^qpac,  dirö  TOixoTpaqpiac  lüv, 
ujc  ÖiXuiv. 

Tabdpa,  ttöXic koiXtic  Cupiac,  ..4vt€u- 
6€V  fjv  M^VITTITOC  6  CTTOüboTeXoToc. 

rdb€ipa..6  TToXiTTic  Tabeipcuc-  outu) 
ydp  Td  ir^vxe  ßißXia  dTriT^Tpa^rrai  t&v 
TTuGaTopiKoiv  cxoXujv  MobcpdTou  fa- 
beip^ujc. 

TapTTlTTÖC,  TTÖXlC  Kai  bfi^oc  TTIC  Al- 

ipitboc  cpuXf^c  .  .  'ETTiKOupoc  NcokX^ouc 
rapTrJTTioc. 

r^paca,  TTÖXic  THC  KOtXTic  Cupiac. 
ii  aÖTflc  'ApicTiüv  ^f^Twp  dcT€Töc  dcxiv, 
vbc  0iXuiv,  Kai  KVjpuKOC  coqpicrfic  Kai 
TTXdxuiv  voMiKÖc  ^riTiüp,  Trdcav  naibeuciv 
vbc  ^iav  dTrocTO|LiaTi2!uiv  Kai  dv  cuv^TOptaic 
Kai  irapebpeuTaTc  Kai  Gpövoic  t^v  öp8ÖTT)Ta 
TUJV  vöjLiuiv  diriTTib€uu)v  (ßohd.  1. 1. 666  n.  2). 

r^pTic,  iröXic  Tpoiac,  tö  OtiXuköv 
TepTiOla  . .  dqp'  oö  fepTieia  i\  xpncMoXÖTOC 
CißuXXa,  f^Tic  Kai  ireTuiruiTo  iv  jCb  vo- 
^lc^aTl  TUJV  r€pTi6iu)v  auxri  t€  Kai  C(p(tH, 
übe  0X^TUJV  dv  'OXujLiiTidbaJV  a'  (of.  doctis- 
simam  adnotatiuncnlam  Meinekii).  iv  Tf^ 
Upcji  ToO  FepTiöiou  'AttöXXuüvoc  CißuXXr|c 
q)aclv  elvai  iniTdqpiov. 

[AiKaidpxeia,  ttöXic  'liaXiac.  lauTiiv 
hi  (pacx  KCKXfJcGai  TToxiöXouc,  iv  fj  tö 
cu^TTÖciov  6  'Hpiubiavdc  ^TPaV^v,] 

Auppdxtov  . .  Kai  'Gp^wioc  0(Xu)v 
iv  Toic  iarptKOtc  (epitoma  Behdigerana  iv 
ToTc  laipoic  exhibet,  quod  Niesius  p.  41 
recepit)  Auppaxnvöv  dvaypdcpci  0iXu)- 
vibT)V  oÖTiüC'  **AcKXr|TridbT]C  dKOucrdc 
2cx€  TiTov  Au(pibiov  CiKeXöv  Kai  0i- 
Xuüvibnv  Auppaxnvöv  Kai  NiKiuva 
*AKpaTavTivov/  Kai  TtdXiv  *0iXu)vibTic  bt 


Suid. 


'eniKOupoc   Neo- 
KX^ouc'AGTivaioc,  fap- 

T^ITTIOC  TUJV  b/jjiUJV . . . 

(Eohd.  L  1.  665  n.  1). 


ClßuXXa  'AttöX- 
Xujvoc  . .  'epuGpaia . . 
..Tivkb'  airrt|vCiK€- 
Xrjv,  dXXoi  Capbiavifjv, 
öXXoi  fepTiGiav  .  . 
^böEacav  (Bohd.  565 
n.  1),  cf.  Nies.  p.  30 ;  sed 
aliter  sensit  Maassius 
(deSibyll.ind.p.25,n. 
63),  quamvisnonrecte: 
nam  et  Stephaniana  et 
haec  Hesjchiana  (of. 
MaasB.  53)  glossa  ab 
eodem  anctore  (Phi- 
lone)  repetenda  est 
(aliter  tarnen  res  se 
habet  s.  tAefi}xr\cc6c). 


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De  Snidae  biograpbicomm  origine  et  fide. 


445 


Steph.  Byz. 
öAuppaxnvöc  i^KOuc€  jiifev  ^AocXnindbou, 
iarpeiicac  bi  dv  tQ  Traxpibi  dvböEuK:'  cuve- 
T<i£aTO  ßißMa  ine". 

AucTTÖVTiov,  TTÖXic  TTicttiac  .  .  dtro 
TauTTic  *AvT{|Liaxoc  1\y  ^Xu^nlOVlKl^c,  vi- 
Ki^cac  d  V  '0  X  u  u  TT  i  d  b  i  (quae  verba  cancellis 
saepsit  Meinekius;  sed  post  iy  numerum  ß' 
intercidisse  vidit  Wachsmuthius)  crdbiov. 
<|)X^YWV  iv  öXuMTTidbi  ß'  *'AvT(^axoc 
*HX€ioc  Ik  AucTTOvriou  cxdbiov'.  xal  iv 
Kl'  'AdiiTTTOc  KpoTUJVidTTic  TTuE,  'HXeiuiv 
^K  AucTTOVxiou  T^OpiTTTTOV*.  (Ceterum  cf. 
Bohdium  1.  L  564  n.  1.) 

'6iTi(pdv€ia,  TTÖXic  Cupiac  .  .  dq)*  f^c 
6ö(ppdTr|C  6  CTuiiKÖc  (piXöcoq)oc. 

"Epecoc,  nöXic  A^cßou .  .li  f\c  Seö- 
q)pacTOC /ApiCTOT^Xouc  Tvübpijiioc  kuI  bid- 
boxoc  ödTTicpavdcTaToc,  8c  TvprapLoc  t\i,feTo 
Kttl  b\ä  TÖ  Tf\c  qppdceuic  Gecndciov  ecöcppa- 
CTOC  £kXt)Gii  (quae  verba  non  Straboni  XIII, 
615,  sedPhiloni  deberi  recte  monuit  Niesius 
P.  29). 

*6pu  9p  ai . .  iröXic  Iiövidv  . .  ^xP^M^tiCc 
bt  Ka\  NauKpdrnc  *6puepaToc,  6  *'Ofnipov 
unojLivniLiaTlcac. 

*6pxid,  bf^jLioc  Ti^c*ATTiKf]C  (cf.NieBimn 
p.  34),  Tflc  AiTTl^boc  q)uXf\c  .  .  6  ötiM^ttic 
*epxi€uc.  Kai  McoKpdrnc  *6pxi€uc  fjv.  (Cf. 
Pseud.  Plut.  Vit.  Isocr.  ap.  Westerm.  BtOTp. 
p.  246,  1  et  Westermanni  adnotationem.) 

ZeÖTlLia,  TTÖXic  Cupiac  . .  tö  döviKÖv . . 
ZeuTMOTiTTic  ibc  *AcKaXu)vlTTic,  ibc  Kai 
TTpiwT^ac  6  TpamnaxiKÖc  ZcuTMariTTic. 

'HpaKXeouTToXic,  ttöXic  AlTUTrriac, 
ii  fjc  6eoq)dvT]c  6  cpuciKÖc. 

6^CTic,  TTÖXic  *Apdßu)v,  Kai  dXXn  Ai- 
ßÖTic,  6  TToXfiTic  ^Kax^pac  öecitTiic.  [iK 
bi  Tflc  AißuKf\c  KopvoOxoc  q)iX6co<poc 
GecTiTTic  xpni^OTiCiuv],  quae  verba  extrema 
codice  B  servata  sunt.  Adnotat  vero  Meine- 
kiuB:  ^Bes  ipsa  plus  quam  dubia,  cum  reliqui 
omnes,  atque  ipse  adeo  Stephanus  s.  f^pyic 
(ttöXic  iv  Aißuij . .  TÖ  deviKÖv  TcpTiTTic,  übe 
Tflc  A^TTTic  A€tttIttic.  [oötu)C  Kai  6  91XÖ- 
coq)oc  KopvoOxoc  ixpr\pi6LT\le  AeTTxixiic, 


Suid. 


6eöq>pacxoc  .  .  . 
dTT*  'GpecoO,  dKOucxfjc 
*Apicxox^Xouc  Kai  bid- 
boxoc  xfic  cxoXfic  .  . 
oflxoc  TTpöxcpov  dKa- 
Xctxo  TöpxajLioc,  bid 
b^  xö  9€iujc  q>pd2;€iv . . 
^kX/jOti  eöq)pacxoc . . 

elxa  6€Öq)pacxoc 
(Bohd.  565  n.  1). 


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446 


A.  Daub: 


Steph.  Bjz. 
quae  verba  Meinekius  Beclnsit  utpote  ab  hoc 
locoaliena])  Cornutum  Leptitanum  per- 
hibeant.  Non  dubium  igitur  quin  haec  aut  ab 
imperito  glossatore  illata  sint,  ant  scriptor 
in  yitiosam  codicem  inciderit,  in  quo  6 ^  CT  t c 
scriptum  erat  pro  A^irric'.  Quarom  yicissi- 
tudinum  altera  evenisse  mihi  videtnr. 

6(cßTi,  TTÖXic  Botuiriac  .  .  Ic^riviac 
bk  6  aöXnTfic  6ic߀uc  txpr\\x6LT\le  Kai  6 
'6p€Tpi^u)v  aöXiTrf|c  6ic߀iic. 

eudicipa,  TTÖXic  Aubiac.TÖ  dGviKÖv 
9uaT€ipTivdc  . .  dq)*  o\5  NiKavbpoc  TpoM- 
^aTlK6c 

"lacoc,  TTÖXic  Kapiac  . .  6  ttoXittic  aö- 
Tf\c  'laceuc,  dq)'  oß  XoipiXoc  fjv  (sie  scri- 
bendum  est  pro  dUJv;  an  forte  dniKXiiv?) 
laceuc. 

'kpdiroXic  . .  TÖ  iGviKÖv  IcpaTroXirai, 
d(p*  oö  NiKdviüp  6  v^oc  "Omtipoc  Ka\ 
TTöttXioc  Kai  Capatriuüv  ctiwikoI  Kai 
dXXoi  TrXeicToi  'UpairoXiTat  (cf.  Nie- 
sium  p.  29,  30;  Bohdimn  L  1.  p.  562,  n.  2). 

C'IkOC,  Vf\COC  TtüV  KuKXdbuiv,  7Tpoc€xf|c 
tQ  eußoiqL,  6  VTiciuüTiic  "Ikioc  kfpa\\fe  hk 
<|)avöbTi|Lioc  iKiaKd.  Cf.etiamgLr€Tla.) 

''loc,  vf\coc  Tujv  KuKXdbiüv,  ÖOev  fjv 
'Om^ipou  jniiTTip. 

*lTtJKTl,    TTÖXic    AlßUTlC   .    .   TÖ     dOviKÖV 

*lTUKaToc,  dqp'  oö  Aiovucioc  ö  IxuKaioc 
fiiZoTOfiiiKUiv  irpdiTifi  (tamen  BY  exhibent 
^iZoTO|iiKÖc  a';  hnc  adnotat  Meinekius:  „an 
^iZoTOjuiiKd  [Tpdijiac]?*',  id  quod  parum 
duco  probabile.  Idem  Dionysius  laudator 
ab  Athen.  XTV,  p.  648,  Schol.  Nicandr. 
Theriao.  620,  Plin.  H.  N.  20,  3,  9). 

KdXXaTic,  TToXCxviov  iv  rfl  TtapaXlcf 
ToO  TTövTou  ,  .  dcp'  oö  "Icxpoc  KaXXa- 
Tiavöc  irepl  TpaTH*bCac  TP<iM^ttc  KaXöv  ßi- 
ßXiov. 

Kd^lpoc,  TTÖXic  dv  Töbqi .  •  TTeicav- 
bpoc  6  biacrmÖTaxoc  TTOiriific  Ka^i- 
peöc  fjv. 

KaTTpCri,  vflcoc  IxaXiac . .  X^TOvrai  Kai 
KaTTpiai . .  dvreOeev  fjv  BXaicoc  cttoüöo- 
teXoiujv  TTOinx^ic  KaTTpidxric. 


Suid. 


XoipiXoc  Cdjuiioc* 
Tivfec  (i  e.  Philon) 
b*  lac^a  .  .  IcTO- 
poOciv.  (Cf.  Naekü 
Choer.  p.  40  sq. ,  ßoh- 
dium  1.  1.  569.) 


(?q>acav  "Oii^pov)  *l^- 
TT]V  (tcv^cOai). 


TTelcavbpoc  TTci- 
cuivoc  .  .  Ka^eipaioc 
dTTÖ  *Pöbou,  Kd^lpoc 
ydp  fjv  TTÖXic  Töbou 
(Rohd.  665  n.  l). 


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De  Snidae  biograpbiooram  origine  et  fide. 


447 


Steph.  Byz. 
Kapxn^^v,  ^TlTpÖ7^oXlc  Aißutic,  bia- 

CTlMOldTTl  TTÖXlC  .  .  fCTl  bt  Kai  *ApMC- 
viac  Kapxri'><öv,  die  Eörpöiriöc  q>Ticiv.  6 
TToXiTTic  ^Kapxribövioc  cocpöc  MdTWv'.  xai 
^KXciTÖjLiaxoc  6  Aiotvtjtou,  8c  ^KaXeiTo 
*Acbpoußac,  9tX6co<poc  ÄKabimaiKÖc,  bid- 
boxoc  Kapvcdboü  tflc  Kuprivaiou  cxoXf|c, 
8c  KT]  trwy  dXGdbv  'AGrivare  ÄMOipoc  ^v 
Ttüv  TTpuiTuiv  CToixeiuiv  Kttl  TttuTa  ^avGdvttiv 
i^Kpodcaro  Kapvcdbou'. 

Kacdvbpeia  (^ant  haec  loco  suomota 
sunt;  aatKaccdvbpciascripsit.'  Meinekius), 
TTÖXic  Monceboviac  .  .  TToccibiiriroc  hk 
KUi^^lbiac  iroiiiTf|c  utöc  f)v  Kuvickou  Ka- 
cavbp^uic. 

K€TXP€a{,  TTÖXic  Tptijdboc,  iv  fj  bi^- 
Tptipev  "Omtipoc  fiavOdvuiv  xd  Kaid  touc 
Tpü&ac. 

KoTideiov,  TTÖXic  ti^c  dTriKxi^TOu  <|)pu- 
Tiac  .  *  ?vGa  fjv  *AX^£avbpoc  6  'AckXh- 
TTidbou  TPOMMOTiKÖc,  7roXu|LiaG^cTaTOC  xpn- 
^ariZiuv,  8c  trcpl  iravTobaTrf]c  öXtic  Kb' 
?TPOiip€  ßißXouc. 

KoOpiov,  iröXic  Kuirpou  . .  xal  'Api- 
CTOKXfJc  Koupieuc  fjv. 


KpacTÖc,  TTÖXic  CiKcXiac  Td»v  Cixa- 
vöv  . .  iK  Tttunr^c  fjv  'eTTlxap^oc  6  kw^i- 
KÖc  Kai  Aatc  f|  draipo,  die  NcdvGtic  iv  Tilfi 
TTcpl  dvböHuiv  dvbpOüv.  ixei  bfe  f\  ttöXic 
cötTpcTTCcrdrac  T^vaiKac,  die  0lX/j^ulv 
(pro  qno  Niesiufi  p.  31  nomen  0iXuiv  pro- 
posnit,  haud  sane  probabiliter). 

KubaGrivaiov,  bf^jioc  Tf\c  TTavbiovi- 
boc  qpuXfJc  .  .  ivT€uG€v  fjv  NiKOxdpric  6 

KUI^lKÖC 

KuGvoc  vflcocKal  KuGvioc.Kublac 
(sie  conrigas  ex  Eustathio  ad  Dion.  525, 
KuGioc  RV,  KuGvioc  A)  6  &UTpd9oc 

K  u  M  Ti  y  TTÖXic  AioXiboc  TTpÖ  Tf\c  A^cßou . . 


Suid. 


TT  0  C  €  {  b  l  TT  TT  0  C 

Kaccavbpeuc,  ulöc  Ku- 

viCKOU  .  .  KUI^lKÖC. 

*O^T]pOC    .  .    Ol 

}ikv  . .  fcpacav  t^v^- 
cGai  CMupvaTov,  ol 
bk  Xiov  .  .  Ol  b'  U 
Tpolac,  dTTÖ  xwpiou 
K€TXP€*JL>v.  In  sin- 
gulis  Homeri  vitis  nnl- 
lum  hninsce  rei  vesti- 
gium  indagare  potni. 
Quo  certius  mihi  vide- 
tnr  ex  Philonis  opere 
illud  fluxisse.  Ceterum 
Hesyohius  Cenchreas 
temere  voeavit  pa- 
triam  Homeri^  qua  de 
re  cf.  Rohdium  1.  L 
p.  Ö69. 

'GTTixapjLioc. 

CupaKOUClOC  f{  iK  TTÖ- 

Xeuic  KpdcTou  twv  Ci- 
KavOuv. 


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448 


A.  Dftab: 


Stepk  Byz. 
dvxeOGev  fjv  "Eqpopoc  6  IcxoptKÖc  xal 
'Hcioboc    KuMOioi.     £z   Strabone   (XTTT, 
622)  potius  haec  petita  esse  Niesio  (p.  29, 
not)  yidentar. 

Kuvöc  Keq)aXai,  X6q>oi  (sie  Meinek. 
pro  XÖ90C)  Tfic  6eccaXiac  .  .  .  .  f|v  bt  kqI 
XU)piov  Orißujv,  &(p*  oi  TTivbapoc  Aa\'- 
(pdvTou  Tiaic,   BoidiTioc  £k  Kuvöc  K€(pa- 

XUÜV,  ^eX(&V  TTOlTlTi^C 


Kupifjvn,  TTÖXic  Aißuiic  .  .  ivreOGev  fjv 
*ep  aro  c6  ^  VTi  c  'AtctKXtouc  iraTc  6\cTopiKÖc. 

KupToc,  TTÖXic  Alipiirrou  . .  ^k  raOrric 
Aiovucioc  fjv  bidcHMOC  laTpöc,  dirö  Tf]C 

TTttTpibOC,    OÖK    dlTÖ    TOO   ClÖjiaTOC   KupTÖc 

övo^aI6^€VOC,  oi5  ^^^VT^Tal  *€p^vvioc 
<|)iXu)v  iv  tCD  Trepl  iaipÄv. 

KlüC,   TTÖXic   Kai   vf^coc   Tf\C    K^UI.    TÖ 

ieviKÖv  K60C  Ktti  iicrdcei  K^ioc,  "üic  xf^c 
Tiijj  T60C  Ka\  T/iioc,  Ka\  Ketoc  bid  bi- 
cpOÖTTOu.  Tflc  bt  Kw  ^lovocuXXdßou  Ki|ioc 
Ka\  Kübioc,  die  Miv&oc.  oötujc  bk  ^XPI" 
^driZevlmroKpdTric  Kai^EpaciCTpaToc 

lorpoi.    fjV  bfe  'iTTTTOKpdTTlC   TOIV  KaXouji^- 

vujv  Neßpiböv  N^ßpoc  ydp  ^T^vexo  6 
biacrmöraToc  töv  *AcKXri7riabOuv,  &  kxxX  f| 
TTuOta  dMapröpTicev,  ou  fviDcCbiKOC,  fvuici- 
biKOu  bt  1inroKpdTr|C,  Ka\  Alvcioc  xai  TTo- 
baXeiptoc,  'iTTTTOicpdTouc  'HpaicXetbric,  oi5 
*lTnroKpdTTic  6  ^irKpav^craroc,  6  xal  6au- 
Madac  cuvrdEeic  KaTaXeXomiOc. 


AiiTri,  iröXic  MaKcboviac  . .  tö  dGviKÖv 
Anxaioc-  oÖTuic  ydp  icTOpeirai  N^apxoc 
AnraToc,  täv  ^AXeEdvbptu  tä  ineYdXtfi  cucrpa- 
T€Uca]Li^vujv  ö  biacrifLiÖTaTOC,  nbi  dnas 


Snid 

"Ccpopoc  (▼. 
''Ccpiinroc)  Kupaioc,  et 
s.'^CqpopocKuiyiatoc 
Kai  G€ÖIro^1roc  (Bohd. 
565  n.  1). 

'Hcioboc  Ku- 
^aloc . . 

TTivbapoc  Gn- 
ßaioc,  CkottcXivou  vX- 
6cy  Kard  bi  rivac  Aal- 
q>dvTOu,  8  Kat  pdXXov 
dXnWc  (cf.  Vit  Find 
a^  ap.  Weaterm.  p.  90, 
1  sqq.,  et  Vit  Find.  ß^. 
ap.  Westerm.  p.  96, 
82  sq.,  et  Vit  Find.  t'. 
ap.  Westerm.  p.98, 52). 
'Eparocöcviic 
*ATXaoO,  Kupf)vatoc 


'iTTTTOKpdTIlC 

KuKK,  iarpöc,  'Hpa- 
KXeibou  uWc . . 

'iTTITOKpdTHC 

rvuicibiKOu  ulöc  Kiw- 
oc,  TTorfip  'HpaKXctöa 
ToO  irarpöc  liriTOKpd- 
Touc,  lorpöc  Koi  au- 
t6c,  toO  t^vouc  Ttiiv 
'AcKXiimaburv.  iorpt- 
Kd  (adi  etiamHippocra- 
tis  vitam  Soraneam). 
8.  '€pacicTpaToc 
louXit^Tiic,  dir'  'louXi- 
boc  TTÖXeuic  K^U»  TTIC 
Yf\cov,  xprwxariLei  oöv 
Kfjioc  (Bohd.  566 11.1). 


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De  Snidae  biographicomm  origine  et  fide. 


449 


Steph.  Byz. 
glossas  in  unam  coaluisse  probabiliter  sta- 
tuit  Meinekias. 

AiiToOc,  tröXic  AItwtttou  . .  tö  dOviKÖv 
ATTTOTfoXiTiic-  oCtujc  fop  TToXucTpOTOC 
Kai  ^AttoXXuüvioc  6  dpxotq>^u)c  (sie  libri; 
Holstenius  coni.  äpxi€p€uc,  quod  Bohdio  [1. 1. 
p.  566*]  merito  diepKcuit)  Xetö^evoc  dva- 
Tpd(p€Tai  (nee  MeineMo  adsentior  äva- 
Tpä(pei  conrigenti,  quod  Apollonins  faerit 
Aphrodisiensis  —  obstat  enim  vel  ipse  oon- 
stans  Btephani  asus,  cl  p:  463,  21 ;  449, 18; 
450,  6;  52,  9,  qnod  Wachsmnthiiis  rectissi- 
me  monrnt  —  neque  credo  hnnc  Apollonium 
eundem  esse  quem  Suidas  s.  'A.  'Aq>pobicieuc 
comnemorat.  Praeterea  cf.  Gutschmidium 
ad  Sharpii  histor.  Aegjpi  interpr.  Qerm.  ü, 
p.  164  adnot.  1.  Ac  plane  idem  nanc  censet 
Rohdius  1.  1.). 

[MavTUTi  Ktti]  MdvTua  iröXic  *Puj- 
jLiaiuiv  .  .  Tpdtpetai  Kd  Mdvxoua  .  .  Ü 
aurf^c  fjv  BepTiXioc  6  noiirrfic  Mavrou- 
TTic  XPnMaTiZuJV. 

Mdxaupoc,  TTÖXic  CiKcXiac.  Cttici- 
Xopoc,  ۟q)l^^ou  Traic,  MataupTvoc  t^- 
voc,  6  Tuiv  ^€XÄv  Tioxryrfic 


MeydXri  ttöXic,  ttöXic  *ApKab(ac  .  . 
dq>*  f\c  KepKibac  fipicToc  voinoe^Tiic,  Ka\ 
^€Xld^ßuJv  TTOinTTic,  Kttl  AlvTicCac  trcpi- 
TraTTynKÖc  6  ©ecKppdcTOu  ^a6T|T/|C,  Kai  'Ak€  - 
cTÖbuipoc  Tr€p\  nöXeiwv  cuTT€Tpo<P^c,  Kai 
TToXvißioc  T€ccapdKOVTa  ßißXia  Icroptac 
(quod  ipse  adieci)  TpdM^ac. 


M^T<xpa,  TTÖXic  irepl  töv  IcOmöv  .  . 
d«p*  i&v  Ö^OTVic  6  Tdc  7Tapaiv^C€ic  Tpd- 
i|iac. 

Jahrb.  f.  oUis.  FhUol.  Snppl.  Bd.  XL 


Suid. 


Cxncixopoc  €ö- 
(pöpßouf|6u9f)|Liou.. 
TröX€UJC  *ljLi^pac  xf^c  Ci- 
KcXiac  KttXeiTai  toOv 
'IjLiepaioc  ol  b*  änö 
Marauplac  tf^c  Iv 
'iTaXiqi . .  (Stepbanus 
ait  CiKcXiac,  verum  re- 
cordandom  est  Siciliam 
de  Campania  et  inferio- 
re parte  Italiae  aliquo- 
tiens  ab  eodem  nsur- 
pari,  cf .  Meinekii  notanl 
ad  Steph.  s.  Civöecca.) 

TToXiißioc  .  .  . 
dTfö  MeydXiic  TTÖXeuic 
Tflc  *ApKabiac  .  .  ou- 
Toc  ifpa\\ff,  -rfiv  iia- 
Kpdv  kiopiav  'PiüjLiai- 
Kf|v  iv  ßißXiotc  M . 
(Rohd.  566  not.  1.) 

(S^OTViG  Mcya- 
p€iic  Tiöv  iv  CtKCXiCjl 

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450 


A.  Daab: 


Sieph.  Byz. 

M^b|LiTi,  TTÖXic  IxaXiac  . .  Ö9€V  fjv  Oi- 
Xittttoc  dEiöXoTOC  dvf|p  6  Tiepl  dv^iniDV 
T€Tpct<pu»c 

[MepMnccöc,  TTÖXic  Tpuüiiofi,  dcp^f^c  f\ 
'6pu6paia  CißuXXa,  cf.  Niesium  p.dO,  sed 
Tide  nimo  Maassinm  1.  1.  26,  n.  63. 

MeTaTTÖVTiov,  ttöXic  ItaXlacö  iro- 
XitiicMctottovtTvoc,  dq)*oö0jXujv  öauXri- 
"rtic  Ka\  iroiTiiYic. 

MfiGü^va,  nöXic  iv  A^cßqi  Tfl  vrjciji.. 
6  TToXiTTic  MnOuMvaToc  oÖTUic  fdp  dva- 
TpdcpcTai  '€x€KpaT{bTic  irepiiraTTiTiKÖc, 
*ApiCTOT^Xouc  cuvf^Gric,  Kai  MupciXoc  cuy- 
Tpacpctjc  Kttl  *Ap{aJV  xal  dXXoi  ttoXXoI 
MriGujLivaioi. 

MtiKÜßepva,  TTÖXic  TTaXXifiviic  rf^c  tv 
6p<jiKij  XepowTicou  . .  6  ttoXCttic  MriKußcp- 
vaTocoÖTUJCTdpdvaTpd<p€Tai'HTilcnr.* 
7T0C  6  Td  TTaXXriviaKd  cuvreraxwc  Ka\ 
0iXuJvibr)C  Kai  ol  dXXoi. 
.  MfjXoc,  vf\coc  jLiia  twv  KuKXdbuiv . . 
6  TToXiTTic  Aiayöpac  6  MifjXioc  Kai  [qpi- 
Xöcoqpoc  Kai  (jicjudriuv,  quibns  verbis  sat 
probabiliter  lacunamobBtnmtMeinekius  Sni- 
dam  ducem  secutus]  irotr|Trjc,  Kai  CiUKpd- 
TTic  KaT*  *ApiCTO<pdvTiv  (sie  vere  idem  emen- 
davit  quod  volgo  legitar  Kai  'A.). 

MicZa,  TTÖXic  MaKeboviac. .  tö  ^Gviköv 
MieCeuc  Kai  MieCaToc  oötwc  ydp  XPIM^t" 
Tilei  NiKdvuip,  KaOd  AoOkioc  (cfr.  tarnen 
Niesium  p.  29). 

MiXtitoc,  TTÖXic  dm(pavf|c  Iw  Kaptf 
Tiöv  *laivu)v  . .  6  TToXiTTic  MiXiictoc.  oönuc 
Kai  6aXf]C  (of,  Niesiam  p.  80)  'Öamiou 
Traxpöc  MiXrjcioc  ixP^lMdriZe  wxi  OuikuXi- 
bnc  Kai  TijLiöGeoc  KiGapi|i56c,  8c  dnoirice 
vö|iU)v  KiGapuibiKUJV  ßißXouc  ÖKTOüKaibeKa 
elc  i-rzvjv  ÖKxaKicxiXiujv  töv  dpiGjiiöv,  Kai 
irpovö|Liia  dXXuiv  x{^i«(«*)  —  in  Kbris  P'RV 
est  *(f',  quod  in  'q'  conrigendum  esse 
Buspicatur  Wachsmathius  —  GvifjcKei  b' 
iv  MaKCbovicji  (quibns  adnexum  est  epi- 
gramma). 

Möipou  dcTia,  [ttöXic]  KiXiKiac . .  6 


Suid. 
McTopiüV,  cf.  Bern 
hardynm  ad  Suid.  8. 
h.  Y.,  NietzscMum  Mus. 
Bh.  n.  XXn,  189  sq., 
Harpocr.  s.  etoifvic, 
SchoL  Fiat  Legg.  I, 
p.  448.) 


*A  p  ( u)  V    Mt|Gu- 
^vaioc  XupiKÖc  (Bohd. 
566  not  1). 


Aiayöpac  . .  MVj- 
Xioc,  <piXöco(poc  Kai 
dc^dTUJV  TTOiiTrt^c. 


eaXf^c^SaMviou.. 
MiXl^cioc(Bohd.6660. 
0UJKUX(bT]C  MiX^- 
cioc,  q)iX6coq>oc(Bohd. 
666^).— TiMÖGeoc. 
MiXi^cioc  XupiKÖc  .  . 
iTeXeuTTicev  ixdiv  W, 
Tpdvac  bi*i7tüjv  v6- 
^0üc  ^ouclKoOc  iG', 
irpooiMia  X^  (irpovö- 
fita  ex  Stephani  verbis 


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De  Suidae  biographicorum  oiigine  et  fide. 


451 


Steph.  Byz. 
iroXiTiic  Moi|I€6tt]C,  .  .  dcp*  oö  6  TP^MMa- 
TiKÖc  'HpaKXetbric  6  MoipeäTnc. 

[MuXaca,  ttöXic  Kapiac  . .  tö  49viköv 
MuXac€uc  ouTUiCYop  dvaTp<S((pouci  iroX- 
Xoi,  d)C  M^vavbpoc  KaTai|i€ubofi^vqj,  — 
quodqaidem  testimoniam  hnc  vix  referendum 
esse  videtor^  etiamsi  Bohdius  (L  L  565,  n.  2) 
ceieris  itain8erait,iitdvaTpä90VTat  coni- 
eeret  et  post  vocem  troXXoi  lacunam  sta- 
taeret.] 

Muvboc,  iröXic  Kaptac  . .  fjc  tö  dGvi- 
KÖv  Muvbioc  Ka\  Muvbio.  'AiroXXuivioc 
Kai  Zrjvuiv  Müvbioi  tp^^MMO^tikoL 

MupXeia,  ttöXic  BiGuviac,  f|  vOvXcto- 
^^vr|  *Air<i|Li€ia  .  .  6  TroXirTic  MupXcavöc, 
u)c  *AcKXTiiridbTic  MupXcavöc  dvatpd- 
<p€Tat. 

NiKttia,  TTÖXic  BiGuvlac  . .  6yb6r\  Qpcji- 
Kr\c.  €lc\  hk  Kai  dXXai  f\  Txapä  6€pMOTn3Xac 
Kai  öpcjiKTiv  .  .  ii  ainf\c  1c(tovoc  Kai 
'A  c  K  X  T]  TT  i  d  5  T]  c  Kai  TT  a  p  e  ^  V  i  o  c  Kai 
'AttoXXuivCötic  Kai  '6Tri9^pcTic  TpajiMa- 
TiKÖc,  Tpdniac  TTCpl  X^Hcuiv  drriKuiv  Kai 
Kiu)iiK<£)V  Kai  TpaTiKuiv  (cf.  Bohdinm  1. 1.  565 
not.  2). 

NiKOM/jbeta,  iröXtc  BiOuviac  . .  d£  fjc 
'Apptav6c  (cf.  tarnen  Niesium  p.  29). 

'OÖTICCÖC,    TTÖXlC    dV   Tljl   TTÖVTlfi  .  .  6 

TToXinic  'ObncciTTic  Kai  ^Obricceuc.  ixm- 
\i6mloy  bt  *HpaKX€ibriclcTopiOTpd<pocKal 
AfiMnTptoc  6  7T€pl  Tflc  Traxpiboc  ipdipac. 

OixaXia..  A1VOC..6  IcTopiKÖc  Olxa- 
Xturnic  fjv  (adi  doctissimam  Meinekii  ad- 
notationem). 

'OXöqpuEoc,  TTÖXic  iv  Qp4^ . .  6  ttoXi- 
TT]C  **HpöboToc  'OXo9u£ioc  irepl  vujiqpaiv 
Kai  8€UiV  Tpdi|iac'  (cf.  Meinekium  ad  h.  gl.). 

CTdTcipa,  TTÖXic  [MaKcboviac]  .  . 
*ApiCTOTdXTlC  CTaT€ip(Tiic. 


Snid. 
8.  MiXiiTOC  pamm  pro- 
babiliter  Beinesius  re- 
stitoit,  sed  cf.Bobdioin 
L  1.572  et  not.  2;  et 
supra  noB  p.  429  et 
n.  22,b). 


*AcKXTiiridbTic  .  . 
MupXeavöc  (ttöXic  b* 
icTl  Bi9uviac,  f|  vOv 
*ATTd|i€ia  KaXou^dvT^), 
tö  b'  fivui9€V  T^voc 
fiv  NiKa€uc . . 

TTap9<vioc  . .  Ni- 
Kacuc  f{  MupXeavöc. 
Cf.  Meinekium  Anal. 
Alex.  256,  Bohdinm 
1.  1.  569,  n.  2. 

'Appiavöc  NiKO- 
inribeüc  (Bohd.  565^). 


*ApiCTOTdXTlC    .   • 

Ik  Cxcrreiptüv  ttöXciwc 
Tf)C  dp^KHC,  cf.  tarnen 
Vit.  Axiflt.  Ammon. 
(BiOTp.  p.  398):  'A. 
T«j)  pAv  T^vei  JJv  Ma- 


29* 


d  by 


Google 


452 


A.  Daub: 


Steph.  Byz. 

Tdpac,  TTÖXic  'ItaXiac  .  .  6  TroX{TT]c 
TapavTivoc  .  .  xai  dv€TPÄ<pilcav  oötui 
TToXXol  xpr\)xar\lovz€C,  ^dXlCTa  TT u Gay 6- 
peioi  xal  'ApicTÖSevoc  ^ouciköc,  'Apt- 
CTOTttouc  TvÄpiMOC.  Kai  'Pivöuiv  Tapav- 
Tivoc,  9Xua£,  Tot  TpoTiKd  ^€Tappu6^iZu)v 
de  TÖ  T€XoTov  (p^povrai  b'  aJrroO  bpd- 
ILiaTa  Xti'.  Kai  "Ikkoc  6  Tapavrivoc  larpöc 
im  jfic  ot  öXujiiridboc.  \kiyopi\ia\  toutou 
Kai  TTXdxuJV  iv  TTpuiTaTÖpcji  (p.  285),  cf. 
Niesium  p.  31. 

Tdppa,  TTÖXic  Aubiac  [dcp'  fjc  fjv  Aeii- 
Kioc  6  TP<KMMceTiK6c,  quae  verba  seclusit 
Meinekius].  ^T€pa  KpiiTr|C..  AoOkioc  V  fjv 
dtrö  Tdppac  xflc  KpririKf^c  ttöXcujc.  qp^perai 
bi  TOUTOU  Td  irepi  irapoi^iuiv  xpia  ßißXia 
fipicTa  Kai  irepl  TpoMfidTOJv  Kai  Texvmd 
tXacpupuiTaTa  —  quam  glossam  Philoni  ad- 
signare  cum  Niesio  (p.  29)  non  dubito. 

T  ^  u)  c ,  TTÖXic  'luiviac . .  tö  dOviKÖv  Tifjioc. 
&Ti  Tdp  Tipurrov  T^ioc  koi  Tcioc  Kai  iuivi- 
Kuic  Triioc.  d<p*  oö  ^TTpiuTayöpac  6 
T^ioc'.  Kai  CkuGTvoc  id^ßuiv  nonTtfic 
Triioc. 

Tfivoc,  vficoc  KuKXdc  . .  Ictx  Kai  tröXic 
AaKiüviKTi,  )xia  toiv  ^KaTÖv  Tfjvoc  Xcto- 

|yi^VT|.     6  TTOXlTTlC  TfjVlOC,   Kai  Td  Gn^vKÖv 

Tnvia,  d<p*  oö  Kal^HpivvaTrivia  iroiifJTpta. 


Tißcpidc,  irdXic  Tf)c  loubaiac  .  .  ^k 
TauTTic  fjv  loucTOC  6  Tdv  loubaiKÖv  irö- 
X€^ov  TÖv  KaTd  OuecrraciavoG  Icropficac 

Tpayia,  vi^coc  npöc  tcTc  KuKXdciv, 
öGev  fjv  9€0T€lTU)v  6  ircpiironiTiKÖc, 
'ApiCTOT^Xouc  Tvu^pi^oc. 

TpdyiXoc,  TTÖXic  ^ia  tiöv  ^ttI  ©piji- 

KnC  .  .  ^K   TaUTTlC    JjV  *AcKXTlTTldbTlC  6  Xd 

TpaT4ibou^€va  Tpdiiiac  bi  ^  ßißXioic. 

Tpqidc,  f|  x^wpa  toO  IXfou  . .  dvTcGGcv 
ijv  Kai  'HtncidvaE  TPOMMaTiKÖc,  ypdiiiac 
TT€pl  Ti^c  ArmoKpiTou  \ilt\xK  ßißXiov  Sv 

Kai  TTCpl  TTOHlTlKdlV  X^{€UIV. 


Suid. 
Kebidv,  TTÖXeuic  bt  Cia- 
tetpiüv. 

Cf.    8.    'AplCTÖEC- 

voc  et  8.  'Apxwxac, 
q>iXöcoq>oc  TTuGoro- 
piKÖc 

*ApiCTÖH€V0C   .  . 

dTTÖ  TdpavTOC  Tf|c 
IxaXiac.  .dKOüCTf|c.. 

T^XOC      *ApiCTOTÄ0UC 

(Rohd.  565  not  l). 
*PivGuiv  TapQVTi- 

VOC,  KW)llKÖC,äpXTlT^ 

Tflc  KaXou^^VT)c  iXa- 
pOTpaytubiac,  8  icn 
q)XuaKOTpa<pia.  bpd- 
ysna  V  auTou  xuifiiKd 
xpaxiKd  Xti'. 


TTpuiTaTÖpac 
*AßbTiplTT|c  . .  Tivic  (i. 
e.  Philo)  b*  aÖTÖv  Kcn 
T/jiov  avi-x^io^av  (cf. 
Eudoc.). 

''HpivvaT€to(for- 
tasse   Stepbano   dnce 
Tr)Vta  conrigendnm 
OBt)  f[  Accßia,  iK  b' 
dXXoi  TT^xia 

(Olossa  Soidiana  s. 
'loOcToc  Tiß.  ex  So- 
phronio  petita  est,  cf. 
RobdiumL1.564,n.2.) 


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De  Saidae  biographieomm  origine  et  fide. 


453 


Steph.  Byz. 

Tbp^a,  vfjcoc  Trpdc  t^  TpoiZi^vi . .  tö 
dOviKÖv  Tbpedrric*  oötu)  top  ^XP^^aötiZcv 
€udTnc  Tbpcdnic  KuijüHfibiac  ttoitit/ic,  übe 
A  i  o  V  u  c  1 0  c  (cf.Niesium  p.3 1, 0.Schneiderum 
Callun.  n  31,  Meinekium  Eist.  crit.  com. 
Gr.  p.  16,  608)  €lKOcn|>  rpiTiji  iflc  ^ouci- 
Krjc  kToptac.  ?iv  b'  6  6u<iTTic  Tio\}if\v  Tic 
ärp^MpaTOC  biiXabfl  xai  Tf\c  Sk\r\Q  iraibetac 
fiireipoc,  TtoiTiific  b*  ÄTaGöc  Kwmpbid&v. 

'YXXdpiMtt,  TToXixviov  Kapiac  . .  öGev 
fjv  'iepoKXf)c  6  dnö  deXriceiuv  iiA  cpiXo- 
cocpiav  dxOeiCy  quanquam  dubium  est  haeci- 
ne  glossa  e  Fhilonis  opere  proflaxerit,  cf. 
Niesium  p.  28,  29. 

<t>dXavva.  .&Ti  xal  Ir^pct  (ttöXic)  KpVj- 
TTic,  d<p'  f)cfiv0avidbr|c  ö TrepmaniTiKdc. 

4)dciiXic,  TTÖXic  TTa|Liq)uXiac  .  .  6€0- 
bcKTric  fjv  T^voc  OacriXiTTic,  ulöc  'Api- 
crdvbpou,  xdXXci  biaqp^puiv,*  8c  inoi^ce 
TpaTi})biac  v'  Kai  ^nTopiKdc  rexvac  Km  Xö- 
Touc  ^TiTOpiKOuc  ÄTrarv  Kai  (in  qua  vocula 
cod.  IL  servata  yerstinni  numerum  latere 
(k)  Meinekios  saspicatur;  aliter  sensit  Bnbn- 
kemus  [Bist,  crit  orat  Gr.  p.  83]  in  dTTiöv 
orationam  nnmerum  inesse  existamans. 
Nnperrime  vero  Bohdins  (1.  L  p.  567)  in  *Kai' 
numerum  ß,ai' latere  et  vocem  ^irri  (i.e.CTixoi 
—  BecU  hanc  significationem  propter  numeri 
ß,ai'  naturam  hac  yiz  quadrare  ex  Wachs- 
muthii  disputatione  [Mus.  Rh.  n.  XXXIY, 
481  sq.]  elucet  — )  Fhilonea  ab  Hesychio 
perperam  intellecta  in  *fi^Tpov'  (et  Suid. 
^v  jui^Tpifi)  mutatam  esse  coniecii  Quae 
opinio  quamyis  subtiliter  excogitata  displicet; 
nam  Terba  Suidiana  dv  fi^Tpu)  sana  esse 
vel  oppositio  (fiXXa  Tivd  KaraXoYdbTiv) 
planissime  ostendit,  neque  cum  Maerckero 
(de  Theodect  66)  in  Tiepl  fi^TpuiV  conrigenda 
sunt.  Verum  m  fallor  Stephani  emendatio  a 
Suidae  yerbis  repetenda  est:  removeamus 
ante  omnia  ^KaP  uno  codice  serratum, 
utpote  illud  ex  prioribus  falso  repetitum, 
deinde inseramus  bi^ante^iTUüv(bi*  dTicbv); 
iam  omnia  apte  procedunt  (cf.  e.  g.  Suid.  s. 
TTapiievibTic).  dn^eave  b'  'Aeiivrici,  Ka\  ^tti- 


Suid. 


eeob^KTTic  'Api- 
cidvbpou  OacnXiTTic 
iK  AuKiac,  ^HTUip, 
. .  bpdjLiata  b'  dbibaEe 
V.  TeXcutqlb'dv'AGri- 
vaic  . .  ^TPav«  bk  Kttl 
T^XVTiv  ^r|TopiKf|v  iy 
jLi^Tpif)  Ka\  dXXa  Tivd 
KaTaXoTdbT]v. 


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Snid. 


Ti^ujv  <l>Xidcioc.. 
6  TP<ScM'Oic  Touc  KoXou- 
fi^vouc  dXXouc  fjToi 
qiÖTOUc  TÄv  q>tXoc6- 
<puiv  ßißXia  t'. 


454  A.  Daub: 

Steph.  Bjz. 
T^TPCtTrrai  bi  (add.  R.)  auT(p  dXcTeiov  (quod 
iam  sequitur). 

0iXiKiroi,  iröXic  MaKcboviac  . .  fvOcv 
i^v^AbpacToc  6  irepwraTTiTiKÖc  q)iXöco<poc, 
'ApiCTOT^Xouc  fiaeiiTfic. 

0XioOc,  TtöXic  TTeXoTtowricou  .  .  xai 
Ti^uiv  ö  TTcpi  ciXXwv  TCTP0tq>uic  0Xidcioc 

Bern  in  medio  relinquo  de  glossa  s.  y. 
Xrjv,  quam  ex  Platon.  Protag.  p.  343  Ste- 
phanum  ipsom  delibasse  perprobabile  est. 

Ex  homm  iestimonioinim  numero  ea  exemi,  quae  yel  propter 
tempomm  rationes  Philoni  vindicari  Deqneant  (s.  f^a,  *£v€Toi, 
Tapcoc,  Tacic,  0€V^ß?ieic,  cf.  Niesiam  1.  1.  p.  28,  29) ,  vel  alinnde 
(s.  'Accöc,***)  1ouX(c,  Kapüavba,  B^pTn  ex  Starabone  Xm  p.  610, 
X  p.  486,  XIV  p.  658,  II  p.  102,  104,  cf.  Niedom  p.  29;  sire  ex 
Piatone  (Protag,  343)  b.  *Htic  et  Xi^v  —  aliter  saue  Niesius  indicavit) 
petita,  yel  fabnlanun  caligine  obducta  a  Philonis  opere  aliena  simt 
(cf.  Niesixim  p.  30,  s.  ''69upc^  KuTii,  NdpuH). 

Cetera  yero  exempla  magnopere  adangerentur,  nisi  Stepbaoi 
opus  miBemm  in  modum  laceratum  excerptumqne  aetatem  tolisset 
Einsdemque  culpa  excerptoris  factum  est,  ut  Philonis  scriptionis 
reliquiae  tarn  mutila  condicione  ad  nos  peryenerint.  At  tarnen 
omnia  yestigia  non  prorsus  eyanuere:  quae  si  sedulo  conlegerimus, 
imaginem  quandam  operis  illius  mente  informare  poterimus.  Qoan- 
quam  Niesius  (p.  30)  qualem  rationem  in  hominum  inlustrium  re- 
censu  Philo  ingressus  sit  sese  ignorare  confessus  est.  « 

Ad  litterarum  autem  ordinem  recensentnr  homines  hice  — 
plurima  exempla  iam  Niesius  (p.  30)  conposuit  — : 

s.  "Aßbiipa*  7rX€iCT0i  b*  'Aßbiipixai  vrcö  rarv  7nvaK0Tp<iq>tJV 
dvaTpd90VTai,  iViKaiveTOC  .  .  xai  JIpurraTÖpac,  ubi  illius  ordinis 
pinacographorum  auctoritate  confirmati  (cf.  Niesiam  p.  31  fin.  32)  ye- 
stigia seryata  sunt;  sed  noluit  ille  excerptor  omnia  nomina  describere 
(cf.  G.  Boeperum  1.  s.  c.  p.  5). 

s.  *AvTiöx€ia  (!^7roXXo<pdviic  —  *apvoOxoc),  s.  T^paca 
(!^p(cTUiV,  ÜTripuKOC,  nXdruiv,  qui  omnes  ad  rhetorum  pertinent  genus, 
cf.  etiam  Bohdium  1.  L  565'),  s.  "UpdiroXic  (iViKdvuip,  iZÖTiXtoc, 
UafKimiJjy,  quorum  primus  grammaticus,  ceteri  philosophi  eique 
stoici  sunt),  s.  KpacTÖc  (Emxap^ioCj  AdÜc^  nisi  forte  casu  hicordo 
prodiit,  yid.  Niesium  p.  21),  s.  Ku^t]  (""fkpopoc  —  'ifdoboc),  s.  Mn* 
Ku߀pva  (Iffr\cmrcoc  kqi  ©iXujvibiic  Kai  oi  fiXXoi),  s.  Muvboc 

^**)  Quod  non  adtendit  Bohdius  (1.  1.  570),  qui  ne  id  quidem  mihi 
persuant  Heiychinm  in  gl  KXcdvOnc  yerba  fioOT)Tf|C  -—  CcX^uic  ex  Philooe 
hauuue. 


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De  Snidae  biographiconun  origiDe  et  fide.  455 

('^TToXXaivioc  Kai  Zrivwv  TPCtMMCtTiKoi),  s.  Tdiwc  (JJpuDraTÖpac  — 
ZkuOTvoc,  quorum  alter  coq)iCTric,  alter  Idjüißujv  noxr]Ti\c  erat). 

Tarnen  aliis  locis  hnnc  ordinem  esse  relictum  Niesins  monuit 
(p.  30),  ut  Ulis  rix  quicquam  tribui  posset.  Sed  panlulom  circum- 
spiciamus.  Snb  y.  'AcKdXiDV  primum  recensentur  q)iXöco90i  (inter 
qnoB  stoici),  dein  grammatici,  tum  historici,  e  quibus  '^TToXXtiivioc, 
ldfpTefii5u)poc  Ka\  fiXXoi  nominantur.  lam  si  quid  video  hoc  exem- 
plam  divisionem  ex  litteramm  generibns  ac  singolornm  historicorum 
recensionem  xaxä  croixcTov  adomatam  evidenter  prodit.  Porro  s. 
Mct^XtittöXic  primnm  poetam,  deinde  philosophnm  peripateticum, 
tum  duos  bistoricos  ('^KeCTÖbuipoc,  iJoXOßioc)  ex  litteramm  serie 
digestos  cemimns.  Tum  s.  MrjOuMVa  primo  loco  enumerantur 
q)iX6coq)oc  TrepiTraTr)TiKÖc  et  cuTTpoi<peuc,  secundo  poetae  ('^piwv 
Kat  etXXoi  TToXXol  Mii6u^vaToi,  quae  yerba  ordinem  indicant  alpha- 
beticum);  s.  MiXriToc  primum  6aXtic  et  0uiKuXibr)C  (9iXöcoq)oi), 
dein  Tt^öOeoc  ItiOapqiböc;  s.  Tdpac  denique  primum  philosophi 
Pjthagorici  et  Aristoxenus  musicus,  post  eum  Bhinthon  q>\vai,  At 
8.  NiKaia  certum  disponendi  consilium  desideravi.^^) 

Ex  quibus  indiciis  id  saltem  effici  posse  yidetur,  ut  Philo  claro- 
mm  hominum nomina  in  Universum  secundum  gener a  litteramm 
recensuerit,  singulorum  autem  generum  homines  ipsos  ex  alpha- 
betico  fere  ordine  enumeraverit,  quamvis  non  ubique  hanc  con- 
suetudinem  anxie  secutus  esse  nee  omnino  bis  in  rebus  certam  sibi 
legem  inposuisse  videatur.  Porro  etiam  id  cogitare  licebit  Philonem 
ordinem  in  fontibus^^^)  suis  servatum  modo  retinuisse  modo  proprium 
instaurasse.  Sed  haeo  omnia  ne  penitus  cognoscamus  lacera  ^ethni- 
comm'  condicione  inpedimur. 

Adcurate  deinde  significatur,  generi  cui  quibusve  generibus  littera- 
ram  singuli  homines  dediti  fnerint,  ac  saepius  etiam  de  vita  eorum  ipsa, 
de  praeceptoribus  discipulisque  paulo  uberius  agitur  (cf.  s.  y.  fdpaca, 
RpTic,  Auppdxiov,  "epecoc,  Kapxn^^v,  Kacdvbpeia,  Korideiov, 
Kiivöc  Keq)aXai,  (Kup/jvn),  Kuproc,  Kwc,  Mi^eu^va,  Tbp^ct,  OdcnXic 
(ubi  copiosissima  de  Theodecte  memcnia  profunditur),  0iXiTnrot); 


45  b^  Nee  Bohdiam  disponendi  raüo  latnit  in  gl.  'AacdXwv,  lepdiroXtc, 
M€T<&Xti  iTÖXtc  (1.  1.  666,  n.  2);  pamm  tarnen  credibile  intra  divisionem 
ex  litteraram  generibus  institutam  interdum  regnasse  ordinem  chrono- 
logicnm,  velut  s.  'AacdXuüv  in  grammaticormn  et  philosophomm  recensn, 
quem  ad  tempora  digerere  difficillimum  est.  Cetemm  idem  recte  animad- 
yertisae  videtar  epitomatorem  aliquotiens  unam  tantnm  classem  auctormn 
a  Stephano  enumeratorom  transscripsisse.  —  *^^)  De  quibus  enucleatius 
dispntare  huc  non  adtinet:  quare  pauca  delibaase  sufficiat.  Praeter 
Neanthem  (irepl  ^N^Eurv  dvbpuL)v,  cf.  s.  Kpacröc),  Demetrium  Msbgnetem, 
Hermippum  Callimacheum  (in  philoaophorum  vitis  panlo  lar^ioribus), 
pinacographorum  potissimum  opera  ad  suum  usum  prorsus  adposita  Philo 
dili^nter  consulmsse  videtnr,  qua  re  perpensa  notationum  eins  aucto- 
ritns  fideaqne  band  mediocriter  augetur,  cf.  b.  "Aßbiipa,  Mf)Ou|üiva,  al. 
(vid.  ITiesium  p.  31  fin.  32). 


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456  A.  Dftub:  / 

denique  —  id  quod  non  praetereondum  est  —  multis  hominibus  breyes 
plerumque  tabulas  librorum  numero  saepius  adposito  subiunctas 
videmus*^^)  (s.  'AXeHAvbpeia,  ^AvdZapßa,  'Avriöxem,  'AcxdXujv, 
"Axvai,  Batri,  Auppäxiov,  KdXXaTic,  KoTideiov,  MetaXi]  iröXic, 
M^TCipo»  M^b^n»  M?iKu߀pva,  MiXtitoc,  NiKaia,  'OXöcpuHoc,  Tdpac, 
Tdppa,  Ti߀pidCy  TpdxiXoc,  Tp({)dc  (de  scriptiB  Hegesianactis), 
OdCTiXic  (de  Theodecteis),  0Xioöc). 

Haec  de  Phüonis  operis  indole  ac  ratione  saus  dicta  sunto. 
Illud  yero  quatenus  Hesychius  in  sunm  usum  converterit,  testimonio- 
mm  8upra  conlectorum  docet  conspectus,  quanquam,  at  ingenae 
fatear,  hinc  ad  rem  ipsam  confirmandam  multom  fructns  percipi 
nequit  (cf.  inprimis  Bohdium  1.  L  564  sq.).  Sed  largiorem  doctrinae 
Philoneae  copiam  in  Suidae  biographicis  ineese  certissimum  est. 
Yelut  in  singulorum  hominum  clarorum  patriae  nominibus,  de  qui- 
bus  iudicium  persaepe  erat  ambiguum^  ab  Hesychio  Philonis  libri 
plerumque  adbibiti  esse  videntur.  Qua  quidem  via  etiam  has  illas 
de  vita  scriptisque  auctorum  notitias  in  ^Onomatologum'  inmigrasse 
credere  par  est  (cf.  s.  'Piv6uiv,  Oeob^KTTic,  Tijmuiv).  Nee  dubito  ad 
eandem  Philonis  scriptionem  referre  quae  de  patria  distincte  pro- 
feruntur  s.  Cijiiwvibtic  ^A^opT.,  'Piavöc,  '6mKOupoc,  TTeicavbpoc, 
'epadcTpaToc,  'iKTroKpdTiic  fviucibiKOu,  *AcKXrimdbiic;  itemque  inter 
diversa  de  patria  testimonia  ex  Philone  utique  hauserit  Hesychius 
ea  quae  Phüonea  esse  ex  Stephane  Byzauüo  supra  adparuit^^*^),  s. 
TTpuiTaTÖpac  (rivfec  b'  aöröv  dvetpa^iav . .),  T^piravbpoc,  'Hcioboc, 
'Piavöc,  CißuXXa,  XoipiXoc  (tivfec  b'  lac^a  . .  icTopoOcivl  "Omtipoc, 
^enixcipMOC,  TTivbapoc,  Ctncixopoc  (o\  b*  diiö  Mataupiac;,  6^otvic, 
SaXf^c,  TTapG^vioc,  'ApiCTOT^Xric,  "Hpivva  Praeterea  autem  indidem 
promanasse  notationes  geographicas  patriae  nomini  aliquotiens  ad- 
nexas  cum  veri  simillimum  sit  (cf.  Bohdium  1.  L  571),  tum  luculenter 
oonprobatur  testimonio  quod  extat  s.  'AcKXr)Tndbiic  MupXeavöc, 
(ttöXic  b*dcTi  BiGuviaq  f|  vvv  'Aird^eia  KaXou|i^VT}),  quae  quidem 
verba  mire  concinunt  cum  Stephane  s.  MupXeia,  ttöXic  BiOuviac, 
f|  vvv  XcTOM^vii  'A7rdjui€ia.  Etenim  illud  vOv*®)  ab  utroque  pariter 
adhibitum  priscum  auctorem  nempe  Philonem  manifeste  arguit. 
Exempla  autem  consignavi  haece :  s.  "Hpivva  (Tf]Xoc  b*  icix  VTicibiov 


^fid)  Multa  eiuB  generis  exempla  Bohdiuf  quoqne  conlegit  (L  1.  572), 
minime  vero  omnia.  —  ^^®)  Pleraqae,  non  omnia  exempla  eonmeravit 
etiam  Bohdius  (L  1.  668,  669).  —  ^")  Cf.  de  hoias  vocnlae  usu  Volk- 
xnannnm  (I,  7;  lH,  p.  lY),  qoi  addere  debebat  gl.  b.  OpacO|iiaxoc  .  .  6c 
irpdrroc  .  .  t6v  vvv  xf^c  l>r]Top\Kf\c  xp^ov  €lcTiTif|caTO,  quae  verba  Aristo- 
telis  vel  Theophraati  auctoritatem  redolent  (cf.  Blasaium  Att.  Bereds.  1, 246 
et  n.  4 ;  III,  1.  p.  2,  not.  1).  Nee  praetereundum  videtar,  quod  s.  CißuXXa 
'AiröXXwvoc  dicitur:  . .  'EpuOpala  irapd  t6  T6x6»^vai  4v  xu'P^H'  tuiv  *€pu6purv, 
Ö  TTpocTiTopcOtTo  BdTot,  vOv  b*  aÖTÖ  t6  xuipiov. .  irpocaTopct^erai  '€pu6pa{, 
et  8.  'Apicxelfeiic  'Afepioveüc*  .  .  *A5piavol  bä  ttöXic  MucCac,  xf^c  vvv  BiOu- 
viac, utrumque  nescio  an  a  Philone  repetendnm:  qua  tamen  in  re  nil 
adfert  auxilii  Stephanus. 


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De  Suidae  biographiconim  origine  et  fide.  457 

dTTuc  Kvibou),  *Opq)€uc  Aeißnepiuv  twv  iv  9p<jiKij  (iröXic  h'  iciiv 
\mö  rfji  TTiepiqi),  ac  ßimiliter  s.  TTeicavbpoc  TTeiciwvoc,  'Piavöc,  "Apa- 
Toc  CoXeuc,  BttKXuXibric  (KeToc,  ättö  K^u)  rflc  vricou,  ttöXciuc  b* 
*louXiboc'  fx^i  Tctp  iTÖXeic  b\  '/ouXiba,  JJTapGaiav,  JTopecciav, 
Jloiifieccav,  cf.  Steph.  s.  louXic),  G^tvic,  Aäcoc,  Cijutuivibnc  *Amopt., 
CiMU)vibiic  'louXirJTTic,  Ctncixopoc,  T^piravbpoc;  *AXäavbpoc  Alxui- 
Xöc,  G^cmc,  CuiciOeoc;  MdTvnc,  'eirixopfioc ;  ^AxouciXaoc,  'Avri- 
narpoc,  AafidcTTic,  Kpixwv  TTiepuJ&Tiic,  CkuXoE;  'Avricpwv,  *ApiCT€i- 
biic,  ZujtXoc  (of.  Rohdium  571,  n.2),  Gpacujuaxoc,  KeKiXioc,  TToX^fiiDV, 
TTpöbiKOC,  'AcKXTiTtidbiic  MupX.,  'HpaKX^wv,  'AXKibdfiac,  Ar\\xf\Tp\oc 
0aXrip€uc,  AiKQiapxoc,  'CmKOupoc,  EÖKXeibTic,  Zi^vuiv  .  .  Kmeiic, 
KopvoOroc,  0ep€Kubr|<^,  '6pac(cTpaT0C.  Denique  ut  unum  adiciain 
in  singnlis  de  patria  aUcuius  opinionibus  saepe  diversissimis  ne  Philo- 
neam  quidem  deesse  credo,  quam  tarnen  ipsam  eruere  raro  continget, 
velut  s.  OiXicTiujv  TTpoucaeuc,  f\  ibc  OiXuJv  Capbiavöc,  ubi  Philo 
ipse  laudatnr  (of.  praeterea  Bohdinm  1. 1.  568,  1;  at  J.  Hilbergii  de 
hac  Suidae  notatione  disputatiunculam  in  ^Epist.  crit.  ad  J.  Vahleuum 
. .  de  nonnulL  loc.  Script.  Graec/  .  .  Vindob.  1877  adire  mihi  non 
licuit),  Nixavbpoc,  'ÖXriv  (ubi  haec  Philoni  debentur:  fiäXXov  bfe 
AuKioc  d7r6  Edveou,  d)c  bnXoi  KaXXijüiaxoc  xai  6  TToXuicTWp  iv 
ToTc  7r€pi  AuKiac),  ATcuiTioc,  MijiivepMOC,  *AvTi(pdvT]C,  *ApicToq)dviic, 
AeivöXoxoc,  eeÖKpiTOC,  ''IcTpoc,  <t)uXapxoc,  Kdcruip,  TifiaT^vric, 
"Aßpwv,  TToceibuivioc,  XpücnriToc. 

Caput  VI. 

De  Aselepiadis  Hyrleani  in  vitis  graiimiaticoriim  auctoritate 

adieetis  quaestiuncnlis  de  oratomm  et  historieonim 

libronim  tabulis. 

Primarium  igitur  ac  splendidum  Hesychii  auctorem  in  vitis  ora- 
torum  sophistarum  grammaticorum  medicorum  nee  non  historieonim 
philosophorum,  eorum  potissimum  qui  a  primo  a.  Chr.  saeculo  ex-* 
eunte  usque  ad  imperium  Hadriani  inclaruerunt  ratione  et  via  in- 
vestigasse  nobis  videmur.  Sed  ni  fallit  opinio,  grammcfHcarum  qui 
ante  AugtJksti  aetatem  ftoruere  notationes  achter  examinanti  non  minus 
indagare  fontem  continget.  Sic  hasce  vitas  intentius  considerare 
lubet:  s.  'Apicrapxoc,  'ApiCToq)dviic  BuZdvTioc,  *epoTO- 
cO^VTic,  ZnvöboToc  *6q)^cioc,  KaXXijiaxoc,  TTToXc^aioc  6 
'eTTiGeTTic,  TTToXejüiaToc  TTivbapCwv,  Kpdrric  MaXXi(iTr)c, 
quibus  eiemplis  adlego  haece:  s. 'AX^Eavbpoc  6  MiX/jcioc,  'A^- 
^u)Vtoc,  'AnoXXöbuipoc  xpaMMOTiKÖc,  *AcKXiiTridb?ic  Mup- 
X€av6c*^)  (t^tovc  b'  kvX  toO  *ATTdXou  Ka\  6u|ndvouc  .  .),  'AX^- 
Eavbpoc  AItwXöc  (.  .  tPöMMOITIKöc,  sed  quae  insecuntur  oötoc 


^^)  Suidae  socordia  dnas  glossas  in  unam  temere  conflatas  esse  pridem 

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458  A.  Danb: 

Kai  TpaTipbiac  ^TpotMiev  . .  aliimde  certe  deprompta  sunt),  Aaq)(- 
öac,  AriMnTpioc  IgCwv  (cf.  Rohdium  1,  1.  168,  n.  6),  Aibujioc 
XaXK^VT€poc  (cf.  eimdem  p.  218,  n.  2),  Aixafapxoc  AaKebai- 
^övioc,  Aiovucioc  6pqiH,  'EKaTaioc  'AßbriptTr^c  (9iX6co<poc:, 
8c  iTr€KXi^0Ti  Ktti  KpiTiKÖc  TpOMjuiaTiKdc),  eöcpopiiüv,  ZnvöbOTOC 
'AXeEavSpeuc,  Autkcuc  Cdjuioc,  MapcOac  (pvroq  b'  fjv  Tipö- 
Tcpov  Tpct|Li|iaTobibäcKaXoc  —  ^TPOM^O»  Möcxoc  (TpawuctTiKÖc, 
'Apicxdpxou  Yvdipi|Lioc),  NiKavöpoc  (fijuia  Tpo|bi|naTiK6c  T€  xai 
Troi?Trf|c  Kai  larpöc),  'Piavöc  (ovroq  b'  fjv  . .  boOXoc,  öcrepov  bk 
. .  ^T^veTo  TPCt|Li)LiaTiKÖc,  cuTXPOVoc  'CpaTocG^vouc),  Cwcißioc  Ad- 
KUiV,  Tpuq)U)v**),  Tupavviwv  (6  Trpecßurepoc  —  ceterum  cf.nimc 
Dielsiom  Doxogr.  Gr.  BeroL  1879,  p.  216,  n.  3),  quae  qnidem 
notationes  (inde  ab  'AX^Havöpoc  6  MiX.)  pristinam  Tibertatem  par- 
tim abmisisse  Suidaeque  culpa  in  brevius  contractae  esse  videntnr. 
Tarnen  in  ceteris  fere  omnibus  sedulo  denotatur,  quem  patrem  scriptor 
aliquis  habuerit  (quin  etiam  quo  munere  pater  functus  sit,  yid.  s. 
'ApiCT09dvnc),  ubi  natus  atque  versatus  sit,  cuius  filiam  in  matri- 
monium  duxerit  (yid.  s.  KaXXijLiaxoc),  quorum  discipulus  qucHjue 
tempore  fuerit,  quibuscum  una  floruerit,  quo  sub  regö  sive  regibus 
yixerit  (qui  si  Ptolemaei  sunt,  quotus  Ptolemaeorum  regum  faerit 
significatur),  saepius  etiam  quando  vixerit,  qua  oljmpiade  natus  sit, 
qua  mortem  obierit,  quäle  munus  gesserit,  quem  in  hoc  munere  suc- 
cessorem  habuerit  (qua  in  re  inprimis  bibliothecae  praefectorum 


intellectum  est,  cf.  Lehrsium  Herodiani  scripta  tria  emend.  429  sq.,  G.  Wacfas- 
muthium  de  Gratet.  Mall.  6,  Bohdiom  Mas.  Eh.  n.  XXXIII,  173,  n.  4,  qui 
qnidem  duoB  Asclepiadis  nomine  gremmaticOB  ambo  Myrleanos  eztitisBe, 
secundo  altemm,  alterum  primo  a.  Ghr.  saeculo,  quamvia  sa^aoiter  tarnen 
panim  probabiliter  coniecit.  At  nnperrime  ipse  hac  opimone  non  iam 
prorsuB  conprobata  (Mas.  Rh.  n.  XXXI V,  571,  n.  1)  Asclepiadem  Myrlea- 
num  ('AckX.  MupX.  .  .  KaXou)i^vii,  et  ^ira{5€UC€  .  .  ficrdXou)  et  Nicaennm 
(cf.  TÖ  b*  dvuiOev  T^oc  f\y  NiKaeiüc,  cui  ceteras  glossae  particnlas  ad- 
tribuit)  ab  Heaychio  confuBos  esse  statait.  Sed  nefas  esBe  Tidetor  a 
^eterifl  verbis  divellere  notitiam  tö  y  dvuüOev  t^voc  f^v  NixaeOc,  TPC^MM- 
(fia6.  'AiroXX.),  atpote  quae  cum  illis  artisBime  cohaereat  (cf.  etiam  b. 
TTap64vtoc,  NixacOc  f\  MupXeavöc,  et  nos  Bupra  p.  451).  Duos  certe  öjiu)- 
vOfiouc  HeBychiuB  confudit,  quorum  alter  qniB  faerit  ezpiscari  vix  unquam 
continget.  Myrleano  autem  haec  yindico:  'AckX.  —  "AiroXXwvCou.  ivai- 
5€UC€  ök  xai  (quibuB  verbiB  Hes.  alteriuB  memoria  interposita  ad  priorem 
redit,  cf.  infra  p.  478  Bq.)  —  jucrdXou.  ?TPOM'€  iroXXd;  rehcua  —  de  quibuB 
RohdiuB  acute  diBputayit  —  conyeniunt  alter!  ABclepiadi  eique  ignoto.  — 
*•)  TCTOVüic  KOTÄ  ToOc  ACrfoiicTou  xp^vouc  Kol  irpÖTCpov.  Bed  multo 
ante  Augustum  floruit  Tryphon,  vid.  A.  de  VelBcn  Ttyphon.  AI.  Fragm. 
(Ber.  1853),  p.  1.  2,  Bohdium  1.  1.  168,  n.  6.  Geterum  nescio  an  hoc 
indicio  (ct.  etiam  b.  *A|ui|uiiijvioc  .  .  up6  toO  jnovapxi^cat  t6v  AÖtouctov, 
et  B.  AC.bufioc  XoXk.  .  .  Y€TOvd)C  Itz*  "AvtujvCou  koI  KtK^purvoc  xai  €uic 
Aöyoiicrou,  cf.  Rohdium  p.  218,  n.  2)  eyidenter  oonprobetur  in  tali  auctore 
DOB  yersari  qui  opuB  Buum  ad  Augusti  tempora  nee  ultra  perduxerit. 
Nihil  aliud  vero  de  Mb  grammaticis  enarrarat  niBi  Bui  ipsiuB  obbc  ae- 
qualcB ;  floruerant  igitur  ante  AuguBti  imperium,  quo  UBque  illiuB  auctoris 
opus  pertinuit 


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De  Suidae  biographieomm  origine  et  fide.  459 

rationem  habiiam  esse  patet),  qui  fOii  ei  faerint,  quae  {lata  siiigulonmi 
yita  perpessa  sit,  similiave.  Nonne  igitur  hormn  plerumqae  ditissi- 
moram  testimoniomm  ratio  et  indoles  —  nee  deniqne  id  obliviscen- 
dum  est  in  bis  omnibus  regnare  sermonis  continuitatem  ac  genus 
dicendi  mire  concinnum  —  imperiose  tanquam  flagitat,  ut  a  conmnni 
et  proprio  repetantur  anctore?  Qois  vero  hie  faerit  si  anqnirimus, 
etiamsi  non  prorsus  certo  extrave  omnem  dnbitationem  evincere 
poterimns,  attamen  summa  cum  probabilitate  aactorem  indagare, 
opinor,  continget.  Scripsit  nimirum  Äsclqnades  Myrleanus^  quem 
primo  a.  Cbr.  saeculo  floruisse  et  certe  ante  annum  septuagesimum 
natum  esse  Lehrsii  acumine  perspectum  est  (Herodiani  scripta  tria  em.^ 
a.  1848,  p.  428  sq.),  amplissimum  opus  xeQl  yQafifiarixdiv ,  cuius 
memoriam  Suidas  ipse  serravit  bis  locis:  s.  TToX^^uiV..  \cto- 
piKÖc  .  •  Kord  b*  'AcKXriTTidbiiv  töv  MupXeavöv  cuvexpövicev  'Api- 
CToq)dvei  t(^  fpaixiiaJxwSjt^^);  dein  sextus  *grammaticorum'  über  ipse 
citatur  s.  *0p9€Öc  KpOTuividTiic  ,  .  8v  TTcicicTpdxi})  cuvetvai  rq) 
Tupdtwtj; 'AcKXiiTridbiic  q)?ic\v  tv  rtp  ^  ßißXiui  täv  TpctUMa- 
TiKUUV;  videtur  enim  et  illos  quomm  opera  in  disponendis  Homeri 
carminibus  Pisistratus  utebatur  inter  grammaticos  rettulisse  (cf.  Lehr- 
sium  dissert.  de  voc.  q>iX6XoTOC,  TPOC^MOiTtKÖc,  KpiTiKÖc,  in  Herod.  scr. 
tr.  p.  398)'^);  denique  ^grammaticorum'  undecimum  librum  laudavit 
vitae  Arateae  enarrator  (Westerm.  BiOTp.  p.  52,  5):  *AcKXiiTrid- 
biic  bi  6  MupXeavöc  iv  Ttfi  la'  trcpi  TPanjiaTiKwv  Tapda 
q)T]ctv  auTÖv  T^TOV^vai,  dXX'  ou  CoX^a  KaXXi)üidxou  .  .  CoX^a  X^- 
TOVTOC  (ceterum  Hesychius  in  patria  Arati  denotanda  alium  aucto- 
rem  [Philonem  Bjblium?]  secutus  esse  videtur). 

lam  yero  hanc  meam  de  Asclepiade  opinionem  haud  mediocriter 
folsit  Wachsmuthius  bis  tribus  nixus  argumentis:  primum  nimirum 
apud  Suidam  Crates  ^iTreKX/jön  'O^npixöc  Ka\  KpiTiKÖc  bid  Tf|v  .. 
TTcpi  Touc  Tpo)Li|biaTiKOuc  .  .  Xötouc  aÖTOÖ  imczac\y\  idemque 
nancupatur  6  KpiTiKÖC  apud  Asclepiadem  Mjrleanum  (Athen.  XI, 
490  e);  dein  Dionysius  Thrax  Bhodi  artem  professus  esse  narratur 
apud  Suidam  s.  AiovOcioc  et  s.  Tupawiwv,  paritefque  apud  Ascle- 
piadem (Athen.  XI,  489  a).  Quo  accedit  tertium,  quod  praeter  Ascle- 
piadis  scriptionem  nuUam  novimus  singularem  grammaticorum  histo- 
riam:  nee  minus  sententiae  nostrae  favet  quod  Asclepiadem  in 
significanda  hominis  litterati  aetate  aequalium  rationem  habuisse 


^*)  Hoo  testimonium  ab  eodem  opere  repetere  non  dubito  (cf.  Lehraium  1. 1. 
436);  quaeritur tamen  nam  Asclepiades  de Polemone  historico  iUic  seorsum 
egerit  (id  quod  censet  Prellems  Polem.  Fragm.  p.  7.  8).  Quod  parnm  veri 
gimile  est;  opinor  potius  illum  in  Aristophanis  Tita  enarranda  Polemonis 
tanquam  huias  aequalis  mentionem  fecisse.  —  Sed  plane  me  fiigit  unde 
Prelienu  noTerit  Asolepiadis  opus^prammaticonim  et  poetamm  memoriam 
esse  conplexnm?  An  tale  quid  effeoit  ex  yerbis  8.  *Op(p€i!ic  (ap.  Suid.)? 
Qua  in  re  absque  dubio  erravit.  —  *°)  Eodem  iuA  id  cogitare  licebii, 
Asclepiadem  cum  de  Pisistrati  curia  Homericis  dissereret  Orphei  (in  trans- 
carsu)  iniecisse  memoriam. 


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460  A.  Danb: 

cemimus.  Ad  huiüs  igitur  libnuu  Tr€pi  TPOtMMC^'^^KUJV  notationes 
supra  exhibitas  omnes  redire  haad  ita  temere  statuere  nobis  videmur; 
id  unum  certe  non  conpertum  habemus,  ipsene  Hesychius  opoB  illud 
adhibuerit  an  per  aliam  auctorem  singalas  narrationes  acoeperit. 
Ab  eodem  porro  auctore  tabulae  librorum  repetendae  videntur, 
quippe  cui  bibliothecaruxa  usam  et  irivaxac  integros  vel  catalogos 
operum  ab  ipsis  soriptoribus  confectoB  —  nam  tales  extitisse  Ori 
Milesii  docet  exemplum,  cf.  Said.  s.  ^Qpoc  'AXeSavbpeuc . .  £tP<xM'€  . . 
KtvaKa  Twv  ^auToC;  praeterea  vide  sis  Bitschelium  Opusc.  phil. 
I,  592  sq.,  üeenerum  Anal.  Theophr.  24  —  patuisse  veri  sunillimum 
sit.  Quanqnam  vero  Saidas  in  librorum  numero  ingenti  enotando 
totiens  adquievit,  dubitari  nequit  quin  fontes  eins  plenissimas  ex- 
hibuerint  tabulas  (cf.  s.  *ApicTapxoc  .  .  X^T^xai  bi  TP<iM'<3(i  öirtp 
ui'  ßißXia  utro^\nmdTU)V  fiövwv;  s.  'Apicroqxiviic  . .  cuTTP<iM^ctTa 
aÖToO  Tidvu  TtoXXd;  s.  'AXeHavbpoc  .  .  ßißXia  dpiOMOÖ  Kpeirrui; 
s.  Aibufioc  .  .  q)adv  auröv  cuTT€Tpa<ptvai  unfep  id  ,f(p'  ßißXia; 
cf.  etiam  s.  KaXXifLiaxoc  et  s.  Aiovucioc  Qpql).  At  tabulae  qnae 
servatae  sunt  quantumvis  non  plenae  (s.  '€paToc6^VTic,  Ziivöboxoc 
*AX€Eavbp€uc,  AimrJTpioc  IJiiuv,  KoXXijuiaxoc,  Tpuqjwv,  TTToXefiaToc 
TTivbapiuJV,  aJ.),  talem  produnt  indolem  ut  ex  limpidis  fontibus  non 
fluxisse  nequeant.  Yelut  Eratosthenis  operum  tabulam  Suidae 
pigritia  magnopere  decurtatam  ^  ad  singula  litterarum  genera  ali- 
qnando  fuisse  dispositam  etiamnum  dispicere  mihi  videor:  ^Tpa\|i€ 
bi  9iX6coq)a  Kai  TTOirijLiaTa  xal  Icropiac  (cf.  s.  'ApiCTÖSevoc),  |  acrpo- 
vo|biiav  f{  KaTacrepic^ouc,  ||  irepi  tOjv  xard  q)iXoco<ptav  alp^ceuiv, 
7T€pi  aXuTtiac,  diaXÖTOUC  ttoXXouc,  ||  kui  TPOMMOTiKd  cuxvd:  qni 
index  si  quid  video  priores  dumtaxat  titulos  librorum  singulorum 
generum  ex  litterarum  ordine  recensitos  ita  exhibet,  ut  poetica  pri- 
mum,  dein  pbilosopha,  tum  grammatica  scripta  enumerentur  (quorum 
de  nonnullis  mirum  ex  parte  tulit  iudicium  Bemhardyus  in  Erato- 
sthenicifi  p.  195).  Praeterea  tabulae  ex  argumento  digestae  pro- 
cedunt  s.  ZnvöboTOC  'AXeEavbpeuc  et  s.  Tpu9UiV,  modo  in  hac 
altera  sedem  mutari  iusseris  titulorum  irept  6vo|bidTU)V  cirfKpiTiKdiv 
a ,  TTcpl  TTic  iv  jHovocuXXdßoic  dvaXoTtac.  Pervenimus  tandem  ad 
CaUknacihi  operum  guae  extat  apud  Suidam  tabulam  celebevrimam  ac 
fere  dignissimam,  quae  religiöse  examinetur  et  adumbretur.  Dispu- 
tavit  yero  de  ea  doctissime  0.  Schneiderus  (de  Callim.  opp.  tab. 
quae  extat  ap.  Suid.  Goth.  1862  »^  Callim.  ü»  2 — 33),  cuius  qui- 
dem  iudioio  suffragati  sunt  Lehrsius  (Mus.  Bh.  XVII,  453)  potissi- 
mum  et  C.  DUtheyus  (de  Callim.  Cjdipp.  100,  n.  1,  Jen.  Litt.  Diar. 
a.  1874,  p.  576).  Sed  nihilo  setius  in  hanc  rem  denuo  inquirere 
necessarium  duxi,  idque  eo  magis  quod  Schneiderus  suam  de  siogulis 
CaUimachi  operibus  sententiam  tabulae  Suidianae  auctoritate  totam 
inniti  volnit. 

Tabulam  nimirum  ab  homine  Suida  vetustiore  conpositam  sed 
a  Suida  neglegenter  descriptam  seu  potius  excerptam  esse  contendit 


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De  Suidae  biographicorum  origine  et  fide.  461 

(CalL  n,  3,  7).  Quod  qtiidem  sine  dubio  recte  Schneiderus  perspezit: 
atque  id  yel  mazime  conprobo,  qnod  illam  non  tarn  descriptam  quam 
excerptam  esse  statuit.  Hac  tarnen  in  re  a  Schneidero  Volkmannus 
(II,  725)  dissentit,  qui  illud  quod  in  Suidae  indice  hjmni  elegiae 
Aetia  Hecale,  celeberrima  Callimachi  cärmina,  omissa  sint  ita  ezplicat, 
ut  Suidae  KaXXi^dxou  ß{ov  una  cum  operum  tabula  praefationis 
instar  codici  vel  editioni  nesdo  cui  olim  praefizam  fuisse  sumat,  ubi 
cannina  illa  coniunctim  fuerint  exhibita,  ut  vere  dici  potuerit:  TiBv 
hk  aÖToO  ßtßX(u}V  £ctI  Ka\  raOTO.  Hanc  opinionem  postmodum 
Volkmannus  (III,  p.  lY)  iterayit,  sed  ita  circumscripsit,  ut  ad  eos 
tantum  scriptores  qui  ab  Alexandrina  inde  aetate  multum  lectitati 
essent  referrel  Verum  ista  Volkmanni '  obsenratio  quam  artissimis 
finibus  coercenda  est;  ae  fortasse  iuyabit  hoc  ipso  loco  rem  ad  um- 
bilicum  deducere. 

lam  supra  aliquotiens  yidimus  Volkmanni  animadversionem  — 
si  indices  s.  'Hcioöoc  et  s.  NtKoevbpoc  (II,  p.  728)  exemeris  —  neuti- 
quam  quadrare  in  tabulas  s.  Mijivep^oc  (p.  727),  s.  CairqM^,  s. 
0tXöE€voc  (p.  728),  nee  magis  valet  de  titnUs  qui  s.  Aiovucidbiic 
et  8.  CuiciOeoc  (p.  726)  reperiuntur,  in  quibus  omnibus  explicatio 
multo  expeditior  in  promptu  est  pariter  atque  in  tabula  Callimachea. 
Etenim  omnia  illius  locutionis  (tujv  5i  auToO  ßtßXiwv  ict\  Ka\ 
TaGra  vel  sim.)  exempla  si  conparaveris,  nil  aliud  Suidam  indicare 
Yolnisse  nisi  plenam  tabulam  sese  excerpsisse  flEU^ile  perspicies.  En 
igitor  amplum  horum  conspectum: 

8.  0iXoKXfjc  .  .  fTPCtV«  TpaTHÄiac  p',  iLv  icTi  Ka\  raOra 
(iam  enumerantur  Septem  dramatam  tituli,  quorum  primus  ab  H 
Httera,  extremus  a  0  incipit,  unde  cognoscimus  Suidam  in  tabula 
exoerpenda  ab  H  demum  littera  initium  fecisse). 

8.  XiujvibT)c  . .  TU)V  öpajidTUJV  auToO  dcri  Kai  raOra  (tria 
secuntur). 

8.  NiKoq)wv  . .  Tuiv  bpafidrujv  aÖToO  iczi  xai  raöTo  (quin- 
que  secuntur). 

6.  0tX^Taipoc  .  .  bpdjuara  aöroö  kq',  iLv  den  Ka\  raOra 
(adferuntur  decem  fabulae  partim  ex  peculiari  indice  partim  ex 
Athenaeo  delibatae). 

8.  Tupavviuiv  6  veüdrepoc  . .  Itp^mic  ßißXia  r(  Ttpdc  toöc  i\ 
&v  xal  TaCra;  (laudantur  opera  septem  ex  plenissima  tabula  haud 
ditbie  descripta). 

8.  0€Öq)pacTOc . .  ßißXia  b'aöroO  TrdiiTrXciCTa,  d&v  xai  raOra 
(seenntur  novem  tituli  ex  tabula  item  excerpti;  ceterum  cf.  Use- 
neram  AnaL  Theophr.  16,  Scfaneiderum  CaU.  11,  11). 

8.  He  vocpwv . .  ?tpav€  ßißXia  TrXefova  t&v  ^ ,  drv  xai  raOra 
(enumerantur  scripta  quattuor,  in  fine  legitur  Ka\  fiXXa  TroXXd). 

s.  0aßuipivoc  . .  T^Tpairrai  oöv  aÖTu>  q)iX6coq>d  T€  Kai  Icro- 
ptKd,  iBv  TfcXüc  dpiOjLiöc.  ^crl  bt  Ka\  tuiv  ßißXiurv  adroO  raöra 
(quattuor  libri  secuntur). 

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462  A.  Daab: 

8.  0iXuiv  loubaioc  .  .  T^Ypairrai  auri^  ßißXCa  fiireipa,  iE 
(LvKaiTauTa..  (sequitor  libronun  tabula  ex Sophronio  deprompta). 

8.  PoOcpoc  *e<p^cioc  .  .  (p^perai  aÜToO  ßißXia  TrXeTcra,  iE 
(LvKaiTauTa..  (enumerantur  novem  scripta  ex  tabula  Philonea 
petita). 

Quibu8  accedere  arbitrc»:  indicem  s.  NtKÖ|biaxoc  'AXeS.  .  . 
Tpdipac  TpaT4)biac  ia\  iliv  xal  atbe  (quae  iam  enumerantor); 
praeterea  confer  gl.  8.  MdpxeXXoc  .  .  ßißXia  laTpixd,  £v  olc  Kai 
(i.  e.  praeter  alia)  ircpi  XuKavOpuiirou;  Laert  V,  58:  q)^p€Tai  b' 
auTOu  (CTpdruivoc)  xal  ßißXia  töOto,  denique  Vit.  Isoer.  UI  (Bioxp. 
p.  256,  77):  CKtüTTTouci  b*  auTÖv  ,  .  ol  KUijiiiKoC,  iLv  elc  ^cti  Kai 
CTpdmc  (L  e.  praeter  ceteros  poetas  comicos). 

Itaque  haec  exempla  liquide  ostendere  mihi  videntur  Suidam 
loeutione  xai  raOra  tum  usum  esse,  cum  se  indicem  non  plene  de- 
scripsisse  sed  temere  excerpsisse  significare  vellet.  Atque  idem  in 
Callimachi  operum  tabulam  cadere  mihi  persuasi,  quamvis  nobi- 
lissima  poetae  scripta  omissa  sint:  quod  tarnen  Suidae  neglegentiae 
sive  inprudentiaä  deberi  liquet.  Ceterum  illorum  exemplorum  ratio 
non  ea  est  ut  tabulas  ex  Mta'  aliqua  petitas  esse  credideris. 

Ergo  mittamus  Yolkmanni  istam  sententiam  et  Schneiderianam 
examinare  pergamus.  Qui  nimirum  Suidae  indicem  Callimacheam 
excerptum  esse  opinatur  ex  integra  tabula,  quae  seoundutn  liäerarum 
ardmem  fuerU  digesta,  *non  ita  tamen  ut  omnium  snbsequentium 
Yocum  elementorum,  sed  unius  primae  litterae  ratio  habita  sit'  (p.  9). 
Idem  cum  in  ceteris  plurimis  tabulis  transscribendis  Suidam  pro- 
vinciam  snam  rdigioie  administrasse  largiatur  (p.  8.  9),  in  CaUi- 
machea  excerpenda  summae  incmriaa  et  pigritiae  illum  incusat. 
Nihilo  setius  in  tabula  pristini  ordinis  yestigia  conspicere  sibi  yisus 
est:  *loOc  Sq^i^ic,  '^pTouc  oiKiCfioi,  '^pKabta,  FXauKOC^  caru- 
piKd  dpd^axa,  Vßic,  jifouceiov,  ilivaKCC  tdiv  Iv  Tidcij  iratbe^ 
biaXa^iidvTUJV  Kai  iLv  cuv^Tpaipav  iv  ßißXioic  k  Kai  p',  arivaj  Kai 
dvaYpa9f|  tiöv  Kard  xP<^vouc  Kai  dn*  dpxflc  tcvo^^viuv  bibacKdXuiv, 
Ttxvai  Töv  ATmoKpiTou  T^w^ccüjv  Kai  cuvraT^dTiwv,  fitivwv  arpoc- 
HTopiai . .  kt(c€ic  vrjcujv  Kai  «öXeujv  Kai  ^eTovoiiiaciai,  trcpi  tiüv  tv 
eüpiüTHj  jtoTamüv,  irepl  tujv  dv  TTeXoTrow/ictjj  Kai  IraXlqi  Oau^a- 
ciuiv  Kai  ^apaböSuJV.  In  qua  Schneiden  ratione  aliquid  veri  inesse 
infra  patebit,  tamen  rei  veritatem  ipsam  perspexisse  eum  nego. 
Nam  si  quis  vel  hanc  tabulae  partem  quam  modo  exhibuimus  per- 
Yolayerit  difficultates  haud  sane  leyes  existere  animadvertet.  Etsi  non 
in  eo  haesito  quod  initio  in^y^pjouc  oiKiCfioi  ordinem  pendere  iussit  e 
prima  voce,  ex  altera  in  'loCc  aq)iSic,  id  tamen  non  satis  possum 
mirari  quod  de  titulis  carupiKd  dpd^aTa,  \ir\v6jv  srpocnTOpiai,  ircpi 
Ta»v  6au^aciujv  Kai  srapabögujv  sive  adeo  de  Kxiceic  v/jciuv  Kai  x6- 
Xcujv  Kai  ^€T0V0|biaciai  idem  statuit.  Nee  talem  ordinem  ita  tueri 
debuit,  ut  veteres  pinacographos  a  tanta  subtilitate  alienos  fuisse 
diceret.     Theophrasti    enim    indicis    (Laert  Y,  42  sq.,  AnaL 


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De  Saidae  biographicomm  origine  et  fide.  463 

Theophr.  ed.  üsener.  p.  3  sq.)  quem  citat  Schneideras  ea  indoles  est, 
ut  in  iUo  non  arbitrinm  —  qnae  Schneiden  &Uax  opinio  est  —  sed 
rationem  inyaluisse  nemo  non  facile  sentiat  (et  Usenerum  p.  14). 
Id  nnnm  monoisse  snfficiat  —  nam  singula  qnaeque  percensere  dis- 
plicet  —  per  totam  tabolam  Laertianam  eam  regnare  normam,  ut 
anctor  eins  in  digerendis  titulis  primae  vocis  constanter  rationem 
habuerit.^^)    Nee  magis  relicua  exempla  ad  insolitum  ordinem  de- 


*^)  Theophrasteornm  operum  tabulae  natoram  et  connlinm 
egregie  adombravit  H.  Usener  (AnaL  Theophr.  Lips.  1858,  p.  13  sq.). 
Cnios  dispatationi  paaoa  adicere  in  animo  est.  Ao  primam  qoidem  in  tabula 
ipsa,  quam  UsenenxB  Laertii  librornm  Italicornm  (p.  2)  scriptura  adhibita 
lectorum  oculis  subiecit  (p.  4—12),  haec  conrigeiida  nota^i:  p.  9,  2  pro 
mendoso  titnlo  trepi  vSiv  döticrmdrun/,  qui  probum  ordinem  contnrbat,  pro- 
pono:  ir€pi  Tiliv  6tiiYr)|idTUiv  (conl.  p.  10,  9);  p.  9,  4  über  ircpi  nliv 
aCno^&Twy  tibwv  ä  post  iT€pi  €Öpii|iidTU)v  (9,  6),  itemque  p.  9,  12  titulus 
irepi  li^Tpuüv  d  post  irepi  ^ouaKf)c  (10,  1)  transponendus,  et  p.  11,  12  pro 
Tä  öiroiivfifiara  a  (üsenems  cum  E.  Eoepkio  de  hypomn.  gr.  p.  11  tcTO- 
piKd  ö.  coniecit)  ;coXtTticA  ;rpoßXf||iuiTa  redintegrandus  esse  yidetur 
(conl.  10,  6).  Qua  in  tabula  tertia  quam^is  Usenems  (p.  15)  ullum  ordi- 
nem esse  negarit,  nescio  anpristinae  dispositioDis  alphabeticae  vestigia 
etiamnum  in  aperto  sint.  —  Porro  si  totius  tabulae  auctorem  quaerimus, 
Andronicum  eam  confecisse  U.  merito  negayit  (p.  22,  cf.  Heituum,  die 
▼erlor.  Sehr.  d.  Aristot  p.  50),  sed  notiurum  iüarum  ad  Theophrasti 
phjsicorum^  librum  VII,  et  ad  metaphyaicorum  initium  totiusque  tobulae 
indolis  ratione  habita  sat  probabüiter  coniecit  Laertium  Hermippi  Calli- 
machei  —  quem  de  Theophrasto  Bcripsisse  Laertius  II,  55.  V,  41  et  Athe- 
naaua  I,  21a  testantur  —  indicem  e  bibliothecae  Alexandrinae  catalogis 
oriondum  in  suum  usum  convertisse  (cf.  etiam  Wachsmuthium  PhiL  XVI, 
662,  Heitzium  1.  1.  p.  50,  quem  tamen  sollicitare  non  debuit  tabula  iUa 
ex  litteramm  ordine  disposita  tanquam  a  ceteris  philosophorum  tabulis 
remotissima:  quippe  horum  ipsorum  scripta  yarium  in  modum  digesta 
fnisse  ex  Laerüo  n,  57  [cuv^poMic  (d  =€vo<puiv)  bä  ßißXia  irp6c  tA  Tcrra- 
pdKovra  dXXuiv  dXXuic  btaipoOvruiv]  et  III,  61  (ubi  de  varia  Piatonis 
iibrorum  diyisione  sermo  est)  elucet).  Nee  vero  cum  Usenero  consentio 
quod  Hermippum  de  philosophorum  non  modo  vitis  sed  etiam  libris 
maltis  Toluminibus  exposuisse  contendit:  itemque  Nietzschius  (Mus.  Rh. 
n.  XXIT,  188  sq.)  Hermippum  ^yitis'  suis  indices  inseruisse  probare  studuit. 
Quod  fecisse  eum  nego:  nam  ex  Laertio  VlII,  85  et  88  (cf.  1.  1.  p.  189) 
id  unom  effid  potest,  ut  obiter  ille  fortuitoque  de  singulis  libris 
quaedam  adnotaverit,  minime  vero  omnibus  auctoribus  Iibrorum  tabulas 
data  opera  adnexuerit,  quod  ne  convenit  quidem  Hermippeae  scriptionis 
▼estigüs  nee  studiis  in  Tita  phUosophorum  enarranda  ab  eo  conlocatis 
(cf.  eiiam  V.  Boseum  Aristot.  Pseudepigr.  p.  9).  Nildl  deinde  probatur 
Plinü  (N.  H.  XXX,  1,  4:  Hermippus  qui  de  ea  fmagica  arte]  düigeniissme 
scripsit  —  indicibus  quoque  voluminum  etus  positis)  testimonio,  postquam 
libnun  trcpi  ^dYUJv  ab  Hermippo  Prellerus  (in  Jahn.  Annal.  phil.  XVil,  175) 
rectissime  abindicavit  (cf.  nunc  etiam  Dielsium  Doxogr.  Gr.  p.  151).  Ergo 
restant  testunonia  subscriptionum  ircpl  q)UT<I»v  Icropiac  libri  VII  et  fiagmenti 
metaphysid  (cf.  Usenerum  p.  23)^  quae  Hermippum  una  cum  Andronico  Theo- 
phrasteornm Iibrorum  indicis  auctorem  nominant :  ubi  Hermini  nomen  Boseus 
(de  Arist.  libr.  ord.  et  auct.  81  sq.)  perpeiam  restituit  (cf.  Usenerum  p.  24, 
Heitüum  1. 1.  p.  48),  nee  felidns  rem  absolvit,  cum  de  libris  dubiae  auctori- 
taÜB  in  Theophrasti  yita  Hermippum  egisse  inde  conduderet  (Arist.  Pseud. 
p.  9);  immo  res  ita  conparata  est  ut  ^i  dvorrpaqii^  tu»v  Ococppdcrou  ßißXCuiv 


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464  A.  Daub: 

fendendom  uUo  modo  adposita  sunt.  Verum  enimvero  si  ceteri 
quoque  tituli  in  Suidae  tabula  eodem  ordine  quo  illi  prooederont, 
hos  ipsos  quos  supra  enumeravimus  quantumvis  inconpositos  forsitan 
pateremur.  Hinc  yero  Schneiderus  summis  difficultatibus  inretitur, 
e  quibus  omnibua  machinis  semet  expedire  conatus  est  Ipse  enim 
ait  (p.  10)  Suidam  ordinem  conturbasse  Mderi',  cum  et  titalos 
C€fi^XT)V,  'EXiribac^  \xikr\  alieno  loco  enumeraret  et  post  librum  irepi 
TUüV  . .  Oau^aciuiv  xal  ^apaböSuiv  —  dum  modo  hie  ipse  recto  talo 
staret  —  aliquot  titulos  ^extra  ordinem  vagari  yellet'.  lam  i^  in- 
spiee  ordinem  ipsum:  irepi  )Li€Tovo)iac(ac  ^x^i}u)V,  irept  av^jLUuv,  irepi 
opv^wv,  7r€pl  Toiv  dv  T^  oIkou^^vtj  ÄOTa|iwv,  #au|idTUiv  täv  eic 
fiTiacav  Tfjv  "HIV  Kaxa  töttouc  Ävtujv  cuvaifUiTi^  —  litterarum  serie 
prorsus  relicta!  Sed  Schneiderus  (p.  11  8q.)*horum  titulorum  dispo- 
sitionem  ita  tueri  studuit,  ut  Suidae  in  tabulis  delibandis  talem  con- 
suetudinem  fuisse  moneret,  ut  nonnunquam  indicem  denuo  percurreret 
et  extra  ordinem  quae  in  novo  transcursu  invenisset  memorabilia 
priori  tabulae  adnecteret.  Quem  Suidae  morem  librorum  indiculo  s. 
9€69pacT0C  senrato  egregie  inlustrari  existumat:  sed  hinc  nihü 
possumus  lucrari,  cum  Suidas  eis  quae  ex  fronte  huius  tabulae  petiit 
de  sua  ipsius  memoria  nonnuUa  adiecerit  (cfl  Usenerum  LI.  16  sq.). 
Nee  non  relicuorum  quae  ad  dramatum  indices  pertinent  exemplorom 
ratio  ea  est^  ut  et  ordinis  mutatio  probe  plerumque  explicari  queat 
neque  ea  ipsa  ad  dispositionem  Callimachi  librorum  plane  singula- 
rem  excusandam  quicquam  valeant.  Quid  denique  de  ceteris  titulis 
iudicabimus,  quos  cum  cuivis  ordini  repugnarent  ad  certum  ordinem 
artifioiosissime  redigere  molitus  est  (p.  12  sq.)?  Haec  omnia  cona- 
mina  per  se  satis  inprobabilia  singillatim  redarguere  nolo.  Sed  ante- 
quam  meam  de  huius  tabulae  conpositione  sententiam  proponam»  id 
quaerendum  est  quis  tandem  Hesjchio  illam  suppeditaverit:  quem 
auctorem  siinyestigayerimus  Schneiden  aedificium  funditus  destmetur. 
Is  nimirum  contendit  (p.  32)  librorum  tabulas  alphabeticas  a  nullo 
alio  Hesychium  accepisse  nisi  a  Dionysio  HaUcamassensi  minore. 
Etenim  cum  operum  indices  xaTd  CTOtX6iov  digesti  nunc 
apud  Suidam  paueis  philosophorum  exemplis  exceptis  — -  id 
quod  non  prorsus  verum  est  —  fere  non  legerentur  nisi  in 
tragicorum  eomicorum  epicorum  vitis,  has  quidem  tabulas 
suum  sibi  yindicare  ait  auctorem:  atqui  inter  poetas  CaUimachum 
esse  referendum;  ergo  cui  veri  esse  similius  tabulam  illam  deberi 
quam  Dionysio  —  quem  primarium  Hesychii  in  poetarum  vitis  ducem 
fuisse  Schneiderus  ipse  rectissime  evicit? 

At  meam  ratiodnationem  paueis  conprehendam: 


Hermippi  peouliare  opus  faerit.  Qni  plane  eandem  in  Aristotelis 
scripta  curam  contulisse  videtur,  si  quidem  reote  ad  Hermippmn  Ari- 
stotelis  indicem  Laertianum  rettalenmt  Heitsius  (1. 1.  46  tq.),  NietssehiaB 
(1.  1.  185,  n.  1),  Bergkius  (Hist.  Litt.  Gr.  I,  278),  cf.  etiam  nunc  Roaeum 
Arist.  Pseud.  p.  5, 9.  —  Ceteram  aUbi  his  de  rebus  adcuratins  disseram. 


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De  Suidae  biogn^bicorom  oiigine  et  fide.  465 

1)  In  tragicorum  comicorum  epiconun  tabolis  alpbabeticis  non 
scripta  nisi  eiusdem  generis,  L  e.  TTOifjfiaTa,  nequaquam  poemata 
cum  libris  sermoms  pedestris  coninncta  ad  litteraroxn  ordinem  pro- 
cedere  cemirnns.  Qaod  vel  maxime  eadit  in  Alexandrinomm  poeta- 
rum  indices,  qnos  pedestri  quoque  oratione  opera  conpodtdsse  notam 
est  (cf.  8.  6ö<pop(iJüv,  NiKavbpoc,  et  supra  p.  414). 

2)  Qnodsi  et  Callimacbtun  a  Suida  YpajLi^aTiKÖv  adpellari,  non 
(liTUJv)  iTOiT]Tifjv,  et  totam  notationem  vitarum  eeterorum  qni  proprio 
andinnt  tP<xmm<X'^iko(  indolem  prodere  tecnm  repntaveris,  hane  iina 
cum  librornm  tabola  non  ex  Dionysii  mnsica  historia  —  quamris 
ille  etiam  de  Gallimacbo  tanqnam  poeta  diBpataverit  —  sed  ex 
Aselepiadis  opere  Trcpl  TP<XMM<XTiKUiV  petitam  esse  lubenter  mibi 
concedes.  Gni  plennm  Gallimacbi  librorum  mdicem  et  prudenter  con- 
positmn  praesto  fdisse  credere  Hcebit. 

Sed  qua  ratione  illnm  digestom  foisse  censebimus?  Gerte  non 
ea  qnam  Scbneiderus  perspexisse  sibi  visns  est,  qnamyis  aliquid  veri 
angnratus  sit.  Nam  illins  opinio  radicitus  evellenda  est  omnes  titulos 
conionctim  litteramm  ordinem  servasse  adfirmantis,  quippe  quod 
rationi  pinacographorom  adrerso  fronte  repugnei  Id  vero  recte' 
animadvertisse  mihi  videor  —  Suidaeque  ipsius  yerba  liquido  indicant 
die  TP^^M^ai  M^v  TTOi/jinaTa . .  cvivräEai  bk  xai  KaraXoTÄbriv  — 
primum  enumerata  fuisse  poemata,  dein  opera  pedestria. 
Garmina  autem  ipsa  secundum  argumentum  yel  ad  jii^Tpa 
btd90pa  (cf.  Suid,  s.  k  v.  et  s.  TTap6<vioc)  disposita  (elegiae, 
dramata),  singttlorum  generum  tituli  ex  litterarum  ordine 
seeuti  esse  yidentur:  atque  buius  ordinis  aperta  vestigia  etiam- 
nom  deprehenduntur  —  qua  in  re  Schneiderum  opinio  non  fefellit  — , 
81  quidem  recte  coniecit  WacbsmuthiuB  in  prisci  catalogi  fronte  posi- 
tum  fuisse  titulimt  ^Tia  (quorum  singulae  partes  singulariter  erant 
enumeratae  —  pariter  atque  factum  esse  infra  patebit  in  scriptis 
pedeatribus  — :  'loOc  aipiEic,  Äfi^Xri,  quas  unice  selegerit  Suidas), 
''L^pTOUC  olKic|ioi,*^pKabia,  rXaOKOC,  'EXmbec  (ceterum  adi  Bergkium 
Praef.  Anth.  11,  p.  Xm,  Rauchium  Aet.  Fragm.  p.  8,  Schneiderum 
Gall.  n,  17.  112).  Dein  dramata  enumerantur  eorumque  genera, 
sed  singulos  titulos  Suidas  describere  noluit;  tum  secuntur  ixi\r\  titulis 
non  additis,  denique  *l  ß  t  c  Carmen  quod  certo  generi  adsignari  nequibat 

Hinc  ut  ad  opera  pedestria  sermo  transeat,  pro  certo  adfirmari 
nequit  utrum  a  titulo  Mouceiov  an  a  TrivoSt  sumant  initium,  quo- 
niam  de  illius  libelli  argumento  hominu^  doctorum  opiniones  in  diver- 
sissimas  partes  abeunt  (cf.  Schneiderum  L  1.  285  sq.).  Sed  huius 
tabulae  partis  singuli  libri  neutiquam  inconpositi  decurrunt.  Primum 
enim  irivaKec  celeberrimum  Gallimacbi  opus  recensentur,  quibus 
sabiungitur  aliqua  mvaKWV  particula  —  ceteras  quas  Suidas  omisit 
praeter  KivaKtt  twv  vo|HOTpdq)UJV  Scbneiderus  recte  supplevisse 
(p.  20  sq.,  297  sq.)  videtur  — ,  praeterea  peculiaris  a  ceteris  TrtvaEiv 
band  dubio  diyersus  (cf.  M.  Schmidtium  Quaestt.  Hesjch.  p.  GLXYII) 

Jahrb.  f.  cUm.  Phüol.  Suppl.  Bd.  XL  30^^  ^  CjOOQIc 


466 


A.  Daab: 


KivaH  Tu&v  AimoKpdou  t^wccujv  kui  cuvraTMÄToiv,  quem  prorsns 
infeliciter  Schneiderus  —  ut  de  conaminibns  Bernhardyi  (ad  Said.), 
Meinekii  (Praefl  ad  Callim.  XY),  Heckeri  (Conment  Call.  I,  3)  süeam 
—  ita  redintegravit:  irivctH  [xai  dvaTpa9f|  tüjv  (piXocö(puiv,  iv  oTc 
Kai  Tiepi]  Tüöv  AiijuiOKpiTou  tX*Jliccüjv  Ktti  cuvTaTMäTUiV.  Neque  etiam 
causam  idoneam  yideo  cur  hunc  ütulum  ex  daobus  cosglutinatum  esse 
cum  Wachsmuthio  (Phil.  XVI,  659)  ponamus,  immo  pristinam  inscriptio- 
nem  hanc  fuisse  opiuor:  TrivoE  tuüv  A.  cuvTaTM<iTUiv  Kai  tXuiccwv. 
Dein  titulorum  qui  inde  usque  ad  calcem  tabulae  enomeraatar 
indolem  si  inteutius  considerabimus,  eos  non  temere  sed  sana  ratioDe 
dispositos  esse  patebit.  Tamen  antea  vitium  toUendum  est^'):  etenim 
trepi  ft^rovo^aciac  ixOuuiv  Callimachum  singulares  libellos  sciipsisse 
prorsus  incredibile;  scripsit  haud  dubie  nepl  KaTOVO|iadac  (quod 
proptet  praecedens  )Li6T6vo^ac(ac  iacile  depravari  potuit).  Urbes 
quidem  f&crovo^aciac  aliquotiens  expertae  sunt;  venu  yarias  xaro- 
vo^aciac  apud  diversas  geutes  paiilem  in  modum  ac  menses  varias 
TTpocTiTopiac.  Poteris  etiam  simpliciter  emendare  övofiaciac  (ef. 
Athen.  VII,  p.  329  a:  dv  dOviKaic  dvo|Liaciaic  Tpa<P€i,  et  KaraX^TWiv  ix* 
Ouuiv  övojLiaciac),  sed  illud  veri  simUius  est.  Porro  non  temere  agere 
videbimur  si  integres  titulos  fuisse  putabimus  Trepl  KaTOVOfiadac  ix- 
8üu)v,  K€pi  KaTOVO^aciac  dv^^wv  (cf.  Schneiderum  p.  16),  irepi  Kaxo- 
vo^aciac  öpv^ujv.  Quibus  rebus  perpensitatis  adparet  in  ^Tatalogo  ipso 
primum  ethnicas  glo  ssas  conmemoratasessepostlibmmdeDemocriti 
scriptis  et  glo 8 s i s ,  illarum  vero  singulas  partes  adcuratius  significatas, 
deinde  Y€u;Ypaq)iKd  tria  (seeundum  et  tertium  uberius  enarratom), 
Suidam  vero  primum  ex  bis  omnibus  quae  ipsi  maxime  placuere  deli- 
hasse,  dein  iterum  percurrendo  alia  praecipue  generalia  subiunxisse 
(TtcpiTUJV  ^v  T^  olKOu^^vq  TTOTajuiuiv,  6au|idTuiv  Ttöv  elc  äiracav 
Tf|V  ff\y  Kaxd  töttouc  övtu)V  cuvaTiuxtiv).  Itaque  haec  fere  imago 
ultimae  catalogi  partis  evadet,  quam  stemmatis  auxiüo  delineabo: 


I.  *69viKal  övofiadai. 
(scripta    glossematica). 
a)  Miivujv  iTpocT)Top(ai  Kar' 
£6voc  Kai  iTÖXcic. 


b)  TTepl   KaTOVOfiadac  Ix* 

eOu)V,     IT.    K.    dv^|UlU)V,     IT.    K. 

öpvdwv.  quae  opera  arto  ne- 
cesBituainis  vinculo  conexa 
item  Kard  £9voc  discripta 
fuere,  cf.  Athen.  VII,  p.329a: 
.  .  KaraX^TUDv  IxOOwv  övo^a- 
dac  9iidv  •  'Olawa,  öcjiOXtov  * 

6  O  0  p  l  O  t .       tUDTTCC ,      4p(TlflOl  * 

*A8Tivatoi. 


II.  r€urrpa<piKd. 

1)  Kxiccic  vfi-     2»)  TTcpi  Tdiv  8*)  TTcpl  tuiv 

cwv  Kol  tröXcuiv  tv  E^^pUimg  iro-  tv   TTcXonowif)- 

Kai     jLi€TOvo|uia-  rajuCtiv.  c(p   Kai    iToXiq 

ciat.  Oao^adujv    xal 

irapaböEwv. 

2)  TTcpl  Til^v  tv  3)     Gou^dturv 

oIkou|üi^vxi  TiSrv  eic  ditacav 

iroraimdiv.     (Cf.  t^v    t*W    xotd 

Strab.    IX,    p.  xöirouc     övrunr 

397.)  cuvoTurrt. 


"')  Quae  nunc  de  Callimacheae  tabnlae  dispositione  enarrantor,  omnia 

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N. 


De  Suidae  biograpbicoram  origine  et  fide.  467 

Htüc  disputatioiii  nonnulla  per  Battiram  addere  placet,  quae  in 
totius  disqnisitionis  nexn  et  tenore  idoneum  locum  non  inyenerunt. 
Asdepiadem  Mjrleannm  in  libris  V€pi  Tpa^^ariKWv'  iiivaKac  ad- 
bibnisse  snpra  demonstraTirnns.  Sed  borum  ipsorum  auctori- 
tatis  band  scio  an  luculenta  yestigia  in  tabnlis  bistoricoram 
et  oratorum  qni  ante  Alexandrinornm  aetatem  floruere 
lateant.  Qnae  qnidem  boc  loco  breviter  perlustrare  lubet:  nee  enim 
mibi  perspectom  est  nnde  Hesycbius  ipse  desumpserit.  Id  unum 
teneo  e  bibliotbecanun  catalogis  illas  fluzisse.  Porro  ne  quis  miretur 
de  bistoricorum  tabulis  generatim  bucusque  non  disputavirnus, 
cum  mnltarom  origo  onmino  explorari  nequeat.  Qua  in  re  ne  id 
qnidem  obliviscendum  est  Hesycbinm  nonnnllas  yel  de  sua  ipsius 
notitia  vel  bibliotbecis  Byzantinifi  perquisitis  adiecisse  videri,  qnippe 
qni  bistorids  scriptis  sine  dubio  operam  inpenderit  (cf.  Said.  s. 
'Hcux^oc).  At  pinacograpbicos  fontes  redolent  tabulae,  qnae  sive 
litterarnm  ordinem  strictim  tenent  sive  nnllo  negotio  ad  talem  exigi 
qneunt:  s.  v.  AttjudcTiic..  T^TPCwp^  Ttepl  TÄv  iv  'Qik&h\  yevo- 
liiviJJV  (Mueller.  F.  H.  G.  11,  64),  irepl  yov^iüv  xal  TrpoTÖvwv  .  . 
ßißXia  ß'  (qaos  dnos  titnlos  in  nnam  coagmentare  aptius  mibi  visum 
est  Muß.  Bb.  n.  XXXV,  66  sq.:  Ttepl  toiv  ^v  *€.  T€VO|li^vu)V 
Tov^tüv  Kttl  irpoTÖvuiv  .  .),  iQyG)v  KaTdXoTOv  Kai  nöXeuiv,  ircpi 
xoxryi&v  m\  tfoq)iCTuiv  Kai  äXXa  cuxvd;  s.  Aiovucioc  MiX/jcioc 
. .  T&  n€Td  z/apeTov  Iv  ßißXioic  €',  Äepirj-mciv  olKOU|i^vnc,  ilepciKd, 
idbi  biaX^KTi}),  TpuitKUiv  ßißXiay,  qua  in  tabula  extremilibri  ^uOmd 
et  kukXoc  kropiKÖc  gravissimam  dubitationem  excitant  (of.  etiam 
Bembardytim  de  tota  re  disputantem  Dionys.  Perieg.  p.  490 sq.); 
8.  "litTTuc  . .  jcrtciv  IxaXlac,  äkcXikäv  ßißXia  €',  xPOViKd  iv  ßißXi- 
oic  e\  '^pToXiKd,  qnem  titulnm  olim  in  fronte  conlocatum  Suidas 
cum  tabnlam  itemm  pervolaret  in  fine  snbiecit;  s.  OuXapxoc,  cuius 
in  tabula  primarium  opus  initio  conparet,  cetera  Kard  CTOiX€iov  pro- 
cednnt;  denique  eiusdem  ordinis  yestigia  non  eyanuerunt  in  indice 
8,  Xdpuiv  AaiLii|iaKT]VÖc  quantumyis  obturbato.  Pariterque  peculia- 
rem  auctorem  arguunt  tabulae  in  quibus  librorum  numerus  sedulo 
notatur^  s.  ''€q)opoc  (displicet  autem  Marzü  [Epbor.  Frg.  p.  32] 
opinio,  cf.  Muellerum  F.  H.  0. 1,  p.  LXI,  et  yide  nos  Mus.  Bb.  L  s.  c. 
62  sqOi  8-  KTT]ciac,  s.  Hdv6oc,  s.  XdpuiV  AajLiiii.,  al.  Praeterea 
ad  irivaKac  referre  non  dubito  amplissimas  tabulas  s.  0iXöxopoc 
et  8.  TToXi^wv,  quae  ex  argumento  dispositae  fuisse  yidentur  (adi 
1.  L  63).  Nee  desunt  alii  indices  qui  eandem  indolem  prodant,  tarnen 
has  singillatim  examinare  ab  boc  loco  alienum  est. 

Denique  de  oratorum  Atticorum  tabulis  pauca  proponam. 
In  quibus  Suidas  orationum  numerum  significasse  plerumque  satis 
babebat,  quanquam  ne  id  qnidem  ubique  curabat    Testimonia  yero 


fere  Wacbsmutbii  doctissimae  liberalitati  debentur:  cuius  quidem  ratio 
adeo  mibi  adriiit  ut  meam  bac  de  re  opinionem  abiecerim. 


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468  A.  Daub: 

de  üTimero  orationum,  qnae  a  ceteris  diyersa  Smdas  Endoeiaque 
unice  servarunt  (cf.  s.  Aeivapxoc,  Auctac)  ad  proprium  fontem  redire 
facile  pro  se  qnisque  concedet  (cf.  Alfr.  Schoenium  annaL  phiL  i. 
cm  (1871),  p.  787;  Blasaium  Oratt.  Att  Eist.  I,  364).  Neque 
alphabeticae  quid^a  dispositionis  desideratur  exemplam:  8.  AuKoOp- 
Toc . .  XÖTOi  b'  auToO  elci  Tvricioi  ol  cujZ6|li€Voi  Kax*  ^^^croTeirovoc, 
Kar'  -^vToXuKOu,  xard  ^euncpdTOiic,  Kata  ^tric6q)povoc  ß',  Kard 
-^vcikX^ouc,  Kard  MevecatXjLiOu,  ||  xatd  z/nfiobow,  anokofia  irpöc 
TÖv  auTÖv,  öirfep  täv  e^Ouvwv,  Trpöc  'fcxupiav,  irpdc  xdc  fMtv- 
Tciac,  II  Tiepl  Tf\c  dioiKt^ceuic,  ircpl  rflc  fepeiac,  7T€pl  rflc  fcpun 
cuviic(?)*  II  iiiiCToXal  Ktti  äXXa  nvd.  Atqueeundem  ordinem  anixnad- 
vertifflos  in  tabulis  horunce  scriptoram  lioet  noa  ad  illam  ipaam  ae- 
tatemrevocandorum:  s. 'ApiCTOTelTWV  Kubi^dxou,  Occkö^kttic 
0acTiXiTTic,  eipnvaioc  Tpa|i|üiaTiKÖc,  NiKdvuip,  TTaXai- 
q>aroc  AItütttioc,  Cf]|iOC,  'Qpiuiv  ^AXcHavbpeöc. 

Caput  vn. 

De  fontibns  ex  qnibus  HesyeMus  in  yiüs 

eomm  seriptarnm  qui  post  Hadriani  aetajteoL  floraennt 

hanserit  quaestiones  selectae. 

Sequitor  ut  illud  etiam  ezploretor,  unde  narrationes  de  ora- 
toribuB  sophistis  grammaticis  medicis  nee  non  de  histo- 
ricis  philosophis,  qui  post  Hadrianum  yixerant,  Hesychins 
deprompBerit  Qua  in  re  consentaneum  est  eorom  hominum  memo- 
riam,  qui  a  sua  ipsius  aetate  prope  aberant,  propria  notitia  illum  de- 
scripsisBe.  Quod  in  grammaticorum  vitas  inprimis  cadere  yidetur,  ntpote 
quibuB  homines  Byzanidni  operam  inpensiuB  naYaverint  Verum  quae  de 
ceterifi  quorum  aetaB  ab'HeBytsbiana  pauIo  longius  recedit  pro  certo 
ezplorasse  nobijs  yidemur,  iam  breviter  exponamias.  Ac  primum  qui- 
dem  peouliarem  aibi  vindicant  auctorem  notationes  magna  ex  parte 
uberrimae  de  oratoribuB  et  rhetoribns  qui  Marci  Antonini  tem- 
poribuB  floruerunt:  s.  'ApicreiÖTic  'Abpiaveiic,  s.  *Abpiavöc 
(dvTicxoXacTf|c  'Apicreibou  toO  ^i^Topoc  iv  'AWjvaic  T€v6nevoc), 
B-  *Ac7rdcioc  BußXioc  (curxpovoiv  'ApiCTcibi)  Kai  *Aöpictvip),  s. 
'Hplibiic  (cuTXPOvoc  fjv  'Apicreibij  coq)icTf|),  s.  NiKÖCTparoc 
(diaxOn  b'  iv  Toic  KpiGekiv.^)  imbeur^poic  i'  jii^Topci  (cf.  0,  Cruaiam 
Leipz.  Stud.  II,  228),  cÜTXPOVOC  *ApiCT€ibou  xai  Aiuivoc  toö  Xpw- 
cocTÖfiOu),  quibus  adnumero  glossam  &  TToX^fiUiV  (btödcKaXoc 
'ApicTeibou  ToO  firiTopoc  . .  ?iv  b'  im  xe  Tpaiavoö  koI  ^€t'  adröv). 
Has  omnes  yitas  conmnni  Tinculo  continßri  inde  patet,  quod  siagii- 


"^.De  Yooabulifl  Kp(vcc0at  et  ^T^pivecOai  ef.  Ruhnkenimn  Hitt  er. 
erat  Graec.  p.  XCVII. 

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De  Snidae  biographioomm  origine  et  fide.  469 

lomm  hommtun  aetas  ad  relicuoram  tempora  dirigitur.  Accedit  quod 
Nicostratus  iv  toTc  xpiGeTciv  ^TiibeuT^potc  i'  ^/JTOpci  faisse  dicitar: 
huc  adpiime  oonTeniunt  quae  in  Aristidis  vita  (BiOTp.  327,  7)  de 
teitia  ^lyröpujv  (popqi  quae  nancnpator  narrantnr:  rpiniv  oikav  dm- 

CTTIMTIV,   fic  iCTl  TToX^jliUJV,  *Hpi«önC,  *ApiCT€lbl1C  Ktti  Ol  xard 

Totrrov$  vov^  XQOvovg  yeyovtufi  ^^iTOpec.  Haecomnia  vestigia 
non  permittunt  soltun  sed  cogunt  paene,  ut  credas  vitas  illas  ditissi- 
mas  ex  pecnliari  opere  quod  dmöeur^pouc  ^i^TOpac  Kard  xP<^vouc 
conprehenderit  promanasse;  eidemque  fonü  libromm  tabulae  quae  s. 
'Abpiavöc,  'AcTidcioc,  NiKÖcrporoc  reperiuntur  deberi  videntur. 

Dehinc  ad  paulo  reoentiora  tempora  descendere  placet,  (7on- 
siantml  nimrum  et  lüliani  imperatarum,  Huius  vero  aetatis  scripto- 
rum  yitas  perquirenti  a  testhnonio  proficiscendum  est  quod  extat  s. 
'Oväcijüioc  KÜTTptoc . .  IcTOpiKÖC  Ka\  C0<piCTf|C  ttiv  ixl  Kmvövav^ 
Tivav  yevof^ivmv.  Ad  eadem  tempora  referantnr  fujüiväctoc, 
6^uüv  Ctbiuvtoc,  'IdjiißXixoc  (piX6coq>oc,  OuXTrtavöc  (de 
duabus  ülpiani  notationibus  cf.  Bohdium  Gr.  Boman,  p.  467,  n.  3), 
TTaOXoc  AItütttioc,  TTaXXdbtoc.  Praeterea  testimonium  satis 
memorabile  invenitar  s.  €uc^ßioc  'Apdßioc,  coq>iCTrjc,  dvvi» 
cotpiCTcvCctq  Tuxl  ai%6^  MXmav^i,  quae  verba  nulla  Eusebii  tan- 
quam  ülpiani  aemuli  memoria  antea  iniecta  ad  tale  opus,  quo  Gon- 
stantinae  aetatis  sophistae  (cf.  s.  OuXmavöc,  TTpoatp^cioc)  una  serie 
füerint  conprefaensi,  necessario  relegant  (cf.  etiam  quae  supra  ex- 
posnimns  p.  407).  Ac  pariter  vitas  scriptorum  qui  luliano  regnante 
inclamerunt  faorunce  yelim  consideree:  s.  I^^pioc*  co<ptCTf|C  tuüv 
Iwi  louXiavoO  ToO  ßactX^uJC,  dvTmaibeucac  TTpoaipeciqi  iv  'AOi^vaic; 
8.  TTpoatp^cioc,  8.  Atßdvtoc  . .  *AvtioX€uc,  elq  (q^od  ego  addidi) 
ra»r  ini  (sie  dedi  libros  AVE  fortasseque  B  secutus)  'lovXiav<^ 
xav  ßaaiXimq  xP<^vuiv  xal  M^XP^  Geobodou  toO  trpecßuT^pou; 
8.  Ge^iicTiGC,  *AKdKioc,  XpucdvOtoc,  'AtroXivdpioc  .  .  t€- 
Tovibc  dv  fijiidpaic  KujvcTavTivou  kqI  louXtavoC  toO  Tiapa- 
ßdTOU  xal  a»$  T^  0^x4$  0eodo4riov  rov  fteydXav,  cuTXPOVOC 
BaciX€lou  Kai  fpnTOpiou  .  .  l^iv^ro  bt,  TVwpiMOC  d^(poTdpu)v  kqI 
Aißaviou  TOu  coqptcToO  xal  dXXuJV  Ttvuiv.  Haec  indicia  nonne 
tonquam  digitum  intendunt  ad  auctorem,  qui  illius  aetatis  sopbistas 
ad  Constantini  lulianique  imperium  i^te  disposuerit?  Is  vero  quis 
faerit  pro  certo  enncleari  nequit,  sed  coniectura  me  quidem  iudioe 
haud  inprobabilis  in  promptu  est.  Beminiscere  modo  generalia  quae- 
dam  encbiridia  Hesychio  conmodissimum  fuisse  adminiculum.  lam 
autem  cum  inter  eos  sopbistas,  quos  luliano  imperatore  fioruisse 
supra  yidimusy  Libanius  et  Apolinarius  usque  ad  Tbeodosii  Magni 
regnum  vitam  perduxisse  dicantur,  nescio  an  hinc  consectarium  sit 
Theodosianae  aetatis  auctorem  Hesycbio  adcuratas  illas  notationes 
Bubministrasse.  Qualem  librum  conposuit  Heliconms  xQovixiiv  ixt' 
vofin^  (dxd  vav  *A6dfM,  §iexQi  0eodociav  ToC  ^eTdXou,  cf.  Suid. 
8.  '6X1KUIVIOC  €0<p.)  cum  insoriptum;  ipse  a  Suida  bis  laudatus, 

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470  A.  Daub: 

B.  *Amu)v . .  AiTüTTTioc,  Kaxd  b*  *€Xiku>viov  Kpi^jc  (verba  continna 
num  ad  eundem  pertineant  non  liquet)^  et  s.  'Appiavöc  NtKOVtiibeuc . . 
rjv  b*  dv  Tiüjiiij  dir'  'AbpiavoO  xal  MdpKou  Kai  'Avtuüvivou^)  tuiv 
ßaciX^uJv  xal  dEitü^dTiuv  nexaXaßuiv  xal  ju^xP^c  auroO  toO  utto- 
TcOcai,  xaOd  qpriciv  'GXixüüvioc,  bid  -rfiv  t?[C  traibefac  be&ötiiTa 
(cf.  etiam  Bohdium  Mus.  Rh.  n.  XXXIII,  182,  n.  1,  praeierea  Endoc. 
p.  63  et  165)^^).  Quae  testiinonia  ab  Heliconii  epitoma  repetere 
non  dubito;  ex  altero  yero,  si  quidem  recte  Heliconio  totom  ad- 
signavimus,  id  certe  efficere  licebit,  singalorum  hominum  aetatem 
singalorum  imperatorum  regno  adfixam  foisse:  ac  plane  eandem 
rationem  in  significanda  scriptorum  Constantini  Inlianiqne  aeqnaliam 
aetate  supra  animadTertünus.  Quid  igitur  probabilius  statui  potest 
quam  plerasque  istas  notationes  ab  Hesycbio  faaustas  esse  ex  eo- 
dem  opere  Heliconii?  Nee  solum  in  scriptorum  illius  aetatis  Titis, 
yerum  etiam  per  totam  litterarum  historiam  Hesycbio  illud  con- 
modissimo  usui  faisse  coniecerim. 

Caput  VIII. 
De  Demetrio  Hagnete  ^regl  &ii4dvvhwv  scriptore. 

Quibus  rebus  investigatis  possit  quispiam  expectare,  ut  iam 
dedita  opera  de  pfailosopborum  notationibus  Suidianis  quaerere 
instituam.  Sed  eiusmodi  disquisitio,  ut  ingenue  fatear,  opus  in- 
numeris  difficultatibus  inpeditom  est:  enimvero  pbilosopborum  rebus 
ac  scriptis  inde  a  Peripateticorum  aetate  prae  ceteris  strenuam 
operam  inpensam  esse  vitarumque  narrationes,  cum  per  multos  riyolos 
diversissimis  saepe  cursibus  fluxerint,  a  pristina  forma  sensim  de* 
generasse  constat.  Petes  profecto  hanc  quaestionem  non  minus 
spinosam  nominare  quam  de  Laertii  Biogenis  fontibus  cognatam: 
cognatam  dixi,  nam  in  Laertii  opere  notissimo  pedem  figere  de- 
bemus,  si  quid  certi  eruere  yolumus,  atque  id  potissimum  quaeritur, 
qualis  ratio  inter  Suidam  Hesjcbiumye  et  Laertium  intercedat.  Quae 
ut  indagetur,  Fr.  Nietzscbius  (Mus.  Bb.  n.  XXIV,  211  sqq.) 
contentis  yiribus  studuit,  sed  ut  yerum  loquar  plane  infelici  successiL 
Cuius  disputationis  yel  totum  consilium  yalde  displicet;  nee  enim  id 
egit  ut  fundamento  certis  argumentis  stabilito  suum  aedificinm  super- 
strueret,  sed  ex  opinionibus  parum  firmatis  siye  omnino  non  probatis 
conclusiones  qualescunque  repetiit  atque  pro  exploratis  yenditayit^^) 

^)  Verba  xal  Mdpxou  Bembardyus  inmerito  in  suspitionem  vocant, 
qoamyis  ne  ego  quidem  sana  esse  concedam.  Sed  omnia  apte  prooeduni, 
modo  Phoido  duce  —  qni  in  Bibl.  Cod.  68,  11  de  Arriano  eadem  oanrayit 
—  verba  sie  transponamus:  ^it"A 6p lavoO  xal  *Avtu)v(vou  xal  Mdpicou 
T&v  ßactX^ujv,  quoram  illom  Antoninum  Pium,  hunc  Marcum  Aureliom 
Antoninum  esse  existumo.  —  ^^)  Bobdius  etiam  in  verbis  glossae  *6iri- 
xapiioc  .  ,  \bc  hi  AOxuiv. .  Heliconii  nomen  (ibc  b*  *€XikUivioc  «»  A€- 
AIKQN)  reconditmn  esse  suspicatar  (vide  Flachium  Eudoc.  et  Snid.  p.  J^, 
n.  1),   quae  coniectora  mihi  non  adrisit.  —  ^^)  Panter  nunc  indicat 


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De  Smdae  biogiaphicomm  origine  et  fide.  471 

Existuinat  vero  Nietzscbitis  Laertium  Hesychiumque  ex  eodem 
fönte  —  quem  Demetrii  Magnetis  7T€p\  öjiiujvu^ujv  ttoititOjv  T€ 
Kai  cuTTP<*9^w^  librum  esse  ait  —  sed  *ctim  discrimine'  bau- 
sisBe.^**) 

Hiüic  Nietzschii  opinionein  qtiamTis  Hillerus  (Mus.  Rh.  n.  XXXIII, 
620,  n.  1),  Wachsmuthius  (1.  L  XXXIV,  41,  n.  1),  Machius  (1.  1. 
50  sq.)  addnbitaverint,  conprobanmt  Schneideras  (Call.  11,  28,  n.  1), 
Rohdius  (Mus.  Eh.  XXXTTT,  203,  n.  l),   G.  Kernius  (*Bemerk.  zum 
10.  B.  des  Laeri  D./  Progr.  Oymii.  F^enzlav.  1878,  p.  2),  denique 
ambabus  manibus  adripuit  D.  Yolkmannus,  quippe  qui  ilHus  argu- 
menta novis  fnlcire  studuerit  ac  multo  latius  patere  iusserit  (con- 
mentat.  *de  Suid.  biogr.  quaestt.  nov.'  1873).    Sed  ne  is  quidem, 
licet  plane  diyersa  via  eundem  ad  finem  tetenderit,  veritatem  ad- 
secutus,  quin  etiam  eo  audaciae  progressus  est,  ut  omnia  a  semet 
investigata  exempla  ad  vitas  cuiusve  generis  rettulerit  ^^)     Quam 
Volkmanni  argumentationem  iam  paulo  adcuratius  examinare  lubet. 
Inde  scilicet  proficiscitur  ille,  quod  in  Suidae  vitis  verba  Kai  aÖTÖc, 
Kai  ouToc  similiave  aliquotiens  ita  posita  sint,  ut  in  glossa  ipsa  nil 
reperiatur  quo  apte  pertineant  (p.  IV):  qua  re  ni  conruptelam  statuere 
praestet  quaerendum  esse,  num  forte  coniectura  pristinus  verborum 
ordo  reconcinnaii  possii    In  singulis  vero  locis  explicandis  alii  aliter 
elaboranmt,  qaorum  rationes  Volkmannus  (p.  V.  VI)  prudenter  sane 
ezaminavit,  quantumTris  minime  omnia  probabiliter  expedierii    Quae 
cum  ita  essent,  in  hanc  rem  denuo  ita  inquirebat,  ut  omnia  istius 
locutionis    exempla   (p.  VI.  VH)   ceteraque   eiusdem    cognominum 
Bcriptorum  coniungendorum  rationis  indicia  conligeret  (p.  VILL — X), 
quibus  pensitatis  glossas  illas  ex  libro  iT€pi  öjüujvu^uiv  —  cuius 
Demetrium  Magnetem  auctorem  fuisse  autumat  —  fluxisse  contendit. 
Nee  potest  negari  talia  inveniri  exempla,  quae  ad  tabulam  homony- 
morum  recedere  videantur.    Sed  qui  singula  intentius  consideraverit 
hinc  multa  non  deriyata  esse  mox  intelleget.    Ac  primum  quidem 
propter  temporis  rationes  ex  priore  indice  has  glossas  Volkmannus 
ipse  exemit:  s.  AtOT€V€iavöc,  Atovucioc,  TTpÖKXoc,  ex  altero  autem 
gL  8.  'AttoXXiwvioc  Tuavetic,  Aibu^oc,  Cwpavöc,   Mapcuac;  dein 
parum  constat  de  glossis  s.  Käb^oc  V€iUT€poc  et  s.  'AYTi^axoc  ^repoc 
(cf.  p.  XI).    Has  tamen  posteriori  ö^uivu^ujv  scriptori  yelut  Agre- 
sphonti  (sive  Argesiphonti)  vindicandas  esse  non  ooncedo.    Deinde 
yero  alias  ob  causas  haec  testimonia  remoyenda  yidentur: 


H.  Dielsius  (Doxograph.  Gr.,  Ber.  1879,  p.  161  sq.),  qui  Kietzschii  temerariam 
de  Diocle  Magnete  opinionem  plane  labe&ctavit.  —  ^^^)  Nietzschiana 
wrgwaieni&  uberius  rerellere  ab  hoc  loco  alienum  est;  debebat  certe 
multo  adcuratiorem  et  circmnapectiorem  institnere  conparationem  inter 
ambomm  scriptorom  yitas  ac  tabulas.  Sed  omnino  alia  fortasse  ratione 
et  yia  totam  quaeationem  expedire  iayabit,  id  quod  dedita  opera  alibi 
periclitabor.  —  *^  Huio  VolkmaDni  sententiae  refragatus  est  H.  Dielsius 
(Mus.  Rh.  n.  XX XI,  30,  not.),  fortasse  etiam  alii,  subsoripsit  tamen 
A.  Eberhardiua  (Bors.  Diar.  amiiy.  1878,  II,  1826  sq.). 


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472  A.  Daub: 

s.  Aiöbujpoc,  quam  glossam  Suidas  ex  Athenaeo  X,  431c 
conpilavit:  A.  b'  ö  Ctvuiireuc  iy  AuXirrpibt  ,  .,  ita  ut  verba  xal 
auTÖc  KUJ^tKÖc  ad  poetas  comicos  aniea  conmemoratos  respiciaat; 
porro  quattuor  exempla  s.  MiTTTOKpdTiic  ex  medicorum  indioe  quem 
Philonis  Bjblii  esse  credo  maaifesto  petita  sunt;  nee  etiam  tres  de 
Sibyllis  notationes  Demetrio  tribuerim^  sed  multo  probabiliojs 
Dionjsii  musicae  historiae  (cf.  supra  p.  418);  verba  denique  s.  Tu- 
pavviwv  6  v€u»T€poc . .  dx^wiXuJToc  bk  tcvöjicvoc  xai  auTÖc  ab 
Hermippo  Berytio  (cf.  Wachsmuthium  1. 1.  142)  profecta  esse  liquet. 
Tum  inter  relicua  exempla  talia  sunt  in  quibus  illud  Kai  auröc  iatra 
ipsam  glassam  suam  nanciscitur  interpretationem,  ut  de  homonjmorum 
tabula  cogitari  nequeat^  yeluti  s.  'AcTubdjiiac  ö  veoc,  qui  et  ipse, 
scilicet  ut  pater,  tragoedias  scripsit;  s.  Aiovucioc,  qui  ipse  quoque 
tyramius  nomiuatur  pariter  ac  pater  eius;  s.  MeXaviirTtibric,  qui 
item  atque  avuuculus  ^c^ora  Xupucd  panxisse  dicitur  (ceterum  cf. 
Bohdium  Mus.  Bh.  d.  XXXTTT,  213);  similiterque  res  se  habet  s. 
Cairq)dj  Aecßia. 

Tali  igitur  censura  adhibita  illorum  exemplorum  numerus 
valde  inminuitur.  Quid?  quod  in  altera  quoque  tabula  permulta 
testimonia  reperiuntur  a  Demetrio  Magnete  plane  aliena.  Ea  nimi- 
rum  segreganda  sunt,  quae  mens  Suidae  aliorumve  conmentis  de- 
bentur;  sed  nihilo  setius  talia  Yolkmannus  (p.  IX,  n.  9  et  X,  n.  15)  in 
ordinem  recepit;  enimvero  id  minime  exploratum  habet,  quando 
errores  id  genus  orti  sint.  Num  Demetrium  talibus  erroribus  inpH- 
catum  esse  revera  existumat?  Apage  tandem  glossas  conmenticias 
s.  'AXKjidv  (cf.  Bemhardyum  ad  Suid.),  s.  ''e9opoc  6  veiuiepoc 
(c£  Marxium  Ephor.  Fragm.  p.  7,  Meinekium  Anal.  Alex.  27),  s. 
Köpivva  (cf.  Welckerum  in  Creozeri  Melet  crit.  U,  16),  Map- 
cuac  (cf.  Bitschelium  opusc.  phil.  I,  460  sq.),  M^vavbpoc  'A9ii- 
vaToc,  KUifiiKÖc  dpxaioc  (cfl  Meinekium  Hist.  crit  com,  Gr.  I,  270; 
perperam  autem  Yolkmannus  LI.  p. ^  de  iuniore  M.  quaedam  ad- 
notabat);  nee  secus  velim  removeantur  exempla  admodum  suspecta 
haece:  s.  'AvTiq>dviic  (cf.  Bernhardyi  adnoi  et  Bohdium  Mus.  Bh. 
n.  XXXIV,  620),  KapKtvoc,  Atvoc;  dein  nota  s.  6uptiTibiic  .  . 
ToO  TipoT^pou  öbeXqpiboCc  Dionysio^)  peculiari  auctori  debetur, 
quamvis  hunc  ipsum  Yolkmannus  (p.  XYI.  XYII)  Demetrii  aucto- 


^^  Dici  fere  nequit  quantaa  tnrbas  yerba  (iic  AtovOcioc  iv  toIc  xpo- 
viKOtc  hominibua  doctis  dederint,  yid.  Muellerom  F.  H.  G.  IV,  S96  sq. 
Frgm.  Chronogr.  147,  Bohdium  1.  L  19i.  195  S  Th.  Mommsenium  Chronol. 
Bom.  (1858),  p.  11,  Volkmannum  III,  p.  XVII  et  d.  27,  qui  Bcribendum 
propoBuit:  Uic  A.  ^v  toU  KpiTiKoU,  ol.  Laert  I,  38  oC  ^vr)^ov€0€l 
AiovOcioc  iy  KpiTiKotc;  tarnen  haec  sio  conrigenda  sunt:  A.  o  KpiriKog 
(cl.  Vit  laaei  in  Biotp-  p.  261,  5).  Dionysii  vero  HalicarnaasensiB  rhetoris 
librum  citari  nego;  versamnr  nimirum  in  opere  auctoris  nobia  ignoti,  — 
an  verba  illa  forsitan  depravata  atque  in  haue  fere  speciem  redinte- 
granda  sunt:  die  AtovOcioc  (i.  e.  musicae  historiae  auctor)  [xal  *€pa- 
TocBivr\c]  iy  toU  xpoviKOtc? 


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De  Sidclae  biographicprnm  origine  et  fide.  473 

nun  numero  adlegarit;  notationes  porro  s.  G^oifVic  Tpairipboiroir)TT|C 
ex  scholio  ad  Aristoph.  Acharn.  11,  s.  Xatp^jüiiüv  ex  Athen.  XIII, 
562  f,  8.  0€p€KubTic  'AOnvaToc,  irpecßuTepoc  toO  Cupiou  ex  Poor- 
phyrio  (cf.  Bohdium  1.  L  171,  n.  1  et  203,  n.  l)  ductae  sunt;  prae- 
terea  glossa  s.  'Axaiöc,  TpatiKÖc  veuiTepoc*  iTPCtM^  Tpatqibiac  i' 
yel  propt-er  certam  tragoediamm  numeri  significationem  Dionysii 
mosicae  historiae  adsignauda  videtar;  denique  testimonio  s.  6€a- 
Yevouc  xPni^Ta  nil  probari  planum  est;  Demetrimnque  notae  s. 
Kai  ^Tcpoc  Xatpyjjiiuuv  anctorem  esse  veri  duco  disBimillimnm.  Quid? 
qnod  ne  aliud  praetereaoi  Saidas  (sive  Heejchius)  ipse  duos  6|uiu)- 
vu^ouc  scriptores  in  diversis  fontibus  inventos  Yoeibus  Kai  Srepoc 
sünilibusve  conpluries  copulavisse  videtar  (cf,  s.  'AXKi^^vr|C,  O^OTVic, 
9€ÖKpiToc,  Xaiprifiuiv). 

Qoibas  testbnoniis  remotis  non  multa  restant  quae  Demetrio 
possunt  adacribi,  quam  vis  ne  in  bis  quidem  desint  quae  dubita- 
tionem  iniciant.  At  tarnen  novis  argumentis  suam  Volkmaimas 
opinionem  fulcire  studuit  (p.  XIII  sq.):  prae  oeteris  «nim  gravissi- 
mum  Demetrianae  auctoritatis  argumentum  in  eo  positum  esse  c9n- 
tendit,  quod  ab  ipso  Suida  Demetrius  testis  dtetur  s.  Icatoc,  'A0T]~ 
vatoc  TÖ  T^voc  AimnTpioc  bk  XaXKiö^a  q)Ticiv  auTÖv  elvai, 
cL  Harpoor.  s.  IcaToc.  Huie  tarnen  rei  multum  tribuere  ideo  nolim, 
quod  Hesjchius  non  ipse  quidem.  sed  auctor  qui  glossam  suppedi- 
tavit  Demetrii  in  causa  ambigua  testimonium  Hermippi  CaUimachei 
(cf.  Dionys.  H.  vit.  Isaei  in  BiOTp.  260,  11  sq.)  auctoritati  opposuit 

Alterum  vero  documentum  in  glossa  s.  Aeivapxoc  cum  Dio- 
nysii Halicamassei  (Vit.  Dinarch.  in  Biotp.  316,  19  sq.)  verbis  con- 
lata  cemi  adfirmat.  Suidae  nimimm  cum  Demetrio  id  prorsus  con- 
venire  ait,  quod  ipse  nee  de  vita  Dinarchi  —  ceterum  hoc  non  verum 
esse  ex  verbis  extremis  intellegitur  —  quicquam  proferat  et  quo 
patre  natus  fuerit  traditum  esse  disertim  neget,  unde  ex  illius  aucto- 
ritate  pendere  Suidam  adpareat.  Sed  tale  argumentum  ad  persua- 
dendnm  neutiquam  adpositum  est.  Nam  inde  quod  duo  de  orationum 
numero  testimonia  a  Suida  proferuntur,  in  rebus  certe  pinacogra- 
phicis  alias  praeter  Demetrium  scriptoris  conspicitur  auctoritas;  uec 
Yolkmannum  (p.  XIII)  id  ipsum  latuit  Sed  talem  inter  illos  ratio- 
nem  interesse  dispicio,  ut  alter  Demetrii  parcas  de  Dinarcho  nota- 
tiones novis  quibusdam  locupletatas  Hesychio  suppeditaverit.  Ipsum 
vero  Deme^um  adisse  Hesychium  diffido. 

Nee  magis  cetera  argumenta  ad  Yolkmanni  sententiam  sta- 
biliendam  quicquam  conferunt.  Is  nimirum  Diogenis  et  Pseudo« 
Plutarchi  aliquot  locis  cum  Suida  conparatis  alias  quoque  noUtias  ex 
ipgo  Demetrio  in  ^Onomatologum'  inmigrasse  evincere  conatus  est. 
Sed  fipem  elusit  eventus.  Nonne  alias  scriptor  Hesychio  Demetrii 
narrationes  tradere  potuit?  An  inde  revera  consequitur  ut  De- 
metrium ipsum  Hesychius  inspexerit?  Postremo  in  exemplis  Volk- 
naanni  cura  conlectis  nonne  sat  dilucidum  est  Suidam  s.  ATmoc8^VT]C 


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474  A.  Daab: 

ipsa  PBendo-Plutarchi  verba  (cf.  BiOTp.  281.  287)  nna  cum  elegia 
descripsisse  atque  s.  AiOT^vnc,  KpdT!]C,  'HpaKXeibnc  Laeitiiim  (VI, 
79,  88;  V,  89)  conpilasse? 

Itaqae  non  recte  Volkmannus  onmium  fere  scriptonmi  Titas 
Hesychianas  ab  eodem  Demetrio  auctore  repetüt  neqn«  etiam  in 
fine  totius  disputaüonis  explanavit,  quonam  itinere  Demetrianae 
copiae  in  ^Onomatologum'  fluzisse  videantur,  quamvis  merito  reie- 
oerit  praeposteram  Nietzscbii  (1.  L  227)  opinionem  Demetrii  hidices 
ö|üiuivu|üiiuv  ab  Agresphonte  (seu  rectins  Argesipbonte,  cf.  Volkmannnm 
p.  XI,  n.  18;  Tel  Agesiphonte,  cf.  Bobdinm  Mns.  Rh.  n.  XXXIY, 
621,  n.  2)  contmuatos  esse  ariolantis.  Yenun  tarnen  com  Hesy- 
obius  in  graviores  errores  inddisset  a  Demetrio  fere  alienos,  plus 
semel  opus  Demetrianum  quasi  rescriptum  esse  coniecit,  praesertim 
cum  post  iUius  aetatem  in  eodem  scribendi  genere  multi  elaboras- 
seni  Neutiquam  igitur  adparet,  qualis  intersit  ratio  inter  Deme- 
trium  eosque  auctores  ex  quibos  hausisse  Hesycbium  ezploratum 
est,  Hermippum  scilicet  Berytium,  Dionysium  Halicamassensem, 
Philonem  Byblium,  alios.  8ed  ut  tota  quaestio  ad  umbilicum  de- 
ducatur  rem  ita  conparatam  esse  censeo,  ut  bi  ipsi  auctores  praeter 
ceteros  primarios  fontes  Demetrii  quoque  Magnetis  opus  adhibuerint. 
Quod  nemo,  opinor,  diffitebitur;  verum  Demetrium  inter  Hesycbii 
auctores  principem  obtinuisse  locum  vix  ac  ne  viz  quidem  credo. 

Caput  IX. 
De  ovtog  Tocabuli  similinmqne  apad  Snidam  asa  et  eonsilio. 

Postquam  uberrimam  de  Hesycbii  Milesii  fontibos  disputatio- 
nem  absolvimus,  aliam  viam  significare  placet  eamque  plane  singu- 
larem,  quae  ad  Suidae  fontes  aperiendos  non  sine  fructu  quodam 
iniri  posse  videtur.  Suidae  nimirum  ipsius  sive  etiam  Hesycbii  usum 
dicendi  qui  acriter  consideraverit,  is  ad  subtiliorem  investigationem 
ac  planiorem  cogniüonem  raüonie  qua  Suidas  (Hesycbiusve)  diversas 
diversorum  auctorum  notationes  in  unam  glossam  conglutinaverit 
multum,  opinor,  fructus  percipiet.  Sic  ut  unum,  quod  Wachsmutbins 
primus  me  docuit,  iam  paulo  enucleatius  ezponam,  in  bis  biogra- 
pbicis  saepenumero  vocabulum  o(Stoc  initio  enuntiati  ita  posi- 
tum  videmus,  ut  in  banc  rem  inquirere  operae  pretium  esse  duzerim. 
Neque  elusit  operam  eventus:  etenim  ut  ilico  profitear,  Suidas  (sive 
etiam  Hesycbius,  id  quod  conpluries  nequit  discemi)  ista  voce 
tum  uti  videtur,  cum  ab  uno  ad  alterum  fontem  defiectit.  Quod 
si  aliquot  saltem  ezemplis  iisque  gravissimis  probatum  eztraque 
omnem  dubitationem  positum  erit,  in  ceteris  locis  eandem  vocem 
eidem  causae  significandae  inservire  baud  temere  conicere  pote- 
rimus  praesertim  si  alia  accesserit  suspitionis  nota.  Sed  iam  ante 
omnia  ea  ezempla  conquirenda  sunt,  in  quibus  vocabulum  0\i- 
Toc  boc  eonsilio  usurpari  pro  certo  ezploratum  est.     Qualia  repe- 


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De  Suidae  biographiconim  origine  et  fide.  475 

riuntur  s.  n€p(avJ>poc  . .  ftpöM^cv  uiroGifiKac  . .  iwf\  ß.  oötöc 
dcTi  TTepiavbpoc  . . .  diroGavuiv,  quam  glossam  totam  e  Laertio  con- 
pilatam  esse  M.  Schmidtins  (Didym.  p.  393)  parum  recte  iadicavit; 
immo  sie  res  se  habet,  ut  Suidas  a  yerbis  ipsis  oOtöc  teil .  . .  Laer- 
tiuiu  (I,  97)  descripserii  Ac  pariter  in  gl.  TTiTTaKÖc  altera  par- 
ticola  qaae  a  verbis  toutou  äTr6q>8€TMa  incipit  una  com  poematom 
tabula  (de  qua  vide  siipra  p.  430,  n.  23)  e  Laertio  (I,  74,  79)  ipso 
petita  est.  Cetenun  hanc  notationem  duabus  partibns  contmeri  vel 
inde  elucet  quod  vö^oi  bis  memorantur,  nee  feliciter  Nietzschius 
(Mus.  Rh.  n.  XXIV,  223)  vö^ouc  et  ötrip  vöfiuiv  scripta  diversa 
fuisse  contendit.  Porro  in  glossis  s.  Zifjviüv  . .  'CXednic  et  s.  Zf\- 
viuv  . .  KiTteuc  idem  vocabulum  occnrrit,  eo  nimimm*  loco  quo  ipsa 
Laertii  verba  proferuntor  (I.  toötöv  qpactv  ktX.  ^»  Laert.  IX,  27; 
n.  oÖTOC  fdiQ  ktX.  Laeri  VII,  27);  in  gl.  s.  A^UJV  . .  BuZdvTioc 
(cuius  de  scriptis  vide  quae  ezposuimus  Mus.  Rh.  xl  XXXV^  61  sq.) 
verba  oÖTOC  fjv  cq)6bpa  traxuc  usque  ad  Kaipijj  ktX.  ex  Philo- 
strati  Vit.  Soph.  I,  2  p.  485  desumpta  sunt  Tarn  yero  satis  me- 
morabile  illud  est,  quod  Suidas  cum  hinc  ad  priorem  vel  itemm  ad 
noYum  fontem  transilit  eadem  voce  (ouTOC  ö  A^uiv  . .)  denuo  utitur, 
qua  re  usus  ille  luculenter  firmatur.  Quae  animadversio  etiam  in 
glossam  OiXujv  louöatoc  quadrare  videtur,  ubi  Suidas  Philonis 
operibus  ex  Sophronio  enumeratis  (cf.  Eusterum  ad  Suid.)  ad  fontem 
antea  adhibitum  recurrit  verbis  X^TO^ci  toOtov  . .  KivbuveOcat. 

Deinde  vero  in  v.  *6pac{cTpaT0C  verba  ovItoc  —  Cdjüiou 
Suidas  aliunde  ac  relicua  hausisse  videtur ,  cum  eandem  historiam 
prolixius  narrent  Plutarchus  (Demetr.  p.  907),  Appianus  (de  bell. 
Sjr.  p.  204),  Valerius  Maximus  (V,  c.  7),  alii.  Tum  in  v.  TTp6- 
kXoc  ö  AuKioc  scriptis  recensiüs  sie  pergit  Suidas:  oiÜTÖc  icTi 
TTpÖKXoc  . .  .  quibus  verbis  Proclum  qui  adversns  christianos  scri- 
pserit  acriter  invehitur,  quae  quin  unice  Suidas  adiecerit  nemo  eins 
consuetudinis  gnarus  dubitabit.  Denique  in  v.  0lXri^UlV  comoediis 
enumeratis  quae  verba  secuntur  oötoc  6  OtX/JMUiv  ämipoc  fjv 
teste  Snida  ipso  ex  Aeliani  libro  trepl  Trpovo(ac  derivata  sunt.  In 
his  igitur  glossis  similiter  ac  supra  in  gl.  TTepiavbpoc  et  TTirraKÖc 
anctorum  operibus  conmemoratis  nonnulla  adiecta  cerni- 
mus,  quae  alii  auctori  sive  Suidae  ipsi  deberi  ut  per  se 
ipsum  veri  simillimum  est  sie  hisce  exemplis  in  clara  Ince  conloca- 
bitor,  quae  deinceps  proferam  haec  illa  pauds  verbis  inlustrans: 

8.  Baßpiac  (cf.  de  hac  nominis  forma  0.  Crusium  Leipz.  Stud. 
II,  189,  n.  4)  f|  Bdßpioc  .  .  oötoc  ^-  )i€T^ßaX€V,  in  quibus  vel 
oratio  sat  horrida  alienum  arguit  auctorem. 

8.  9ouKubibTic  . .  OÖTOC  —  'HpobÖTOU,  quac  verba  alio  ex 
fönte  manasse  apertum  est  (cf.  Marcellini  Vit.  Thuc.  54),  non  secus 
atque  quae  infra  secuntur  oÖTOC  ö  OouK.  Marcellino  (1.  L  1)  de- 
bentur.  Itaque  ex  tribus  diversis  particulis  Suidae  de  Thucydide 
narratio  conposita  est 


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476  A.  Daub: 

8.  Ae(vapXoc..dT€X€UTTiC€b'oi)TOC..^  quaeverbaadaliumDi- 
narohum  Westermannus  (BiOTp.  p.  3  2  2)  iure  revocayit,  cl.  Flui  Phoc.  3  3. 

8.  Aimdbric  'A6nvatoc  . .,  oOtoc  xar^Xuce  . . .  Haec  mani- 
festo  diverso  ex  fönte  fluxerunt.  Nee  praetereundum  in  glo&sa  oon- 
tinna  AT)jiidbr)c  Aax.  yerba  toOtov  ekcTTOiyjcev .  .  alionde  fauc  in- 
volasse,  quae  merito  delevit  PluygerBius  (de  Demad.  p.  5  sq.). 

8.  '€p|üiaTÖpac  TrJMVOu  . .  ^iraibeuce  V  outoc  ^€Tä  KcKiXiou, 
ex  Philone  fortasse  deprompta. 

8.  'Id^ßXixoc  . .  OUTOC  Xi'xei  nepl  Zwßapa,  cf.  Phoi  p.  248; 
B.  Aißdvioc  . .  OUTOC  KttUm Tujv xpövuiv  f|v BaciXeiou . .  Ka\ rpiiTO- 
piou  Tou  GeoXÖTOU,  quorum  verborom  vel  indoles  Hesychium  Suidamye 
prodit  auctorem;  s.  TTpoaip^cioc  . .  outoc  —  ^GaujuaZev  alienam 
prae  se  ferunt  personam;  s.  Atxaiapxoc  Oeiblou  . .  oötoc  ^TpaH'C 
Tf)V  TToXiTeiav  CTrapTiaTÜüv,  quae  yerba  una  cum  sequentibus  a  pro- 
prio auctore  profecta  sunt,  qui  legem  illam  a  Lacedaemoniis  condi- 
tam  enarraverit.  Neo  polest  dubitari,  quin  Hesychius  sive  Suidas 
si  huno  librujn  in  eodem  fönte  ac  relicuos  repperissent  in  priorem 
tabulam  rettulissent,  idemque  cadit  in  verba  quae  in  fine  v.  Oaßu)- 
p'ivoc  leguntur:  outoc  —  TVuijLioXoirMcd, 

8.  AtOKXf]C  . .  KUjjiitKÖc  . .  toutov  b4,  q>actv  eüpeiv,  cf.  Ca- 
saubon.  ad  Athen.  V,  c.  4,  Suid.  s.  '0£ußaq>oy. 

8.  "YTiaTia  . .  auTn  biecTrdcGn  . .  cf.  Socrat.  Hist.  Eccl.  Vn,  16, 
et  nunc  St,  Wolfium  *Hypatia . .'  Progr.  Czemow.  1879,  p.  40. 

Tre8  glossas  nunc  proponam,  in  quibus  scripta  quae  yocabulo 
OUTOC  ceteris  adnectuntur  propter  id  ipsum  grayissimam  habent 
dubitationis  causam:  s.  'ApiCT^ac  .  .  ^TP^M^^  ^'  outoc  kqI  KüTa- 
XoTdbnv*  GeoTOviav  de  lm\  fl  (et  Hillerum  1.  L  522),  s.  TTapG^- 
vioc  XToc  . .  ouTöc  firp<ÄV€  xai  Tiepi  |Li€Ta)xopq)U)C€U)v,  quae  yerba 
iam  a  Fabricio  (BibL  Gr.  IH,  309)  in  suspitionem  yocata  Bemhardyus 
uncis  saepsit  utpote  ex  y.  NecTUip  huc  inyecta  (cf.  Meinek.  AnaL 
Alex.  270),  8.  'Idcu)v  MevexpdTOuc  .  .  änö  bk  jütitpöc  'Pöbioc  .  . 
oÖTOC  ?TpaMi€  Kttl  trepl  'Pöbou. 

Quibus  expositis  ulterius  progredi  audeo  nee  dubito  omnes  fere 
notitias  quae  Hbrorum  tabulis  adnectuntur,  quamyis  non  ubique  yo- 
cabulum  ojjtoc  adhibitum  sit,  noyo  yindicare  auctori,  quem  saepius 
ipsum  eruere  possumus.  Sed  iam  omnia  exempla  conponam:  quae 
si  quis  cum  praecedentibus  yerbis  contenderit,  non  tam  indole  et 
condicione  quam  argumento  ipso  a  ceteris  longe  recedere  facUe  per- 
spiciet:  s.  'Hcioboc  . .  ^TeXeücTicc  d'  ^TriHevweeic  . .;  s.  'OTTtriavöc 
KiXiE  .  .  dyaTVU)C0^VTU)v  bk,  tujv  TroiT^dTiüV  .  .;  s.  *'Hpivva  (cf. 
supra  p.  415),  b.  Köp i vvoc , .  ftpoMie  bi  Ka\  töv  Aapbdvou . .  iröXe- 
HOV;  8.  'AXKjLidv..  irpuiToc  b'  €icriT«T€..  —  ceterum  de  iis  testi- 
moniis,  quae  yocabulo  npuiTOC  similibusye  subiunguntur,  infra  seor- 
sum  agetur;  'Avaxp^ujv  (cf.  p.  430);  s.  *Aplu)V  . .  X^T€Tai  xai . . 
€upeTf|C  T€V^c0ai;  s.  'Ißuxoc  .  .  cuXXti<p6€ic  d'  uttö  Xqcraiv,  cuiua 
narratiunculae  yel  tota  indoles  a  prioribus  satis  diyersa  alienam  ar- 


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De  Snidae  biogrsphicomm  origine  et  fide.  477 

gtdt  originem  (cf.  eüam  Welckemm  Mus.  Rh.  I,  401  sq.,  a  qno 
dissennt  Bitschelins,  yid.  0.  Bibbeckium,  'Fr.  W.  Bitschi'  I,  810); 
8.  'lirwÄvaE  ("iTmuc),  e£.  p.409;  s.  CaTrq>ui,  cf.p.428;  s.  CöXwv.. 
Kat  <p^p€Tca  auToO  diröq)6€TMa,  qoae  yerba  ex  Laerüo  (I,  6B)  de* 
libata  esse  Tidentur;  st  totam  glosfiam  ex  frostaliB  Laertittus  eoa- 
flatam  esse  M.  Schmidtii  (Didym.  393)  q>inio  est  pamm  probabüia;  a. 
Crrfcixopoc  .  .  qnid  ö'  adrdv  —  'nxpXuiOfivai,  quam  fabeUam 
aliunde  promanasse  sponte  elnoet;  s.  Alcx^Xoc  . .  outoc  irpiuTOC 
eiipe  . .,  qnae  peealiari  aaetori  deberi  inte  patebit.  Sed  Aesdiyli 
in  tragica  arte  inventa  nbi  eDanavit  Hesyehius  ad  priorem  reTertit 
fontem,  deinde  a  verbis  q>irrdiv  b*  cic  CtKcXiav  tertiiUD  describare 
incepit;  s.  AuKÖq>puiv  . .  lypw\^  Kai  Tf|V  . .  "AXcSdvbpctv,  tö  cko- 
T€tvöv  troiima,  quam  notitiam  Suidas-  e  sua  ipsius  memoria  aub- 
iecisse  yidetnr;  s.  6eob^KTTic  . .  ^tP<xM'^  ^  Kai  T^xviiv  ^opuofjv 
.  .  KaTaXoT<i&nv,  quae  nomrecte  Theodecti  tragico  Suidas  adseripserit 
contra  Meinekium  dubito;  s.  Coq>OKXfic  'Aptcruivoc . .  ^tP^M^^  xai 
iXexeiaCj  quarum  memoria  eerte  non  indidem  ac  tragoediarom  ex 
pinacographicia  fontibua  haustarum  Hesychio  innotnit;  a.  0iXokXi)c 
.  .  AicxuXou  bk  —  db€Xq>tboOc,  quae  verba  ad  librum  rerocanda 
videntar,  qui  Aeachyli  progeniem  tragicae  arid  pariter  deditam  per- 
tractayerit;  a.  TTXdTuiv  KUl^lK6c  . .  ^cn  bi  . .  xopcixriipa;  s.  Au* 
ciTTTTOC  . .  xai  ET€pa  oÖTOö  bpäfiora,  6upcoKÖ|uuK  (cf.  Yolkmannnm 
I,  37);  ß.  'AvaEavbpibiic  . .  xai  irpoiToc  outoc  —  cidirarcv; 
s.  Tl^60€oc  .  .  Kai  Kuvdpiov  Tt^oB^ou  bpo^a,  luc  q»nciv  *A6r)- 
vaioc  ^v  Totc  adroC;  a.  06pjüioc  . .  ^xp^coto  bk  trpOjToc  —  q)oi- 
viKUiV,  quibua  fabula  ex  Athenaeo  petita  adnectitur;  a.  'Avrfira- 
Tpoc  . .  Kai  dir€Tpötr€UC€  . .;  a.  AIktuc  . .  odroc  iypa\\ße  . .  (quae 
verba  fortaaae  ad  alium  acriptorem  referenda  auat;  aed  de  tota 
gloasa  mox  alio  loeo  adcuratius  diaputabimus);  a.  TToc€tbuivioc 
'AX€Havbp€U€  .  .  Kai  oI^al  raura  —  'OXpionoXirou,  qnae  verba 
qtiin  ipae  Hesydiiua  acripaerit  dubitari  nequit;  a.  Auciac  ..  TÜi  bt 
KaOapit»  —  irpöc  ^€tpdKla;  a.  Alcuiiroc,  MtGpibdrou  . .  lypaM'c  xai 
dTKlUMiov,  ubi  verba  Ifpaa^  Trcpl  '£Xeviic  . .  ex  libro  Aeaopi  de  He- 
lena dncta  aunt  (id  quod  iam  Euatertia  perapexit),  oonL  Phot.  Cod. 
GXC  fin.,  cum  quae  inaecuntur  (ly^^a^e  xai)  genendem  redoleant 
fontem;  a.  'Hpuibiic  . .  <p^povTai  S*  auroO  xai  —  TEXeurqi;  a.  At)- 
^11TplOC  . .  0oXT)p€tJC  . .  oStui  b'  f^  cq>ööpa  eönpeinic,  ex  Laertio 
(V,  76)  fortaaae  petita;  a.  AimÖKpiTOC..^pai|i€  bk  xai  diriCTO- 
Xdc,  quarum  fidea  per  se  admodum  aaapecta  alienam  prodit  originem. 

Dehinc  ad  uaum  vocabuli  odroc  latiua  investigandum  praever- 
tamor.  Ac  primum  quidem  aliquot  teatimonia  projteram,  quae 
licet  non  omnia  voce  illa  diatincta  aint  ad  peculiarem  tarnen  aucto- 
rem  redire  alinnde  oonpertum  eat,  Hermippum  dico  Berytium 
(cf.  Wachamuthium  1.  1.  140  aq.): 

8.  *AvTi^axoc  . .  Tivfec  bk  xai  olxdTnv  auröv  dv^irp<)tV<xv  — 
CrnciMßpÖTOu;  a.  *Piav6c  . .  oötoc  b*  fjv  . .  *€paToce^youc;  a.  AT- 

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478  A.  Baub: 

cu)7T0C  . .  ^fiXXov  bi  Ttv^c  9aci  —  jiiövov  (hinc  enim  Hermippum 
descripsisse  videtur  Hesycbins,  Wachsmuthius  antem  yerba  oix^- 
Tiiv  —  T€vv^  illi  vindicat)  —  T^w^;  s.  TTapO^vioc  .  .  outoc 
iX/jq>0ii  —  Tißepiou;  s.  0tX6£€VOC  .  .  oötoc  —  XupiKoO  (quae 
post  libronun  recensum  enarrantur);  8.  'ApiCT09dvnc  ..  Tiv4c  6^ 
aÖTÖv  Ka\  dnöbouXov  \cTopr)Kaciv;  s.  "Icipoc  ..  "epjiiiiriroc  b* 
axnöy  . .  öouXiuv;  s.  Alcxiviic  . .  Tivic  bi  Ka\  —  T€TPot<priKactv; 

8.  ClßÜpTlOC  .  .  oIk^THC,   8c   dppT]T6p€UC€V   oIkCTUPV   TTpUJTOC;    S. 

Oaibujv *HX€ioc..toOtov — iv  'Aerjvaic;  s.  *AX^£avbpoc  6  MiXt^- 
ctoc  . .  8c  TToXuTcTuip  —  outoc  cvviypw^e;  sola  enim  baec  verba 
Hennippi  auctoritate  niti  videntur,  cum  Wacbsmutbius  verba  usque  ad 
i^X€i;8€pdi6ii  illi  adscripserit  Nee  non  totam  fere  glossam  s.  '6Tra- 
qppöbiTOC  (*Apxiou  —  cxrrxp&piiiaTa)  Hermippo  tribaerim,  cum  de 
Epaphroditi  vita  uberrime  ne  minutiis  quidem  spretis  agatur. 

lam  igitur  cum  eae  narrationes,  quae  a  proprio  auctore  sine 
dubio  repetendae  Bunt,  eodem  yocabulo  outoc  sive  etiam  yoeibus 
Ka(  et  bi  Kttf  prioribuB  soleant  adnecti,  hac  ipaa  re  usus  verborum 
illorum  denuo  firmiter  munitur.  Ac  nunc  credere  profecto  licebit 
Suidam  Hesycbiumve  cum  illis  vocibus  iituntur  plurima 
ex  parte  ab  uno  ad  alterum  fontem  defloctere.  Sed  oonligam 
onmia  exempla  quae  aliunde  fluxisse  videntur:  neque  adeo  raro 
aocidit  ut  diversa  eorum  origo  argumentis  ex  aliis  rebus  petitis  pro- 
bari  possit.  Praeterea  scito  me  omnia  id  genus  testimonia  conquisi- 
visse  sen  oiSroc  vocabulo  seu  alio  quod  eidem  usui  inservit  distincta. 
Quae  quidem  si  paulo  intentius  inspexeris  a  praecedentibus  verbis 
toto  babitu  et  indole  satis  diversa  esse  Inbenter  mibi  concedes: 

s.  *AptCTdac  . .  TOÜTou  <pacl  —  elc  Ijü\  p^  quae  post  librorum 
recensum  posita  esse  velim  consideres,  cf.  etiam  Max.  Tjr.  XYI 
(p.  288)  et  XXXVm  (p.  222);  -s.  '6iriM€vibnc  . .  oö  Xötoc  — 
KardcTiKTOV  (cf.  Hesyob.  Mil.  ed.  Orelli  p.  20),  et  outoc  ttncev  . . 
dTToG^TUJv;  s.  EöfioXtroc  . .  oötoc  iirp«V€  —  ßißXiov  a',  quibus 
de  verbis  Bembardjum  (ad  Suid.)  ausculta  disputantem,  omnem  hanc 
nanrationem  ex  carmine  Eumolpio  deflexam  videri,  quod  ad  Musaeum 
a  quibusdam  esse  relatum  Pausanias  (X,  5)  doceat  (ceterum  cf. 
supra  p.  418);  s.  TTiTPHC  . »  8c  —  iXcreTov  . .  iifpovc  xai  —  Ba- 
TpaxojüiuoMaxtav,  ubi  priora  verba  aliunde  petita  esse  vel  inde  eluoet, 
quod  vocula  Kai  ad  primarium  fontem  manifeste  recurritur;  s.  TTto- 
Xe^aioc  Ku0T)ptoc  . .  oötoc  fTpöM'e  —  ^x^uco,  quae  verba  Suidam 
ex  alio  fönte  bausisse  id  ipsum  docet,  quod  non  ad  Ptolemaeom 
epicum  sed  ad  P.  grammaticum  unice  pertinent  (cf.  Pbot.  BibL  p.  150  A; 
Meinet  F.  C.  G.  III,  219);  s.  'AvTiT€v(bnc  . .  oötoc  . .  irp&TOC 
^XP^cüTo;  s.  Aöcoc  . .  rrpiüTOC  b'  oiSroc  —  Xötouc;  s.  Cifiuivi- 

bllC  AeUJTTpeTT.  .  .  KQI  Tf|V  JlVrmOVlKfjV  bk  T^XVIIV  €Up€V  OÖTOC  — 

q)6ÖTT0V;  s.  Cuirdbric  . .  ixpi^caro  bfe  Tij)  etbci  toutui  . .  E^vap* 
Xoc,  quae  nescio  an  ex  Athenaeo  (XIV,  p.  620  e)  deprompta  sint; 
s.  AicxuXoc  . ,  oÖToc  —  xpflcOai;  s.  Coq)OKXf)c  . .  oötoc  irpui- 


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De  Soidae  biograpilicornm  origine  et  fide.  479 

Toc  —  ibiboHe;  s.  'AX^Eavöpoc  AItiüXöc  . .  f(m\i^aj\K6c  ..  o5- 
Toc  KQi  Tpattv^iac  ^Tpaipev  —  f|  TTXeidc,  cmus  notationis  partem 
priorem  ad  Asdepiadem  supra  revocavirnus  (p.  458),  altera  yero 
diversam  originem  prodit;  s.  6€ob^KTTic  . .  oStoc  Ka\  —  lä  Ttpui- 
rem,  qnornm  verbomm  condicio  ad  Hermippum  Gallimachenm 
relegat,  quem  7T€p\  tOüv  'IcoKpäTouc  jüiadiiTaiv  peculiarem  scriptionem 
oonposaisse  constat  (cf.  Athen.  X,  451  e);  inspice  etiam  v.  6e6iro^* 
TTOC  et  praecipue  v.  'IcoKpdriic  'A^ÜKXa  (praeterea  conferas  has 
glossas:  b,  'AvbpOTiiwv,  *AcTubd^ac,  Anfioc0^VT]c,  ''690p oc  (s. 
''€9mTroc),  GeöxpiToc  Xioc,  6pacu|iiaxoc,  *lcaToc,  Kökkoc,  Tirepei- 
bi]C,  OtXtCKOC  MiX.);  B.  ''luivXioc..ouTOC  ?TPCtV€  —  q)iTCi,  qui- 
bus  in  yerbis  conscribiUandis  manifestum  Suidae  mendacium  Bentlei 
(Episi  ad.  MiU.  p.  66)  acmnine  pridem  deprefaensum  est  (c£  Scbol. 
Arist  Pac.  836);  s.  G^ctric  . .  Kai  TipdlTOC  —  dbiboSe;  s.  TTpa- 
Tivac  —  tmbeiKVUjii^vou  bt  toutou  —  *A6iivaioic  (cf.  s.  Alcxu- 
Xoc);  8.  0p\5vixoc  TToXuqpp.  . .  outoc  hk  irpdrroc  —  4t^v€to;  b. 
€ÖTroXic  ..  Kai  dir^Gave  —  iroX^jyiijj.  Kai  ^k  toutou  —  iroir|- 
Trjv;  8.  '€7rixctpM0C  . .  Tivtc  b'  aÖTÖv  —  dv  CtKeXtqi;  s.  Möcxoc 
.  .  OUTOC  —  Troi^T/iv;  s.  'AtttOictc  —  OUTOC  —  cuW}Kfiac€; 
verba  quae  antecedunt  ö  TP^M^ac  —  Bu2[avT((|i  ex  alio  fönte  flaxisse 
planissimum  est;  s.  'ItiiciiTroc,  ubi  verba  priora  usque  ad  ö  yp^M/ac 

—  dv  ßißXiotc  K   Suidae  ipBius  esse  adparet,  deinde  yerba  oiSTOC 

—  i^SiuiOr)  nescio  unde  ducta  sint,  a  verbis  denique  ^Tpctipc  bi  Kai 
Snidas  vel  rectias  Hesycbius  eum  delibare  fontem  incepit,  qui  cete- 
rorum  quoqne  rerum  scriptorum  memoriam  suppeditavit;  s.  Map- 
cuac  TTcptdvbpou  —  oötoc  b*  fjv  rrpÖTepov  tpoMM^^TobibäcKaXoc 

—  ßaaX^uiC,  quae  ab  Asciepiade  probabiliter  repetiisse  nobis  vide- 
mur  (cf.  p.  458);  s.  IcaToc  ..  oÖTOC  dtraivciTai  —  iTpoaTaTi(»v 
(cf-  Plut  Demosth.  p.  848);  b.  Atcxlv^c  . .  oiiTOC  —  ibrijiOCtwOii, 
quae  diverse  auctori  deberi  inde  consectarium  est,  quod  talia  ab 
Aeschine  oratore  plane  abhorrent  (cf.  Westerm.  Btotp.  p.  270);  verba 
dein  extrema  trpiXiToc  bk  irdvTUiv  . .  dvGouctuJV  ex  Philostrati  Vit. 
Soph.  I,  18,  3  parum  venuste  conpilata  sunt;  s.  fopttac  . .  ouTOC 
Trpurroc  -^  dxpi^caTo;  s.  Armdbric  AaKidbiic  . .  toutov  clceTToiiicev 

—  TCxWvTa,  quae  verba  aliunde  huc  pertracta  rectisBime  delevit 
Plujgersius  (de  Demad.  p.  11);  s.  AT)|LidbTic  Arm^ou  . .  outoc  — 
irpdc  auTÖv;  s.  G^wv,  co<picTf|c  Xötuiv  ^riTopiKUJV  . .  fjv  b'  outoc 

—  ireptßaXXö^evoc  (cf.  Phot.  Bibl.  p.  339b);  b.  IcoKpdTiic 
'A^uxXa  .  .  OÖTOC  b*  6  *lc.  —  Xdroi  e'  (cf.  supra);  s.  KdcTwp 
'Pöbioc  ..  TnMttC  b'  OÖTOC  —  bidßaXev  (cf.  Strab.  XU,  p.  568); 
8.  AouKtavöc  . .  f)v  b'  OÖTOC  —  6  iramiiiapoc,  quae  Suidae  ipsius 
esse  liquet;  s.  TToTdjiiUJV  MuTiX.  . .  Kai  ttotc  aÖTOu  —  ttoXcmcTv; 
s.  TTpuiTaTÖpac . .  Kai  dTrcKXrjOii  irpuJTOc  oötoc  coqpiCTfjc  irpuj- 
Toc  b*  OÖTOC  —  'IcoKpdTouc.  bicTX^  T€  TrdvTa  XÖlfOV  irpiÖTOC 
oiJtoc  clc  b'  ,  .;  8.  CiütraTpoc  .  .  Tivtc  bk  Kai  —  qMXciv;  s. 
'AX^Eavbpoc  6  MiX.  ..  oötoc  cuv^tPöV«  —  ßtßXia  e',  quibus 

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480  A.  Daab: 

verbia  Hei^chius  paucis  ex  Hermippo  Berjtio  prolatis  ad  primariam 
fontem  revertitar;  s.  Aaqpibac  . .  fjv  b'  oCtoc  . .  Oeurv.  Kai  ^«MFir 
(quod  ipse  adieci,  cf,  Mns.  Rh.  n.  XXXV,  67)  "AxxaXov  .  •  (cf.  Strab. 
XIV,  p.  647;  Val.  Max.  I,  8,  ext  8);  s.  •AX^£avbpoc  Alf.  . .  ou- 
Toc  —  ir€<pup^^vov,  quae  yerba  in  gl.  N^puuv  iterum  leguntor;  s. 
*A)i^(Jbvtoc  . .  ouTOC  —  die  ipr\c\  TTopq>upioc,  quae  Hesychioa  ex 
Porphjrio  ipso  delibavit,  pariter  atque  ingL'AvbpoKXeibiic  yerba 
OÖTOC  b*  inX  TTop<pupiou  . .  ^bibaacev,  £iT€ibf|  ^lijüv^rai  —  tcxvo- 
XÖTUJV  (cf.  Rohdium  1. 1.  171,  n.  2);  s.  'Avdxapcic.eupc  b*  ou- 
Toc  —  xpöxov  (cf.  Laert  II,  106);  s.  'Avtic9^vt]C  . .  oötoc  oüv 
—  AiOT<vouc;  8.  "AtroXivdpioc  —  oötoc  ou  jüiövov  —  d^qpi- 
b^Eioc,  quibus  emrratis  ad  priorem  defiectit  Hesychius  fontem  Ter- 
bis  usus  outoc  ftpav^  .  .;  s.  *AiroXXdivioc  Tuaveiic  .  .  elc 
TOUTov  £tP<xm^€  OtXöcrpaTOC  —  ßtov,  yerba  Snidae  ipsius  manu 
adposita;  s.  'Apx^xac  . .  oötoc  TTXdTUJva  —  Tupdwou,  quibue- 
cum  Laertiana  Vni,  79  conferas;  dein  yerba  quae  infra  secuntur 
emendayi  Mus.  Rh.  1.  1.  67:  toOtöv  q>aciv  q)av€pujc  TcWcOat; 
8.  *A9piKav6c  .  .  KttTÄ  toutou  ifpai^ev  *Qp\fi)n\c  —  €lc  töv 
AocvifjX  a  Suida  ipso  adiecta;  s.  '6)iTreboKXf)c  . .  oötoc  6  *€.  .  . 
T^TOV€  bh.  TOUTOU,  quae  ex  Laerüo  VIQ,  69,  73  hausta  sunt;  s. 
'HpdxXeiToc  ..  oötoc  öbpuimdcac  . .  tiv^c  b*  aÖTÖv  £qMicav.. 
(cf.  Laert.  IX,  3  sq.);  s.  Geöbiupoc  . .  oötoc  eine  —  q>^pouca 
(c£  Laert  VII,  98);  s.  6€6q>pacTOC  . .  oötoc  npÖTcpov  —  *Api- 
CTOxXfjc  (cf.  Laert  V,  38);  s.  KdXXiirTTOC  . .  iroviipöc  oötoc  krö- 
priTai  —  irpob6TT]C,  quae  Suidae  ipsius  sunt;  s.  KpdTTic  'Aoctlivbou 
.  .  8c  ^SapTupkac  . .  —  oötoc  KaToXiTruiv . .  ex  Laertio  VI,  87.  88 
conpilata,  dein  alius  auctoris  yerba  proferuntur,  tum  yerbis  ÖTt  Kpd- 
TTic €ltr€V  ad  Laertium  (VI,  86)  Suidas  recurrit,  in  fine  denique 
(oötoc  .  .  KOTCirövTUKe)  exseripsit  Philostratum;  s.  TTudatöpac 
.  .  4T€X€UTa  b^  . .  irpöc  toöc  ^'  (cf.  Laert  Vin,  39  sq.);  s.  Öepe- 
Kubiic . .  Cupioc  . .  irpiiiTOV  bfe  cuTTPO<P^v  tt€V6TK€iv  .  .  Tivtc 
iCTopoOciv  —  elcTH'rtcoceat,  quae  Rohdius  (cf.  LI.  171,  n.  1,  et 203,  n.  1)  ^ 
ad  Porphyrium  yerissime  rettulit;  s.  ^liriroKpdTTic . .  oötoc  l^fpw^e 
iroXXd  —  al  ^^v  oöv  irpcKP^Tcai,  quae  yerba  aliunde  certe  fluxeront 
atque  librorum  tabula;  s.  "AxpuiV,  qua  in  glossa  tria  testimonia 
discemere  licet:  l)  ueque  ad  £cTt  bk  kqi  oötoc  . .;  2)  usque  ad  clc 
TOUTOV . .;  3)  cetera  quae  secuntur  ex  Laertio  VIII,  65  descripta  sunt 
Denique  de  peculiari  notationum  Suidianamm  genere  breyiter 
exponere  placet,  quas  ut  certo  auctori  yindicemus  cum  yel  yerborum 
suadeat  aequabilitas  tum  requirit  ipsa  remm  similitudo:  teslamonia 
dioo  quae  de  diyersomm  poeeis  aliarumque  artium  generum  pri- 
mordiis  et  incrementis  hie  ülic  reperiutitnr.  Quorum  iam  supra 
aliquot  exhibui  yocabulo  oötoc  similibusye  adnexa  prioribus  yerbis, 
unde  talia  aliis  fontibus  ac  cetera  deberi  adparuit  Sed  nunc  onmia 
quotquot  eins  generis  apud  Suidam  occurrunt  exempla  sedulo  con- 
ponam:  quorum  cum  iam  Volkmannus  (I,  2  sq.)  quaecunque  ad  tra- 


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De  Suidae  biographicornm  origine  et  fide.  481 

gicae  comicae  Ijrricae  poeeis  historiam  pertinent  reliquias  conlegisset 
easque  Aristoteli  (trepl  ttoititujv)  sive  discipulis  eins  tribuisset  (p.  20  sq.), 
vel  plurima  vocis  OUTOC  vel  similinm  Suidae  usitatamm  ratione  ha- 
bita  singulari  quisquis  fuit  auctori  iure  adsignare  poterimus.    Hunc 
vero  primituB  fuisse  Aristotelem  Yolkmannus,  quamvis  non  ab  omni 
parte  iudidum  eins  conprobem,  non  male  coniectasse  videtur;  qua 
tamen  via  singula  fragmenta  tot  per  saecula  propagata  in  Suidae 
notitiam  perrenerint  delineare   noluit.     Quod  rimari  ne  mihi  qui- 
dem  nunc  in  animo  est;  id  vero  suspicari  licebit,  neo  Suidam  neque 
Hesychium  ipsos  testimonia  illa  ex  peculiari    iT€p\  ciipTifidTUiv 
opere  delibasse,  sed  iam  Dionysio  in  musica  historia  pertexenda  nee 
non  Philoni  Byblio  inter  ceteros  unum  auctorem  praesto  fuisse,  qui 
omnes  de  rebus  inventis  notitias  uno  volumine  conprehenderit.    Hie 
vero  quis  fuerit  dif&cile  enucleatu  est;  id  solum  tenemus,  has  omnes 
haud  volgaris  doctrinae  narrationes  peculiarem  sibi  et  Optimum  yin- 
dicare  auctorem.    Mitto  autem,  ne  huius  libelli  moles  nimis  adcrescat, 
testimonia  ipsa  exscribere.    Age  iam  consideremus  glossas  s.  A(voc, 
'A|Liq)iu}v   ( OUTOC  .  .  eupeiric),    Mapciiac,    "OXu^ttoc,    Ci^uivibTic 
Kpiveuj  (f^poiUie  xard  Tivac  .  .),  liririuvaE  (oötoc  Trpdnroc  .  .), 
Tepiravbpoc  (6c  irpüüTOC  .  .),  'AXKiudv,  *Aplu)V  (post  librorum  re- 
censum),  Aäcoc  (rrpiuTOC  bk  outoc  .  .),  Ca7rq)U),  CTTidxopoc,  "Ißu- 
Koc,  MeXaviTTTTibric  (8c  .  .  irXeTcTa),  OpOvic  (8c  dbÖKei),  Ci^wvibTic 
AewTrp.  (ouTOC  . .),  Ti^öGeoc  (8c  . .),  CißuXXa  *AvTiT€v(bTic  (ouroc 
irpujToc),  G^CTTic  (fiXXoi  bt..),  Opüvixoc  TToXu9p.  (oötoc  bk  irpo»- 
Toc . .),  XoipiXoc  (outoc  KttTd  Tivac . .),  AicxuXoc  (oötoc  . .),  Coq)o- 
KXf]c  (oötoc  . .),  TTpaTlvac,  *ApicTapxoc  (8  c  irpiuTOC  . .),  Neöq)piuv 
(8c  TTpüjToc  . .),  *eTrixap|Lioc  (8c  €Öp€  . .),  OöpjLioc,  Xiiüvibric,  'Api- 
CTO(pävT]C,  'AvaHavbpibric,  AiOKXf]C   (toOtov  be  q)aciv  .  .),  'Gkq- 
TttToc,  "Ittttuc,  Kdbjuioc  üavb.  (8c  rrpuiToc  KaTÖt  Tivac),  OiXicroc 
(8c  irpoiTOC  . .),  fopTiac  (oötoc  rrpoiTOC  . .),  AiiMdbric  'AGtiv.  (oötoc 
KQT^Xuce  . .),  0pacu|uiaxoc  (8c  irpuiToc  . .),  K^q)aXoc,  TTpurraTÖpac 
(irpuiToc  b*  OÖTOC . .),  'ATToXXöbwpoc,  'AvoEi^avbpoc,  *Avdxapcic 
(eöpe  b'  OÖTOC  . .),  ^ApIctittttoc,  'Apx^Xaoc,  GuKXeibric  (8c  kqi  . .), 
GeaiTTiTOc,  Geöbiüpoc,  Hevoqpuiv  fpiiXou  (8c  irpdiToc  .  .),  TTuGa- 
TÖpac,  OepeKubric.    In  bis  narrationibus  non  desunt  quae  ad  singu- 
larem  fontem  redire  argumentis  aliunde  petitis  conpertum  habemus: 
velut  quod  aliquotiens  vocabula  oÖTOC  vel  öc  adhibita  videmus,  hoc 
per  se  ipsum  alienum  arguit  auctorem,  cf.  s.  *A|ui(piu)v,  iTTTTuJvaE, 
T^piravbpoc,  Aäcoc,  MeXavmTribnc,  OpOvic,  Ci|uiu)vibric  A.,  TiMÖGeoc, 
*AvTiY€VibTic,  Opuvixoc,  XoipiXoc,  AlcxöXoc,  CocpoKXfic,  'ApicTapxoc, 
Neöqppiuv,  *e7rixap|Lioc,  Xiujvibnc,  *AvaHavbpibric,  AioxXfjc,  OiXicToc, 
fopTioc,  Armdbiic,  öpacujuaxoc,  K^qpaXoc,  TTpujTaTÖpac,  'Avdxapcic, 
*Apx^Xaoc,  €uKXeibr]C,  E6V091UV.    Porro  ab  uno  ad  alterum  fontem 
fieri  transitum  ipse  Suidas  indicat  in  glossis  s.  Ci|üiu)vibT]C  Kpiv., 
CißuXXa,  6^c7Tic,  XoipiXoc,  AioxXfJc,  Kdb^oc,  Oepcxöbnc;  tum  talia 
etiam  post  librorum  recensunl  vel  in  calce  glossae  addita  sunt,  cf. 

Jahrb.  f.  cUst.  PhUoL  Suppl.  Bd.  XI.  81       ^  j 

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482  A.  Danb: 

8.  'AXxjidv,  'Apiiuv,  Cairqpid,  Cnicixopoc,  ClßuXXo,  0öpfyioc,  *Avagav- 
bpibnc,  AiOKXfjc,  Ari|Li(ibTiC;  atqoe  in  v.  Kdb^oc  et  v.  Eevocpwv  pro- 
pria  verborum  origo  vel  inde  cognoscitur  quod  iUio  scripta  seorBiim, 
non  in  eadem  tabula  ac  cetera  exbibita  sunt;  deniqne  in  y.  ^'Ittituc 
verba  kqi  Trpurroc  non  ad  enndem  anctorem  referenda  esse  hoc 
abnnde  conmonstrat,  quod  opus  al  CtKcXiKai  "npAieic  inscriptum  a 
CtK€XtKiuv  ßißXtotc  €'  librorum  tabulae  insertis  non  diTersum  est 
(cf.  Muellenun  F.  H.  O.  ü,  33;  Scfaaeferum  Qnellenk.  z.  gr.  Gesch. 
p.  14). 

Caput  X. 
Suidas  quid  in  Titis  eontexendis  ipse  praestitisse  Yideatnr. 

Quibus  rebus  expositis  quivis  fere  opinetur  me  iam  explicatias 
esse  enarraturum,  quam  in  singulis  vitis  conscribendis  rationem 
Hesychius  Milesius  ipse  ingressus  sit,  quas  glossas  de  sna  notitia 
conposuerit  —  multas  ab  hoc  ipso  confectas  iam  Schneidems  (CaUim. 
n,  27)  congessit  — ,  quae  aliorum  denique  testimonüs  subiecerii 
Tamen  mitto  nunc  quaestionem,  quae  est  de  tota  operis  Hesjchiani 
conpositione ,  cum  obserrationes  quaslibet  selegisse  satis  habeam, 
quae  ad  Suidae  ipsius  operam  adumbrandam  haud  sane  levis  sint 
momentL 

Itaque  primo  loco  examinemus,  quem  ad  modum  iUe  Hesjchii 
copias,  in  quibus  cum  maxime  quae  ad  poetarum  comicorum 
notitiam  pertinent,  exAthenaei  Meipnosophistis'  suppleverit  loeu- 
pletaveritque.  Harunce  nimirum  glossarum,  in  quibus  omnibns  fere 
Athenaeus  ipse  dtatur,  indoles  ea  est,  ut  praeter  nomen  poetae  nil 
nisi  tituli  aliquot  exhibeantur.  Qua  in  re  nullam  idoneam  causam 
dispicio,  cur  cum  Bemhardjo  (Conment.  de  Suid.  lex^  I,  5;  IT,  9; 
in,  4)  hoc  totum  genus  notationum  posteriore  demum  aetate  in 
Snidam  transmigrasse  credamus:  cuius  quidem  opinio  hoc  nno  nititor 
fundamento,  quod  eas  Eudocia  in  suum  nsum  non  conTcrterit  (yide 
etiam  Yolkmannum  I,  36). 

Suidas  vero  in  comoediarum  titulis  delibandis  haud  rare  ita 
versatus  est^  ut  hos  eodem  ordine  enumeraret  quo  fortuito  Athenaeus 
diversorum  comicorum  frustulas  conmemoravit.  Quae  quidem  exempla 
a  me  conlecta  —  nam  omnia  noluit  enumerare  Yolkmannus  L  L  — 
in  uno  conspectu  ponam.  s.  TiiXeKXetbiic*  'A^q)iKTuov€C  IX,  399a, 
TTpuTdveic  XIV,  639a,  648 e,  Creppoi  656 e;  s.  NiKÖCTpaTOC* 
TTdvbapoc  (?)**),  ^AvtuXXoc  HI,  108  c,  118e,  'lepo^dYnc  m,  110a, 


*•)  Libri  praebent  TTdvbapoc  6c  kqI  (d  Kai)  'AvtvXXoc,  in  quihos  Mei- 
nekins  (F.  C.  G.  I,  348)  iure  delevit  8c  Kai,  sed  idem  pamm  probabi- 
liter  redintegrayit  TTdvbapoc  vel  TTdvbpococ  (Ath.  XllI,  687  d)  xal 
'AvTuXXoc  Sic  igitar  Saidas  solitam  ezcerpendi  ordinem  dereliquisset, 
quod  vix  est  credibile;  sed  non  inepte  opinari  licebit  Athenaeom  in 
Übro  1  sive  11  titolum  TTdvöapoc  conmemorasse. 


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De  Soidae  biographicornm  origine  et  fide.  483 

KXivn  m,  111c,  XI,  499c,  "Aßpa  IV,  135c,  XIV,  664b,  'Hdoboc 
Vn,  301c,  AidßoXoc  XI,  474  b,  *AvT€pd»ca  XI,  487  b,  ^eKdxTi  XI, 
499b, c,  MotTeipoc  XH,  517  a,  XIV,  664a,  TTaTpittirm*»)  XV,  700b, 
TTXoOtoc  vi,  247  e,  Cupoc  XIV,  615  f,  *ATreXauv6jii€V0C  XIV,  664b, 
VeubocTiTMariac  XV,  685  d,  TokictVic  XV,  685  e.  Nicostrati  comoe- 
dias  apttd  Athenaemn  conmemoratas  non  omnes  Saidas  descripsit 
(cf.  Ath.  VI,  230  d;  XV,  700b;  XIII,  587 d);  in  ceteris  vero  deli- 
bandis  —  id  quod  nemodum  animadvertit  —  bis  Athenaemn  per- 
volavit,  primum  scilicet  a  TTdvbapoc  (in  libro  I  vel  11)  usque  ad 
TTaTpidrrai  (XV,  700  b),  dein  a  TTXoOtoc  (VI,  247  e)  usque  ad  Vcu- 
bocTiiTMaTiac  (XV,  686  d);  —  s.  OiX^xaipoc,  ubi  tituli  praeter 
unum  K^<paXoc  omnes  apud  Athenaeum  occurrunt:  'AxiXXeöc  XI, 
474  d  (qui  deest  in  indice  Athenaei  Scbweighaeuseriano,  sed  cf.  eun- 
dem  p.  232,  Meinekium  F.  C.  G.  I,  1160),  KopivGiaciric  XIH,  569  a, 
KüVTiTic  Xni,  570  f;  (cf.  VH,  280  c,  alibi),  <DiXauXoc  XIV,  633  e, 
K^q)aXoc  (in  I  vel  II?),  Tnpeiic  III,  106  f,  X,  430  d,  OlvoTriuiv  IV, 
169  e,  vn,  280  d,  ''AvtuXXoc  HI,  108  c,  118  e,  'ATaXdvrn  X,  416  f, 
Aa}iT[abr{<p6po\  X,  418  c.  Qua  in  tabula  excerpenda  Suidam  ita  ver- 
eatum  esse  existumo,  ut  primum  libros  XI — XIV,  dein  1.  III — IV, 
tum  1.  X  evolveret,  titulum  autem  'AcKXnTriöc  (VII,  342  a,  XI,  487  a) 
neglegenter  omitteret. 

s.  'ejtifivr\c'  *Hpu)ivn  XI,  469c;  MvnMaTiov  XI,  472  f,  BaK- 
XeCa  XI,  498  e  (sie  recte  Meinekius  dedit,  cum  volgo  legatur  BdKxat). 

s.  "Gpi^oc-  AtoXoc  rv,  134  c,  TTcXTacxyic  IV,  137  d,  McXißoia 
vn,  302  e,  XV,  693c.«>) 

8.  Mvnc()Liaxoc-  lTnT0Tpöq)0C  Vn,  301  d,  322 e,  329 d;  IX, 
402  f,  403d,  Boucipic  X,  417e,  OiXnnroc  X,  418b,  421b, c  (et 
iam  antea),  omisit  tamen  Suidas  titulum  AOckoXoc  (Vin,  369  c). 

s.  TijiokXt^c,  cuius  tabulam  expressit  Volkmannus  (I  p.  35  sq.). 
Sed  prave  Suidas  duos  eiusdem  nominis  poetas  distinxit,  id  quod  satis 
explicabitur  si  illum  Athenaeum  bis  perlustrasse  meminerimus  (pri- 
mum nimirum  libros  IV  et  VI,  dein  iterum  1.  VI,  tum  1.  Vni — X  et  Xni 
inspexisse  videtur,  cf.  etiam  Bergkium  Eist.  Graec.  Litt.  I,  294,  n.  54). 

s.  E^vapxoc  BoirraXiwv  (sie  dedi  e  Eeinesii  coniectura)  II, 
63  f,  TTop<p\5pa  VI,  225c,  CKÜOai  IX,  367b,  X,  418  d,  Aibu^oi  X, 
426  b,  XV,  693  b,  TT^VTaGXoc  X,  440 e,  444  e,  XIH,  569  a,  TTpiaTioc 
XI,  473  f,  Tttvoc  Xin,  559  a,  CrpaTwiTnc  XV,  679  e. 

s.  0€Öq)iXoc,  cuius  indicem  Volkmannus  (I  p.  36)  descripsit. 

s.  'Apx^biKOC*  Öticaupöc  VH,  292  e,  294b,  Aia|LiapT(ivu)V 
XI,  467  e. 


••)  Id  quod  cum  Gaisfordio  praeter  omnem  dnbitationem  restituen- 
dum  eBt  pro  conrnpto  iUo  "Qt^c  vel  *Qr\c  (cf.  Ath.  XV,  700  b),  cum  Mei- 
nekius mihi  non  persuaserit  scribendo  OiXdtTic.  —  •")  Legitur  volgo  apud 
Suidam  ific  «piiav  *A8/|vaioc  iv  tiJi  d'  tiIiv  ö.,  sed  libri  tdr  numerum  exhibent. 
Nonne  sie  emend&ndnm  est:  iv  TCb  te',  quo  teetimonio  extremam  solam 
fabnlam  (XV,  693  c),  id  quod  conpluries  nt,  respexisse  ille  censendus  est? 

81* 


484  A.  Danb: 

8.  €ö<ppu)V  Atcxpa  Vn,  307e  (cf.  Meinekium  1.  L  477),  MoO- 
cai  Vin,  343  b,  Cuv^qpnßoi  IX,  377  d,  Geiwpoi  IX,  399b;  titulum 
autem  TTapabibofJi^vii  (in,  100  d)  Soidas  neglexit. 

8.  OoiviKibnc*  4>\3Xapxoc  X,  415 e,  Micoujii^vii  XIY,  662  d. 

8.  AajLiöHevoc-  Cuvrpocpoilll,  lOlf,  *eairrdvTT€veövH,468f. 

8.  Cuüirarpoc'  ^iTHröXin-oc  III,  101a,  <I>ucioXötoc  ibid.,  CiXq>ai 
m,  101b,  KviöCa  m,  109 e,  NexuCa  IV,  160c,  TTuXai  IV,  176 b, 
XIV,  649  a,  'Op^CTnc  VI,  230  e,  Oaicfi  IV,  168  d,  VI,  230  e,  XV, 
702  b  (ceterum  cf.  Mu8.  Rh.  n.  XXXV,  64). 

8.  TeX^CTiic-  'ApTU)  XIV,  616  f,  'AcKXiim6c  XIV,  617b. 

8.  Xaipi^^ujv,  cuius  tabulam  cum  Athenaeo  Wachsmuthius 
(1.  1.  160,  n.  40)  conparayit. 

Praeter  ea  ezempla  in  quibii8  Athenaei  ordinem  8e- 
cutu8  est  ex  eodem  Suid%8  titnlos  petiit  8.  *AptCTU)Vu^oCy 
'HTnMWJV,  AuciTTTTOC  (sed  cf.  Volkmaniram  I,  37),  €övikoc,  ^CTiiXu- 
Koc,  €u0UKXflc  (tujv  bpa^diiwv  adroO  dcriv  "Acuiroi  i^  *€mcToX4  ubi 
duas  fabulas  distinguere  malim),  0(XiinTOC,  'EmKpdTiic,  Aiöbwpoc,^^) 
Cxpdxiwv,  Bdiiüv,  'eiriviKOC,  Gcötvtitoc,^)  AcSiKpdnic,  eudiprcXoc, 
NauciKpdrnc,  Ccbqppwv.  Denique  tabolis  aliunde  desmnptis  ex 
Athenaeo  hos  titalos  Suidas  adnexnit:  s.  AioxXf^c,  NiKOxdpric,  NiKO- 
<pÄv  (cf.  Wachsmuthium  1.  1.  148,  n.  36),  Cavvupiuiv  (ibid.  162), 
Cii)q>iXoc,  Ti^ö9€0C  (de  cuius  müyersa  tabula  perperam  iudicarit 
Volkmannus  I,  37). 

lam  Tero  si  anquirimus,  quae  fides  his  omnibus  ex  Athenaeo 
conpilatis  titulis  habenda  sit,  hanc  optimam  esse  Ubere  fatendum  est. 
Etenün  omnia  congessi  exempla  in  quibus  aliquod  bpä^a  ab  illo  citatur : 
unde  adparuit  et  duplicis  comoediae  inscriptionis  et  sicubi  iudiciam 
de  auctohtate  aliouius  ambiguum  erat  singulorum  auctonun  habitam 
esse  rationem.  Quae  quidem  res  egregiam  indicant  originem.  Sed 
ipsum  Athenaeum  ausculta  loquentem  VIII,  336  e:  ifd)  yäp  irXeiova 
Tfic  \xicr\c  KaXou|i^VT]C  KWjiiujbiac  dvaTVOuc  bpd^axa  twv  w'^) 
Kol  Toiirwv  dxXoTdc  7roir)cd)Li€Voc  oö  TrepUruxov  iifi  'AciüTobiba- 
CKdXuj  'AX^Eiboc,  dXX'  oub'  dvatpacpf^c  diiuiO^VTi  cuvoibo.  o&re 
Tdp  6  KaXXifiaxoc  oöie  *ApiCToq)dvQC  aörö  dv^TPö^av,  dXX*  oöbfe 


•^)  Ubi  legitar  yolgo  ky  hk  t«J»  ip^  q»T)clv  ('AOfivaioc),  ön  xal  *€ir(- 
kXtipoc  kqI  TTavTiTupicrai,  qui  numeros  perinde  non  quadrat  atqoe  iUe 
quem  reetitaenint  S'.  Qaare  nescio  an  reponi  praestet  ^  .  .  ti|i  |3',  quo 
in  libro  utrnmqne  titulum  laadatum  fnisse  suspicor.  —  '*)  Titulum  Kdv- 
Tuupoc  qui  saepius  nsu  yenit  addidisse  yidetur  Suidas;  desideratnr  carte 
apnd  Athenaeum.  —  *')  Hie  numerus  fidem  ezcedit.  Nam  Anonymus  de 
comoed.  p.  XXX  (Mein.  1.  1.  1,  637)  fabularum  mediae  comoediae  nu- 
merum  x\t  (617)  fuisse  prodit,  quem  Meinekiua  (p.  271)  cum  Athenaei 
yerbis  sie  conciliare  stnduit,  ut  wit  (817)  conrigeret.  Sed  numemm 
illum  temptare  non  ausim,  cum  reputo  mecum  illud  \u  maiori  numero 
'lotnnde'  significando  aiiquotiens  inseryire,  yelut  s.  'ApCcrapxoc  (X^c- 
rat  hi  TpdMfui  imip  \u  ßißXia),  et  s.  KoXXCfiUXoc  (rd  t^TPCifAfA^u  ßißXia 
imip  rä  \u). 


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De  Soidae  biographicorum  origine  et  fide.  485 

o\  TQC  £v  TTepT(iM(p  dvairpaqpdc  iroiticdfievoi.  Itaque  tres  auctores 
eosque  gravisBimos  consuluit  Athenaeus,  Callimachi  Aristophanis 
Pergamenorum  grammaticomm  TrivaKac  Ac  multa  praeterea  exem- 
pla  luculenter  evincunt  Callimaclii  dramatum  insoriptiones  ab  illo 
esse  inspectas  (cf.  XI,  496  f).  Pariterque  indices  scriptorum  dXieu- 
TiKWV  (I,  13b),  rei  cnlinariae  (XII,  516  c),  beinviav  dvaxpaqpwv 
(I,  5  a),  carminum  cinaedioornm  (XIV,  620. e)  —  quos  praeter  rei 
culinariae  scriptores  Suidas  descripsit  s.  KiKiXioc^  s.  Ti/iaxibac,  s. 
CoüTdbric  —  alionun  ex  limpidis  fontibus  mvaKOYpdqpujv  fluxisse 
YolkmannuB  (II,  717  sq.)  subtiliter  exposoit. 

His  igitur  in  rebus  Suidas  provindam  suam  band  male  administra- 
vit.  Sed  in  multis  aliis  qnam  turpiter  saepe  peccaverit  nemini  pro- 
fecto  ignotom,  atque  uberius  hie  enarrare  longum  est  quam  multas 
notationes  sua  ipsius  culpa  yel  perturbayerit  vel  conglutinaverit  vel 
dissecuerii 


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Indices. 


I.    Disputationis  Summarium. 

Prooemii  loco  qnaeationifl  historia  breyiter  enarrator  .  .  .  403  »q. 
Caput  I.    Disputatur  de  Hesychio  Mileno  einaqne  Onomato- 

logi  epitoma  nmco  fere  Suidae  fönte 404—410. 

Cap.  U.    De   Dionysio  HalicamassenBi  primaiio  Heajchii  in 

yitiB  poetamm  et  mnsicomm  anctore 410—413. 

Cap.  III.    De  epicorum  canninnm  tabnlis  e   blbliothecanun 

catalogis  petitis 413 — 418. 

Cap.  IV.    De  lyricorum  carminnm  tabnlis  a  Dionjmo  e  CaUi- 

machi  potusimnm  catalogia  Hesjchio  rappeditatis     .   .   .  418 — 430. 

Cap.  Y.    De  Philonis  Bjblii  anctoiitate 431 — 457. 

Cap.  VL    De   AsclepiacUs   Myrleani  in  yitis  grammaticomm 

anctoiitate  adiectis  quaestinncnUs  de  oratomm  et  histori- 

comm  librorom  tabnlis 457—468. 

'Cap.  Vn.    De  fontibns  ex  qnibna  Hesychins  in  vitis  eomm 

scriptoTum  qni  poat  Hadriani  aetafcem  flomemnt  haoBerit 

qnaestiones  selectae 468—470. 

Cap.  YÜI.  De  Demetrio  Magnete  ircpi  ö^urv0flulv  acriptore  .  470 — 474. 
Cap.  IX.    De  oOroc  yocabnü  similinmqae  apnd  Snidam  nan 

et  consilio 474—482. 

Cap.  X.    Snidas  qnid  in  vitis   contexendis  ipse  praestitisse 

videatnr 488—486. 


n.    Index  glossanim  tractatanmi. 


'ÄTttOiac  479. 
*A6piav6c  468. 
AlcxCvnc  478.  479. 
AtcxOXoc  477.  478. 
A!cuiiroc  477.  478. 
'Axdiaoc  469. 
'AxoudXaoc  rhet.  433. 
'AKpuiv  480. 
'AX^Eovöpoc  Alrctioc  433. 
436.  480. 

—  AItwX6c  457-.  479. 

—  MiXfjaoc    457.    478. 
479. 

'AXKMdv  430.  472.  476. 


'Afifiilrvtoc  gramm.  467. 
—  phiios.  480. 
'Avaicp^uiv  430. 
'AvoSonföpC&Tic  477. 
'Avdxapac  480. 
'AvT^puK  432.  433.  436. 
'AvTiT€v£ftric  478. 
'Avt(|üuxxoc  418.  477. 
'AvriiraTpoc  477. 
'AvTiqjdvi^c  411  not.  11. 
'Aniuiv  432.  435.  470. 
'AiToXivdpioc  469.  480. 
*AiroXXöbu)poc     gramm. 
457. 


*AiroAXöbu)po€  trag.  412. 
'AiroAXUrvtoc      AOacoXoc 

439. 
—  TucEvcöc     433.     434. 

435.  480. 
'Apicrapxoc  gramm.  457. 
'Apicr^ac  417.  418.  476. 

478. 
'Apicrcibiic  468. 
'ApiCTOTcixuiv  468. 
'ApicroT^c  439  n.  39. 
'ApiCTOKXv^c  433.  434. 
'AptcröScvoc  452. 
'ApiCTOT^TJC  451. 


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A.  Danb;  Indices. 


487 


*ApiCT(KpdvTic   com.  413 
n.  12  b.  478. 

—  gramm.  410.  457. 
•Apicnfrvuiioc  410. 
*Apiu)V  430  n.  23.   450. 

476. 
*Appiav5c  ep.  416. 

—  pbiL  451.  470. 
'Apx^biKOC  483. 
*Apxißi0C  433.  434.  435 

et  n.  54. 
*ApxiT^v?ic  434. 
'Apxtixac  480. 
*AcKXr)indbric   451.   456. 

457  et  n.  47. 
•Acitdcioc  468. 
'Acn)5d^ac  d  v^oc  472. 
*Aq>piKavöc  480. 
'Axaiöc  473. 

Baßpiac  475. 

roprCac  479. 
ru|iivdcioc  469. 

Aai^dcTTic  467. 
AafAÖH€voc  484. 
Aa^6(ptXo€409n.8.  437. 
Aatpihac  458.  480. 
Aetvapxoc  468. 473. 475. 
^r\\xdbr]c  476.  479. 
A?m/|Tpioc  MSiiwv  468. 

—  <t>aXr|p€Oc  477. 
Afm^KpiTOC  444.  477. 
AimocSdviic  473  sq. 
AiQTÖpac  450. 
Aibufüioc  XaXK^VT€poc458. 

—  MouciKÖc  433. 
AiKoiapxoc     AaK€&at^ö- 

vioc  458. 

—  CiKcXiiIfTiic  476. 
Aiicnic  477. 
AiOT€V€iavöc    434.   435. 

439  n.  33. 
AtoT^nc  trag.  412. 

—  pbü.  474. 
Aiö5uipoc  com.  408  n.  7. 

472.  480  et  n.  61. 

—  bist.  431. 

—  pbü.  434. 
AtOKXfjc  476.  484. 
Aiovucid&i)c  461. 
AiovOctoc    'AXcHavbp€Oc 

433. 

—  'AXiKapvacceiüc  431. 
iun.  434.  435. 

—  ep^E  458, 


AtovOaoc  MiXfiaoc  467. 

—  TTepiUpiTfic  432. 

—  TÖpawoc  phil.  472. 
AiocKOpi&nc  431.  442. 
Aiuiv  XpucöcTO^oc  433. 

435. 
ApdKUJvgrainm.439ii.35. 

Elpnvctloc  (ndKaTOc)468. 
'EicaTOtfoc  *Aß5r)p(TT)c458. 
'€XiKu(n/ioc  sopb.  469. 
*€^1T€5oKXf)c    phil.   407. 
480. 

—  trag.  407. 
*€iTa(ppö&tTOC   433.  434. 

436.  478. 
*€inT^c  com.  483. 
'SniKoupoc  444. 
*6TriKTiTroc  443. 
*6it(Xukoc  408. 
'en^cviönc  418.  478. 
*€ir(viK0C  408. 
'Eirixap^oc  447.470n.56. 

479. 
*€pac(crpaTOC  448.  475. 
*€paT0c6dvnc    448.   457. 

460. 
"Cpicpoc  483  et  n.  60. 
'EpiüUXTÖpoc  rbet.431.434. 

435.  476. 
"Cp^iTTiToc  Bripi^Tioc  437. 
eHboloc  427  sq. 
CÖMoXiroc  414.  418.  478. 
€öiroXic  418.  479. 
€öptir(5nc(ve(iiT€poc)  472 

et  n.  58. 
Eöc^ßtoc  407.  469. 
€<kpop(u)vep.  414  et  n.  13. 

458. 
€ö<ppu)v  487. 
"E^iinroc  409. 
"Ecpopoc  409.448.467.479. 

—  6  veUiTcpoc  472. 

Znvößioc  434. 
ZnvöboToc  'AX€Eav6pei3c 
458.  460. 

—  *6q>^aoc  467. 
Z/|VU)v  '€X€dTiic  476. 

—  KiTicOc  pbü.  476. 

'HpaicXeCbnc  gramm.  432. 
434.  435. 

—  pbil.  474. 
*HpdKX€iT0C  480. 
"Hpiwa  416.  472. 
'Hpybbr)c  468.  477. 


'Hpuibttxvöc    410   n.  10. 

436  sq. 
'Hdoboc  414.  443.  448. 

476. 
'Hcöxioc  404  sq. 

eaXflc  450. 
6d^upic  418. 
de^icnoc  469. 
GcÖTV^TOc  484  et  n.  62. 
G^otvtc  lyr.423sqq.  449. 

—  trag.  473. 
6€ob^icTiic  trag.  453. 479. 

—  rbet.  468.  477. 
Gcöbuupoc  fabapcüc  432. 

—  pbil.  480. 
GcÖKptTOC  büc.  426  n.  20. 
G€Öq>iXoc  488. 
G€Ö(ppacT0C  445.461. 480. 
G^cmc  412    et  n.   12  a. 

479. 
Gduuv  *AX€£avbp€Oc  431. 

—  Cibiimoc  469. 

—  co<piCT/|c  479. 
GouKubibTic  476. 
Gpacöfiaxoc  456  n.  46. 

MdMßXixoc  pbil.  469. 

—  sopb,  476. 
Mdcujv  pbil.  476. 
'IßuKOC  430.  476. 
Mbcttoc  418. 
'iM^pioc  469. 
'iTnroKpdTTic  (I)  489  n.  38. 

480. 
*linroKpdT€ic    440.    448. 

472. 
"Ittituc  409.  467.  482. 
*linnIrvaE  409. 
'köloc  473.  479. 
'IC0KpdTT)C  479. 
"ICTpoc  436.  478. 
'Iiwv  479. 
'lii;ciTrroc  479. 

Kdbiüioc  482. 
KoXXCac  413. 
KaXXi^axoc  457  sq.  460 

sqq. 
KapitlvDC  428  n.  22  a.  472. 
Kdcrujp  409.  479. 
KcKiXioc  482.  434. 
K€(paX(u)v  434. 
Kii<ptc6bujpoc  413. 
KXeößouXoc  406. 
KX€0(pa»v  412. 
Köpiwa  430.  472. 


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488 


A.  Daab: 


Köpiwoc  418.  476. 
KopvoOTOC  433.  485. 
KpdTTic  com.  413. 

—  gramm.  457. 

—  phil.  474.  480. 
Kxndac  467. 

Adcoc  478. 
Acqti^nc  417. 
AcOkuiv  413. 
Aiiuv  BuZdvTioc  475. 
Atßdvioc  469. 
Aivoc  472. 
AoXXiavöc  434. 
AouKiovöc  479. 
AüifKCvic  458. 
AüKoOpYOC  468. 
AuKÖqppuJv  412.  477. 
Audac  468.  477. 
AOaimoc  477. 

MdpK€XXoc  462. 
MapcOac  458.  472. 
McXaviinriftiic  472. 
tAiXr\TOC  409. 
M^iccoc  409. 
M^vavbpoc  com.  472. 
MccofAf)&iic  434. 
Mi^vcp^oc  427. 
MvT|d|üiaxoc  483. 
Möcxoc  458.  479. 
MoucGt!oc*€X€udvtoc  418. 

—  '6(p^cioc  406.  416  sq. 
Moucüdvioc  438.  485. 

Nixavbpoc  414  sq.  458. 
NiKdvwp  434.   435.   489 
/       s.  84.  468. 
NiKÖXaoc  AaiiacKiivöc 
432. 

—  rhet  406.  407. 
NiKÖ^axoc  trag.  412. 462. 
NiKÖcrparoc  com.  408  Bq. 

409  n.  8.  482  et  n. 
58.  59. 

—  rhet.  468.  469. 
NiK0(p(I»v  413.  461.  484. 
NiKOxdpnc  413.  484. 
Nou^if)Vioc  439. 

HdvOoc  467. 
E^vapxoc  488. 
Ecvocpuiv  461.  482. 

"Omtipgc  417.  446.  447 
•OvdciMOC  469. 
'Oirmavöc  476. 


*Op<p€0c  ep^S  416. 

—  KiKOVcrtoc  407.  418. 

—  KpoTUividTT]C  418.450 
et  n.  50. 

—  'OöpOoic  411  n.  11. 
418. 

Oöncrtvoc  489. 
OöXmavöc  469. 

TTdKaxoc  (€lpnvd!oc)  489 

n.  36. 
TTaXa((paToc  Altiiirrioc 

468. 
HoXXdbtoc  469. 
TTaM(p(XTi  410  n.  10. 
TTd|yiq>iXoc  gramm.  439. 
TTavOactc  415. 
TTdmroc  410  n.  9. 
TTapO^vioc  ep.  476. 

—  lyr.  427.  451.  478. 
TTaOXoc  AlifOimoc  469. 

—  TOpioc  484.  435. 
TTcicavbpoc     Ka^etpottoc 

446. 

—  AapovbeOc  406. 
TTcpiovbpoc  406. 480  n.25. 

475. 
TTCTPnc  478. 
TTiv5apoc  422  sq.  448. 
TTirraKÖc  406.  430  n.  23. 

475. 
TTXdTUiv  com.  418.  477. 
TTXoÜTapxoc    hüt.    488. 

435. 
TToX^liUfv  hist.  459  et  n. 

49.  467. 

—  rhet  467. 

—  rhet.  (v€i(>T€poc)  406. 
TToXOaivoc  482. 489  n.  32. 
TToXußioc  449. 
TTocciötinroc  447. 
TTocciftiiivioc'AXe^avdpcOc 

477. 
TToTdfiuiv     'AXۣav6p۟C 
432. 

—  MuTiXnvoaoc  482. 484 
sq.  489  n.  32.  479. 

TTpaxivac  479. 
TTpoaip^cioc  469.  476. 
TTpÖKXoc  407  sq.  475. 
TTpu)TaT6pac    441.    452. 

479. 
TTToX€|yiatoc  *AX€Sav5pc0c 

(sie  1.  c.  conrigas)  434. 

485. 

—  *AcKaXuJv(Tric  448. 

—  '€me^Tiic  457. 


TTtoXc^oAoc  Ku6i^pioc478. 

—  TTivftapCuiv  457. 
TTuSaTÖpac  480. 
TTu)X(uiv  'AXcHavbpe!tc 

434. 

Piavöc  443.  458.  477. 
PivOuiv  452. 
'P0O90C  484  sq.  440 11.40. 
462. 

CoXoOcTioc  med.  482. 
CawupCuJv  413.  484. 
CaiKpU)  428  et  n.  21. 
C^€UK0c  *6^iciivöc4088q. 

409  n.  8. 
Cftiüioc  468. 
CißuXXm  417  sq.  444. 
CtßOpTioc  478. 
CtfAfitac  409. 
Ct|biujv{5nc  'Ajbioptlvoc 

406.  419.  442. 

—  Kdoc  427.  478. 
CxoncXiavöc  433.  435. 
CöXuiv  406.  477. 
CocpoKXfic  477.  478. 
CirCvOapoc  412. 
CrncCxopoc  480. 449.  477. 
CTpdßwv  432.  442. 
Crpdrnc  com.  413. 
Cupiav6c  407  sq. 
CtlmaTpoc  com.  479. 

—  soph.  484. 
Cujpav6c(I)434.439n.87. 

440  n.  41. 
Cuidßtoc  458. 
CuidOeoc  461. 
Cujo^dvric  408. 
Cuirdbric  478. 
Cumipibac  410  n.  10. 489. 

TcX^crnc  484. 
T^piravbpoc  448. 
TTiXcicXcibric  482. 
T/|X€<poc  437. 
Ttjüiair^c  431.  434. 
Tiiüiildecoc  412. 
Ti|yi6e€0c  lyr.  428  sq.  et 
D.  22  a. 

—  com.  477.  484. 
Tt|üiOKXf)c  488. 
TljLAOKpdUJV  408. 
TCfbiujv  454. 

Tp0(pujv458  et  n.  48. 460. 
Tupawiuiv  *A|üiia)vöc458. 

—  <t>o(vi£   481.    484  sq. 
461.  472. 

TupTcßoc  430. 


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Indices. 


489 


TiraTia  476. 
Tirepdftnc  *06. 

<t>aßuiptvo€  461.  476. 
<t>a(buiv  478. 
<t>€p€ic06iic  *A0r)vcAoc473. 
—  COpioc  480. 
OiX^raipoc  461.  483. 
0a/))Liuiv  408.  476. 
OiXmidÖTic  408. 
0iXicKoc  com.  413. 
0iXiCTiu)v  457. 


OiXoKXffc  412.  461.  477. 
0iX6£€voc  \jT.  428.  478. 
4hX6xopoc  407. 
<t>iXOXXioc  413. 
<t>{Xujv    BOßXioc    438   et 

n.  28. 
—  'loubotloc  462.  475. 
<t>iXun^i6ilc  413. 
<t>X^TUfv  431.  436  n.  25. 
0oiviic{&iic  484. 
<t>6p|üioc  413. 
0pOvixoc  trag.  412.  479. 


0pOvtxoc  com.  418. 
<l>OXapxoc  467. 

Xaipifi^ujv  473.  484. 
Xdpu)v  Aa^Miaicnvöc  446. 

467. 
Xiuivi&nc  413.  461. 
XoipiXoc  ep.  415  iq. 
XpucdvOioc  469. 

mi^v  457. 
'Qpiufv  468. 
*Öpoc  460. 


in.    Index  scriptorum  et  rerom. 

Alexandrini  grammatici,  yide  s.  Gallimachus. 

Asclepiadis  Myrleani  irepl  TP^^m^TiKuiv  opus  457  sqq. 

Athenaei  Deipnos.  VI,  252c  tractatnr  419;  VIII,  336 e  item  484  sq. 

—  in  fabulis  citandis  aactoritas  484  sq. 

Gallias  de  Sapphone  et  Alcaeo  egit  428  n.  21. 

Callimachi  cmae  pinacographicae  420  n.  15  sq.   Gallimachi  invaKCC  libro- 

mm  tabnlas  xard  croix^ov  ordinatas  condidere  411  sq.  414  sq.  460. 

463  sq.  467  sq.,  iidemqne  lyricamm   inprimis  notationam   ieoenmt 

fondamentam  419.    Callimachns  in  catidogis  istis  de  vita  qnoqne 

scriptorum  pauca  adnotasse  videtur  419  sq. 

—  operom  tabola  460  sqq.,  ex  Asclepiadis  o^ere  ircpl  TpaMM<XTiKCtiv  petita 

465,  singnli  ütali  qua  ratione  adomati  faerint  462  sq.,   opera  ipsa 

enarrata  465  sq. 
Chamaeleon  ircpi  Cair<poOc  428  n.  21. 
Comoediae  qnae  nnncnpatnr  mediae  fabolae  qnot  foisse  yideankur  484  n.  63. 

Damopkili  qitXößißXoc  437. 

Demetrins  Magnes  ircpl  öfüiujvO^urv  scripsit  470  sqq.    Volkmanni  de  huios 

anctoritate  opinio  redargnitor  471  sq. 
Didymns  qni  dicitnr  mnsicos  viz  est  anctor  notationam  apnd  Hesychinm 

lyricarom  419  et  n.  14  b. 
Dionysii  Halic.  rhetoris  de  Gadmi  Aristeaeqne  scriptis  indicinm  417. 
Dionysius  Iv  toIc  xpoviKolc?  472  n.  58. 
Dionysii  Halic.   innioris  mnsica  historia  ab  Hesychio   adhibita  410  sqq. 

Qiios  fontes  Dionysius  adierit  411  sq.,  is  de  grammaticis  yiz  egit  410  n.  10. 
Dionysins  Phaselita  411  n.  11. 

Ephori  aetas  429  n.  22  a. 
Epigenis  stadia  Orphica  416. 
Endociae  Violarii  fontes  424  et  n.  17. 
Endocia  s.  6^otvic  425,  s.  *6iTixap^oc  425  n.  18. 
TTcpl  ebpvwidrwv  notationes  480  sq. 
Etym.  Magn.  s.  'And^eia  436  et  n.  27. 

Hadriani  aeyi  biographi  435  sq. 

Heliconii  XPOviicf|  ^mrofi/i  468  sq. 

Heraclidis  Pontici  in  Thespidis  tragoediis  frans  412  n.  12  a. 

Hermippi  Berytii  anctoritas  428.  434.  436  sqq.  et  n.  25—27.  477  sq. 

Hermippns  Philonis  Byblii  assecla  436  n.  27.  438  n.  29. 

Hermippns  Berytins  et  Gallimacheus  inter  semet  düthigaendi  436  n..26. 

Hermippi  Gallimachei  stadia  463  n.  51. 


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490  A.  Danb:  Indices. 

Herodianus  et  Philo  BybliuB  440  n.  42. 

Hesychii  Mileiii  OnomatologaB  404  sq.,  eins  epitoma  ab  alio  confecta 
408  sq. 

Pfendo-Hesychiaaus  libellus  414  n.  2. 

Laert.Diog.yin, 8,1  p.419Bq.  NietsschiideLaertüfontibiuiiidiciiiin  470 eq. 
Lobonis  Argivi  enspecta  fides  430  n.  28. 
Lndani  'ßUuv  irpdac'  436. 
LynmachQs  OcoöiOpetoc  420. 

Ordo  alphabeticns  non  serratos  niri  in  scriptis  einsdem  generia  recen- 

Bendis  414. 
Onbasii  schol.  m  687  Daremb.  tractatur  437. 

Pergamenomm  hominmn  docta  sodetas  417. 

Peripatetici  nom  Pindaro  operam  navarint  422  sq. 

Phüipp  imperium  lirox^tc  vicibuB  fongitor  428  n.  22  a. 

Phi^^is  Bjblii  auctoritag  431  sqq.,  qua  ratione  is  singiilos  acriptores 
disposuerit  436,  eins  aetas  437  n.  28,  opera  438  et  n.  30—31,  libri 
irepi  icr/|C€UJC  k.  t.  X.  438  sq.,  in  medicoram  vitis  Hesycliio  adhibiti 
439  sq.,  opns  ircpl  iröXcurv  k.  t.  X.  440  sqq.,  cnios  fragmenta  in  Stephani 
Byz.  Ethnicis  extant  441  —  454,  praeterea  in  Suidae  biographicis 
466  sq.  Philo  nom  ircpl  iaTpiDv  seorsnm  egerit  438  n.  30,  ßohdii  de 
Philone  Hesjchioqne  opinio  adnmbrata  440  n.  43,  qaem  ad  modam 
Bcriptores  apud  Stephanom  Bya.  conmemorati  ordinaü  fnine  yide- 
antor  464  sq.,  de  Philonia  fontibos  466  n.  46  c. 

Photii  de  Pamphila  testimonium  411  n.  10. 

PindaroB  Tide  s.  Peripatetiei. 

Prod.  in  Pannen.  Cons.  5  p.  420. 

Rofds  Dionysii  mosicae  historiae  confecit  epitomen  411.  418. 

Sorani  duo  439  et  n.  37. 

Stephanas  Byzantias  nnde  pendeat  440,  de  Nieaü  disputatione  Stephaniana 
fertnr  indieium  441  n.  44.  Steph.  Bya.  s.  MiXnroc  429  sq.  n.  22  b, 
dein  nonnollae  aliae  einadem  glosaae  tractantnr  464 — 466. 

Apnd  Snidam  qua  ratione  6fMi»vu^ol  scriptores  diepositi  sint  407  n.  6. 
Nonnullarum  yocum  usus  Snidianus  in  fontibus  eruendia  nonnnn- 
quam  respiciendua  (xal  aöröc  vel  xal  oOroc  simil.  406  sq.  408.  471  sq., 
Kai  TaOra  461  sq.,  ^^irapdOcroc  408  sq.,  imK&  423,  aive  ^mxuic  425 
n.  18,  aeu  bf  fi^pip  453,  xal  —  Kai  426  n.  19,  |ivTi|jioveu€iv  412,  vOv 
466  n.  46,  5c,  5ciTep,  5cnc  433  et  n.  24,  oOtoc  nee  non  xal,  bi  woi 
fontem  indicant  474  sqq.,  tipdrrctv  sim.  413  n.  12  b).  Glosaae  ali- 
quot Suidae  culpa  conmsae  409  sq.  Glossae  ab  ipso  Suida  ex 
Athenaeo  excerptae  enumerantur  482  sqq. 

Tabulae  übrorum  alphabeticae  e  bibliothecarum  catalogia  petitae  411  a^ . 
464.  467.  485^  eaeque  tragoediarum  412,  comoediarum  412  aq.,  epi- 
corum  carminum  414  aqq.  (tabula  Nicandri  414  sq.,  Enphorionis  414), 
in  his  quae  suspectae  videntur  418,  lyricorum  418  sqq.,  in  quibua  ex 
argumento  dispoaitae  421  sqq.  (tabula  Pindari  422  b<}.  Theognidea 
423  sqq.),  ad  litterarum  ordinem  recensitae  427  sq.,  aUus  disponendi 
rationis  exempla  428  sq.  466,  historicorum  oratorumque  librorum 
indices  467  sq.,  tabulae  a  Philone  Byblio  repetendae  439 sq.,  ab  ipsia 
auctoribua  conpositae  460. 

Theophraati  operam  tabnla  Laerüana  463  n.  61.  464. 

Theognidia  carminum  conlectionia  aetaa  426. 

Theonis  (Pappique)  aetaa  410  n.  9. 

Timothei  lyrici  aetaa  428  n.  22  a. 


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DAS  VERHÄLTNIS  S 


DER 


GRIECfflSCHEN  VASENBILDER 


zu  DEM 


ÖEDICHTEN  DES  EPISCHEN  KYKLOS 


VON 


BL  LUCKENBACH. 


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Folgende  Arbeit  ging  aus  einer  Preiaanfgabe  der  philoBophisehen 
Facolt&t  der  EaiBer-WilhelmB-Uniyergit&t  zu  Strassbnrg  hervor.  Später 
habe  ich  dieselbe  nach  Rücksprache  mit  meinem  hochverehrten  Lehrer, 
Herrn  Professor  Dr.  Adolf  Michaelis,  einer  theil weisen  üeberarbeitong 
nnterzogen;  und  kann  ich  nicht  unterlassen,  demselben  fSr  die  stete  An- 
reguig  und  Unterstützung  meinen  aufrichtigen  Dank  anszusprechen.  — 
Die  fragmentarische  Form,  in  der  die  Arbeit  erscheint,  liegt  theils  in 
der  Natnr  der  Aufgabe,  theils  hat  sie  ihren  6nmd  in  dem  Bestreben« 
kurz  zu  sein  nnd  die  Wiederholung  von  bereits  anderweitig  Gesagtem 
zu  vermeiden. 


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Seitdem  mit  dem  An&nge  tuiBeres  Jahrhunderts  und  besonders 
seit  den  grossen  Yolcenter  Funden  das  Studium  der  bemalten  grie- 
chischen Vasen  einen  neuen  Aufschwung  nahm,  tauchte  mit  der 
Deutung  der  Gemälde  und  ihrer  Erklärung  nach  poetischen  Quellen 
die  Frage  auf;  ob  dieselben  uns  nicht  hie  und  da  Handhaben  zur 
Ergänzung  vieler  lückenhafter  liierarischer  Quellen  bieten  könnten. 
Besonders  waren  es  die  Oedichte  des  epischen  EjkloSi  für  welche 
man  in  den  Yasenbildem  einen  Ersatz  zu  finden  glaubte;  und  in 
nicht  geringem  Masse  hat  Welcker  in  seinem  Buche  über  den  epi- 
schen Ejklos  und  anderweitig  mit  Hülfe  der  Yasenbilder  die  verloren 
gegangenen  Epen  zu  reconstruiren  versucht.  Andere  Gelehrte  sind 
ihm  gefolgt,  und  bis  auf  den  heutigen  Tag  werden  ähnliche  Ver- 
suche vielfach  angestellt;  nicht  immer  mit  Glück.  Denn  die  Vor- 
arbeit^ auf  die  eine  solche  Benutzung  sich  gründen  sollte,  d.  h.  eine 
Untersuchung  über  das  Verhältniss  der  Vasenbilder  zu  den  Gedichten 
des  epischen  Ejklos  ist  bisher  im  Zusammenhange  noch  nicht  unter- 
nonunen  worden.  Und  doch  kann  ein  Schluss  von  Bildern  aufs  Epos 
erst  dann  gemacht  werden,  wenn  dieses  Verhältniss  ins  klare  Licht 
gestellt  ist.  Daher  kommt  es  denn,  dass  Welcker  und  andere  zwar 
oft  das  Richtige  erkennend,  aber  auch  vielfach  irrend  in  der  Be- 
nutzung dieser  bildlichen  Quellen  nur  theil weise  begründete  Ansichten 
vorbrachten.  Der  angedeutete  Mangel  hat  die  folgende  Untersuchung 
hervorgerufen.  Es  soll  in  methodischer  Weise  imtersucht  werden, 
wie  weit  sich  eine  Abhängigkeit  vom  Epos  für  die  Vasenbilder  er- 
weisen lässt,  wie  weit  anderweitige  Quellen  anzunehmen  sind,  wie 
weit  endlich  selbständige  Erfindung  oder  Willkür  der  Maler  mit- 
gewirkt haben  mag.  Von  den  Gedichten  des  epischen  Ejklos  sind 
uns  etwas  genauer  nur  diejenigen  bekannt,  welche  den  troischen 
Sagenkreis  behandelten,  also  ausser  den  beiden  homerischen  Ge- 
dichten die  Eyprien,  die  Aithiopis,  die  kleine  Ilias  mit  der  Iliupersis 
des  Lesches,  die  Iliupersis  des  Arktinos,  die  Nosten  und  endlich  die 
Telegonie.  Aber  nicht  aUe  diese  Gedichte  werden  gleichen  Raum 
zu  beanspruchen  haben.  Vor  der  Ilias  und  den  Eyprien  werden  die 
übrigen  Epen  mehr  oder  weniger  zurücktreten;  die  Nosten  und  die 
Telegonie  werden  vollends  gar  keine  Berücksichtigung  finden,  da 
auf  diese  beiden  Epen  kein  einziges  Vasenbild  mit  Sicherheit  zurück- 
geführt werden  kann. 


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494  H.  Lnckenbacb: 

Fttr  eioe  solche  Untersachung  wie  die  vorliegende  kann  es  aber 
nur  eine  richtige  Methode  geben.  Aus  denjenigen  Yasenbildem,  zu 
denen  uns  die  Quellen  noch  vorliegen,  müssen  die  Grundsätze  f&r 
das  YerÜEihren  der  Maler  eruirt  werden.  Die  Gedichte  des  Homer, 
die  Dias  und  Odyssee,  und  ihre  Benutzung  seitens  der  Yasenmaler 
müssen  uns  also  den  Massstab  an  die  Hand  geben,  nach  dem  die 
Vasenbilder  mit  Scenen  der  übrigen  Epen  zu  beurtheilen  sind,  und 
nach  den  dort  erkannten  GrundsStzen  wird  man  mit  Sicherheit  auch 
diese,  soweit  es  aus  den  Yasenbildem  möglich  ist,  ergSnzen  können. 

Zwei  Gesichtspunkte  sind  es  nun,  die  sich  oftmals  kreuzen 
werden.  Wir  fragen  erstens,  welches  die  Quellen  der  Yasenmaler 
waren  und  zweitens,  wie  weit  sich  dieselben  an  diese  ihre  Quellen 
banden,  wie  weit  sie  ihrer  eigenen  Schaffenslust  freien  Lauf  gestatteten. 

Es  wird  dabei  zweckmässig  sein,  die  Perioden  der  Yasenmalerei 
zu  sondern  und  für  jede  die  gleichen  Fragen  zu  stellen.  Drei  Pe- 
rioden aber  können  für  unseren  Zweck  nur  in  Betracht  kommen, 
die  archaische,  die  rothfigurige  attische  und  die  unteritalische  oder 
malerische.  Die  Bildwerke  dieser  wenn  auch  noch  so  verschiedenen 
Epochen  werden  im  Wesentlichen  das  gleiche  Resultat  ergeben. 
Bei  einem  üeberblick  nttmlich  über  die  gesammten  Bildwerke  ergibt 
sich  als  Beantwortung  der  Frage  nach  der  Art  der  Abhängigkeit 
der  Yasenbilder,  dass  nicht  allein  Malerei  und  Poesie  sich  oft  in 
ihrem  innersten  Wesen  unterscheiden,  sondern  auch  dass  die  Malerei 
sich  viel  freier  zu  den  Epen  stellt,  als  bisher  gewöhnlich  angenommen 
wurde,  dass  die  Poesie  dem  Künstler  nur  den  Stoff  bietet,  den  jener 
bisweilen  in  engem  Anschluss  an  die  Poesie,  meist  aber  vollständig 
frei  zu  seiner  Darstellung  benutzte.  Es  lag  meistens  gar  nicht  in 
seiner  Absicht,  die  Poesie  möglichst  getreu  wiederzugeben;  er  wollte 
keine  Illustrationen  zu  den  Klassikern  liefern,  und  ganz  fem  lag 
ihm  darum  auch  jedes  darauf  gerichtete  Studium.  Was  in  seinem 
Geiste  lebte  und  webte,  was  er  den  Rhapsoden  hatte  vortragen 
hören y  was  er  im  Theater  erblickt  hatte,  das  zeichnete  er  hin,  im 
Stoffe  sich  an  die  Poesie  anlehnend,  sonst  aber  nach  seinem  Belieben 
die  Scene  ausstattend.  Er  wählte  den  Moment  und  wählte  die  Art 
der  Darstellung,  hier  auslassend,  dort  hinzufügend,  wie  es  eben  die 
Malerei  verlangen  mochte.  Daneben  steht  der  andere  Gesichtspunkt, 
welches  denn  die  Quellen  des  Yasenmalers  waren,  und  darauf  ergibt 
sich  die  kurze  Antwort,  dass  in  Bezug  auf  den  troischen  Sagenkreis 
Epos  und  Tragödie  allein  auf  die  Bildwerke  der  Vasen  von  Einfluss 
gewesen  sind:  das  Epos  für  alle  drei  Perioden,  die  Tragödie  erst  seit 
dem  Beginne  der  rothfigurigen  Technik.  Die  Lyrik  und  die  ale:aai- 
drinische  Poesie  sind  ohne  Einfluss  auf  die  Mythengestaltung,  soweit 
sie  in  den  Yasenbildem  vorliegt,  geblieben ;  Lokalsagen  treten  nirgends 
hervor.  Zur  Begründung  und  näheren  Fixirung  der  aufgestellten 
Behauptungen  ist  eine  Rundschau  wenigstens  über  die  wichtigsten 
der  in  Frage  stehenden  DenkmiQer  unerlässlich. 


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Verb.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  6ed.  d.  ep.  EykloB.  495 

I.    Yasenbilder,  deren  epische  Qnellen  erhalten  sind. 

A.    8  1.    Archaische  Vasen. 

Von  fundamentaler  Bedeutung  für  die  Frage,  wie  weit  die 
Yasenmaler  sich  dem  Epos  angeschlossen  haben,  sind  die 

Leichenspiele  des  Patroklos 
auf  der  Fran^oisvase.  ^) 

Wir  schicken  den  Inhalt  derselben  nach  der  Ilias  yorans  und 
werden  dann  den  Vergleich  zwischen  der  Vase  ond  Homer  ziehen. 

Zu  Ehren  des  Patroklos  veranstaltet  Achilleus  ein  Wagenrennen 
(W  258).  Von  den  Schiffen  Ittsst  er  die  Preise  holen,  die  in  den 
verschiedensten  Gegenst&nden  bestehen  (259  ff.):  vriurv  b*  JKcpep' 
&€6Xa  X^ßrjTdc  t€  Tpinobäc  T€  |  timouc  6'  fmiövouc  t6  ßowv  t* 
Tq>6ijiAa  Kdprjva  |  i^b^  T^vaiKac  tijl^byovc  iroXiöv  T€  dbripov.  Fünf 
Preise  setzt  er  aus;  worin  jeder  bestand,  wird  in  den  folgenden 
Versen  erw&hnt  (262  —  270).  Fünf  Achfter  betheiligen  sich  am 
Kampfe.  Diomedes  erringt  den  ersten  Preis;  ihm  folgen  Antilochus, 
Menelaos,  Meriones  und  endlich  Eumelos  (499  ff.).  Nicht  in  wenigen 
Worten  wird  das  Bennen  geschildert,  sondern  ausftlhrlich  beschrieben. 
Wie  Meriones  stürzt,  Antilochos  den  Menelaos  in  jugendlichem  üeber- 
muthe  zu  überholen  weiss,  wie  der  zürnende  Menelaos  sich  mit  ihm 
aussöhnt,  das  wird  alles  lebendig  und  mit  reichen,  individuellen 
Zügen,  die  sich  leicht  einprägen,  vor  Augen  geführt. 

Gänzlich  abweichend  ist  die  Darstellung  auf  der  Vase.  Vor  . 
dem  Pfeiler,  der  im  Wettlaufe  um&hren  werden  musste,  sprengt 
Hippo[med?]on*)  als  letzter  der  fünf  Helden,  die  sich  am  Wett- 
kampfe betheiligen,  auf  dem  Viergespanne  einher  neben  einem  Kessel 
vorbei,  der  als  Siegespreis  am  Boden  steht.  Ihm  voraus  Damasippus; 
auch  unter  seinen  Bossen  ein  Siegespreis,  ein  Dreifuss.  Beide  hat 
Diomedes  überholt;  diesem  voran  Automedon,  dessen  Wagen  und 
Rosse  jetzt  gänzlich  zerstört  sind.  Ebenso  sind  von  des  Odjssens 
Wagen  nur  die  Pferdeköpfe  erhalten.  Ob  unter  den  Gespannen  der 
drei  vordersten  Helden  Preise  gemalt  waren,  lässt  sich  wegen  der 
Zerstörung  der  Vase  zwar  nicht  mehr  erkennen,  darf  indessen  an- 
genommen werden.  Achilleus  empfängt  den  Sieger,  einen  Stab  in 
der  Linken  haltend;  hinter  ihm  steht  ein  Dreifuss. 

Wie  in  der  Ilias  sind  es  auch  hier  fünf  Wettfahrer;  Dreifüsse 

und  Kessel  werden  auch  dort  als  Preise  angegeben  QV  259.  264. 

267);  ebenso  finden  wir  den  Diomedes  im  Epos  wie  im  Vasenbilde. 

Dagegen  zeigt  sich  in  den  übrigen  Namen  die  grösste  Abweichung. 

Automedon  und  Odjsseus,   beide  sonst  aus  dem  Epos  rühmlichst 

^  Zuletzt  ausführlich  besprochen  von  Weizsäcker  Rhein.  Mus.  1877, 
p.  32—67;  1878.  p.  364—399.  Abgebildet  tncn.  IV,  54—58.  Arch.  Zeit. 
18ßO,  Taf.  23.  24.  Conze,  Vorlegebl.  II,  1—6.  —  ■)  So  ergänzt  Heyde- 
maim,  Mittheil,  aus  ital.  Antikens.  p.  84. 


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496  H.  Lackenbftcli: 

bekannt,  nehmen  hier  theil;  Damasippos  und  Hippomedon  sind  dem 
Epos  ganz  fremde  Namen.  Woher  diese  Abweichungen?  folgte  der 
Künstler  hier  einer  anderen  Quelle  oder  hat  er  aus  reiner  Willkür 
die  Sache  absichtlich  entstellt?  Eeins  von  beiden  trifft  zu.  Einzig 
und  allein  ist  die  Verschiedenheit  durch  die  mangelhafte  Erinnerung 
an  die  Einzelheiten  der  Ilias  hervorgerufen.  Dass  Achilleus  Leichen- 
spiele veranstaltete,  wusste  der  Künstler  sehr  wohl ;  die  Namen  der 
einzelnen  Personen,  die  am  Wettrennen  theilnahmen,  waren  ihm 
nicht  erinnerlich.  Er  wählte  also  beliebig  aus  unter  den  Helden  der 
Ilias.  Möglich,  dass  Diomedes  im  Anschluss  an  die  Poesie  hier 
seinen  Platz  gefunden,  obwohl  er  ja  derselben  zufolge  an  der  Spitze 
fahren  müsste.  Ihm  gesellte  der  Maler  den  Odjsseus  zu,  der  so  oft 
in  Kunst  und  Poesie  mit  ihm  zusammengestellt  wird,  und  den  Auto- 
medon,  der  als  Wagenlenker  des  Achilleus  bekannt  war.  Die  Namen 
Damasippos  und  Hippomedon  nahm  er  aus  der  reichen  Fülle  der 
Namen  y  die  sich  darboten.  Recht  gut  hat  er  gefühlt,  dass  sie 
eigentlich  nicht  in  die  Darstellung  passen;  als  vierten  und  fünften 
lässt  er  sie  den  homerischen  Helden  folgen.  Ihre  mit  Tttttoc  zu- 
sammengesetzten Namen  waren  besonders  passend  für  die  Bosse- 
lenker. Es  ist  eine  zu  bekannte  Thatsache,  dass  die  Maler  gern 
nach  einer  charakteristischen  Function  ihre  Personen  benennen,  als 
dass  hier  weitlftuftig  darauf  zurückzukonmien  nöthig  wäre.^)  Dass 
aber  grade  in  mythischen  Scenen  mit  besonderer  Vorliebe  mit  Tthtoc 
zusammengesetzte  Namen  ^  gewählt  werden,  ist  noch  nicht  gebührend 
hervorgehoben.  So  unterstützt  im  Kampf  um  Patroklos'  Leiche  der 
Troer  Hippasos  den  Aineias  (Overb.  XVIII,  3  attisch).  In  der 
korinthischen  Vase  atmäl.  1862  tav.  B  hat  Hippokles  den  Aineias 
in  den  Kampf  begleitet  (vgl.  unten  p.  537).  Auf  der  gleichfalls 
korinthischen  Vase  man,  X,  4,  5  heisst  ein  Stallknecht  des  Amphia- 
raos  Hippotion^),  und  in  einer  anderen  Darstellung  desselben  Ge- 
fässes  ist  unter  den  Helden,  welche  sich  an  den  Leichenspielen  des 
Pelias  betheiligen,  auch  Hippasos,  dem  freilich  Bobert,  amial.  1874 
p.  96  heroische  Bedeutung  als  dem  Vater  des  Argonauten  Aktor 
beilegen  mochte,  wie  ich  nach  obigen  Analogien  glaube  mit  unrecht. 
Denn  abgesehen  davon,  dass  dieser  Hippasos  doch  wenig  bekannt 
sein  möchte,  ist  es  auffällig,  dass  er  grade  als  der  letzte  fährt  Der 
Künstler  hat  nämlich  diese  geschaffenen  Helden  in  den  Hintergrund 
gestellt  d.  h.  sie  dann  angewandt,  wenn  ihm  die  bekannteren  Namen 

*)  Vgl.  Jahn,  Münchener  Vasen  p.  CXVII  ff.  Heydemann,  com- 
mentat.  in  hon.  Mimmseni  p.  164.  —  *)  Wie  beliebt  derartige  Namen 
waren,  zeigt  Aristophanea  in  den  Wolken  v.  68  f.  (Pheidippides).  Nach 
Fick,  griech.  Personennamen  p.  VIII  gibt  es  nicht  weniger  als  122 
Namen,  die  auf  -unroc  auslauten;  in  40  Namen  bildet  Yinr-  den  ersten 
Bestandtheil  der  Zusammensetzung  p.  179.  Dazu  kommen  noch  mehrere 
Kosenamen  p.  116  f.  —  ^  Beiläufig  bemerkt  halte  ich  auch  den  Hali- 
medea  nicht  für  eine  in  der  Sage  beg^ründete  Person;  schon  die  Zu- 
sammensetzung des  Namens  lägst  dies  vermuthen. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  2.  d.  G^d.  d«  ep.  EykloB.  497 

ausgegangen  waren.  In  einer  dritten  korinthischen  Yase  {mon, 
1855  t(w.  20.  Conze,  Vorlegebl.  ÜI,  1)  befindet  sieh  neben  dem 
Wagen  des  Hektor  ein  Hippomachos,  wie  ich  mit  Jahn^)  feet  flber- 
zeugt  bin,  nicht  der  Ilias  M  189  erwfthnte  Troer,  sondern  vielmehr 
ein  Tom  Maler  geschaffener  Held.  Ohne  heroische  Bedeutung  bleibt 
auch  Echippos  auf  der  chalkidischen  Vase  Orerb.  xXfTT,  1,  den 
schon  Overbeck  p.  581, 84  einen  Vertreter  der  troischen  Menge  nennt. 
Charakteristisch  ist  es  wieder,  dass  Echippos  hinter  Glaukos,  Paris, 
Aineias  und  Leodokos  als  letzter  den  Kampf  abschliesst.  In  korin- 
thischen, chalkidischen  und  lüteren  attischen  Vasen  finden  wir  diese 
besondere  Namengebung  der  Maler. 

In  allen  Personen  auf  unserer  Vase  sind  demnach  Abweichungen 
vom  Epos,  und  jeder  etwaige  Btlckschluss  wSre  verkehrt.  Freilich 
wenn  der  Vasenmaler  keine  Namen  beigeschrieben  hfttte,  dann  wfirde 
wohl  nie  ein  Zweifel  die  Seele  des  Interpreten  beschlichen  haben, 
ob  denn  auch  wirklich  die  fünf  Helden  grade  die  der  Ilias  seien,  und 
ob  der  Maler  auch  ganz  genau  Bescheid  gewusst  hStte.  Auf  diesem 
Principe  beruht  auch  heute  noch  die  Vorliebe,  mit  der  man  Figuren 
der  Vasenbilder  zu  benennen  pflegt  Bei  so  manchen  Personen,  für 
die  man  Namen  aus  den  Epen  gewählt  hat,  sind  dieselben  nicht 
mehr  berechtigt,  als  wenn  wir  in  unserem  Bilde  trote  der  Inschriften 
die  homerischen  Helden  in  den  WagenkiAem  sehen  würden.  Ge- 
wiss wflrde  dem  Maler  wenig  darauf  angekommen  sein,  etwa  statt 
des  Automedon  den  Aias  oder  irgend  einen  andern  Helden  hinzu- 
malen; aber  grade  weil  er  kein  Gewicht  auf  die  Namen  der  einzelnen 
legte,  zum  grossen  Theil  deshalb,  weil  er  die  homerischen  Namen 
nicht  im  Gedächtnisse  hatte,  dfirfen  wir  nicht  immer  mit  Namen  so 
freigebig  sein.  Eine  ganz  andere  Frage  ist  es,  ob  wir  nicht  vielleicht 
an  sich  passend  und  in  üebereinstimmung  mit  Homer  diesem  oder 
jenem  Manne  einen  Namen  geben  können,  und  ob  der  Maler  auch 
selbst  diesen  hat  darstellen  wollen.  Hier  bei  diesem  Wettrennen 
kam  wenig  darauf  an,  wer  denn  eigentlich  sich  betheiligte,  und  des- 
halb verfuhr  der  Maler  wie  es  ihm  gut  schien,  wie  es  ihm  der 
Augenblick  eingab. 

Bei  diesen  Abweichungen  wird  es  fraglich,  ob  die  Ueber- 
einstimmungen  nicht  auch  nur  auf  dem  Zufall  beruhen,  —  und  das 
ist  ganz  gewiss  der  FaU.  Von  Diomedes  war  schon  oben  die  Bede. 
Uebereinstimmend  ist  femer  die  Zahl  der  Wagenlenker:  allein  wenn 
der  Efinstler  sich  nicht  um  die  Namen  kümmerte  oder  dieselben 
nicht  kannte,  dann  war  die  Zahl  ihm  erst  recht  gleichgültig.  Hätte 
es  ihm  der  Raum  gestattet,  er  würde  wohl  auch  6  oder  7  Gespanne 
gemalt  haben.  Wenn  endlich  Kessel  und  Dreifüsse  als  Siegespreise 
aufgestellt  sind,  so  ist  auch  hier  keine  oder  nur  eine  ganz  allgemeine 


*)  A.  0.  p.  CXIX,  871.    Namen  auf  -moxoc  gleichfalls  sehr  beliebt 
Jahn  p.  GXIX  f.,  871.  880.  881. 

Jahrb.  f.  cU«.  Phüol.  SuppL  Bd.  XI.  Digitizl^byGoOglC 


498  H.  Lackenbach: 

homerische  Erinnerung  anzunehmen;  der  Künstler  malte  Kessel  und 
DreifUsse  und  zwar  unter  den  Pferden,  weil  ihm  diese  Gegenstftnde, 
die  übrigens  yon  Homer  so  hftufig  genannt  werden,  passend  schienen 
und  er  sie  aus  eigenen  Erlebnissen  als  Siegespreise  kannte.^) 

Durch  diese  Vase  werden  wir  zur  ftnssersten  Vorsicht  bei  der 
Ergänzung  der  Epen  aus  den  Vasenbildem  gemahnt:  nur  die  nackte 
Thatsache  würden  wir  erschliessen  können,  dass  Achilleus  einmal 
Spiele  veranstaltet  hat 

Eine  letzte  Betrachtung  erheischen  die  Viergespanne.  Bei  Homer 
findet  das  Wettfahren  auf  Zweigespannen  statt  (V  B62.  40S),  wie 
denn  überhaupt  das  Viergespann  nicht  im  Gebrauche  ist  Selbst 
Eos  erscheint  in  der  Odyssee  mit  2  Bossen  (i|i  246).  Nur  ein  Vers 
bildet  eine  Ausnahme  (6  185),  der  deshalb  von  Aristarch  ftbr  un- 
echt erklftrt  wurde.  Unbekannt  freilich  sind  dem  Homer  die  Vier- 
gespanne nicht;  wie  A  699  und  v  81  bestätigen,  waren  dieselb^i 
schon  sehr  frühe  bei  Kampf-  und  Leichenspielen  üblich.*)  Wenn 
aber  trotzdem  dass  die  homerischen  Krieger  sich  immer  des  Zwei- 
gespannes bedienen,  die  Vasenmaler  abweichen,  so  liegt  hierin  wieder 
der  Einfluss  der  Zeit.  In  Olympia  begann,  wie  wir  aus  Pausanias 
wissen  (V,  8,  7.  10),  Ol,  26  das  Wagenrennen  mit  vier  Pferden; 
dagegen  erst  OL  93  mit  zwei  Pferden.  Von  Korinth,  dem  Haupt 
der  älteren  Vasenmalerei,  liegen,  so  yiel  ich  weiss,  ähnliche  üeber- 
lieferungen  nicht  vor ;  aber  voraussetzen  dürfen  wir,  dass  die  isthmi- 
schen Spiele  wesentlich  eine  Nachahmung  der  olympischen  waren, 
und  dass  hier  wie  dort  das  Viergespann  in  der  tüteren  Zeit  üblich 
war.  Bestätigt  wird  dies  durch  Pindar,  der  den  Herodot  wegen 
seines  Sieges  mit  dem  Viergespann  in  den  isthmischen  Spielen  ver- 
herrlicht (I.  1,  12).  Wie  sehr  die  Vasenmalerei  dadurch  beeinflusst 
wurde,  zeigt  die  einfache  Thatsache,  dass  im  Kataloge  der  Peters- 
burger  Sammlung  61  Vasen  Viergespanne  aufweisen,  während  diesen 
nur  die  geringe  Zahl  von  8  Zweigespannen  gegenübersteht  Dazu 
bezieht  sich  keins  dieser  8  Vasenbilder  auf  mythische  Gegenstände. 
Nur  wo  die  Zweizahl  der  Bosse  charakteristisch  ist,  wird  dieselbe 
beibehalten,  wie  bei  den  Bossen  des  Bhesos  Overb.  XVII,  5.^ 

Ohne  Bedenken  haben  wir  als  Quelle  des  Vasenbildes  die  Ilias 
angesehen.  Andere  haben  an  den  Einfluss  jüngerer  Poesie  gedacht 
Overbeck  (p.  XIH  Anm.  4)  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  der 
Bilderreich thum  der  Fran9oi8vase  lyrische  Grundlage  habe,  und 
Bergk^)  lässt  es  unentschieden,  ob  wir  die  Abweichungen  der  freien 


>)  Vgl.  z.  B.  Pindar  I.  1,  16  ff.: 

hf  T*  d^eXotci  e(T0v  irX€(cTUJV  äydjvütv 

Kai  Tpiirööecciv  ^KÖc^^cav  6ö|biov 

Kai  X€ßi^T€cciv  9idXaid  tc  xP^oO. 
—  »)  Vgl.  Bucbhola  hom.  Realien  I,  2,  p.  176  ff.  —  •)  Overb.  —  Over- 
beck, Bildwerke  zum  Thebischen  und  Troischen  Heldenkreis.  —  *)  Griech. 
Litg.  p.  486. 


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Yerh.  d.  gr.  Yasenbilder  c.  d.  Ged.  d.  ep.  Kykloa.  499 

Erfindiisg  des  Zeichners  oder  der  Einwirkmig  jüngerer  Poesie,  welche 
die  Homerische  Erzählung  umgestaltet  hfttte,  zuschreiben  sollen. 
Allein  ist  es  denkbar,  dass  andere  Poesie  die  Darstellung  des  Homer 
ohne  jeglichen  Grund  in  dieser  Weise  umgeändert  haben  sollte? 
Hat  es  auch  nur  einen  Schein  von  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  dass 
ein  anderer  Dichter  solche  blasse  Schemen  wie  den  Damasippos  und 
Hippomedon  mitfahren  Hess?  Die  Annahme  einer  anderen  Quelle 
gründet  sich  eben  auf  die  Voraussetzung,  dass  der  Maler  sich  enge 
an  eine  poetische  Quelle  anschloss.  Von  diesem  Grundsätze  aber 
ausgehend  würden  wir  für  die  meisten  Bildwerke  eine  uns  unbe- 
kannte Quelle  constatiren  müssen.  Grade  bei  Personen,  deren 
Function  nicht  charakteristisch  ist,  treten  oftmals  dergleichen  Ab- 
weichungen ein.  In  einer  gleichfalls  sehr  alten  Vase  (Gerhard,  etr. 
u.  kamp.  Yas.  Taf.  13)  holen  ausser  Menelaos  Odysseus  und  Mene- 
stheus  den  Achilleus  aus  der  Heimath  ab.  In  einem  anderen  Bilde 
(Overb.  XVIII,  3)  kämpfen  ausser  Aias  und  Hektor  auch  Diomedes 
und  Hippasos  um  den  todten  Patroklos.  Eigenthümlich  wäre  es, 
wenn  in  diesen  wie  in  so  manchen  anderen  Bildern  grade  jüngere 
Quellen,  nicht  aber  Homer  und  Stasinos  zu  Grunde  liegen  sollten. 
Allein  es  ist  unstatthaft,  an  eine  andere  Quelle  zu  denken;  nur  muss 
man  das  Wort  Quelle  richtig  auffEissen.  Woher  der  Maler  die  Sage 
kannte,  können  wir  gar  nicht  wissen;  im  Volksmunde  lebten  die 
homerischen  Erzählungen  fort;  yod  Jugend  auf  war  jeder  in  diesen 
Sagen  wohl  bewandert  Ob  der  Maler  den  Homer  einmal  selbst  ge- 
lesen^ darf  billig  bezweifelt  werden;  ob  er  einen  Bhapsoden  die  Er- 
zählung hatte  vortragen  hören,  ob  er  dadurch  zur  Darstellung  an- 
geregt wurde,  oder  ob  nur  die  allgemeine  Eenntniss  der  Sage,  die 
er  von  Jugend  auf  hatte,  ihn  zur  Darstellung  bewog,  ist  schwer  zu 
sagen  und  im  Grunde  auch  gleichgültig.  Aber  die  Sage,  die  im 
Volke  lebte,  wurde  genährt  und  gestärkt  durch  die  schriftlichen 
Aufzeichnungen.  Wenn  die  Argonautensage  so  wenig  von  den  älteren 
Vasenmalem  beachtet  worden  ist,  so  haben  wir  den  Grund  im 
Fehlen  einer  schriftlichen  Tradition  zu  suchen.  Es  gab  eben  keine 
poetische  Leistung,  die  die  Thaten  der  Argonauten  besang  und  die 
im  Volke  Wurzel  geschlagen  hätte,  und  jüngere  Dichter,  etwa  die 
Lyriker,  haben  es  nicht  verstanden,  das  Volk  in  gleicher  Weise  wie 
die  Epiker  zu  fesseln,  unbedenklich  also  werden  wir  als  Quelle  des 
Vasenbildes  den  Homer  ansehen  dürfen. 

Von  nicht  geringerer  Bedeutung  für  das  Verhältniss  der  archai- 
schen Vasen  zum  Epos  sind  die  Darstellungen,  welche  uns  die 

Schleifung  des  Hektor 

vorführen.  Bei  ihnen  müssen  wir  zum  Theil  deswegen  länger  ver- 
weilen, um  eine  verfehlte  Auffassung  Overbecks  zurückzuweisen  und 
auf  die  frühere  Deutung  znrückzugreifen. 

Auch  hier  stellen  wir  die  homerische  Schilderung  voran.  Hektor 


82* 

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500  H.  Lnckenbach: 

ist  den  Waffien  seines  Gegners  erlegen.  Dieser  nimmt  ihm  die 
Rüstung  (X  368);  durchbohrt  an  den  Fftssen  die  Stelle  zwischen 
En5chel  nnd  Ferse  nnd  bindet  den  Hektor  an  den  WagenseaseL  Er 
besteigt  daranf  den  Wagen^  schwingt  die  Gteissel,  nnd  rasch  fliegen 
die  Bosse  ron  der  Stadt  zn  den  Schiffen  hin.  Eine  zweite  Schleifnng 
nimmt  Orerbeck  im  Anfong  des  23.  Bnches  an,  obwohl  daselbst  nnr 
erwfthnt  wird,  dass  die  Mjrmidonen  dreimal  nm  den  Leichnam  des 
Patroklos  ihre  Bosse  lenkten  (V  13).  Es  folgt  die  Bestattung  des 
Patroklos.  Am  folgenden  Morgen,  sobald  Eos  mit  ihren  r5tiiliehen 
Strahlen  die  Erde  erleuchtete,  springt  Aehillens  vom  Lager,  sehizrt 
die  Bosse  an,  befestigt  den  Hektor  an  den  Wagensessel  nnd  zieht 
ihn  dreimal  um  das  Grab  des  verstorbenen  Freundes.  Dann  geht  er 
ins  Zelt,  um  zu  ruhen ;  den  Hektor  iSsst  er  liegen,  mit  dem  Antlitz 
in  den  Staub  gestreckt  (Q  12 — 17).  Des  Wagenlenkers  Automedon 
wird  an  keiner  Stelle  Erwähnung  gethan.  X  400  heisst  es  von  Achilleus 
\i&cniiv  y  ik&av.  Im  letzten  Buche  schirrt  er  selbst  die  Bosse  an. 
Folgende  archaische  Yasenbilder  führen  uns  die  Schleifnng  des 
Hektor  vor*): 

A  Overb.  456,  110  XIX,  6.    Neapel  2746. 

B       „      114.    Br.  M.  553. 

C       „       118.    Gerhard  AV.  HI,  198,  2. 

D       „       111.    luU,  1841  p.  134. 

E     „     109  xn,  7. 

F       „       108.    Bochette,  num.  kM.  18,  1. 

G       „       112.    München  407. 

H       „       117  XIX,  8. 

I  Petersburg  165. 
Alle  diese  Vasen  zeigen  gewisse  Aehnlichkeiten,  tragen  dasselbe 
typische  Geprftge,  gehen  mithin  im  Grunde  auf  ein  Original  zurück. 
Denn  in  fast  allen^  ist  das  weisse  ovale  Grabmal  des  Patroklos 
dargestellt;  nur  in  I  fehlt  es.  An  demselben  ist  meist  eine  Schlange 
als  Grabessjmbol  angebracht  (so  in  ABCDH).  Auch  schwebt 
meistens  das  kleine  gerüstete  eibujXov  des  Patroklos  um  das  Grabmal, 
geflügelt  in  ACE,  ungeflügelt  in  FGH,  auf  letzterer  Vase  durch 
Namensbeischrift  bezeichnet.  Um  das  Grabmal  des  Patroklos  also 
wird  der  Leichnam  des  Hektor  gezogen,  mithin  kann  nur  jene  letzte 
Schleifung  im  24.  Buche  gemeint  sein.  Nur  I  könnte  w^en  des 
Fehlens  des  Grabmales  eine  Ausnahme  bilden,  und  für  diese  Vase 
muss  man  denn  auch  lieber  davon  absehen ,  an  eine  bestimmte 
Schleifung  zn  denken.  Aber  aoch  betreffs  der  übrigen  hfilt  Overbeck 
daftir,  dass  sie  alle  drei  Schleifungen  verbinden  und  vermengen 


')  Einige  weitere  Vasenbüder  bleiben  als  zn  wenig  bekannt  hier 
ausgeachloBsen:  Overb.  113.  n.  Overb.  115.  —  *)  Auch  in  A,  wie  Heyde- 
mann  ausdrücklich  versichert. 


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Yerh.  d.  gr.  Yaaenbilder  x.  cL  6«d.  d.  ep.  Kyklos.  501 

(p.  454.  459y  118),  ohne  jedoch  stichlädtige  Beweise  erbracht  zu 
haben.  Die  eizizelnen  Punkte  werden  jeder  an  seinem  Orte  zur 
Sprache  kommen. 

Die  genannten  Vasenbüder  zerfallen  deutlich  in  zwei  Gruppen: 
in  A  —  F  fährt  das  Viergespann  des  Achilleus  rasch  um  das  Grab- 
mal, in  G — I  hält  das  Gespann  an.  Aus  der  ersten  Gruppe  zeigen 
A — £  auffallende  üebereinstimmung.  Das  Gespann  lenkt  ein  Wagen- 
lenker im  langen  Gewände,  das  wenigstens  in  AB  von  weisser  Farbe 
ist.  Es  kann  dies  nicht,  wie  Overbeck  meint,  Achilleus  sein,  da 
dieser  als  Krieger  und  nicht  als  Wagenlenker  sein  Gespann  führen 
würde,  sondern  nur  Automedon.^)  Aber  Achilleus  muss  eben&lls 
zugegen  sein,  er  darf  schlechterdings  nicht  fehlen.  Nun  läuft  aber 
in  aJlen  diesen  Büdem  neben  dem  Gespann  ein  gerüsteter  Krieger 
eilenden  Laufes  einher.^)  Für  ihn  ergibt  sich  nothwendig  der  Name 
Achilleus,  der  also  vom  Wagen  gesprungen  ist  und  zu  Fuss  neben 
demselben  herläuft.  Dass  derselbe  in  C  nicht  nach  derselbeii  Richtung 
eilt,  sondern  demselben  entgegen,  darf  uns  keine  Schwierigkeit 
machen,  besonders  da  in  diesem  Bilde  auch  das  Eidolon  des  Fatroklos 
dem  Wagen  entgege^fliegt,  und  d^er  Yasenmaler  sich  auch  sonst  eine 
grobe  Nachlässigkeit  hat  zu  Schulden  kommen  lassen,  indem  er  den 
Leichnam  des  Hektor  zu  malen  unterlassen  hat. 

Befremdend  ist  für  uns  vor  allem,  wezm  wir  die  Yasenbilder 
mit  ihrer  Quelle  vergleichen,  der  neben  dem  Wagen  laufende  Achilleus. 
Auch  Automedon,  der  Wagenlenker,  wird  in  der  liias  nicht  erwähnt. 
Lidess  ergab  sich  letztere  Abweichung  }eicht,  da  gern  zum  Wagen 
der  hinzugefügt  wird,  dessen  Amt  es  ist,  denselben  zu  legten.  Dass 
Achilleus  aber,  der  schneUfÜssige,  abgestiegen  ist  und  nebenher  läuft;, 
das  erhöhte  ohne  Zweifel  die  Lebhaftigkeit  de^  Darstellung,  ein  An- 
halt aber  für  diese  Abweichung  ist  im  Homer  nicht  gegeben;  sie 
lässt  sich,  wie  mich  Herr  Prof.  Michaelis  erinnert,  vielleicht  auf  eine 
Sitte  der  Zeit  beziehen,  nach  der  man  beim  Wettfahren  den  Wagen 
eine  Zeit  lang  verliess,  neben  demselben  herlief,  mn  dann  wieder 
hinauf  zu  springen.^)  Zugleich  sehen  wir,  dass  es  gar  nicht  in  der 
Absicht  des  Malers  lag,  sich  enge  an  den  Dichter  anzuschliessen; 
er  sah  einzig  darauf,  wie  er  sein  Werk  am  besten  ausstattete. 

Li  £  ist  unter  dem  sprengenden  Yiergespann  ein  gerüsteter 
Krieger  niedergesunken.  Overbeck  spricht  sich  p.  455  mit  Itecht 
gegen  die  Deutung  auf  einen  der  gefangenen  und  geopferten  Troer  aus 
und  erklärt  ihn  vielmehr  für  einen,  der  im  Kampfe  niedergeworfen  ist. 
Dieser  Krieger  ist  für  ihn  ein  Beweis,  dass  die  eVste  Schleifung  von 


^]  Wenn  auf  der  FraD9oiBva8e  sowie  bei  den  Leichenspielen  des 
Pelias  (rnon.  X,  4.  5)  die  bekannten  Helden  in  langem  Gewände  sind, 
so  ist  dies  eben  bedingt  durch  die  Leichenspiele.  —  ')  Auch  in  B 
^Aehüles  is  running  by  the  side  of  ihe  quadriga*  (anders  Overbeck).  — 
*)  Ygl.  Pauly  EealencycL  s.  v.  deauUar.    Michaelis,  Parthenon  p.  324. 


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502  H.  Lnckenbach: 

der  Stadt  bis  zu  den  Schiffen  über  das  Schlachtfeld  hin  mit  der 
dritten  Schleifang  Yerbnnden  sei.  Allein  mag  man  den  OefaUenen 
immerhin  einen  gesunkenen  Troer  nennen,  so  erscheint  doch  die  An- 
nahme Overbecks  unnöthig.  Hier  bei  der  Umfahrt  um  das  Grab 
diente  der  Krieger  dazu,  die  Scene  noch  grausiger  zu  machen.  Er 
ist  lediglich  eine  von  den  Figuren,  die  wir  recht  gut  entbehren 
können  und  die  oft  nur  zur  Baumausfttllung  verwandt  werden. 
Schwerlich  hat  der  Maler  selbst  mit  dieser  Figur  etwas  Bestimmtes 
ausdrücken  wollen. 

In  F  steht  Achilleus  neben  dem  Lenker  auf  dem  Wagen  und 
fthrt  um  das  Grabmal  herum.  Am  Gespanne  vorüber  neben  den 
Pferden  eilt  ein  gerüsteter  Krieger  (so  wie  in  G);  ein  zweiter  be- 
findet sich  vor  den  Bossen  und  scheint  im  Begriffe  zusammenzusinken. 
Diese  beiden  dienen  .Overbeck  wieder  als  Stütze  seiner  Hypothese. 
Er  erkennt  in  ihnen  Vertreter  der  über  das  Schlachtfeld  hineilenden 
Sieger  und  Besiegten.  Wozu  aber,  könnten  wir  fragen,  brauchten 
die  Sieger  so  im  Sturme  dahinzueilen?  und  die  Besiegten ,  die  noch 
unverwundet  waren,  eilten  zu  jener  Zeit  nicht  über' das  Schlachtfeld 
hin,  sondern  hatten  sich  schon  vor  Hektors  Tode  in  die  Stadt  ge- 
flüchtet. Für  den  einen  stelle  ich  als  eigene  Vermuthung  auf,  dass 
der  Maler  eine  jener  früheren  Scenen  vor  Augen  hatte,  die  ¥rir  als  die 
älteren  Compositionen  in  Anspruch  nehmen  dürfen.  Den  neben  dem 
Wagen  einher  oder  auch  demselben  entgegenlaufenden  Achilleus 
verstand  er  nicht  und  deshalb  fQgte  er,  ohne  etwas  zu  &ndem,  einen 
zweiten  Achilleus  zum  Automedon.  So  erklärt  sich  auch  am  besten, 
dass  Achilleus  und  sein  Wagenlenker  beide  auf  dem  Wagen  stehen, 
obwohl  es  ohne  Zweifel  passender  gewesen  wäre,  den  Achilleus 
aUein  als  den  Treiber  der  Bosse  darzustellen.  Die  sinkende  Figur 
aber  vor  den  Bossen  werden  wir  auf  gleiche  Weise  erklären,  wie 
den  gefallenen  Troer  in  E.  Wie  geringes  Gewicht  auf  dieselbe  zu 
legen  ist,  zeigt  auch  schon  die  ganze  flüchtige  Art  des  Vasenbildes. 

Die  folgenden  Bilder  GHI  zeigen  den  Moment  der  Buhe^  Die 
Bosse  werden  vom  Wagenlenker  angehalten.  Achilleus  steht  neben 
dem  Leichnam  und  sieht  auf  denselben  herab.  Man  könnte  die  drei- 
malige Umfahrt  um  das  Grabmal  als  vollendet  ansehen  und  an  einen 
folgenden  Moment  denken,  in  dem  Achilleus  den  Feind  betracht-et, 
dessen  Körper  Apollon  gegen  alle  Verletzungen  geschützt  hat  (Q 18  ff.). 
Allein  dagegen  spricht  in  H  bestimmt  der  vor  den  Pferden  stehende 
Odjsseus,  dessen  Stellung  auf  einen  bevorstehenden  Aufbruch  weist: 
Hektor  ist  bereits  angebunden,  Achilleus  rüstet  sich  zum  Laufe. 
Auf  dieselbe  Auffassung  aber  führt  doch  auch  wohl  die  Gegenwart 
der  Lris  in  G,  welche  hier  wie  bei  anderen  Abfahrtsscenen  hinzu- 
gefügt ist  ^)    In  I  endlich  hebt  Achilleus  eben  mit  der  Bechten  als 


^)  Vgl.  vor  allem  Overb.  XVIIl,  2  (weiter  unten  p.  547  besprocheo). 
Denkbar  w&re  es  freilich,  dass  Iris,  die  in  G  auf  den  Wagen  zoeilty  als 

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Verh.  cL  gr.  Vasenbilder  b.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklo«.  503 

letztes  Stück  der  Bttstong  den  Schild  empor,  ein  deutliches  Zeichen, 
dass  die  Um&hrt  um  das  Grabmal  noch  nicht  begonnen  hat. 

In  H  steht  neben  den  Bossen  ein  geflügelter  Eriegsdämon,  ge- 
wiss ganz  passend  vom  Maler  hinzugefügt.^)  Vor  den  Pferden  steht 
wie  bereits  bemerkt  Odysseus,  den  Overbeck  einen  Vertreter  des 
Heeres  nennt.  Er  ist  wohl  nur  eine  Füllfigur,  nach  Analogie  so 
vieler  Abfahrtsscenen  hinzugefügt;  und  statt  des  Namens  Odysseus 
könnte  er  ebensowohl  einen  anderen  Namen  tragen.  Den  passend- 
sten Vergleich  bezüglich  seiner  Gegenwart  bietet  Overb.  637,  125 
XXVI,  16.  Aias  dringt  auf  Eassandra  ein,  zu  deren  Schutze  Athena 
bereit  steht.  Hinter  Aias  steht  eine  Frau,  Polyxena,  und  ein  Enabe, 
Antilochos;  hinter  Athena  wendet  sich  ein  Troer  die  Hände  vor 
Schreck  auf  dem  Bauche  zusammenballend^)  ab;  ihm  ist  der  be- 
zeichnende Name  CKapavbpöcpiXoc  beigeschrieben.  Wenn  seine  Ge- 
genwart ja  ganz  passend  erscheint,  so  sind  um-  so  eigenthümlicher 
Polyxena  und  der  kleine  Antilochos.  Die  Erklärung  ist  einfach:  der 
Eünstler  fügte  ^  um  den  Baum  zu  flülen;  mehrere  Personen  hinzu, 
die  er  zu  individualisiren  wünschte.  Wenn  er  nun  dem  Weibe  den 
Namen  Polyxena,  dem  Enaben  den  Namen  Antilochos  gab,  so  hätte 
er  ebensowohl  irgend  welche  andere  Benennungen  wählen  können, 
diese  fielen  ihm  zuerst  ein,  und  deshalb  setzte  er  sie  hinzu«  Der- 
gleichen bedeutungslose  Personen  finden  sich  oft,  und  man  sollte 
nicht  immer  yersuchen,  ihnen  bestimmte  Namen  beizulegen.  So 
umgeben  Overb.  XXVII,  S-  zwei  Frauen  ganz  symmetrisch  den  Aineias, 
der  den  Anchises  trägt,  indess  der  kleine  Sohn  yorausläuft.  In 
Stellung  und  Geberde  zeigen  sie  an,  dass  sie  müssige  Zuschauerinnen 
und  nicht  handelnde  Personen  sind,  und  ich  kann  mich  nicht  ent- 
schliessen,  in  ihnen  Aphrodite  und  Ereusa  (Eurydike)  zu  erkennen. 
Wenn  Aias  den  Achilleus  davonträgt,  so  pflegt  man  die  Frauen, 
welche  zugegen  sind,  Briseis,  Thetis  oder  gar  Tekmessa  zu  benennen, 
meist  wie  mir  scheint  mit  unrecht.  Man  denke  femer  an  die  sog. 
Mantelfiguren,  welche  wie  bei  Overb.  XXVI,  2  die  Hauptgruppe  ein- 
rahmen. Ihre  Bedeutungslosigkeit  wird  schlagend  erwiesen  durch 
die  von  Welcher  alte  Denkm.  V  p.  235  erwähnte  Vase,  in  welcher 


Götterbotin  dem  Achilleus  den  Befehl  zur  Ausliefenmg  des  Leichnams 
Überbringt,  während  in  der  Ilias  Zeus  durch  Iris  die  Thetis  zu  sich  rufen 
läset,  damit  diese  dem  Sohne  den  Willen  der  Götter  kand  thue.  Eine 
bestimmte  Ablehnung  einer  solchen  Deutung  wage  ich  nicht,  da  die  Ab- 
bildung fehlt.  —  ^)  Vgl.  den  Erie^^dämon  in  der  sfgn.  Vase  Gerhard,  AV. 
II,  117.  118,  3.  Eine  Inschrift  m  unserer  Vase,  die  über  dem  Dämon 
steht,  wurde  bisher  als  Kdvicoc  gelesen,  was  so  viel  wie  Staubaufwirbler 
heissen  sollte.  Indessen  ist  Kdvtcoc  schwerlich  eine  griechische  Wort- 
bildung, auch  ist  das  c  in  der  Mitte  ganz  unsicher^  und  der  Name  kann 
ebensogut  der  des  Wagenlenkers  sein.  Etwa  Kov{\oc?  oder  ein  Name 
auf  -iiTTToc?  (vgl.  Kpöviinroc).  —  •)  Zu  diesem  Motiv  vgl.  Arch.  Zeit 
1876  Taf.  16.    mon.  VIII,  41. 


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504  H.  Lnckenbach: 

zwei  Mantelfiguren  einen  Widder  umgeben,  unter  dem  ein  Genosse 
des  Odysseus  angebunden  ist 

Den  Odysseus  in  H  hat  sein  Hund  begleitet,  ein  gemüthlicher 
Zug,  der  für  die  ältere  Zeit  sehr  charakteristisch  ist.  Freilich  will 
man  eine  solche  Zuthat  bald  auf  diese  bald  auf  jene  Weise  erkl&ren. 
Bei  der  Flucht  des  Troilos  soll  der  Hund  ein  Zeichen  der  Schnellig- 
keit sein,  DÜt  der  die  Flucht  vor  sich  geht;  meines  Erachtens  ist 
eine  solche  Annahme  unbegründet,  und  es  liegt  nur  ein  genrehaftes 
Behagen  an  einem  der  Wirklichkeit  entlehnten  belebenden  Zuge  von 

In  I  steht  halbverdeckt  von  den  Pferden  eine  Frau  die  Rechte 
erhebend.  Für  dieselbe  schlftgt  Stephani  den  Namen  Hekabe  oder 
Andromache  vor;  allein  es  ist  nicht  recht  einzusehen,  wie  der  Künstler 
dazu  gekommen  sein  sollte,  hier  eine  von  diesen  Troerinnen  darzu- 
stellen. Eher  könnte  man  an  Thetis  denken,  oder  an  Briseis,  die  nach 
Homer  am  hefdgaten  unter  den  Frauen  den  Patroklos  beklagt 
(T  282  ff.).  Weitaus  das  Wahrscheinlichste  ist  aber^  dass  der  Künstler 
gar  keine  bestimmte  Person  darzustellen  beabsichtigte,  xmd  deshalb 
sollen  auch  wir  mit  einer  Benennung  zurückhalten. 

Auch  ist  es  nicht  zufällig,  dass  dergleichen  entbehrliche  Zusätze 
besonders  in  der  archaischen  Malerei  der  Attiker  sich  vorfinden«  In 
einem  trefflichen  Aufsatze  hat  Löschke  Arch.  Zeit  1876  p.  108  ff. 
dargethan,  dass  die  Malerei  der  Attiker  vor  der  Annahme  der  rfgn. 
Technik  eine  wesentlich  nachahmende  war.  Peloponnesische  Typen 
lagen  zu  Orunde,  und  diesen  gegenüber  verloren  viele  attische  Maler 
ihre  Selbständigkeit.  Sie  copirten^  ohne  Neues  zu  schaffen,  zeichneten 
vielfach  ohne  Yerständniss.  In  ihren  Bildern  zeigt  sich  oftmals  der 
Mangel  der  Originalität  und  ein  Mangel  an  Frische;  und  damit  hängt 
es  zusammen,  dass  sie  Figuren  zusetzten,  die  eigentlich  nicht  in  die 
Darstellung  passten.  Dahin  gehört  der  Mann,  welcher  in  E  unter 
den  Bossen  liegt,  der  niedersinkende  E[rieger  in  C,  Odysseus  mit 
seinem  Himde  in  H  und  wohl  auch  die  Frau  in  I.  Die  Beispiele 
würden  sich  leicht  mehren  lassen;  aber  schon  diese  werden  genügen, 
um  ein  so  häufiges  Verfahren  der  älteren  attischen  Vasenmaler  hin- 
länglich zu  charakterisiren.  Treffend  sagt  Welcker  alte  Denkm.  HI 
p.  17  mit  Bezug  hierauf:  ^Von  den  Personen,  die  nach  der  mythi- 
schen Tradition  oder  dem  poetischen  Zusammenhange  und  den  alten 
einfachen  und  treuherzigen  Vorbildern  aufgefasst  sind  und  der  reinen 
Darstellung  angehören,  sind  nach  und  nach  andere  unbestimmtere, 
bedeutungslose  aus  malerischer  und  decorativer  Absicht  hervor- 
gegangen, die  nur  der  Mannichfaltigkeit,  den  Contrasten,  Symmetrien, 
der  blossen  Erweiterung  dienen,  zu  unterscheiden'. 

Einen  kurzen  Blick  sei  es  zum  Schlüsse  gestattet  auf  zwei 
unteritalische  Vasen  zu  werfen,  deren  nähere  Besprechung  ich  mir 
für  einen  anderen  Ort  vorbehalte.    In  der  einen  ^)  ist  Hektor  mit 


*)  Neapel  3254.    mon.  IX,  32.  33,  annal.  1871  p.  182. 

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Yerli.  d.  gr.  Yasenbüder  z.  d.  Qed.  d.  ep.  Eyklos.  &05 

den  Füssen  an  den  Wagen  gefesselt,  auf  dem  der  Lenker  steht, 
welcher  hier  schon  deswegen  unentbehrlich  war,  weil  Achüleus  selbst 
dem  Patroklos  das  Todtenopfer  bringt.  In  der  andern  Vase^)  ist 
der  homerische  Httgel  (¥  255)  der  neuen  Sitte  gemSss  als  Orab- 
tempel  gezeichnet.  In  einem  nackten  Jünglinge  erkennen  wir  d^ 
Eidolon  des  Patroklos.  Indess  Frauen  dem  Todten  spenden,  fthrt 
Achüleus  mit  dem  todten  Hektor  selbst  um  das  Grabmal  herum« 
Den  wesentlicben  Inhalt  des  Homer  hat  also  der  EünsÜer  wieder- 
gegeben, aber  so,  dass  er  in  der  Darstellung  seinen  eigenen  Ideen 
folgte  und  die  Scene  nach  seinem  Geschmacke  erweiterte. 

üeberblicken  wir  noch  einmal  die  Beihe  der  archaiischen  Bild- 
werke, so  ergibt  sich  uns  eine  durchaus  freie  Eunstübung  auf  Grund- 
lage des  Epos.  Die  Schlange  am  Grabmale,  das  Eidolon  des  Patroklos, 
die  Anwesenheit  des  Dämons,  des  Odjsseus  und  des  Hundes  (H), 
der  Iris  (G),  des  Weibes  (I),  des  sinkenden  oder  gefaUeneii  Eriegers 
(£F)  und  des  Wagenlenkers,  der  mitlaufende  Achill:  alles  dies  sind 
Züge,  die  dem  Epos  eigentliJch  ganz  fremd  sind,  ohne  dass  es  un9 
jedoch  gestattet  wäre,  an  eine  andere  Quelle  zu  denken.  Das  Ver- 
h&ltniss  der  archaischen  Vasen  zu  den  Gedichten  des  fischen  Ejklos 
ist  durch  diese  Bilder,  wie  auch  durch  die  Fran9oisYase  hinlänglich 
klargestellt  Die  noch  folgenden  Vasen  werden  die  gewonnenen 
Resultate  nur  bestätigen  können. 

Die  Flucht  vor  Polyphem. 
Änml.  VSlß  tav.  R,  2  p.  350  fif. 

Während  in  der  Odyssee  i  463  ff.  nach  der  glücklich  bewerk- 
stelligten Flucht  aus  der  Höhle  Odjsseus  mit  seinen  Genossen  die 
Schafe  auf  die  Schiffe  treibt  und  erst  nach  der  Abfahrt  dem  Eyklopen 
höhnend  zuruft,  der  erbittert  ihnen  noch  einmal,  geföhrlich  werden 
sollte,  ist  im  Bilde  nur  das  Allgemeine  der  Situation  festgehalten: 
der  unter  dem  Widder  angebundene  Grieche  wird  von  dem  Eyklopen 
verfolgt.  Die  beiden  in  der  Poesie  zeitlich  getrennten  Momente,  die 
Flucht  und  die  Verfolgung^  sind  hier  in  einen  zusammengezogen. 

In  noch  naiverer  Weise  als  hier  zeigt  sich  4ie  Verscho^elzung 
mehrerer  Momente  mehrmals  bei  der 

Blendung  des  Polyphem. 

Overb.  760,  10  XXXI,  4  hat  Polyphem  in  den  Hände»  dis  Beine 
eines  seiner  Opfer,  während  ihm  schon  das  Auge  ausgebohrt  wird. 
Zugleich  hält  der  erste  von  denen,  die  das  Bachßwevk  (leginpioiy, 
dem  Polyphem  humoristisch  genug  den  Becher  vor.  In  der  Odyssee 
reicht  Odysseus  ihm  den  Becher;  Overbeck  glaubt,  dass  dies  ebenßp 
im  Bilde  der  Fall  sei  AUein  vop  4en  vier  Personen,  welche  die 
That  verüben,  sind  drei  bartlos,  49r  letzto,  bärtige  ist  auch  nod^ 


>)  Overb.  457,  116,  Neapel  3228. 

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506  H.  Lackenbach: 

darcb  seine  Kopfbedeckung  vor  den  übrigen  ausgezeichnet;  wenn 
also  einer  als  Odjsseus  benannt  werden  soll,  dttrfte  dieser  den  meisten 
Anspruch  darauf  haben. 

In  einer  Vase  mit  demselben  Gegenstande  Berlin  1929^)  hftlt 
in  beiden  Händen  der  Ejklop  Hand  und  Fuss  eines  der  von  ihm 
Getödteten,  um  sie  zu  verzehren,  indess  die  Genossen  des  unglück- 
lichen den  Balken  schon  erhoben  haben.  Die  eigene  Erfindung  des 
Künstlers  aber  zeigt  sich  auch  hier  ganz  deutlich.  Denn  hinter  dem 
Kjklopen  wird  über  loderndem  Feuer  der  Bumpf  des  Getödteten 
gebraten.  Entsetzt  ob  des  grausen  Menschenfressers  flieht  eilig  eine 
letzte  Person  hinweg.    Homer  begnügte  sich  mit  den  Worten  i  291 

Touc  bk  biet  |ieX€'tCTi  Tambv  ibtiXiccaTo  bö^ov 
oder  i  311  und  344 

CUV  b*  0T€  br\  aöre  buiw  pcipipac  dbTrXiccaTo!  j^^^^qv 

Deutlich  tritt  also  hier  der  Unterschied  zwischen  der  Malerei  und 
Poesie  hervor. 

In  jeder  Periode  der  Vasenmalerei  werden  der  Darstellung  gern 
Personen  hinzugefügt,  die  in  enger  Beziehimg  zu  einer  der  Haupt- 
figuren stehen.  Wenn  dies  auch  allgemein  anerkannt  ist,  so  hat 
man  sich  doch  öfters  verleiten  lassen,  aus  diesen  Personen  einen 
Sohluss  aufs  Epos  zu  machen.  Beim  Ringkampf  des  Peleus  mit  der 
Thetis  hat  Cheiron,  der  einige  Male  geg^ wärtig  ist,  Veranlassung 
gegeben  zu  der  Annahme,  dass  auch  in  den  Kyprien  unter  Begleitung 
des  Cheiron  Peleus  die  Thetis  überfölli  Wie  ungerechtfertigt  ein 
solcher  Bückschluss  ist,  zeigt  schlagend  ein  Bild,  welches 

das  Kirkeabenteuer 

vorführt  In  der  Odyssee  k  318  ff.  bleibt  Odysseus  trotz  des  Schlages 
der  Kirke  mit  dem  Zauberstabe  und  trotz  des  Trankes  unverwandelt, 
und  auf  die  Aufforderung  zu  seinen  Gefährten  in  den  Schweinekofen 
zu  gehen,  stürzt  er  mit  dem  Schwerte  in  der  Hand  auf  Kirke  zu 
dicTe  KTdpcvai  peveaCviwv.  Es  folgt  die  Versöhnung;  aber  Odysseus 
weigert  sich  zu  essen  und  zu  trinken,  bis  er  seine  Geflihrten  erlöst 
weiss  und  sie  mit  Augen  gesehen  hat.  Jetzt  erst  holt  Kirke  die 
Genossen  herbei  und  macht  sie  aus  Schweinen  wieder  zu  Menschen. 
Ganz  frei  verfährt  wieder  die  Vasenmalerei. 

Overb.  779,  49  -=  Overb.  780,  51.  Jahn,  arch.  Beitr.  406  ff. 
Arch.  Zeit.  1876  Taf.  15  p.  190  ff. 

Vor  der  Kirke,  die  ipit  einem  Zweige  in  der  Schale  zu  rühren 
scheint,  steht  Odysseus,  bereit  den  Becher  mit  dem  Zaubertranke  zu 
nehmen.  In  der  zurückgebogenen  Rechten  hüt  er  das  Schwert,  mit 
dem  er  nach  dem  Tranke  auf  Kirke  losstürzen  wird.    Diese  Mittel- 


*)  Vgl.  Arch.  Zeit.  1868  p.  120. 

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Verk  d.  gr.  Yasenbüder  s.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  507 

grnppe  wird  umgeben  von  vier  verwandelten  Genossen.  Mit  den 
Köpfen  eines  Esels,  Ebers  und  Schwanes  verseben  (der  Kopf  des 
vierten  ist  verloren  gegangen)  sind  sie  entsetzt,  dass  aucb  ihren 
Herrn  gleiches  Schicksal  treffen  wird.  Durch  ihre  bestürzte  Haltung, 
durch  das  Schreien  des  Eselmenschen  soll  Odjsseus  gewarnt  werden. 
Ja  der  Mann  mit  dem  Schweinskopfe  scheint  den  Odysseus  anzu- 
fassen, um  ihn  so  zu  warnen  und  dem  Unglücke  vorzubeugen.  Die 
Mittelgruppe  also  entspricht  der  Odyssee.  Aber  die  Mannichfidtig- 
keit  der  ThiergestaltcD,  sowie  der  Umstand,  dass  die  Gefilhrten  zu- 
gegen und  gar  bei  der  Handlung  thKtig  sind,  widerspricht  ihr. 

Noch  scheint  es  geboten,  auf  eine  Abweichung  hinzuweisen, 
die  sich  für  den  Maler  Dothwendig  ergab.  In  der  Odyssee  heisst  es 
V  239  f.: 

o\  bl  cuAv  n^v  f  xov  KeqpaXäc  cpuivriv  t€  xpixac  xe 
Kttl  b^pac*  auidp  voOc  i^v  fjutrcboc  u)c  xö  nÄpoc  nep. 

Für  den  Künstler  ergab  sich  eine  Schwierigkeit.  Stellte  er  den 
Menschen  als  Menschen  dar,  so  war  die  Verwandlung  nicht  ersicht- 
lich; stellte  er  ihn  als  Thier  dar,  so  war  gleichfalls  Undeailichkeit 
zu  befürchten.  Um  den  Menschen  im  Thiere  darzustellen,  half  er 
sich  auf  verschiedene  Weise.  Einmal  Overb.  779,  50  sehen  wir 
neben  dem  Manne,  der  bald  zum  Schweine  werden  soll,  durch  das 
Thier,  das  hinter  ihm  steht ^  die  Verwandlung  angedeutet  Die  ge- 
wöhnlichste Art  ist  die  Bildung  eines  Thiermenschen,  bei  der  die 
Umgestaltung  immer  den  Kopf,  bisweilen  die  Füsse  trifft.^) 

g  2.    ArohaiflOhe  und  rothflgnrige  attisohe  Vasen 
mit  gleichen  Darstellungen. 

Mit  der 

Lösung  des  Hektor, 
die  in  archaischen  und  rfgn.  attischen  Vasen  dargestellt  ist,  leiten 
wir  zur  Behandlung  der  zweiten  grossen  Vasengruppe  über.  Ausser 
dem  Verhältnisse  der  jüngeren  zu  den  Iflteren  Producten,  das  einer 
ErlSuterung  bedarf,  stehen  die  Bildwerke  unseres  Gegenstandes  fast 
einzig  da,  nicht  bloss  als  treffendste  Erläuterungen  des  Verhältnisses 
der  Vasenbilder  zu  den  epischen  Gedichten,  sondern  auch,  weil  sie 
einen  theilweise  so  engen  Anschluss  an  Homer  zeigen,  wie  er  sonst 
nicht  leicht  uns  entgegentreten  wird.  Nicht  eine  genaue  Kenntniss 
der  Sage  allein  muss  zu  der  Darstellung  Veranlassung  gegeben  haben, 


*)    A  Overb.  779,  60. 

B  Arch.  Zeit  1866.  p.  18  Taf.  194. 

C  Arch.  Zeit.  1876,  p.  189  Taf.  14. 

D  Arch.  Zeit.  1863,  p.  122. 
Auf  einem  etroskischen  Spiegel  ein  Eber  mit  menschlichen  HinterfüsseD, 
Fröhner  tnwies  de  France  pT.  24.    Vgl.  OTerb.  XXXII,  16. 


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508  H.  Lnckenbaek: 

8on46ini  dem  Maler  müflsen  die  Worte  Homers  im  Simie  gelegen 
habeoL 

Die  in  Bede  stehenden  Bildwerke^)  sind: 

A  Orerb.  468,  135. 

B  AzdL  Zeit.  1854,  Taf.  72,  p.  291. 

C  Overb.  470,  138  XX,  3.    München  404. 

D  Man.  Vm,  27.    Conse  Vorlegebl.  I,  3,  1.    Arch.  Zeit  1871, 
p.  100. 
AB  sind  sfg.,  CD  r^. 

Schon  eine  oberflichliche  Vergleichung  zeigt,  dass  alle  vier 
Bildwerke  in  wesentlichen  Zügen  übereinstimmen.  Priamos  n&hert 
sich  Ton  der  linken  Seite  her;  er  findet  Achill  auf  dem  Lager  aus- 
gestreckt bei  der  Mahlzeit,  unter  dem  Bette  oder  auch  Yor  dem- 
selben (B)  liegt  der  Leichnam  Hektors.  Hinter  Priamos  in  ACD 
ein  oder  mehrere  Begleiter  mit  Geschenken.  Diese  üebereinstimmang 
kann  nicht  Za&U  sein;  im  Grunde  beruhen  die  Bilder  auf  einem 
Origii^e.  Der  T3rpus,  den  der  erste  Darsteller  dieser  Scene  für 
dieselbe  erfand,  wurde  massgebend  für  die  arehaische  Technik  und 
wirkte  nach,  auch  als  die  r^.  Technik  überwog. 

A.  Aohilleus  liegt  schmausend  auf  seinem  Lager');  die  Wein> 
kanne,  welche  seine  Dienerin,  die  hinter  ihm  steht,  in  H&ndan  hält, 
spricht  deutlich  genng.  Dieser  charakteristische  Zug  ist  aus  der 
Dias  entlehnt,  wo  es  beim  Eintreten  des  Priamos  in  das  Zelt  Achills 
heisst  (Q  472): 

iv  hi  jiiv  aÖTÖv 

€Öp*,  .  .  . 

V.  475:  vtov  b*  dLTii\r\yev  dbuibflc 

&6UIV  Kttl  TTIVUIV  ?Tl  Kttl  7rap^K£lT0  TpaTTcCa. 

Damit  ist  der  Ursprung  der  Situation  gegeben.  Indem  aber  der 
Maler  den  Achill  beim  Mahle  darstellen  wollte,  Iftsst  er  denselben 
auf  dem  Speisesopha  liegen  und  fügt  ein  Weib  mit  der  Weinkanne 
in  den  Hftnden  hinzu.  Li  der  Ilias  sind  bei  Achill  Automedon  und 
Alkimos:  beide  waren  für  den  Maler  überflüssig.  Wie  viel  aber  die 
Composition  durch  die  Hinzufügung  der  Sklavin  an  Leben  gewann, 
wie  dankbar  eine  solche  Erweiterung  war,  leuchtet  von  selbst  ein. 
Die  beiden  Schalen  in  der  Hand  des  Begleiters  vertreten  die  Löse- 
geschenke, während  bei  Homer  der  Wagen  mit  denselben  draussen 
bleibt.  Erst  später  springt  Achilleus  und  mit  ihm  seine  Genossen 
Automedon  und  Alkimos  hinaus  und  hebt  die  Geschenke  vom  Wagen. 
Wiederum  stellt  die  Poesie  die  verschiedenen  Momente  nacheinander 
dar^  die  Malerei  vereinigt  sie.  Freilich  hfttte  der  Maler  sich  enger 
an  Homer  anschliessen  können.    Er  konnte  wie  der  Yerfertiger  der 


>)   ZolelEt  von  Benndorf  annäl.  1866,  p.  241—270  behandelt 
*)  unrichtig  bemerkt  0 verbeck,  dass  Achill  auf  einem  Seseel  situ. 


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Verh.  d.  gr.  Vaeenbildev  z.  d.  Ged.  d.  ep.  KyWoe.  509 

toMa  Iliaea  den  Priamos  im  Innern  des  Zeltes  vor  Achill  diir- 
stellen,  dranssen  aber  den  Wagen  entleeren  lassen.  Allein  jeder 
sieht,  wie  darunter  die  Einheit  der  Handlang  h&tte  leiden  nMIteen. 
Statt  dessen  vereinigt  der  Maler  in  ausdmckYollster  Weise  die  drei 
Momente:  das  Schmaasen  Achills,  das  Eintreten  iind  9^  Bitte  d^s 
Priamos,  dem  Achill  zum  Zeichen  des  Grrusses  und  der  Erfüllung 
seiner  Bitte  die  Hand  entgegenstreckt,  und  die  Darbringung  der 
Geschenke  als  Gegengabe  für  die  Lösung.  Weiter  hat  der  Maler 
Hektors  Leichnam  hinzugefdgi  In  der  Hias  ist  derselbe  dranssen; 
auch  vermissen  wir  ihn  nicht,  da  die  Worte  des  Priamos  tüne  deutlich 
sagen,  weshalb  er  gekommen  ist.  Dem  Maler  aber  fehlten  die  Worte; 
er  musste  Ergänzung  suchen  und  darauf  bedacht  sein,  dass  auch 
seine  Composition  deutlich  und  klar  war.  Der  richtige  Weg  war 
die  Hinzufügüng  des  Objects,  um  das  sich  die  ganze  Handlung  dreht, 
Hektors  Leichnam.  Die  Kenntniss  eines  solchen  Verfahrens  seitens 
der  Maler  mahnt  zur  äussersten  Vorsiebt  bei  einem  etwaigen  Bück- 
schlusse.  Denn  selbst  bei  sehr  vorsichtigem  Vorgehen,  so  dass  wir 
Hektors  Leichnam,  die  Anwesenheit  der  Sklavin  und  der  geschenk- 
tragenden Diener  als  ftlr  den  Dichter  nicht  in  gleichem  Masse  noth- 
wendig  ausschieden,  würde  uns  doch  zweierlei  sicher  scheinen  müssen^ 
dass  Priamos  zu  Achill  geht  und  dass  er  denselben  beim  Mahle  findet. 
Und  auch  bei  diesem  Schlüsse  würden  wir  noch  etwas  in'en.  Denn 
er  findet  ihn  nicht  bei  dem  Mahle^  sondern  kui^  nach  defii  Ui^le. 

B.  Priamos  bittet  mit  leidenschaftlicher  Ausbreitung  beider 
Arme  um  den  Leichnam  seines  Sohnes.  Aehill  streckt  ihm  vtAi  der 
Rechten  den  Becher  entgegen,  weniger  wohl  weil  er  den  Alten  will- 
kommen heissen  will  und  ihm  G^wUhhmg  seiner  Bitte  verspricht«, 
als  gewissermassen  zum  Spott  und  H6hn.  Hinter  Priatnos  beAnden 
sieh  noch  zwei  Begleiter,  von  denen  der  erste  ein  Boss  am  Zügel 
führt  und  zwei  Lanzen  trSgt  Offenbar  dienen  diese  im  Epos  nicht 
gegebenen  Personen  bloss  im  Allgemeinen  dfeum,  das  Gefolge  des 
Königs  anzudeuten,  wenn  nicht  gar,  wie  es  den  Anddiein  hftt^  dem 
Bemaüer  dieses  Ge^sses  der  mythologische  Inhalt  der  Scen^  die  er 
nur  halbwegs  getreu  copirte,  unverst&ndlich  geblieben  ist  (vgl.  Arch. 
Zeit.  1854,  p.  291). 

Diesen  sfgn.  Vasenbilderü  schliessen  sich  die  rfgn.  CD  an.  In 
beiden  steht  vor  dem  Lager  ein  mit  Speisen  bedeckter  Tisch.  In  G 
tritt  Priamos  ein,  zum  Zeichen,  dass  er  eine  Bitte  vorzubringen  hat, 
die  rechte  Hand  ausstreckend.  Achill  hat,  wie  es  scheint,  sein 
Kommen  überhört;  in  der  Linken  den  Becher  haltend^  die  Rechte 
lassig  aufs  Knie  gele^,  wendet  er  sein  Haupt  rückwSrts  einem 
Weibe  zu,  das  ihm  einen  Kranz  um  das  Haupt  legt.  Hinter  Priamos 
entfernt  sich  Hermes,  sein  Auftrag  ist  erfüllt.  Es  folgt  ein  Diener, 
die  Lösegeschenke  auf  dem  Bücken  -und  in  der  rechten  Hand  tragend. 
Auf  der  anderen  Seite  schliesst  hinter  der  Sklavin  ein  gerüsteter 
Krieger  die  Scene  ab.    Er  hat  die  Eintretenden  ^rbHckt;  Staunen 


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510  H.  Lnokenbach: 

ergreift  um;  4ie  rechte  Hand  legt  er  wie  geblendet  an  den  Helm. 
In  diesem  Bilde  treten  \m&  eine  Beihe  neuer  Züge,  die  dem  Epos 
entnommen  sind,  entgegen.  Achill  hat  sich  noch  nicht  umgewendet 
und  den  Kommenden  gesehen.  Man  kann  dabei  an  die  Worte 
Homers  erinnern  (Q  476 f.): 

Touc  b*  ?XaO*  €lc€X9uiv  TTp(a^oc  }xiyaq  ätX»  ^*  ^P«  erde 
Xcpciv  'AxiXXfloc  Xd߀  Touvara. 

Es  wird  sodann  das  Staunen  Achills  beschrieben  in  Versen,  die  ich 
wiederum  wörtlich  anführe  (477  ff.): 

Xcpciv  'AxiXXfloc  Xdße  touvara  xai  loke  x^Tpac 

bctväc  &vbpo(p6vouc  iA  o\  noX^ac  ladvov  ulac 

die  b*  ÖT*  öv  fivbp*  fixTi  truKivfj  Xdßij,  6c  t*  iy\  irdrpij 

(purra  KaxaKTclvac  fiXXuiv  iiiKero  bfl^iov 

ävbpdc  ic  d(pv€ioO,  ed^ßoc  b*  ix^x  elcopöuivrac 

£ic  'AxtXXeuc  Od^ßncev  Ibujv  npiapov  Oeoeib^a 

Od^ßTlcav  hk  Kai  dXXoi,  ic  dXX/jXouc  bk  Tbovro. 

Dieses  7om  Dichter  so  stark  betonte  Staunen  hat  der  Künstler  im 
Oeftthrten  des  AchiUeus  treffend  ausgedrückt;  Achilleus  selbst  aber, 
möchte  man  yermuthen,  wird  sich  erst  umwenden  und  erst  dann 
Staunen  und  Bewunderung  zeigen.  Die  Anwesenheit  des  Hermes 
weicht  insofem  von  der  homerischen  Schilderung  ab,  als  in  dieser 
der  Gott  seinen  Schutzbefohlenen  schon  verlftsst,  ehe  dieser  noch 
Yom  Wagen  gestiegen  ist.  Der  Grund  dieser  Abweichung  ist  wiederum 
klar;  doch  ist  alles  wesentliche  gewahrt,  indem  Hennes  sich  yer- 
abschiedet,  ehe  Achill  den  Ankömmling  gewahrt  Die  Bekr&nzung 
AchiUs  ist  ein  neuer  hübscher  Zug;  eine  Sitte,  die  ich  bei  Homer 
nicht  finde,  hat  der  Künstler  aus  seiner  Zeit  auf  die  Helden  der  Dias 
übertragen.  Die  Neigung  zum  Individualisiren  spricht  sich  in  dem 
Namen  des  königlichen  Begleiters  aus:  i^pöbuipoc  heisst  derselbe 
d.  i.  Gabenschenker. 

Dieser  Vase  reiht  sich  D  treffend  an.  Hier  zeigt  sich  das 
Od)iißoc  in  Achill  selbst.  Priamos  ist  eingetreten  b^leitet  von  vier 
dienenden  Personen,  welche  die  Geschenke  tragen.  Die  üeberraschung 
und  das  Erstaunen  Achills  über  den  ganz  unerwarteten  Besuch,  wie 
es  sich  in  jenen  Homerversen  ausspricht,  äussert  sich  im  Abwenden 
des  Blickes;  das  Messer,  dessen  er  sich  beim  Essen  bediente,  hSlt 
er  noch  in  der  Bechten  und  hat  es  in  der  Verlegenheit  an  den  Mund 
gelegt.  Hinter  ihm  steht  sein  Mundschenk,  ein  Knabe,  mit  Ldffel 
und  Durchschlag  in  den  Hftnden;  neugierig  wendet  er  seine  Blicke 
zurück  auf  die  eingetretenen  Personen.  An  Stelle  der  Dienerin  ist 
hier  der  jugendliche  Sklave  getreten,  beide  nicht  im  Epos  erwfthnt, 
aber  passende  Neuerungen  bei  dem  Mahle  Achills.  Die  dienenden 
Begleiter  des  Priamos  sind  theils  männlich  th^  weiblich;  Amphoren 
und  Kisten  voll  werthvoUer  Geschenke,  einen  kostbaren  Napf  und 


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Verh.  d.  gr.  Yasenbilder  s.  d.  Oed.  d.  ep.  Ejklos.  511 

prachtvollen  Dreiftuss  tragen  sie  herbeL  Wiedemm  also  in  den 
Grundlagen  enger  Anschlass  an  Homer,  in  der  Einzdgestaltnng 
Freiheit  des  künstlerischen  Schaffens. 

Schon  oben  wurde  bemerkt,  dass  diese  vier  Yasenbilder  den- 
selben Typus,  dieselben  Grundzttge  enthielten  und  in  letzter  Tnstanz 
auf  6in  Original  zurückgehen  müssen.  Die  Freiheit  der  Künstler  im 
Einzelnen  war  dadurch  nicht  beschränkt;  in  der  Bedienung  Achills, 
in  den  Begleitern  des  Priamos  hatte  jeder  nach  seinem  Outdünken 
gehandelt.  Je  weniger  uns  dies  Wunder  zu  nehmen  braucht,  um  so 
bemerkenswerther  ist  es,  dass  wir  in  den  r^fn.  Vasenbildem  neue 
Züge  der  Blas  angedeutet  üuden:  die  Anwesenheit  des  Hermes  in  C, 
des  Od^ßoc  in  CD.  Wäre  es  sicher,  dass  beides  nicht  in  archaischen 
Vasen  vorgebildet  war,  so  hätte  den  Bemalera  von  CD  einmal  das 
alte  Original  vorgelegen,  dann  aber  hätten  sie  selbst  eine  genügende 
Eenntniss  der  Uias  gehabt  und  aus  ihrem  Wissen  Neues  hinzugefügt. 

Nahe  verwandt  mit  den  bisherigen  Darstelluungen  ist 
E  £üU.  1863,  p,  52.  Arch.  Anz.  1864,  p.  185*  60.  Connestabile 

pUture  mwraHi  di  Orvieto  tav.  XVI,  p.  149. 
Achill  sitzt  auf  einem  Stuhle  uud  wendet  den  Blick  zu  einer  Frau, 
welche  Amphora  und  Schale  in  den  Händen  hält.  In  ihrer  Nähe  ist 
Athena,  Achills  Schutzgöttin,  sichtbu'.  Vor  diesen  drei  Personen 
liegt  Hektor,  zu  dessen  Loskaufung,  von  Hermes  b^leitet,  der  alte 
Priamos  naht,  hier  selbst  ein  werthvolles  Qef&ss  auf  der  Hand 
tragend  als  Andeutung,  dass  er  nicht  ohne  Lösegeld  naht  Im  Hinter- 
grunde ist  ohne  jeglichen  Bezug  auf  die  Hauptdarstellung  eine 
Fensteröffnung  angebracht,  an  der  drei  Pferde  und  ein  Diener, 
welcher  denselben  Futter  bringt,  sichtbar  sind.  Die  Nachwirkung 
der  anderen  Bilder  ist  in  diesem  ersichtlich;  denn  die  üeberein- 
Stimmung  dürfen  wir  nicht  dem  Zufalle  zuschreiben.  Der  Unterschied 
von  A— D  hegt  vor  allem  in  der  Vertauschung  des  Lagers  mit  dem 
Stuhle.  Es  ist  hier  eine  Milderung  der  ganzen  Scene  eingetreten 
und  nicht  so  hervorgehoben^  dass  AchiU  über  dem  Leichnam  des 
Hektor  die  Mahlzeit  hält 

Das  Verhältniss  der  archaischen  zu  den  rothfigurigen  Bildern 
soll  noch  an  einem  anderen  Beispiele  hervorgehoben  werden. 

Flucht  aus  der  Höhle  des  Polyphem. 
In  der  einzigen  bis  jetzt  bekannten  rfgn.  Vase  dieses  Gegenstandes 
(buU,  1866,  p.  133)  kommen  gegen  den  sitzenden  Polyphem  drei 
Widder  heran.  Unter  dem  ersten  ist  der  bärtige  Odysseus,  der  sich 
mit  der  einen  Hand  an  die  Wolle  anklammert,  während  die  andere 
das  Schwert  zückt.  Vor  den  übrigen  Widdern  zeichnet  sich  der  des 
Odysseus  durch  seine  dicke  Wolle  aus,  wie  es  auch  im  Dichter 
i  432  heisst: 

dpveiöc  TÄp  lr]v  iii\\ix)y  6%'  fipicToc  dnävrujv 
und  i  455    Xdxvifj  CT€tv6^€V0C. 


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512  H.  Lackenbach: 

Die  Genossen,  beide  bartlos,  sind  nnter  dem  T^dder  angebunden, 
wie  anofa  Homer  die  Oefthrten  von  Odyssens  anbinden  Ittssi,  wShrend 
dieser  selbst  sich  an  die  Wolle  des  Widders  anklammert.  Es  gibt 
uns  dieses  Bild  einen  sehr  engen  Anscfalnss  an  die  Poesie:  offenbar 
kannte  der  Maler  seinen  Homer  genan  und  deshalb  malte  er  anch 
genan  nach  ihm.  Aber  auch  in  diesem  Bilde  tritt  es  deutlich  her- 
vor, dass  doch  wieder  sich  Äbweichm^n  von  der  Poesie  ergeben 
mussten.  In  der  Odyssee  eütflieht  Odysseus  zuletet,  hier  ist  er  der 
Führer  der  Genossen  aus  lei<^t  irerstftndlichem  Grunde;  der  Diehter 
erzShlty  Odysseus  habe  die  Gefilhrtön  unter  den  je  mittelsten  dreier 
Widder  angebunden;  der  Künstler  rermied  dies  aus  Gründen  der 
leichteren  Darstellung.  Endlich  ist  Polyphem  wie  immer  in  der 
Vasenmalerei  mit  z?rei  Augen  versehen.  Was  aber  besonders  betont 
werden  teuss,  ist  das  gezückte  Schwert,  welches  Odysseus  in  der 
Hand  httlt.  Er  hält  sich  bereit,  um  im  NothÜEkUe  mit  gewafilkieter 
Hand  dem  Riesen  entgegenzutreten,  und  dieser  kleine  Zug  verdient 
um  so  mehr  unsere  Beachtung,  als  er  aus  älteren  Vasenbildem  ent- 
nommen ist,  im  Homer  dagegen  nicht  erwfthnt  wird.  Unter  allen 
archaischen  Darstellungen *)  ist  keine,  die  sich  mit  unserer  im  An- 
schluss  an  Homer  vergleichen  liesse;  alle  sind  weniger  ausführlich, 
alle  ungenauer;  aber  in  vier  Vasenbildem')  zückt  der  unter  dem 
Widder  Angebundene  das  Schwert  Das  Bedeutsame,  was  uns  also 
auch  hier  entgegentritt,  ist,  dass  der  attische  Maler  mit  Beibehalt«mg 
des  alten  Typus  doch  sich  ewiger  an  Homer  anschloss,  dass  er  unter 
den  Flüchtigen  den  Odysseus  Von  seinen  Genossen  schied,  dass  er 
ihm  sogar  den  Widder  reich  beladen  mit  Wolle  gab.  Mit  anderen 
Worten,  indem  er  nach  Slterem  Typus  malte,  dachte  er  doch  selbst 
nach  und  schuf  in  Anlehnung  an  seine  Vorgänger  das  Bild,  dem 
er  durch  den  engeren  Anschluss  an  die  Poesie  neues  Leben  verlieh. 


t  8.    BotbftgpiTige  attl0Olie  Vasen. 

Für  die  zweite  i^poche,  welche  wir  bereits  im  Vorigen  berührt 
haben,  gelten  im  Wesentlichen  dieselben  Grundsätze  wie  ftlr  die 
ältere.  Dies  zu  erhärten  wird  auch  hier  eine  Auswahl  unter  den 
wichtigeren  Vasen  genügen. 

Die  Rückkehr  des  Odysseus. 
Man.  IX,  42.    Conze,  ßmal.  1872,  p.  187  ff. 

Penelope  sitzt  tief  traurig  und  in  sich  verbrunken  auf  dem  Stuhle; 
vor  ihr  steht  Telemadios,  der  die  Mutter  anreden  zu  wollen  scheint. 
Wir  sind  im  Zweifel,  ob  er  eben  angekommen  ist,  odet  wegzugehw 


^)  Sie  lind  zuletst  von  Heydemann,«an9ta2.  1876,  p.  350  ff.  zusammen- 
gesteUt.  —  *)  bofk  bei  Heydemaun  a.  0. 


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Verh.  d.  gr.  Vaseübilder  v.  d.  Ged.  d.  ep.  Ejklos.  513 

im  Begriffe  ist  Hinter  beiden  ist  der  ganze  Raam  durch  einen  Web- 
Btnbl  »nsgeftlUt.  Eine  bestimmte  Scene  ist  es  schwer  in  diesem  Bilde 
zn  erkennen.  Freilich  würde  es  leicht  sein,  einen  Moment  zn  er- 
kennen, etwa  den  Auszug  des  Telemachos  nach  Spiurta  und  den  Ab- 
schied Ton  seiner  Mutter,  oder  seine  Bttckkehr;  aber  der  Dichter 
wenigstens  erwtthnt  bei  diesen  Anlassen  keine  solche  Begegnung 
zwischen  Mutter  und  Sohn,  und  unzweifelhaft  dOrfen  wir  nicht  an 
ein  bestimmtes  Ereigniss  denken.  Ebenso  konnte  Telemachos  Yor 
die  Mutter  treten,  so  oft  er  sich  in  die  YolksTersammlung  begab, 
oder  so  oft  er  einen  einsamen  Gang  zum  alten  Laertes  oder  zum 
treuen  Eumaios  antrat.  Der  ganze  grosse  unterschied  zwischen  der 
Poesie  und  Malerei  zeigt  sich  hier  iu  hellem  Lichte.  Das  Bild  spricht 
aus  sich  selbst;  auch  ohne  dass  es  einen  bestimmten  Moment  dar- 
stellt, drSngen  sich  all  die  Ereignisse,  die  wir  vom  traurigen  Ge- 
schicke derPenelope  gelesen  haben,  in  unserer  Erinnerung  zusammen, 
und  mit  den  zwei  schlichten  Figuren  weiss  der  Maler  uns  mehr  zu 
sagen  als  in  einer  ganzen  Beihe  von  Einzelscenen.  und  wie  hier 
die  Trauer  der  Penelope  uns  ergreift,  so  zeigt  der  Maler  uns  im 
zweiten  Bilde  derselben  Vase  auch  die  Hülfe  und  den  Trost  Odjsseus 
ist  heimgekehrt,  und  seine  Dienerin  wSscht  ihm  die  Füsse;  cUe  Er- 
kennung steht  bevor,  und  bald  muss  dann  auch  der  Tag  erscheinen, 
an  dem  das  lange  Leid  defr  Penelope  gestillt  wird,  und  statt  der 
Thrftnen,  die  ihr  der  langjährige  Gram  und  die  nie  schlafende  Liebe 
zu  ihrem  Gatten  auspressen,  ihren  Augen  Freudenthrftnen  entlockt 
werden,  ^e  in  jenem  Bilde  uns  der  Künstler  entgegentrat,  so  auch 
in  diesem.  Tr^end  hat  Gonze  a.  0.  p.  190  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  nicht  der  Augenblick  der  Wiedererkennung  dargestellt 
ist;  aber  eben  so  wenig  kennen  wir  sagen,  welcher  Moment  denn 
sonst  dargestellt  sei  Der  Malef  hat  der  Phantasie  des  Beschauers 
nicht  alles  vorwegnehmen  wollen,  und  die  Behauptung  Lessings,  dass 
der  Abschluss  einer  Handlung  am  wenigsten  sich  für  ein  Bildwerk 
eigne,  findet  in  unserem  Bilde  eine  neue  Bestätigung.  Blicken  wir 
nun  auf  das  Einzelne,  so  ist  Eumaios  zugegen.  In  der  Odyssee  hat 
derselbe  den  Odjsseus  ins  Haus  der  Penelope  begleitet,  ist  darauf 
aber  heimgegangen  (p  604),  um  erst  am  folgenden  Tage  wieder  zur 
Stadt  zu  gehen  (u  162).  Hier  steht  Odjsseus,  in  der  Dichtung  hat 
er  sich  niedergesetzt  (t  389).  Er  hat  sich,  um  nicht  tu  fallen,  auf 
einen  Stab  gestützt,  während  er  mit  der  Linken  einen  Stock  hftlt, 
der  beladen  mit  Banzen,  Schlauch  und  einer  Tasche  ihm  auf  der 
Schulter  liegt    Anknüpfend  an  die  Worte  des  Dichters  (p  197  f.) 

fi  ^a  Kai  d)ii<p'  ui^oiciv  deiK^a  ßdXXero  irrjpTiv 
TTUKvdt  {MTfoki^y  iv  U  crpöcpoc  fjev  dopTnp 

hat  der  Maler  das  Einzelne  nacb  eigenem  Gutdünken  gezeichnet 
Ebenso  ist  es  selbstverstOndUob,  dass  Odjsseus  im  Hause  angeLaagt 
seinen  Banzen  ablegte;  aber  dem  Maler  war  dies  das  beste  Mittel, 

Jahrb.  f.  oI«m.  f  hU.  SnppL  Bd.  XI.  33 


514  H.  Lackenbach: 

Beinen  Odysseus  zu  charakterisiren.  Der  OdjBseus  im  Bilde  erinnert 
in  nichts  sonst  an  die  Dichtung;  nicht  den  jammerhaften,  zerlumpten 
Bettler  mit  kahlem  Kopfe,  den  wir  nicht  als  verwandelten  Odysseus 
erkennen  könnten,  sehen  wir  vor  uns,  sondern  einen  stattlichen  Mann 
mit  reichem  Haupt-  und  Barthaar.  Mit  Recht  erinnert  Conze  a.  O. 
p.  188  daran,  dass  sich  hier  Poesie  und  Malerei  trennep.  Hier  wie 
bei  der  Yerwandelung  der  Genossen  des  Odjsseus  konnte  der  Maler 
nicht  mit  dem  Dichter  eins  sein,  er  musste  abweichen.  Am  auf- 
fallendsten endlich  ist  der  Name  der  Dienerin;  Homer  hat  sie  Eurj- 
kleia,  der  Künstler  Antiphata  genannt.  Da  ihm  der  homerische 
Name  nicht  gegenwärtig  war,  wusste  er  sich  zu  helfen  und  nannte 
sie  mit  einem  Namen,  der  an  den  Lästrygonenkönig  Antiphates  an- 
klingt. Aehnlich  heisst  der  Kentaur,  der  die  Deianeira  raubt,  ein- 
mal^) nicht  Nessos,  sondern  Dezamenos,  weil  der  Maler  sich  im 
Augenblicke  des  rechten  Namens  nicht  erinnerte  oder  ihn  mit  einem 
andern  Kentaurennamen  verwechselte.  Wieder  in  einer  anderen 
Yase')  heisst  dicgenige,  die  den  Pelias  zum  Tode  führt,  Alkandra, 
ein  Name,  der  uns  von  keinem  Schriftsteller  für  eine  Peliade  über- 
liefert ist.  Obwohl  femer  nach  aller  Poesie  und  schon  bei  Stasinos 
(Paus,  in,  16,  1)  die  Töchter  des  Leukippos,  welche  von  den  Dios- 
kuren  geraubt  werden,  Phoibe  und  Hilaeira  heissen,  sind  sie  auf  der 
Meidiasvase')  Eriphyle  und  Elera  genannt.  Den  Theoklymenos  finden 
wif  einmal  nepiKXtijicvoc*),  den  Antilochos  'A^(piXoxoc^  benannt. 
In  gleicher  Weise  aber  sind  die  Namen  Aukoc(?)  und  AiV€TOC  auf 
der  Kodrosschale  zu  erklären  (vgLunten  p.  547).  Nur  daraus  lassen 
sich  diese  Abweichungen  von  der  üeberlieferung  erklären,  dass  die 
Künstler  sich  nicht  immer  der  traditionellen  Benennung  erinnern 
konnten.  Zugleich  ergibt  sich  die  Begel,  nie  leichthin  aus  einem 
beigeschriebenen  Namen  eine  Person  in  einem  der  verlorenen  Epen 
erschliessen  zu  wollen. 

Odysseus  entflieht  den  Sirenen. 
Overb.  XXXH,  8. 
Während  die  Sirenen  bei  Homer  das  Schiff  nach  ihrer  v^rgebHchen 
Lockung  ruhig  weiter  fahren  lassen  ()ll  166  ff.),  stürzt  sich  hier  eine 
derselben,  da  sie  ihren  Wunsch  nicht  erfüllt  sieht,  in  die  Fluthen. 
Dieser  letzte  Gedanke  verdient  in  der  That  Beachtung.  Im  Bilde 
sind  es  femer  drei  Sirenen;  zwei  von  ihnen  sitzen  auf  steilen  Felsen. 
Der  Dichter  kennt  nur  zwei,  und  diese  lässt  er  auf  grüner  Wiese 
am  Meeresufer  lagern.  Nur  die  Hauptsache  ist  genau  wiederg^eben. 
Denn  auch  im  Bilde  ist  Odysseus  angebunden,  und  einen  Gegensatz 


>)  Neapel  S089.  abg.  z.  B.  Millingen  peint.  dw.  83.  —  *)  AnmU. 
1876,  tav.Y,  p.  43  f.  —  *)  Br.  M.  1264.  abg.  s.  B.  Gerhard  die  Vase 
des  Meidias.  Conze  Vorlegebl.  IV,  1.  —  *)  Man.  VI,  14.  Welcker,  alte 
Denkm.  V,  Taf.  14.  —  ')  Petersburg  422.  abg.  mon.  V,  11.  12.  Overb. 
XX,  4. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  s.  d.  Gkd.  d.  ep.  Kyklos.  515 

2u  ihm  bilden  die  Oefthrten,  denen  man  leicht  anmerkt,  dass  sie 
den  bezaubernden  Gesang  nicht  vemehmen. 

Die  gleiche  Freiheit  werden  wir  in  einer  Reihe  von  charakteri- 
stisch gestalteten  Einzelkämpfen  wahrnehmen,  deren  Beziehong  auf 
die  nias  theilweise  bestritten  ist.  An  den  Anfang  stellen  wir  den 
berühmtesten  der  Einzelkttmpfe,  den 

Zweikampf  des  Achillens  und  Hektor, 

Uias  X.  Allen  Bitten  seiner  Eltern  zum  Trotz  zieht  Hektor  aus,  dem 
Achilleus  entgegen;  aber  da  er  ihn  erblickt,  überflQlt  ihn  Furcht. 
Fliehend  umläuft  er  dreimal  die  Mauern  Trojas,  bis  Athena  in  Ge- 
stalt des  Deiphobos  ihn  überredet  stehen  zu  bleiben.  Achilleus  sendet 
seine  Lanze,  Hektor  weicht  aus,  und  Athena  bringt  ihrem  Schutz- 
befohlenen die  Wafife  zurück.  Auch  Hektor  wirft  seine  Lanze,  wohl 
trifft  er  den  Schild  des  Gegners,  aber  machtlos  prallt  die  Lanze  zurück. 
Dann  ergreift  er  das  Schwert  und  stürmt  gegen  Achilleus,  dieser 
aber  trifft  ihn  mit  seinem  Speere  dorthin,  i^  KXiiTbcc  dir*  dJ^UjV 
aux^v'  Jxouciv  (V.  324).  Der  todte  Hektor  wird  geschleift,  und  jetzt 
erst  geschieht  seiner  Eltern  wieder  Erwähnung. 

1.  Gerhard  AV.  201.    München  421.  Overb.  452,  105. 
Athena  steht  zwischen  den  Kriegern.    Achilleus  dringt  mit  dem 

zum  Todesstosse  erhobenen  Speer  auf  Hektor  ein,  der  sich  noch  kaum 
mit  dem  Schwerte  des  Gegners  erwehrt  Hektor  ist  bis  auf  eine 
Chlamys  nackt,  während  in  der  Dias  nur  eine  Stelle  am  Halse  Blosse 
gab;  er  blutet  aus  zwei  Wunden  (im  Schenkel  und  in  der  Brust), 
während  in  der  Dichtung  die  eine  Wunde  am  Halse  den  Tod  bringt. 

2.  Auffallende  üebereinstimmung  zeigen  drei  Vasen,  von  denen 
eine  auf  beiden  Seiten  fast  die  gleiche  Darstellung  enthiUt: 

aß)  Overb.  451,  101  und  102.    Gerhard  AV.  202,  4.  6. 
T)  Overb.  451,  403.    Gerhard  AV.  202,  1.  2. 
b)  Overb.  452,  104.  XIX,  4.  Gerhard  AV.  204.  Br.  M.  786» 

Die  beiden  Krieger  sind  umgeben  von  Athena  und  dem  ent- 
weichenden ApoUon,  der  in  der  erhobtoen  Rechten  dem  Achilleus 
drohend  den  Pfeil  hinhält^  durch  den  er  einst  fiedlen  solL^)  Durch 
die  Inschriften  in  b  sind  die  Darstellungen  für  Achilleus  und  Hektor 
gesichert.^  Beide  sind  der  homerischen  Schilderung  entgegen  bis 
auf  Helm,  Schild,  Beinschienen,  Lanze  und  Schwert  nackt;  nur  in  t 
ist  Hektor  bekleidet.  In  ay  stürmt  Achilleus  mit  dem  Schwerte  an, 
das  er  in  der  Uias  nicht  gebraucht,  in  ßb  mit  der  Lanze.  In  yb 
sinkt  Hektor  zurück,  die  gesenkte  Lanze  in  der  Rechten;  in  a  ist 
der  Schaft  des  Speeres  zweimal  im  Winkel  gebrochen,  wodurch 
der   Künstler   Hektors   vergeblichen    Widerstand   andeutet;    in   ß 


')  Die  richtige  Deutung  des  Apollon  gab  zuerst  Braun,  Ruinen, 
p.  814.  Vgl.  Bnum,  Troische  IGscelL,  p.  77.  78.  —  *)  FrOhner  hat  seine 
frühere  Deutung  von  a— t  auf  den  Kampf  des  Hektor  und  Aias  {ehoix 
de  vaa€8f  p.  16)  in  den  musies  de  France  stillBchweigend  ausgegeben. 


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516  H.  Lnokenbaoh: 

endlicb  ist  Hektor  im  Begriflid,  das  Schwert  aus  der  Seheide  zu  oeheii. 
Zweimal,  in  t^y  blutet  Hektor  ans  einer  Wunde  im  Schenkel.  Wir 
sehen,  wie  wenig  sich  die  Maler  in  solchen  Einzelheiten  an  die 
homerische  Schilderang  gehalten  haben.  Die  Nacktheit  der  E9rper, 
die  Wtmden  Rektors,  bald  diese  bald  jene  Waffen  in  den  Httnden 
der  Gegner  sind  deutliche  Zeichen  fttr  die  Freihoit,  die  sich  die 
Künstler  erlaubten.  Wenn  in  ß  grössere  üebereinstimmung  mit 
Homer  zu  herrschen  scheint,  indem  hier  Achilleus  mit  der  Lanze 
andringt  und  den  Hektor  in  der  Nfthe  des  Halses  trifft ,  Hektor  da- 
gegen sein  Schwert  noch  nicht  gan^  aus  der  Scheide  gezogen  hat, 
80  lehrt  der  Beyers  (a),  dass  diese  Üebereinstimmung  absichtslos 
ist,  da  hier  Achill  mit  dem  Schwerte,  Hektor  mit  der  Lanze  be- 
wafihet  ist.  Zur  Erklärung  des  ApoUon  und  des  Pfeiles,  den  der- 
selbe in  der  Hand  halt,  erinnert  Brunn  (Troische  MiscelL  p.  77)  an 
die  Worte  der  Dias  X  213: 

XiTiev  U  i  0oißoc  'AttöXXujv 

und  die  Worte,  die  Hektor  vor  seinem  Ende  dem  Achilleus  zuruft 
V.  368  ft: 

(ppdZeo  vOv  jüiif)  Toi  n  Oeutv  jjnfjvi^a  T^vuiMcti 
fj^ari  Tijj  öre  k^v  ce  TTdpic  Ka\  Ooißoc  'AttöXXujv 
£c6Xöv  dövT*  6X^cuiciv  dvi  CKai^ci  TruXgciv. 

*Den  Inhalt  beider  Stellen,'  sagt  Brunn,  'sehen  wir  zu  einer  Einheit 
verbunden  in  der  Composition  der  Maler.  Apollo  yerlSsst  Hektor; 
aber  die  Drohung,  die  Homer  durch  Hektors  Mund  aussprechen  Ifisst, 
legt  der  Künstler  in  die  Hand  des  Apollo  selbst:  er  zeigt  Achilles 
den  Pfeil,  der  ftLr  ihn  bestimmt  ist  und  durch  Paris'  Hand  ihn  tödten 
soll'.  Gewiss  passen  die  Verse  Homers  trefflich  zu  dem  Gedanken, 
den  der  Maler  im  Bude  niederlegte;  nur  muss  man  nicht  denken, 
dass  der  Maler  mit  sich  zu  Bathe  ging,  wie  er  den  Inhalt  der  home- 
rischen Stellen  am  besten  wiedergäbe.  Den  Geist  der  homerischen 
Poesie  hatte  er  erfasst,  und  er  wusste  auch,  dass  durch  ApoUons 
Pfeil  Achilleus  spSter  erlag,  wfthrend  hier  die  Hülfe  des  Apollon 
vergeblich  war. 

3.  Gerhard  AV.  203.    Overb.  449,  100.  XIX,  1. 

unter  den  Mauern  Ilions,  die  den  Hintergrund  abgeben,  ver- 
folgt Achilleus  den  Hektor,  der  auch  im  Fliehen  den  Speer  gegen 
jenen  zückt  Athena,  die  zugegen  ist,  zeigt  den  Verlauf  des  EampfisB 
an.  An  den  Thoren  stehen  zwei  phrygische  Bogenschützen,  ohne  in 
den  Gang  der  Handlung  eihzugreifen.  Aber  Phamos  und  Hekabe, 
in  Ausdruck  und  Haltung  ihre  Angst  verratheild,  sind  aus  der  Stadt 
hervorgestürzt,  während  Homer  ihrer  nur  vor  und  nach  dem  E[ampfe 
gedenkt  Die  Vertheidigung  Hektors  wShr^d  der  Flucht  war  fUr 
den  Maler  nur  das  Mittel,  um  Flucht  und  Vertheidigung  zugleich 
darzustellen. 


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Verh.  d.  gr.  Vase&lHlder  s.  d.  OM,  d.  ep.  Kyklos.  517 

Einen  verh&ltwJBflmltesig  engen  AnscUass  an  die  homerische 
Poesie  bietet  der 

Zweikampf  des  Diomedes  und  Aineias 

auf  einer  Vase  aas  Eameiros,  welche  im  Journal  of  phüology  1877 
Taf.  B  abgebildet  und  von  Oardner  ebdst.  p.  215  fF.  besprochen  ist. 

Nach  der  homerischen  Erzählung  £  290  entsendet  Diomedes, 
von  Pandaros  getroffen,  auch  seinerseits  den  Speer,  ß^Xoc  b*  lOuvev 
^ABrivT].  Aineias  vertheidigt  den  gefallenen  Freund;  aber  von  Dio- 
medes mit  gewaltigem  Feldsteine  getroffen,  sinkt  er  hin,  und  die' 
Augen  umzieht  ihm  finstere  Nacht.  Aphrodite  eilt  ihm  zu  Hülfe, 
schlingt  um  den  geliebten  Sohn  ihre  Arme,  hält  vor  ihn  zum  Schutze 
ihr  Gewand  und  entträgt  ihn  der  s^rmenden  Feldschlacht  Aber 
da  Diomedes  die  Göttin  waffenlos  sieht,  wagt  er  es  sie  zu  verfolgen 
und  verwundet  sie  mit  der  Lanze  an  der  Hand.  Von  Schmerz  über- 
wältigt lässt  sie  den  Sohn  fahren,  welchen  Apollon  in  finsteres  Ge- 
wölk einhüllt  und  vor  den  Feinden  errettet. 

Auf  dem  Bilde  sehen  wir  Diomedes  mit  dem  Schwerte  ein- 
dringen auf  den  hinsinkenden,  aus  einer  Seitenwunde  blutenden 
Aineias,  den  Aphrodite  mit  ihren  Armen  hält  und  da  vonzuführen 
sucht.  Hinter  Diomedes  die  Schutzgöttin  Athena  ^)  in  ruhiger  Haltung. 
Die  üebereinstimmung  mit  Homer,  so  eng  sie  scheint,  ist  doch  auch 
hier  nur  in  der  Hauptsache  vorhanden.  Viel  enger  schliesst  sich 
z.  B.  die  tc^nUa  Biaca  an.  Hier  führt  Diomedes  über  Pandaros' 
Leiche  hinweg  einen  mächtigen  Stoss  gegen  das  Gewand  der  Aphro- 
dite, welches  die  Gestalt  des  Aineias  umschliesst  (Jahn,  Bilder- 
chroniken p.  14). 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  eine  Schale  des  Duris,  welche 
auf  beiden  Seiten  mit  Kämpfen  geschmückt  ist  Abgebildet  ist  die- 
selbe Fröhner,  choix  de  vases  Taf.  3.  4,  nrnsees  de  France  Taf.  11.  12, 
Conze,  Vorlegebl.  VI,  7. 

1.  Kampf  des  Aias  und  Hektor. 
Homer  erz&hlt  H  181  ff.,  wie  das  Loos  unter  neun  Achaiem  den 
Aias  traf,  damit  er  den  Kampf  mit  Hektor  bestände.  Beide  werfen 
zweimal  ihre  Lanze;  Aias  durchbohrt  den  Schild  des  Gegners,  die 
Lanze  fährt  denselben  streifend  am  Nacken  vorbei,  und  das  dunkele 
Blut  rieselt  zur  Erde.  Aber  Hektor  lässt  nicht  ab  voin  Kampfe; 
mit  einem  grossen  Steine  trifft  er,  wenn  auch  vergeblich,  den  Schild 
des  Aias.  Dieser  greift  zur  gleichen  Waffe  und  trifft  nicht  ohne 
Erfolg  den  Schild  des  Hektor.    V.  270  ff. 

etcui  b*  dicnlb*  ioie  ßaXdjv  |iuXo€ibd\'  ir^rpui 

pX(ii|i€  bi  o\  <p{Xa  TouvaO'*    6  b*  ötttioc  iieravvcBr] 

dcTTib*  dvixpi/KpOeic  TÖv  b*  aTip'  uipOwcev  'AttöXXwv. 


')  Die  Inschrift,  welche  der  Göttin  beigeschrieben  bt,  darf  natürlich 
nicht  mit  Gardner  su  'A6y|v[Yi€]  ergftnst  werden. 


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518  H.  Lnokenbadi: 

Und  jetzt  würden  sie  sicherlich  mit  den  Schwertern  einander  ver- 
y erwandet  haben,  wenn  nicht  die  Herolde  sie  getrennt  hfttten.  Im 
Bilde  stürmt  Aias  mit  der  Lanze  gegen  den  sinkenden  Hektor,  der 
mit  dem  Schwerte  sich  zu  yertheidigen  sucht.  ApoUon  eilt  mit  er- 
hobener Rechten  herbei,  um  Aias  Einhalt  zu  gebieten.  Auch  Athena 
n^ht,  um  Aias  zurückzuhalten;  denn  Hektors  Todestag  ist  noch  nicht 
gekommen.  Nur  der  Inhalt  der  homerischen  Schilderung  ist  un- 
gefähr wiedergegeben,  während  im  Einzelnen  die  Darstellung  an 
grossen  Abweichungen  reich  ist.  Athena  wird  in  der  Ilias  gar  nicht 
erwähnt.  Die  Waffen  im  Bilde  sind  Lanze  und  Schwert;  von  Feld- 
steinen sehen  wir  keine  Spur;  die  Herolde  werden  vermisst  Aber 
treffend  hat  der  Maler  wiederzugeben  verstanden,  dass  Hektor,  der 
zu  unterliegen  scheint,  doch  noch  dem  Verhängnisse  entrinnen  wird. 

2. '  Kamplf  des  Menelaos  und  Paris. 

Während  Michaelis,  Arch.  Zeit  1873,  p.  8  ohne  nähere  Begründung 
die  Scene  in  die  Dias  verweist,  ist  Fröhner  ^)  der  Ansicht ,  dass  der 
Künstler  dieses  Bild  so  nicht  nach  der  Ilias  hätte  bilden  können, 
sondern  dass  ein  anderes,  heute  verlorenes  episches  Gedicht  oder 
auch  Lokalsage  die  Quelle  sei. 

Auf  der  Vase  stürmt  Menelaos,  das  Schwert  in  der  Hand,  gegen 
Alexandres,  der  mit  der  Lanze  bewa&et  sich  eiligst  davonmacht, 
im  Fliehen  sich  umwendend.  Hinter  Paris  steht  Artemis,  die  mit 
der  erhobenen  Rechten  dem  Menelaos  Einhalt  gebietet.  Allein  auch 
auf  der  anderen  Seite  wird  er  gehindert  Denn  eine  Frau ,  die  mit 
der  Linken  eine  Blume  zum  Gesichte  führt,  und  die,  obwohl  nicht 
inschriffclich  bezeichnet,  nur  Aphrodite  sein  kann,  ist  herbeigeeilt  und 
hat  mit  der  Rechten  das  Schwert  des  Menelaos  am  Griffe  angefasst, 
um  so  den  Todesstoss  von  ihrem  Schutzbefohlenen  fem  zu  halten. 
Allerdings  ist  keine  genaue  üeberein  Stimmung  mit  den  Worten 
Homers  vorhanden.  Denn  bei  diesem  f  340 — 382  schleudern  beide 
ihre  Lanzen,  dann  dringt  Menelaos  mit  dem  Schwerte  auf  Paris  ein ; 
aber  dieses  zerschellt  auf  dem  Helme  desselben.  Er  fieisst  ihn  am 
Helm  und  schleift  ihn  hinter  sich  her:  allein  Aphrodite  löst  den 
Helmriemen  und  fährt  den  Paris  in  dichter  Wolke  nach  Troja. 
Auch  in  den  übrigen  Kämpfen  fanden  wir  bezüglich  der  Krieger 
Abweichungen;  hier  ist  freilich  die  grösste,  zugleich  aber  auch  die 
einfiEushste:  Paris  macht  sich  in  schnellem  Laufe  davon.  Aphrodite 
hemmt  den  Andrang  des  Menelaos,  während  sie  in  der  Ilias  den 
Paris  in  einer  Wolke  entfELhrt  Eine  solche  Abweichung  wurde  allein 
schon  durch  die  Unmöglichkeit  der  Darstellung  nach  der  Ilias  nahe 
gelegt.  Als  zweite  Schutzgöttin  ist  hier  Artemis  dargestellt,  die  an 
Stelle  ihres  Bruders  Schutzgöttin  der  Troer  ist  Alle  diese  Ab- 
weichungen sind  nicht  gross  genug,  um  den  Gedanken  an  den  Kampf 


*)  Vates  Napolion  p.  IS.    tnttsüs  de  France  p.  41. 

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Verh.  d.  gr.  Yasdnbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  519 

der  Blas  abzuweisen.  Die  Hauptsache  ist  geblieben:  Paris  durch 
Aphrodite  vor  dem  übermächtigen  Andrang  des  Feindes  errettet. 
Wir  fanden  schon  viel  grössere  Abweichungen,  und  auch  hier  ist 
vielleicht  eine  tmgenaue  Eenntniss  oder  Erinnerung  an  die  einzelnen 
Züge  der  Ilias  seitens  des  Duris  in  Bücksicht  zu  bringen.  Was  aber 
vor  allem  in  die  Augen  flült  und  gegen  Fröhner  spricht,  das  ist  der 
ieine  Bezug  der  beiden  Eampfbilder  der  Schale  auf  einander.  In 
jenem  henunen  Athena  und  Apollon  den  Siegeslauf  des  Aias,  in 
diesem  Aphrodite  und  Artemis  den  des  Menelaos.  Dort  fügte  der 
Künstler  die  Athena  hinzu,  hier  die  Artemis;  und  wie  treffend  es 
war,  in  dem  einen^Bilde  statt  des  Apollon  seine  Schwester  zu  zeichnen, 
bloss  um  dieselbe  Person  zu  vermeiden,  das  leuchtet  von  selbst  ein. 
Auch  in  dem  Epos,  das  Fröhner  annimmt,  wird  er  schwerlich  die 
Artemis  als  Helferin  des  Paris  auftreten  lassen. 

Nach  dem  bisher  Gesagten  dürfte  es  auch  an  der  Zeit  sein, 
der  Ilias  ein  anderes  Vasenbild  zurückzugeben,  das  jetzt  ziemlich 
allgemein^)  den  Eyprien  zugezählt  wird,  ich  meine  den 

Waffentausch  des  Hektor  und  Aias 

oder,  wie  es  gewöhnlich  heisst,  des  Hektor  und  Achilleus. 

Es  ist  die  Bede  von  dem  rfgn.  Vasenbild,  welches  bei  Overb. 
XV,  4  publicirt  und  p.  383  besprochen  ist.')  Wir  sehen  einen  auf- 
gehobenen Zweikampf  dargestellt,  wie  schon  der  Herzog  von  Lujnes 
erklärte.')  Die  beiden  Kämpfer,  in  deren  Mienen  noch  die  Kampfes- 
lust sichtbar  ist,  werden  von  zwei  Greisen  aus  der  Schlacht  geführt. 
Das  Schwert,  welches  der  eine  mit  Scheide  und  Schwertgurt  und  der 
Gürtel,  welchen  der  andere  in  der  Hand  hält^  zeigen,  das  der  Kampf 
ein  friedliches  Ende  nimmt  durch  Austausch  von  Geschenken.  Es 
könnte  soweit  recht  gut  eine  Darstellung  aus  der  Ilias  sein,  in  der 
Aias  und  Hektor  den  Zweikampf  beendigen  H  272  ff.  Schon  haben 
sie  ihre  Lanzen  geworfen  und  schon  ziehen  sie  die  Schwerter,  um 
mit  diesen  aufeinander  loszustürzen,  als  Talthjbios  von  den  Achaiem 
und  Idaios  der  Troer  mit  ihren  Stäben  Einhalt  gebieten.  Idaios 
fordert  sie  auf,  den  Kampf  einzustellen,  und  als  Aias  verlangt, 
Hektor,  der  zum  Zweikampf  gefordert,  möge  ihn  auch  beendigen, 
da  sagt  Hektor  V.  290  fE.: 

vOv  }ikv  navob^xecBa  jLiäxnc  Ka\  bfiiOTfjToc 

cViliCpOV  ÖCT€pOV  aÖT€  ^aX1(^C0jLl€9^  €lC  8  K€  bdjiUJV 

Ä|ijLi€  biaxpiv^,  b(jn\  b'  ^xcpoid  fe  v(kiiv 

V.  299  bujpa  b*  St*  dXXiiXoia  TtepiKXuTÄ  bifio^ev  fi/Jicpui. 

Dass  es  ihm  damit  Ernst  wax|,  zeigen  dann  die  folgenden  Worte 
V.  303  ff.: 


0  So  z.  B.  Jahn,  Münchener  Vaaeo,  p.  CGXIL  —  *)  Daselbst  findet 
sich  auch  die  übrige  Literatur.  —  *)  amtdl,  1832,  p.  8i. 


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520  H.  Lackeabaoh: 

£)c  &pa  (pujWicac  bu)K€  Sicpoc  äpTVpönXov 
CUV  KoXeijj  Tc  (p^pujv  Kai  ^üTjyHfJTqj  TeXa|4urvi 
ATac  bk  l\DCTf\ßa  bibov  <po(viKi  <paeivöv. 
TÜJ  bk  bioucpivO^VTc  6  ji^v  jüi€Tä  Xaöv  'Axaiwv 
f[i\  6  b'  ic  Tpuiu)v  ö^abov  Kie. 

Die  Krieger  auf  unserem  Vasenbilde  yertausclien  genau  nach  des 
Worten  Homers  das  Schwert  mit  Scheide  und  Schwertriemen  und 
den  Gürtel.  Dass  aber  andere  es  sind,  die  den  Zweikampf  eigentlich 
beendigen,  und  die  Worte  des  Hektor  öcTepov  aürre  jiaxilcö^eOa, 
das  könnte  kaum  passender  ausgedrückt  werden  als  dadurch,  dass 
die  Krieger  von  den  beiden  Alten  an  der  Hand  gefasst  sind  und 
weggeführt  werden,  selbst  aber  sich  nur  ungern  zu  trennen  scheinen. 

Man  würde  die  Darstellung  ohne  Zweifel  auf  diesen  Kampf  be- 
ziehen —  und  dies  that  der  Herzog  von  Luynes  — ,  wSre  nicht  eine 
Inschrift  vorhanden,  die  dies  unmöglich  zu  machen  scheint.  Wahrend 
dem  einen  Kämpfer  nämlich  der  Name  Hektor  beigeschrieben  ist, 
führt  der  Alte  auf  der  anderen  Seite  den  Namen  Phoinix.  Lujnes 
nahm  im  Namen  Phoinix  ein  Versehen  des  Malers  an,  anders  Welcker. 
Durch  Phoinix,  meint  er,  ist  der  Krieger,  den  jener  fortführt,  als 
Achilleus  gekennzeichnet  Der  trompetenblasende  Aethiop  auf  seinem 
Schilde  zeigt  ihn  als  den  Besieger  Memnons.  ^)  und  Herolde,  glaubt 
er,  könnten  die  beiden  Alten  schon  deshalb  nicht  sein,  weil  sie  durch 
nichts  als  solche  charakterisirt  seien  und  die  Stöcke,  mit  denen  sie 
sich  aufstützten,  gerade  das  Gegentheil  bewiesen.  Dem  Phoinix,  dem 
väterlichen  Pfleger  des  Achilleus,  entsprechend  soll  der  Alte  auf 
der  anderen  Seite  Hektors  alter  Erzieher  sein.  Zwar,  sagt  Welcker, 
kam  ein  Phönix  des  Hektor  schwerlich  ausserdem  vor,  aber  erlaubt 
war  dem  Künstler  diesen  vorauszusetzen  und  zur  üebereinstimmung 
den  des  Achilleus  gegenüberzustellen,  da  bei  einem  jeden  Helden, 
sobald  es  einen  Zweck  in  der  Fabel  hatte  oder  in  einer  Vorstellung 
sich  von  selbst  erklärte,  sein  alter  Erzieher  aufbreten  konnte.  *)  So- 
mit glaubt  Welcker  einen  aufgehobenen  Zweikampf  zwischen  Aclulleus 
und  Hektor,  der  in  den  Kyprien  besungen  worden  sei,  nachgewiesen 
zu  haben. 

üeber  eins  jedoch  schweigt  er,  darüber  nämlich,  wie  er  sich 
den  Kampf  in  den  Kyprien  unterbrochen  denkt.  Wir  können  doch 
kaum  annehmen,  dass  die  Helden  mitten  im  Kampfe  sich  anders 
besonnen  und  sich  statt  zu  bekri^en  Freundschafb  geschlossen  hätten. 
0£Eenbar  war,  und  dies  würde  ja  auch  das  Vasenbild  lehren,  eine 
trennende  Gewalt  da;  der  Alte  auf  Seiten  des  Hektor  ist  vom  Maler 
der  Composition  wegen  erfunden;  derjenige  also,  der  den  Kampf 
beilegt,  muss  Phoinix  sein;  er  allein  weiss  die  beiden  Gegner  zu 


*)  So  schon  Gerhard,  onnoZ.  1831,  p.  880 ff.  —  *)  Vor  dieser  Er- 
kttraig  scheint  die  von  Overbeok,  p.  333,  Anm.  3  noch  den  Vorsug  sa 
verdienen,  der  in  dem  Erzieher  des  Hektor  den  Friamos  selbst  ^rkmii» 


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Verh.  d.  gr.  VasonbiUer  s.  d.  Ged.  d.  ep.  Ejklos.  521 

trennen.  Nun  htttte  es  aber  erstens  für  den  Diohter  der  Eyprien, 
wenn  er  eine  Soene  der  Ilias  in  die  Eyprien  Übertrag,  nahe  gelegen, 
den  Kampf  durch  Herolde  beendigen  zu  lassen,  die  beim  Zweikampf 
eigentlich  erforderlich  waren.  Sodann  erkennt  Weleker  eine  un- 
genaue Wiedergabe  des  Vasenbildes  an;  denn  nicht  durch  des 
Phoiniz  Worte  allein  werden  die  Gegner  zur  Versöhnung  getrieben. 
Freilich  wftre  es  dem  Maler  unmöglich  gewesen,  den  Phoiniz  zwischen 
den  Kämpfenden  darzustellen,  da  das  Bild  auf  beide  Seiten  der  Am- 
phora yertheilt  ist;  aber  mehr  als  auffallend  ist  es  doch,  dass  im 
Bilde  und  in  der  Ilias  zwei  Alte  genannt  werden,  während  Weleker 
fOr  die  Kyprien  nur  einen  annimmt.  Endlich  aber  bürden  wir  dem 
Stasinos  die  Schuld  auf,  ganz  unselbständig  nach  der  Ilias  Scenen 
erdichtet  zu  haben,  hier  wie  dort  soll  der  Grieche  das  Schwert  mit 
Scheide  und  Schwertriemen,  der  Troer  den  Gürtel  dem  Gegner  zum 
Geschenke  gemacht  haben.  Dies  alles  ist  geeignet,  Bedenken  gegen 
Welckers  Erklärung  aufkommen  zu  lassen.  Was  zwingt  uns  denn 
auch,  in  dem  griechischen  Krieger  den  Achilleus  zu  erkennen?  kann 
allein  Phjoinix  uns  auch  den  Namen  des  Kriegers  sichern?  Aller- 
diogs  hat  ihn  Peleus  dem  unerfahrenen  Achilleus  mitgegeben  als 
Lehrer  des  WcMrts  und  der  That  (I  438—443),  und  er  steht  in 
engerer  Beziehung  zu  ihm,  als  zu  einem  anderen  unter  den  Griechen. 
Allein  dieses  Verhältniss  hatte  ihn  nicht  gebindert,  während  der 
junvic  bei  Agamemnon  zu  bleiben;  von  diesem  wird  er  zu  Achilleus 
gesandt,  um  denselben  zur  Büokkehr  in  die  Schlacht  zu  bewegen; 
und  erst  da  sein  und  der  anderen  Gesandten  Bemühen  vergeblich 
ist,  bleibt  er  auf  Achilleus'  Aufforderung  dauernd  bei  ihm  (I  617). 
Somit  scheint  es  klar,  dass  Phoiniz  auch  einem  anderen  griechischen 
Helden  beigesellt  sein  kann,  besonders  zu  einer  Zeit,  wo  der  grollende 
Achill  sich  der  Schlacht  enthielt.  Dass  endlich  der  Aethiop  auf  dem 
Schilde  des  Griechen  diesen  nicht  als  Memnonbesieger  bezeichnet^ 
sondern  Schmuck  eines  jeden  Schildes  sein  könnte,  ist  heute  kaum 
nöthig  zu  erwähnen.  Ist  so  die  Erklärung  Welckers  weder  auf 
schriftliche  Quellen  begründet,  noch  auf  ixgend  einen  zwingenden 
Umstand,  den  das  Vasenbild  an  die  Hand  gäbe,  so  kehren  wir  zu 
der  Erklärung  des  Herzogs  von  Lujnes  zurück  und  erkennen  Aias' 
und  Hektors  Abschied  nach  dem  Kampfe.  Da  wir  nun  einmal  keine 
Berechtigung  haben,  in  den  Einzelzügen  der  Bilder  einen  möglichst 
engen  Anschluss  an  die  homerische  Poesie  zu  suchen,  so  müssen 
wir  auch  hier  sagen,  dass  der  Maler  statt  der  Herolde,  die  sich  bei 
Homer  finden,  zwei  Alte  wählte.  Kam  denn  etwas  darauf  an,  ob 
grade  Idaios  und  Talthybios  die  Krieger  trennten?  ganz  gewiss 
nicht  Und  es  dürfte  doch  sehr  fraglich  sein,  ob  dieses  Vasenbild 
oder  das  der  Durisschale  den  Kampf  zwischen  Aias  und  Hektor 
treuer  nach  der  Ilias  darstellt.  Will  man  nicht  fast  alle  Kämpfe  in 
die  Kjprian  versetzen,  so  möge  man  auch  diesen  zu  den  Darstellungen 
der  Dias  zählen.     Phoiniz  aber  ist  hier  um  nichts  auffälliger  als 

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522  H.  Lnokenbaoh: 

OdysBeuB  nnd  Antomedon  auf  der  Fran^oisvaBe  (vgL  p.  495  ff.),  und 
angesichts  der  vielen  NamenByerwechselimgen,  von  denen  oben 
(p.  614)  die  Bede  war,  kann  kein  Zweifel  herrschen  ^  dass  der 
Künstler,  da  er  sich  nicht  genau  erinnerte,  zwei  Alte  wüilte,  deren 
Amt  es  ja  passend  sein  konnte,  die  Kämpfenden  zu  trennen.  Ausser 
Nestor  war  Phoinix  von  den  Griechen  allein  geeignet^);  interessant 
wSre  es  zu  wissen,  ob  nnd  wie  der  andere  benannt  war,  da  die  theil- 
weise  zerstörte  Vase  uns  dies  nicht  erkennen  Ittest. 


S  4.    UnteritaliBOhe  Vasen. 

In  den  unteritalischen  d.  h.  den  verhältnissrnttssig  späten  Vasen- 
bildem  hauptsllchlich  apolischen  und  lucanischen  Fundortes  soll  nach 
Overbeck  p.  XI  meist  eine  tragische,  seltener  lyrische  und  nur  aus- 
nahmsweise epische  Quelle  vorauszusetzen  sein.  Diese  Behauptungen 
bedürfen  indessen  einer  Correctur.  Heute  kennen  wir  eine  ganze 
Beihe  von  Vasenbildem  dieser  Epoche,  denen  zu  deutlich  der  Stempel 
des  Epos  aufgedrückt  ist,  und  es  mag  fraglich  sein,  ob  in  Bezug  auf 
die  Sagen,  welche  innerhalb  des  Bereiches  des  epischen  Kjklos  fidlen, 
die  Tragödie  oder  das  Epos  vorwiegt.  Dagegen  ist  ein  lyrischer 
Einfluss  durchaus  nicht  nachzuweisen  und  auch  die  alexandrinische 
Poesie  hat  auf  die  Vasenbilder  nicht  eingewirkt.')  Auch  werden 
wohl  nur  wenige  mehr  das  ürtheil  von  Overbeck  p.  XIII  unter- 
schreiben wollen,  dass,  wenn  z.  B.  ^erb.  X,  5  Eros  den  Paris  vor- 
führt, eine  andere  Quelle  zu  Grunde  liegen  müsse,  weil  dies  nicht 
nach  dem  Epos  sei  Es  kann  das  Epos  zu  Grunde  liegen,  und  doch 
das  Bild  in  den  Einzelheiten  vom  Epos  sehr  verschieden  sein.  Die 
ünteritaliker  haben  ihre  besodere  Art,  die  zu  bekannt  ist,  als  dass 
ich  allgemeine  Züge  anzugeben  brauchte.  Aber  eine  neue  Betrachtung 
der  Vasenbilder  von  unserem  Gesichtspunkte  aus  wird  auch  hier 
einiges  Neue  für  die  Beurtheilung  bringen. 

Dasjenige  Vasenbild,  welches  am  meisten  geeignet  ist  als  Grund- 
lage dieser  Untersuchung  zu  dienen,  ist  leider  noch  nicht  publidrt, 
und  trotz  der  durchsichtigen  Beschreibung,  die  Jatta  gibt,  vermisse 
ich  doch  sehr  die  Abbildimg,  besonders  da  die  richtige  Deutung  erst 
spftter  gefunden  ist.  Die  Vase  gehört  der  Sammlung  Jatta  an, 
Nr.  1097,  beschrieben  p.  559 — 563;  von  Hejdemann,  Arch.  Zeit. 
1872,  p.  43  auf  das 

Gebet  des  Chrjses  und  das  Sühnopfer  der  Griechen 

bei  der  Bückgabe  der  Chrjseis  gedeutet. 

Nach  der  homerischen  Schilderung  schickt  Agamenmon  den 
-Odysseus  mit  der  Chrjseis,  20  Buderem  und  einer  Hekatombe  für 


^)  Die  Popularität  des  Namenr  Phoinix  zeigt  u.  a.  anncU,  1862  ieno,  B. 
—  *)  Vgl  S.  10  u.  11. 


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Verb.  d.  gr.  Vasenbüder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  523 

den  Apollon  nacb  Gbryse  binttber  (A  306 — 312).  Nacb  ibrer  Landung 
fübrt  OdjSBens  die  Obrjseis  am  Altare  des  Gottes  dem  Vater  zu. 
Die  Ruderer  stellen  die  Hekatombe  um  den  Altar,  waschen  sich  die 
HSnde  und  nehmen  Gerstenkörner  in  dieselben.  Dann  fleht  Chryseis 
zum  Apollon,  das  Unheil  von  den  Troern  abwenden  zu  wollen.  Nach 
dem  Gebet  schlachtet  man  die  Opferthiere^  einen  Theil  des  Fleisches 
verbrennt  Chryseis  und  giesst  funkelnden  Wein  hinzu.  Knaben  aber 
nehmen  fOnfzackige  Gabeln,  um  das  Opferfleisoh  zu  halten.  Nach 
dem  Opfer  beginnt  das  Mahl,  des  Weines  wird  nicht  geschont  und 
der  Gott  durch  Gesang  und  Tanz  gefeiert  (A  430 — 476).  Die 
Schilderung  bei  Homer  gibt  die  üblichen  Opferceremonien  an. 

Im  Bilde  hat  Chryses  die  Hllnde  erhoben  und  betet  zum  Apollon, 
der  im  Tempel  auf  einer  Basis  steht.  Chryseis  scheint  die  Bitten 
des  Vaters  zu  unterstützen.  Dagegen  vermissen  wir  den  Odysseus, 
wenigstens  möchte  ich  nach  der  Beschreibung  keinen  der  vier  übrigen 
Mftnner  so  benennen/)  Aus  einer  Quelle  fliesst  Wasser  in  ein 
Becken,  das  als  Untersatz  dient;  vor  dem  Tempel  steht  ein  Altar, 
mit  loderndem  Feuer.  Ein  Priester  nebst  einem  jüngeren  Gehülfen 
steht  daneben;  zwei  andere  Männer  sind  damit  beschäftigt,  einen 
Stier  zu  erlegen.  Hinter  der  Chryseis  stehen  noch  zwei  weibliche 
Personen,  in  der  einen  können  wir  vielleicht  eine  Dienerin  der 
Chryseis  erkennen,  die  andere  ist  als  Opferdienerin  durch  das  Becken 
mit  zwei  Oinochoen,  das  sie  auf  dem  Kopfe  und  durch  die  Kanne, 
die  sie  in  der  Rechten  trägt,  bezeichnet.  Schon  in  allen  diesen  Per- 
sonen gibt  sich  kund,  wie  wenig  der  Künstler  nach  den  Worten  der 
Dias  malte,  wie  er  den  gegebenen  Stoff  in  seiner  Weise  ausbildete. 
Manche,  was  er  uns  bietet,  finden  wir  nicht  in  der  Dias,  und  anderer- 
Seite  gibt  diese  manches,  was  er  zu  bilden  verschmäht  hat.  Wenn 
er  den  Brunnen  zeichnete,  so  hat  er  sicherlich  dies  nicht  gethan,  um 
dem  einen  Worte  der  Dias  xcpviipavTO  (V.  449)  gerecht  zu  werden, 
und  wenn  er  die  Dienerin  mit  der  Kanne  nahen  lässt,  so  haben  ihm 
nicht  die  Worte  i.n\  b'  ofeoTra  oTvov  Xciße  (V.  462)  im  Sinne  ge- 
legen; sondern  zum  Opfer  gehörte  nun  einmal  das  Wasser  und  die 
Weinspende.  Bei  jedem  Opfer,  das  der  Künstler  ausführlicher  dar- 
stellt, wird  uns  ähnliches  begegnen.  Man  vgl.  z.  B.  die  Vasenbilder 
Neapel  1988.  2411.  2858  u.  a.,  und  die  üeberein Stimmung,  die  sich 
nothwendig  ergeben  muss,  bietet  sich  jedem  von  selbst  dar.  Auch 
Götter  wohnen  der  heiligen  Handlung  bei.  Athena  unterhält  sich 
mit  Hermes;  ein  junges  Weib  hört  ihnen  zu.  Athena  lässt  sich  sehr 
wohl  als  Schutzgöttin  der  Griechen  erklären,  und  Hermes,  der  Ge- 
leiter, findet  sich  überall  ein,  wo  Götter  sind;  tmgemein  oft  aber  ist 
er  gerade  in  unteritalischen  Vasenbildem  mit  der  Athena  verbunden, 
und  es  ist  nicht  gerathen,  seine  Gegenwart  immer  durch  Schrifbstellen 
erklären  zu  wollen. 


')  Oder  ist  der  bärtige  Mann  am  Altare  Odysseus? 

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/ 


524  H.  Lnckenlmoh: 

Aber  noch  nicht  genug  mit  diesen  Figuren.  In  der  lockeren. 
Manier  der  spftteren  Vasenmalerei  kommt  auch  noch  Aphrodite 
hinzu,  die  in  der  Hand  eine  Schale  mit  Früchten  hAlt,  yon  denen 
Eros  eine  wegnimmt  Unter  ihnen  sitst  eine  Frao,  die  den  Blick  su 
ihnen  emporwendet 

Um  den  Kern  der  homerischen  Sage  also,  der  deutlich  zum 
Vorschein  kommt,  hat  der  Maler  eine  Reihe  von  Personen  und 
Oöttem  gesohaart,  die,  wenn  überhaupt,  doch  nur  in  einem  sehr 
lockeren  Verh&ltnisse  zur  Haupthandlung  stehen.  Aphrodite  und 
Eros  haben  schlechterdings  gar  keine  Beziehung  zur  Handlung. 
Ausser  der  Chrjseis  und  den  Göttinnen  finden  wir  noch  drei  weib- 
liche Gestalten,  für  deren  Darstellung  Homer  keinen  Anlass  gegeben 
hat.  Sie  zu  benennen  geht  schon  deshalb  nicht  an,  weil  der  Ort  der 
Handlung  die  Insel  Chrjse  ist.  Freilich,  ständen  wir  auf  troischem 
Boden,  dann  würde  man  ganz  ohne  Zweifel  für  mehrere  der  Franen 
Namen  in  Bereitschaft  halten.  Bei  jedem  Anlasse  müssen  Thetis 
und  die  Nereiden,  Iphis  und  Diomede,  Hekabe,  Andromache  u.  a. 
herhalten,  um  ihren  Namen  den  Personen  des  Vasenbildes  zu  leihen. 
Es  wird  dann  mit  Sorgfalt  genau  nach  den  Versen  Homers  abge- 
wogen, welche  der  Frauen  in  nftherem  Verhältnisse  zur  Haupt- 
darstellung steht,  und  demgemftss  erhalten  die  Personen  des  Bildes 
nach  Stellung,  Würde  und  Aussehen  ihre  Namen.  Auch  ftlr  den 
Jüngling  am  Altäre  würde  man  wahrscheinlich  den  Namen  AntUochos 
missbrauchen«  Dass  der  Künstler  auch  Personen  gemalt  hat  in  all- 
gemeiner Bedeutung,  ohne  an  bestimmte  Gestalten  Homers  zu  denken, 
diese  Erkenntniss  erfordert  eine  Entsagung  von  Seiten  des  ErklSrers, 
welche  selten  gefunden  wird  und  doch  angesichts  so  vieler  sicheren 
Fälle  gefordert  werden  darf,  zumal  da  uns  so  oft,  wenn  einmal  der 
Künstler  Namen  beigeshrieben  hat,  solche  entgegentreten,  die  nicht 
im  Epos  begründet  sind,  und  die  der  Künstler  sidi  selbst  erdacht  hat. 
Wäre  z.  B.  in  dem  attischen  Vasenbilde  Overb.  XHI,  2  diejenige 
Jungfrau,  die  dem  Tyndareus  und  Ikarios  die  Entführung  der  Helena 
meldet,  nicht  Euopis  benannt,  ako  mit  einem  beliebigen  schön- 
klingenden  Namen  ^),  dann  würde  man  bei  der  bisherigen  Methode 
schon  einen  Namen  für  sie  gefunden  haben,  etwa  Philonoe,  die  uns 
ab  Schwester  der  Timandra  und  Helena  genannt  wird^),  ja  man 
würde  sagen,  dass  gar  kein  anderer  Name  für  sie  da  sei  und  deshalb 
ohne  Bedenken  ihr  den  betreffenden  Namen  geben. 

An  diesem  Orte  mag  auch  die  Hiupersis  des  Brygos')  berührt 
werden,  die  freilich  ebenf&lls  der  zweiten  Epoche  angehört,  aber  doch 


')  Urlichs  treilich  scheint  den  Namen  Euopis  im  Epos  Buchen  la 
wollen,  da  er  in  einer  Dienerin  der  Helena  auf  einer  anderen  Vase 
(ofifial.  1856,  XIV  —  Conze,  Vorlegebl.  VIII,  3)  Euopis  erkeuit.  ürlichs 
Vasenmaler  Biygos  p.  4.  —  *)  Apollod.  III,  10,  6  und  sonst.  Phüonoe 
in  der  schwanfig.  Vase  Br.  M.  584*.  —  ')  Heydemann,  ninpersis,  Ti^^^^^v 
Conze,  Vorlegebl.  VlII,  4. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  e.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos. 

hier  des  ZusainmeiihaDges  wegen  besprochen  werden  darf,  da  sie 
yielleioht  wie  keine  andere  Vase  interessant  iert  in  Beeng  auf  die 
Namen,  die  Künstler  ihren  Figuren  geben«  ^)  WShreiid  anf  der  einen 
Seite  Neoptolemos  den  Astyanax  am  Beine  gefasst  hftlt  und  aaf  den 
Priamos  eindringt  imd  Akamas  die  Poljzena  hinwegfOhrt,  sehen  wir 
anf  der  anderen  den  Straseenkampf ,  in  dem  die  letzten  Troer  nach 
heldenmüthiger  Oegenwehr  fiklle».  Ein  Grieche  Opsime[don?]') 
stürmt  gegen  den  schon  g^snnkenen  Andromachos;  ihm  stellt  sich 
ein  Weib  entgegen,  Andromache,  mathig  in  beiden  Händen  die  Kenle 
schwingend;  Sngstlioh  sieh  zurückwendend  flieht  Astyanax  davon. 
Die  Namen  haben  Schwierigkeit  gemacht:  d^m  eine  bestimmte  Soene 
des  Epos  liegt  hier  nicht  vor,  und  den  Astyanax  finden  wir  nebenan 
bereits  von  Neoptolemos  getödtet.  Der  Maler,  der  eine  Scene  all- 
gemeinerer Art  entworfen  hatte,  suchte  Namen  für  seine  Personen: 
das  muthige  Weib  nannte  er  Andromache,  den  Gefollenen,  den  sie 
Yttiheidigt,  Andromachos,  den  schüchternen  Knaben  Astyanax.  Man 
darf  nicht  die  Frage  stellen,  ob  dies  die  Andromache  und  der  Astyanax 
des  Epos  sind;  sie  sind  es  und  sind  es  auch  nicht:  denn  ihre  Namen 
hatte  der  Künstler  im  Auge,  aber  eine  sie  betreffende  Scene  des 
Epos  stellte  er  nicht  dar.  Die  Namen  Opsimedon  und  Andromachos, 
in  dem  wir  yielleicht  den  Gatten  der  Andromache  erkennen  dürfen, 
wählte  der  Maler  beliebig,  bei  dem  letzten  Namen  nur  auf  die  Be* 
deutnng  aditend.  Hinter  Opsimedon  entflieht  ein  Weib,  und  ein 
Krieger  dringt  auf  den  gesunkenen  Gegner  ein.  Treffend  sagt  Heyde- 
mann  a.  0.  p.  23  ^sie  benennen  zu  wollen  w&re  Spielerei  und  Mangel 
an  Verständniss  des  Kunstwerks'.  Nur  den  Untergang  der  Troer, 
nicht  aber  bestnnmter  Troe^  sehen  wir  vor  unseren  Augen,  und  da 
der  Künstler  selbst  individualisiren  wollte,  wählte  er  Namen,  die 
ihm  beifielen,  und  daarunter  auch  den  der  Andromache  und  des 
Astyanax,  Namen,  die  hier  von  ihrer  individuellen  Bedeutung  zu 
einer  allgemeineren  verflüchtigt  wurden« 

Ein  weiteres  Beispiel  für  die  Richtigkeit  d«r  aofgesteltten  Be- 
hauptung, dass  man  mit  wenig  Beeht  mt^liehst  vielen  Personen 
Namen  beilegt,  liefert  die  Perservase. ^)  Im  B«lhe  des  KOaigs  sind 
ausser  dem  Boten  und  dem  Doryphoros  noch  fünf  Personen  anwesend. 
Heydemann^)  glaubt,  wie  andere  vor  ihm,  in  allen  habe  der  Maler 
bestinmite  historische  Gestalten  vorführen  wollen,  und  sucht  sie 
deshalb  mit  Namen  zu  benennen.    Hippias,  Gobryes  und  Demaautos 


*)  Zur  Auffassung  v£[l.  Heydemann  a.  0.  p.  28  ff.  Brunn,  troische 
Miscellen,  p.  226  ff.  ürlichs,  der  Vasenmaler  Brygos,  p.  4.  6.  Oonze, 
Gott.  ^el.  Anz.  1867,  p.  596.  —  *)  UrHohs  vertauscht  die  l^taien,  nennt 
den  Griechen  Andromadbos,  den  G^allenen  Opsimedoe.  Dies  oeht  wogen 
der  Stellung  der  Inschriften  nicht  an.  üeber  die  Erg&nsung  des  Namens 
vgl.  Heydemann  a.  0.  p.  23.  —  ')  Diese  Bemerkunffen  gingen  hervor  aus 
einer  Besprechung  der  Perser vase  im  Seminar  des  Herrn  Prof  Michaelis. 
—  «)  Neapler  Katalog  S258.    anncd,  1878,  p.  80  ff.  — 


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526  H.  Lackenbach: 

sind  ihm  relaHy  gesichert;  in  dem  vierten  erkennt  er  einen  Tyrannen 
irgend  einer  kleinen  asiatisch-griechischen  Stadt,  in  dem  f&nften  den 
Arti^hrenes  oder  auch  Otanes  oder  endlich  Daiis.  Allein  abgesehen 
dayon,  dass  wir  beim  Maler  kaum  die  Kenntniss  aller  einzelnen  Um- 
stSnde  am  Perserhofe,  aller  Personen,  die  zu  jener  2^it  yon  Ghechen 
und  Persem  dem  Könige  nahestanden,  voraussetzen  dürfen,  sehen 
wir  deutlich,  dass  der  Maler  uns  über  keine  Person  im  Unklaren 
lassen  wollte,  mit  der  er  selbst  einen  bestimmten  Namen  verknüpfte. 
Beginnen  wir  mit  der  obersten  Reihe,  so  sind  Artemis^  ApoUon, 
Nike,  Zeus  und  Athena  für  jeden  sofort  kenntlich;  die  übrigen  Ge- 
stalten, über  deren  Benennung  man  sich  sonst  vielleicht  heute  noch 
nicht  geeinigt  haben  würde,  bezeichnete  er  durch  Inschriften  als 
Hellas,  Apate  und  Asia.  Für  die  Personen  der  untersten  Reihe  be- 
dürfen wir  ebenfalls  keiner  Namen:  wir  erkennen  den  Schatzmeister 
und  die  Repräsentanten  der  tributzahlenden  Provinzen.^)  Lasen  wir 
bei  Herodot  von  einem  Schatzmeister  des  Dareios  um  diese  Zeit^  ich 
zweifle  nicht,  dass  man  auch  seinen  Namen  für  den  Schatzmeister 
der  Vase  verwandt  hfttte.  In  der  mittelsten  Reihe  ist,  damit  die 
Darstellung  durchaus  klar  sei  und  man  nicht  zwischen  Dareios  und 
Xerxes  schwanke,  der  König  Dareios  benannt:  dürften  wir  nicht  auch 
erwarten,  dass  der  Künstler  ein  Gleiches  bei  den  übrigen  Personen 
gethan  haben  würde?  Wenn  er  für  den  Beschauer  die  Namen  Hellas, 
Apate  und  Asia  beischrieb,  warum  nicht  auch  die  Namen  Gobxyes, 
Demaratos,  Hippias  u.  s.  w.  Diese  waren  gewiss  nicht  leichter  zu 
errathen  als  die  symbolischen  Figuren  der  obersten  Reihe.  Hejde- 
mann  hat  auf  die  Verschiedenheit  des  Kostüms  aufinerksam  gemacht; 
er  will  Perser,  Griechen  und  Eleinasiaten  erkennen;  und  wenn  dieser 
Unterschied  richtig  wttre,  so  würde  man  vielleicht  doch  auf  die  Be- 
nennung der  einzelnen  Männer  zurückkommen  dürfen.  Da  jedoch 
der  Zahlmeister  nicht  als  Perser  gekleidet  ist  und  doch  unzweifelhaft 
als  solcher  gedacht  werden  muss,  werden  wir  auch  in  der  Yer- 
schiedenheit  der  Kleidung  der  Umgebung  des  Königs  nur  das  Streben 
nach  Abwechselung  oder  auch  den  .Wunsch ,  die  Mischung  griechi- 
scher und  asiatischer  Elemente  in  mannichiacher  Abstufung  zur 
Anschauung  zu  bringen,  zu  erkennen  haben.  Wenn  endlich  der 
Aeusserste  rechts  steht  und  nicht  sitzt,  so  ist  dies  wohl  in  erster 
Linie  dem  Raummangel,  dann  wieder  demselben  Bedürfniss  nach 
Abwechselung  zuzuschreiben.  Die  Benennung  der  einzelnen  Personen 
ist  also  ohne  genügenden  Grund  vorgenommen.  Der  Maler  hat  den 
König  im  Rathe  seiner  Edlen  dargestellt;  wie  diese  hiessen,  blieb 
ihm  gleichgültig. 

Der  getadelte  Versuch,  möglichst  viele  Personen  zu  individu- 
alisiren,  soll  an  einem  andern  Vasenbilde  sofort  zur  Sprache  kom- 
men, dem 


^)  Michaelia  ist  geneigt,  in  ihnen  Weiber  zu  erkennen. 

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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Qed.  d.  ep.  Eykloa.  527 

Todtenopfer  des  Aohilleus  za  Ehren  des  Pfjftroklos. 
üfon.  IX,  32.  33.    amal.  1871,  p.  166—186.    Neapel  3254. 

Den  wesentlichen  Inhalt  des  Todtenopfers  sehen  wir  auf  der 
Vase;  die  Inschrift  TTarpÖKXou  rdcpoc  zeigt  dies  schön  an.  In  der 
Mitte  ist  der  grosse  Scheiterhaufen  errichtet;  auf  demselben  liegen 
zwei  Panzer,  ein  Helm,  femer  sind  zwei  Beinschienen  und  ein  Schild 
an  demselben  befestigt.  Es  liegt  nahe,  an  das  Gelübde  des  Achilleus 
zu  denken: 

oü  C€  Tiplv  KT6ptu)  Tipiv  t'  "CicTOpoc  dvOdb'  dveiKai 
TeOx€a  Kai  KcqxxXyjv  (C  334  f.). 

Nur  wird  man  nicht  glauben  wollen,  dass  der  Maler  durch  diesen 
Vers  zu  seiner  Darstellung  bewogen  sei.  Die  Waffen  werden  nur 
hier  und  X  368  ff.,  wo  Achilleus  dem  Hektor  die  Büstung  raubt, 
kurz  erwShnt.  Ist  es  doch  fraglich,  ob  der  Maler  sich  selbst  klar 
darüber  gewesen  ist,  ob  er  Hektors  Waffen  dargestellt  hat  oder 
andere.  Gegen  das  erste  sprechen  eigentlich  schon  die  beiden  Panzer, 
da  Hektor  doch  nur  einen  trug.  Nicht  also  die  Worte  Homers  haben 
den  Ausschlag  gegeben,  sondern  die  allgemeine  Sitte,  dem  gefallenen 
Krieger  die  Waffen  mit  ins  Grab  zu  geben,  übertrug  der  Maler  auf 
die  Heroenzeit. 

Links  vom  Scheiterhaufen  befinden  sich  vier  Troer,  ein  fünfter 
in  der  unteren  Reihe;  einen  von  ihnen  ist  Achilleus  im  Begriffe 
niederzumachen.  Allen  sind  die  Hftnde  auf  dem  Bücken  zusanmien- 
gebunden,  wie  es  uns  die  lüas  berichtet  O  30: 

bf)c€  b'  ömccuj  xeipac  iöTjut^TOiciv  ijuSciv. 

Indesa  sei  auch  hier  daran  erinnert,  dass  die  Fesselung  der  Httnde 
auf  dem  Bücken  die  gewöhnliche  ist.  Beiches  Haar  trttgt  Achilleus, 
wfthrend  er  sich  nach  Homer  vor  dem  Todtenopfer  scheert.  Auf  der 
anderen  Seite  steht  ein  Heerführer  (Agamemnon);  mit  der  Bechten 
giesst  er  eine  Schale  rothen  Weines  auf  den  Scheiterhaufen.  Zu 
seinen  Füssen  steht  eine  Hydria.  Zu  ihrer  Erklftrung  die  Worte 
Homers: 

tv  b*  ^TiOei  jüi^XiToc  Ka\  äXciqpaTOC  ä^(pi90pf)ac 
Ttpdc  Uxea  KXivujv(Y  170  f.) 

herbeizuziehen,  scheint  mir  durchaus  unpassend,  unzweifelhaft  ent- 
hält sie  die  gespendete  Flüssigkeit.  Von  Achilleus  lesen  wir  V  218  ff. : 

6  bk  Ttdwuxoc  ÄKUC  'AxiXXeuc 
Xpuc^ou  ^K  KpriTflpoc  dXdiv  bitxac  djKpiKUTTcXXov 
oTvov  dqpuccdjLicvoc  xaix&bic  x^€,  beOe  bk  tctiav 
^fXJXi\v  KiKXifjCKWv  TTaTpoKXf^oc  beiXoio. 

Achilleus  spendet  den  Wein;  Achilleus  hat  aber  auch  das  Opfer  zu 
vollziehen:  beides  im  Vasenbilde  auszudrücken  war  nicht  möglich, 

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528  H.  Lnckenbach: 

der  Maler  half  sieh  und  theUte  die  Spende  dem  Agamannon  2U,  in- 
dess  Acbillens  eelbat  die  Troer  biamerdet  Dass  jedoch  dem  Maler 
überhaupt  die  Verse  des  Homer  in  der  Erinnerung  lagen,  scheint 
mir  sehr  problematisch.  Wie  ich  glaube,  würde  unzweifelhaft  das 
Yasenbild  dasselbe  sein,  auch  wenn  jene  Verse  nie  in  der  Ilias  ge- 
standen hätten.  Beim  Opfer  ist  die  Spende  angebracht,  zur  Spende 
gehört  die  Schale,  der  Wein  und  ebenso  das  Gefftss,  in  dem  derselbe 
vorher  aufbewahrt  war.  ^)  Dass  Agamemnon  hier  spendet,  ist  gewiss 
ein  feiner  Zug  des  Künstlers;  Agamenmon^  der  oberste  Heerftlhrer 
der  Orieoken,  der  jetzt  mit  Achüleos  neu  v^vöhnt  ist,  war  hier  mehr 
als  jeder  andere  am  Platze.  Hinter  ihm  befinden  sieh  zwei  Frauen: 
die  erste,  die  man  wohl  mit  Eecht  Thetis  genannt  hat  und  deren 
Anwesenheit  sich  leicht  erklärt,  steht  verhüllt  da;  die  zweite  naht 
mit  einer  Schale,  einer  Binde  und  einem  Fächer  in  Händen.  In  der 
Ilias  wird  ihre  Funktion  beim  Opfer  nicht  erwähnt  Zwei  weitere 
Frauen  sind  in  der  unteren  Beihe  dargestellt,  eine  wiederum  ruhig 
dastehend,  indess  die  andere  aus  einer  Amphora  Wasser  in  einen 
DreifuBS  giesst.  Während  man  in  jener,  die  mit  der  Schale  nahte, 
sich  begnügen  musste,  eine  Zuthat  des  Künstlers  zu  erblicken,  hat 
man  diese  wieder  aus  Homer  zu  erklären  versucht  und  an  die  Verse 
erinnert: 

Sk  ciirdiv  ^irdpoiav  ^k^kX€To  btoc  'AxiXXeOc 
ä^q)l  iTupl  crf^cai  rpiiroba  ]xi'xixy  dq)pa  T^xicra 
TTäTpOKXov  XoOc€tav  Ärro  ßp^ov  aljuicrröevTa. 
ol  bk  Xoexpoxöcv  xphtob'  kxacciv  iv  irupl  ktiX^ui 
t\  b*  fip*  öbuip  Ixeav  (C  343  ff.). 

Diese  Beziehung  liegt  zu  fem;  vor  allem  fehlt  j«  der  Leidmam  des 
Patroklos,  um  dessentwillen  die  Dienerin  beschäftigt  sein  solL  Femer 
ist  daran  gedacht,  dass  man  V  35  den  Achilleus  zu  überreden  sneht, 
sich  vom  Blute  zu  reinigen  jxad  den  Dienetm  den  Befehl  gibt,  einen 
grossen  Dreifuss  ans  Feuer  zu  stellen,  Achilleus  dagegen  sich  zu 
reinigen  weigert,  ehe  das  Todtenopfer  dem  Freunde  gebracht  ist. 
Allein  nicht  jener  Worte  des  Homer  wegen  hat  der  Maler  die 
Dienerin  gemalt,  die  Wasser  in  einen  Dreifuss  giesst.  Wie  sich  die 
Darbringung  der  Waffen,  die  Dienerin  mit  den  Opfergeräthschaften 
aus  dem  Bitus  erklärt,  so  auch  der  Dreifuss  und  die  Dienerin  mit 
der  Amphora.  Das  Opfer  erforderte  die  Beinigung:  dann  aber  gehört 
Wasier  zu  jedem  Opfer;  bm  dem  Gebet  des  ChrTses  floss  aus  einer 
Quelle  Wasser  in  den  Untersatz« 

Am  äussersten  rechten  Ende  sieht  das  Viergespann  des  AchiUeus, 
an  dem  der  blutige  Leichnam  des  Hektor  mit  den  Füssen  b^estigt  ist. 


')  Vgl.  oben  Opfer  des  Chryses.  Hinsichtlich  der  Spende  sei  an 
KroisoB  auf  dem  Scheiterhaufen  erinnert,  der  mit  der  Rechten  aus  einer 
Schale  den  Wein  ansgieBBt  (fmm.  I,  64.    Weleker,  alte  Denkm.  111,  33). 


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Yerh.  d.  gr.  Vaaenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  529 

Der  Wagenlenker  htit  die  Bosse  an;  er  hat  sich  zarfickge wandt  nnd 
tinterhSlt  sich  mit  einem  Jttnglinge,  in  dem  man  den  Antüochos  er- 
kannt hat  Ffir  des  letzteren  Anwesenheit  hat  Michaelis  sich  darauf 
berufen,  dass  C  2.  32  Antilochos  dem  Achilleos  die  Trauerbotschaft 
vom  Tode  seines  Freundes  überbringt  und  mit  ihm  den  Todten  be- 
klagt. Allein  wäre  dies  die  ganze  Bedeutung  des  Antilochos,  dann 
würde  der  Maler  ihn  schwerlich,  hier  angebracht  haben,  er  würde 
gar  nicht  an  ihn  gedacht  haben.  Nicht  darum  wai*  es  ihm  zu  thun, 
nur  aus  der  Dias  eine  Scene  herauszuschälen  und  gewissermassen  zu 
isoliren,  sondern  er  schöpfte  aus  dem  ganzen  Gewebe  der  Sagen, 
das  er  durchdrungen  hatte.  Er  wusste,  dass  Antilochos  an  die  Stelle 
des  Patroklos  in  der  Aethiopis  trat  und  dem  Achilleus  später  der 
liebste  Freund  wurde,  ein  Yerhältniss,  das  schon  die  Dias  andeute!  ^) 

Diese  Art  und  Weise  der  Verbindung  von  Personen,  die  aus 
Terschiedenen  Dichtungen  bekannt  waren,  ist  soviel  ich  sehe  noch 
nicht  gebührend  hervorgehoben.  Besonders  lehrreich  ist  die  Art 
des  Poljgnot,  und  so  wenig  auch  dieser  hinsichtlich  der  Composition 
und  Erfindung  sich  mit  den  Vasenmalem  vergleichen  lässt,  so  passend 
scheinen  mir  doch  einige  Worte  über  die  Art  zu  sein,  mit  der  er 
die  Personen  verschiedener  Gedichte  verband.  In  seiner  Diupersis 
hält  er  sich  im  Wesentlichen  an  das  Gedicht  des  Lesches  (Paus.  X, 
25 — 27).  Sofort  im  Eingange  wird  uns  die  Abfahrt  der  Griechen 
geschildert;  auf  dem  Schiffe  des  Menelaos  befindet  sich  der  Steuer- 
mann desselben,  Phrontis,  dessen  Namen  Poljgnot  nach  des  Paasa- 
nias  richtiger  Bemerkung  aus  der  Odyssee  (t  276 — 285)  geschöpft 
hat.  Zur  Helena  fügte  er  Briseis,  Diomede  und  Iphis,  die  er  ohne 
Zweifel  aus  der  Dias  kannte.  Unter  den  gefangenen  Troerinnen 
malte  er  die  Medusa,  Elymene  und  Aristomache.  Bei  diesen  Frauen 
lagen  ihm  Beminiscenzen  aus  der  Diupersis  und  den  Nosten  des 
Stesichoros  vor.  Auch  die  Deinome  brachte  er  an,  und  diese  wurde 
in  der  kleinen  Dias  erwähnt  Von  einer  Verquickung  aller  dieser 
Gedichte  kann  natürlich  nicht  die  Bede  sein;  aber  dass  Poljgnot 
gründlich  in  der  Literatur  bewandert  war,  können  wir  dem  ent- 
nehmen. 

Dasselbe  nun  haben  auch  die  Vasenmaler  gethan.  Wie  in 
unserem  Bilde  wesentlich  der  in  der  Aethiopis  geschilderte  Freund- 
schaftsbund des  Achilleus  und  Antüochos  die  Veranlassung  für  den 
Maler  war  letzteren  hinzuzufügen,  so  finden  wir  auf  vielen  anderen 
Personen,  die  nicht  in  der  betreffenden  Stelle  der  Poesie  erwähnt 
zu  werden  brauchen.  So  erblicken  wir  auf  einer  anderen  unter- 
italischen Vase'),  auf  der  die  Lösung  des  Hektor  durch  Priamos  nach 
Aischylos  dargestellt  ist,  auch  Thetis,  Nestor  und  Antilochos'),  aber 


»)  Y  666  6n  ol  ©«Xoc  i^€v  ^Tdlpoc.  —  *)  Overb.  XX.  4.  Conze,  Vor- 
legebL  I,  8,  2.  Peteraburff  422.  Arch.  Zeii  1879,  p.  15  ff.  —  'O  Uebrigens 
steht  auf  der  Vase  *A|Li9tXoxoc,  vgl.  p.  614. 

Jahrb.  f.  oUm.  Phil.  SuppL  Bd.  XI,  Dig^^,  by  GoOglc 


530  H.  Lackenbacli: 

schwerliGh  spielte  eine  dieser  Penonen  im  Drama  eine  Bolle.  Beim 
Morde  des  Aigisthos^)  dttrfen  wir  die  Gegenwart  des  Talthjfaios  bei 
der  Frage  nach  der  Quelle  nicht  in  Anschlag  bringen.  Das  Bild 
wfirde  dem  Drama  folgen  kOnnen,  obwohl  dieses  den  Talthybios  un- 
erwähnt Hess.  Wenn  in  derselben  Darstellung  Chiysothemis  uns 
an  Sophokles  erinnern  kami,  so  ist  durch  ihre  Gegenwart  allein 
Sophokles  nicht  als  Quelle  erwiesen,  örade  bei  diesem  Bilde  dürfen 
wir  von  einer  eigentlichen  Quelle  nicht  reden.»  Den  Mord  des  Aigi- 
sthoB,  den  das  Epos  und  die  Tragödien  des  Aisohylos  und  Sophokles 
gedichtet  hatten^),  sehen  wir  vom  Künstler  frei  gebildet  ohne  enge 
Anlehnung  an  eine  bestimmte  Quelle. 

üebrigens  ist,  um  nach  dieser  Abschweifung  wieder  zu  unserer 
Vase  zurückzukehren,  die  Zurückhaltung,  mit  der  Michaelis  den 
Jüngling  Antilochos  benemit,  nur  zu  begründet,  da  vielleicht  der 
Künstler  gar  nicht  an  einen  bestimmten  Griechen  gedacht  bat. 
Wenn  Heydemann  zweifelt,  ob  er  ihn  Antilochos  oder  Alkimos  be- 
nennen soll,  fCbr  den  letzteren  Namen  sich  berufend  auf  T  392,  wo 
Automedon  und  Alkimos  dem  Achilleus  die  Bosse  anspannen,  so  ist 
es  für  mich  kaum  denkbar,  dass  der  Maler  diesen  Alkimos  dar- 
gestellt habe.  Hatte  er  eine  bestimmte  Person  im  Auge,  zu  welcher 
Annahme  kein  genügender  Grund  yorliegt,  dami  kann  er  wohl  nur 
den  Antilochos  gemeint  haben.  Auch  den  Wagenlenker  hat  man 
benannt  mit  dem  Namen  Automedon,  den  die  Uias  an  die  Hand  gibt. 
So  passend  iiiese  Bezeichnung  ist,  so  bleibt  es  trotzdem  noch  immer 
fraglich,  ob  der  Künstler  an  den  Automedon  gedacht  hat  Hätte  er 
Namen  beigesohrieben,  möglich,  dass  er  dann  wie  jeuer  Maler  rer- 
fahren  w&re,  äer  die  Dienerin  des  Odjsseus  Antiphata  nannte. 

Die  Mitte  des  obeorsten  Streifens  nimmt  ein  Zelt  ein,  in  dem 
zwei  Greise  (wohl  Nestor  und  Phoinix)  sich  unterhalten.  Links  von 
ihnen  zwei  Mjrmidonen  im  Gesprftche,  neben  denen  eine  Frau  steht 
traurig  nachdenkend.  Zur  Beohten  endlich  Athena,  die  sich  mit 
Hermes  unterredet  Zu  diesen  beiden  (jöttem,  die  uns  auch  schon 
▼orhin  begegneten,  gesellt  sich  Pan,  der  so  hAu^  auf  unteritalisch^n 
Vasen  sich  findet,  ohne  dass  für  seine  Anwesenheit  tiefere  Be- 
ziehungen sich  finden  liessen. 

Fünf  weibliche  Personen  waren  ausser  Athena  auf  unserer  Vase 
zugegen.  Vier  davon  hat  man  mit  Namen  benannt^  die  uns  die  Dias 
angibt,  Thetis,  Briseis,  J^his,  Diomede,  die  Mnfbe  wird  einfach  als 
Dienerin  bezeichnet.  In  der  einzelnen  Benennung  gehen  die  An- 
sichten zum  Theil  auseinander,  worauf  ich  mich  hier  nicht  näher 
einlassen  kann.  Auch  ich  habe  mich  oben  der  Benennung  der  Thetis 
angeschlossen,  und  da  die  in  Bede  stehende  Frau  sich  vor  allen 
anderen  auszeichnet,  glaube  ich,  dass  man  Unrecht  thun  würde, 


0  Man.  VIII,  16.    Conze,  Vorlegebl.  I,  1,  2.    Vgl.  Heibig,  annal. 
1865,  p.  222.  —  *)  Auch  EuripideB  in  seiner  Elektra. 

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Verb.  d.  gr.  Vaseubilder  z.  d.  Qed.  d.  ep.  Eyklos.  531 

weim  mim  behauptete,  dex  Künstler  habe  ga^  keine  bestimmte  Person 
dargestellt.  Nur  darüber  würde  sich  streite^  lassen,  ob  wir  in  ihr 
auch  Thetifi  ua4  nicht  ejbwa  Briseis  zu  er^Ecnnen  ha^^.  üathunlich 
ist  dagegen,  audb  allen  übrigen  Frauen  üjTamen  zu  geben.  ^)  gönnte 
der  Künstler  nicht  ebensogut  nur  Frauen,  nicht  aber  bestimmte 
Frauen  malen,  wie  er  ja  auch  zwei  Mynnic^ooen  malte,  dienen  bisher 
niemand  Namen  gegeben  hat?  Die  einmalige  kurze  Erw&hnung  der 
Iphis  und  Diomede  in  der  IHas  (I  664 — 668)  ist  gewiss  nicht  ge- 
eignet«  den  Glauben,  dass  4er  Künstler  an  sie  »icht  gedacht  habe, 
zu  unterdrücken.  Wenn  so  manches  Bild  Figurjen  aufweist,  4^e  nicht 
in  der  Poesie  begründet  sind,  dann  ist  doch  auch  da  Vorsicht  an- 
zuratheai,  wo  sich  dieselben  allenfalls  benennen  liessen.  Ganz  zu 
verwerfen  aber  ist  es,  wenn  man  sogar  die  feste  und  sichere  Ent- 
scheidung wagt,  Welche  von  den  Personen  Iphis  und  welche  Diomede 
zu  nennen  sei. 

üeberblicken  wir  noch  einmal  die  Darstellung,  so  bietet  sich 
uns  ein  wohldurchdachtes  Ganze  dar,  dessen  Kern  die  Bache  ist,  die 
Achilleus  den  Manen  des  Patroklos  versprochen  hat  Hektor  ist 
todt  und  die  troischen  Jüivglinge  fallen  zum  Opfer.  Die  übrigen 
Personen  stehen  meist  in  lockerer  V^rbindujpg  mit  der  Haupthandlung. 
Vermissen  könnten  wir  nur  den  Patroklos  selbst,  der  nach  ier  Ilias 
vor  der  Hinseddachtung  der  Troer  auf  den  Scheiterbaufw  gelegt 
wird.  Vielleicht  wii^  uns  s«in  Fehlen  weniger  befremden,  yfBUffi  wir 
sehen,  wie  frei  4er  Künstler  verfuhr;  die  Waffen  auf  dem  Sche^er- 
bau£en,  hier  Agamemnon  spendend,  dort  die  Dieneren  Wasser  be- 
reitend, eine  andere  mit  ein^r  Schüssel,  einem  F{(c(ber  und  einer 
Binde  herbeieilend;  Achilleus  mit  langem  Haare,  Phoinix  mit  Nestor, 
Atibena  mit  Hermes,  ein  Mjrmidone  mit  eine^  anderen,  der  Wagen- 
lenker  mit  Antiloehos  (?)  im  Gespräche:  dies  alles  ist  mehr  oder 
weniger  frei  geschaffen,  zum  Theil  nach  Personen,  die  das  Epos  an 
die  Hand  gibt. 

Wenn  wir  vorhin  die  Anlehnung  an  Einzelheiten  möglichst  zu 
leugnen  suchten,  einzig  von  dem  Gedanken  ausgehend,  dass  der 
Künstler  nach  seinen  Kenntnissen  der  Sage  aus  sich  selbst  heraus- 
producirt,  nicht  aber  nach  vorhergegangenem  Studium  des  Homer 
sich  an  diesen  möglichirt  treu  anschliesst,  so  hatten  wir  für  unsere 
Ansicht  eine  wesentliche  Stütze  an  dem  Bude,  welches  das  Gebet 
des  Chryses  uns  vorführte.  Keine  geringe  Bestätigung  gibt  uns  die 
Vase,  zu  der  wir  uns  jetzt  wenden: 

die  Schleifung  des  Hektor  um  das  Grabmal  des  Patroklos. 

Overb.  457,  116.    Neapel  3228. 
In  einem  Grabtempelchen  steht  ein  nackter  weissgemalter  JüngUng, 
der  Schatten  des  Patroklos.    Daneben  ist  eine  Frau  sichtbar  mit 


^)  Vgl.  Michaelis  p.  181  j9«r  avoentura  assegnando  nami  certi  anche  a 
queste  fi^e  secandarie,  ascriveremtno  al  pittore  pensieri  che  certo  nan  e^e. 


34*  HK 

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532  H.  Lnckenbacli: 

aufgelösten  Haaren,  in  der  Linken  eine  Schale  haltend,  offenbar  am 
am  Grabe  des  Verstorbenen  eine  Opferspende  vorzunehmen.  In 
ähnlicher  Absicht,  nm  den  Todten  za  ehren,  naht  eine  zweite  Frao, 
in  den  Hftnden  einen  Kranz  und  einen  halbgeö&eten  Kasten 
tragend.  Bei  ihr  steht  ein  Jüngling,  der  mit  beiden  vorgestreckten 
Hftnden  einen  Schild  hebt;  hinter  ihm  stehen  zwei  gekreuzte  Speere, 
unterhalb  des  Grabtempels  sprengt  das  Viergespann  des  Achillens 
einher,  von  ihm  selbst  geleitet.  Das  Haupt  traurig  senkend  blickt 
er  zu  dem  geschleiften  Hektor  herab.  Wie  so  oft  in  unteritalischen 
Vasen  ist  hier  ein  Todtencult  dargestellt,  der  auf  Patroklos  ttber- 
tragen  ist.  In  der  Hias  lesen  wir  nichts  von  spendenden  Frauen. 
Diejenigen  freilich,  die  die  Vasenmaler  zu  sklavischen  Nachbildnem 
der  Dichter  machen  wollen,  könnten  erinnern  an  die  Verse  des 
Homer  V  255  ff.,  wo  es  von  den  Mjrmidonen  heisst: 

TOpVlüCaVTO  bk  Cf^fia  6€|Ll€lXlä  T€  iTpoßdXovTO 

dficpl  TTupriv  elBap  bk  x\)Ti\v  im  toiov  Ix^vav, 
xeuavrec  bt  tö  c^jna  irdXiv  k(ov. 

Sie  könnten  sagen,  was  dort  der  Dichter  aUgemein  sage  von  den 
Myrmidoneu,  sohliesse  die  Fraaen  keineswegs  aus,  und  diese  habe 
der  Maler  hier  dargestellt.  Ich  lasse  diese  und  füge  nur  hinzu^  dass 
die  Schleifung  um  das  Grabmal  des  Patroklos  erst  im  folgenden 
Buche  erwähnt  wird  (Q  12 — 17).  Wenn  Heydemann  die  zuerst  er- 
wähnte Frau  Briseis  nennt,  so  kann  ich  nur  die  vorhin  ausge- 
sprochene Warnung  wiederholen  und  darauf  hinweisen,  wie  ungewisa 
eine  solche  Benennung  sein  muss.  Man  wird  mir  entgegenhalten, 
dass  der  Künstler,  wenn  er  einen  Namen  beigeschrieben  hätte,  wahr- 
scheinlich den  der  Briseis  gewählt  hätte.  Auch  ich  glaube  dies^ 
aber  dadurch  ist  nichts  gewonnen;  er  hat  nun  einmal  keinen  Namen 
beigeschrieben ^  und  es  ist  eben  sehr  fraglich,  ob  er  an  eine  be- 
stimmte Person  gedacht  hat.  Eine  Scene,  die  er  so  oft  darstellte 
ohne  bestimmte  Deutung,  hat  er  auch  hier  gemalt,  nur  in  Ver- 
bindung mit  der  Schleifung  des  Hektor. 

Haben  wir  so  mehrere  Scenen  der  Hias  in  unteritalischen  Vasen- 
bildem  wiedergefunden  ^),  so  fehlt  es  auch  nicht  an  solchen,  die  uns 
deutlich  zeigen,  dass  auch  dann,  als  die  Vasenmalerei  sich  schon 
ihrem  Ende  zuneigte,  die  übrigen  Epen  nicht  in  Vergessenheit  ga- 
rathen  waren. 

Für  die  Kyprien  kommen  hier  folgende  drei  Vasen  in  Be- 
tracht: 

A  Overb.  233^  67.  XI,  1.    Karlsruhe  36. 

B  Petersburg  1807.  CE.  1861,  Taf.  HI,  p.  33.  Brunn,  Vor- 
legebl.  Nr.  11.    Brunn,  troische  Miscellen  p.  52  ff. 


^)  Als  viertes  Vasenbild  nenne  ich  Overb.  410,  46.  XVII,  6.    Neapel 
2910;  andere  sind  mir  nicht  bekannt. 


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Verh.  d.  gr.  YaMDbilder  s.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  533 

G  Arch.  Zeit.  1868 ,  Taf.  120,  1.  Bexmdorf,  griech.  und  sicU. 
Vaaenb.  p.  78.  Wien  V,  2,  70.     , 

A  und  B  bringen  uns  das  Parisurtbeil,  C  die  Vorbereitimgen 
zn  demselben  zur  Anscbaunng. 

Wiebtiger  aber  als  die  Personen^  die  uns  gewöhnliob  im  Paris- 
ortheil  YorgefUbrt  werden,  ist  in  den  drei  Vasen  die  Gegenwart  an- 
derer Götter. 

Das  Excerpt  des  Proklos  beginnt  mit  den  Worten  Zeöc  ßou- 
Xeüerai  Mera  if)c  d^fiiboc  Tr€p\  toO  TpwiKoO  iroX^fiou.  Aas  dem 
ScboL  za  Homer  A  5  lernen  wir,  dass  Zens  deshalb  mit  der 
Themis  zu  Bathe  ging,  weil  die  Erde  übervölkert  war.  Und  was 
die  beiden  Götter  beriethen,  das  sagt  uns  dentlieb  eine  Stelle  des 
Piaton,  die,  weil  meist  übersehen^),  hier  wörtlich  niedergeschrie- 
ben zn  werden  yerdient.  Im  Staate  p.  379 E  heisst  es:  oOb*  d)c  ra- 
fiiac  fiiiTv  Zeuc  dTaBiJüv  t€  kqkiXiv  tc  T^TUKtar  t#|v  bi  tiöv  öpKWV 
Kai  CTTOvbiJüv  oirxwciv,  flv  6  TTdvbapoc  cuvex^cv,  Wv  Tic  <p^  bi* 
'A^väc  T€  Kai  Aiöc  T^TOv^vai  oök  ^iraivecöfieOa*  oitbk  Oetjüv 
€piv  TC  Kai  Kpiciv  bid  6^fiiböc  t€  Ka\  Aiöc.  Gerade  was  hier 
in  Abrede  gestellt  wird,  mnss  eben  der  gewöhnlichen  Sage  angeheftet 
haben.  Wie  in  der  Ilias  A  70  ff.  Zens  die  Athene  znr  Erde  schickt^ 
damit  sie  die  Troer  zur  Verletzung  des  Bündnisses  bringe,  und 
Athena  den  Pandaros  beredet^  auf  Menelaos  einen  Pfeil  abzuschiessen^ 
80  mnss  es  nach  den  Kyprien  der  Wille  des  Zeus  gewesen  sein^  den 
Streit  der  Göttinnen  und  das  ürtheil  herbeizuführen.  Wie  sie  ihren 
Beachluss  ins  Werk  setzten,  lehrt  uns  wieder  Proklos:  TrapaT€VO- 
lUvf)  bk  *€pic  €uuixou|i^vu)v  tüuv  Ocüuv  ^v  toic  ITnX^uic  Tdfioic  veT- 
Koc  TTcpi  xdXXouc  dvlcTticiv  'A6r|vql  *'Hp<)i  koi  'AqppobiTi],  (&  itpöc 
'AX^Savbpov  iy  *lbij  KOtd  Aide  iTpocTaTf|v  öqp*  '6p^o0  trpöc  t#|v 
xptciv  drovrai. 

Erscheinen  uns  so  Zeus,  Themis  und  Eris  der  schriftlichen  Tra« 
dition  nach  als  die  Urheber  des  Schönheitsstreites,  so  haben  jene 
drei  Vasenbilder  diesen  Zug  des  alten  Epos  uns  lebendig  yor  Augen 
geführt  In  A  ist  Zens  anwesend  und  blickt  auf  die  anderen  Per- 
sonen von  oben  herab;  besonders  wichtig  aber  ist  es,  dass  hier  auch 
Eris  erscheint  Zu  diesen  beiden  Göttern  tritt  in  B  noch  Themis 
hinzu,  die  sich  mit  Eris  unterhält.  Also  noch  in  yerhSltnissmttssig 
später  Zeit  folgte  der  Vasenmaler  direct  dem  Epos. 

Eine  höchst  bedeutsame  Umgestaltung  hat  dann  endlich  in  C 
stattgefunden,  vorausgesetzt,  dass  Benndorfs  Deutung  das  Richtige 
gegeben  hat  Vor  dem  mit  Binden  geschmückten  Omphalos  sitzt  in 
lässiger  Haltimg  Apollon,  einen  Lorbeerzweig  in  der  Bechten.  Er 
merkt  auf  die  Worte  des  ihm  gegenüberstehenden  Zeus,  der  den 
rechten  Arm  vorstreckend  und  den  Zeigefinger  erhebend  dem  Sohne 
Anweisungen  zu  geben  scheint   Von  dieser  Gruppe,  die  für  sich  eine 


*)  Vgl.  jedoch  Ahrens,  die  Göttin  Themis  I  p.  16, 22.   Benndorf  a.  a.  0* 

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534  H.  Lackenbach: 

geschlossene  Composition  bildet,  sind  die  ttbrigto  Personen  zu  tren- 
nen, Hermes  und  die  drei  Göttinnen,  die  er  im  Auftitige  des  Zeus 
zum  Ida  hinftlhrt.  Hinter  Apollon  steht  Hermes,  die  Hera,  welche 
am  äussersten  linken  Ende  sich  niedergelassen  hat,  auffordernd  ihm 
zu  folgen.  A.thena  und  Aphrodite  sind  schon  auf  dem  Wege;  Athena 
ist  dem  Hermes  vorangeeilt;  Aphrodite  schwebt  auf  dem  Schwane 
dahin. 

Hier  ist  es  ^so  Apollon  selbst,  der  Vorsteher  des  pjthischen 
Orakels,  mit  dem  Zeus  zu  Rathe  geht,  und  durch  den  sein  Wille,  die 
Erde  zu  erleichtem,  in  Erfüllung  geht.  Die  nächste  Folge,  der 
Streit  der  Göttinnen,  ist  zugleich  dargestellt;  die  beiden  Momente 
sind  in  einen  zusammengefasst.  Der  Erfinder  war  mit  der  Zeit  fort- 
geschritten: Themis^  die  echt  epische  Göttin,  war  jetzt  veraltet  und 
verdiente  wenig  Beachtung  mehr;  den  vielgefeierten  Apollon  an  ihre 
Stelle  zu  setzen,  war  ein  glücklicher  Ein&ll. 

Tritt  also  einerseits  der  Anschluss  ans  Epos  deutlieh  zu  Tage, 
so  ist  andererseits  auch  die  Abweichung  gross.  Nicht  allein,  dass 
Apollo  die  Themis  vertritt,  sondern  auch  die  Durchftthrung  des  Ein- 
zelnen ist  ganz  dem  EttnsÜer  zuzuschreiben.  In  A  zwei  Eroten,  £u- 
tychia  mit  einer  Dienerin,  Klymene,  die  Eekol6  ^)  nicht  fttr  identisch 
mit  Hebe  hätte  erklären  sollen;  in  B  Hebe  iind  Eros,  in  C  der 
Schwan,  auf  dem  Aphrodite  dahinfährt:  dies  Alles  sind  Zuthaten, 
die  sich  in  unteritalischen  Vasenbildem  wohl  erklären,  aber  keine 
poetische  Quelle  verlangen. 

Dabei  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  die  drei  Vasenbilder  in  allem 
Einzelnen  verschieden  sind,  so  dass  an  ein  gemeinsames  bildliches 
Original  nicht  zu  denken  ist  Die  Kyprien  also  lebten  damals  noch 
frisch  im  Volke  fort  und  nach  den  alten  Epen  malten  die  Vasen- 
maler ihre  Bilder.  Wenn  ich  nun  auch  weiter  keine  so  schlagenden 
Beweise  für  andere  Bildwerke  erbringen  kann,  so  genügen  eben 
diese,  und  es  würde  unbillig  sein,  für  andere  Vasenbilder,  als  deren 
Quelle  man  das  Epos  annehmen  kann,  dies  nicht  zu  thun.  Den  Be- 
weis, den  wir  jetzt  positiv  erbracht  haben,  werden  wir  später  negativ 
zu  erhärten  haben,  indem  wir  nachweisen,  dass  ausser  dem  Epos  und 
der  Tragödie  für  Vasenbilder  unseres  Kreises  keine  anderen  Dich- 
tungen in  Betracht  kommen. 


Bei  der  kurzen  Bundschau  über  Vasenbilder  der  drei  Epochen 
wurden  mehrere  Gruppen  von  Bildwerken  bisher  absichtlich  aus- 
geschlossen, nämlich  diejenigen,  welche  Kampfscenen  in  besonderen 
Typen,  sowie  Büstungs-  und  Abschiedsscenen  vorführen.  Es  schien 
wünschenswerth ,  diese  im  Zusammenhange  zu  behandeln.  Dabei 
muss  die  Eenntniss  eines  Aufsatzes  von  Heydemann  vorausgesetzt 

*)  Hebe  p.  89. 

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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  a.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  535 

werden,  der  anter  der  Aufschrift:  »^eroisirte  Genrebilder  auf  be- 
malten Vasen"  in  den  Commentationes  in  hon,  Th.  Mommsmi  p.  163 
— 179  abgedruckt  ist.  So  sehr  alle  Punkte,  die  Heydemann  be- 
sprochen hat,  unsere  Arbeit  berühren,  so  wenig  halt^  ich  es  für 
nöthig,  das  Einzelne  hier  zu  wiederholen.  Nur  da,  wo  es  mir  im 
Interesse  dieser  Arbeit  zu  liegen  scheint,  werde  ich  auf  manches 
nochmals  zurückkommen,  besonders  auch,  da  sich  meine  Auffassung' 
zum  Theil  wesentlich  yon  der  Hejdemanns  unterscheidet.  Einen 
Punkt  scheint  mir  nämlich  derselbe  nicht  gebührend  hervorgehoben 
zu  haben,  der  hier  sofort  zur  Sprache  kommen  soU.  Indem  der 
Künstler  Bildern  des  AUtaglebens,  Genrebildern,  durch  Beischriften 
höhere  Weihe  zu  geben  und  sie  der  Alltäglichkeit  zu  entrücken  ver- 
suchte, verfuhr  er  dabei  nicht  willkürlich,  sondern  fast  beständig 
wusste  er  den  Personen  solche  Namen  beizusohreiben,  die  das  Bild 
leicht  zu  einer  wirklich  heroischen  Scene  machten.  Bei  Abschieds- 
scenen  werden  die  Jünglinge  Aias  und  Teukros  genannt  und  dem 
entsprechend  der  Alte  Telamon,  oder  der  Jüngling  Hektor,  der  Alte 
Priamos  und  die  beistehende  Frau  Hekabe. 

Bei  dieser  absichtlichen  Auswahl  von  Namen  ist  es  oftmals 
schwer,  die  heroisirten  Scenen  von  anderen  zu  unterscheiden.  Auch 
für  die  typisch  gewordenen  Eampfscenen  werden  meist  Namen  von 
Kriegern  gewählt,  die  sich  auch  der  Poesie  zufolge  feindlich  gegen- 
überstanden. Wenn  aber  auch  einmal  Aias  und  Aineias  sich  gegen- 
überstehen, so  war  dies  nicht  so  weit  abliegend;  beide  waren  be- 
rühmte Helden  im  trojanischen  Kriege,  und  während  der  zehnjähri- 
gen Belagerung  mochten  sie  ja  leicht  auch  einmal  eine  Lanze  gegen 
einander  geworfen  haben. 

Eine  andere  schwierige  Frage  ist  es,  ob  das  Genre  in  der  grie- 
chischen Malerei  aus  den  mythischen  Darstellungen  sich  entwickelte, 
oder  ob  ^,am  allgemein  Menschlichen  die  Typen  ausgebildet  würden, 
nach  denen  das  Mythische  sich  dann  gestaltetet^  (Furtwängler).  Beide 
Ansichten  haben  ihre  Vertreter  gefunden,  letztere  besonders  in  Furt- 
wängler (Domauszieher  p.  13 — 18),  dem  Löschke  (Arch.  Zeit.  1876 
p.  116)  mit  richtigen  Einzelbeobachtungen  entgegengetreten  ist. 
Wenn  ich  richtig  sehe,  kann  die  Lösung  dieses  Problems  nicht  so 
gefunden  werden,  dass  man  einfach  die  Priorität  des  einen  und  die 
Posteriorität  des  anderen  constatirt;  die  Wahrheit  wird  vielmehr  in  der 
Mitte  liegen.  Denn  so  unbestreitbar  es  ist,  dass  manche  Mythen  bei 
vielfacher  Wiederholung  oftmals  ganz  und  gar  zum  Genre  herab- 
gezogen wurden,  so  muss  doch  andererseits  daran  festgehalten  wer- 
den, dass  eine  Beihe  von  Scenen  von  vornherein  genreartig  gebildet 
wurde,  ohne  Bezug  auf  mythische  Personen.  Nicht  nach  einander^ 
sondern  neben  einander  stehen  Mythos  und  Genre;  gleichzeitig  und 
in  mannichfacher  Wechselseitigkeit  wurden  Mythos  und  Genre  aus- 
gebildet. 


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536  H.  Lnckenbttch: 

I  5.    Typiflohe  Eampfsoenen. 

unter  den  folgenden  Darstellungen  von  Kämpfen,  bei  deren 
Behandlung  des  Zusammenhanges  wegen  auch  über  den  Kreis  der 
Dias  hinauszugreifen  nöthig  ist,  lassen  sich  yerschiedene  bestunmt 
ausgeprägte  Typen  unterscheiden,  die  deshalb  auch  gesondert  behan- 
delt zu  werden  verdienen. 

I.  Der  erste  Typus  führt  uns  eine  besondere  Sitte  wenigstens 
eines  Theiles  der  Griechen  vor  Augen.  An  die  Stelle  der  Streit- 
wagen sind  die  Bosse  allein  getreten,  an  Stelle  der  Wagenlenker  die 
Diener.')  Conze  hat  anncU.  1866  p.  275 — 285  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  ohne  Zweifel  diesen  Vasenbildem  eine  besondere  Sitte 
zu  Grunde  liegt.  Tre£flich  wird  uns  diese  durch  ein  korinthisches 
Vasenbild')  vor  Augen  geführt,  das  den  Auszug  eines  Kriegers  zum 
Kampfe  darstellt.  Vor  einem  gerüsteten  Krieger  reitet  sein  waffen- 
loser Diener,  das  Pferd  des  Herrn  am  Zügel  führend,  indess  dieser 
es  vorzieht  zu  Fuss  zu  marschiren.  Ihre  Namen  sind  charakteristisch 
genug:  denn  während  der  Pferdelenker  'iiTTTOCTpö(poc  heisst,  ist  dem 
Bitter  'iTTTroßärac  beigeschrieben.  Die  typischen  Kampfesdarstellun- 
gen nun  zeigen  uns  die  Kämpfenden  zu  Fuss  in  der  Mitte,  mit  den 
Lanzen  auf  einander  eindringend;  die  beiden  Knappen  warten  mit 
beiden  Bossen  hinter  ihnen.  Nur  selten  ist,  wie  es  scheint  aus 
Nachlässigkeit,  der  Diener  nur  mit  einem  Bosse  gegenwärtig.  Von 
den  Bildern  dieser  Art  haben  vier  unser  Interesse  in  Anspruch  zu 
nehmen: 

A  Overb.  515,  35.  XXI,  1. 

Kampf  des  Achilleus  und  Menmon;  ihre  Begleiter  fCLhren  keine 
Namen. 

B  Anruü.  1852  tav,  B  p.  56  ff.    Conze,  Vorlegebl.  m,  1,  3. 

Kampf  des  Achilleus  und  Hektor;  Phoenix  und  Sarpedon  war- 
ten den  Ausgang  des  Kampfes  ab. 

C  Beyers  des  vorigen. 
Kampf  des  Aias  und  Aineias,  welche  von  dem  zweiten  Aias 
und  Hippokles  umgeben  sind. 

D  Ännäl.  1866  tav.  Q  p.  275. 

Aineias  kämpft  gegen  einen  (rriechen,  dem  kein  Name  beige- 
schrieben ist.    Die  Knappen  haben  jeder  nur  ein  Boss. 

Der  Kampf  des  Achilleus  und  Memnon  in  der  Aithiopis  ist  be- 
kannt. Befremden  dagegen  erregen  BC.  Wohl  ist  der  Kampf  des 
Achilleus  und  Hector  in  der  Ilias  hochberühmt  und  zu  jeder  Zeit 

^)  Grote,  history  of  Greece  II,  610  bezweifelt,  dass  in  der  Pelopon- 
nesos  jemals  Kriegswagen  im  Gebrauche  waren.  —  ')  Heydemann,  gr. 
Vas.  VII,  3.  Benndorf,  gr.  und  sie.  Vas.  XXX,  10.  Gollignon  182  (In- 
schriften Taf.  IV,  2). 


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Yerh.  d.  gr.  Yasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  537 

gefeiert;  aber  zugegen  sind  hier  Pboinix  und  Sarpedon.  In  der  Dias 
kämpfen  die  Helden  vor  den  Mauern  Trojas  fem  von  Griechen  wie 
Troern.  Sarpedon  konnte  ja  schon  gar  nicht  zugegen  sein;  denn 
schon  TT  481 — 605  hören  wir  von  seinem  Tode.  Derselbe  Zweifel 
kehrt  wieder  in  C.  Den  Namen  Hippokles  kennt  die  Dias  nicht, 
und  von  einem  hervorragenden  Zweikampfe  zwischen  Aias  und  Ai- 
neias  weiss  sie  gleichfalls  nichts  zu  erzählen.  Und  so  hat  sich  denn 
Gerhard,  Arch.  Anz.  1856  p.  189*  dazu  entschlossen,  diese  beiden 
Darstellungen  nicht  sowohl  in  der  Dias  zu  suchen,  als  vielmehr  sie 
auf  sonstige  epische  Schilderungen,  namentlich  die  Ejprien,  zurück- 
zufahren. Ihm  folgt  Michaelis,  annäl.  1862  p.  56—58,  für  C  haupt- 
sächlich auf  den  Namen  Hippokles  bauend.  Diese  Erklärung  schien 
sich  befestigen  zu  wollen.  Hejdemann,  gr.  Vas.  p.  6  führt  BC  als 
Yasenbilder,  die  ihren  Stoff  aus  den  Eyprien  entlehnt  haben,  auf; 
aber  derselbe  Hejdemann  hat  sich  auch  zuerst  von  dieser  Auffassung 
frei  gemacht,  indem  er  sie  für  heroisirte  Genrebilder  erklärt  (com- 
ment.  Momms.  p.  177). 

Der  Name  Hippokles  kann  zunächst  nicht  ins  Gewicht  fiillen; 
denn  wir  wissen  bereits,  wie  die  Künstler  die  mit  'ircrcoc  zusammen- 
gesetzten Namen  lieben  (vgl.  oben  p.  496  £).  Wenn  Hejdemann  a.  0. 
p.  177,  55  meint,  dieser  Name  sei  vielleicht  gar  nicht  in  der  epi- 
schen oder  heroischen  Literatur  vorgekommen,  so  lässt  sich  viel  be- 
stimmter sagen,  dass  der  Name  lediglich  auf  Eechnung  des  Künst- 
lers zu  setzen  ist,  und  dass  derselbe,  wenn  wirklich  in  den  Kjprien 
oder  einem  andern  Epos  ein  Hippokles  auftrat,  gewiss  nicht  an  die- 
sen gedacht  haben  kann.  Auch  die  Anwesenheit  des  Phoinix  und 
Sarpedon  beweist  nichts;  denn  die  ganze  Scene  des  Bildes  lässt  sich 
ebensowenig  aus  den  Kyprien  wie  aus  der  Ilias  erklären.  Offenbar 
haben  sich  die  troischen  Helden  in  die  Kampfessitte,  die  der  Maler 
kannte,  fügen  müssen;  und  wie  geläufig  diesem  derartige  Darstel- 
lungen waren,  geht  daraus  hervor,  dass  er  auch  dem  Herakles  und 
Kyknos  Knappen  zutheilt^)  Ja  hat  er  sich  doch  nicht  gescheut,  ein- 
mal den  Theseus  und  Minotauros  zwischen  zwei  Geführten  darzu- 
stellen, die  mit  dem  Bosse  an  der  &and  dem  Kampfe  zuschauen.^ 
Ein  Typus  wurde  also  auf  verschiedene  Scenen  angewandt;  erfunden 
wurde  derselbe,  wie  ich  in  diesen  Fällen  mit  Furtwängler  (Domaus- 
zieher  p.  17)  zu  behaupten  nicht  anstehe,  nicht  fürs  Epos,  sondern 
für  allgemeine  Darstellungen  und  später  erst  auf  das  Mythische 
übertragen.  Der  Vorgang,  der  bei  dieser  üebertragung  in  diesen 
und  ähnlichen  Scenen  stattfand,  kann  im  Allgemeinen  doppelt  ge- 
dacht werden: 

1)  der  Maler  will  einen  bestimmten  Kampf  darstellen  und  be- 
nutzt dazu  das  ihm  geläufige  Schema; 


»)  Heydemann,  gr.  Vas.  I,  4.    Collignon  198.  — •  >)  Bull.  Nap.  K  S, 
IV,  18. 


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538  H.  Lackenbaoh: 

2)  er  malt  das  Kampfschema  und  versieht  es  mit  individnali- 
sirenden  Namen;  rmd  zwar  wählt  er  in  diesem  Falle  entweder  der 
Poesie  nach  zusammengehörige  Namen  aus,  oder  aber  er  stellt  auch 
zwei  Mftnner  gegenüber,  die  in  der  Poesie  nicht  in  besonderer  Fehde 
sich  bekftmpft  haben. 

Das  Kriterion,  welcher  Vorgang  im  bestimmten  Falle  anzuneh- 
men sei,  bietet  der  mehr  oder  minder  genaue  Anschluss  an  den 
Dichter  auch  in  den  Besonderheiten  der  Schilderung;  doch  wird  es 
schwerlich  gelingen,  in  jedem  einzelnen  Falle  eine  Entscheidung  zu 
treffen. 

Wenn  nun  Heydemann  behauptet,  bei  allen  diesen  Darstellungen 
sei  gar  nicht  an  eine  bestimmte  heroische  Scene  zu  denken  und 
überhaupt  nie  gedacht  worden,  so  muss  dagegen  erwidert  werden, 
dass  der  Maler,  wenn  er  den  Achilleus  mit  Menmon  oder  Hektor 
kämpfend  vorführte,  gewiss  an  die  hochberühmten  Kämpfe  der  Epen 
gedacht  und  nur  uns  dieselben  nach  seiner  Weise  vorgefUhrt  hat 
Dass  Sarpedon  in  B  zugegen  ist,  darf  nicht  auffallen.  Denn  Hektor 
hatte  einen  Begleiter  nöthig,  und  aus  dem  reichen  Schatze  troischer 
Helden  wurde  einer  dem  Hektor  beigesellt.  Daran,  dass  Sarpedon 
zur  Zeit  des  Kampfes  zmschen  Achilleus  und  Hektor  schon  gefallen 
war,  hat  der  Maler  gar  nicht  gedacht  und  noch  viel  weniger  über- 
legt, ob  er  mit  Recht  den  Sarpedon  dem  Hektor  zugesellte.  Auch 
an  dem  jugendlichen  Phoinix  ist  nach  dem  Gesagten  kein  Anstoss  zu 
nehmen;  er  beweist  vielmehr  am  allerschlagendsten  die  Richtigkeit 
unserer  Auffassung.  Die  GenrescenC;  in  welcher  der  Knappe  ein 
Jüngling  war,  wurde  durch  Inschriften  zu  einer  heroischen.  Wenn 
so  in  AB  der  Maler  unzweifelhaft  an  jene  Kämpfe  der  Epen  dachte, 
so  hat  er  in  C  allerdings  nur  einen  Troer  und  einen  Griechen  mit 
berühmten  Namen  gegenübergestellt;  ähnlich  ist  es  mit  D,  wo  nur 
einem  der  beiden  ein  Name  beigeschrieben  ist. 

n.  Dieselbe  Erscheinung  zeigt  sich  m  mehreren  Bildern,  in 
welchen  um  einen  Todten  gekämpft  wird. 

Unverkennbar  sind  zunächst  die  Anklänge  an  Homer  in  einem 
Bilde,  in  dem  Hektor  und  Menelaos  um  den  Leichnam  des  Euphorbos 
streiten  (Verb,  der  Philologenvers,  zu  Hannover  1864.  Salzmann, 
fawMes  de  Kameiros).  Denn  in  der  Dias  hat  Menelaos  den  Euphor- 
bos getödtet  P  59  ff.  Da  er  denselben  spolüren  will,  veranlasst 
ApoUon  den  Hektor,  gegen  ihn  zu  ziehen.  Da  Hektor  anstürmt, 
weicht  Menelaos  zurück.  Zu  Heydemanns  Ansicht,  der  glaubt,  dass 
hier  blosser  Zufall  herrsche,  kann  ich  mich  schlechterdings  nicht 
bekennen.  Dass  ein  dreifacher  Zufall  gerade  die  drei  Helden  zu- 
sammenbringen soll,  die  in  der  Hias  erwähnt  werden,  ist  doch  mehr 
als  unwahrscheinlich.  Von  einem  Zweikampfe  des  Hektor  und  Me- 
nelaos ist  allerdings  dort  keine  Rede;  aber  doch  ist  es  Hektor,  der 
den  Menelaos  vom  Leichnam  des  Euphorbos  hinwegtreibt,    unser 


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Vorh.  d.  gr.  Yaseabilder  s.  d.  Ged.  d.  ep.  Kjklos.  539 

Euphorbos  rnnss  denmaoh  gleich  dem  homerischeB  sein,  nach  beab- 
sichtigter Wahl  und  nicht  durch  Zufall.^) 

Nicht  mit  gleicher  Sicherheit  kann  man  über  einige  weitere 
Vasen  urtheilen: 

Gerhard  AV.  m,  192.  Overb.  p.  407.  Hektor  kämpft  mit 
Diomedes;  zu  ihren  Füssen  liegt  ein  gefietllener  Bogenschütze,  den 
der  attische  Maler  CkuOtic  genannt  hat,  was  für  ihn  soviel  als  Bogen- 
schütz  hiess.  Homer  gibt  an,  dass  Diomedes  den  Agastrophos  tödtete 
und  sich  dann  gegen  Hektor  wandte.  Er  trifft  denselben  mit  der 
Lanze  und  bringt  ihn  zu  Falle.  Hektor  entflieht  und  Diomedes  be- 
raubt den  Agastrophos  der  Büstung  (A  338—368).  Möglich,  dass 
dem  Künstler  der  homerische  Kampf  vorschwebte,  möglich  aber  auch, 
dass  er  nur  einen  Griechen  und  Troer  gegenüberstellte,  indem  er 
die  Namen  beliebig  wfthlte. 

In  gleichem  Zweifel  befinden  wir  uns  bei  zwei  Vasen,  die  den 
Kampf  des  Aias  und  Hektor  vorstellen: 

1)  München  53. 

2)  Gerhard  AV.  H,  190.    Overb.  425,  55.«) 

In  beiden  Bildern  Hegt  zu  den  Füssen  der  Kämpfenden  ein 
Todter,  den  man  allgemein  Patroklos  nennt;  mit  wie  wenig  Becht, 
ist  aus  dem  Bisherigen  ersichtlich.  Auf  beiden  Seiten  noch  andere 
Kämpfer.  Auch  in  diesen  Bildern  ist  die  Annahme  keineswegs  aus- 
geschlossen, dass  der  Künstler  die  Namen  des  Aias  und  Hektor  des- 
halb wählte,  weil  er  sich  erinnerte,  dass  jene  wirklich  zusammen 
gekämpft  hatten.  Wenn  aber  in  der  Münchener  Vase  einem  der 
Troer,  wie  es  scheint,  der  Name  Tjdeus  beigeschrieben  ist^  so  zeigt 
dies  die  leichte  Manier  der  Vasenmaler.^) 

Den  letzten  Bildern  reiht  sich  treffend  die  von  0 verbeck  p.  515, 
36  erwähnte  Darstellung  eines  fi[ampfes  zwischen  Hektor  und  Achil- 
leus  an,  zu  deren  Füssen  ein  Todter  liegt  (abg.  z.  B.  Millingen,  cmc. 
uned,  mon.  I,  4).  Da  Achilleus  und  Hektor  in  der  Dias  nie  um  einen 
Todten  kämpfen,  und  im  Reverse  des  Bildes  der  todte  Menmon  von 
Eos  davongefUhrt  wird,  so  hat  man  trotz  der  Inschrifben  den  Kampf 
des  Achilleus  und  Memnon  um  des  Antilochos  Leiche  zu  erblicken 


')  Vgl.  FurtwäDgler,  Domauszieher  p.  17:  „Zur  ErhOhunff  des  Reizes 
sind  die  Namen  Menelaos,  Hektor  und  Euphorbos  beigeschrieben,  die  der 
Künstler  in  einer,  freilich  etwas  ungenauen,  Reminiscene  an  Homer  hin- 
zugefügt zu  haben  scheint".  —  *)  Mit  dLeser  Vase  ist  die  von  Gerhard 
AV.  II  p.  88,  34  f.  erwähnte  identisch,  da  die  Beschreibung  des  Averses 
sowie  die  Inschrift  CTpolßoc  koXöc  mit  unserer  Vase  fibereinsnmmi  Wenn 
aber  als  Inhalt  des  Reversbildes  „Absug  gefsngener  Troer**  angegeben 
wird,  so  ist  dies  ungenau  und  nnzweifeJ^alt  falsch.  —  ')  Wenn  in  bei* 
den  Vasen  auf  Seiten  des  Aias  ein  BogCDschütse  in  „phrygischer  Tracht** 
kämpft,  so  wird  bekanntlich  mit  dieser  Tracht  in  der  älteren  Vasen- 
malerei ^  nicht  der  Betreffende  als  Troer  ^kennzeichnet.  Die  An- 
nahme emer  Vertanachnng  beider  Namen,  wie  sie  Overbeck  für  das 
zweite  Vasenbild  will,  ist  danun  unsnlässig. 

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540  H.  Lnckenbach; 

geglaubt,  indem  man  einen  Schreibfehler  des  Malers  annahm;  eine 
Ansicht,  für  die  besonders  die  sorgflQtige  Zeichnung  der  Vase  spre- 
chen könnte.  Nach  allem  bisher  Ermittelten  ist  aber  ein  solcher 
Schreibfehler  weit  unwahrscheinlicher  als  eine  beliebige  Ausstattung 
einer  sllgemeinen  Scene  mit  einzelnen  Heroennamen.  Die  Ejieger 
sollten  einen  Namen  haben;  der  berühmteste  Zweikampf  war  der 
des  Achilleus  mit  Hektor;  und  so  wurden  diese  Namen  ruhig  bei- 
geschrieben, ohne  weiteres  Besinnen:  ein  neues  Beispiel,  wie  ge- 
dankenlos man  mit  den  Inschriften  wirthschaftete. 

Den  bisherigen  sfgn.  Yasenbildem  weiss  ich  nur  ein  rfgs. 
an  die  Seite  zu  stellen:  Overb.  427,  87.  XVIII,  3.  üeber  einem 
Todten,  der  den  Namen  Patroklos  führt,  kämpfen  Aias  und  Aineias; 
dem  Aineias  steht  helfend  zur  Seite  ein  anderer  Krieger  mit  Namen 
Hippasos;  den  Aias  unterstützt  Diomedes.  Es  ist  der  in  der  Dias 
beschriebene  Kampf  um  den  todten  Patroklos  dargestellt  Dort  wird 
ein  eigentlicher  Kampf  zwischen  Aias  und  Aineias  nicht  erwähnt, 
wohl  aber  sind  grade  sie  es,  die  sich  nächst  Menelaos  und  Hektor 
auszeichnen.  P  322  treibt  ApoUon  den  Aineias  in  den  Kampf,  und 
bald  tödtet  dieser  den  Leiokritos,  um  dessen  Leichnam  sich  ein 
grosser  Streit  erhebt.  Aias,  der  Vorkämpfer  beim  Patroklos,  wehrt 
die  Troer  ab  fvgl.  v.  491.  513.  758).  Die  beiden  Aias  werden  v.607 
erwähnt,  und  y.  531  ff.  müssen  vor  ihnen  Hektor,  Aineias  und  Chro- 
mioB  zurückweichen.  Sonach  würde  also  der  Kampf  dei*  beiden 
Helden  auf  dem  Vasenbilde  sich  allenfEills  mit  der  Hias  vereinbaren 
lassen,  nicht  so  die  Namen  der  anderen  Helden.  Diomedes  -wird  in 
P  gar  nicht  erwähnt,  und  Hippasos  existirt  nur  als  Vatemame 
einiger  Helden.  Es  ist  genau  der  gleiche  Vorgang  wie  bei  der  Dar- 
stellung der  Leichenspiele  des  Patroklos.  In  unserem  Bilde  hilft 
Diomedes  den  Patroklos  vertheidigen,  dort  fuhren  Odysseus  und 
Automedon  mit.  Dort  waren  femer  der  Hias  unbekannte  Helden, 
Damasippos  und  Hippomedon,  hier  tritt  wieder  ein  mit  Tinroc  zn- 
sanmiengesetzter  Name  auf.  Wenn  wir  aber  dieses  Bild  zu  den 
heroisirten  rechnen,  so  geschieht  dies  deswegen,  weil  wir  ohne  In- 
schriften einen  der  vielen  typischen  Zweikämpfe  um  einen  Ge&Uenen 
hätten,  die  man  nicht  alle  zu  deuten  unternehmen  soll,  weil  dieses 
Bild  sich  durch  keinen  cliarakteristischen  Einzelzug  unterscheidet, 
und  endlich,  weil  auf  derselben  Vase  auch  ein  anderes  Bild  allge- 
meiner Art  durch  Inschriften  individualisirt  ist  (vgL  unten  p.  547). 

m.  Einen  dritten  Typus  bilden  diejenigen  Scenen,  in  denen 
einem  Fliehenden  Hülfe  gebracht  wird.  Eine  sehr  grosse  Anzahl 
solcher  Scenen  befinden  sich  wieder  auf  korinthischen  Gefässen;  je- 
doch sind  nur  selten  Namen  beigeschrieben.  Indem  ich  einige  un- 
sichere bei  Seite  lasse^),  führe  ich  hier  nur  das  Mon,  U,  38  a.  Mus, 


>)  So  die  btai  1866  p.  148  f.  erw&hnte  Vase,  auf  der  der  Name  das 

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Yerh.  d.  gr.  Yasenbilder  s.  d.  6ed.  d.  ep.  Kykloi.  541 

Greg.  II,  9,  3  a  pnblicirte  Bild  an,  in  welchem  Aias  mit  getüokter 
Lanze  aof  Hektor  eindringt,  dem  Aineias  zu  Hülfe  eilt  In  der  Ilias 
suchen  wir  vergeblich  eine  Schilderung,  der  das  Yasenbild  ent- 
sprfiche.  Allerdings  yerzeichnet  sie  zwei  Eftmpfe,  yon  denen  wir  den 
in  H  beschriebenen  bereits  in  zwei  Yasenbilderh  wiederftnden  (s.  o. 
p.  517. 619);  der  andere  ist  E  402  ff.  geschildert :  Hektor  hat  fruchtlos 
seinen  Speer  entsendet;  da  er  entweichen  will,  trifiFt  ihn  Aias  mit 
einem  Feldsteine.  Hektor  stürzt  nieder,  und  nur  durch  die  rereinte 
Anstrengung  troischer  Helden,  darunter  des  Aineias,  wird  er  davon- 
getragen. Wenn  wir  so  eine  genaue  üebereinstimmung  vermissen, 
so  firagt  es  sich  nur,  ob  wir  Heydemann  folgen  dürfen,  der  grade 
bei  diesem  Yasenbilde  sagt:  „an  eine  bestimmte  heroische  Darstel- 
lung ist  dabei  nicht  zu  denken  und  überhaupt  nicht  gedacht  wor- 
den". Es  soll  also  vollständige  Erfindung  des  Künstlers  da  sein  und 
kein  Anklang  ans  Epos  sich  wiederfinden.  Allein  ich  kann  nicht 
zugeben,  dass  der  Maler  so  ohne  weiteres  einer  fliehenden  Person 
den  Namen  Hektor  beischrieb.  Schon  Abeken  hat  anntthemd  das 
Richtige  getroffen,  indem  er  ornioZ.  1836  p.  306  meint,  dass  eben 
einer  jener  Kämpfe  der  Ilias  dargestellt  sei,  ohne  dass  der  Künstler 
sich  an  Einzelheiten  band.  Indem  nämlich  der  Künstler  einen  jener 
typischen  Kämpfe,  in  denen  einem  Fliehenden  ein  anderer  zu  Hülfe 
eilt,  malte  und  ihn  mit  Inschriften  versah,  muss  er  wenigstens  das 
im  Gedächtnisse  gehabt  haben,  dass  Hektor  einmal  durch  Aias  zu 
Schaden  kam.  Die  Scene  des  Homer  musste  seinem  Bilde  angepasst 
werden,  und  mit  demselben  Rechte,  mit  dem  wir  den  Kampf  des 
Achilleus  und  Memnon  (oben  A)  auf  die  Aithiopis  zurückführten, 
dürfen  wir  diesen  auf  die  Ilias,  am  besten  auf  die  Erzählung,  wie 
sie  sich  in  £  findet,  zurückführen.  Der  unterschied  von  C,  wo  der 
Maler  willkürliche  Namen  gewählt  hatte,  liegt  vor  allem  darin,  dass 
hier  Hektor  flieht,  während  dort  einfach  zwei  Kämpfer  gegenüber- 
gestellt waren. 

I  6.    Bftstong,  Ab6ohied,  Bückkehr. 

üeberaus  häufig  sind  in  der  Yasenmalerei  Rüstungen  von 
Kriegern,  ihr  Auszug,  Abschied  oder  auch  ihr  Empfang  bei  der  Rück- 
kehr dargestellt.  Jede  einzelne  Scene  auf  die  Heroenwelt  zu  be- 
ziehen und  auf  einzelne  Personen  zu  deuten  ist  verfehlt,  und  schon 
längst  hat  man  davon  Abstand  genommen.  Uns  gehen  hier  natür- 
lich nur  diejenigen  an,  die  in  Beziehung  zum  troischen  Sagenkreise 
stehen  oder  denen  wenigstens  Namen  von  Helden  dieses  Sagen- 
kreises beigeschrieben  sind.  Abweichend  von  unserer  gewöhnlichen 
Anordnung  müssen  wir  aber  nicht  bloss  Bildwerke,  die  homerische 


Angreifera  nicht  mit  Sicherheit  zu  lesen  ist,  sowie  Br.  M.  882  (attisch) 
wo  über  drei  Kriegern  der  Name  Meneleos  steht 


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542  H.  Lnckenbacb: 

Sceoen  darstellen,  sondern  auch  dictjenigen,  die  in  den  Bereich  der 
ührigen  Epen  fällen,  des  Zusarnmenhangea  wegen  hier  betrachten. 
In  Bezug  auf  poetische  Quellen  ist,  wie  wir  sehen  werden,  nur  ein 
ürtheil  möglich,  dass  nämlich  mit  geringen  Ausnahmen  derglaiohen 
Quellen  diesen  Bildern  nicht  zu  Grunde  liegen.  Das  freie  Schaffen 
der  Künstler  hat  sich  hier  in  hohem  Grade  geltend  gemaoht,  und 
zwei  Gesichtspunkte,  die  jedoch  im  einzelnen  Falle  nicht  scharf  zu 
trennen  sind,  treten  deutlich  herror.  Einmal  h;at  der  Ettnsüer  auch 
hier  bestimmten  überlieferten  Typen,  die,  ohne  Bezug  auf  mythische 
Ereignisae  ausgebildet  waren,  durch  HinzufOgqng  von  Namen  indi- 
viduelles Leben  verliehen  (vgL  oben  p.  588).  Enge  verwachsen  da- 
mit ist  der  zweite  Gesichtspunkt,  dass  ntolich  der  Maler  für  be- 
liebte Helden  eine  Situation  fingirt  und  die  überlieferten  Typen  zwar 
benutzt,  aber  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  individuellen  Ver- 
hältnisse sie  für  den  einzelnen  Fall  ausbildet.  So  gut  wie  griechische 
Krieger  Abschied  von  ihren  Eltern  nahmen,  ebenso  wurden  die  Hel- 
den gedacht;  der  athenische  Hoplit  rüstete  sich  zum  Kampfe,  die 
Helden  mussten  desgleichen  thun.  Freudiger  Empfang  seitens  der 
Eltern  erwartete  jeden,  der  glücklich  nach  längerer  Abwesenheit 
zurückkehrte:  warum  sollte  man  nicht  auch  einmal  dem  Kastor  und 
Polydeukes  denselben  frohen  Emp&uig  zu  Theü  werden  lassen? 
Von  hohem  Werthe  ist  eine  sfge.  Vase,  welche  uns  die 
Büstung  des  Achilleus 

in  Gegenwart  seiner  Eltern  und  seines  Sohnes  (alle  mit  Namenshei- 
schrift) vorführt.  Die  Vase  befindet  sicdi  in  Athen^  CoUignon  231; 
ist  abgebildet  Bangab^,  cmo  afm9  de  VanUquiU  hotnmage  du  comüe 
des  aniiquaires  d' Äthanes,  Paris  18^9,  femer  Heydemann,  gr.  Vas. 
VI,  4  und  Conze,  VorlegebL  II,  6,  1. 

Zu  dieser  Scene  ii^nd  einen  bestimmten  Moment,  der  in  der 
Poesie  gegeben  wäre,  zu  suchen,  ist  unmöglich,  da  die  Vereinigung 
dieser  vier  Personen  der  Sage  gemäss  gar  nicht  denkbar  ist.  Eine 
der  vielen  Scenen,  in  welchen  ein  Krieger  inmitten  seiner  FamiUe 
sich  zum  Kampfe  rüstet,  hat  der  Maler  hier  auf  den  Achilleus  über- 
tragen, der  in  gleicher  Weise  sich  rüstet  und  von  den  Seinen  Ab- 
schied nimmt.  Die  besondere  Erfindung  besteht  eben  darin,  daes  — 
gegen  den  Mythos  —  alle  Lieben  um  den  Ausziehenden  geschart 
sind«  Dadurch  kommt  ein  gemüthvoUer  Zug  in  den  äusserlichen 
Vorgang. 

Ebensowenig  liegt  der 

Büstung  Hektors 

in  dem  rfgn.  Bilde  Overb.  400,  22  ein  bestimmtes  Ereignis«  zu 
Grunde.  Die  Vase  befindet  sich  in  München,  Nr.  378,  ist  abgebildet 
von  Gerhard,  AV.  DI,  188  und  Panofka,  Namen  der  Vasenmaler  IV, 
1.  2.    Der  jugendliche,  bartlose  Hektor,  schon  gerttatet  mit  den 


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Yerh.  d.  gr.  Vasenbilder  s.  d.  Ged.  d.  ep.  Eykloa.  543 

Bemschienen,  ist  eben  damit  beschftftigt,  den  Harnisch  yome  auf  der 
Brost  zu  befestigen.  Er  hSari,  den  Kopf  etwas  senkend,  aof  die 
Worte  des  Vaters,  der  die  redfite  Hand  belebrend  erhebt.  Auf  der 
andern  Seite  steht  Qskabe  Helm,  Lanze  und  Schild  für  den  Sohn 
bereit  haltend.  Die  grosse  Jugend  Hektors,  der  mehr  Knabe  als 
Mann  ist,  und  der  Enotenstock,  den  Priamos  führt,  während  ihm 
doch  das  Scepter  zukam,  machen  es  unzweifelhaft,  dass  der  Maler 
einer  allgemein«i  Scene  dadurch  heroische  Bedeutung  yerlieh,  dass 
er  die  Personen  mit  Namen  rersah. 

In  einer  chalkidischen  und  in  einer  korinthischen  Vase  wird 
uns  der 

Auszug  Hektors 

und  anderer  Troer  vorgeftlhrt.  Eine  kurze  Beschreibung  wird  ge- 
nügen, um  zu  zeigen,  dass  ein  poetischer  Anlass  zu  der  Herstellung 
dieser  Scenen  nicht  existirt. 

1.  Die  chalkidische  Vase  ist  publicirt  Gerhard,  AV.  IV, 322.*) 
Bund  um  den  Bauch  des  Oeftsses  läuft  die  Darstellung,  in  deren 

Mitte  wir  den  gerüsteten  Hektor  von  seiner  Gattin  Andromache  Ab- 
schied nehmen  sehen.  Hinter  ihm  wartet  Kebriones  auf  einem  Pferde 
sitzend,  ungerttstet,  jugendlich,  in  der  Bechten  einen  Stecken  hal- 
tend ;  er  ist  genügend  als  Bursche  des  Hektor  gekennzeichnet,  dessen 
Pferd  er  am  Zügel  hält.  Wie  Hektor  sich  von  seiner  Gattin  verab- 
schiedet, so  auch  Paris  von  der  Helena,  die  indess  den  Kopf  rück- 
wärts wendet.  Hinter  ihr  ein  bärtiger  Mann,  der  gleichfalls  rück- 
wärts schaut  auf  die  reitenden  Jünglinge,  die  dem  Kebriones  folgen. 
Zwischen  letzteren  und  den  Beiteru  ein  bärtiger,  nackter  Mann,  dessen 
vorgestreckte  Arme  und  eingebogene  Kniee  ihn  als  eüig  davonlau- 
fend bezeichnen.  Von  poetischer  Quelle  ist  hier  nichts  zu  verspüren, 
und  nicht  einmal  das  dürfen  wir  Gerhard  zugeben,  dass  dem  Künst- 
ler vorwiegend  das  sechste  Buch  der  Ilias  vorgeschwebt  habe.  Für 
denjenigen,  der  von  Kindesbeinen  an  in  den  homerischen  Sagen  wohl 
unterrichtet  war,  lag  es  nur  zu  nahe,  einen  Auszug  troischer  Helden 
darzustellen.') 

2.  Das  korinthische  G^fUss  ist  abgebildet  man.  1^56,  Taf.XX. 
Conze,  Vorlegebl.  III,  1.  Vgl.  amiäl.  1856,  p.  67  —  74.  Brunn, 
troische  Miscellen  p.  76. 

Hektor  nimmt  Abschied  von  seinen  Eltern;  ihn  erwartet  auf 
dem  Viergespann  sein  Wagenlenker  Kebriones.    Zur  Seite  der  Bosse 


^)  Kurz  erwähnt  und  beschrieben  Arcfa.  Ans.  1847  p.  24*,  SS.  Over- 
beck  403,  23.  -—  *)  lUlstang  und  Auszug  von  Kriegern  haben  wir  auch 
aaf  der  chalkidischen  Vase  Gerhard,  AV.  III,  190,  1  (Overb.  p.  402,  b). 
Den  beigeschriebenen  Namen  suchte  Gerhard  symbolische  Bedentoiiff  zu 
verleihen  und  dadurch  das  Bild  auf  den  Ansauff  des  Hektor  und  Paris 
xa  denten.  Obwohl  auch  Bronn,  Troische  Miscellen  p.  76  die  RrHaarnng 
Gerhards  billigt,  kann  ich  nur  eine  Scene  ganz  allgemeiner  Art  erkennen. 
Vgl.  Jahn,  Manchener  Vasen  p.  CXIX,  871. 


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544  H.  Lnckenbach: 

redet  Hippomachos  mit  zwei  Jungfrauen,  um  Abschied  von  ihnen 
zu  nehmen«  Vor  den  Pferden  stehen  zwei  weitere  Jungfrauen  Kianis 
und  Aino  (Alvui).^)  Hinter  Kebriones  ein  Krieger  zu  Fuss')  und  ein 
Berittener,  ein  zweites  Ross  am  Zflgel  führend.  Neben  dem  Bosse 
Deiphonos');  Poljzena  und  Eassandra  schliessen  das  Bild  ab. 

Ein  Auszug  der  Troer  aus  Hion  ist  also  dargestellt.  Die 
Namen  Eianis,  Aino,  Deiphonos  und  Hippomachos  hat  der  Künstler, 
ohne  Bezug  auf  literarische  Tradition  zu  nehmen,  selbst&ndig  hinzu- 
gefügt^) Im  VerhSltnisse  zu  den  Epen  haben  wir  also  hier  toU- 
ständig  freie  Phantasieschöpfung. 

Auszug  des  Demophon  und  Akamas. 
Gerhard  etr.  und  kamp.  Vasen  12.    Berlin  651. 

Demophon  und  Akamas  halten  jeder  ein  Boss  am  Zügel/)  Man 
braucht  heute  nicht  auf  die  Auseinandersetzung  Gerhards  zurück- 
zukommen; auch  dürfen  wir  gar  nicht  fragen,  ob  der  Auszug  der 
Helden  nach  Troja  gemeint  ist.  Dem  attischen  Maler  Exekias  lag 
daran,  uns  seine  Helden  yorzuführen.  Derartige  mythische  Genre- 
bilder scheint  er  überhaupt  geliebt  zu  haben.  So  stellt  er  den  Aias 
mit  Achilleus  würfelnd  dar®);  den  Dionysos,  der  sich  vom  Oinopion 
bedienen  lässt^;  den  EmpfEUig  des  Kastor  und  Poljdeukes  seitens 
ihrer  Eltern^);  möglicher  Weise  ist  auch  eine  andere  Vase  Yon 
Exekias  gemalt,  in  der  Kastor  und  Poljdeukes  beide  zu  Pferde 
Yon  Tjndaros  Abschied  nehmen;  hinter  ihnen  steht  ihre  Schwester 
Philonoe.^)    Auch  hier  ist  es  unthunlich  zu  fragen,  zu  welchem 


.  ')  So  ist  doch  wohl  zu  lesen.  Vgl.  Sayelsberg  de  digammi  immu- 
tatiombus  I  p.  26.  —  ^  Der  Name  £dveoc  kommt  wohl  dem  einen  Rosse 
zu,  wie  ein  anderes  am  Viergespanne  den  Namen  KöpaS  txftgt  Dafür 
spricht  auch,  dass  der  Name  vom  Krieger  abgewandt  geschneben  steht. 
Im  übrigen  sind  alle  Personen  benannt,  mit  Ausnahme  der  beiden  Frauen 
vor  Hippomachos  und  des  berittenen  Knappen,  denen  Namen  za  geben 
schon  der  Baum  verbot.  —  ^  Sollte  auf  der  Vase  selbst  yielleicht  statt 
des  vermeintlichen  v  ein  ß  stehen?  —  *)  Hippomachos  in  der  Dias 
M  188  f  erwähnt: 

uiöv  b*  'AvTifjuixoio  Acovreöc,  ÖZov  *'Apiioc 
Minröfiaxov  ßdXc  öoupl  kotA  ^wcrf^pa  Tuxficac. 

Gewiss  hat  der  Maler  nicht  an  diesen  Hippomachos  gedacht;  vgl.  über 
die  mit  -iinroc  zusammengesetzten  Namen  oben  p.  496.  Für  den  Namen 
HdvOoc^  wenn  es  feststände,  dass  dem  Krieger  der  Name  zukäme,  könnte 
man  mit  Braun  an  die  Verse  der  Ilias  €  152—158  erinnern,  in  denen 
Xanthos  und  Thoon,  die  einzigen  Söhne  und  Erben  des  alten  Phainops, 
durch  Diomedes  fallen.  Aber  gerade  die  so  nebensächliche  Bedeutung 
würde  es  für  den  Xanthos  wie  für  den  Hippomachos  unzweifelhaft 
machen,  dass  sie  nicht  die  Troer  der  Ilias  sind.  —  ')  Die  Bosse  heissen 
<l>dXioc  und  KaXtq>6pa;  letzteren  Namen  hat  Exekias  auch  Gerhard,  AV. 
n,  107  gebrancht.  —  •)  Overb.  XIV,  4.  —  ')  Gerhard,  AV.  HI,  206.  — 
')  Beyers  des  Bildes  mit  den  Würfelspielem  mon,  II,  22  »»  Conze,  Vor- 
legebl.  IV,  9,  1  a.  —  ")  Br.  M.  684  *.  Eine  ungenaue  Beschreibung  und 
falsche  Deutung  dieses  Bildes  gab  Panofka,  Arch.  Anz.  1847  p.  24*  19a. 


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Verb.  d.  gr.  Vasenbüder  z.  d.  Gtod.  d.  ep.  Eyklos.  545 

Untenelimea  die  Helden  ausadehen  wollen,  ebensowenig  wie  wir  bei 
dem  Empfang  der  Dioscnren  fragen  dflrfen,  wober  die  Helden  kommen. 
Beizend  ist  das  letzte  Bild  in  seiner  DurohfUbrang:  Eastor  und  sein 
Bruder  sind  gitfccklicb  heimgekebrt.  An  Polydenkee  springt  sein 
Hnnd  empor,  froh  seinen  Herrn  wiederziiseben;  Kastor  ftlbrt  sein 
Boss  nocb  am  Zügel,  das  Ton  Tyndarens  gestreichelt  wird«  Er 
wendet  sich  nm  zu  seiner  Matter  Leda.  Ein  Sklave  bringt  Sessel 
und  Salbfl&Bcbeben  herbei.  Die  Helden  der  Sage  worden  also  wie 
gewöhnliche  Menschenkinder  gedacht  nnd  in  Xhnliche  Situation  versetzt. 

Auszug  des  Aias  und  Teukros. 
Overb.  276,  1.  XHL,  7. 

Auf  seinen  Stab  gelehnt  steht  ein  kahlköpfiger  Alter  tief  trauernd 
vor  seinem  gewappneten  Sohn.  Hinter  beiden  eine  Frau,  die  das 
Gewand  erhebt,  tun  die  Thrftnen  zu  trocknen.  Leichter  erträgt  den 
Abschied  ein  zweiter  Jüngling,  mit  Hut  und  Lanze  bewaffnet,  den 
Beisesack  auf  dem  Bücken,  im  Weggehen  sich  noch  einmal  um- 
blickend, lieber  seinem  Haupte  stoht  T€Xa)uiu»v,  über  dem  Alten 
TeÜKpoc;  offenbar  hat  eine  Yertauschimg  der  beiden  Namen  statt- 
gefunden. Neben  dem  vollgerüsteten  E[rieger  steht  richtig  Aias.  Es 
ist  nicht  schwer  einzusehen,  dass  wir  auch  hier  eine  heroisirte  Scene 
haben.  Hätte  der  Künstler  unabhängig  von  den  alten  Typen  einen 
Abschied  des  Aias  und  Teukros  malen  wollen,  sicher  hätte  er  dem 
letzteren  den  Bogen  in  die  Hand  gegeben.  Allein  jetzt  nahm  er 
eine  beliebige  Scene  und  setzte  den  Personen  Namen  hinzu  und 
machte  so  daraus  den  Abschied  des  Aias  und  Teukros,  insofern  ganz 
passend,  als  diese  sich  von  ihren  Eltern  verabschiedeten,  um  gen 
Troja  zu  ziehen,  wo  der  eine  durch  Selbstmord  unterging.  Der  ge- 
wappnete Krieger  ist  grösser  als  sein  Begleiter.  Als  Orund  hat 
Welcker  angegeben,  dass  Teukros  ein  Bastard  des  Telamon  ist; 
deshalb  soll  ihm  auch  der  Abschied  leichter  follen.  Allein  hier  hilft 
uns  eine  andere  Beobachtung  besser.  Denken  wir  uns  das  Bild  ohne 
Namen,  so  würden  wir  dasselbe  auf  den  Abschied  eines  Hopliten 
von  seinen  Eltern  deuten;  derjenige  aber,  der  den  Beisesack  trägt, 
wäre  sein  Diener.  Wir  wissen,  dass  jeder  attische  Hoplit  im  Kriege 
seinen  CK€uoq>öpoc  itiepirryo.  (Oepdiruiv  bei  Homer)  hatte,  ebenso 
wie  jeden  Beiter  ein  Pferdeknecht  begleitete.  Dass  nun  hier  der 
Krieger  eine  stattlichere  Figur  ist  als  der  Diener,  wird  nicht  be- 
fremden. Zugleich  aber  wird  deutlich,  welches  der  Ausgangspunkt 
des  attischen  Malers  bei  seinem  heroisirten  Bilde  war. 

Die  gleiche  Zusammenstellung  des  vollgerüsteten  Herrn  und 
des  Dieners  mit  wesentlich  anderer  Tracht  kehrt  oft  wieder.  Meist 
trägt  letzterer  Hut,  Chiton  und  Lanze;  nic^t  selten  sind  die  beiden 


Die  Inschrift  'Ov^iTup  KaX6c  weist  vielleicht  auf  den  Exekias  hin,  welcher 
auf  der  anderen  Vase  Overb.  XIV,  4  'OyT)T0p(&iic  KaX6c  schrieb. 

Jahrb.  f.  olMi.  PhJlol.  Sappl.  Bd.  XI.  3(|^  ^  GoOQIc 


546  H.  Lackenbach: 

noch  mehr  unterachieden,  insofern  der  Begleiter  mit  Stiefeln  yer- 
sehen  ist  und  statt  einer  Lanze  deren  zwei  trSgt.  Die  folgenden 
Beispiele,  deren  Zahl  sieh  wohl  leicht  erhöhen  Hesse,  zeigen,  wie 
sehi'  diese  Art  nnd  Weise  in  die  Malerei  übergegangen  war. 

Orerb.  XXYI,  13  folgt  einem  bartigen  Krieger  (Demophon), 
der  mit  Panzer,  Helm  nnd  einer  Lanze  bewa&et  ist,  ein  un- 
bärtiger Jüngling  (Akamas)  im  Chiton,  Helm  nnd  mit  zwei  Lanzen« 

Milüngen  anc.  uned.  mon.  jpl,  22  «»  D'Hanearyille  III,  23  ed. 
DaTid.  Hinter  den  beiden  kämpfenden  Kriegern  stehen  ihre  Be- 
gleiter, ohne  wie  jene  mit  dem  Panzer  bekleidet  zu  sein,  und  ohne 
am  Kampfe  Antheil  zu  nehmen. 

Gerhard  AV.  m,  164.  Zwei  Jünglinge  kämpfen  mit  einer 
Amazone,  der  eine  nackt,  nur  mit  Schwert,  Schild  und  Helm,  der 
andere  mit  Chlamjs,  Sti^eln  und  Hut 

No«l  des  Vergers  Etrurie  Taf.  38  =  Brunn  Vorlegebl.  Nr.  12. 
Achilleus  sowie  Patroklos  (oder  Pboinix?)  gerüstet  mit  Schild,  Helm, 
Lanze.    Achilleus  trägt  da^u  den  Panzer,  sein  Genosse  den  Chiton. 

Der  volle  Unterschied,  so  dass  der  Begleiter  Chlamys  (oder 
Chiton)  und  Petasos  trägt,  an  den  Füssen  mit  Stiefeln  versehen  ist 
imd  zwei  Lanzen  hält,  ist  in  folgenden  drei  Vasen  ausgedrückt: 

1.  Benndorf  gr.  und  sie.  Yas.  Taf.  39.  Dem  Krieger  reicht  sein 
Weib  als  letztes  Stück  der  Büstung  das  Schwert,  indess  sie  mit  der 
anderen  Hand  das  Gewand  zum  Gesichte  führt,  um  ihre  Thränen  zu 
trocknen.  An  den  Arm  des  Vaters  hängt  sich  sein  kleiner  Sohn 
wie  um  ihn  zurückzuhalten.  Aber  hinter  ihm  wartet  schon  sein 
Begleiter;  er  ist  offenbar  nur  Nebensache;  die  Thränen  gelten  nicht 
ihm,  sondern  seinem  Gebieter,  dem  er  in  den  Kampf  folgt. 

2.  Annal.  1870  tav.  H.  L  Auch  auf  den  beiden  Bildern  dieser 
Vase  ist  der  Gerüstete  weit  mehr  im  Vordergrunde;  ihm  gilt  der 
Abschiedstrank,  indess  der  andere  auf  ihn  warten  muss. 

3.  Die  beiden  Bilder  der  Kodrosschale  zeigen  als  Krieger  Aias 
und  Phorbas,  während  Menestheus  und  Theseus  in  der  Tracht  sind, 
die  sonst  den  Dienern  zukommt  Das  eine  Bild  weicht  insofern  you 
den  früheren  ab,  als  Theseus,  der  Protagonist,  die  Chlamjs  trägt. 
Dies  allein  würde  beweisen,  dass  kein  heroisirter  Genreabschied  yor- 
liegt;  anderes  kommt  hinzu  (vgl.  unten  p.  547). 

Mehrere  Vasenbilder  hat  Brunn  ^)  auf  den 

Abschied  des  Achilleus 

bezogen,  wie  mir  scheint,  mit  wenig  Glück. 

1.  Overb.  464,  132.  XX,  1.  Hermes  hat  einem  Krieger  die 
Bechte  dargereicht,  in  die  derselbe  eingeschlagen  hat.  Hinter  dem 
Krieger  steht  eine  Frau,  die  Brunn  Theüs  nennt.  £r  meint  (p.  64), 
jeder  unbefangene  Blick  werde  in  des  Kriegers  glänzender  Erscheinung 

V)  Troische  Miscellen  p.  61  ff. 

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Verh.  d.  gr.  Vasejabilder  z.  d.  Qed.  d.  ep.  Eyklos.  547 

sofort  die  Gestalt  des  Aohilleus  erkennen.  Die  Erscheinung  würde 
gewiss  für  Aohilleus  sehr  gut  passen,  aber  es  würde  doch  zu  weit 
führen  y  wollten  wir  in  jedem  stattlichen  Krieger  den  Aohilleus  er- 
kennen. Ohne  eine  bessere  Deutung  geben  zu  können\  muss  ich 
gegen  Brunn  behaupten,  dass  hier  durch  nichts  der  Abschied  des 
Aohilleus  aus  seiner  Heimath  bestimmt  angedeutet  ist. 

2.  Overb.  428,  58.  XVIII,  2.  Antilochos  besteigt  den  von 
Phoinix  gelenkten  Wagen;  vor  demselben  steht  Aohilleus^  der  das 
Handgelenk  des  Nestor  umfasst  hält;  neben  den  Pferden  eilt  Iris  zu 
Phoinix  und  Antilochos  hin,  sich  zu  Aohilleus  umwendend,  den  sie 
offenbar  erwartet,  um  ihn  bei  der  Wegfahrt  zu  begleiten.  Overbeck 
hatte  die  Darstellung  auf  die  Meldung  vom  Tode  des  Patroklos  an 
Aohilleus  bezogen,  ohne  Zweifel  mit  Unrecht.  Ebensowenig  aber 
scheint  mir  die  Deutung  Bnums  genügen  zu  können,  nach  welcher 
Aohilleus  dem  Nestor  das  Versprechen  geben  soll,  ihm  in  den  Ejdeg 
zu  folgen.  Bei  einem  Abschiede  aus  seiner  Heimath  würden  wir  die 
Mutter,  den  Vater  oder  Grossvater  gegenwärtig  wünschen.  Auch 
Patroklos  fehlt,  der  doch  mit  Aohilleus  auszog.  Allein  die  Deutung 
beruht  auf  einer  Verkennung  der  Situation.  Wenn  nicht  alles  trügt, 
haben  wir  den  Abschied  des  Aohilleus  und  Antilochos  von  Nestor 
zu  erkennen.  Indess  Antilochos  schon  den  Wagen  besteigt,  gibt 
Aohilleus  dem  Nestor  das  Versprechen,  seinen  Sohn  zu  beschützen 
und  jede  Gefahr  von  ihm  fem  zu  halten.  Seiner  harrt  Iris,  und  bald 
wird  das  Gespann  die  Helden  davonführen.  Der  greise  Nestor  allein 
bleibt  zurück.  Es  kann  also  nur  an  einen  Auszug  der  beiden  zu 
irgend  einem  Kampfe  gedacht  werden.  Poetische  Schilderung  eines 
Ereignisses  liegt  jedoch  nicht  zu  Grunde.  Da  die  beiden  Freunde 
zum  E^ampfe  ausziehen,  in  dem  Memnon  fällt,  zog  Nestor  auch  in 
den  Kampf,  und  da  er  in  Gefahr  war,  rettete  ihn  der  Sohn  durch 
Aufopferung  des  eigenen  Lebens.  So  wenigstens  erzählt  Pindar 
(P.  6,  28),  und  Welcker  hat  die  Vermuthung  aufgestellt,  dass  dieser 
Zug  von  Pindar  dem  Epos  entnommen  sei  (ep.  Cjcl.  11,  174).  Mag 
sich  dies  nun  so  verhalten  oder  nicht,  wir  kennen  die  Art  und  Weise, 
in  der  Künstler  Abschiedsscenen  zu  bilden  verstehen.  Denn  nach 
meiner  Meinung  ist  auch  dieses  Bild  nicht  besonders  für  unsere 
Helden  gemalt,  sondern  die  allgemeine  Scene  heroisirt,  da  sonst 
immerhin  es  befremdlich  sein  würde,  Aohilleus  und  Antilochos  ohne 
Nestor  zum  Kampfe  ausziehen  zu  sehen. 

Die  Abschiedsdarstellungen  der  Kodrosschale. 

Schon  oben  wurde  die  Kodrosschale  erwähnt;  auch  ihre  Bilder 
hat  Hejdemann  zu  den  heroisirten  Genrebildern  gerechnet.  Die 
Bilder  sollen  zwei  einfache  Abschiedsscenen  jugendlicher  Söhne  dar- 
stellen und  nur  durch  heroische  Inschriften  der  Alltäglichheit  ent- 
rückt worden  seien.  Diese  Ansicht  indessen  wird  durch  die  Dar- 
stellungen selbst  schlagend  widerlegt.    In  der  einen  steht  Theseus 

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548  H.  Lückenbattfa: 

zwischen  Medeia  und  Aigeus  und  nimmt  von  letzterem  Abseliied. 
Medeia  wendet  sicli  zu  Phorbas  wie  um  ihn  anzutreiben.  Hinter 
diesem  steht  Aithra  verhüllt  Es  bietet  sich  fOr  dies  Bild  eine 
treffliche  Erklärung.  Wir  wissen  ^),  dass  Theseus  auf  den  Bath  der 
Medeia  auf  Abenteuer  ausgesandt  wurde;  Phorbas  ist  sein  Begleiter. 
Aithra  steht  hier  im  Hmtergnmde;  sie  ist  rerhüUt  und  tlamit  wird 
ihi-e  Trauer  angedeutet;  sie  ahnt  die  List  des  fremden  Weibes,  das 
ihrem  Sohne  Unheil  bereiten  will.  Diese  höchst  indiTiduellen  Ver- 
hältnisse sind  in  durchaus  charakteristischer  Weise  ausgedrftckt, 
während  die  Haltung  der  einzelnen  Figuren  bei  einer  allgemeinen 
Scene  schwer  erklärlich  sein  würde.  Das  Einzige,  was  Heydemaim 
einwendet,  ist,  dass  Medeia  nach  allgemeinem  Schema  einen  Helm 
bereit  halte,  während  doch  Theseus  schon  einen  Petasos  auf  dem 
Kopfe  habe.  Freilich  für  den  Theseus  ist  der  Helm  nicht  bestimmt; 
dass  Medeia  ihn  aber  für  den  Phorbas,  dem  sie  auch  zugekehrt 
ist,  bereit  halten  muss,  ist  aus  dem,  was  oben  (p.  545  f.)  über  das 
Kostüm  gesagt  worden  ist,  vollkommen  klar.  Die  Grestalt  der  Aithra 
endlich  scheint  mir  entscheidend  zu  sein.  Ich  glaube  nicht,  dass 
eine  verhüllte  Frau  in  ähnlichen  Bcenen  sich  wiederfindet,  ohne 
auch  direkten  Antheil  zu  nehmen,  indess  hier  Aithra  blosse  Zu- 
schauerin ist. 

Im  anderen  Bilde  nimmt  Aias  Abschied  von  einem  Alten; 
Athena  führt  den  Menestheus  zu  ihm,  diesen  durch  eine  Hand- 
bewegung zur  Eile  ermunternd.  Er  hat  von  der  Melite,  der  Ver- 
treterin des  Landes,  Abschied  genommen,  und  diese  blickt  ihm  weh- 
müthig  nach.  Das  Charakteristiscfae  dieses  Bildes  liegt  in  der  Athena. 
Sie  hat  hier  sichtlichen  Antheil  daran,  dass  der  Jüngling  auszieht; 
bei  gewöhnlichen  Abschiedsscenen  pflegt  sie  doch  nicht  gegenwärtig 
zu  sein;  hier  dagegen  ist  ihre  Anwesenheit  trefflich  motivirt;  sie 
schickt  den  Bürger  der  Stadt,  der  sie  den  Namen  gegeben  hat,  aus, 
damit  er  sich  vor  Trojas  Mauern  Ruhm  erwerbe.  Sie  führt  ihn  zu 
Aias,  dem  salaminischen  Helden,  der  neben  Menestheus,  Demophon 
und  Akamas  das  Volk  der  Athener  vor  Troja  vertrat.  So  ist  die 
Darstellung  in  sich  abgerundet.  Nur  der  Name  AOkoc(?),  der  dem 
Alten  gegeben  wird,  ist  auffällig;  wir  würden  etwa  den  Telamon 
erwarten.  Aber  dieselbe  Schwierigkeit  bleibt,  wenn  wir  annehmen, 
der  Vase  seien  nachträglich  erst  die  Inschriften  hinzugefügt.  Nie- 
mals hat  der  Künstler  ins  Blaue  gegriffen  und  ganz  beliebige  Namen 
gewählt;  in  den  noch  zu  besprechenden  Bildern,  auf  denen  die 
Abschiedsspende  dargestellt  ist,  sehen  wir  immer  zusammengehörige 
Namen  gewählt,  und  dasselbe  war  in  allen  bisherigen  der  FalL 
Hat  aber  der  Name  Lykos  keine  besondere  Bedeutung,  so  werden 
wir  sagen  müssen,  dass  der  Künstler,  der  den  Auszug  des  Aias  und 


0  MyÜhogr.  Vat  48.     Vgl.  Jahn,  Arch.  Aufs.  p.  186.      Michaelis, 
Arch.  Zeit.  1877,  p.  76  f. 

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Verh.  d.  gr.  Vase&bildor  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  549 

Menestheus  in  der  üblichen  Weise  darstellen  wollte,  nicht  den  passen- 
den Kamen  für  den  Vertreter  der  Zurückbleibenden  fand  und  des- 
halb beliebig  ihn  benannte,  ähnlich  den  oben  p.  514  aufgezählten 
Fällen.  Jedenfalls  scheint  mir  so  viel  klar  zu  sein,  dass  der  Künstler 
diese  beiden  Bilder  eigens  für  die  betreffenden  Scenen  componirte 
und  nicht  beliebigen  Scenen  durch  Inschriften  höhereBedeutung  verlieh. 

Eline  andere  Form  des  Abschiedes  führen  uns  diejenigen  Scenen 
vor,  in  denen  einem  Jünglinge  oder  Manne  der  gefüllte  Becher  dar- 
gereicht wird  oder  der  Labetrunk  in  den  vorgehaltenen  Becher  ein- 
gegossen wird. 

Stephani  hat  jüngst  diese  Bildwerke  einer  genaueren  Besprechimg 
unterworfen  (CR,  1873  p.  109 — 244),  die  manches  richtige  enthält, 
ohne  dass  ich  Stephani  in  allem  einzelnen  zustimmen  könnte.  Vor 
allem  betont  Stephani  als  den  Grundgedanken  des  Ganzen  immer 
wieder  die  ciiovb/|,  die  religiöse  Handlung  des  Ausgiessens  eines 
Theiles  der  Flüssigkeit  auf  den  Erdboden,  den  Heerd  oder  einen 
Götteraltar,  die  der  Jüngling  oder  Mann  in  der  Mitte  der  Familie  beim 
Abschiede  vornimmt,  um  die  Gunst  der  Götter  für  das  Unternehmen 
zu  gewinnen  und  um  erfolgreiche  Bückkehr  zu  erbitten  oder  auch 
in  einigen  wenigen  Fällen  fUr  die  glückliche  Heimkehr  zu  danken. 
Wie  die  cnovbifj  der  Grundgedanke  bei  den  Scenen,  die  uns  Sterb- 
liche vorfahren,  sein  soll,  so  auch  bei  den  Göttern,  auf  die  die  Ge- 
bräuche der  Menschen  übertragen  würden.  Ohne  Zweifel,  meint 
Stephani,  denl^e  auf  diese  Weise  jeder  Gott  sich  gegen  die  Missgunst 
der  übrigen,  namentlich  derer,  welche  ihn  noch  an  Macht  über- 
ragten, zu  schützen  und  um  Gewährung  freundlicher  Gesinnung  und 
Femhaltung  von  Missgunst  zu  bitten  (p.  116.  197).  Nun  ist  es 
allerdings  wahr,  dass  wir  in  manchen  der  zahlreichen  Darstellungen 
den  heiligen  Akt  der  CTTOVbri  uns  vorgeführt  finden^),  und  ebenso- 
wenig soll  geleugnet  werden,  dass  man,  um  die  Gunst  der  Götter 
zu  erlangen,  ihnen  spendete,  was  besonders  passend  dann  war,  wenn 
der  Betreffende  zu  einem  unternehmen,  sei  es  kriegerischer  oder 
friedlicher  Art,  sich  von  den  Seinen  verabschiedete;  andererseits 
aber  steht  soviel  fest,  dass  in  den  meisten  der  in  Bede  stehen- 
den Yasenbilder  die  CTrovbrj  durchaus  zurücktritt.  Die  Auffi&ssung 
Stephanis  hängt  wesentlich  zusammen  mit  dem  Momente,  den  er 
in  den  meisten  Darstellungen  vorgeführt  findet,  unzweifelhaft  ist 
es  richtig,  dass  es  sich  in  den  meisten  um  den  Abschied  von  den 
Angehörigen  auf  längere  oder  kürzere  Zeit  handelt;  aber  Stephani 
geht  zu  weit,  er  möchte  am  liebsten  diesen  Moment  in  allen 
finden  und  den  Empfang  bei  der  Bückkehr  gar  nicht  oder  doch 
nur  in  einigen  wenigen  Fällen  erkennen  (p.  252).  Von  einer 
Situation,  in  der  weder  der  Auszug  noch  auch  die  Bückkehr  nach 


^)  Die  herabfliessende  Flüssigkeit  selbst  ist  sichtbar  s.  B.  Neapel 
3187.    Petersburg  1691.  1718. 


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550  H.  Lnckenbach: 

glücklieb  yollbrachter  Tbat  dargestellt  sein  kann,  spricht  er  gar 
nicht,  nnd  doch,  glaube  ich,  müssen  so  eine  Reihe  der  Yasenbilder 
gedeutet  werden,  wie  z.  B.  das  Innenbild  der  Brygosschale  mit  der 
Hiupersis,  welches  nns  die  Briseis  vorführt,  wie  sie  einem  sitzenden 
Greise  den  hingehaltenen  Becher  füllt  Es  ist  freilich  anch  hier 
nicht  schwer,  einen  Moment  zu  erfinden,  in  dem  das  von  Stephani 
Vorgebrachte  passen  würde:  etwa  Phoiniz  oder  Nestor,  der  noch 
auf  troischem  Boden  den  letzten  Trank  nimmt,  um  heim  ins  viel- 
geliebte Vaterland  zu  fahren  und  die  Götter  um  glückliche  Heim- 
kehr zu  bitten.  Allein  ich  meine,  hier  ist  nichts,  was  uns  auf  solche 
Auffassung  führen  müsste,  und  wir  werden  uns  begnügen  müssen, 
einen  Augenblick  zu  erkennen,  in  dem  abgesehen  von  Auszug  oder 
Bückkehr  Briseis  dem  Alten,  den  HejdemannPeleus  nennt,  einen  Trank 
darreicht.  Ein  gleiches  ist  besonders  bei  den  Göttern  der  Fall,  denen 
einzeln  oder  im  grösseren  Kreise  versammelt  der  Becher  gefüllt  wird. 

Andere  Bildwerke  sind  unzweifelhaft  auf  den  Moment  der  Bück- 
kehr bezüglich,  und  ich  rechne  dahin  eine  grössere  Anzahl  als  Ste- 
phani geneigt  ist.  Er  weiss  freilich  manchmal  durch  seine  Inter- 
pretation eine  solche  Deutung  zu  geben,  die  ich  unmöglich  aner- 
kennen kann.    Es  möge  hier  ein  Beispiel  folgen: 

Inghirami  vas,  fiü,  364  stellt  uns  den  Theseus  dar,  der  den. 
schon  bezwungenen  Stier  mit  sich  führt.  Ihn  umgeben  Aigeus  und 
Aithra,  welche  in  ihren  Händen  die  Schale  und  Kanne  hält,  wie 
Stephani  urtheilt;  ohne  Zweifel  deshalb,  *weil  sie  ihm  nach  allge- 
meiner Familiensitte  vor  seinem  Auszug  zu  dem  gefahrvollen  Unter- 
nehmen in  Gegenwart  des  Vaters  diesen  frommen  Dienst  geleistet 
und  ihn  dann  bei  seiner  Heldenthat  begleitet  hat'.  Allein  es  liegt 
doch  nichts  näher,  als  hier  den  Augenblick  zu  erkennen,  in  dem 
Aithra  den  siegreichen  Sohn  empftngt  und  bewirthet. 

Lassen  sich  also  diese  drei  Scenen  des  Abschieds,  der  Rückkehr 
und  eines  man  möchte  sagen  gelegentlidhen  Trankes  unterscheiden, 
so  kommen  wir  auf  die  obige  Frage  über  die  cirovb/j  zurück.  Ist 
der  Abschied  dargestellt,  so  mag  man  die  Götter  um  Segen  für  das 
Unternehmen  bitten,  die  Spende  bei  der  Ankunft  mag  den  Göttern 
Dank  bedeuten,  aber  wie  steht  es  bei  der  dritten  Klasse  von  Monu- 
menten, die  weder  Auszug  noch  Bückkehr  darstellen?  Lässt  sieb 
auch  hier  die  cirovbyj  als  Hauptsache  erkennen?  Ich  denke  nein. 
Aber  warum  wollen  wir  denn  mehr  in  den  Bildwerken  lesen  als  sie 
uns  selbst  an  die  Hand  geben?  Können  wir  uns  nicht  begnügen, 
einfach  die  Bewirthung,  das  Darreichen  des  Trankes  zu  sehen,  wie 
ja  auch  heute  nach  allgemein  verbreiteter  Sitte  dem  Weggehenden 
ein  letztes  Glas  gefüllt  wird,  und  der  Ankommende  mit  Speise  and 
Trank  bewirthet  wird?  Verstärkt  wird  diese  Auf&LSSung  durch  die 
Darstellungen,  in  denen  Göttern  der  Becher  gereicht  wird.  Wo  ist 
denn  der  Beweis,  dass  auch  hier  die  cirovbr)  der  Grundgedanke  ist^ 
eine  Bitte  an  die  übrigen  Götter,  ihnen  geneigte  Gesinnung  zu  be- 


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Verb.  d.  gpr.  Vasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  551 

wahren?  Werden  wir  nicht  vielmehr  sagen,  dass  wir  dieselben  sich 
laben  sehen  an  dem  Tranke,  der  nur  ihnen  bescheert  ist?^) 

Doch  ich  fürchte  fast  zn  weit  yon  dem  mir  vorgesteckten  Ziele 
abgegangen  zn  sein,  die  Vasenbilder  auf  ihre  Abhängigkeit  von 
poetischen  Quellen  hin  zn  untersuchen.  Schon  Stephani  (p.  118  ff.) 
hat  bemerkt,  dass  diese  Credenzungsscenen ,  um  einen  Ausdruck  zu 
gebrauchen,  der  in  neuerer  Zeit  oftmals  angewendet  ist,  sich  kaum 
in  der  archaischen  Vasenmalerei  vorfinden.  Nicht  hinzuzurechnen 
sind  natürlich  Darstellungen,  in  denen  wir  den  Achilleus  (über  dem 
Leichnam  des  Hektor)  oder  den  Herakles  bei  der  Mahlzeit  finden, 
sowie  gewöhnliche  Trinkscenen,  die  sich  auch  in  archaischen  Monu- 
menten^ finden. 

Von  heroischen  Darstellungen,  die  für  uns  hier  allein  in  Be- 
tracht kommen,  sind  nur  zwei  Vasenbilder  zu  erwähnen.  Das  erste 
(man,  X,  4,  korinthisch)  zeigt  uns  den  Amphiaraos  im  Begriff  den 
Wagen  zu  besteigen;  Leontis  reicht  ihm  den  Abschiedstrank;  das 
zweite,  welches  Gerhard  AV.  117  publicirt  ist,  zeigt  uns  den  Hera- 
kles, der  die  Deianeira  gegen  den  Nessos  vertheidigt.  Gegenwärtig 
ist  ausser  einem  Manne  eine  Frau  mit  einer  Weinkanne  in  der 
Rechten,  um  nach  glücklichem  Verlaufe  des  Kampfes  den  Helden 
zu  bewirthen,  nicht  dagegen,  wie  Stephani  meint,  um  uns  an  die 
cirovbrj  zu  erinnern,  die  die  Familie  vor  der  Abreise  des  Heros  und 
seiner  Gattin  den  Göttern  gemeinsam  dargebracht  hatte. 

Ausser  diesen  beiden  archaischen  Bildwerken  zeigen  die  übrigen, 
die  für  uns  in  Betracht  kommen,  die  neue  Technik.  Durchgebildet 
wurden  also  diese  Scenen  erst  dann,  als  der  attische  Greist  der 
GeHtesbildnerei  neues  Leben  einhauchte,  als  er  mit  der  neuen  Technik 
auch  neue  Gedanken  fasste  und  neue  Weisen  ausbildete  und  sie  in 
die  Vasenmalerei  übertrug.  Dem  wirklichen  Leben  entlehnten  die 
Maler  die  Sitte  des  Darreichens  eines  Trunkes,  die  sie  dann  auf  die 
Helden  übertrugen,  ohne  dazu  der  Autorität  einer  besonderen  Dichter- 
stelle zu  bedürfen  oder  sie  überhaupt  nur  zu  begehren.  Damit  hängt 
es  zusammen,  dass  wir  uns  diese  Scenen  erst  genreartig  gebildet  zu 
denken  haben  und  dass  sie  erst  später  auf  die  Helden  der  Sage 
übertragen  wurden.  Nach  Ausbildung  der  allgemeinen  Darstellungen, 
die  ihren  Ursprung  im  Familienleben  hatten,  wagte  man  es  erst, 
auch  den  Bellerophon  mit  dem  gezähmten  Pegasos  auf  dieselbe  Weise 
Abschied  nehmen  zu  lassen  (annal,  1874,  tav.  A,  p.  15,  30). 

Von  den  einzelnen  Vasenbildem  ist  zunächst  eins  aus  unserem 
Kreise  zu    scheiden:   Gerhard  AV.  II,  150.')     Nike  schenkt  dem 


1)  Etwas  anderes  ist  natflriich,  wenn  Apollon  als  Musiker,  aJe  Ver- 
treter aller  derer,  die  den  Gesang  lieben,  den  Göttern  spendet.  --  ')  Z.  B. 
Neapel  2488.  SA.  160  B.  154.  SC.  286.  Gerhard  AV.  1,  74.  Sehr  häufig 
reicht  eine  Frau  (Ariadne)  oder  ein  Satyr  dem  Dionysos  den  Becher 
(EanÜiaroB).  —  ')  Auch  Mus.  Greg,  11,  68,  2.  Greuzer,  deutsche  Sehr.  1, 
8,  1,  Taf.  V.    Panofka,  Eigennamen  mit  koXöc  III,  6. 


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552  H.  Lnckenbach; 

Lykaon  in  Gegenwart  des  alten  Antandros  ein.  Stephani  erklärt 
p.  170  f.  diesen  Ljkaon  für  den  Sohn  des  Priamos,  Antandros  soll 
der  Beprftsentant  der  zurückbleibenden  Familie  sein.  Aber  gewiss 
ist  die  üebereinstinunung  nur  zufiülig;  der  Maler  hat  gar  nicht  an 
den  Sohn  des  Priamos  gedacht,  daher  er  denn  anch  nicht  den  Ptiamos, 
sondern  den  Antandros  dargestellt  hat  (ygl.  Heydemann  p.  164,  2). 

Nach  dem  Bisherigen  genügt  die  blosse  Erwähnung  mehrerer 
Darstellungen,  die  als  heroisirte  zu  erkennen  nicht  schwer  fallen 
kann.  Oyerb.  387,  11,  XYI,  2  steht  eine  Frau  mit  Schale  und  Krug 
dem  gewafi&ieten  Achilleus  gegenüber.  Ob  wir  die  Frau  Briseis  oder 
Thetis  (so  Brunn,  troische  Mise.  p.  63  f.)  nennen  wollen^  ist  ganz 
gleichgültig.  In  ähnlicher  Weise  ist  MiÜingen  vas.  CoghiU  23  dem 
Menelaos  eine  Frau  gegenübergestellt.  Auf  dem  Innenbilde  einer 
Euphroniossehale  steht  vor  einem  Jünglinge  (Achilleus)  Diomede 
mit  der  Weinkanne  in  Händen  (Berlin  1780.  Oerhard,  Trinksch.  u. 
Oef.  14).^)  Der  Jüngling  sowie  auch  die  Frau  sind  beide  benannt 
Gerhard  AY.ni,  158  (Bologna  nms.  civ.p.  62,  78)  und  München  329. 
Im  ersten  sehen  wir  Theseus  und  Aithra,  im  zweiten  Theseus  und 
Ariadne. 

Auf  den  Abschied  Hektors  sind  zwei  Vasenbüder  zu  beziehen. 
Overb.  398,  21,  XYI,  16^)  reicht  Hektor  der  jugendlichen  Hekabe 
den  Becher  dar.  Ihr  Gatte  steht  traurig  hinter  dem  Sohne.  Der 
Enotenstock,  den  derselbe  in  der  Hand  hält,  sowie  das  jugendliche 
Aussehen  der  Hekabe  zeigen  an,  dass  auch  hier  dem  bereits  fertigen 
Typus  eine  Gruppe  zusammengehöriger  Namen  beigeschrieben  wurden. 
Aehnlich  in  allem  Wesentlichen  ist  Dubois-Maisonneuve  introd.  63 
«»  Inghirami  GO,  I,  58,  nur  dass  hier  Priamos  allein  benannt  ist 
und  dem  Sohne  ein  weiterer  Begleiter  zugegeben  ist. 

Anklänge  an  Homer  sind  wahrnehmbar  in  der  Berliner  Vase 
Nr.  1945.  Abg.  Bevue  orchM.  1845,  Taf.  40;  vgl.  Arch.  Zeit  1853, 
p.  106.  Nestor  unterhält  sich  mit  dem  bewaffneten  Telemachos; 
eine  Frau  trägt  eine  Schale  herbei.  Offenbar  haben  wir  eine  der 
gewöhnlichen  Darstellungen  yor  uns,  und  insofern  hat  Heydemann 
durchaus  Recht,  wenn  er  die  Scene  eine  heroisirte  nennt.  Nur  glaube 
ich  nicht,  dass  der  Maler  blindlings  in  den  Schatz  der  heroischen 
Namen  hineingriff  und  die  Namen  Telemachos  und  Nestor  zufällig 
zusammenstellte.  Vielmehr  wählte  er  sie  im  Anschluss  an  die  be- 
kannte Erzählung  von  Telemachs  Besuch  bei  Nestor  im  dritten 
Buche  der  Odyssee. 

Gegen  die  Beziehxmg  auf  die  homerische  Dichtung  Hesse  sich 
vielleicht  das  vielbesprochene  Yasenbild  Overb.  584,  33.  Jahn  Vasen- 
bild. Taf.  3  anfahren.  Helena  mit  der  olvoxör]  in  der  Rechten  steht 
zwischen  Diomedes  imd  einem  anderen  Helden,  von  dessen  Namen 


*)   Auch  Comse,  Vorlegebl.  V,  5,  2.     Panofka,  Vasenb.  IV,  7.  — 
')  Die  Inschrifiien  fehlen  bei  Oyerbeck  durch  Versehen  des  Zeichners. 


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Verb.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  653 

nur  noch  die  Bnehstaben  £10  erhalten  sind.  Beide  Mttnner  sind  be- 
krSnzt/mit  der  Chlamys  bekleidet  and  mit  zwei  Lanzen  bewaffioet. 
Welcker  (Gr.  Trag.  I,  147  £  m,  1530,  16)  brachte  diese  Scene 
zuerst  in  Verbindung  mit  dem  Palladionraube  des  Diomedes  und 
Odjsseus  und  glaubte,  es  sei  die  Verabredung  zum  Raube  dar- 
gestellt: andere  sind  ihm  darin  gefolgt,  und  noch  Stephani  p.  168 
hftlt  daran  fest,  dass  die  Griechen  sich  durch  eine  ihnen  von  Helena 
ministrirte  ciTOvbi^  den  Beistand  der  Götter  zu  ihrem  schwierigen 
Unternehmen  zu  gewinnen  suchen.  Allein  die  Unmöglichkeit  dieser 
Erklärung  ergibt  sich  leicht,  da  ja  nicht  Odysseus  dargestellt  ist, 
sondern  ein  anderer  Held,  dessen  Namen  mit  Sicherheit  zu  ergänzen 
bisher  noch  nicht  gelungen  ist.  Denn  die  Buchstaben  €to  zu  Odjsseus 
zu  ergänzen,  geht  doch  wohl  nicht  an;  und  deshalb  hat  Jahn,  der 
früher  (Philöl.  I,  p.  55)  Welckers  Erklärung  billigte,  zuerst  dieselbe 
ganz  aufgegeben,  da  nichts  an  den  Palladionraub  erinnern  könne 
(annal,  1858  p.  251).  Heydemann  nennt  mit  Becht  diese  Scene  eine 
heroisirte;  eine  mjüiische  Begebenheit  liegt,  wie  es  scheint,  nicht 
zu  Grunde,  und  lediglich  ganz  beliebige  Heroennamen  sind  gewählt 
worden.  Jedoch  muss  zugegeben  werden,  dass  diese  Vase  ganz  einzig 
in  ihrer  Art  dasteht;  Helena  und  Diomedes  haben  in  der  Sage  wenig 
mit  einander  zu  thun,  und  während  wir  sonst  in  ^  diesen  Bildern 
immer  zusammengehöiige  Personen  vorgeführt  finden,  scheint  hier 
in  diesem  Bilde  der  Maler  sehr  willkürlich  gehandelt  zu  haben. 
Denn  schwerlich  wird  er  mit  Bezug  darauf,  dass  Diomedes  zu  den 
Freiem  der  Helena  gehörte  (Hjgin  faib.  81),  gerade  diese  Personen 
zusammengestellt  haben. 

Auch  für  die  Vase  des  Epigenes  Afmal,  1850,  tav.  H.  I,  Bidl. 
Nap.  V,  2  stimme  ich  mit  Heydemann  überein;  nur  dass  auch  hier 
der  Künstler  mit  Bedacht  seine  Namen  wählte.  Auf  der  einen  Seite 
steht  Achilleus,  dem  Kymothoe  den  Becher  reicht,  Abschied  nehmend 
von  Agamemnon,  indess  Ukalegon  auf  ihn  wartet;  auf  der  anderen 
Patroklos,  dem  Thetis  den  Abschiedstrank  gereicht  hat,  indess  Anti- 
lochos  Yon  Nestor  sich  verabschiedet  und  Verhaltungsmassregeln 
entgegennimmt  Gegen  Brunns  Deutung^)  auf  den  Auszug  des 
Achilleua  aus  seiner  Heimath,  die  auch  meiner  Ansicht  nach  auf- 
gegeben werden  muss,  spricht  Heydemann  p.  176.  Wir  haben 
also  einen  Auszug  der  in  der  Sage  eng  verbundenen  Helden 
Achilleus,  Patroklos  und  Antilochos,  denen  sich  als  vierter  Uka- 
legon zugesellt.  Wenn  ich  auch  der  Deutung  des  Namens  Uka- 
legon von  Schmidt^  nicht  beistimmen  kann,  so  ist  doch  auch  die 
Erklärung  von  Jahn^)  nicht  ausreichend,  dass  der  Name  ganz  will- 
kürlich gewählt  sei.  Nach  nochmaliger  Vertheidigung  Schmidts^) 
gibt  auch  Jahn^)  halbwegs  zu,  dass  dem  Namen  Ukalegon  eine  be- 


»)  Troische  Miscell.  p.  68-72.  —  *)  Annal.  1860,  143  ff.  —  »)  Arch. 
Zeit  1853, 128.  —  *)  Arch.  Zeit  1863, 169.  ^  ^)  Münchener  Vasen  p.  GXIX. 


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554  H.  Lnckenbach: 

sondere  Bedeutung  ;Eukomme.  ükalegon  ist  keineswegs  ein  häufiger 
Name.  Nach  Homer  f  148  und  Vergil  Aen.  11,  312  war  derselbe 
ein  Trojaner;  nach  dem  Schol.  zu  Eur.  Phoin.  26  nannte  man  den 
Vater  der  Sphinx  bei  diesem  Namen.  Wenn  man  bedenkt^  wie  so 
hXufig  die  Yasenmaler  die  Namen  mit  Bedacht  wählen,  so  liegt  es 
auch  hier  nahe,  in  dem  Namen  eine  besondere  Absicht  des  Künstlers 
ausgedrückt  zu  sehen.  Sollte  etwa  damit  gesagt  sein,  dass  —  wie 
es  ja  der  Wortlaut  gibt  —  hier  der  Mann  steht,  der  sich  um  nichts 
kümmert,  den  ja  auch  eigentlich  die  ganze  Abschiedsscene  gar  nichts 
angeht?  Während  im  Reverse  der  Begleiter  des  Patroklos  Weisungen 
Yon  Nestor  erhält,  steht  ükalegon,  der  Begleiter  des  Achilleus,  ganz 
am  Ende  des  Bildes  unbetheiligt  an  dem  Vorgänge.  Niemand  kümmert 
sich  um  ihn,  und  er  vergilt  Gleiches  mit  Gleichem. 

Auf  den 

Abschied  des  Achilleus 
aus  seiner  Heimath  sind  zwei  Bildwerke  zu  beziehen. 

1.  Noffl  des  Vergers  Jätrurie  pl.  38.  Brunn  VorlegebL  Nr.  12. 
Jede  Inschrift  fehlt;  aber  die  Anwesenheit  des  Cheiron  macht  es 
wahrscheinlich,  dass  auch  hier  Achilleus  es  ist,  der  in  die  Feme 
ziehend  Abschied  nimmt  Freilich  nannte  das  Alterthum  noch  eine 
ganze  Reihe  anderer  Helden  als  Zöglinge  des  Cheiron;  aber  zu 
keiner  Familie  stand  derselbe  in  so  enger  Beziehung  wie  zu  der  des 
Polens,  und  ich  wüsste  nicht,  auf  wen  dies  Bild  sich  sonst  be- 
ziehen Hesse. 

Cheiron  steht  vor  dem  Viergespanne  des  Achilleus ;  neben  ihm 
Hermes,  der  den  Helden  begleiten  wird.  Der  fast  knabenhafte 
Wagenlenker  hat  Platz  im  Wagen  genommen,  der  ganz  gerüstete 
Achill  ist  eben  im  Begriffe  einzusteigen.  Ihm  den  Abschiedstrank 
zu  reichen,  steht  neben  den  Pferden  eine  Frau  mit  Kanne  und  Schale 
(Nereide?).  Hinter  Achilleus  steht  ein  bärtiger  Mann  gewaffnet  mit 
Helm,  Schild  und  Lanze,  bekleidet  mit  dem  Chiton,  und  ein  kahl- 
köpfiger Alter.  Stephani  nennt  die  beiden  Phoinix  und  Polens; 
Brunn  ^)  nennt  den  Greis  Nestor,  in  einem  der  beiden  Krieger  er- 
kennt er  den  Achilleus,  im  anderen  den  Antilochos  oder  Patroklos. 
Bei  seiner  Deutung  stützt  er  sich  auf  Overb.  XVni,  2;  das  er 
jedoch,  wie  wir  oben  sahen,  fälschlich  auf  den  Auszug  des  Achilleus 
aus  seiner  Heimath  deutete.  Auch  hier  vermisse  ich  alles,  was  bei 
Brunns  Deutung  auf  den  Auszug  des  Achilleus  hinweisen  könnte. 
Offenbar  bleibt  der  Alte  zurück,  die  Krieger  ziehen  aus  in  den  Kampf, 
und  deshalb  kann  der  Alte  nur  Peleus  sein.  Was  Brunn  gegen  ihn 
geltend  macht,  will  nicht  viel  bedeuten.  Dass  Peleus  nach  der  ersten 
Erziehung  seines  Sohnes  ganz  zurücktritt  in  der  Sage,  ist  gleich- 
gültig, da  bei  diesem  Bilde  sich  der  Maler  überhaupt  nicht  nach 
einer  bestimmten  poetischen  Schilderung  richtete.    Dass  aber  Peleus 


^  Troisohe  Miscellen  p.  67.  68. 

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Verfa.  d.  gr.  Vasenbüder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  555 

Greis  ist,  ist  sehr  wohl  vereinbar  mit  dem  Alter  der  Krieger.  Daher 
sehe  ich  kein  Hindemiss,  den  Alten  Peleus  zn  nennen;  ob  der  Be- 
gleiter des  Achilleus  Phoinix  oder  Patroklos  ist,  wird  schwer  zu  be- 
stimmen sein;  ich  entscheide  mich  für  letzteren,  da  derselbe  doch 
noch  weit  näher  mit  Achill  verbunden  ist  als  Phoinix.  Den  jugend- 
lichen Wagenlenker  möchte  ich  als  Pferdeknecht  (^tmoKÖiiioc)  deuten ; 
er  erklärt  sich  am  besten,  wenn  wir  annehmen,  dass  er  bloss  vor- 
läufig die  Bosse  anhält,  bis  die  Helden  eingestiegen  sind.  Er  ist  in 
anderen  ähnlichen  Scenen  ausgebildet  und  wurde  hier  beibehalten 
in  einem  Bilde,  das  nur  durch  Cheiron  als  heroisches  bezeichnet  wird. 
Dass  Achilleus  von  seinem  Vater  Abschied  nahm,  mag  freilich  in 
den  Eyprien  erwähnt  gewesen  sein,  aber  dies  Bild  werden  wir  un- 
bedenklich der  Erfindung  des  Künstlers  beilegen.  Da  wo  er  nach 
dem  Epos  den  Auszug  des  Achilleus  zeichnet,  ist  die  Darstellung 
eine  ganz  andere:  da  sucht  Thetis  ihren  Sohn  durch  Warnungen 
zurückzuhalten  in  Gegenwart  der  Gesandten,  die  ihn  zu  werben  ge- 
kommen sind  (vgl.  unten  §.  13). 

2.  Neapel  3352.  BiOl.  Nap.  -Y.  Ä  V,  2.  Brunn,  Vorlegebl. 
Nr.  12.  Hermes  führt  den  Achilleus  zu  Nereus,  der  einen  Kranz 
für  den  Enkel  bereit  hält.  Hinter  Nereus  drei  seiner  Töchter, 
Psemathe  mit  Kanne  und  Krug,  um  dem  Neffen  zum  letzten  Male 
den  Becher  zu  kredenzen,  Kymathoe  und  endlich  Thetis,  die  offenbar 
den  Abschied  tief  empfindet,  und  der  wie  zum  Trost  Kymathoe  die 
Hand  auf  die  Schulter  legt.  Wenn  Welcker,  alte  Denkm.  IE,  p.  407 
und  Overbeck  p.  279  aus  den  Worten  der  Ilias  A  396  f.,  mit  denen 
Achilleus  seine  Mutter  anredet 

TTÖXXttKi  T<ip  ceo  iraipöc  i\\  jüieT<ipoiciv  fiKOuca 
eöxoiLi^vric  ktX., 

den  häufigen  Verkehr  des  Achilleus  im  Hause  des  Grossvaters  er* 
schliessen  wollen,  so  beruht  dies  auf  einem  Miss  Verständnisse,  da 
C€0  nicht  zu  iraTpdc  gehört,  sondern  von  fiKOUca  abhängig  ist,  und 
unter  dem  Vater  der  Vater  des  Redenden,  also  Peleus,  zu  verstehen 
ist.  Schon  Aristarch  warnte  vor  der  falschen  Auffassung  und  ver- 
warf den  Verkehr  des  Achilleus  mit  dem  Grossvater  als  xmhomerisch, 
ohne  einer  abweichenden  Tradition  der  vcunrepot  Erwähnung  zu  thun. 
Daher  war  denn  auch  der  Abschied  des  Achilleus  von  seinem  Gross- 
vater nicht  in  den  Kjprien  geschildert,  womit  zugleich  der  Beweis, 
dessen  es  kaum  noch  bedarf,  gegeben  ist,  dass  keine  poetische  Quelle 
dem  Bilde  zu  Grunde  liegt 

Als  letztes  Bild  dieser  Beihe  verzeichnen  wir  den 

Abschied  des  Neoptolemos 
atmal.  1860,  Uw.  IK. 

Neoptolemos  nimmt  Abschied  von  seinem  Grossvater  Lykomedes, 
die  Mutter  Deidameia  hält  die  gefüllte  Schale  fttr  ihn  bereit.  Boulez, 

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556  H.  Luckenbach: 

der  Herausgeber,  will  als  Grundlage  dieser  Soene  das  Epos  ansehen, 
während  in  der  Tragödie  die  Abfahrt  nach  Trctja  wider  den  Willen 
des  Orossvaters  und  der  Mutter  geschalL  Es  wird  ttberflüssig  sein, 
noch  im  Einzelnen  zu  beweisen,  dass  wir  nicht  nöthig  haben,  eine 
poetische  Quelle  anzunehmen.  Das  Epos  wusste  viel  Ton  der  Ab- 
holung des  Neoptolemos  zu  erzählen;  allein  alle  jene  besonderen 
Ereignisse  sind  hier  zurückgetreten,  indem  der  Maler  die  so  übliche 
Darstellung  auf  den  beliebten  Sohn  des  beliebtesten  Helden  übertrug. 


g.  7.    Sleidnng»  Bewaffhnng  tl  dgL 

In  Einzelheiten  und  Nebensachen,  in  Kleidung  und  BewafiEnung, 
im  Schmuck  von  M&nnem  und  Weibern,  in  der  Darstellung  von 
Gegenständen,  kurz  in  allen  den  Dingen,  die  nicht  als  durchaus 
wesentlich  oder  charakteristisch  erscheinen,  hat  der  Maler  sich  nie- 
mals an  die  Epiker  gehalten.  Es  fehlt  freilich  nicht  an  solchen,  die 
auch  in  derartigen  Kleinigkeiten  Nachahmung  der  schriftlichen  Tra- 
dition seitens  der  Yasenmaler  erblicken  wollen.  So  sagt  Schlie  (zu 
den  Kyprien  p.  44)  bei  Besprechung  des  Götterzuges  zur  Hochzeit 
des  PeleuB  auf  der  Fran^oisyase:  „daraus  mag  man  entnehmen,  dass 
der  Dichter  auch  alles  üebrige,  was  sich  auf  die  glänzende  Ankauft 
der  Götter  bezog,  dem  entsprechend  ausgemalt  haben  wird,  die 
prachtvoll  geschirrten  Rosse  vor  den  einzelnen  Gespannen,  die 
Attribute,  den  Schmuck  und  die  kunstvoll  gewirkten  Gewandungen 
der  (Götter,  den  Gesang  der  Musen,  das  Humoristische  in  der  Gestalt 
des  Dionysos,  sowie  des  Hephaistos  u«  dgL  m/^  Allein  eine  solche 
Auffassung  der  Vasenmalerei  ist  durchaus  verkehrt  Von  dem 
Hochzeitszug  wird  später  noch  die  Bede  sein;  hier  aber  muss  schon 
bestritten  werden,  dass  die  Vase  auf  irgend  etwas  von  den  aufge- 
zählten Dingen  hinführt.  Dies  im  Einzelnen  zu  widerlegen,  wird 
nicht  mehr  nöthig  sein.  Nur  das  möchte  man  fragen,  wie  denn  der 
Maler  verfahren  sein  würde,  wenn  die  Gewandungen  und  Attribute 
der  Götter  nicht  im  Epos  geschildert  waren,  wenn  ihrer  Gespanne 
keine  Erwähnung  geschah:  sollte  er  dann  die  Götter  nackt  und  ohne 
Attribute,  die  Bosse  möglichst  hässlich  malen?  Man  sieht,  zu  wel- 
chen üngei»imtheiten  dergleichen  Erklärungen  führen;  und  wenn 
nun  gar  das  Humoristische,  welches  in  den  Gestalten  des  Dionysos 
und  Hephaistos  hervortreten  soll,  auf  die  Kyprien  übertragen  wird, 
so  verlangen  wir  doch  zunächst  den  Beweis,  dass  der  Künstler  sich 
in  solchen  Dingen  jemals  an  die  Verse  des  Dichters  gehalten  hftt, 
ehe  wir  uns  mit  einer  derartigen  Ergänzung  der  verlornen  Dichtungen 
einverstanden  erklären  können. 

Zur  weiteren  Beleuchtung  der  bisherigen  Methode  mag  noch 
ein  ähnliches  Beispiel  angeführt  werden.  Heydemann  sagt  in  seiner 
Iliupersis  p.  13  bei  Besprechung  der  BrygosschaJe  (Taf.  I);  „Neopto- 
lemos ist  gewaffhet  mit  der  hellstrahlenden  ^goldigen'  Büstung  seines 


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Yerh.  d.  gr.  Vaeenbilder  2.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  557 

Vaters,  der  Arbeit  des  Hephaistos''.  Zu  diesen  Worten  werden  dann 
folgende  drei  Belegstellen  angeführt:  Homer  C  610  T€0{'  dpa  o\ 
OuipHKa  q>a€iv6T€pov  irupöc  a<rff\c.  Buripid.  Iph.  Aul.  1069  ff.  ircpl 
cuipon  XP^^^V  &nXuJV  'H<patcT0ir6vuiv  K€Kopu0^voc.  El.  443 
'HqMxicTOU  xpuc^ujv  äk^iöviüv  p6x6oüc  Äctncrdc  xcux^tuv.  Mit  diesen 
Gitaten,  von  denen  übrigens  bloss  das  erste  sich  auf  die  Rüstung 
bezieht,  welche  später  Odysseus  dem  Neoptolemoe  übergab^),  will 
Hejdemann  zeigen,  dass  Brygos  die  Bflstung  des  Neoptolemos  so 
malte,  wie  er  sie  aus  der'  Poesie  kannte.  Allein  das  heisst  dem 
Maier  fremde  Gedanken  unterschieben.  Die  Rüstung  ist  heUstrahlend 
wie  jede  andere  auch  und  goldig  d.  h.  mit  zwei  Ooldpimkten  ge- 
schmückt, gewiss  nicht  um  an  die  berühmte  Rüstuz^  zu  erinnern, 
sondern  weü  Br  jgos  eine  schöne  Vase  malen  wollte.  Hat  doch  auch 
der  Krieger  auf  der  anderen  Seite  eine  „goldige"  Rüstung  und  der 
kleine  Astjranax  goldene  Ohrringe.  « 

Jeder  Schluss,  der  aus  solchen  Dingen  auf  eine  Quelle  gemacht 
ist,  und  jede  Deutung,  die  nur  dadurch  herrorgemfen  wird,  muss 
Terkehrt  sein.  Auch  hierzu  ein  Beispiel  Micali  man.  med.  45,  1 
a»  Arch.  Zeit.  1852,  Taf.  44,  1  ist  ein  Vasenbild  publieirt,  auf 
welchem  zwei  prächtige  Rosse  mit  merkwürdigem  Schmucke  sich 
präsentiren.  Panofka  zog  Arch.  Zeit.  1852,  p.  481  ff.  die  Worte 
des  pseudoeuripideischen  Rhesos  V.  301 — 306  herbm,  und  siehe  da, 
die  Beschreibung  dort  schien  ganz  genau  mit  dem  Yasenbilde  über- 
einzustimmen; unzwei^lhaft  war  der  Auszug  des  Rhesos  dai^stellt 
und  nach  den  Worten  des  Dichters  die  Pferde  gemalt.  Es  wäre  in 
der  That  das  einzige  Beispiel  einer  solchen  Nachbildung  der  Maler; 
und  auch  hier  war  die  Deutung  Panofkas  irrig.  Eine  neue  Ab- 
bildung, die  noch  einige  weitere  Fragmente  aufweist  (Schöne  Museo 
Bocchi  Tafel  1)  macht  es  besonders  durch  den  Namen  Olbmöbric 
unzweifelhaft,  dass  eben  nicht  die  Rosse  des  Rhesos  dargestellt  sind. 

Die  Waffen  Memnons  haben  zu  mannichfaohen  Aeusserungen 
Anlass  gegeben.  Ohne  Zweifel  ist  es  eme  richtige  Vermuthung, 
dass  die  Rüstung  des  Memnon  einer  ausführlichen  Schilderung  im 
Epos  werth  gehalten  wurde  (Welcker  ep.  Cycl.  11,  p.  178,  Trilogie 
p.  433).  Denn  ausdrücklich  erwähnt  Proklos,  dass  Memnon  mit 
einer  von  Hephaistos  verfertigten  Rüstung  nach  Troja  gekommen 
sei:  M^^vulv  bk  6  *HoOc  uidc  fx^^v  f^cpaicTdreuKiov  iravoirXtov 
7rapaTiv€Tai  toTc  TpuK\  ßOTiOficuJV.  Auch  scheint  die  Rüstung  des 
Memnon  im  ganzen  Alterthum  berühmt  gewesen  2u  sein.  Weniger 
Gewicht  mochte  ich  auf  das  Beiwort  xotXKOKOpucrYjc,  das  Hesiod  ihm 
gibt  (Theog.  984),  legen,  da  es  doch  nur  ganz  aUgemeiner  Art  ist. 
Mehr  zu  beachten  ist  der  Vers  des  Vergil  (Aen.  I,  751): 
Nunc  quibus  Aurorae  yenisset  ülius  armis. 


^)   Die  beiden   anderen  Gitate   gehen   auf  die   erste  Rüstung   des 
Adiilleus,  mit  der  er  gen  Troja  sog. 

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558  H.  Luckenbach: 

Oftmals  bat  man  Anlass  genommen,  die  berrliche  Rüstung  des 
Memnon  in  Vasenbildern  besonders  zu  betonen.  Nim  ist  es  ja  ganz 
richtig  und  eigentlich  selbstverständlich,  dass  man  hervorragende 
Helden  wie  Hektor,  AchiUens,  Memnon  o.  a.  vorzttglich  bei  der 
Zeichnung  bedenkt;  wenn  man  aber  öfter  bemerkt,  dass  Memnon 
sich  Tor  seinem  Gegner  durch  seine  herrlichen  Wafifen  auszeichne 
mit  Bezug  auf  das  £pos,  so  muss  dies  in  Abrede  gestellt  werden. 
Wohl  möglich,  dass  einmal  Memnon  ein  wenig  stattlicher  aussieht; 
aber  man  möchte  doch  fragen,  ob  denn  nicht  des  Achilleus  Rüstung 
eben  so  bertthmt  oder  noch  berühmter  war  als  die  seines  Gegners? 

Eine  beabsichtigte  Auszeichnung  des  Memnon  constatirt  Schmidt 
Qßmal.  1857  p.  121  für  das  mcm,  VI,  6  a  publicirte  Vasenbild.  Diese 
Auszeichnung  dürfte  aber  doch  bloss  in  dem  Schildtuche  zu  erkennen 
sein,  das  indessen  Memnon  mit  vielen  anderen  Heerführern  gemein 
hat  (vgl.  Michaelis  amtdf.  1875  p.  76  ff^.  Auch  ist  als  Quelle  dieses 
Bildes  gar  nicht  das  Epos,  sondern  das  Drama  anzusehen,  wie  ich 
später  nachzuweisen  gedenke.  Aus  einem  anderen  Vasenbilde  hat 
Welcker  auf  das  Epos  schliessen  zu  köxmen  gegUubt  (Overb.  542, 
62,  XXII,  8).  Des  AithiopenfÜrsten  Beine  und  Arme  sind  mit  eng- 
anschliessendem  Gewände  bedeckt,  welches  ihn  als  Orientalen  be- 
zeichnet und  wie  auch  sonst  reichlichst  geschmückt  ist.  Sein  Panzer 
zeichnet  sieh  nicht  vor  dem  des  Gegners  aus;  dagegen  hat  der  Helm 
einen  eigenthümlichen  Schmuck,  ünzerstört  ist  noch  der  Helmbusch 
und  unter  demselben  ein  Thierkopf^  den  man  wahrscheinlich  richtig 
zu  einem  Greifen  ergänzt  hat.  Von  diesem  Greifadler  vermuthet 
nun  Welcker  ep.  CjcL  II,  p.  173  (vgl.  Trilogie  p.  433),  dass  der- 
selbe auch  bei  Arkünos  war.  Der  Schluss  Welckers  ist  sehr  be- 
denklich, wenn  wir  oben  Recht  hatten,  dass  Vasenmaler  in  solchen 
Dingen  sich  nie  an  das  Epos  binden,  um  so  bedenklicher,  da  gerade 
in  unserem  prächtigen  Vasenbüde  der  Künstler  sich  Mühe  gegeben 
hat,  seine  Personen  trefflichst  auszustatten:  einem  Genossen  des 
Memnon  hat  er  den  Panzer  mit  Bildwerk  geschmückt;  an  Achills 
Beinschienen  sind  Gorgoneia  angebracht;  Athena  trägt  zwei  Flügel- 
rosse an  der  Haarbinde.  Dazu  wolle  man  auch  beachten,  dass  bei 
solchen,  die  im  Begriffe  zu  fallen  siird  oder  sich  aufs  Knie  nieder- 
gelassen haben,  gern  ein  höherer  Helmbusch  gewählt  ist^);  hier 
musste  der  Greif  dazu  dienen,  den  Gefallenen  möglichst  gross  zu 
machen.  Gegen  Welcker  lässt  sich  noch  daran  erinnern,  dass  auch 
dieses  Bild  mit  mehr  Recht  auf  die  Tragödie  als  aufs  Epos  zurück- 
geführt wird,  da  der  für  den  epischen  Kampf  charakteristische  Anü- 
lochos  fehlt.  Ganz  hinfällig  aber  wird  die  Schlussfolgerung  durch 
ein  sfgs.  Vasenbild,  auf  welchem  dem  Helme  des  Memnon  ein  Hund 
(Wolf?)  aufgesetzt  ist,    dessen  Schwanz  den  Helmbusch   trägt') 


>)  Vgl.  2.  B,  Gerhard,  AV.  II,  84.  86.    Overb.  XXII,  2.  4.  XXTTI,  1. 
•)  Gerhard,  AV.  III,  207.    Overb.  618,  29. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbüder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  559 

Aehnlicher  Schmück  ist  nicht  selten.  Am  meisten  zeichnet  sich  Athena 
aus.  Ihren  Hehnbusch  tragen  zwei  gefltigelte  Pfsrde^),  die  empor- 
geschlagenen  Flügel  einer  hockenden  Sphinx')  oder  eine  Schlange.^) 
Letztere  wird  gern  auch  bei  Sterblichen  als  TrSgerindes  Helmbnsehes 
verwandt^).  Neapel  2781  erhebt  eich  von  den  Stimkappen  des 
Achillens  und  Memnon  ein  zischender  Schlangenkopf.  Der  Hehn  des 
Peirithoos  ist  einmal^)  mit  Seitenflügeln  geschmückt,  wtthrend  der 
Bnsch  vom  Bücken  einer  Schlange  getragen  wird;  anf  demselben 
Bilde  ist  der  Helm  einer  Amazone  mit  zwei  Hörnern  versehen.  In 
anderen  Vasen  wird  der  hohe  JSehnbnsch  des  Achillens  durch  einen 
Vogelkopf  (Schwan?)^,  der  des  Diomedes  von  einem  lauernden 
Fuchs  (Hnnd?)^)  getragen.  Petersburg  165  ist  Achilleus  mit  einem 
Helme  bedeckt,  „der  auf  der  Spitze  mit  einem  Fuchs  verziert  ist^^ 
Arch.  Zeit  1878  Taf.  2S  (vgL  p.  163)  ist  der  Helm  mit  der  Dar- 
stellung eines  Adlers  geschmückt,  der  reliefartig  aufgesetzt  zu  denken 
ist.  Den  merkwürdigsten  der  Helme,  der  aber  wohl  nicht  ohne  be- 
stimmte Bedeutung  ist,  sehen  wir  einen  Mann  einem  Epheben  auf- 
setzen (als  Eampfpreis?):  ein  ungewöhnlich  langer  Hals  geht  von 
der  Helmkuppel  aus,  der  in  einen  Adlerkopf  mit  schrecklich  langen 
Ohren  ausläuft*);  derselbe  lange  Hals  mit  Adlerkopf  und  langen 
Ohren  bildet  die  Lehne  des  Midasthrones.^) 

Diese  Zusammenstellung  wird  wohl  genügen^  um  den  Oreifadler 
auf  immer  vom  Epos  des  Arktinos  £sm  zu  halten. 


n.  AQSserepisehe  Dichtniigeii  und  Lokalsage. 

8.  8.    Tragödie. 

Da  die  rothfigurige  Technik  etwa  seit  den  Perserkriegen  in 
Athen  ausgebildet  wurde,  und  erst  um  diese  Zeit  auch  Aischjlos 
seine  grossartige  Thätigkeit  ent&ltete,  so  ist  es  nicht  zu  verwundem, 
dass  eine  Benutzung  der  Tragödie  seitens  der  Vasemnaler  fast  nur 
in  der  rfgn.  Malerei  wahrnehmbar  ist.  Soweit  ich  die  Bildwerke, 
welche  von  der  Tragödie  innerhalb  des  troischen  Sagenkreises  be- 
einflusst  sind,  überblicke  —  die  übrigen  Bildwerke  würden  noch 
anf  diesen  Oesichtspunkt  hin  zu  prüfen  sein  — ,  zeigen  nur  zwei  die 
alte  Technik.  Das  erste  (sog.  nasUemo)  ist  in  der  Arch.  Zeit  1871 
p.  61  abgebildet:  Tekmessa  findet  den  Aias,  der  sich  in  sein  Schwert 
gestürzt  hat.  Sicher  gehört  die  Vase,  da  ofEenbor  Sophokles  die 
Quelle  ist,  einer  Zeit  an,  in  der  die  rfge.  Technik  bereits  in  üebung 


^)  Overb.  XI,  1  »  Earlsrahe  86.  —  >)  Benndorf,  gr.  u.  uc.  Vas. 
Taf.  81.  —  ')  Hirschfeld,  Athena  und  Marsyas  Taf.  1.  —  «)  So  s.  B. 
Milliogen  peint,  div.  Taf.  37.  Conze  Vorlegebl.  HI ,  4,  1  am  Helme  des 
Wagenlenkera.  —  *)  Gerhard,  AV.  IV,  829.  880.  —  «)  Collignon  181, 
abg.  Arch.  Zeit.  1868  Taf.  176.  —  ')  Overb.  XVII,  4.  —  «)  Arch.  Zeit. 
1858  Taf.  62,  8.  —  ^  Mus.  Greg.  II,  62,  2  b  -«  Aroh.  Zeit  1844.  Taf.  24.  8. 


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560  H.  Lackenbach: 

war.  Da  es  sich  aber  nicht  um  eine  attische  Originalcomposition, 
sondern  nm  ein  Erzengniss  etmakisoher  Lokaltechnik  handelt,  so 
kommt  die  Vase  als  nachgeahmt  chronologisch  nicht  in  Betracht. 
Die  zweite  Yase  (Krater)  ist  leider  nur  kurz  beschrieben  buU.  1865 
p.  143  f.;  über  den  Stil  ist  daselbst  weiter  nichts  gesagt,  als  dass 
die  Eignren  schwarz  seien.  ^)  Sie  stellt  den  Kampf  des  Achilleus 
mit  Memnon  und  die  Psychostasie,  wie  später  nachgewiesen  werden 
soll,  vom  Drama  beeinfiusst  dar*  Der  Fundort  Caere  Iftssi  daran 
denken,  dass  die  Yase  auch  daselbst  ^ftbricirt  ist;  dass  aber  C&retaner 
Yasen  iSnger  die  alte  Technik  beibehalten  haben,  hat  schon  Heibig*) 
nachzuweisen  gesucht. 

Die  beiden  Yasen  sowie  alle  anderen  sfgn.,  die  der  Tragödie 
im  Bilderschmuck  folgen,  werden  von  nicht  geringer  Bedeutung  sein 
bei  der  endgültigen  Entscheidui^  der  Frage,  wie  weit  noch  nach  der 
Zeit,  wo  die  neue  Technik  sich  Bahn  gebrochen  hatte,  das  alte  Yer- 
fahren  angewendet  wurde.  In  athenischen  Yasen  werden  wir  nach 
den  neoe^ten  Untersuchungen  von  Klein  (Euphronios)  den  Einfluss 
der  Tragödie  zumeist  in  den  spfttarchaischen  Hydrien  aufzufinden 
gewttrtig  sein,  weniger  in  Schalen,  da  diese  zuerst  das  neue  Yer- 
£ahxen  acceptirten,  die  Hydrien  aber  den  längsten  Widerstand  dem- 
selben entgegensetzten.  Fttr  uns  aber  ergibt  sich  die  B^el,  nie 
ohne  gewissenhafte  Prüfong  von  rfgn.  Yasenbildem  au&  Epos  zu 
schliessen,  besonders  wenn  wir  von  einer  Behandlung  des  Stoffes 
durch  die  Tragödie  wissen. 

t.  9.    Hesiod. 

Es  erübrigt  noch,  von  dem  Einflüsse  Hesiods  zu  sprechen,  der 
sich  nicht  sowohl  in  einer  Yerftnderung  der  epischen  Dichtungen, 
als  in  einer  Modificirung  und  Feststellung  von  Zahl  und  Namen  der 
Götter  gezeigt  hat  Die  Yasen  geben  einen  neuen  Beweis,  dass  die 
Gedichte  des  Hesiod  tief  im  Yolke  Wurzel  geschlag^i  hatten. 
Wenigstens  in  einigen  Punkten  ist  eine  Einwirkung  desselben  nicht 
zu  verkennen. 

In  erster  Linie  steht  wiederum  die  Fran^isvase.  Dem  Götter- 
zuge haben  sich  auch  die  Musen  angeschlossen.  Neun  Musen  kennt 
der  Maler,  und  diese  Zahl^  die  sich  noch  nicht  im  Homer  findet,  war 
seit  Hesiod  trotz  mannichfacher  Abweichungen  die  gewöhnliche. 
Dieselben  Namen  hat  der  Maler  für  sie  gewählt,  nur  dass  er  zwei 
derselben  nicht  Terpsiohore  und  Polymnia,  sondern  Stesichore  und 
Polymnis  nennt;  am  meisten  Beachtung  aber  verdient,  dass  in  der 
Reihenfolge  der  Musen  üut  vollständige  Uebereinstimmung  herrscht. 
Bei  Hesiod  iheog.  77  ff.  werden  die  Musen  aufgezählt  mit  den 
Worten: 


*)  p.  142  tra  i  vasi  a  figwre  nere,  —  *)  amnal.  1863  p.  226  ff. 

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yerh.  d.  gr.  Vaaenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  EykloB.  561 

KXeiui  T*  eöT^pirn  t€,  6dX€id  t€  MeXirofA^vii  t€ 
Tep^i/ixöpii  t'  '€paTui  t€  TToXujiAVid  t*  OupaviTj  t€ 
KaXXiÖTni  6*  f^  bt  irpocpepccrdTTi  dcTiv  anaciijjv. 

Nur  Ealliope  und  Urania  sind  vom  Künstler  vorangestellt,  sonst 
findet  sich  durchgängig  dieselbe  Anordnung.  Für  Ealliope  ergab 
sich  die  Abweichung  leicht,  denn  sie  ist  nach  Hesiod  die  vomehmste 
der  Musen,  und  mit  ihr  rückte  zugleich  Urania,  die  gerade  vor  ihr 
genannt  wird,  vorauf;  ob  mit  der  letzten  Aenderung  der  Künstler 
eine  besondere  Absicht  verband,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  In  der 
hesiodeisehen  Reihenfolge  hatte  er  sich  ohne  Zweifel  die  neun  Musen 
eingeprägt  Wie  für  uns  die  Reihenfolge  der  Evangelisten  oder  der 
grossen  und  kleinen  Propheten  des  alten  Testamentes  eine  feste  ist, 
so  richtete  sich  Klitias  nach  den  Meanorirverschfin,  die  er  sich  ein- 
mal gemerkt  hatte.  Dass  er  aber  die  Kalliope  voranstellte,  dae  zeigt 
denselben  reflectirenden  Geist,  der  uns  überall  in  den  Büdem  der 
Vase  entgegentritt 

Die  Namen  Stesichore  und  Polymnis  nennt  Jahn^)  absichtlich 
veränderte  Namensformen;  Leopold  Schmidt  dagegen  hat  die  Form 
Poljmnis  in  den  Text  des  Hesiod  eingesetzt  Allein  die  Form 
TToXi3^via  ist  eine  gut  verbürgte  und  findet  sich  auch  auf  einer  Vase 
wieder.*)  Trotz  aller  Verse  des  Homer  und  Hesiod  hat  meines 
Wissens  niemals  der 'ältere  attische  Maler  den  Namen  'Obucceuc 
geschrieben,  sondern  die  Form  *OXuT€iic  resp.  'OX\jTT€iic  oder  auch 
'OXuceiJC  gebraucht')  Bei  Hesiod  theog.  245,  bei  Homer  C  41  (also 
auch  bei  Hjgin)  und  bei  Apollodor  I,  2,  7  findet  sich  eine  Nereide 
KujLioGÖT)  benannt;  die  Yasenmaler  haben  niemals  diesen  Namen, 
sondern  KujLiaO^o,  Ku]uio8^a,  Ku^aroG^a  und  endlich  Ku>iaT086n  (vgl. 
unten  p.  562);  Namen  die  zum  Theil  sprachlich  anders  zusammen- 
gesetzt sind  (6€Öc  —  6o6c).  Wir  dürfen  deshalb  die  Form  TTo- 
XujLivic  bloss  als  eine  Nebenform  bezeichnen,  haben  aber  nicht 
das  Recht,  die  FrauQoisvase  als  treueste  Handschrift  des  Hesiod  an- 
zusehen. 

Wie  sehr  Hesiod  im  Volke  Geltung  erlangt  hatte,  zeigt  sich 
femer  deutlich  in  den  Nereidennamen,  die  den  Vasen  aufgeschriehen 
sind.^)  In  nicht  weniger  als  sechs  Vasen  finden  sich  Nereidennamen, 
die  uns  aus  Hesiod  bekannt  sind,  dagegen  von  Homer  nicht  genannt 
werden.  Diesen  lässt  sich  nur  eine  Vase  gegenüberstellen,  in  welcher 
Namen  dem  Homer  entlehnt  sind,  die  sich  nicht  im  Hesiod  finden. 


^)  Mfinchener  Vasen  p.  CLVII.  —  *)  Panofka  nuuie  Mlaeas  4  » 
Maller-Wieaeler  11,  57,  733.  —  «)  'OXureic'in  6  Vasen:  Berlin  1688. 
Overb.  XIX,  8.  Fran9oi8va8e  (sfg).  mon.  VI,  21.  Overb.  XVII,  2  (rfg).  — 
'0XuTT€i3c  in  den  r%n.  Vasen  mon.  VI,  19.  VI,  22.  —  'OXuccOc  onnoZ. 
1865  tav,  F  (sfg.).  Overb.  XXXII,  8  (rfg.).  Vgl.  Eoscher  in  Cartius' 
Stadien  IV,  p.  200  f.  —  ♦)  Vgl.  Jahn,  Münchener  Vasen  p.  CXVII. 
Heydemann,  commenM.  in  hon.  Th.  Mommaeni  p.  170—172. 

Jiüurb.  f.  clMi.  Phüol.  SuppL  Bd.  XI.  36     C^r\r^n]i> 

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b62  H.  Lnckenbachi 

Ick  zähle  die  rfgn.  Vasen,  die  allein  in  Betracht  kottunen,  nach- 
stehend auf: 

A  München  331.    Overb.  185,  31. 

B  Overb.  196,  44.  VIII,  7. 

C  Journal  of  phüology  1877  Taf.  A. 

D  Overb.  191,  38.  VIH,  1. 

E  Neapel  3352.  BM.  Nap.  N.  S.  V,  2.  Brunn,  Vorlegebl.  Nr.  12. 

F  Vase  des  Br.  M.  erwähnt  von  Heydemann,  cammentaL  in  hon, 

Th,  Mommseni  p.  171. 
G  München  415.  mon.  VI,  27.  vgl  Heydemaon  a.  0.  p.  171, 23. 
H  Neapel  2296.    BuU.  Nap.  K  S.  H,  1,  2. 

Folgeade  Namen  finden  sich  in  den  Vasen  A — G,  die  dem  Hesiod 
entlehnt,  dem  Homer  aber  fremd  sind: 
raXiiVTi  CFG.    ' 
*epaTiIi  A. 
KujbiaToXyiTn  B. 
Ku^u)  c. 
Va\x&Br\  BDE. 

Andererseits  gibt  H  die  Namen  KXufi^vt]  und  *AXia,  die  von 
Homer,  aber  nicht  von  Hesiod  gekannt  werden. 

Um  das  Nereidenverzeichniss  vollständig  zu  machen,  füge  ich 
die  übrigen  Vasen  hinzu,  auf  denen  .Namen  von  Nereiden  beige- 
schrieben sind. 

I  (sfg.)  München  380.    Overb.  180,  15.  VII,  5. 

K  Overb.  195,  41. 

L  BM.  Nap.  IV,  2.  Heydemann,  Neriaiden  V,  2. 

M  Annäl.  1850  tav.  H. 

In  den  Vasen  A — M  und  zugleich  im  Homer  und  Hesiod  finden 
sich  folgende  Namen: 
rXauKT]  BCF. 
Aurnf)  F. 

KuHobÖKTi  D  (?);  F. 
KuHoeöT]  ACEFM.^) 
6dX€ia  Homer  und  F;  6aX(r)  Hesiod. 
MeXiTT]  K. 
NT]caiT]  H. 
CTieiui  B. 


»)  D.  h.  KuMaeto  C.  . 

Ku^oe^a  FM  (Ku^ööea  F  ?  ?). 
K\)\iaroBia  A  (Ku^atcOat). 

Ku^arcOöii   B   (so  nach  ürlichs,  Wünsbnrger  Antiken  IH 
Nr.  897.     Campanari  vasi  Feoli  Nr.  100   KufiotTOV|.    Die 

Abbildungen  Ku^aOtur)^.  

Zum  ersten  o  in  Ku^oe6T)  vgl.  Fick,  gricch.  Personennamen  p.  XIV. 

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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Qed.  d.  ep.  Eyklos.  563 

In  den  Katalogen  sind  folgende  Namen  nicht: 

eip€Cia(?)) 

KaXuKa(?)[  A, 

Xwpui        / 

Eubia  L. 

Noui&  B. 

TTovTOn^ba  L 

TTovTO|yi^Ö€ia  F. 
Obwohl  der  Gedanke  nicht  ferne  liegt,  dass  einige  von  den  zu- 
letzt aufgeführten  Namen  dem  Zeichner  ans  anderen  Dichtungen 
für  Nereiden  bekannt  sein  mochten^),  anda:*e  hat  er  unzweifelhaft 
selbst  erfunden.  Die  grosse  Mehrzahl  dagegen  ist  dem  Hesiod  und 
Homer  entnommen,  und  zwar  überwiegt  die  Benutzung  des  ersterem 
Demgemfiss  werden  wir  auch  bei  einer  etwaigen  Ergftnzung  uns  lieber 
an  Hesiod  als  an  Homer  halten.  In  G  finden  sich  nun  fünf  Nereiden 
benannt  Die  Namen  rXaÜKr)  und  Ku^aG^a  sind  im  Homer  und 
Hesiod;  KujluI»  und  raXfjvii  nur  im  Hesiod:  von  dem  Namen  der 
fünften  ist  nur  die  Endung  übrig  geblieben  -9^a.  Hesiod  bietet  uns 
die  Namen  TTactO^ii  V.  246  und  'IttttoBöt)  V.  251;  Homer  nennt 
C  42  'A)yi9i6ÖT).  Natürlich  ist  es  ganz  unbestimmt,  welcher  Name 
auf  der  Vase  gestanden  hat;  vielleicht  war  keiner  der  drei  vorhanden, 
sondern  irgend  ein  anderer  vom  Künstler  frei  gewählter.  Jedenfalls 
darf  man  nicht,  wie  Heydemann  es  thut,  bestimmt  nach  Homer  er- 
gänzen.') 

§.  10.    Lyxik. 

Als  Grundsatz  muss  man  festhalten ,  dass  an  und  für  sich  jeg- 
liche Art  der  Poesie  dem  Yasenmaler  Anstoss  zu  künstlerischem 
Schaffen  geben  konnte ,  und  es  ist  schlechterdings  nicht  einzusehen, 
warum  nicht  im  einzelnen  Falle  die  Lyrik  eingewirkt  haben  könnte.. 
Besonders  grössere  Gedichte,  wie  die  Hiupersis  des  Stesichoros,  die 
entschieden  epischen  Charakter  an  sich  trug  und  sich  wesentlich  von 
den  früheren  Dichtungen  nur  durch  das  Yersmass  imterschied,  könnte 
man  vermuthen,  würden  von  Einfluss  auf  die  Vasenmalerei  gewesen 
sein.  Aber  thatsächlich  ist  eine  Einwirkung  der  Lyrik  kaum  nach- 
zuweisen. Stesichoros  allein  scheint  hie  und  da  ein  dankbares  Motiv 
gegeben  zu  haben.  Als  nach  dem  Epos  das  Drama  neue  Bahnen 
einschlug  und  man  ihre  Stoffe  durchschlagend  veränderte^  war  es 
ebensowohl  der  Vasenmaler,  wie  der  hohe  Staatsmann,  auf  den  die 


^)  6o  isfc  es  vielleicht  nicht  blosser  Zufall,  dass  TTovT0^^5a  und 
TTovTO^d6€la  auf  Vasen  vorkommen  und  Apollodor  unter  den  Nereiden 
die  TTovTOjui^öouco  anfilhrt,  obwohl  sich  diese  Namen  für  Nereiden  gar 
leicht  ergaben.  Vgl.  TTovro^^buiv  «»  TToccibOirv  Euripid.  Hippol.  744. 
Pindar  0.  VI,  176;    femer  Kakapi  TTovTO^d5ovTl  CIG,  4988  —  Kaibel, 

gfigr,  978.  —  >)  Heydemann  ergSoizt  'Aiuu&Oco,  wohl  nur  aus  Versehen, 
omer  C  41  nennt  *A^d6€la  un&r  den  Nereiden. 

_^  „86*^OOgle 


564  H.  Lnck^baeh: 

neuen  Mythen  einwirkten.  Man  kennt  das  heftige  Verlangen  der 
Athener  nach  den  Schauspielen,  und  undenkbar  wäre  es,  dass  eben 
das  Drama  keine  sichtbaren  Spuren  hinterlassen  hätte.  Fast  alle 
grossen  Meisterwerke  des  Aischjlos,  Sophokles  und  Euripides  änderten 
die  epischen  Stoffe ,  um  sie  für  ihre  Zwecke  gebrauchen  zu  können. 
Ganz  anders  steht  es  mit  der  Lyrik.  Von  einer  durchselilagenden 
Aenderung  der  Sagen,  die  sie  vorgenommen  hätte,  kaim  besonders 
in  Bezug  auf  die  Oedichte  des  epischen  Eyklos  kaam  die  Bede  sein. 
Ein  weitgreifender  Einflnss  muss  eehon  deshalb'  in  Abrede  gestellt 
werden;  und  wir  werden  sieht  zu  weit  gehen,  wenn  wir  behaupten: 
ein  Einfluss  der  Lyrik  auf  die  Vasenmalerei  ist  für  die 
bereits  yon  den  Eyklikern  vorgebildeten  Stoffe  nicht  oder 
höchstens  in  ganz  vereinzelten  Fällen  wahrzunehmen. 

Wenn  dieses  trotzdem  angenommen  i^t,  so  beruht  dies  ledig- 
lich darauf^  dass  man  eben  jede  einzelne  Abweichung  einer  andern 
Quelle  oder  dichterischen  Wendung  der  Sage  zuschrieb«  Wenn 
Overb.  p.  ZU.  XIII  für  manche  tiefsinnige  Oomlnaationen  dear  Avers- 
und Beversbilder  der  Sagen  lyrischen  Einfluss  in  Anschlag  bringen 
möchte,  so  beruht  eine  solche  Ansicht  auf  der  Vorauasetzosg,  dass 
Vasenmaler  niustraticmen  zu  den  Gedichten  gegeben  hätten;  eine 
Ansicht,  gegen  die-  wir  stets  zu  kän^fen  hatten.  Wenn  derselbe 
p.  Xni  Anm.  4  den  BUderreiohtfaum  der  Fraa/^oisvase  auf  lyrische, 
nicht  epische  Quelle  zurflckführen  will,  so  ist  das  eine  Hypotiiese, 
der  jeder  Halt  fehlt,  und  an  der  Overbeck  ohne  Zweifel  heute  selbst 
nicht  mehr  festhalten  wird.  Abweichungen,  wie  wir  sie  auf  der 
Fran^oisvase  bei  den  Leichenspielen  des  Patroklos  fanden,  erfordern 
nicht  die  Annahme  einer  lyrischen  Grundlage,  wohl  aber  erklären 
sie  sich  aus  der  Art  und  Weise,  mit  der  Künstler  die  Epen  benutzten. 
Ferner  meint  Overbeck  p.  XIII,  dass  wir  in  den  Dorismen  mancher 
Namensbeischriften  vielleicht  eine  Hindeutung  auf  nachepische,  auf 
lyrische  Quelle  erblicken  könnten.  Den  wahren  Grund  dieser  Dorismen 
hat  Jahn  eingesehen,  indem  er  sie,  soweit  sie  eben  nicht  dorischen 
Malern  zuzuschreiben  sind,  „auf  eine  beabsichtigte  Wahl,  vielleicht 
nur  Gelehrtenthuerei"  zurückführt  (Münchener  Vasen  p.  CXCVin 
und  CCXXXIiy) 

Eine  gewisse  Bolle  hat  in  der  Frage  nach  lyrischen  Quellen 
gespielt,  ja  scheint  sie  noch  nicht  ausgespielt  zu  haben'),  die  In- 
schrift naxpoKXIa  oder  TTaTpÖKX[€]ia,  die  sich  auf  einer  Vase  der 
Münchener  Sammlung,  Nr.  380,  befindet  und  zuletzt  bei  Overbeck 
abgebildet  ist  VH,  ö.  XXHI,  2  (vgl.  Overb.  180,  16.  641,  86).  Auf 
der  einen  Seite  der  Vase  ringt  Thetis  mit  Feleus  unterstützt  vom 
Feuer  und  von  zwei  Panthern  im  Beisein  des  Cheicoa,  indess  sieh 
ihre  Schwester  Pontomeda  eiligst  davonmacht.    Unter  dem  Leibq  des 


')  Vgl.  B.  B.  Neapel  9870,  wo  neben  Aphrodita  die  Form  Atheaaie 
»ich  findet  —  *)  Schlie,  zu  den  Kyprien  p.  42. 


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Yerh.  d.  gr.  Yasenbüder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  EykloB.        .    565 

Cheüron  steht   die  Inschrifi;  TTaTpoxXia,  die  von  Gerhard,  AV.  III, 
p.  144  als  r&thaeUbiaft  bezaiohnet  wird,  indem  er  vermuthet,  sie  be- 
zeichne den  ganzen  Gegenstand  als  Anüang  eines  den  Patroklos  be- 
treffenden Gedichts.    Im  AnscUuss  an  diese  Aensserang  Gerhards 
hat   Bergk   in   der    Zeitsohrift   für  Alterthumswissenschaft  1850, 
p.  407  f.  die  Inschrift  yollstttndig  zu  erklären  versucht.   Mit  diesem 
Znsatze  soU  der  Maler  auf  ein  poetisches  Werk  als  seine  Quelle  hin- 
deuten.   Dieses  Gedicht  in  stesichorischem  Stil  mit  dem  Titel  TTa- 
TpoKXta  soll  den  Tod  dee  Patroklos  und  die  damit  ei^e  verknüpften 
Begebenheiten,  Hektors  Fall  und  Aohilleus'  Bache  geschildert  haben. 
Bei  Gelegenheit  der  önXoTroita  soll  dann  Thetis  dem  Hephaistos  ihr 
Leid  geklagt  und  ausführlicher  erzählt  haben,  wie  sie  von  Peleus 
ndt  Gewalt  bezwungen  sei    Aber  auch  auf  den  Bevers  bezieht  sich 
die  Inschrift  TTaTpoxXia.   Hier  wird  der  Kampf  um  Achilleus'  Leiche 
dargestellt:  indese  Aias  den  todten  Helden  aufgehoben  hat  und  ihn 
davonzutragen  sich  anschickt,  kämpfen  Menelaos  gegen  Paris  und 
Neoptdemos  gegen  Aineias.    Zu  den  Füssen  der  kämpfenden  Krieger 
liegen  Gefallene,  dort  ein  Bogenschütz,  hier  ein  nackter  Jüngling, 
von  dessen  Namen  noch  Buchstaben  zu  lesen  sind.    Dass  Odjsseus 
hier  fehlt  und  Neoptolemos  zugegen  ist,  der  doch  nach  dem  Epos 
erst  bedeutend  später  von  Skjros  geholt  wurde,  hat  man  als  Ab- 
weichungen angesehen,  die  das  Epos  als  Quelle  anzunehmen  verbieten. 
Solche  willkürliche  Variationen  aber  dürfe  man  einem  Künstler-  nicht 
zutrauen,  der  auf  der  anderen  Seite  seine  Quelle  ausdrücklich  nenne. 
Nichts  aber  sei  natürlicher,  als  dass  der  Maler  auch  hier  jener  Pa- 
trokleia  folgte.    Der  Verfasser  des  Gedichtes  soll  nicht  bloss  den 
Tod  des  Patroklos  und  die  Bache  des  AchiUeus  in  demselben  be- 
handelt haben,  sondern  auch  das  unmittelbar  Folgende,  den  „Tod 
des  Aehilleus  durch  Paris^^  Dass  aber  ein  Gedicht  unter  dem  Namen 
TTaTpÖKXcia  auch  diese  Begebenheiten  umfasste,  findet  Bergk  eben- 
sowenig befremdlich,  als  dass  die  Qresteia  des  Aischjlos  mit  dem 
Agamemnon  beginnt    Femer  vermuthet  dann  Bergk,  dass  in  dem 
Gedichte  auch  Paris  durch  Menelaos  geÜEdlen  sei;  aus  den  Buch- 
staben, die  über  dem  Leichnam  stehen,  macht  er  unter  Annahme 
mehrerer  Lücken  AntilochoB.     Schon  Overbeck  weist  p.  543   diese 
Lesung  mit  Becht  zurück  und  schliesst  sich  Gerhard  an,  der  Nirios 
liest  und  diesen  Namen  für  identisch  mit  Nireus  erklärte.    Ob  da- 
mit das  Sichtige  getroffen  ist,  mag  sehr  fraglich  erscheinen,  ist  aber 
auch  für  unseren  Zweck  gleichgültig;  jedenfalls  ist  der  Ausweg  von 
Bwgk  durchaus  verkehrt    Doch  dies  ist  ja  nebensächlich;  wenig- 
stens das  soll  bewiesen  sein,  dass  der  Vasenmaler  einer  Patrokleia 
folgte.   Betrachten  wir  das  Bild  mit  dem  Bingkampf  des  Peleus  und 
der  Thetis,  so  fragen  wir,  wie  kam  der  Künstler  dazu,  einem  Bilde, 
das  einen  ganz  bekannten  Stoff  darstellte,  beizuschreiben,  dass  auch 
in  der  Patrokleia  diese  Sache  behandelt  wurde?   Dazu  beachte  man 
wohl,  an  welcher  Stelle  der  Patrokleia  die  Verse,  die  alö- Quelle 


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566  H.  Lackenbacli: 

dienten,  stehen  sollen:  in  der  Klage,  die  Thetis  dem  Hephaistos 
vorbrachte  bei  Gelegenheit  der  öirXoTroita.  Bedenklicher  aber  noch 
wirds  mit  der  Patroklia  hinsichtlich  der  Beziehung  anf  die  Bttckseite. 
In  einem  Gedichte,  das  nach  Patroklos  den  Namen  führte,  wurde 
der  Tod  des  Achillens  ausführlich  besangen?  Bergks  Vergleich  mit 
der  Oresteia  passt  durchaus  nicht.  Wie  Agamemnons  Mord  in  die 
Oresteia  gehört  als  Ursache  und  Einleitung  des  Muttermordes  des 
Orestes,  begreift  sich  leicht;  wie  aber  Achillens'  Tod  in  einer  Pa- 
trokleia  besungen  wurde,  ist  schwer  einzusehen.  Nicht  TTarpÖKXcia 
sondern  'AxiXXr){c  etwa  hätte  ein  solches  Gedicht  heissen  mClBsen. 
Dazu  hinkt  der  Vergleich  durchaus:  dort  haben  wir  den  Gesammt- 
namen  einer  Tetralogie,  einer  Vereinigung  mehrerer  Stflcke,  hier  aber 
den  Titel  eines  einh^tlichen  Gedichtes,  das  nicht  in  mehrere  Stüdte 
zerföllt  Femer  ist  es  so  ganz  einzig  dastehend,  dass  der  Vasen- 
maler seine  Quelle  angeben  soll  Ja,  wenn  es  so  etwas  Gewöhnliches 
w&re,  das  Epos  oder  das  Drama  zu  nennen,  aus  dem  das  Vasenbild 
den  Stoff  genommen  hat,  dann  wäre  die  Sache  eine  ganz  andere. 
Hier  dagegen  im  Vasenbilde  sieht  es  fast  so  aus,  als  ob  der  Künstler 
ein  böses  Gewissen  gehabt,  dass  er  den  Neoptolemos  beim  Tode 
seines  Vaters  zugegen  sein  lässt  und  deswegen  den  Namen  TTorpo- 
xXia  hinzugesetzt  habe,  um  sich  gegen  die  Angriffe  anderer  zu  yer< 
theidigen.  Doch  genug;  alle  diese  Erwägungen  müssen  es  jedem 
unzweifelhaft  machen,  dass  TTaTpoKXia  nicht  die  Quelle  des  Vasen- 
malers angeben  kann. 

Auch  scheint  die  Hypothese  Bergks  wenig  Anklang  gefunden 
zu  haben.  Nur  Nitzsch  folgt  blindlings,  und  während  Bergk  in  der 
TTaxpÖKXeia  sich  nur  „ein  lyrisches  Gedicht  in  der  Weise  des  Xantbob 
und  Stesichoros'^  denkt,  weiss  er,  dass  die  TTarpÖKXcia  von  St^ 
choros  gedichtet  wurde  (Sagenpoesie  der  Griech,  p.  249).  Dagegen 
hält  schon  Overbeck  wenigstens  ftlr  den  Kampf  um  Achilleus'  Leichnam 
die  Deutung  für  verfehlt,  und  Jahn  (Münchener  Vasen  p.  CXIV,  835) 
erklärt  die  Inschrift  trotz  Bergks  Deutung  für  rtlthselhaft. 

Neuerdings  hat  Heydemann  einen  anderen  Versuch  gemacht 
sie  zu  deuten  {annäl.  1873  p.  26).  Nach  ihm  soll  dieselbe  an  die 
falsche  Stelle  gesetzt  sein  und  sich  nur  auf  den  Kampf  um  Achilleus 
beziehen,  den  sie  als  eine  Folge  des  16ten  Gesanges  der  Dias  be- 
zeichnen soll.  Allein  auch  gegen  diese  Annahme  erheben  sich  solche 
Bedenken,  das  sie  aufgegeben  werden  muss.  Die  Inschrift  steht 
zunächst  dem  anderen  Bilde  beigeschrieben,  und  ich  erinnere  mich 
keines  Beispieles,  dass  nur  einigermassen  mit  einer  solchen  Ver- 
setzung der  Inschriften  sich  könnte  vergleichen  lassen.^)  Heydemann 
setzt  femer  voraus,  dass  schon  zur  Zeit,  da  das  Vasenbild  verfertigt 


')  Die  häufige  Annahme  vertauschter  Inschriften  beruht  meist  auf 
Irrthum,  vgl.  p.  639.  Das  einzige  sichere  Beispiel,  das  ich  kenue,  ist 
Overb.  Xlfl,  7,  wo  Teukros  und  Telamon  verwechselt  sind. 


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Verb.  d.  gr.  Yasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Ejklos.  567 

wurde,  das  16.  Buch  der  Dias  den  Namen  Patrokleia  führte.  Es 
ist  freilich  wohl  unzweifelhaft,  dass  eine  Reihe  der  üeberschriften 
der  einzelnen  Ges&nge  der  Bias  aus  sehr  früher  Zeit  herstammt,  und 
Bergk^)  hftlt  gerade  die  Bezeichnung  TTaTpÖKXeia  für  sehr  alt  und 
meint,  sie  habe  ursprünglich  einen  grösseren  Abschnitt  umfasst. 
Allein  alle  diese  Annahmen  sind  eben  nur  Annahmen,  die  bis  jetzt 
unerwiesen  sind.  Wir  finden  die  Bezeichnung  TTaTpÖKXem  zuerst 
bei  Aelian  VH.  13,  14,  sodann  bei  Eustathius  im  Eingange  seiner 
ErUftrungen  zur  TTarpÖKXeia;  und  wenn  wir  neben  dieser  Bezeich- 
nung auch  eine  zweite  TTaTpÖKXou  SEoboc  finden,  so  mag  es  fraglich 
sein,  welches  der  ältere  Titel  ist,  und  ob  nicht  der  erste  Name  von 
den  Alexandrinern  erfunden  ist,  auf  die  man,  wie  mir  scheint  mit 
Becht,  viele  dieser  üeberschriften  zurückgeführt  hat.')  Doch  dies 
alles  wiU  nichts  bedeuten  gegenüber  der  ungeheuerlichen  Annahme^ 
dass  der  Maler  einem  Vasenbilde  TTarpÖKXeia  beischreibt,  um  den 
Kampf  um  des  Achilleus'  Leichnam  als  eine  Folge  von  des 
Patroklos  Fall  darzustellen. 

Die  Gesammttitel  von  Vasen'),  mit  denen  Hejdemann  unsere 
Inschrift  zusammenstellt,  sind  ganz  verschiedener  Art. 

Die  Erklärung  der  Inschrift  ist  demnach  anderswo  zu  suchen. 
Nun  ist  es  bekannt,  dass  auf  manchen,  meist  älteren  Vasen  sich 
Männemamen  befinden:  so,  um  nur  einige  Beispiele  anzuführen,  die 
Namen  Phorbas*)  und  Aniades(?)*)  Gerhard,  AV.  II,  90;  Dorotheos 
und  Hipparchos  neben  der  Inschrift  6  iraTc  KaXÖc  Gerhard,  AV.  II, 
102;  Leagros  auf  d^r  Münchener  Vase  Nr.  114. 

In  der  TTaTpÖKX€ia  nun  möchte  ich  einen  Mädchennamen  er- 
kennen. Heydemann^)  selbst  hat  zuletzt  durch  eine  Zusammen- 
stellung gezeigt,  dass  Heroennamen  gar  nicht  selten  im  gewöhnlichen 
Leben  waren;  noch  weniger  kann  ein  Weibemame  befremden,  der 
von  einem  Heroennamen  abgeleitet  ist.  Der  Name  TTaTpoKXf^c  ist 
sehr  gewöhnlich  und  nach  regelrechter  Bildung  der  Feminii^  ergab 
sieh  TTaTpöxXeia.  Denn  mit  Bergk  und  Heidemann  möchte  auch  ich 
glauben,  dass  auf  der  Vase  aus  Nachlässigkeit  ein  6  ausgefallen  ist^) 
und  lieber  TTaTpöicXcia  als  TTaTpoKXta  lesen.  ^)  Und  so  vermuthe 
ich,  dass  der  Künstler  nur  den  Namen  des  Mädchens,  dass  ihm  am 
Herzen  lag,  auf  die  Vase  setzte.  Dass  nicht  KaXrj  hinzugefügt  ist, 
wird  ebensowenig  befremden,  wie  dass  auf  den  analogen  Vasen  mit 


*)  Griech.  Literaturgesch.  p.  496,  46.  —  •)  Vgl.  Pauly,  Bealencyclo- 
pftdie  111,  1424.  —  5)  Dazu  gehört  doch  auch  die  Inschrift  Atovucta[K]a 
auf  der  Münchener  Vase  Nr.  1152,  in  der  den  Dionysos  zwei  tanzende 
Bakchantinnen  umgeben.  —  *)  Gampanari,  vasi  Feöli  Nr.  8,  dem  Gerhard 
folgt,  verbindet  <t>6pßac  mit  raOpoc  »■  iaurus  depascena.  Das  Richtige 
sah  Jahn,  Münehener  Vasen  p.  CXVI,  482.  —  '')  So  liest  Panofka  buH. 
1848,  p.  159  f.  Vgl.  Jahn,  Enifahmng  der  Europa  p.  17.  Ist  etwa  Asiades 
zu  lesen?  —  ^)  CkmimewtaHonea  in  hon,  Mcmmseni  p.  166  ff.  —  ^  Auf 
derselben  Vase  TTovT[o]|Li^öa.  —  *)  Vgl.  jedoch  'AxaGoicXia  und  'HpaxXia 
in  den  allerdings  späten  Inschriften  GIG,  966.  9663.  9708. 


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568  H.  Lackenbaoh: 

Männenuunen  KoXöc  fehlt,  besonders  wenn  man  sich  erinnert,  dass 
KaXöc  und  xaXrj  verhftltnissmftssig  selten  uns  in  s^.  Vasen  be- 
gegnen, und  die  ganze  Sitte  jttnger  zu  sein  scheint.^) 

Doch  kehren  wir  jetzt  zu  dem  Vasenbüde,  welches  den  Sjunpf 
um  Achilleus  uns  YorfQhrt;  zurttek,  so  verwirft,  wie  schon  bemerkt, 
auch  Overbeck  die  Erklärung  Bergks,  hält  aber  daran  fest,  dass 
unserem  Yasenbilde  eine  uns  unbekannte  Quelle  zu  Orunde  liege. 
Er  sagt  p.  544:  „dass  Neoptolemos  schon  bei  seines  Vaters  Tode 
vor  Troja  war,  ist  uns  nirgendwo  berichtet,  dass  das  aber  irgendwo, 
in  stesichorischer  Ljrik  oder  sonst,  vorkam,  ist  durch  unsere  Vase 
bewiesen^^  Allein  ist  die  Anwesenheit  des  Neoptolemos  so  viel- 
sagend, dass  wir  eine  andere  Quelle  als  das  Epos  annehmen  mttssen? 
Meiner  Ansicht  nach  ganz  gewiss  nicht.  Orade  bei  den  Eampfiscenen 
sahen  wir  spielte  die  Willkür  der  Künstler  eine  grosse  Bolle.  Dio- 
medes  und  Hippasos  kämpften,  da  Patroklos  gefallen  war;  Sarpedon 
und  Phoinix  waren  zugegen  beim  Kampfe  des  AohiUeus  und  Hektor; 
aber,  wird  man  einwenden,  der  Künstler,  der  jene  Scenen  malte, 
erinnerte  sich  nicht  genau,  wer  beim  Kampfe  betheiligt  gewesen  war; 
dass  aber  Neoptolemos  seinen  todten  Vater  vertheidigt,  muss  eine 
Begründung  haben,  da  man  dem  Künstler  wohl  die  Kenntniss  der 
Sage  zutrauen  darf,  nach  welcher  Neoptolemos  erst  später  vor  Troja 
eintraf.  Auch  ich  traue  dem  Künstler  wohl  zu,  dass  er  dies  wusste; 
allein  auch  jener  Künstler,  der  den  Achilleus  im  Beisein  der  Eltern 
und  des  Neoptolemos  die  Rüstung  anlegen  Hess,  wusste  unzweifel- 
hafb,  dass  diese  Vereinigung  von  Personen  in  der  Sage  niemals  statt- 
gefunden haben  kann.  Aber  dass  er  trotzdem  sich  seine  Freiheit 
nicht  nehmen  Hess,  das  wird  eben  klar.  Auch  in  unserer  Vase  haben 
wir  es  mit  einem  Künstler  zu  thun,  der  wohl  überlegte,  was  er  hin- 
zeichnete. Mit  dem  Paris,  dem  M^er  des  Achilleus,  lässt  er  den 
Menelaos  kämpfen;  mit  dem  Aineias  aber,  dem  hervorragendsten 
unter  den  Troern,  den  eigenen  Sohn  des  Gefallenen:  das  Oanze  ist 
eine  glückliche  Zusammenstellung,  die  dem  Maler  Ehre  macht,  ffir 
die  man  aber  nicht  gleich  eine  Quelle  suchen  soU.  Möglich,  dass 
im  Vasenbilde  auch  ausser  Pari?  noch  Erinnerungen  an  die  Aitiiiopis 
zu  Grunde  liegen.  Auch  in  dem  zweiten  Vasenbilde,  welches  den 
Kampf  um  Achilleus  darstellt,  ist  Aineias  zugegen  (Overb.  540,  84. 
XXIII,  l),  und  Quintus  Smymaeus  nennt  in,  214  den  Aineias  nebet 
Glaukos  und  Agenor  als  die  Tapfersten  beim  Kampfe  um  Achilleus. 
Möglich  auch,  dass  jener  GeÜEdlene,  dessen  Name  nicht  mit  Sicherheit 
zu  lesen,  uns  eine  Person  des  Epos  vorführt:  zu  einer  Gewissheit 
ist  in  diesen  Dingen  nicht  zu  gelangen. 

')  Heydemann  ergänzt  Aroh.  Zeit  1866,  p.  162  zu  dem  Namen 
[CMiüiaxoc  das  Wort  koXöc  in  der  ebdst.  Taf.  906  (auch  Overb.  HI,  4) 
puDlicirten  Vase.  Diese  Annahme  ist  nicht  ohne  Bedenken,  da  die  Vase 
chalkidiBoh,  die  in  Bede  stehende  Sitte  aber  attisch  ist  Sollte  das 
Wort  den  Verfertiger  der  Vase  nennen? 


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Verb.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  6ed.  d.  ep.  Eyklos.  569 

Trotedem  nun  sich  der  Einfluss  der  Lyrik  nicht  in  einem  ein- 
zigen Falle  nachweisen  iSsst^  ist  man  doch  weit  entfernt,  den  Ge- 
danken daran  an&ngeben.  Ja  man  ist  noch  weiter  gegangen,  man 
hat,  nm  Vasenbilder  zu  erklSren,  sich  eigene  Versionen  gemacht; 
so  Stephani  fOr  das  ParisurtheiL  Die  Vasenbilder,  welche  hier  in 
Betracht  kommen,  sind  folgende^): 

A  Gerhard,  AV.  m,  172.    Overb.  212,  26.    Welcker,  alte 
Denkm.  V,  p.  389,  28. 

B  München  716. 

C  Petersburg  2020.    CB.  1863,  Taf.  1,  p.  5  ff. 

D  Overb.  265,  122.    Welcker  p.  410,  62,  Taf.  B  3  (nicht  4). 
Millingen,  uned.  monum,  I,  17.     Pässeri,  jnc^.  I,  16.   d*Han- 
carville  IV,  24.     Visconti,  mus.  PU>  Cl.  IV,  A.   Inghirami, 
vas.  fiU.  171. 
A  und  B  sind  schwarzfigurig,  C  und  D  rothfigurig. 

A.  Zu  Paris  tritt  Hermes  mit  zwei  Göttinnen,  von  denen  die 
letzte  deutlich  als  Athena  charakterisirt  ist;  ob  wir  in  der  ersten 
Hera  oder  Aphrodite  zu  erkennen  haben,  wüsste  ich  auf  keine  Weise 
zu  entscheiden,  wenn  man  nicht  geltend  machen  will,  dass  gewöhn- 
lich Hera  vorangeht,  Aphrodite  aber  zuletzt  folgt 

(ranz  ähnlich  ist  B;  jedoch  fehlt  Paris,  Athena  geht  der  an- 
deren Göttin,  die  einen  Stab  in  der  Hand  hält,  voran. 

C.  Vor  einem  Jüngling  steht  Eros,  demselben  vertraulich  zu- 
sprechend. Hinter  Eros  eine  Frau,  die  in  der  Rechten  einen  Kranz 
hält.  Hinter  Paris  steht  Athena,  hinter  dieser  ein  mit  Ghlamys  und 
Petasos  versehener  Jüngling,  den  man,  obwohl  ihm  das  bezeichnende 
Attribut,  das  xripUKeiov,  fehlt,  für  Hermes  erklärt  hat  Die  Frau, 
welche  vor  Paris  steht,  wird  durch  den  Eros  als  Aphrodite  be- 
zeichnet. 

D.  Ein  Jüngling  sitzt  auf  einem  Steine,  durch  das  Schaf,  das 
ihm  zur  Seite  liegt^  als  Hirte  bezeichnet  Vor  ihm  steht  Hermes  zu 
ihm  hinblickend,  den  rechten  Ellenbogen  auf  eine  Säule  lehnend. 
Es  folgt  eine  sitzende  Frau;  die  Sehale,  welche  sie  in  der  Hand  hält, 
macht  es  sowie  ihre  ganze  Tracht  möglich,  in  ihr  Aphrodite  zu  er- 
kennen. Hinter  dem  Jünglinge  steht  eine  zweite  Frau,  durch  das 
Scepter  zur  Genüge  als  Hera  bezeichnet 

Während  man  früher  annahm,  dass  aus  Mangel  an  Raum  oder 
aus,  Nachlässigkeit  eine  der  Göttinnen  fehle,  hat  Stephani  mit  Hin- 
weis auf  das  Satyrspiel  des  Sophokles,  welches  das  Parisurtheil 
enthielt,  eine  neue  ErUäinmg  aufgestellt  (CB.  1863,  p.  9. 10).  Bei 
der  dramatischen  Behandlung,  die  Sophokles  vornahm,  ergab  sich 
eine  Schwierigkeit,  die  in  den  Gesetzen  des  Dramas  begründet  lag. 


>)  Die  Spiegel  Overb.  262,  107—110  «  Gerhard,  etr.  Sp.  11,  192—195 
lasse  ich  ganz  bei  Seite. 


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570  H.  Luckenbaoh: 

Drei  Sofaaaspieler  konnte  er  nur  verwenden,  und  doch  waren  Paris 
nnd  die  drei  OötUnnen  nothwendige  Personen  für  die  bestehende 
Sage.  Aber  Sophokles  wandelte  die  Sage  znm  Theil  um;  er  stellte 
nur  den  Streit  zwischen  Athena  und  Aphrodite  dar.  Bei  Athenaios 
XV  p.  687  C  lesen  wir  Co<poKXf)c  hi,  6  7roinTf|C  ty  xpicei  Tip  bpd- 
[iOTi  Tf)v  ^^v  'AqppobiTTfv  f)boviKrjv  Ttva  oucav  bai/yiova  ^uplp  re 
dXeiqpofJi^vnv  Tropdr^i  kqI  KaTOTrrpiZoM^viiv,  Tfiv  b'  *AOnväv  q>pövn' 
civ  oöcav  Kai  voOv,  In  b*  dpetfiv  ^Xahp  xpiOM^vriv  Kai  tu^voZo- 
jLievTiv.  Wie  einst  den  Herakles  die  *HboWj  und  die  Kaxia  für  sieh 
zu  gewinnen  suchten,  so  hier  Athena  und  Aphrodite  den  Paris. 
Aehnliche  GegensStze  scheinen  beliebt  gewesen  zu  sein;  da  auch 
Aristophanes  den  Xötoc  biKaioc  mit  dem  Xöxoc  fibiKOC  in  den  Wolken 
kämpfen  Iftsst.  Wie  weit  Hera  bei  Sophokles  eine  Bolle  spielte, 
wissen  wir  nicht;  vielleicht  trat  sie  gar  nicht  auf;  sondern  mit  einem 
Witze  wurde  sie  bei  Seite  geschoben.  Waren  ihr  einige  Worte  ge- 
stattet, dann  musste  sie  vor  den  anderen  Göttinnen  auftreten,  d.  h. 
ehe  Aphrodite  den  Sieg  davon  gewann.  Alles  weitere  muss  leere 
Vermuthung  bleiben,  sofern  es  nicht  gelingt,  aus  anderen  Quellen 
die  Lücken  der  bisherigen  üeberlieferung  zu  ergänzen.  Nur  glaube 
ich  nicht,  dass  Sophokles  so  weit  ging,  nur  einen  Streit  zwischen 
zwei  Göttinnen  darzustellen  und  Hera  ganz  unerwShnt  zu  lassen. 
Den  Hauptinhalt  bildete  jedenfalls  der  Streit  zwischen  Athena  und 
Aphrodite.  Den  Wettstreit  dieser  beiden  Göttinnen  nun  glaubt 
Stephan!  in  C  erkennen  zu  dürfen  und  weiter  auch  in  A  und  B, 
indem  er  die  zweite  Frau,  in  der  wir  mit  Bestimmtheit  weder  Hera 
noch  Aphrodite  erkennen  mochten,  nach  Analogie  von  C  für  Aphro- 
dite erklärt.  Allein  nicht  auf  Sophokles  sind  die  Vasenbilder  zurück- 
zufahren; denn  zwei  von  ihnen  sind  schwarzfigurig:  daher  hat  auch 
Sophokles  diesen  Wettstreit  nicht  erfunden,  sondern  von  einem  an- 
deren in  seine  Poesie  hinübergenommen.  Für  D  endlich,  meint 
Stephani  weiter,  falle  nun  auch  der  letzte  scheinbare  Grund  weg, 
überhaupt  an  Paris  und  sein  ürtheü  zu  denken,  da  eben  Athena 
fehle.  Auch  ich  will  es  nicht  auf  mich  nehmen,  D  für  das  Paris- 
urtheil  zu  vertheidigen,  obwohl  sich  darüber  streiten  liesse.  Aber 
gegen  die  übrige  Deutung  muss  ich  mich  erklären.  Gäben  wir  zu, 
dass  G  den  Mythus  nach  dem  Parisurtheile  des  Sophokles  darstellt, 
müsste  dann  auch  A  und  B  auf  eine  ähnliche  Quelle  zurückgehen? 
Dürfen  wir  uns  so  ohne  weiteres  für  A  nnd  B  eine  Quelle  erfinden? 
Welcher  Art  soll  sie  sein?  Etwa  ein  lyrisches  Gedicht?  Dann 
sollte  erst  in  einem  einzigen  Falle  lyrischer  Einfluss  auf  die  Vasen- 
malerei sicher  nachgewiesen  sein.  Methodisch  ist  ohne  Zweifel  eine 
solche  ZurückfElhrung  auf  eine  erdachte  Quelle  zu  verwerfen ,  so 
lange  wie  sich  ein  anderer  Erklärungsgrund  bietet.  Diesen  aber  hat 
man  längst  gefunden,  indem  man  eine  Nachlässigkeit  des  Künstlers 
angenommen  hat  Dass  Athena  in  A  und  B  zugegen  ist,  ist  wohl 
kein  Zufall;  denn  sie  pflegt  gewöhnlich  in  der  Mitte  zwischen  beiden 


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Verb.  d.  gr.  Yasenbilder  z.  4.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  571 

Göttmnen  einherzuschreiten;  nur  selten  geht  sie  voran  (Welcker 
a.  0.  Nr.  13.  20.  40.  44  «=  Overb.  Nr.  12.  37.  42.  46);  aber  nie- 
mals  soviel  ich  sehe  ist  sie  in  den  Bildern  der  alten  Periode 
die  letzte. 

Auch  sind  ja  derlei  Aaslassungen  und  Verkürzungen  in  der 
Vasenmalerei  nicht  selten;  viel  weniger  kann  uns  das  Fehlen  einer 
der  Personen  wundem,  die  im  Marsche  einherziehen^  als  wenn  der 
Leichnam  des  Hektor  in  einem  Bilde  fehlt,  das  unzweifelhaft  die 
Schleifang  desselben  darstellt  (Overb.  458,  118).  In  einer  anderen 
Vase  (Overb.  352,  22)  fehlt  AchiUeus,  w&hrend  Troilos  zu  Pferde 
und  Polyxena  ihr  Heil  in  der  Flucht  suchen.  Die  unter  den  Pferden 
liegende  Hydria  macht  die  Deutung  sicher.  In  einer  dritten  Vase 
(Arch.  Zeit  1866  p.  228)  stehen  Troilos  und  Polyxena  vor  dem 
Brunnen,  der  auflauernde  Achilleus  ist  weggelassen.  Ein  weiteres 
Beispiel  bietet  die  Berliner  Vase,  Nr.  1980,  welche  ganz  in  Ueber- 
einstimmung  mit  sonstigen  Darstellungen  die  üeberlieferung  des 
Achilleus  an  Cheiron  vorführt;  es  fehlt  nur  die  wichtigste  Person, 
Achilleus  selbst.  Waren  die  bisherigen  Beispiele  schwarzfigurig,  so 
fehlt  es  auch  nicht  an  rothfigurigen,  die  dergleichen  Nachlässigkeiten 
sich  zu  Schulden  haben  kommen  lassen.  Im  BtiU.  Nap,  VII,  p.  153  ff. 
wird  eine  Vase  erwähnt,  in  der  Pylades  von  der  Iphigenie  den  Brief 
erhält,  aber  Orestes  selbst  fehlt. ^)  Diese  Auslassungen,  deren 
Zahl  sich  wohl  vermehren  lässt,  lassen  keinen  Zweifel  übrig,  dass 
wir  auch  in  A  und  B  nichts  anderes  erblicken  dürfen.  Ebender- 
selbe Grund  aber  kann  auch  für  C  gelten,  und  D  ist  keines- 
wegs mit  solcher  Gewissheit  aus  der  Reihe  der  Parisurtheile  zu 
streichen. 

Wir  bleiben  Beim  Parisurtheil ;  unter  Berufung  auf  Lucian,  der 
den  Paris  mit  den  drei  Göttinnen  einzeln  verhandeln  lässt,  hat  man 
den  Paris  mit  einer  Göttin  allein  nachweisen  zu  können  geglaubt. 
Es  sei  eine  leicht  zu  begreifende  Modification  der  ursprünglichen 
Erzählung,  dass  in  irgend  einer  nachepischen  Poesie  die  Göttinnen 
einzeln  mit  Paris  unterhandelten  und  ihm  ihre  Versprechungen  machten. 
Die  Erzählung  konnte  freilich  die  Göttinnen  nach  einander  auftreten 
lassen;  aber  selbst  wenn  Stasinos  schon  so  gedichtet  hätte,  die  Kunst 
würde  unzweifelhaft  den  Wettstreit  durch  Zusammenstellung  der 
Streitenden  anschaulich  gemacht  haben.  Um  so  weniger  wird  man  der 
Annahme  einer  Quelle,  die  nicht  epischer  oder  dramatischer  Art  war, 
rechten  Glauben  schenken;  und  es  lässt  sich  denn  auch  kein  Vasen- 
bild  nachweisen,  in  dem  bloss  eine  Göttin  mit  Paris  zusammen  ist. 

Overb.  253, 116.  Neapel  3161  ist  von  Heydemann  auf  Orpheus, 
vor  dem  eine  Thrakerin  steht,  gedeutet  worden.  Wie  man  jedoch 
über  diese  wie  über  die  vielen  anderen  Erklärungen,  welche  Heyde- 


')  Vgl.  Heydemann  Arch.  Zeit.   1873  \\  18,  woselbst  zwei  der  ge- 
gebenen Beispiele  aufgezählt  sind. 


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572  H.  Lackenbach: 

.  maim  anführt,  denken  mag;  Athena  ist  es  sicher  nicht^  die, hier  vor 
dem  Jünglinge  steht,  nnd  ans  Parisurtheil  darf  nicht  gedacht 
werden. 

In  dem  zweiten  Vasenbilde  Overb.  253,  115  redet  Hermes  eifrig 
zu  einem  Jünglinge  in  i^rjgischer  Tracht,  der  in  der  Linken  ein 
Scepter,  in  der  Rechten  ein  Schwert  hftlt.  Hermes  weist  dabei  auf 
die  hinter  dem  Phryger  stehende  Fran,  die  durch  hohen  Polos,  durch 
Sohleier  und  Scepter  ausgezeichnet  ist.  Man  hat  sie  bald  Hera  (so 
Jahn  buU.  1842  p.  26)  bald  Aphrodite  (so  Stephani  a.  0.  p.  12)  ge- 
nannt; in  dem  Jünglinge  will  man  den  Paris  erkennen.  Will  man 
bei  der  Deutung  bleiben,  so  braucht  man  keine  verachiedene  Ywsion 
anzunehmen,  lek  würde  dann  hier  weniger  eine  Auslassung  con- 
statiren  als  yielmehr  annehmen,  dass  gewissermassen  der  Kern  des 
Ganzen  herausgeschfilt  ist:  Paris,  zu  dem  Hermes  für  Aphrodite 
spricht.  An  Hera  zu  denken  würde  dann  nicht  möglich  sein.  Stephani 
will  das  Bild  auf  einen  früheren  Moment  bezicfhen,  in  welchem 
Aphrodite  den  troischen  Eönigssohn  für  sich  zu  gewinnen  sucht 
Eine  solche  Annahme  scheint  mir  verfehlt,  da  dieselbe  weder  in  der 
Sage  einen  Anhalt  findet,  noch  auch  eine  solche  Wendung  sich  leicht 
für  den  Maler  eigab.  üeberhaupt  aber  halte  ich  dafür,  dass  auch 
bei  diesem  Bilde  der  Gedanke  an  das  Parisurtheil  angegeben  wer- 
den muss.  Wenn  man  sich  auf  ein  Wandgemälde  Orerb.  254 ,  117 
^beruft;  in  dem  Athena  einem  Jünglinge  eine  Tänie  hinhSlt,  so  bedarf 
dieses  Bild  selbst  einer  sicheren  Erklärung,  die  mir  durch  das  Paris- 
urtheil nicht  gegeben  zu  sein  scheint.  Die  Spiegel  (Overb.  254, 
118—120)  lasse  ich  unberücksichtigt,  da  durch  sie  die  Yasenbilder 
keine  Aufklärung  erhalten. 

9.  IL    AlezandriniMdie  Poeaio. 

Zuerst  darauf  aufoxerksam  gemacht  zu  haben,  welcher  grosse 
unterschied  zwischen  den  späteren  Vasenbildem  und  der  Poesie  der 
Alexandriner  besteht,  ist  das  Verdienst  von  Furtwängler.^)  Bis 
jetzt  ist  eine  Einwirkung  der  alexandrinischen  Poesie  noch  in  keinem 
sicheren  Falle  nachgewiesen.  Es  muss  daher  auch  jede  Deutung, 
die  sich  auf  die  Dichtungen  dieser  Epoche  stützt,  einer  sorgfUtigen 
Prüfung  unterzogen  werden.  Es  ist  gewiss  nicht  zu  übersehen,  dass 
eine  Anzahl  von  Scenen,  die  erst  später,  wahrscheinlich  in  der  alexan- 
drinischen Epoche,  ausgebildet  wurden,  sich  in  der  Vasenmalerei 
nicht  finden.  Dahin  gehört  z.  B.  die  Abholung  des  Achilleus  von 
Skjros  (Overb.  p.  287),  der  SchOnheitsapfel,  den  Eris  unter  die 
Göttinnen  bei  der  Hochzeit  des  Peleus  warf,  wovon  später  noch  die 
Rede  sein  wird,  Thetis,  die  den  kleinen  Achilleus  im  Stjx  badet 
(Overb.  p.  282.  XIV,  3),  und  endlich  das  Liebesverhältniss  von  Paris 
zur  Oinone.    Freilich  hat  man  gerade  Oinone  in  mehreren  Vasen- 

^)  Eros  in  der  Vasenmalerei  p.  81  ff. 

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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  573 

bildem  erkeimeii  wollen,  die  aber,  einer  genauen  Prüfang  unter- 
worfen, nnr  das  fkduriheil  bestftt^n,  dass  die  alezandrin.  Poesie 
ohne  Emwirknng  auf  die  Yasenmalerei  geblieben  ist.  Besonders  war 
es  Jahn,  der  (arch.  Beitr*  p.  336  ff.)  in  m^ireren  Bildwerken  euie 
weibliche  Figur  für  Oinone  erklärte,  and  Heibig  (Aroh.  Zeit  186*6 
p.  181)  hftlt  es  fBa  eine  atisgenmchte  Thatsache.  Die  Bildwerke,  die 
in  Betracht  kommen,  sind  folgende: 

Overb.  226,  58  »  Welcker,  alte  Denkm.  Y  p.  366  ff.  Hr.  60. 
Die  Mittelgrnppe,  welche  das  Parisnrtheil  vorführt,  wird  umgeben 
auf  der  einen  Seite  von 'einem  bärtigen  Manne  in  reicher  phrygüioher 
Tracht,  in  dem  man  wohl  mit  Becht  den  Priamos  erkannt  hat,  auf 
der  anderen  von  einer  Frau,  die  einen  Stab  mit  der  Rechten  aufstützt. 
Schon  Oyerbeck  hat  sich  gegen  die  Deutung  auf  Oinone  erklärt 
(p.  226  f.  vgl.  ebdst.  Anm.  3);  er  betrachtet  sie  als  Begleiterin  der 
Aphrodite  oder  glaubt,  sie  sei  nur  zur  Baumausfttllnng  vorhanden. 
Oinone  erk^onen  zu  wollen,  fehlt  jeder  Anhalt;  mir  scheint  dem 
Priamos  entsprechend  Hekabe  dargestellt  zu  sein,  für  die  auch  das 
Softer  —  denn  anders  soll  der  Stab  nichts  vorstellen  —  passend  ist. 

Overb.  232,  66  »  Welcker  Nr.  65.  In  ein^  Person  hat 
Gerhard  (apuL  YasenK  p.  23)  Oinone  zu  erkennen  geglaubt.  Bcireits 
Jahn  a.  0.  p.  339  hat  sidi  dagegen  auBgesprocÜMn. 

Overb.  229,  61  »-  Welcker  Nr.  66.  Diese  Darstellung,  in 
der  JAhn  a.  O.p.  339  Oinone  erkennen  wollte,  ist  von  Brunn  (Troische 
Mise.  p.  49  ff.)  endgültig  aus  der  Beihe  der  Pariaurtheile  ausge- 
schieden worden. 

Ebenso  ist  zu  streichen  J^Uie  eSrcm.  H,  35,  von  Jahn  p.  339 
erwähnt,  da  die  Frau  mit  der  Lanae  nicht  Atineua,  der  JüngUi^  niekt 
Paris  sein  kann. 

Auch  kann  ich  mich  nicht  entechliessen,  in  der  Neapler  Yase 
Nr.  1770  das  Parisurtheil  anzuerkennen;  jedein£allB  i6t  der  Qedanke 
an  Oinone,  an  die  Heydemann  erinnert,  zu  verwerfen. 

Passeri  1, 16.D'HancarvelleIY,  24.  Millingen,  vnaea diverses  43. 
Pistolesi,  Vaüc.  III,  99  c.  Zuerst  hat  Welcker  a.  0«  p.  437  das  Bild 
auf  Alezandros  gedeutet,  den  Aphrodite  zur  Abfahrt  treibt;  die  oben 
sitzende  Figur  soll  Peitho  sein.  Eine  Deutung^  die  Welcker  verwarf, 
hat  Brunn,  Troische  Mise.  p.  61  von  neu^u  zur  Qeltung  bringen 
wollen.  Di6  von  Welcker  Peitho  benannte  ist  fOr  ihn  Aphrodite; 
diejenige,  die  sich  an  den  Paris  wendet,  -eoll  Oinone  sein,  und  an 
Paris  ihre  ernsten  Ermahnungen  richten.  Diese  Deutong  entbehrt 
jeder  Stütze  und  darf  deswegen  nicht  angenommen  werden;  dagegen 
steht  niekis  im  Wege,  in  den  beiden  Frauen  Aphrodite  und  Peitho 
zu  erkennen.  Ob  jedoch  ans  Parisurtheil  gedacht  werden  darf,  er- 
scheint mir  mehr  als  problematisch. 

So  lange  wie  sich  nicht  mit  Sicherheit  einmal  Oinone  nachweisen 
lässt,  darf  man  eine  Person,  die  mit  diesem  Namen  zu  benennen  der 
Darstellung  nach  möglich  wttre,  für  Oinone  nicht  in  Anspruch  nehmen. 

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574  H.  Lackenbach: 

Andererseits  lässt  ihr  Fehlen  sich  dafür  geltend  machen,  dasd  Oinoue 
in  den  K3rprien  nicht  erwähnt  wurde,  was  Welcker,  ep.  Cyel.  II,  p.  92 
unentschieden  lässt.  Jedenfalls  muss  als  Grundsatz  festgehalten 
werden,  dass  die  alezandrinische  Poesie  keinen  Einfinss  auf  die 
Mythen  in  Vasenbildem  gehabt  hat.  Wohl  zeigt  sich  in  sp&terer 
Zeit  manches,  was  die  frühere  Kunst  nicht  dargestellt  hätte.  Wenn 
Pelens  die  Thetis  beim  Bade  Überrascht,  den  Paris  Eros,  Pothoa  und 
Himeros  umschweben,  überhaupt  vieles  mehr  sinnlich  ausgemalt 
wird,  so  ist  der  Einfluss  der  Zeit  wahrzunehmen,  die  auch  die  Vasen- 
malerei umschuf;  einen  directen  Einfluss  >on  fremder  Poesie  anzu- 
nehmen, wird  man  nicht  ohne  die  gewichtigsten  Gründe  wagen  dürfen. 

§.  12.  Lokälsage. 

In  den  Vasenbildem  des  troischen  Sagenkreises  hat  man  bis 
jetzt  noch  kein  Vasenbild  nachweisen  können,  das  sich  auf  Lokal- 
sage gründet.  Es  scheint  doch  die  Wucht  des  Epos  und  sein  Ein- 
fluss so  gross  gewesen  zu  sein,  dass  lokale  Mythen  verschwanden. 
Wohl  tritt  mit  dem  Beginn  der  rfgn.  Technik  die  Hervorhebung 
attischer  Sagen  ein.  Demophon  und  Athamas  finden  ihre  Matter 
Aithra  wieder;  und  oftmals  sind  es  gerade  athenische  Helden,  die 
uns  auf  den  Vasen  entgegentreten;  aber  hier  kann  von  lokalen 
Versionen  keine  Bede  sein.  Wenn  in  einer  Vase^  die  den  Aoszug 
des  Achilleus  vorführt^),  Menestheus  auftritt,  so  zeigt  sich  deutlich 
das  Streben  der  Athener,  ihre  Helden  in  den  Vordergrund  zu  drängen. 
Wenn  in  Strongylions  ,,hölzernem  Pferde^'  Menestheus,  Akamas, 
Demophon  und  Teukros  (Aias  war  damals  schon  todt),  also  attische 
und  Salaminische  Helden,  hervorschauten  (Paus.  I,  23,  8),  so  liegt 
hier  keine  lokale  Tradition  vor.  Dagegen  haben  wir  dieselbe  anzuer- 
kennen z.  B.  im  Banbe  der  Oreithyia  durch  Boreas,  der  nach  zwei 
Versionen  zur  Darstellung  gebracht  wird.  Bald  raubt  Boreas  die 
Oreithyia,  da  sie  Blumen  sammelt,  bald  da  sie  zum  Brunnen  geht, 
Wasser  zu  holen.  Aber  hier  war  keine  Sage,  die  von  einer  anderen 
etwa  schon  im  Epos  besungenen  abwich;  sie  stand  nicht  unter  dem 
Drucke,*  den  eben  das  Epos  ausgeübt  zu  haben  scheint  In  Attika 
gab  es  bestimmt  ausgeprägte  Sagen  über  das  Palladion;  man  wnsste 
zu  erzählen,  wie  in  Attika  Akamas  oder  Demophon  diae  Palladion 
an  sich  gebracht  hatten^;  aber  in  der  Vasenmalerei  findet  sich  dies 
nicht  Freilich  will  Jahn  den  Doppelpalladienranb,  der  mehr&ch 
dargestellt  ist,  durch  Lokalsage  erklären,  aber,  wie  mir  scheint,  kann 
seine  Deutung  nicht  genügen:  vielmehr  muss  in  den  betreffenden 
Bildwerken  eine  bestimmte  Tradition  zu  Grunde  liegen ,  die  zu  er- 


')  Gerhard,  etr.  u.  camp.  Vas.  18.  —  •)  Vgl.  z.  B.  Paus.  I,  2«,  d. 
PoUux  VIII,  118.  Eustath.  Odyssee  a  1419.  Harpokration  und  Snidu 
8.  v.  ^l  iraWaMip.    Clemens  Alexandr.,  Protr.  IV,  47  Sylb. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Qed.  d.  ep.  Eyklos.  575 

keimen  uns  freilich  wegen  der  Lttckenhaftigkeit  der  literar.  üeber- 
lieferong  nicht  möglich  ist.  Ich  zweifle  nicht,  dass  die  in  Bede  stehen- 
den Bildwerke  auf  ein  Drama  zurückgehen,  da  das  Epos  eine  andere 
Version  hatte.    Wir  werden  später  darauf  zurückkommen. 

Soweit  wir  den  ganzen  Stoff  mit  seinen  Quellen  überblicken 
können,  bietet  sich  nur  das  Epos  und  die  Tragödie  dar;  von  einer 
Einwirkung  der  lyrischen,  der  alexandrinischen  Poesie,  einer  Aus- 
prägung von  Lokalsagen  kann  erst  dann  die  Bede  sein,  wenn  ein- 
mal ein  einziges  sicheres  Beispiel  vorgeführt  sein  wird:  so  lange  je- 
doch müssen  wir  auch  darauf  Verzicht  leisten,  ein  Vasenbild  durch 
die  fraglichen  Arten  der  Poesie  und  durch  Annahme  lokaler  Tradi- 
tion zu  erklären. 


m.    Vasenbilder,  deren  epische  dnellen  nur  in  Bneh- 
stfteken  enthalten  sind. 

Haben  wir,  meist  auf  Vasenbildem,  die  uns  Mythen  der  Ilias 
und  Odyssee  darstellen,  fussend,  gefunden,  dass  die  Mythengestaltung 
auf  Vasenbildem  nur  von  den  Epikern  und  ^Dramatikem  ausgeht, 
dass  die  Anlehnung  an  die  Poesie  meist  nur  in  der  Hauptsache  statt- 
findet, dass  in  allem  Nebensächlichen  die  Maler  nach  Gutdünken 
handeln,  besonders  auch,  indem  sie  Sitten  ihrer  Zeit  einmengen  und 
auf  die  Heroenzeit  übertragen,  so  wollen  wir  jetzt  die  Bildwerke  zu 
den  übrigen  Epen  betrachten  und  zusehen,  wie  weit  dieselben  uns 
bei  der  Ergänzung  der  schriftlichen  Quellen  dienen  können;  und  ob 
sie  irgendwo  den  von  uns  aufgestellten  Principien  widersprechen. 
Wenn  manchmal  entgegenstehende  Ansichten  kurz  zurückgewiesen 
werden,  so  geschieht  dies  von  dem  Standpunkte  aus,  auf  den  die  vor- 
hin betrachteten  Vasen  jeden  Unbefangenen  fahren  müssen. 

Es  kann  auch  hier  nicht  in  unserer  Absicht  liegen,  alle  Bild- 
werke zu  besprechen,  sondern  nur  diejenigen,  die  für  unsere  Frage 
besonders  ins  Gewicht  fallen.  Dabei  bin  ich  mir  bewusst,  mit  Ab- 
sicht keine  schwierigere  Frage  bei  Seite  geschoben  zu  haben.  Die 
Anordnung  der  einzelnen  Bildwerke  wird  eine  lose  sein;  wir  werden 
dieselben  innerhalb  der  einzelnen  Epen  nach  der  Beihenfolge  der  That- 
sachen  aufeinander  folgen  lassen. 

t.  18.    Die  Kypridn. 

Peleus  und  Thetis. 

Nicht  weniger  als  46  Vasenbüder  führt  Overbeck  p.  174 — 201 
Nr.  1—4.  6 — 47  zu  dem  Bingkampf  und  der  Hochzeit  des  Peleus 
und  der  Thetis  an. 

Zunächst  einige  Berichtigungen  und  Ergänzungen  zu  den  von 
Overbeck  aufgezählten  Bildern: 

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576  H.  Lackenbach: 

Nr.  3    —  München    807 

Nr.  14  «=         „  6630 

Nr,  16  =        „  380 

Nr.  16  «-        „  767(?) 

Nr,  17  =        „  601 

Nr.  18  =         „        1166 

Nr.  20  =         „  460 

Nr.  21  =        ;.        1112 

Nr.  23  =  Bonlezy  voßes  de  Leyde  pl  12 

Nr.  24  «»  MDnohen  638 

Nr,  28  —  Benndorf,  Gr.  u.  Sic.  Vasenb.  XXXII,  4a  p.  61—63. 
Collignon  406 

Nr.  31  ==  München  331 

Nr.  36  =  Neapel  2421 

Nr.  86  «=       „      2688 

Nr.  47  =  Conze  Vorlegebl.  H,  1.  2. 

Nr.  4  ist  von  Jahn  Arch.  Zeit.  1863  p.  146  ff.  auf  Telephos  nnd 
Auge  gedeutet;  jedeoftUs  bezieht  es  sich  nicht  auf  Peleus 
und  Thetis. 

Nr.  11  und  19  sollen  sieh  nach  Oyerbeok  in  Münohen  befinden, 
sind  jedoch  in  Jahns  Katalog  nicht  verzeichnet. 
Ob  alle  die  Vasen,  in  denen  die  Jung&au  nicht  von  Thiaren 
oder  den  Elementen  unterstützt  wird,  oder  andere  ümstSnde  über 
die  Darstellung  keinen  Zweifel  aofkonunen  lassen,  mit  fiecht  anf 
Peleue  und  Thetts  bezogen  werden,  ist  nicht  leicht  zu  entaeheiden. 
Manchen  mögen  andere  Mythen  zu  Orunde  liegen;  andere  sind  viel- 
leicht gar  nicht  bestimmt  zu  deuten,  sondern  ganz  allgemeiner  Art 
und  zum  Genre  herabgestimmt.    Diese  Vasen  (Overb.  Nr.  16 — 22. 
39.  40.  43)  können  daher  sieht  berücksichtigt  werden*^ 
Hinzuzufügen  sind  etwa  folgende: 

A.   Sditmrzfigurige  Vasen. 

München  133.  486. 

Varvakeion  684.  1199,  von  Collignon  p.  80  erwfthnt. 

GoUignon  328. 

Collignon  329  abgeb.  Heydemann,  6r.  Vas.  VI,  1. 

Heydemann  ebdst.  VI,  2.  3. 

BuU,  1869  p.  133  (bis) 

Neapel  2636. 


>)  Die  Besohreibnng  der  Vaae  ist  bei  Orexbeck  sehr  ongenan.  Die 
IdentiiAt  wird  jedoch  unzweifelhaft  durch  die  gleiche  Anzahl  der  Per- 
sonen, sowie  durch  die  Anwesenheit  des  Nereas,  der  sich  nur  noch  zwei- 
mal in  sfgn.  Vasen  zeigt.  —  *)  Ebensowenig  wie  die  8f|gn.  Petersburg  42. 
115.  Neapel  2449.  2788.  RC.  205  und  die  rfgn.  Overb.  XXXI,  2  (vgL 
Arch.  Zeit.  1870  p.  82).    Arch.  Zeit  1878  Taf.  12  (Ins). 


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Yerh.  d.  gr.  Yaaenbilder  s.  d.  Ged.  d.  ep.  Ejkloa.  577 

Neapel  BC.  207,  abgeb.  BvM.  Nap.  N.  8.  V,  10,  12.  Piorelli, 
vaai  Cum.  IX,  1. 

B.  Boihfigttrige  Vaaen, 

Petersburg  1527 

München  369.    Conze,  Vorlegebl.  VH,  2 

Journal  of  phüology  1877  Taf.  A,  p.  215  ff.,  erwähnt  auch  Arch. 
Anz.   1866  p.  203*  und  CommenkU.  in  hon.  Th.  Mommseni 
p.  171,  30 
Newton  Üie  fine  aris  quarterly  review  1864  Taf.  ü,  p.  1  f.  Conze, 
Vorlegebl.  II,  6,  2. 

Für  Peleus  und  Thetis  liegt  eine  meines  Erachtens  nicht  eben 
glückliche  Arbeit  aus  den  letzten  Jahren  von  SchHe^)  vor,  der  gerade 
mit  Bezug  auf  das  Epos  diese  Sage  behandelt  hat.  Auf  p.  44  f. 
stellt  er  die  Züge  zusammen,  die  er  den  Ejprien  entnommen  glaubt 
Indem  wii*  möglichst  von  einer  Behandlung  der  Bildwerke  im  Einzelnen, 
absehen,  wollen  wir  die  einzelnen  Punkte  der  Reihe  nach  betrachten. 
Dass  überhaupt  der  Kampf  des  Peleus  mit  der  Thetis  in  den 
Ejprien  beschrieben  war,  wird  uns  von  Proklos  nicht  überliefert, 
und  Welcker  glaubte,  dass  derselbe  nicht  behandelt  worden  sei. 
Overbeck  und  Schlie  sind  anderer  Meinung,  wie  ich  glaube,  mit 
vollem  Rechte.  Ein  Dichter  wie  Stasinos,  der  überall  möglichst  weit 
ausholt,  der  immer  die  Oenesis  einer  Thatsache  beschreibt,  konnte 
unmöglich,  wenn  er  die  Hochzeit  des  Peleus  schilderte,  die  Art  über- 
gehen, in  der  Peleus  sich  seine  Braut  errang.  Mag  die  Schilderung 
noch  so  kurz  gewesen  sein,  ganz  fehlen  durfte  sie  nicht.  Dafür 
spricht  auch  die  grosse  Anzahl  der  Bildwerke  aus  der  archaischen 
Periode. 

Gehen  wir-  also  auf  die  Yoraussetzung  Overbecks  und  Schlies 
ein  und  sehen  zu,  welche  Züge  schon  im  Epos  vorgebildet  zu  sein 
scheinen. 

Der  Ort  des  Liebeskampfes. 

Ohne  jegliche  Andeutung  auf  Yasenbildem,  auch  ohne  schrift- 
liche Tradition  würden  wir  als  den  Ort  des  Liebeskampfes  das  Qe- 
stade  des  Meeres  ansehen;  für  die  Meemymphe  Thetis  ist  dieser 
Ort  der  weitaus  wahrscheinlichste.  So  wird  uns  denn  auch  von 
Herodot  VII,  191  und  dem  Scholiasten  zu  Apollonios  I,  582  das 
Sepiasgestade  angegeben  als  der  Ort,  an  dem  Peleus  sich  die  Thetis 
geraubt  habe.  Indessen  zeigt  ein  Blick  auf  diese  Stellen,  dass  sie 
schwerlich  etwas  anderes  als  eine  Lokalsage  wiedergeben,  die  an 
ein  Heiligthum  der  Thetis  und  der  Nereiden  sich  anschloss.  Auch 
die  ErwKhnung  des  Scholiasten,  dass  Thetis  sich  in  eine  Sepia  ver 


')  Zu  den  Kyprien.    Programm  des  Gymnasiums  zu  Waren  1874. 
Jahrb.  1  oImi.  PhUol.  Buppl.  Bd.  XL  87 


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578  H.  Lackenbaoh: 

wandelt  habei  nm  dem  Peleus  zu  entgehen,  ist  so  einzig ,  dass  sie 
nur  Lokalsage  oder  yielleicht  sogar  Gelehrtenerfindnng  ist,  die  den 
Sepiasstrand  in  nähere  Beziehung  zur  Göttin  bringen  wollte.  Mehr 
als  gewagt  würde  es  sein,  dem  Dichter  der  Eyprien  auch  den  Sepias- 
strand zuschreiben  zu  wollen.  Nnr  einmal  Conze,  Vorlegebl.  U,  6,  2 
finden  wir  den  Meeresstrand  gemalt,  in  einer  späten  Vase,  die  uns 
den  Peleus  zeigt,  wie  er  die  badende  Thetis  überrascht  hat.  Zu 
dieser  Darstellung  war  natürlich  der  Meeresstrand  oder  doch  wenig- 
stens Wasser  erforderlich.  Ob  der  Maler  an  den  Sepiasstrand  ge- 
dacht habe,  meint  Schlie  p.  15,  lasse  sich  natürlich  nicht  sagen;  ich 
glaube,  dass  dem  Maler  nichts  femer  gelegen  hat  als  ein  solcher 
Gedanke.  Auf  anderen  Vasen  sind  Eorallenstöcke,  Delphine  und 
Seethiere  hinzugefügt:  natürlich,  wo  eine  Meergöttin  ringt;  wo  Nereus 
und  seine  Töchter  oftmals  zugegen  sind,  da  waren  auch  diese  Dinge 
passend  angebracht;  jedoch  erlauben  die  Bilder  nicht  einen  Schluss 
aufs  Epos  zu  machen,  obwohl  an  und  für  sich  ja  hohe  Wahrschein- 
lichkeit herrscht,  dass  Thetis  am  Gestade  des  Meeres  überfiedlen 
wurde. 

Die  Verwandlungen. 

Voran  stelle  ich  auch  hier  die  Zeugnisse  der  Schriftsteller. 
Ohne  Werth  ist  für  unseren  Zweck  das  schon  erwähnte  Zeugniss 
des  Scholiasten  zu  ApoUonios  I,  582,  der  eine  Metamorphose  in 
eine  Sepia  kennt.  Unser  ältester  Gewährsmann  ist  hier  wie  so  oft 
Pindar:  N.  4,  62  nennt  er  das  Feuer  und  den  Löwen  als  Gegner 
des  Peleus.  Von  Sophokles  führt  uns  der  Scholiast  zu  Pindar  N.  3, 60 
die  Verse  an: 

t(c  T<ip  M€  JJlÖXÖOC  OÖK  d7T€CT(iT€i; 

X^uiv  öpdKUJV  T€y  irOpy  uöiup  (Soph.  fr.  163). 

Apollodor  in,  13,  5  lässt  die  Thetis  sich  in  Feuer,  Wasser  und  in 
ein  Qripiov  verwandeln.  Der  Scholiast  zu  Pindar  N.  4,  62  nennt  das 
Feuer,  den  Löwen  und  verschiedene  Gestalten  (bidq)opoi  ib^ai)  und 
N.  3,  60  das  Feuer  und  Thiere  (Giipia).  Das  Feuer  wird  also  von 
allen  erwähnt;  -das  Wasser  von  Sophokles  und  Apollodor;  der 
Löwe  von  Pindar,  Sophokles  und  dem  Scholiasten  zu  Pindar;  den 
Drachen  (die  Schlange)  nennt  nur  Sophokles.  Die  Ausdrücke 
Oiipiov,  dripia,  bidq)opoi  ib^ai  können  natürlich  vieles  einschliesseo. 
Endlich  erwähne  ich  noch  die  Verse  des  Sophokles,  die  uns  der 
Scholiast  zu  Pindar  N.  3,  60  aufbewahrt  hat:  Kai  Coq)OKXf)c  cpT)OV 
^v  Tpu)iX()i: 

?Til^i€V  UJC  finiMtv  dqpeÖTTOuc  TdjJiouc 

Tfl  7TaVTa|JlÖp<pi}J  6^Tlbl  CUjLlTTXaKeiC  1T0T€. 

Gerhard  (AV.  U,  p.  107,  86)  liest  hier  iT€VTd|jiopcpoc;  ohne  Gnmd 
wie  ich  glaube.    Denn  die  überlieferte  Lesart  ist  ganz  unverdächtig, 


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Yerh.  d.  gr.  Yasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  579 

und  für  eine  Verwandlung  in  fünf  verschiedene  Gestalten  spricht 
nichts:  an  einer  anderen  Stelle  nennt  Sophokles  selbst  nur  vier  Ge- 
stalten, und  diese  vier  scheinen  auch  den  wesentlichsten  Bestand- 
theil  der  Sage  ansgemacht  zu  haben. 

In  den  Yasenbildem  ist  die  Verwandlung  in  Feuer  in  zwei 
sfgn.  Vasen  angedeutet  (Overb.  Nr.  15  und  Neapel  EC.  207). 

Ob  jemals  die  Verwandlung  in  Wasser  auf  Vasenbildem  aus- 
gedrückt ist,  erscheint  mehr  denn  zweifelhaft.  Die  Schwierigkeit, 
den  Peleus  mit  dem  Wasser  ringend  darzustellen  oder  das  Wasser 
als  Helferin  der  Thetis  zu  zeigen,  leuchtet  von  selbst  ein.^)  Ein 
Delphin,  hat  man  geglaubt,  solle  in  einigen  Vasen  das  Wasser  ver- 
treten: allein  dieser  Delphin  ist  nirgends  als  Angreifer  zu  erkennen: 
er  bezeichnet,  wenn  man  will,  das  Lokal  oder  gehört  eben  zur 
Nereide  und  zeigt  uns  dieselbe  als  Meergöttin  (Overb.  Nr.  29* 
Collignon  406).  In  einer  anderen,  rfgn.  Vase  (Overb.  Nr.  37)  soll 
der  Maler  das  Wasser  durch  einen  Regenbogen  angedeutet  haben: 
denn  für  einen  solchen  haben  die  Herausgeber  den  Gegenstand,  der 
sich  über  Peleus  und  Thetis  erhebt,  gehalten.  Allein  die  Deutung 
ist  nicht  ohne  Schwierigkeit.  Nach  der  Abbildung  scheinen  aller- 
dings eine  Nereide  den  Gegenstand  anzustaunen,  Eros,  der  Begleiter 
der  Aphrodite,  und  auch  Thetis  selbst  ihn  mit  Verwunderung  zu 
betrachten.  Indess  wollte  der  Künstler  das  Wasser  damit  andeuten, 
wozu  dann  die  Verwunderung?  war  die  Metamorphose  in  Wasser 
für  Meemymphen  wunderbarer,  als  die  in  Schlange,  Löwe,  Feuer? 
Endlich  aber  würde  wohl  der  Künstler  so  einen  Regenbogen  dar- 
gestellt haben  mit  den  Farben  weiss,  schwarz,  gelb?  Die  Sache  ist 
keineswegs  sicher.  Mir  scheint  vielmehr  der  vermeintliche  Regen- 
bogen ein  Theil  des  Gewandes  zu  sein,  das  sich  nach  beliebter 
Manier  bogenförmig  über  dem  Haupte  der  Thetis  wölbt'),  wie  denn 
überhaupt  der  Maler  unnatürliche  Falten  nicht  allein  auch  sonst  im 
Gewände  der  Thetis  sondern  vor  allem  auch  in  der  Chlamjs  des 
zwischen  Peleus  und  Cheiron  stehenden  Mannes  angebracht  hat. 

Die  Schlange  findet  sich  in  Vasenbildem  aller  Stile;  statt 
einer  Schiauge  begegnen  uns  deren  auch  zwei  und  einmal  sogar  drei. 

Auch  der  Löwe  findet  sich  in  Vasenbildem  aller  Stile.  Bis- 
weilen kann  man  zweifelhaft  sein,  ob  man  einen  Löwen  oder  ein 
anderes  Raubthier,  einen  Panther  oder  Tiger,  zu  erkennen  hat;  oft- 
mals dagegen  ist  es  deutlich^),  dass  der  Künstler  keinen  Löwen 
darstellen  wollte.    Zwei  Panther  sind  in  Nr.  15. 

Femer  wird  Thetis  unterstützt  von  einem  Seedrachen,  jedoch 


*)  Gerhard,  AV.  U^  112  umsibt  den  Nereus,  mit  dem  Herakles  ringt, 
Wasser,  nicht  bloss  um  ihn  als  Meergott  zu  bezeichnen,  sondern  um 
ihm  beizustehen.  —  *)  Vgl.  Jahn,  SntfQhnmg  der  Europa,  Tar.  la 
(»  Neapel  8249).  Overb.  XXVIII,  1.  —  ")  Durch  die  Art  der  Dar- 
stellung, ob  en  face  oder  en  proß.  Vgl.  Conze,  Insehi  des  thrakischen 
Meeres  p.  9. 

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580  H.  Laokenbaoh: 

nnr  in  yier  rfgn.  Yasenbildem.  Auf  Nr.  3  findet  sich  neben  dem 
Seedrachen  ein  Hund.  Endlich  sehen  wir  auf  zwei  Vasen  eigenthüm- 
liche  ungeheuer.  Neapel  253Ö  zeigt  ein  Thier  mit  Löwenkopf  und 
Fischschwanz;  auf  der  anderen  Vase,  Collignon  329,  hilft  der  Thetis 
ausser  einer  Schlange  ein  Löwe  mit  sehr  zugespitzter  Schnauze,  aus 
dessen  Eopfe  ein  Hom  hervorspringt. 

Beliebig  sind  die  Thiergestalten  mit  eintmder  in  Verbindung 
gesetzt:  Feuer,  Löwe  und  Schlange  finden  sich  vereinigt  Neapel  2?C 
207.  Die  Verbindungen  von  Löwe  und  Schlange,  von  Schlange  und 
Tiger  u.  s.  w.  haben  alle  ihre  Beispiele.^)  Conze  11,  6  sind  auf  dem- 
selben Bilde  Schlange  und  Seedrache.  Nur  eine  Ausnahme  ist  zu 
machen:  auf  keiner  Vase  findet  sich  ein  Löwe  neben  einem  Panther 
oder  Tiger,  und  darin  ist  man  versucht  doch  nicht  blossen  Zufall 
zu  erkennen. 

Suchen  wir  nun  aus  diesen  Thatsachen  die  Gestalten  zn  er- 
mitteln, die  sich  als  Kern  der  Sage  ergeben,  so  hat  Schlie  p.  44 
folgendes  Besultat  gezogen:  „Ein  gewaltiger  Ringkampf  beginnt 
zwischen  der  Göttin  und  dem  sterblichen  Manne,  dem  die  Verwand- 
lungen der  ersteren  in  Feuer  und  in  die  Gestalten  eines  Löwen, 
Panthers,  Drachen  und  selbst  in  die  eines  flüchtigen  Vogels  nicht 
zu  wehren  vermögen'^ 

Um  mit  dem  flüchtigen  Vogel  zu  beginnen  —  denn  von  ihm 
war  bisher  keine  Bede  — ,  muss  das  rfge.  Vasenbild  Nr.  36  einen 


^)  Löwe  findet  eich  allein: 

sfg.  Nr.  6.  7.  8.  14.  München  133. 

rfg.  Nr.  26.  27.  31.  32.  33.  München  369. 
SchlanffO  findet  sich  allein: 

sfg.  Nr.  9.   10.  München  486.  Collignon  888.  Heydemann,  Gr. 
Vas.  VI,  3. 

rfg.  Nr.  28.  36.  37. 
Löwe  und  Schlai^e: 

sfg.  Neapel  jBu.*207  (dazu  noch  Feuer).    Collignon  329.    Var- 
vakeion  584.  1199. 

rfff.  Nr.  25.  29.  38.    (In  25  drei  Schlangen.) 
Panther  oder  l^er  allein: 

rfg.  Petersburff  1527. 
Panmer  und  Scmange: 

sfg.  Nr.  11.  12.  13.  Heydemann,  Or.  Vas.  VI,  2  (zwei  Schlangen). 

rfg.  Nr.  34  (zwei  Schlangen). 
Zwei  Panther  und  Feuer: 

Bfg.  15. 
Seedrache  allein: 

rfg.  Conze  II,  6,  2. 
Seedrache  und  Schlange: 

rfg.  Journal  of  ph.  1877  Taf.  A. 
Seedrache  und  Löwe: 

rfg.  Nr.  38. 
Seedrache,  Schlange  und  Hund: 

rfg.  Nr.  3. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  EykloB.  581 

Augenblick  unsere  Au&nerksamkeit  in  Anspruch  nehmen.  Peleus 
ringt  mit  Theiis;  eine  Schlange  hat  sich  in  seinen  Oberschenkel 
festgebissen;  femer  aber  sind  die  bisherigen  Herausgeber  (0 ver- 
beck p.  188  f.  Schlie  p.  21)  durch  Flügel,  die  Thetis  am  Haupte 
trägt  und  durch  das  Blatt  einer  Wasserpflanze  an  die  Verse  des 
Ovid  met,  XI,  243  f.  erinnert  worden : 

sed  modo  tu  vducris,  volucrem  tarnen  ille  tenebat 
nunc  gravis  arbor  eras:  haerebat  in  arhore  Peleus, 

Die  Eopfflügel  der  Thetis  sollen  die  Verwandlung  in  einen 
Vogel  anzeigen.  Durch  das  Blatt  wird  Overbeck  an  den  Baum 
erinnert,  an  den  sich  Thetis  bei  Ovid  verwandelt,  während  nach 
Schlie  a.  0.  Anm.  4  dasselbe  ^,ihre  Natur  als  eine  dem  Meer  ange- 
hörende Nereide'^  bezeichnen  soUL  Zunächst  lehrt  nun  aber  genaues 
Zusehen,  dass  das  Blatt  der  Wasserpflanze  keine  andere  Bedeutung 
hat,  als  uns  anzuzeigen,  bei  welcher  Beschäftigung  Peleus  die  Thetis 
überraschte.  Zwei  ihrer  Schwestern  tragen  ähnliche  Blumenstengel 
in  Händen,  eine  dritte  hat  denselben  in  der  Bestürzung  fallen  lassen. 
Da  sie  Blumen  sammelten  also,  hat  sie  Peleus  gestört  und  zum 
Zeichen  dessen  das  Blatt  neben  der  Thetis.^) 

Weiter  aber,  wie  steht  es  mit  der  Wandelung  in  den  Vogel? 
Gäben  wir  zu,  dass  diese  Bedeutung  die  Flügel  auf  dem  Haupte  der 
Thetis  hätten,  wo  haben  wir  die  Gewähr,  dass  dieser  Zug  im  Epos 
war?  Ich  erinnere  an  die  verwandelten  Odjsseusgefährten,  die  der 
Maler  als  ganz  beliebige  Thiere  darstellte.  Und  hier  würde  nur  ein 
einziges  rfgs.  Vasenbild  den  Vogel  zeigen.  Wäre  noch  eine  ältere 
üeberlieferung  als  Ovid  vorhanden,  die  die  Behauptung  stützen 
könnte,  so  wäre  sie  nicht  ohne  weiteres  zu  verwerfen.  Damit  wird 
zugleich  die  Bedeutung  der  Flügelchen  in  Frage  gestellt:  können  sie 
wirklich  die  Andeutung  des  Vogels  geben?  Man  wird  mich  an  lo 
erinnern,  die  als  Euh  nur  durch  2  Hörnchen  bezeichnet  wird  (z.  B. 
Neapel  2922.  BuU,  Nap.  IIL  Taf.  4).  Allein  Hörner  sind  kein 
Weiberschmuck,  Flügelchen  wohl.  Denn  zunächst  scheinen  mir  die- 
selben nicht  mit  der  Thetis  verwachsen  zu  sein,  sondern  lediglich 
eine  Zierde  des  Stirnbandes  zu  bilden.  Freilich  sagt  Heydemann 
im  Kataloge  p.  359 :  *sie  trägt  . .  .  auf  dem  Kopf  eine  Stephane, 
über  der  auf  der  Stirn  zwei  kleine  Flügel  sichtbar  werden'.  Die 
Abbildung  lehrt  indess,  dass  die  Flügel  nicht  getrennt  sind  von  der 
Stephane ;  und  die  Frage  ist  unabweisbar,  ob  wir  nicht  vielmehr 
einen  Schmuck  derselben  zu  erkennen  haben.  Statt  der  Zacken, 
die  am  Stimbande  einiger  anderer  Nereiden  sichtbar  sind,  trägt 
Thetis  einen  vornehmeren  Schmuck,  der  nicht  mehr  auffEillen  darf 
wie  z.  B.  Seitenflügel  am  Helme  der  Athena  (Neapel  1924.  1975. 


^)  Wie  das  Blatt  angebracht  war,  läset  der  Zustand  der  Vase  nicht 
mehr  erkennen. 


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582  H.  Lnckenbach: 

2133)  oder  anderer  Personen  (Neapel  3017.  3242.  Conze,  Vor- 
legebl.  in,  4,  1).  Man  vgL  femer  Overb.  XXII,  8,  wo  Athena  auf 
ihrer  Stimbinde  2  Flügelrosse  trägt.  Will  man  aber  durchaas  den 
Flügelchen  Bedeutung  zulegen,  so  mag  die  Flüchtigkeit  und  Beweg- 
lichkeit der  Thetis,  ihre  Fähigkeit;  sich  zu  verwandeln,  darin  aus- 
gedrückt sein.^)  Auf  jeden  Fall  gestattet  dies  Vasenbild  keinen 
Bückschluss  aufs  Epos. 

Femer  war  nach  Schlie  die  Wandelung  in  einen  Panther  im 
Epos.  Schon  oben  wurde  darauf  hingewiesen,  dass  merkwürdiger 
Weise  niemals  Polens  von  einem  Löwen  und  Panther  zugleich  an« 
gefallen  wird;  dass  oftmals  eine  genügende  Scheidung  zwischien  Löwe 
und  Panther  nicht  ermöglicht  ist:  endlich  aber  haben  wir  keine 
schriftliche  üeberliefemng,  die  den  Panther  erwähnt  Es  ergibt  sich 
hieraus,  dass  der  Panther  wohl  nur  eine  Abart  des  Löwen  ist  und 
diesen  in  manchen  Vasenbildern  vertritt. 

Weiterhin  wurde  das  Feuer  von  allen  obenerwähnten  Autoren 
genannt;  und  wenigstens  zwei  Vasenbilder  alten  Stils  stimmten  damit 
überein. 

Auch  die  Gestalt  des  Drachen  oder,  was  dasselbe  sagen  will, 
der  Schlange  nimmt  Thetis  nach  Sophokles  an.  Da  viele  Vasen- 
bilder uns  dies  vor  Augen  führen  und  schon  auf  der  Eypseloslade 
von  der  Hand  der  Thetis  eine  Schlange  sich  dem  Peleus  entgegen 
bewegte  (Paus.  V,  18,  1) ,  so  ist  das  Epos  in  sicherer  Weise  zu  er- 
gänzen. Dagegen  ist  der  Seedrache,  der  verhältnissmässig  selten 
und  nur  in  rfgn.  Vasenbildern  vorkommt,  zu  einer  Zeit  also,  die  diese 
Ungeheuer  sehr  liebte,  auftaucht,  unbedenklich  der  Erfindung  der 
späteren  Vasenmaler  zuzuschreiben. 

Ueber  andere  Thiere,  wie  den  Hund  und  die  merkwürdigen 
üngethüme,  die  wenigstens  halb  aus  einem  Löwen  bestehen,  gehe 
ich  hinweg,  indem  ich  kurz  auf  die  Odyssee  verweise  und  das  Vasen- 
bild, welches  uns  die  Geföhrten  des  Odysseus  mit  den  Köpfen  von 
Eseln,  Schwänen  u.  s.  w.  zeigt. 

Als  Bestand  der  alten  Sage  ergibt  sich  also  das,  was  wir  schon 
vorher  aus  den  schriftlichen  Nachrichten  wussten:  Thetis  sucht  sich 
zu  vertheidigen  in  den  Gestalten  des  Feuers^  des  Löwen,  der 
Schlange  (=  des  Drachen)  und,  wie  Sophokles  und  Apollodor  lehren, 
des  Wassers. 

Nur  gering  sind  die  Abweichungen,  die  sich  die  Vasenmaler 
erlaubt  haben :  und  eben  dieser  Umstand  scheint  eine  feste  Normirung 
der  Verwandlungen  vorauszusetzen;  es  ist  dies  das  Gewichtigste,  was 
sich  aus  den  Vasen  für  eine  Schilderung  der  Begebenheiten  im  Epos 
geltend  machen  lässt. 


')  Thetis  geflügelt  an  den  Schultern  und  insohrifÜich  besengt  auf 
drei  etruBkischen  Spiegeln,  Gerhard  886.  387.  396. 


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Yerh.  d.  gr.  Vasenbüder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  583 

Anwesenheit  des  Cheiron. 

Auf  mehreren  Vasen  ist  Cheiron  gegenwärtig,  der  treue  Freund 
des  Peleus,  den  die  Sage  mit  dessen  Familie  enge  verknüpft  hat. 
Er  erscheint  in  den  sfgn.  Vasen  Nro.  15.  23.  24.  CoUignon  328; 
feiner  in  den  rfg.  Nro.  3.  34.  36.  36.  37.  In  Nro.  15,  glaubt  Schlie, 
sei  derselbe  damit  beschäftigt,  den  Feleus  von  einem  Panther  zu  be- 
freien. Möglich  wäre  es,  dass  er  den  einen  Fuss  des  Panthers  von 
Peleus  loszureissen  versucht,  wahrscheinlich  keineswegs.  Hätte  der 
Künstler  die  Hülfe  des  Cheiron  andeuten  wollen,  so  konnte  er  das 
doch  gewiss  besser  thun,  als  auf  eine  so  zweideutige  Weise.  Ledig- 
lich der  Raummangel  veranlasste  den  Vasenmaler,  ihn  so  nahe  an 
die  Mittelgruppe  heranzustellen.  Niemanden^  der  die  Bildwerke  zur 
Ilias  und  Odyssee  durchmustert,  wird  die  Anwesenheit  des  Cheiron 
befremden.  Er  weiss,  wie  gern  und  wie  oft  Figuren,  die  in  Beziehung 
zu  den  Handelnden  stehen,  hinzugefügt  werden.  Ich  erwähne  nur, 
dass  Eumaios  bei  der  Fusswaschung  des  Odysseus  hinter  demselben 
stand,  dass*  einmal^)  beim  Versuche  des  Nessos,  die  Deianeira  zu 
rauben,  ihr  Vater  Oineus  zugegen  ist,  dass  endlich  auf  der  Eypselos- 
lade,  da  Hephaistos  der  Thetis  die  Waffen  überreicht,  mehrere  Nere- 
iden auf  Zweigespannen  und  der  Kentaur  Cheiron  zuschauten  (Paus. 
V,  19,  8).  Fürs  Epos  kann  die  Anwesenheit  des  Cheiron  nichts 
weiteres  lehren,  als  dass  er  in  Beziehung  zu  Peleus  stand;  und  dies 
ist  uns  auch  anderweitig  überliefert.  Verfehlt  ist  demnach  der 
Schluss,  den  Schlie  aufs  Epos  p.  44  macht:  „Peleus  überfällt  in  Be- 
gleitung seines  Freundes  Cheiron,  der  ihn  mit  Rath  und  vielleicht 
auch  mit  der  That  unterstützt,  die  Nereide  Thetis". 

Ist  Zeus  gegenwärtig? 

Auf  einigen  Vasenbildem  (Nro.  36.  44)  ist  Schlie  (p.  21  f., 
3 9 f.)  sehr  geneigt,  den  Zeus  zu  erkennen.  Die  Person,  um  die  es 
sich  handelt,  ist  beide  Male  bärtig,  mit  einem  Kranze  geschmückt, 
in  der  Linken  das  Scepter.  In  36  fliehen  zu  ihm  einige  der  Nereiden; 
in  ruhiger  Würde  erhebt  er  die  Rechte,  um  sie  zu  beruhigen  und 
ihnen  den  WiUen  des  Schicksals  mitzutheilen.  Andere  der  Nereiden 
flüchten  zu  einem  ebenfalls  bekränzten  bärtigen  Manne,  dessen  Leib 
in  einen  langen  Fischschwanz  endet  Zuerst  hat  Heydemann  (Neapler 
Katalog)  die  beiden  Männer  Zeus  und  Nereus  genannt,  und  zweifelnd 
schliesst  sich  ihm  Schlie  an.  Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  Hal- 
tung und  Figur  recht  wohl  dem  Zeus  zukämen. 

Ganz  zu  verwerfen  aber  ist  dieselbe  Vermuthung  Schlies  für 
Nro.  44.  Hier  idt  der  Mann  in  der  Mitte  der  Mädchen;  er  eilt 
offenbar  herbei  auf  Peleus  und  Thetis  zu,  als  ob  er  der  Tochter 
Hülfe  bringen  wolle.     Die  erhobene  Rechte,  die  ganze  Haltung  und 


^)  Neapel  3089,  abg.  z.  B.  Millingen  peiwt.  div,  38. 

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584  H.  Lnckenbach: 

lebhafte  Bewegung,  die  uns  deutlich  sein  Erstaunen  kondthun,  können 
nimmermehr  dem  Zeus  zukommen.  Schlie  freilich  legt  darauf  wenig 
Gewicht;  für  mich  ist  es  ein  schlagender  Beweis  gegen  Zeus.  Vor 
allem  aber  würden  wir  ja  den  Nereus  yermissen,  zu  dem  doch  in 
so  vielen  Vasenbildem  die  Töchter  flüchten.  Gegen  diese  schwer- 
wiegenden Gründe  kann  weder  die  volle  kräftige  Gestalt  noch  aacb 
das  dichte  Haupthaar  und  der  schwarze  Bart  von  Bedeutung  sein. 
Auch  finden  wir  den  Nereus  mit  schwarzem  Barir  und  Haupthaar 
z.  B.  Gerhard  AV.  II,  146.  147.^) 

Wie  aber,  wenn  in  Nro.  36  jener  fifichleibige  Mann  Nereus 
wäre,  welcher  Name  bliebe  dann  für  den  andern?  Freilich  dann 
nur  Zeus.  Wenn  aber  jener  nicht  Nereus  sein  kann,  so  wird  die 
Deutung  auf  Zeus  auch  hier  immer  schwankender.  Das  im  Journal 
of  phü.  1877  Taf.  A  publicirte  Yasenbild  bringt  uns  Gewissheit. 
Auch  hier  fliehen  die  Nereiden  zu  einem  sitzenden  Greise  und  einem 
fischl eibigen  Manne,  und  hier  führen  die  beiden  die  Namen  Nereus 
und  Triton.  Also  wird  auch  für  den  Fischleibigen  in  Nro.  36  die 
frühere  Deutung  von  Overbeck  und  Brunn  (Schlie  p.  40)  auf  Triton 
in  üebereinsümmung  mit  anderen  Darstellungen  vollständig  ge- 
sichert. Der  weisse  Bart  des  anderen  Mannes  dagegen  ist  bei  weitem 
charakteristischer  fElr  Nereus  als  für  Zeus,  da  letzterer  doch  nur  sehr 
selten  mit  weissem  Barte  abgebildet  wird  (Overbeck,  EimstmjthoL  U, 
p.  29).  Wenn  endlich  Nereus  als  stattlicher  kräftiger  Mann  uns 
entgegentritt,  so  stimmt  das  sehr  wohl  mit  dem  würdevollen  schönen 
Stil  des  Vasenbildes.  Eine  Anwesenheit  des  Zeus  ist  also  bis  jetzt 
nicht  erwiesen. 

Was  bedeutet  die  Anwesenheit  des  Hermes  in  Nro,  45 

und  24? 

Auch  müsste  es  uns  befremden,  den  Zeus  zwischen  den  Nereiden 
zu  finden.  Schlie  freilich  weiss  ihm  eine  Stelle  im  Mythus  zu  geben. 
Auf  Seite  44  heisst  es  bei  ihm :  ^Durch  den  plötzlichen  Angriff  in 
die  höchste  Angst  und  Bestürzung  versetzt,  fiiehen  die  Nereiden  in 
grosser  Hast  davon,  um  bei  ihrem  Vater  Nereus  eine  Zuflucht  zu 
finden.  Doch  von  Zeus  abgesandt,  tritt  Heimes  unter  die  erschreck- 
ten Mädchen  und  zum  Nereus  hin,  wohl  weniger  deshalb,  damit  er 
dem  die  Zukunft  wissenden  weisen  Greise  die  Nachricht  von  der 
grossen  Begebenheit  bringe,  als  vielmehr  um  durch  seine  Gegen- 
wart den  Willen  des  Zeus  und  des  Schicksals  zu  veranschaulichen, 
sowie  eine  beruhigende  und  versöhnende  Wirkung  auszuüben'. 


')  Zwischen  der  Gruppe  des  Nereus,  der  Doris  und  der  Nereide  auf 
diesem  Vasenbilde  und  derselben  Gruppe  bei  Gerhard  AV.  III,  182 
(»  Nro.  2)  besteht  eine  solch  auffallende  AehnUchkeit,  dass,  wenn  nicht 
Fälschung  oder  weitgehende  Ergänzung  vorliegt,  einer  der  interessantesten 
Vergleiche  gemacht  werden  kium. 


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Yerh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  6ed.  d.  ep.  Eyklos.  585 

Geben  wir  znnSebst  zu,  dass  die  Flucbt  der  Nereiden  zu  ihrem 
Vater,  die  viele  Vasenbilder  zeigen ,  im  Epos  vorgebildet  war,  wo- 
her kennt  Schlie  den  Auftrag,  mit  dem  Hermes  unter  die  Nereiden 
als  Bote  des  Zeus  herbeieilt?  Zwei  Vasenbilder  haben  es  ihn  ge- 
lehrt, Nro.  45  und  24  (vgl,  SchHe  p.  41  f.). 

Nro.  45.  Die  Darstellung  schmttckt  in  zwei  HSlften  zerlegt 
die  Anssenseiten  einer  Eylix.  Auf  der  einen  Seite  sehen  wir  den 
Kampf  des  Peleus  und  der  Thetis;  zur  Beohten  und  Linken  eilen 
je  zwei  Nereiden  davon.  Die  andere  Seite  zeigt  uns  in  der  Mitte 
den  Nereus  sitzen;  hinter  ihm  nahen  2  der  flüchtigen  Töchter,  und 
vor  ihm  ist  Hermes  mit  eiligen  Schritten  herbeigeeilt,  um  ihm  irgend 
eine  Botschaft  zu  überbringen;  hinter  diesem  steht  eine  Frau,  die 
bisher  ebenfalls  als  Nereide  gedeutet  ist,  wie  ich  glaube  mit  un- 
recht: ihre  ruhige  Haltung,  ihr  Kopfschmuck  oder  Kranz  im  Haar, 
der  sie  vor  den  übrigen  auszeichnet,  machen  es  mir  zur  Oewissheit, 
dass  wir  in  ihr  die  Mutter  der  Nereiden,  die  Doris,  zu  erkennen 
haben,  die  auch  sonst  (Nro.  2  z.  B.)^)  nachweisbar  ist.  Von  höchster 
Wichtigkeit  soll  die  Anwesenheit  des  Zeusboten,  des  Hermes,  sein. 
Schon  Overbeck  äussert  p,  197,  dass  die  eilige  Botschaft,  die  Hermes 
überbringe,  gewiss  nicht  den  Raub  der  Tochter  zum  Inhalte  habe, 
sondern  Mas  Atöc  ö'  ^tcXeicto  ßouXy|'  direct  nach  dem  Epos.  Allein 
der  Hermes  im  Bilde  erlaubt  uns  nicht,  eine  kleine  hübsche  Geschichte 
zu  erdenken  und  als  deren  Urheber  den  Stasinos  zu  bezeichnen.  Von 
einer  beruhigenden  Wirkung  desselben  ist  nichts  zu  verspüren;  im 
Oegentheil,  eilig  naht  er,  um  als  Bote  den  Raub  der  Thetis  zu  mel- 
den. Darauf  weist  der  eilige  Oang,  darauf  die  ausgestreckte  Bechte: 
er  meldet  Göttern  den  Raub  einer  Göttin.  Ein  poetischer  Anlass 
liegt  unbedingt  nicht  vor. 

In  der  anderen  Vase  Nro.  24^)  ist  Hermes  zugegen.  Er  hat 
den  Peleus  begleitet  und  beschützt  ihn.  Seine  Gegenwart  ist  so 
gewöhnlich,  dass  sie  weiterer  Erklärung  nicht  bedarf. 

Des  Nereus  und  der  Nereiden  Gegenwart. 

Nur  selten  finden  wir  Peleus  und  Thetis  allein;  meist  sind  eine 
oder  mehrere  ihrer  Schwestern  zugegen,  und  oftmals  findet  sich  der 
Vater  Nereus  ein.  Vorhin  geben  wir  hypothetisch  zu,  dass  Peleus 
die  Thetis  aus  der  Schar  der  Schwestern  sich  raubt,  und  dass  diese 
hastig  fliehend  bei  ihrem  Vater  Nereus  Schutz  suchen.  Allein  auch 
diese  Behauptung  bedarf  einer  nSheren  Untersuchung,  bei  der  es 
sich  lohnen  wird,  schwarz-  und  rothfge.  Vasenbilder  scharf  zu  sondern. 

In  sfgn.  Vasenbüdem,  die  mit  Sicherheit  auf  Peleus  und  Thetis 
zu  beziehen  sind,    findet   sich  die  Mittelgruppe  allein  dargestellt 


^)  Vgl-  .iedoch  die  vorige  Anmerkung.    *)  Schlie  verwechselt  p.  42 
diese  Vase  (Manchen  638)  mit  Nro.  37. 


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586  H.  Luckenbach: 

Nro.  6.  7.  8.^)  Eine  Nereide  ist  zugegen  Nro.  16.  23.  Nei^l 
RC,  207.');  drei  Nereiden  Heydemann,  Griech.  Yas.  VI^  3.  Varva- 
keion  584;  vier  Nereiden  Nro.  24.  CoUignon  329.  In  den  ttbrigen 
Bildern  sind  zwei  Nereiden:  Nro.  9 — 14  München  133. 486.  Hejde- 
mann,  Griech.  Vas.  VI,  2.  BuU.  1859  p.  133  (bisy)  VerhÜtmsa- 
mässig  ist  die  Zahl  in  den  archaischen  Bildern  also  sehr  klein:  nur 
in  je  zwei  Bildern  waren  drei  und  yier  Nereiden  zngegen.  Zur  Vor- 
sicht bei  einem  Schlüsse  aufs  Epos  muss  daran  erinnert  werden, 
dass  nur  zu  gern  interessirte  Personen  beigefügt  werdai,  und  des- 
halb  erlaubt  ihre  Anwesenheit  auf  Vasen  allein  nicht  auch  auf  ihre 
Anwesenheit  im  Epos  zu  schliessen.  Wie  aber  stehts  mit  Nereus? 
Nur  dreimal  ist  derselbe  in  älteren  Bildern  zugegen.  Collignon  328 
steht  links  von  der  Mittelgruppe  Cheiron,  rechts  sitzt  Nereus  auf 
einem  Sessel.  Nro.  14  umgeben  die  Ringenden  zwei  Nereiden  mit 
den  Geberden  des  Erstaunens;  hinter  einer  steht  Nereus  mit  weissem 
Haupt-  und  Barthaar,  in  der  Linken  einen  Stab,  die  Bechte  ausge- 
streckt. In  beiden  Vasenbildem  ist  also  von  einer  Flucht  der  Töchter 
zu  ihrem  Vater  keine  Bede;  im  ersteren  war  gar  keine  Nereide 
(ausser  Thetis),  wohl  aber  Nereus  vorhanden.  Das  dritte  Bild, 
welches  hier  in  Betracht  kommt,  ist  auf  der  Neapler  Vase.iSC  207. 
Die  Mitte  der  Darstellung  nimmt  ein  Altar  und  ein  Palmbaum  ein; 
rechts  kämpft  Peleus  mit  der  Thetis;  links  spricht  eine  Jungfirau 
mit  einem  Manne,  wahrscheinlich  doch  wohl  eine  Nereide,  die  ihrem 
Vater  das  Unheil  der  Schwester  meldet.^)  Auch  hier  dürfen  wir 
von  einer  Flucht  gar  nicht  sprechen:  dazu  ist  die  Haltung  viel  zu 
ruhig.  Die  sfgn.  Vasenbilder  sind  also  die  Behauptung  Schlies  zu 
stützen  nidit  sehr  geeignet  Dass  aber  Vasenmaler  den  Nereus  und 
seine  Töchter,  ohne  durch  die  Poesie  beinflusst  zu  sein,  hinzufügen 
konnten,  ist  nach  den  zahlreichen  Analogien  klar:  hier  sei  nur  er- 
wähnt, dass  in  einigen  Büdem  Thetis  dem  Achilleus  im  Gegensatz 
zur  Ilias  in  Begleitung  ihrer  Schwestern  oder  auch  des  Vaters  die 
Waffen  überbringt*) 

Häufiger  finden  wir  den  Nereus  mit  seinen  Töchtern  oder  die 
Flucht  derselben  zu  ihm  auf  den  späteren  Vasen:  Nro.  30 — 36. 
42.  44.  45.  Jownal  ofphüology  1877  Taf.  A.  In  letzterem  Vasen- 
bilde sowie  Nro.  36  ist  ausserdem  noch  Triton  zugegen.  München 
369  fliehen  die  Nereiden  zu  Poseidon  und  Amphitrite«  Woher  diese 
Erweiterung  in  rothfigurigen  Vasen?  Holten  sie  neue  Züge  des 
Epos  herbei,  die  von  den  älteren  vernachlässigt  waren?  oder  folgten 
sie  wohl  gar  einer  anderen  Quelle,  etwa  einem  Drama?  Ich  hoffe, 
dass  hier  die  Vergleichung  anderer  Vasen  weiter  führt.    Sobald  die 


')  Ausserdem  in  den  Bildern  unsicherer  Deutung,  Petersburg  42. 
Neapel  BC.  206.  —  *)  Ausserdem  Nro.  21.  Neapel  2449.  Arch,  Anm. 
1866,  p.  274*,  16.  -  »)  Ausserdem  Nro.  16—20.  22.  Petersburg  116. 
Neapel  2636.  2738.  —  *)  Von  Heydemann  bezweifelt.  —  *)  Vgl.  Heydemaiin, 
Nereiden  p.  8. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  z,  d.   Ged.  d.  ep.  Kyklos.  587 

neue  Technik  auftaucht,  finden  sich  die  Liebesverfolgungen  mifc  be- 
sonderer Vorliebe  behandelt  ^Bei  ausführlichen  Darstellungen  sind 
noch  andere  Mädchen  zugegen,  Schwestem  oder  Gespielinnen  der  Ent- 
führten, welche  ihre  Bestürzung  und  Verwunderung  ausdrücken  und 
zu  einem  Greis  flüchten,  dem  Vater,  ihm  die  Botschaft  zu  überbringen' 
(Jahn,  Münchener  Vasen  p.  CCI). 

So  ist,  um  einige  Beispiele  anzuführen,  beim  Raube  der  Orei- 
thyia^)  nicht  selten  eine  Gespielin  zugegen,  die  erschreckt  davon- 
eilt; aber  auch  höher  hinauf  steigt  die  Zahl,  sogar  bis  auf  neun.^) 
Am  interessantesten  für  uns  ist  München  376:  vier  Gespielinnen 
sind  zugegen,  Pandrosos,  Herse,  Aglauros  und  eine  vierte  unbenannte. 
Letztere  flieht  zu  Eekrops  hin;  Aglauros  berührt  den  Bart  des 
Erechthens.  Wie  hier  ist  oftmals  Eekrops  zugegen.')  Nim  hören 
wir  allerdings  von  Piaton  p.  228  B  und  anderswo,  dass  Oreithyia 
ausgegangen  war,  um  mit  ihren  Gefährtinnen  zu  spielen:  von 
einer  Botschaft  an  Eekrops  und  Erechtheus  oder  von  ihrer  Gegen- 
wart beim  Baube  habe  ich  keine  schriftliche  Tradition  auffinden 
können. 

Auch  die  Leukippiden  werden  aus  der  Mitte  ihrer  Freundinnen 
geholt.  Auf  der  Meidiasvase^)  spielten  sie  auf  dem  Anger  und 
suchten  Blumen.  In  einer  anderen  Vase^)  eilt,  während  die 
Dioskuren  bereits  mit  ihrer  Beute  hinwegfahren,  vor  einem  der 
Viergespanne  eine  Gespielin  eilig  davon,  den  Blick  angstvoll 
zurückgewandt,  die  Hände  ausgestreckt  gegen  Leukippos,  den 
Vater  der  Geraubten,  der  vor  ihr  auf  einem  Felsen  sich  nieder- 
gelassen hat.' 

Apollo  raubt  sich  die  Geliebte,  während  sie  mit  ihren  Freun- 
dinnen Blumen  sammelte  mon.  IX,  28.  Der  Vater  der  Geraubten 
ist  femer  zugegen  beim  Baube  einer  Geliebten  durch  Theseus  Er. 
M.  754  abgeb.  Gerhard  AV.  UI,  163;  beim  Baube  der  Amphitrite 
durch  Poseidon  Heydemann,  Gr.  Vas.  I,  2;  beim  Baube  der  Aigina 
durch  Zeus  Mtis.  Greg,  11,  20,  1  =  Braun,  aöit.  Marmorw.  I,  6. 

Ja  sogar  bei  der  Entführung  der  Helena  durch  Paris  (Overb. 
Xni,  3  p.  272,  14)  ist  ihre  Schwester  Timandra,  eine  Gespielin 
Euopis,  sowie  Ikarios  ihr  Oheim  und  Tyndareus  ihr  Vater,  denen 
Euopis  die  Botschaft  zuträgt,  anwesend.  Zu  betonen  ist^  dass  diese 
Vase  dem  strengen  rfgn.  Stile  angehört;  das  Alphabet  ist  das 
attische. 

Die  Zahl  dieser  Analogieen  liesse  sich  wohl  noch  bedeutend  er- 
höhen; allein  das  Angeführte  wird  genügen,  um  die  weitverbreitete 
Art  der  Darstellung,  der  Flucht  der  GespieÜnnen  und  der  Botschaft 


*)  Vgl.  annal.  1870,  p.  226—227.  —  »)  Neapel  3362,  abgeb.  buU.  Nap. 
N.  S,  V,  2.  —  »)  Heydemann,  Gr.  Vae.  1,1.  Cot,  Durand  213.  München 
748;  in  leteterer  Vase  neben  Kekrops  auch  Erechtheus.  —  *)  Er.  M.  1264, 
abgeb.  s.  B.  Conze,  Vorlegebl.  IV,  1.  2.  —  'O  Abgeb.  z.  B.  Arch.  Zeit. 
1862,  Taf.  41. 


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588  H.  Laekenbacfa: 

an  den  Vater,  Grossvater  oder  auch  Oheim  zu  zeigen.  Hier  hilft  es 
nicht  etwa  zu  sagen,  dass  jene  Darstellungen  durch  den  Bauh  der 
Thetis  hervorgerufen  seien.  In  sfgn.  Vasen  findet  sich  eben  dieser 
Zug  bei  Peleus  und  Thetis  nicht;  in  rfgn.  sehen  wir  ihn  ebenso  früh 
bei  anderen  Mythen.  Diese  weite  Ausdehnung  der  Sage  in  Bild- 
werken ist  auf  Bechnung  der  attischen  Maler  zu  setzen  oder  doch 
wenigstens  die  Flucht  zum  Vater  Nereus.  Denn  dass  Thetis  ans  der 
Mitte  der  Schwestern  geraubt  wurde,  konnte  sehr  wohl  im  Epos 
sein,  wie  ja  dasselbe  yon  der  Oreithjia  erzfthlt  wurde.  Nur  eine 
Beobachtung  kann  ich  nicht  zurückhalten.  Was  thaten  die  Nereiden^ 
als  Peleus  unter  sie  sprang?  Wenn  im  Epos  die  weitlänflige  Schil- 
derung war,  'so  war  doch  auch  wohl  das  Spiel  der  Nereiden  er- 
wfthnt.  Nun  ist  es  aber  auffällig,  dass  h^hstens  in  zwei  Vasen  ^) 
uns  ihr  Spiel  vor  Augen  geführt  wird:  Orerb.  Nro.  36  und  Overb. 
XXXI,  2,  von  denen  die  letzte  vielleicht  nur  ganz  allgemein  den 
Baub*  einer  Jungfrau  und  nicht  den  der  Thetis  darstellt.  Overb.  36 
finden  wir  sie  beim  Blumensammeln  überrascht;  in  der  anderen 
Vase  läuft  ein  Mftdchen  mit  tVüchten  im  Oewande  auf  den  Vater 
zu.  Wie  kommt  es,  dass  nur  in  diesen  wenigen  Bildern  das  Sammeln 
von  Blumen  oder  Früchten  ausgedrückt  ist?  vielleicht  deshalb,  weil 
keine  schriftliche  Tradition  vorlag.  Jedenfalls  ergibt  sich  als  End- 
resultat, dass  aus  den  Vasenbildem  kein  sicherer  Schluss  auf  die 
(Gegenwart  der  Nereiden  gezogen  werden  darf;  womit  keineswegs 
ausgeschlossen  bleibt,  dass  nicht  im  Epos  dieser  Zug  dennoch  war. 
Dass  den  Nereiden  in  manchen  Vasen  Namen  beigeschrieben  sind, 
kann  natürlich  nichts  fürs  Epos  beweisen.  Aus  dem  Schatze  von 
Nereidennamen  wählte  der  Künstler  solche  aus,  die  ihm  einfielen, 
oder  gab  ihnen  auch  solche,  die  uns  nicht  in  den  Nereidenkatalogen 
überliefert  worden.  Nach  Schlie  freilich  (p.  88  unten)  hätte  Stasinos 
bei  der  Flucht  der  Nereiden  den  Katalog  des  Homer  C  35  ff.  ausge- 
nützt. Nur  schade,  dass  mehrere  Namen  sich  nicht  im  Homer ,  da- 
gegen auf  Vasen  und  im  Hesiod  befinden.') 

Nur  noch  die  späte  Vase,  Conze,  Vorlegebl.  II,  6,  2,  in  der 
Peleus  die  Thetis  im  Bade  überfällt,  muss  erwähnt  werden.  Schöpfte 
der  Künstler  diesen  Zug  aus  einer  poetischen  Quelle  oder  hat  er  ihn 
selbst  erfunden?  Unbedenklich  wird  man  sich  für  die  letzte  An- 
nahme entscheiden:  es  stimmt  zu  gut  zu  der  späteren  Art  der 
Malerei,  als  dass  man  an  eine  besondere  Quelle  denken  müsste,  die 
ja  auch  schon  durch  die  aufgestellten  Principien  verboten  wird. 


')  Arch.  Zeit.  1870,  p.  82  f  wird  eine  Vage  erwähnt,  in  der  Nereiden 
um  ein  Götterbild  einen  Reigen  aufgeführt  hätten.  Von  den  zwei  Vier- 
gespannen BoU  eins  dem  Peleus,  das  andere  dem  Nereus  angehören. 
Viel  besser  passt  die  Deutung  auf  den  Raub  der  Lenkippiden:  vor  allem 
findet  das  Götterbild  seine  Erklärung.  Die  zwei  Gespanne  gehören  dann 
dem  Eastor  und  Polydeukes.  —  *)  So  '€paTU)  Nro.  31.  Vafiden  Nro.  38. 
44.    Kumd  und  raX/|vn,  Journal  of  phil  1877,  Taf.  A. 


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Verb.  d.  gr.  Yasenbilder  2.  d.  Ged.  d.  ep.  Ejklos.  589 

Die  Hochzeit  des  Polens  und  der  Thetis. 

Zwei  Darstellungen  verdienen  unsere  Aufmerksamkeit  in  vollem 
Grade.  Die  erste  stellt  uns  den  Empfang  des  Brautpaares  von  Seiten 
des  Cheiron,  die  zweite  den  Hochzeitszug  der  Götter  dar. 

I.   Overb.  197,  46.  VÜI,  6.    Schüe  p.  23.  rfg. 

PeleuB  hat  die  Göttin  besiegt;  ^als  Bchüchteme  Braut»  mit  ver- 
schämtem Blick,  folgt  sie  dem  jugendlichen  Bräutigam'  (Overbeck) 
zur  Wohnung  des  Kentauren  Cheiron,  der  sie,  noch  halb  in  seiner 
Höhle  stehend,  mit  wohlwollender  Miene  und  Handbewegung  ein- 
ladet. Wir  wissen,  dass  in  den  Kjprien  die  Hochzeit  auf  dem 
Pelion  gefeiert  wurde  ^);  und  nach  anderen  schriftlichen  Quellen, 
unter  denen  Pindar  den  wichtigsten  Bang  einnimmt,  fand  das  erste 
Beilager  daselbst  in  der  Höhle  Cheirons  statt.  ^)  Treffend  schliesst 
sich  dieses  Yasenbild  an  diese  Ueberlieferung  an.  Die  Situation 
wird  nahezu  vom  Epos  gefordert.  Damit  ist  aber  noch  nicht  Schlies 
Annahme  gerechtfertigt,  dass  Peleus  auch  im  Epos  die  Thetis  in  die 
Wohnung  des  Kentauren  führt,  und  dass  dieser  sie  in  der  herz- 
gewinnendsten Weise  willkommen  heisst.  Die  Kenntniss,  dass  Peleus 
und  Thetis  in  der  Höhle  des  Cheiron  ihr  Beilager  hielten,  konnte 
dem  Maler  zu  seiner  Darstellung  genügenden  Anhalt  geben.  Wie 
.  wenig  man  berechtigt  ist,  ein  Vasenbild  in  Worte  zu  übersetzen  und 
diese  dem  epischen  Dichter  zuzuschreiben,  haben  bereits  mehrere 
Beispiele  im  ersten  Theile  gezeigt. 

n.  Hochzeitszug  der  Götter  auf  der  Fran9oisvase.  Overb.  198, 
47.  rX,  1.  Weizsäcker,  Ehein.  Mus.  1877,  p.  31—49.  Abgeb.  zuletzt 
Conze,  VorlegebL  H,  1. 

In  den  Excerpten  des  Proklos  heisst  es:  TrapaT€VO)L(^VTi  bk 
''epic  €ÖlJüxou^^vu)v  Twv  GeOüV  dv  toic  nnXdujc  TAfioic  V€ikoc  irepi 
KöiXXouc  dviCTTiciv  'AGiiv^  ''Hpqt  xal  'Aq)pobiTi).  Ergänzend  über- 
liefert der  Schol.  zu  Homer  TT,  140  als  Inhalt  der  Kyprien  Kard 
TÄp  TÖv  TTTiXdwc  Kui  Gdxiboc  f&^ov  oi  8€o\  cuvaxOdvrec  elc  xd 
TTtjXiov  in*  eöuixiqi  dKÖjLiiJov  TTii|X€i  biipa.  Auf  dem  Pelion 
also  findet  die  Hochzeit  statt^),  imd  die  Götter  würdigen  den  sterb- 
lichen Mann,  sich  von  ihm  bewirthen  zu  lassen.  Aber  sie  nahen 
nicht  ohne  Geschenke;  reich  sind  die  Gaben,  die  sie  bringen,  und 
schon  Homer  weiss  davon  zu  ei-zählen. 

Indem  wir  das  Yasenbild  als  vollständig  bekannt  voraussetzen, 
bleibt  uns  nur  zu  bestimmen,  wie  weit  der  MsJer  den  Kyprien  folgte, 
und  ob  wir  etwa  neue  Resultate  aus  dem  Vasenbilde  gewinnen.  Bei 
einem  Vergleiche  des  Bildes  mit  dem  Epos  fällt  sofort  auf,  dass  das 
Gabenbrin^en  hier  durchaus  zurücktritt;  es  ist  auf  Wild  und  Wein 

')  Schol.  Homer  TT,  140.  Kinkel,  frMtn,  epic,  p.  22,  2.  —  «)  Pind.  I. 
7,  41.  Schol.  Pind.  P.  8,  90.  N.  3,  66.  Eurip.  Iph,  Äul  704f.  —  »)  Vgl 
Weissäcker  p.  36—38.  Dazu  die  die  hübsche  Schilderang  des  Enripides 
Iph.  Aul.  1040  if. 


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590  H.  Lackenbach: 

beschränkt,  worin  man  aber  fast  ebenso  gat  Attribute  des  Cheiron 
und  des  Dionysos  erkennen  könnte  als  Hochzeitsgeschenke.  Weiter- 
hin fehlt  jegliche  Andeutung  der  Eris,  durch  die  ja  gerade  die 
Hochzeit  des  Peleus  so  verhängnissToU  werden  sollte.  Ob  endlich 
der  Zug  der  Götter,  das  Nahen  derselben  im  Epos  grade  von  Ein- 
zelnen erläutert  wurde,  ist  nicht  zu  bestimmen.  Wir  wissen,  dass 
der  Künstler  sich  einen  Moment  wählt,  der  ihm  passend  scheint, 
und  nicht  wie  er  wörtlich  im  Epos  vorgezeichnet  war.  Die  alte 
Kunst  liebte  die  Processionen,  und  eben  der  Zug  der  Götter  ist  hier 
wie  im  Parisurtheil  auf  älteren  Vasen  dargestellt. 

Die  Hochzeit  wird  in  den  Kyprien  auf  dem  Pelion  gefeiert, 
wahrscheinlich  in  der  Höhle  des  Kentauren  Cheiron.  Hier  sitzt 
Thetis  in  einem  Hause;  man  hat  dasselbe  Thetideion  genannt  und 
sich  darauf  berufen,  dass  sich  dieses  im  Enipeusthale  bei  Pharsalos 
befand^),  dagegen  nicht  auf  dem  Pelion.  Deshalb  hat  Stephani 
CB,  1861,  p.  92  zuerst  die  Darstellung  auf  die  dvaKaXuimripia  ge- 
deutet, ein  Fest,  weiches  in  Attika  am  dritten  Tage  nach  der  Hoch- 
zeit stattfand.  Peleus  und  Thetis  sollen  den  Pelion  verlassen  haben 
und  in  die  Ebene  hinabgezogen  sein.  Wären  wirklich  die  dvaKaXu- 
TnVjpia  dargestellt,  hätten  wir  dann  das  Recht,  wie  Schlie  es  thut, 
ohne  weiteres  auch  im  Epos  dasselbe  Fest  zu  suchen?  Wie  mir 
scheint,  würde  die  Frage  eine  offene  sein,  ob  nicht  der  Künstler  eine 
Sitte  seiner  Zeit  auf  Peleus  und  Thetis  übertragen  hätte.  Aber 
glücklicher  Weise  sind  wir  dieser  Frage  enthoben,  da  nicht  die  Ana- 
kalypterien  dargestellt  sind.  Ich  verweise  hierfür  auf  Weizsäcker 
a.  0.  p.  36 — 38.  Nur  eins  bedarf  einer  Berichtigung.  Weizsäcker 
sagt  p.  38:  ^in  unserem  Bilde  ist  einfach  beides  zusammengerückt 
und  die  Hochzeit  an  das  Thetideion  oder  dieses  auf  den  Pelion  ver- 
legt, wenn  nicht  am  Ende  auch  dort  eines  angenommen  werden  darf, 
das  ja  am  Pelion  in  der  Nähe  des  Meeres  ganz  gut  seine  Stelle 
hätte.'  Aber  wer  sagt  uns  denn,  dass  der  Künstler  auch  nur  ans 
Thetideion  gedacht  hat?  Er  wollte  den  Besuch  der  Götter  bei  der 
Thetis  darstellen:  was  war  abef  natürlicher,  als  dass  er  diese  in 
einem  Hause  oder  Tempel  darstellte,  der  eigentlich  allein  für  sie 
passend  war?  Ob  er  überhaupt  mit  der  bei  Euripides  aufbewahr- 
ten Sage  vertraut  war,  das  wird  schwer  zu  sagen  sein,  kann  tms 
aber  auch  vollständig  gleichgültig  sein. 

In  der  Anordnung  des  Zuges  zeigt  sich  eine  wohlüberlegte 
Folge:  vielleicht  werden  wir  hier  Keminiscenzen  des  Epos  finden. 
Wir  wenden  uns  zunächst  zu  den  Gottheiten,  die  sich  auf  den  Ge- 
spannen befinden.  Sieben  Paare  sind  es,  während  uns  die  Zusammen- 
stellung von  zwölf  Göttern  geläufiger  ist.^)    Der  Maler  hat  Okeafios 


»)  Enrip.  Ändr.  16—20.  Ilias  I,  263.  Vgl.  auch  Polyb.  XVDI,  20, 6. 
Liv.  XXXIII,  6,  11.  Strabo  IX,  5,  6.  —  >)  Vgl.  übrigens  Lahrs,  populäre 
Abhandlungen,  zweite  Aufl.,  p.  236  ff. 


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Yerh.  d.  gr.  Yasenbüder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  591 

und  Thetis  hinzugefügt,  die  nie  zu  der  sp&ter  festbegrenzten  Gruppe 
der  Zwölfgötter  gehörten.  Aber  auch  in  den  übrigen  zwölf  Gott- 
heiten bieten  sich  einige  Abweichungen  dar.  Vergleichen  wir  unsere 
Vase  mit  der  Aufzählung  des  Scholiasten  zu  Apoll.  Bhod.  II,  532 
und  der  Borghesischen  Ara^),  die  in  Bezug  auf  Zahl  und  Namen 
der  Götter  mit  dem  Scholiasten  stimmt,  so  vermissen  wir  zunächst 
Demeter,  Hephaistos  und  Hestia:  allein  diese  drei  haben  ihre 
besondere  Stelle  erhalten.  Hestia  und  Demeter  sind  mit  gutem 
Bedacht  als  Göttinnen  der  Ehe  und  des  Hauses  an  die  Spitze 
gestellt;  den  lahmen  Hephaistos  aber  auf  dem  Esel  reitend  dar- 
zustellen konnte  sich  der  Maler  nicht  versagen,  besonders  da  er 
eine  andere  Göttin,  die  Nike,  nur  an  seiner  Stelle  unterbringen 
konnte.  An  Stelle  der  Demeter  ergab  sich  als  Begleiterin  des 
Poseidon  die  Amphitrite.  Statt  der  Hestia  sehen  wir  neben  Hermes 
dessen  Mutter  Maia. 

Wichtig  für  uns  ist  die  Verbindung  von  Ares  und  Aphrodite, 
die  nach  Homer  nicht  rechtmässige  Ehegatten  sind,  während  diese 
Zusajnmenstellung  dem  Atüker  von  jeher  geläufig  war  und  durch 
attischen  Einfluss  später  allgemeine  Anerkennung  fand.  Den  Hephaistos 
dagegen,  der  bei  Homer  Gemahl  der  Aphrodite  ist,  hätte  der  Maler 
nach  attischer  Sage  zur  Athena  stellen  müssen.  Allein  dieser  ge- 
sellte er,  wiederum  specifisch  attischer  Tradition  folgend,  die  Nike 
zu;  und  darum  musste  jener  seinen  Esel  besteigen,  wodurch  zugleich 
das  Bild  einen  passenden  Abschluss  erlangte.^)  Denn  Nike  muss 
die  Begleiterin  der  Athena  sein  und  nicht  Themis,  an  die  Schlie 
p.  25  gedacht  hat.  Dass  Nike  ganz  gewiss  nicht  im  Epos  erschien, 
ist  ohne  Zweifel,  aber  gewiss  kein  Grund  für  den  Maler,  sie  nicht 
darzustellen.  Wie  Themis  dagegen  hier  zur  Athena  beigefügt  sein 
soll,  ist  schwer  einzusehen,  wogegen  Nike  für  den  Attiker  fast  mit 
der  Athena  verschmolzen  wai*. 

üeber  die  Neunzahl  und  die  Reihenfolge  der  Musen  war  schon 
oben  die  Bede.  Wir  haben  uns  dahin  entschieden,  dass  ein  Einfluss 
des  Hesiod  hier  vorliege. 

Denken  wir  nun  an  die  Leichenspiele  des  Patroklos  auf  der- 
selben Vase,  erwägen  wir  die  nachweislichen  Abweichungen  vom 
Epos  sowie  die  sicheren  Atticismen  unseres  Bildes,  so  wird  es  zur 
Gewissheit,  dass  der  Maler  auch  den  Zug  der  Götter  frei  gemalt 
hat,  ohne  Anlehnung  an  die  Worte  des  Epos.  Die  Vase  kann  uns 
demnach  auch  nichts  neues  lehren  in  Bezug  auf  das  Epos;  sie  be- 
stätigt nur,  was  wir  auch  vorher  wussten,  dass  nämlich  die  Götter 
der  Hochzeit  des  Peleus  mit  der  Thetis  beiwohnten. 


^)  Vgl.  übrigens  Chr.  Petersen,  Zwöl^öttersyatem  II,  p.  22.  Jahn 
Sachs.  Ber.  1868,  p.  199.  —  *)  Die  AnfFaesung  Weissäckers,  p.  44,  dass 
Hephaistos  zur  Zeit  des  Festsuffes  ans  dem  Olymp  Verstössen  und  als 
Gast  des  Okeanos  erscheine,  bedarf  keiner  Widerlegung. 


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592  H.  Luokenbftch: 


ParisurtheiL 


Welcher,  alte  Denkm.  V,  p.  366—432. 

Overbeck,  p.  207—255. 

Die  uns  so  gelftufige  Darstellung  vom  Schönheitsapfel,  den  Cris 
bei  der  Hochzeit  des  Peleus  unter  die  Göttinnen  warf  und  den  Paris 
der  Aphrodite  zusprach,  ist  in  Yasenbildem  nicht  enthalten.     Nur 
eines,  welches  allerdings  aus  später  Zeit  stammt,  könnte  eine  Aus- 
nahme zu  machen  scheinen,  Neapel  SA.  560.   Welcker  p.  413,   67: 
Paris  hat  die  Linke  auf  den  Bücken  gelegt  und  h&lt  in  derselben 
einen  Gegenstand.     Hejdemann  zweifelt,  ob  wir  einen  Ball  oder 
vielleicht  den  Apfel  darin  zu  erkennen  haben;  allein  angesichts  aller 
anderen  Vasenbilder  müssen  wir  davon  abstehen,  an  den  Schönheits- 
apfel zu  denken.^)    Hätte  das  Epos  ihn  gekannt,  er  würde  nicht  in 
allen  Vassenbildem  fehlen;  ja  wir  dürfen  sagen,  er  würde  wenn 
nicht  in  allen,  so  doch  in  den  meisten  dargestellt  sein;  umgekehrt 
beweist  sein  Fehlen,  dass  Stasinos  die  Sage  nicht  kannte.    Die  Ver- 
muthung  Welckers  (p.  380),  dass  der  berühmte  Apfel  späterer  Zu- 
satz ist,  darf  zur  definitiven  Gewissheit  werden,  da  ja  auch  in  den 
Yasenbildem,  die  deutlich  den  Stempel  des  Epos  tragen  (vgL  p.  532  f.), 
gerade  das,  was  für  die  spätere  Erzählung  durchaus  charakteristisch 
und  unentbehrlich  ist,  fehlen  würde. 

Dasselbe  lehrt  die  schriftliche  üeberlieferung.  Proklos  sagt, 
dass  Eris  den  Streit  erregte,  vom  Schönheitsapfel  schweigt  er;  es 
heisst  weiter  TrpoKpivei  xfjv  *Aq)pobiTTiv,  nicht  etwa  er  sprach  ihr  den 
Schönheitsapfel  zu.  Euripides,  der  so  oft  des  Schönheitsgerichtes 
Erwähnung  thut,  kennt  den  Apfel  ebensowenig  wie  Isokrates'),  und 
erst  spät  sind  die  Zeugnisse,  die  desselben  Erwähnung  thun.^  Ich 
vermuthe,  dass  die  Erfindung  der  alexandrinischen  Zeit  angehört: 
ist  dieses  richtig,  so  haben  wir  wiederum  einen  deutlichen  Beweis, 
dass  die  Poesie  der  Alexandriner  auf  die  spätere  Vasenmalerei  nicht 
eingewirkt  hat. 

In  den  älteren  Vasen  ist  meist  der  Zug  der  Göttinnen  nach 
dem  Ida  unter  Leitung  des  Hermes  dargestellt.  Welcker  (ep.  GycL 
II,  p.  88)  will  daraus  schliessen^  dass  die  Poesie  gleich  diesem  ersten 
Theile  einen  gewissen  Charakter  oder  Glanz  gegeben  hätte.  Dieser 
Schluss    aus  den  Vasenbildem  ist  falsch;   da  der  Maler  bezüglich 


')  Sollte  vielleicht  Interpolation  vorliegen?  jedenfEtUs  ist  eine  gründ- 
liche Untersuchung  der  Vase  erwünscht.  Wenn  Welcker  p.  80  äussert, 
nur  in  einem  Yasenbilde  scheine  Aphrodite  den  Apfel  empfangen  m 
haben,  so  ist  dies  irrihümlich,  da  das  betreifende  Yasenbild  (Overb.  66. 
^9  6)  gar  nicht  das  Parisurtheil  darstellt  Vgl.  Bronn,  troische  Mü- 
cellen,  p.  46ff.  —  ')  Eoripid.  Andrem.  274ff.  Tro,  918ff.  Iph.  Aul 
1284ff.  Hei  26 ff.,  676 ff.  Isokrates  Eneom.  Hei  %  41.  42.  —  "}  Die 
Aufsählung  der  Stellen  bei  Fränkel,  Arch.  Zeit.  1873,  p.  37 f.  Daiu  noch 
Lucian  diäl.  deor.  20,  Iff. 


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Yerh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kjklos.  593 

des  Momentes  sich  an  die  Dichtung  nicht  anzuschliessen  pflegt 
(vgl.  p.  Ö90), 

In  sieben  archaischen  Yasenbildem^)  will  sich  Paris  erschrocken 
ob  der  nie  gesehenen  Pracht  der  Oöttinnen  davonmachen.  Aber 
Hermes  hftlt  ihn  zurück  nnd  weiss  ihn  zu  beschwichtigen  durch  die 
Mittheüung,  dass  er  hier  nach  dem  Willen  des  Zeus  zu  richten  habe. 
Welcker  (ep.  Gycl.  II,  p.  90)  ist  geneigt,  den  Fluchtversuch  in  den 
Ejprien  zu  suchen.  Allein  abgesehen  davon,  dass  nur  in  archaischen 
Bildwerken  dieser  Zug  uns  begegnet,  sind  wir  nicht  berechtigt^  ihn 
in  den  Eyprien  vorauszusetzen,  da  der  Maler  sich  wahrscheinlich  da- 
durch haJf,  um  die  Bestürzung  des  Paris  auszudrücken. 

Proklos  berichtet,  dass  Paris  der  Aphrodite  den  Preis  der  Schön- 
heit zuerkannt  habe,  bewogen  durch  die  in  Aussicht  gestellte  Ver- 
bindung mit  der  Helena,  Demgemäss  werden  auch  die  übrigen  Oott- 
heiten  ihre  Versprechungen  gemacht  haben.  Ein  Vasenbild,  Overb. 
57.  X,  3,  macht  dies  unzweifelhaft,  da  Vasenmaler  dergleichen  nie 
zu  erdichten  pflegen:  Aphrodite  bietet  ihm  Liebe,  Athena  Sieg  und 
Eriegsruhm,  Hera  aber  Macht  und  Herrschaft.  Die  schriftlichen 
Zeugnisse  stehen  zur  Seite  und  heben  jedes  Bedenken  auf,  da  Euri- 
pides  und  Isokrates  ungeflUir  gleiches  berichten,  also  auch  wohl  aus 
derselben  Quelle  schöpfen,  d.  h.  den  Eyprien.^) 

Gestüzt  auf  die  vorhin,  schon  erwähnte  Stelle  des  Isokrates') 
hat  Welcker  dann  weiter  vermuthet,  dass  Paris  auch  im  Epos  ge- 
blendet durch  den  Glanz  der  göttlichen  Erscheinungen  über  die  Ge- 
stalten nicht  zu  richten  vermochte,  sondern  dass  er  nach  den  von 
den  Göttinnen  ihm  versprochenen  Geschenken  entschied.  Diese  An- 
nahme hat  auch  für  mich  hohe  Wahrscheinlichkeit;  die  Vasenbilder 
können  sie  weder  bestätigen  noch  auch  widerlegen.  Wenn  aber 
Welcker  dann  aus  einem  Vasenbilde  (Overb.  64.  X,  1),  in  dem  Paris 
das  Gewand  vor  Augen  hält,  schliessen  will,  dass  Paris  die  Beden 
der  Göttinnen  mit  verhülltem  Antlitze  angehört  habe,  so  muss 
dagegen  eingewendet  werden,  dass  der  Dichter  die  Bestürzung  des 

>)  Overb.  86—41.  Arch.  Anz.  1863,  p.  802.  —  *)  Isokr.  Encam. 
Hd,  §  41.  42:  öiöoOoic  "Hpac  |li^v  Äirdoic  aÖTCfi  Tf|c  'Adac  ßaaXeOeiv, 
•AO*]väc  hk  KpaT€lv  ky  toic  iroX^fioic,  'AcppoMTric  hi  töv  td|Liov  Tf^c 
•Q^vnc.  —  Euripid.    Tro,  926  flF. 

Kai  TToXXdöoc  }itv  f\y  'AXcSdvöpqi  &6ac 

0puEl  CTpa'niToOve'  'QXdb*  ^Havicrdvai, 

*Hpa  h*  öir^cx€T*  'Acidö'  &)pdjwr\c  6*  öpouc, 

Ki^irpic  bi  TOÖ|Lidv  ctöoc  ^iciraTXoufA^ni 

biiic€tv  (mt^cxct',  €l  BcAc  6tr€p&pd)Lioi 

KdAX€i  (Helena  spricht), 
vgl.  Eurip.  Iph.  Aid.  1804fF.  Die  Erzählung  des  Isokrates  ist  meiner 
Ansicht  nach  direkt  den  Ejprien  entnommen.  —  ')  Es  heisst  daselbst 
weiter:  tööv  ^tv  ciu)LidTUiv  oö  &uvii6€lc  Xaßdv  bidTvuiciv  dXX'  fJTTneclc  Tf^c 
Torv  Ocarv  6i|i€U)c,  Tilrv  hi  ötupcutiv  dvatKacSelc  TCv^cOai  KpiTf|C  ctXcTO  Tf|v 
oiKCtÖTTiTa  Tfjc  *€X^c  dvrl  tuw  dXXuiv  &irdvTUiv.  Vgl.  Arch.  Zeit.  1873, 
p.  37.  88. 


Jahrb.  f.  olMi.  PhUol.  Bnppl.  Bd.  XI. 


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594  H.  Lnckenbaoh: 

Paris  mit  beredten  Worten  schildern  konnte,  wSbrend  dem  Maler 
die  ftusserlicbe  Andeutung  n&her  lag.  Wie  er  manchmal  die  Ver- 
wirrung des  Hirten  durch  den  Fluchtversuch  darstellt ,  so  ist  auch 
hier  die  Haltung  des  Paris  ganz  natürlich,  da  er  noch  geblendet  ist 
von  der  ungewohnten  Schönheit  der  Göttinnen,  die  eben  angekommen 
sind;  andererseits  dürfen  wir  annehmen,  dass,  wenn  Stasinos  den 
Paris  verhüllten  Hauptes  auf  die  Göttinnen  hören  Hess,  wir  diesen 
charakteristischen  Zug  oftmals  finden  würden;  wogegen  in  dem  einen 
Bilde  nicht  einmal  von  einer  Verhüllung  die  Rede  sein  kann« 

Paris  in  Griechenland. 

In  sfgn.  Yasenbildem  ist,  soviel  ich  sehe,  dieser  Gegenstand 
nicht  vorgebildet;  die  meisten  gehören  der  unteritalischen  Epoche 
an,  und  gerade  das  Erotische  steht  sehr  im  Vordergründe.  Eine 
Vervollständigung  des  Epos  wird  sich  nicht  aus  ihnen  ergeben;  nur 
auf  einige  Einzelheiten  in  der  Deutung  mehrerer  Bildwerke  soll 
hier  aufmerksam  gemacht  werden. 

Overb.  263,  1.  XII,  9. 
Zwei  jugendliche  Mttnner,  die  eben  von  der  Beise  ankommen, 
werden  von  einem  bärtigen  Manne,  der  das  Soepter  in  der  Hand 
trägt,  in  das  Gemach  gefühii;,  in  dem  Helena  mit  ihrer  Toilette  be- 
schäftigt ist  Eine  Dienerin  hält  ihr  den  Spiegel,  und  Eros  selbst  ist 
ihr  behülflich;  die  Liebe  thut  sofort  ihr  Werk;  gleich  beim  Eintritt 
des  Paris  wendet  Helena  sich  verwirrt  und  erschreckt  um.  Bisher 
erkannte  man  in  dem  Begleiter  des  Paris  den  Aineias,  in  dem  könig- 
lichen Manne  mit  dem  Scepter  den  Menelaos,  der  die  Fremdlinge  in 
sein  Haus  aufiiimmt.  In  den  Eyprien  war  gedichtet,  dass  Aineias 
den  Paris  begleitete,  und  dass  sie  von  Menelaos  in  Sparta  bewirthet 
wurden.  Somit  trifft  die  Bezeichnung  der  Männer  durchaus  zu;  nur 
Stephani^)  behauptet,  die  beiden  Männer  um  Paris  seien  unmöglich 
zu  bestinunen«  Allein  wer  soll  und  kann  denn  der  Mann  mit  dem 
Scepter  anders  sein  als  Menelaos?  Auch  für  den  Gefährten  des 
Paris  liegt  es  doch  nahe,  an  den  Begleiter  desselben  im  Epos,  den 
Aineias,  zu  denken.  Ich  schliesse  mich  daher  unbedenklich  der 
früheren  Deutung  auf  bestimmte  Personen  an.  Eine  ähnliche  Scene 
finden  wir  auf  einer  Schale  des  Brygos.  *)  Auch  hier  führt  Menelaos 
die  beiden  Fremdlinge  in  das  Gemach  der  Helena;  zwei  Dienerinnen 
waren  bei  ihr;  aber  sie  ist  den  Troern  entgegengeeilt,  beim  Anblick 
des  Paris  sofort  in  Feuer  gerathend.  Gewiim  für  das  Epos  können 
uns  die  beiden  Vasen  nicht  bringen;  nur  die  Aufnahme  der  Griechen 
durch  Menelaos  führen  sie  uns  vor  Augen,  und  dies  ist  xms  ja  ftlr 
die  Kyprien  durch  Proklos  verbürgt. 


0  CB,  1861,  p.  117.  —  ")  ÄnncU,  1866,  tav.  XIV  —  Conze,  Vc»legebl. 
Vin,  8;  die  richtige  Deutung  gab  ürlicha,  der  Vaaenmaler  Brygos  p.  4. 


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Yerh.  d.  gr.  Yasenbilder  s.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  595 

Overb:272,  U.Xni,  3. 
Paris  ftlhrt  Helena  mit  sich  fort,  Aineias  ist  bemüht  eine  nach- 
eilende Frau  zurückzudrängen;  diese  führt  den  Namen  Timandra, 
die  uns  als  Schwester  der  Helena  genannt  wird.  ^)  Eine  zweite  weib- 
liche Person,  deren  Namen  Euopis  der  Künstler  ohne  Bezug  auf 
eine  bestimmte  Person  gewählt  hat,  eilt  auf  Ikarios  den  Oheim  und 
Tyndai-eus  den  Vater  der  Helena  zu,  um  ihnen  die  Entführung  der- 
selben mitzutheilen.  Die  mythische  Begebenheit  ist  also  bedeutend 
erweitert;  ich  verweise  hier  auf  das,  was  beim  Baube  der  Thetls 
p.  585fr.  gesagt  worden  ist.  Es  ist  weder  vorauszusetzen,  dass  im 
Epos  Timandra  ihnen  Hindemisse  in  den  Weg  legen  wollte,  noch 
auch,  dass  daselbst  geschildert  war,  wie  die  Botschitft  an  Ikarios  und 
Tyndareus  gelangte.  Jahn,  dem  Overbeck  folgt,  wollte  als  Lokal 
Amjklai  ansehen;  Stephani  meint,  ebensogut  könne  man  annehmen, 
„dass  die  beiden  Verwandten  der  Helena  den  Paris  nach  Lakedaimon 
begleitet  und  während  der  Abwesenheit  des  Menelaos  dort  dessen 
Stelle  als  Wirth  vertreten  hätten".  Der  Vergleich  mit  den  übrigen 
Bildern,  in  welchen  eine  Jungfrau  geraubt  wird,  muss  hier  den  Aus- 
schlag geben.  Die  Nächstbetheiligten  sind  immer  hinzugefügt  Dass 
die  ganze  Familie  des  Tyndareus  nach  Sparta  gewandert  sei,  hat 
sicher  der  Maler  nicht  gedacht;  ebensowenig  aber  kann  ich  Jahn 
zustimmen.  Wir  haben  wieder  einen  solchen  Fall;  in  dem  wir  nicht 
berechtigt  sind,  ganz  genau  uns  die  Situation  klar  zu  machen.  Die 
nächsten  Verwandten  hat  der  Künstler  hinzugefügt;  ob  dieselben  in 
Sparta  oder  wo  zu  denken,  sind,  dürfen  wir  gar  nicht  wissen  wollen, 
wie  denn  auch  Thetis  nicht  im  Beisein  des  Nereus  geraubt  wurde. 

Auszug  des  Achilleus. 

Gerhard,  etr.  u.  kamp.  Vas.  XIII,  2.    Berlin  1588. 

Die  Vase  ist  sfg.;  die  Inschriften  gehören  dem  attischen  Alpha- 
bete an;  das  Alter  der  Vase  wird  durch  das  (|)  im  Namen  Patroklos 
angezeigt.  Wenn  Oerhard  und  Jahn^)  die  Zeichnung  &Lr  geflissent- 
lich roh,  den  alterthümlichen  Charakter  für  absichtlich  erklären,  so 
kann  ich  schon  der  Inschriften  wegen  nicht  beistimmen. 

Mit  der  Linken  die  Lanze  aufstützend,  die  Bechte  erstaunt  er- 
hebend, den  Oberkörper  etwas  vorneigend,  wie  um  besser  hören  zu 
können,  steht  Achilleus  vor  Thetis,  welche  ihm  offenbar  eine  Mit- 
theilung macht,  die  ihn  in  Aufregung  bringt  Hinter  Thetis  steht 
Menelaos,  hinter  Achilleus  sein  Freund  Patroklos,  femer  Odysseus 
und  Menestheus.  Sie  alle  nehmen  Antheil  an  dem,  was  Thetis 
ihrem  Sohne  verkündet;  in  Haltung  und  Bewegimg  drückt  sich  ihr 
Staunen  aus. 


»)  Z.  B.  Heriod  bei  SchoL  Pind.  0.  X,  79.  —  *)  Münohener  Vasen 
CLXVn,  1130. 

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596  H.  Lnckenbaoh: 

Es  wird  überflüssig  sein,  die  Detitang  Gerhards  auf  die  Ab- 
holung des  Achilleus  aus  Skyros,  zu  der  erst  eine  ganz  neue  Geschichte 
erfunden  wird,  im  Einzehien  zu  widerlegen,  wofern  es  gelingen  wird, 
eine  bessere  Deutung  an  die  Stelle  zu  setzen.  Ich  erkenne  den  Ab- 
schied des  Achilleus  aus  seiner  Heimath.^)  Was  seine  Mutter  ihm 
etwa  sagen  mag,  können  uns  die  Verse  der  Dias  lehren,  I  410  ff. 

\xi\Tr\i)  f&p  Ti  ixi  (pr\ci  Ged,  G^xic  äpfvpdnelay 
bixOabiac  Kf^pac  (pep^fiev  OavdToio  rAocbc. 
et  jLifcv  K   aöOi  M^vujv  Tpü6u)v  ttöXiv  d|LwpijLidxui|Liai, 
d»X€TO  jLi^v  jaoi  vöcToc,  dxdp  kX^oc  äcpeirov  &Tar 
el  H  K€V  olKttb*  Ikuijui  (piXnv  ic  Traxpiba  xatav, 
ujXexö  jLioi  kX^oc  £c6X6v,  dirl  bripdv  bi  ^ox  aidiv 
fccerai,  oub^  k^  ju'  Axa  t4.\oc  OavdToio  Kxxüq. 

Aehnlich  mögen  die  drohenden  und  warnenden  Worte  der  ThetiB 
klingen,  welche  die  geballte  Faust  erhebt  und  ihrem  Sohne  abzu- 
rathen  sucht,  da  er  schon  im  Begriffe  ist,  seine  Heimath  auf  immer 
zu  verlassen.  Die  Gesandten  der  Griechen  sind  auch  zu  ihm  hinüber- 
gekommen und  haben  den  kriegsmuthigen  Jüngling  zu  dem  grossen 
Unternehmen  beredet  Wäre  uns  jede  schriftliche  Aufiseichnung  ver- 
loren, so  würden  wir  nach  Anleitung  der  Francis vase  keinen  der 
Helden  mit  Sichef-heit  fidir  die  Eyprien  voraussetzen  können.  Ja  einen 
der  Helden  würden  wir  wolil  mit  grosser  Bestimmtheit  ausscheiden 
müssen.  Menestheus  wird,  soviel  wir  wissen,  in  den  Kjprien  nicht 
erwähnt;  auch  in  der  Hias  spielt  er  ja  eine  ziemlich  geringe  Bolle. 
Dazu  kommt,  dass  er  der  letzte  in  der  Reihe  ist,  gewiss  nicht  zu- 
fällig. Denn  der  Maler  wusste  recht  wohl,  dass  er  eigentlich  nicht 
am  Platze  war.  Ganz  besonders  interessant  ist  es  jedoch,  dass  er 
dem  Menestheus  ein  öbi  hinzufügt,  gerade  als  ob  er  dem  Beschauer 
erst  seine  Kühnheit  zeigen  wollte,  mit  der  er  seinen  Landsmann  be- 
sonders  verherrlicht.  In  der  That,  nur  Patriotismus  ist  es,  was  den 
Maler  bewog,  den  Menestheus  hinzusetzen.  Denn  nach  den  Kjprien 
bereisen  Nestor  und  Menelaos  Hellas  und  bringen  die  Heerführer 
zusammen.  Die  Gegenwart  des  Odysseus  könnte  in  Anlehnung  an 
die  Dias  erkl&rt  werden.  Denn  A  767  lesen  wir,  dass  Nestor  und 
Odysseus  zum  Hause  des  Peleus  gekommen  sind;  daher  kennt  auch 
Odysseus  die  Vorschriften,  die  Peleus  dem  abziehenden  Sohne  gab 
(I  252  ff.).  Allein  ebensogut  können  wir  annehmen,  dass  der  Maler 
nicht  an  die  Verse  der  Hias  gedacht  und  demnach  auch  den  Odysaeus 
ohne  Bezug  auf  literarische  Tradition  hinzugefügt  hat;  wie  er  aof 
der  Fran9oisva8e  den  Automedon  und  Odysseus  malte,  so  hier  den 
Odysseus,  der  als  der  überredende  und  kluge  hier  ganz  am  Platie 
war.    Als  sicher  dagegen  dürfen  wir  annehmen,  dass  Menelaos  eben 

^)  Die  rich^;e  Dentong  scheint  beieits  Jahn  erkannt  su  haben,  da 
er  a.  O.  p.  CLXVII  vom  „knamg  des  AeUUens**  redet  Nach  Klein 
(Kaphronios  pi  35)  wibre  Achills  Rüstung  daigestellt 

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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  (Jed.  d.  ep.  Kyklos.  597 

nicht  aus  Zo&ll,  sondern  in  Anlehnung  an  das  Epos  hier  seinen 
Platz  gefunden  hat.  Zwischen  ihn  nnd  Achilleus  hat  sich  Thetis 
gedrängt^  nm  ihrem  Sohne  das  Verderbliche  seines  Vorhabens  klar 
zu  machen.  Und  Menelaos  mtLssen  wir  demnach  auch  als  den  be- 
trachten, der  den  Jüngling  zu  überreden  wusste.^) 

Das  Epos  können  wir  demnach  durch  unsere  Vase  in  folgender 
Weise  ergänzen:  Menelaos *)  kommt  zum  Hause  des  Peleus,  um  den 
Achilleus  zur  Theilnahme  am  Kriege  zu  bewegen.  Thetis  sucht  den 
Sohn  durch  Warnungen  abzuhalten. 

Achilleus  verbindet  den  Patroklos. 

Im  Mittelbilde  einer  Sosiasschale  (Overb.  XTIT,  8)  legt  der 
jugendliche  Achilleus  dem  Patroklos  einen  Verband  xmi  den  Arm. 
Der  Pfeil,  mit  dem  Patroklos  getroffen  war,  ist  aus  der  Wunde  ent- 
fernt und  liegt  zu  seinen  Füssen.  Der  Herzog  von  Lujnes^  hat 
zuerst  die  Quelle  dieses  Bildes  in  den  Eyprien  zu  finden  geglaubt, 
andere  sind  ihm  gefolgt.^)  Freilich  ist  das  Vasenbild  rfg.;  aber  an 
eine  dramatische  Quelle  wird  sich  bei  dieser  Scene  schwer  denken 
lassen,  und  somit  würden  wir  auf  die  Kyprien  verwiesen.  Denn 
dass  dem  Bilde  ein  bestimmtes  Ereigniss  zu  Orunde  liegt,  glaube 
auch  ich  annehmen  zu  müssen.  Es  kann  hier  weder  ein  Irrthum 
des  Malers  vorliegen^),  noch  auch  wird  sich  unter  den  heroisirten 
Genrebildern  ein  Analogen  finden  lassen;  besonders  da  in  der  ganzen 
Vasenmalerei  nur  ein  ähnliches  Bild  ezistirt^  In  der  Poesie  sind 
die  Verwundungen  nicht  selten,  und  oftmals  hören  wir,  wie  einer 
dem  andern  die  Wunde  verbindet  In  der  Ilias  finde  ich  folgende 
Stellen,  in  denen  ähnliche  Scenen  geschildert  werden: 

A  210  ff.  Machaon  verbindet  den  Menelaos. 

€  108  ff.  Sthenelos  zieht  dem  Diomedes  den  Pfeil  aus  der 
Wunde. 

€  335  ff.  Aphrodite  von  Diomedes  an  der  Hand  verwundet  wird 
von  ihrer  Mutter  Dione  geheilt. 

€  398  ff.  Paieon  legt  dem  Hades  schmerzstillende  q)dp|uiQUca 
auf,  ebenso 

€  900  dem  von  Diomedes  getroffenen  Ares. 


')  In  der  Odyssee  (u  116)  sind  Agamemnon  und  Menelaos  auf  Werbung 
nach  Ithaka  gezogen.  Vgl.  Welcker,  ep.  Gycl.  II,  99.  Wenn  Welcker 
daran  denkt,  dass  auch  Agamemnon  in  den  Eyprien  zu  werben  auszog, 
nnd  dass  derselbe  vielleicht  von  Proklos  nur  nicht  genannt  worden  wäre, 
so  liegt  kein  Grund  zu  dieser  Annahme  vor;  einen  kleinen  indirekten 
Beweis  {^egen  Welcker  haben  wir  in  unserem  Bilde.  —  ')  Dass  Nestor 
auch  bei  Peleus  war,  lehrt  Proklos  mit  nichten;  es  ist  sehr  wohl  denk- 
bar, dass  Nestor  und  Menelaos  wenigstens  theil weise  setrennt  Hellas 
bereisten.  -<  >)  Afinäl.  1880,  p.  288.  —  *)  Welcker,  alte  Denkm.  III, 
41dfil  Overb.  p.  297.  —  *)  Etwa  wie  im  Namen  Phoinix  beim  Kampf 
des  Aias  nnd  Hektorvgl.  P*621.  —  ^  Ghalkidische  Vase,  Overb.  XXm,  1: 
Sthenelos  verbindet  dem  Diomedes  den  Finger. 

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598  H.  Laokenbach: 

A  843  flf.  Patroklos  schneidet  dem  verwundeten  Enrypylos  den 
schmerzenden  Pfeil  aus  dem  Schenkel  nnd  stillt  Blut  and 
Schmerz  mit  bitterer  Wurzel. 

Ich  sehe  demnach  kein  Hindemiss,  dass  nicht  in  den  Ejprien 
Achilleus,  der  nach  Dias  A  832  von  Cheiron  die  Heilkunde  erlernt 
hatte,  dem  Patroklos  den  Liebesdienst  erwiesen  haben  sollte.  Ob 
Patroklos  dagegen  mit  dem  Pfeil  verwundet  wurde,  wissen  wir  nicht; 
auch  wenn  in  den  Eyprien  eine  Lanze  ihn  verwundete,  stand  es  dem 
Maler  frei,  die  Aenderung  vorzunehmen.  Auch  die  Verwundung  am 
Arme  ist  nichts  weniger  als  sicher^),  und  endlich  kann  die  Art,  wie 
Achilleus  dem  Freunde  beisteht,  gleichfaUs  nicht  erschlossen  werden. 
In  der  Ilias  wird  nie  das  eigentliche  Verbinden,  sondern  inuner  nur 
das  Auflegen  der  Heilmittel  erwähnt  Wo  der  Kampf  stattfiEmd,  wer 
der  Gegner  des  Patroklos  war,  l&sst  sich  aus  der  Vase  nicht  be- 
stimmen. 

Telephos'  Heilung. 

Proklos  berichtet:  TrjXecpov  Kaxd  jiavreiav  ^Tap(^r€VÖ^€VOV 
elc  "ApTOC  läxai  *AxiXX€uc  d)c  f|T€|Li6va  Tcvrjcöjiievov  toO  in* 
''IXiov  ttXoO  (vgl  Welcker,  ep.  CycL  ü,  p.  101.  144). 

Aischylos*),  Euripides')  und  Agathen*)  hatten  einen  Telephos 
gedichtet ;  n&heres  erfahren  wir  nur  von  der  Tragödie  des  Euripides. 
Auf  Elytaimnestras  Bath  nimmt  Telephos  den  kleinen  Orestes  aus 
der  Wiege  und  flüchtet  sich  mit  ihm  auf  den  Hausaltar,  drohend, 
jenen  zu  tödten,  wenn  ihm  nicht  Heilung  zu  Theil  werde. 

Von  den  vier  rfgn.*  Vasenbildem  hat  man  allgemein  zwei  auf 
Euripides  zurückgeführt: 

A.  Overb.  299,  3; 

B.  Arch.  Zeit.  1857,  89,  Taf.  106;  Fiorelli,  vasi  Cumani  14; 
BuU.  Nap.  N.  S.  V,  10,  18;  Neapel  EC.  141. 

In  A  kniet  Telephos  auf  dem  Altar,  mit  dem  Schwerte  den 
Orestes  bedrohend.  Er  sieht  zu  Agamemnon  hinüber,  der  nur  mit 
Mühe  von  einer  Frau  (Elytaminestra)  fortgedr&ngt  wird  und  un- 
willig sich  entfernt;  von  der  anderen  Seite  eilt  eine  Jungfrau  (Elektra?) 
mit  ausgestreckten  Armen  auf  Telephos  zu. 

Weit  erregter  noch  ist  B;  die  Leidenschaften  sind  bis  zum 
Aeussersten  gesteigert.  Telephos  hat  am  linken  Fusse  den  zappeln- 
den Orestes  gefasst  und  bedroht  ihn  mit  dem  Schwerte.    Auf  ihn 


^)  Gesetzt,  die  Vervnmdung  am  Arme  wäre  nach  dem  Epos,  so 
würde  wenigstens  nicht  entschieden  werden  können,  ob  er  am  rechten 
oder  linken,  am  Ober-  oder  Unterarm  verwundet  wurde.  Auch  brauchte 
dies  gar  nicht  in  der  poetischen  QueUe  erwfthnt  zu  sein.  In  der  Odyssee 
T  449 f.  wird  Odysseus  verwundet,  ob  am  linken  oder  rechten  Beine, 
wird  nicht  hinzTigesetzt.  Telephos  tr^  den  Verband  bidd  um  den  linken, 
bald  um  den  rechten  Schenkel.  —  *)  Welcker,  Trilogie  662.  -^  *)  Weloker, 
Tragödien  II,  477,  vgl  Bakhuyzen,  de  parocUa  in  camoedii8  Ärittcpfumia, 
p.  200.  —  *)  Welcker,  Tragödien  in,  989. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  e.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  599 

dringt  Agamemnon  mit  gezücktem  Schwerte  ein;  aber  Elytaimnestra 
hat  sich  ihm  entgegengeworfen,  um  das  drohende  Unheil  zu  ver- 
hüten. Auf  der  anderen  Seite  steht  starr  yor  Entsetzen  eine  Jung- 
frau (Elektra?)  mit  beiden  Händen  an  ihren  Kopf  greifend.  Das 
Bedeutsame,  was  diese  beiden  Vasenbilder  yon  den  anderen  unter- 
scheidet, ist  die  Intervention  der  Kljtaimnestra,  die  bei  Euripides 
eine  Bolle  spielte.  Gegen  die  Annahme,  diese  Bilder  auf  Euripides 
zurückzuführen,  wüsste  ich  nichts  zu  sagen;  wohl  aber  iSsst  sich 
mit  Bestimmtheit  behaupten,  dass  sie  nicht  dem  Epos  folgen.  Denn 
die  übrigen  Vasenbilder  sind  durchaus  anders  äufgeÜEisst.  Kljtai- 
mnestra fehlt,  ebenso  die  Jungfrau;  nicht  mit  dem  Schwerte  dringt 
Agamemnon  auf  den  Fremdling  ein,  sondern  steht  ruhig  vor  ihm, 
verwundert  über  den  Schutzflehenden,  der  mit  dem  Sohne  an  den 
Altar  geflüchtet  ist  Die  Verständigung  scheint  sich  auf  durchaus 
friedlichem  Wege  zu  ergeben.  Man  kann  nun  kühn  behaupten,  dass 
nach  Ausbildung  jener  tragischeren  Gestaltung  des  Mythus,  in  dem 
die  Lösung  nur  durch  Elytaimnestra  herbeigeführt  wird,  die  andere 
Version  nicht  mehr  mägHch  war.  Das  Buhige  und  Gehaltene  spricht 
durchaus  für  die  frühere  Entstehung.  Hat  man  nun  jene  Vasenbilder 
mit  Bechi  auf  Euripides  zurückgeführt,  so  müssen  wir  für  diese 
eine  voreuripideische  Quelle  annehmen.  Jahn  dachte  an  Agathen 
(Telephos  und  Troilos  und  kein  Ende,  p.  6).  Allein  wir  wissen 
nicht,  ob  Agathen  seinen  Telephos  vor  dem  des  Emipides  dichtete;, 
dazu  ist  es  doch  einigermassen  bedenklich,  einen  Einfluss  Agathons 
auf  die  bildende  Kunst  anzunehmen,  besonders  für  die  unteritalische 
Epoche,  der  eins  der  Vasenbilder  angehört.  Es  blieben  uns  also 
noch  das  Epos  und  Aischjlos.  Overbeck,  p.  298,  will  sie  aufs  Epos 
zurückführen;  indessen  ist  wohl  zu  beachten,  dass  ein  sfgs.  Vasen- 
bild bis  jetzt  noch  nicht  gefimden  ist,  und  dass  wir  nur  Muth- 
massungen  über  die  Gestaltung  des  Epos  aufstellen  können.  Die 
Frage  muss  daher,  bis  vielleicht  neue  Denkmäler  zu  Hülfe  kommen, 
eine  offene  sein,  ob  Aischylos  oder  das  Epos  als  Quelle  anzunehmen 
sind.    Die  fraglichen  Vasenbilder  sind: 

C  Overb.  298,  1.  Xm,  9, 

D  Overb.  299,  2.    Neapel  2293.    Jahn,  Tel.  und  Troil.  und 
kein  Ende,  Taf.  L 

Verwundet  ist  Telephos  am  Oberschenkel  in  BCD;  eine  Binde 
ist  um  die  Wunde  gelegt:  ohne  Bedenken  dürfen  wir  die  Verwun- 
dung am  Oberschenkel  als  stehenden  Zug  der  Sage  auffassen;  nur 
darüber  kann  gestritten  werden,  ob  Telephos  am  rechten  oder  linken 
Beine  verwundet  war;  die  Vasenbilder  dürfen  dabei  schwerlich  um 
Bath  gefragt  werden;  auch  weichen  sie  selbst  darin  ab;  in  BC  ist 
der  linke,  in  D  der  rechte  Oberschenkel  verbunden.  In  A  fehlt  aus 
.Nachlässigkeit  des  Malers  jegliche  Andeutung  der  Wunde  (?).  Hin- 
zufügen lässt  sich,  dass  auch  in  etruskischen  Aschenkisten  bald  der 
rechte,  bald  der  linke  Oberschenkel  den  Verband  trägt« 


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600  H.  Lnckeabach: 

TroiloB. 

Overbeck,  p.  338—366. 

Welcker,  alte  Denkm.  V,  p.  439—480. 

Jahn,  Telephos  und  Troilos. 

Schreiber,  amal.  1875,  p.  188—210. 

Klein,  Euphronios,  p.  79—89. 

Bei  nochmaliger  Besprechung  einiger  Punkte  aus  dieser  so  viei- 
behandelten  Sage  wird  natürlich  für  mich  der  Gesichtspunkt  der 
leitende  sein,  was  die  Bildwerke  an  Ergänzungen  der  literarischen 
Quellen  bieten  können.  Denn  die  letzteren  sind  sehr  dürftig:  mit 
den  drei  Worten  xal  Tpu)iXov  q)OV€U€i  berichtet  uns  Proklos  vom 
Tode  des  Troilos  durch  •  Achilleus.  Einen  weiteren  Anhalt  geben 
die  Worte  des  Scholiasten  zu  Ilias  Q  257:  oi  V€U)T€poi  iq>*  tirirou 
biu)K6)Li€V0V  auTÖv  iiToiiicav.  Mit  vollem  Eechte  betrachtet  Welcker 
dies  als  Inhalt  der  Kyprien,  und  der  ganze  Zusammenhang  lehrt, 
dass  nicht  allein  Sophokles,  der  nachher  besonders  erwähnt  wird, 
unter  dem  Worte  V€U)Tepoi  gemeint  ist,  sondern  überhaupt  diejenigen, 
die  nach  Homer  über  den  Troilos  geschrieben  haben,  an  deren  Spitze 
Stasinos  steht.  ^)  Diese  dürftigen  Nachrichten  ergänzen  die  Vasen- 
bilder in  hinreichender  Weise.  Bezüglich  der  Anordnung  schliessen 
wir  uns  Welcker  an,  der  die  Darstellungen  in  4  Scenen  zerlegte. 

I.  Achilleus  im  Hinterhalte. 

Scharf  zu  sondern  sind  hier  die  sfgn.  von  den  späteren  Bildern, 
da  letzteren  ein  Moment  fehlt,  das  für  die  älteren  Bildwerke  durch- 
aus wesentlich  ist. 

A,  Die  schwarzfigurigm  Vasen. 

Der  Mythos  tritt  in  allen  leicht  zu  Tage.  Vor  einem  Brunnes 
steht  Polyxena,  um  Wasser  zu  holen,  begleitet  von  dem  jugendlichen 
Sohne  des  Priamos,  der  meist  auf  einem  Bosse  reitet  und  ein  anderes 
am  Zügel  führt.  Hinter  dem  Brunnen  lauert  Achilleus,  um  im 
günstigen  Augenblicke  hervorzuspringen  und  grausam  den  unschiil- 
digen,  meist  waffenlosen  Sohn  des  Troerkönigs  niederzumachen. 

Die  elf  Vasen,  die  Klein  p.  82  a—- 1  aufführt,  denen  als  zwölfte 
(m)   Ccmpana  II,   22   anzureihen  ist^),  lassen  sich  leicht  in  zwei 


*)  Zum  Ausdruck  vgl.  Strabo  Vlll,  6,  2:  irapA  Totc  veuhr^poic,  d.  L 
Stasinos.  Vin,  3,  8:  oT  v€ii)T€pot,  d.  i.  Hipponax,  Alkman,  AischyloB; 
ähnlich  Vm,  3,  7.   3,  31. 

*)  a.  Arch.  Zeit.  1863,  p.  67—66,  Taf.  176.  Collignon  181  (die  la- 
Schriften,  pl.  IV,  2). 

b.  Berlin  1713.    Overb.  341,  8. 

c.  Overb.  342,  4.  XV,  9. 

d.  München  89. 

e.  huU.  1866,  p.  145. 


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Verh.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Qed.  d.  ep.  Kjklos.  601 

Gruppen  zerlegen,  die  zwar  in  Bezug  auf  den  Inhalt  keine  Ab- 
weichungen ergeben,  aber  doch  durch  einige  bemerkenBwerthe  Einzel- 
heiten verschieden  sind,  die  einen  interessanten  Einblick  in  die  Ab- 
hängigkeit der  Maler  von  einander  gewähren.  Zur  ersten  Gruppe 
rechne  ich  c — h,  zur  zweiten  abikl;  welcher  Gruppe  sich  m  an- 
schliesst,  iSsst  sich  der  ungenügenden  Beschreibung  halber  nicht 
bestinunen. 

Erste  Gruppe: 

a)  Der  Brunnen  ist  durch  einen  Pfeiler  dargestellt,  der  durch 
eine  Bohre  das  Wasser  entsendet. 

ß)  Links  fCLr  den  Beschauer  liegt  Achilleus  im  Hinterhalte, 
während  PolTxena  und  Troilos  sich  von  rechts  her  nähern  (so  wenigstens 
in  cfg;  die  Bichtung  von  deh  ist  mir  unbekannt). 

Y)  Poljxena  hält  meist  die  Hjdria  noch  in  den  Händen  (nur 
Tfa  h  hat  sie  dieselbe  niedergesetzt). 

Zweite  Gruppe: 

a)  Der  Quell  läuft  in  einen  Löwenkopf  aus,  dessen  Brachen  das 
Wasser  entströmt. 

ß)  Achilleus  liegt  rechts  fOr  den  Beschauer  im  Hinterhalte; 
Poljxena  und  Troüos  nähern  sich  von  der  anderen  Seite  (die  Bich- 
tung in  1  ist  mir  unbekannt). 

t)  Poljxena  hat  die  Hjdria  bereits  unter  den  Wasserstrahl 
gesetzt  (in  a  hat  sie  den  Krug  in  ein  zum  Auffangen  des  Wassers 
bestimmtes  Becken  getaucht,  damit  der  Wasserstrahl  besser  hinein- 
laufen kann).  In  m  hat  Poljxena  die  Hjdria  auf  dem  Kopfe  und 
wendet  sich  zu  Troilos. 

Die  Verwandtschaft  dieser  beiden  Gruppen  zeigt  sich  an  einer 
Eigenthümlichkeit,  die  gewiss  nicht  auf  poetischer  Quelle  beruht 
In  bcfgil  sitzt  nämlich  auf  dem  Brunnen  ein  Habe,  der  meist 
der  Poljxena  zugekehrt  ist  und  nur  in  i  der  Bichtung  zuschaut,  in 
welcher  Achilleus  im  Hinterhalte  liegt.  Welcker  hat  ihn  als  apol- 
linischen Vogel,  der  den  Troern  bevorstehendes  ünheü  andeutet,  zu 
erklären  versucht,  eine  Deutung,  deren  Bichtigkeit  schon  von  Conze, 
amäl,  1866,  p.  287,  3,  in  Zweifel  gezogen  ist.  Der  Babe  ist  wohl 
nur  omamental  verwendet,  etwa  um  die  Einsamkeit  des  Feldes ^  in 
dem  die  Scene  vor  sich  geht,  anzudeuten.  Andererseits  lässt  sich 
für  Welcker  geltend  machen,  dass  der  Vogel  wenigstens  bisweilen 
sein  Gefieder  sträubt  und  allem  Anscheine  nach  die  Troer  warnen  will. 


f.  Overb.  341,  1.  XV,  2. 

g.  anncd.  1866,  p.  286—288,  tav.  B.,  (bmU.  1866,  p.  147). 
.  Br.  M.  469.    Overb.  341,  2. 
i.   Br.  M.  474.    Overb.  342,  6. 
k.  Arch.  Zeil  1866,  p.  280,  Taf.  91,  1. 
1.   hM.  1869,  p.  126. 
m.  Campana  II,  22. 


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602  H.  Luckenbach: 

Troilos  ist  meist  sehr  jugendlich,  ein  Ephebe,  der  kaum  dem 
Knabenalter  entwachsen  ist»  ein  Zug,  der  offenbar  dem  Epos  entlehnt 
ist.  Wenn  er  in  ai  bSrtig  ist,  so  hat  der  Maler  dies  ganz  nach  Art' 
der  filteren  Malerei  gethan,  die  ja  auch  einen  ApoUon^)  und  AchiUens, 
spftter  fast  immer  jugendliche  Gestalten,  bftrtig' darstellte.  Gewöhn- 
lieh  ist  Troilos  waffenlos,  in  d  i  trSgt  er  zwei  Lanzen,  in  abl  hat 
er  eine  Gerte,  in  m  einen  Zweig  in  der  Hand. 

Auf  die  drei  noth wendigen  Figuren  beschrftnken  sich  cikm. 
Erweiterungen  treten  in  den  übrigen  ein.  In  h  steht  hinter  Troilos 
ein  nackter  Genosse  mit  zwei  Speeren,  in  g  ein  Krieger  mit  Namen 
0ÜJKOC,  in  e  zwei,  in  f  drei  Krieger;  der  Beyers  von  b  zeigt  drei, 
der  von  d  sieben  Krieger,  alle  diese  Mfinner  offenbar  Troer,  die  dem 
Troilos  zu  Hülfe  eilen.  Li  f  steht  hinter  Achilleus  Thetis,  in  der 
Rechten  den  fOr  Achüleus  bestimmten  Siegeskranz  haltend*),  Hermes 
und  ein  bärtiger  Alter  mit  einer  Lanze  in  den  HSnden,  der  gewiss 
nicht  mit  Welcker  Zeus  zu  nennen  ist^  sondern  nur  Fhoinic  oder 
ein  anderer  Grieche  sein  kann.  Li  k  steht  neben  Polyxena  ein 
zweites  Weib.  Li  g  hat  ein  nackter  Mann  die  Zügel  der  Bosse  er- 
giiffion,  die  Bechte  erhebend.  Gonze  ist  geneigt,  in  ihm  Achüleus  zu 
erkennen,  der  den  Troilos  bedroht;  es  würde  dann  das  Yasenbild 
ans  zwei  Darstellungen  zusammengesetzt  sein:  einmal  AchiUens  im 
Hinterhalte  und  dann  derselbe  den  Troilos  bedrohend.  Allein  dieser 
nackte  Mann,  dem  Schild,  Panzer,  Helm  fehlen,  der  weder  Schwert 
noch  Lanze  trSgt,  kann  nicht  Achill  sein.  Wir  haben  hier,  wie  so 
hSufig,  einen  ganz  überflüssigen  Zusatz  des  Malers,  der  den  Tunlos 
auf  die  drohende  Gefiüir  aufinerksam  machen  solL  Li  a  steht  neben 
den  Bossen  des  Troilos,  die  Xanthos  und  Asobas*)  heissen,  ein  Weib, 
welches  sich  rückw&rts  wendet;  Ton  ihrem  Namen  sind  noch  die 
Buchstaben  €0  erhalten,  die  Jahn  zu  Kreusa*  ergSnzi  Hinter  ihr 
stehen  noch  zwei  bftrtige  Alte,  deren  einer  Priamos  ist,  während 
dem  anderen  ein  Name  nicht  beigeschrieben  ist  Priamos  ist  also 
hier  mit  seiner  Familie  anwesend.  Nur  in  g  hat  Troilos  ein  Boss, 
sonst  immer  zweL 

Ganz  unbedenklich  werden  wir  die  Thatsachen,  die  sieh  ans 
diesen  Yasenbildem  als  Bestand  der  alten  Sage  ergeben,  in  den 
Kyprien  zu  suchen  haben.  Tolyxena  hat,  um  Wasser  zu  holen^), 
die  Stadt  verlassen,  begleitet  von  dem  jngendlichan  reitenden  Troilos. 
Achüleus  lauert  ihnen  auf.'    Von  der  Hülfe,  deren  Andentang  wir 


0  Z.  B.  in  der  Fraaooisvase.  —  *)  Siehe  jedoch  Klein  p.  83.  —  ")  So 
und  nicht  Sobas,  wie  JiOm  wilL  Vgl  C^dlignon  181,  pL  lY,  S.  —  «)  Die 
Königstochter  der  Heroenieit  weiden  gern  Waner  holend  gedacht 
Homer  k  106: 

KoOpQ  hi  EO^ßXnvTo  irp6  dcT€oc  döpeuoOcQ 

BuTOT^p*  iq>6<fiq  Acncrpötovoc  'AvnqNtroo. 
Homer,  HpnnuB  anf  die  Demeter,  Y.  98  £,  105  £F.    SchoL  Enrip.  JPhoen^ 
V.  63.    Welcker,  ep.  CycL  II,  p.  367,  84. 

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Verh.  d.  gr.  Vaaenbilder  %.  d.  Ged.  d.  ep.  Kykloa.  603 

in  mehreren  Bildern  ÜEUiden,  wird  später  die  Bede  sein,  ebenso  soll 
dann  auch  die  Frage  entschieden  werden,  ob  Troilos  bewaffnet  oder 
nnbewaffiiet,  mit  einem  oder  zwei  Bossen  auszog.  Noch  ist  zu  be- 
merken, dass  den  Namen  fttr  Polyxena  nns  allein  die  Fran^oisvase. 
aufweist,  welche  die  folgende  Scene,  die  Verfolgung  des  Troilos, 
darstellt 


B.   Die  roihfigurigen  Vctöen, 

Durch  mehrere  charakteristische  Merkmale  unterscheiden  sich 
die  rfgSL  von  den  älteren  Yasenbildem.  In  allen  fehlt  Poljxena,  in 
allen  hat  Troilos  nur  ein  Boss.  Folgende  fünf  ^)  zeigen  mit  der 
neuen  Technik  auch  die  Aenderong  des  Gesammtinhalts  der  älteren 
Darstellungen. 

a  Chabouillet,  description  des antiques  du  cabmet  Fould,  pL  XIX. 
Jahn,  Telephos  und  Troilos  und  kein  Ende  III,  10.  Schreiber, 
Nro.  10. 

ß  BiM.  1862,  p.  127.  Arch.  Anz.  1863,  p.  27*  72.  Schreiber, 
Nro.  11. 

Y  Br.  M.  1363.    Schreiber,  Nro.  12. 

b  BM,  1853,  p.  167,  im  Besitze  des  Herrn  Michele  de  Feis 
zu  Anzi. 

€  Bua.  1853,  p.  167. 

An  Stelle  des  einfacheren  Brunnenpfeilers,  der  in  qt^  bei- 
behalten (in  QT  mit  Löwenrachen),  ist  in  ߀  ein  Brunnenhaus  ge- 
treten. Troilos  ist  mit  einer  Lanze  in  e,  mit  zweien  in  y  b  bewaff- 
net In  ß  trägt  er  einen  Panzer,  in  a  hält  ein  Diener  ihm  die  Lanze. 

Das  Fehlen  der  Poljxena  in  allen  diesen  Yasenbildem  kann 
nicht  zufällig  sein,  und  mit  Becht  hat  man  an  das  Drama  des 
Sophokles  erinnert,  dessen  Einfluss  hier  sichtbar  ist  Freilich  schrieb 
auch  ein  Phrynichos  eine  Tragödie  oder  Komödie  und  Strattis  eine 
Komödie;  sdlein  beide  stehen  hinter  Sophokles  zurück;  f%Lr  den 
Tragiker  Phrynichos  ist  ein  Einfluss  auf  die  bildende  Kunst  noch 
nicht  erwiesen,  und  an  eine  Komödie  kann  nichts  in  diesen  Bildern 
erinnern.  Im  Epos  also  begleitet  Troilos  die  Polyxena,  bei  Sophokles 
geht  er  allein,  um  sein  Boss  zu  tränken. 

Weitere  Schlüsse  auf  das  Drama  des  Sophokles  scheint  a  zu 
gestatten.  In  der  Mitte  des  Bildes  steht  Troilos  mit  seinem  Bosse 
vor  dem  Brunnen;  hinter  demselben  ist  ein  Diener,  der  das  Oewand 
des  Troilos  trägt  und  in  der  Bechten  einen  Stab  hält,  der  doch  wohl 
eine  Lanze  vorstellen  solL  Auf  einem  Altare  hinter  Troilos  sitzt 
Athena,  die  mit  der  Bechten  auf  Troilos  hinweist  und  damit-  den 
Achilleus  auffordert,  denselben  zu  überfallen.  Zwischen  ihr  und 
Troilos  fliegt  ein  Vogel,  eine  Tänie  in  den  EQauen  haltend,  auf 
Troilos  zu.    Hinter  dem  Diener  desselben  trägt  ein  Mann  einen  ge- 


')  Klein  erwähnt  p.  82  bloss  a  ß  t. 

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604  H.  Luckenbach: 

l'allenen  Todten  davon;  vor  ihm  ist  eine  Sftule  angebracht,  die  ihn 
Ton  Achilleus  trennt 

Durch  die  Taube,  glaubt  Jahn  a.  0.  p.  13.  14,  würden  wir  hin- 
gewiesen auf  die  Liebe,  die  Achilleus  zu  dem  schönen  Ejiaben  Troilos 
empfinden  wird,  und  glaubt  dadurch  die  Vermuthung  Welckers 
stützen  zu  können,  dass  dieser  Zug  sich  schon  bei  Sophokles  fimd. 
Allerdings  Iftsst  Lykophron  307 — 313  den  Achilleus  in  Liebe  zn 
Troilos  entbrennen;  allein  wenn  man  aus  den  Worten  des  Phrynichos, 
die  uns  Athenaios  XIH,  p.  664  c.  18  aufbewahrt  hat,  <t>puvixöc  tc 
iiA  ToO  TpuiiXou  i(pr\ 

XdfX7r€iv  trci  7rop<pup^aic  irdpija  <puic  £pwToc 

geschlossen  hat,  das  diese  Wendung  weit  älter  war  und  dass  Phrj- 
nichos  disselbe  zuerst  kannte,  so  kann  ich  den  Beweis  in  obigoi 
Worten  nicht  finden^  und  mit  Klein,  p.  87,  würde  ich  am  liebsten 
die  Entstehung  der  Erzählung  bei  Lykophron  in  alexandnnische  Zeit 
setzen.    Weiter  stehe  ich  nicht  an,  dem  Vogel,  der  zwischen  Aihena 
und  Troilos  schwebt,  die  Bedeutung,  die  Jahn  in  ihm  sucht,  abzu- 
sprechen.   Denn  zunftchst  müssten  wir  doch  erwarten,  dass  der  Vogel 
auf  Achilleus  und  nicht  auf  Troilos  zuflöge.    In  einem  Vasenbilde, 
das  den  Achilleus  im  Kampfe  mit  Memnon  zeigt  (Overb.  XXII,  8), 
fliegt  ein  Vogel  mit  einer  Tänie  zu  Achilleus  hinüber  von  der  Seite 
des  Memnon  und  der  Troer.    Soll  auch  hier  Achilleus  das  Unglück 
haben,  sich  in  den  sterbenden  Feind  zu  verlieben,  wie  in  die  Amazone 
und  den  Troilos?    Wenn  femer  zwischen  waffentragenden  Nereiden, 
die  auf  Seethieren  reiten,  ein  Vogel  mit  langflattemder  T&nie  in 
den  Klauen  einherfliegt^),  so  kann  doch  hier  der  Vogel  keinen  Be- 
zug auf  Liebe  in  sich  schliessen.    Aber  diese  beiden  Bilder  geben 
die  richtige  Deutung  au  die  Hand.    Der  Vogel  ist  nur  ein  Symbol 
des  Gelingens,  er  trägt  die  Siegesbinde:  hier  deutet  er  den  Sieg  des 
Achilleus  über  Hektor,  dort  über  Menmon  an,  und  anders  ist  auch 
in  unserem  Bilde  der  Vogel  nicht  zu  erklären,  wenn  man  ihm  nicht 
auf  diesem  späten  Bilde  jede  Bedeutung  absprechen  wilL    Der  Altar, 
auf  dem  Athena  sitzt,  und  die  Säule  hinter  Achilleus  sollen  nach 
Schreiber  a.  0.  p.  202  das  Thymbräische  Heüigthtmi  des  ApoUon 
bezeichnen.    Allein  wo  Göttinnen  sind,  pflegt  es  auch  an  Altären 
nicht  zu  fehlen;  oftmals  ist  beim  Ringkampf  des  Peleus  mit  der 
Thetis  ein  Altar  abgebildet,  und  auch  hier  ist  der  Altar  nur  der 
Sitz  der  Athena.    Ob  die  Säule  auf  ein  Heiligthum  hindeuten  muss, 
vermag  ich  nicht  zu  sagen;  jedenfalls  würde  sie  nur  lehren,  dass 
auch  nach  Sophokles  Troilos  am  Altare  des  ApoUon  fällt;  denn  dass 
dies  die  alte  epische  Erzählung  war,  werden  wir  später  sehen,    ün- 
gewiss  bleibt  es,  ob  der  Diener,  der  das  Gewand  des  Troilos  trägt^ 
schon  bei  Sophokles  erschien.    Denn  die  Vermuthung  Welckers  (Gr. 


^)  Jatta  425;  abgebildet  Heydemann,  Nereiden,  Taf.  U. 

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Verh.  d.  gr,  Vasenbilder  z.  d.  Ged.  ±  ep.  Kyklos.  605 

Trag.  I,  125 ff.),  dass  bei  ihm  der  Pädagoge  des  Troilos  eine  Bolle 
spielte,  ist  keineswegs  gesichert  (vgl.  Jahn,  p.  14).  In  dem  Krieger, 
der  den  Todten  davonträgt,  möchte  Jahn,  p.  15,  einen  Troer  erkennen, 
der  mit  dem  getödteten  Troilos  davonzieht.  Indessen  ist  aach  diese 
Deutung  nicht  ohne  Schwierigkeit,  auf  die  Jahn  selbst  aufinerksam 
macht,  da  der  lebende  Troilos  nackt  ist,  der  Todte  dagegen  gerüstet. 
Daher  scheint  es  mir  nj^thig,  zu  der  anderen  Deutung  auf  Achilleus 
und  Aias  zurückzukehren. 

Nähere  Betrachtung  müssen  wir  auch  dem  Vasenbilde  ß  zu- 
wenden. Troilos  im  Harnisch  und  mit  phrjgischer  Mütze  bedeckt 
steht  innerhalb  des  Brunnenhauses.  In  der  Linken  hat  er  die  Zügel 
des  Bosses,  das  er  mit  der  Bechten  streichelt.  Hinter  dem  auf- 
lauernden Achilleus  Athena.  Vor  dem  Brunnenhause  sitzt  ein  Jüng- 
ling mit  einem  Palmzweige  auf  der  einen  Seite,  auf  der  anderen 
eine  Frau,  die  einer  zweiten  einen  Spiegel  vorhält.  Noch  weiter 
läuft  ein  Jüngling  mit  Panzer  und  phrjgischer  Mütze  davon,  indem 
er  den  Kopf  zu  seinem  Gefährten  umwendet  und  die  linke  Hand 
gegen  ihn  ausstreckt;  er  will  ihn  offenbar  warnen,  da  er  den  Krieger 
im  Hinterhalte  erblickt  hat.  Das  Brunnenhaus  wird  bvU,  1862, 
p.  127  mit  folgenden  Worten  beschrieben:  Nel  mezzo  scorgesi  mia 
edicola  con  quaUro  cohnne,  le  cui  anteriori  portano  sapra  %  capUeUi 
jonid  due  sfingi  le  quaHi  sostengono  ü  tetto;  tma  iäria  nd  frontone  d 
fa  rieonoscere  la  fontana.  Aus  diesen  Worten  geht  hervor,  wie  wenig 
Gewicht  zu  legen  ist  auf  die  Beschreibung  im  Arch.  Anz.  1863,  p. 
27*,  72,  in  der  von  einer  eigenthümlichen  Darstellung  des  innerhalb 
des  Apollotempels  sein  Pferd  liebkosenden,  gerüsteten  Troilos  die 
Bede  ist.  Auf  der  Vase  ist  ein  Brunnenhaus,  das  an  die  Stelle  der 
einfacheren  Quelle  getreten  ist  Der  davoneilende  Troer  ist  vom 
Maler  hinzugefügt,  um  die  Gefahr,  in  der  Troilos  sich  befindet, 
besser  zu  veranschaulichen.  Der  Jüngling  mit  der  Palme  sowie  die 
beiden  Toilette  machenden  Frauen  stehen  in  keinem  Zusammenhange 
mit  der  eigentlichen  Darstellung. 

Die  Abweichung,  die  sich  also  ergab,  war  das  Fehlen  der  Poly- 
xena  in  rfgn.  Vasenbildem,  die  den  Sophokles  zur  Quelle  hatten. 
Dies  zu  betonen  schien  um  so  mehr  nothwendig,  als  bisher  nicht 
erkannt  wurde,  dass  auch  bei  Sophokles  Troilos  zum  Brunnen  ging, 
freilich  nicht  um  die  Wasser  holende  Schwester  zu  begleiten,  sondern 
lediglich  um  sein  Boss  zu  tränken.  Dabei  ist  es  sehr  wohl  denk- 
bar, dass  in  beiden  Dichtungen  Brunnen  und  Heiligthum  eng  mit 
einander  verknüpft  und  beide  dem  Apollon  geweiht  waren. 

n.  Verfolgung  des  Troiloß. 

Achilleus  ist  aus  seinem  Verstecke  aufgesprungen;  Poljxena 
und  Troilos  suchen  ihr  Heil  in  der  Flucht.  Die  Jungfrau  hat  ihre 
Hydria  vor  Schreck  fallen  lassen;  sie  liegt  unter  den  Füssen  der 

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606  H.  Luckenbach: 

Bosse.  Sie  eilt  dem  Troilos  voran,  obwohl  dieser  beritten  ist;  ^denn 
nur  80  konnten  die  Künstler  ansdrüeken,  dass  dem  Ejiaben,  nicht 
der  Jungfrau  zunächst  die  Verfolgung  gelte'  (Welcker). 

Mit  Verweisung  auf  Klein,  p.  84^),  übergehe  ich  eine  Beschrei- 
bung der  sfgn.  Bildwerke.  Sie  geben  in  Verbindung  mit  den  oben- 
erwähnten Worten  des  Scholiasten,  o\  V€iAiT€pot  d<p'  finrou  biuiKÖ- 
fievov  aChröv  diroiTicaV;  für  die  Kyprien  folgende  Ergänzung  an  die 
Hand:  ^Achilleus  springt  aus  seinem  Verstecke  hervor;  der  berittene 
Troilos  und  Polyxena  suchen  ihr  Heil  in  der  Flucht;  Polyzena  ge- 
lingt es  zu  entfliehen'.  Dass  Polyxena  entflieht,  können  zwar  die 
Väsenbilder  nicht  zur  Anschauung  bringen;  da  sie  indess  aller  Poesie 
zufolge  bei  der  Eroberung  Trojas  noch  lebte,  so  ist  der  Schluss  von 
selbst  gegeben.  Wenn  in  fiftst  allen  Darstellungen  die  Hydria  unter 
den  Bossen  liegt,  so  darf  dieser  nebensächliche  Zug  nicht  au&  Epos 
übertragen  werden.  Einmal  vom  Maler  eingeführt,  konnte  dies  leicht 
typisch  werden  und  sich  durch  alle  Vasenbilder  .halten. 

Mehrere  rfge.  Vasenbilder')  behalten  im  Wesentlichen  den  alten 
Typus  beu 

Besondere  Beachtung  verdienen  einige  Vasen,  in  denen  Poly- 
xena fehlt. 

Klein  Nro.  7.  Oerhard  AV  185.  Overb.  353,  24,  sfg.  Mag 
die  eine  Seite  gedeutet  werden  wie  sie  will,  die  andere  bezieht  sich 
auf  Troilos.  Polyxena  und  die  Hydria  fehlen.  AchiUeus  reisst  den 
Troilos  vom  Bosse  an  den  Haaren  herunter,  in  der  Bechten  das  Ver- 
derben bringende  Schwert  haltend.  Hinter  ihm  ist  neben  einem 
Altar  die  Quelle,  die  das  Wasser  durch  einen  Löwenrachen  in  ein 
Becken  laufen  lässt.  Becht  gut  könnte  man  hier  die  Darstellung 
nach  der  Tragödie  erkennen.  Allein  dem  widerspricht  das  Alter  der 
Vase^,  und  so  werden  wir  wohl  eine  Abkürzung  der  Darstellung 
erkennen  müssen,  die  nur  das  Wesentliche  und  Nothwendige  gab. 
Oleiche  Zweifel  erheben  sich  bei  zwei  anderen  sfjgn.  Vasen  ^),  in 
welchen  ein  Mann  einen  reitenden  Jüngling  (Knaben)  verfolgt,  wenn 
hier  überhaupt  an  Troilos  gedacht  werden  darf. 

unter  den  rfgn.  Vasen  erwähne  ich  besonders  die  buU,  1870, 
p.  185,  18  beschriebene  Amphora  (Nro.  26):  Ein  berittener  Jüng- 
ling, der  in  der  Linken  zwei  Lanzen  trägt  und  mit  einer  pkrygi- 
schen  Mütze  bedeckt  ist,  flieht  vor  einem  gerüsteten  Krieger,  der  in 
der  Linken  Lanze  und  Schwert  trägt  und  mit  der  Bechten  bereits 
die  Mütze  des  Gegners  berührt.  Die  phrygische  Kopfbedeckung 
lässt  wohl  keinen  Zweifel  übrig,  dass  wir  diese  Darstellung  mit  Beeht 


^)  In  dem  Verzeichnisse  der  Vasen  bei  Klein  liegt  bei  Nro.  6  „Kleine 
Amphora  in  Florenz.  BuU.  1870,  p.  180'*  wohl  eine  Verwechselung  vor 
mit  der  a.  0.  p.  186,  18  angefOhrten  picccHa  amfwa  a  fiyure  rotw.  An 
die  Stelle  dieser  fälschlich  eingereihten  setze  ich  als  lifro.  6  München 
818.  —  *)  Klein  p.  85,  Nro.  18.  20.  21.  28.  --  ")  Zu  den  beiden  Bossen 
vgl  p.  611  f.  —  *)  München  818.    Neapel  2612  »  Klein  Nro.  14. 

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Verh.  d.  gr,  VaAenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  607 

auf  unseren  Mythus  beziehen.  Der  Annahme  einer  Einwirkung  der 
Tragödie  steht  bei  dieser  Vase  nichts  im  Wege.  Ebenso  kann  man 
dieselbe  annehmen  bei  drei  weiteren  rfgn.  Vasen  ^),  in  denen  eben- 
falls ein  Mann  einen  reitenden  Knaben  oder  Jüngling  verfolgt,  nur 
dass  Troilos  nicht  mit  gleicher  Sicherheit  erkannt  werden  kann.  In 
Nro.  19  (Elein)  befindet  sich   hinter  Achilleus  Altar  und  Lorbeer. 

in.  IV.  Tod  des  Troilos  und  Kampf  um  seine  Leiche. 

Auch  die  Vasenbilder  zu  diesen  beiden  Scenen  ermöglichen  uns 
in  sicherer  Weise,  unsere  Kenntniss  der  Kjprien  zu  erweitem.  Es 
scheint  wünschenswerth,  die  Besultate  hier  yoranzustellen:  die  Be- 
grOndung  wird  nachher  in  der  Betrachtung  der  Vasen  sowie  durch 
die  darangeknüpften  Bemerkungen  gegeben  sein.  ^Troilos  wird  von 
Achilleus  erreicht  und  an  oder  auf  dem  Altare  des  ApoUon  getödtet. 
Achilleus  schlagt  ihm  das  Haupt  ab;  eben  hat  er  die  blutige  That 
vollbracht,  als  die  Troer  dem  Troilos  zu  Hülfe  eilen  (denen  Achilleus 
den  Kopf  des  Gemordeten  zuschleudert?).'  Bezüglich  des  Ausgangs 
ist  die  Vermuthung  Kleins,  p.  83.  87,  äusserst  entsprechend,  nach 
der  Achilleus  auf  Befehl  der  Götter  den  Todten  seinen  Feinden  über- 
liess.  Die  Tragödie  stimmt  im  Allgemeinen  mit  den  Kjprien,  nur 
darüber  sind  wir  im  Ungewissen,  ob  auch  in  ihr  dem  Troilos  das 
Haupt  abgeschlagen  wurde. 

Die  Vasen,  die  in  Betracht  kommen,  sind: 

Schwarzfigurig : 

A.  Overb.  40.  XV,  11.    Weloker  39.    Aroh.  Zeit.  1868,  p.  86. 

112. 

B.  Overb.  41.  Welcker  39.    München  65. 

C.  Overb.  43.  München  124. 

D.  Overb.  44.  Br.  M.  473.    Arch.  Zeit.  1856,   Taf.   91,   2, 

p.  230  f. 

Rothfigurig: 

E.  Overb.  38.  XV,  6.    Conze,  Vorlegebl.  V,  6,  2. 

F.  Overb.  39.  XV,  5.    Conze  V,  6,  1. 

G.  Arch.  Zeit  1871,  Taf.  48,  p.  57.  71. 

H.  Jahn,  Telephos  und  Troilos  und  kein  Ende,  Taf.  2,  mon.  X, 
22,  2.  atmal.  1875,  p.  196.    Campana  IVc,  607. 

p.  Neapel  SÄ.  703]. 

A.  Achilleus  hält  in  der  Linken  die  Hand  eines  Knaben,  der 
auf  einem  Altar  steht,  und  zückt  in  der  Rechten  das  Schwert,  um 
denselben  zu  durchbohren.  In  der  Nfthe  der  Stadt,  über  deren 
Mauern  die  Köpfe  zweier  Troer  hervorragen,  findet  die  blutige  Scene 
statt    Aus  dem   Thore  schreitet  ein  gerüsteter  Krieger,  während 


^)  mein  Nr.  19  »  Overb.  863,  23.    Klein  Nro.  22  »  Neapel  1806. 
Klein  Nro.  24  »  Overb.  867,  26. 


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608  H.  Lnckenbach: 

ein  zweiter  neben  dem  Thore  steht.  Rechts  und  links  die  Vorder- 
theile  von  vier  Pferden ,  die  ich  nur  als  die  Viersgespanne  des 
Achilleus  und  eines  seiner  Gegner  betrachten  kann.  Freilich  be- 
hauptet Klein  p.  86,  dass  das  Viergespann  hinter  Achilleus  wegen 
der  mythischen  Unmöglichkeit  diesem  nicht  gehören  kann.  ^Offen- 
bar ist  es  Troilos'  Gespann;  er  hat  es  um  den  Altar  des  Gottes  ge- 
tummelt, hier,  nicht  an  der  Quelle,  wie  die  ältere  Wendung  erzählte, 
wird  er  von  Achill  über&llen.'  Es  soll  demnach  das  Bild  von  der 
epischen  Darstellung  abweichen  und  in  demselben  *eine  gründliche 
Veränderung  des  Mythos'  heryortreten.  Auf  p.  87  heisst  es  dann 
weiter:  ^Später  erleidet  die  Sage  eine  wesentliche  Abktlrzung. 
Troilos  hat  sich  auf  eigene  Faust  vor  des  Thor  gewagt,  sein  Ge- 
spann oder  seine  Reitpferde  im  Haine  des  Gottes  zu  tummeln'.  Als 
Quelle  des  Bildes  sieht  also  Klein  die  Tragödie  des  Sophokles  an. 
Allein  wenn  wir  vorhin  den  Unterschied  der  Tragödie  vom  Epos 
richtig  erkannt  haben  und  in  beiden  Dichtungen  Troilos  zur  Quelle 
ritt,  so  muss  von  neuem  die  Frage  aufgeworfen  werden,  wem  denn 
das  Gespann  gehört.  Wenn  ich  richtig  urtheile,  so  dürfen  wir  nicht 
zu  grosses  Gewicht  auf  derartige  Nebensachen  legen.  Entsprechend 
dem  anderen  Gespann  ist  auch  dieses  gemalt,  das  wir  getrost  ftir 
Achill  in  Anspruch  nehmen  können.^)  Aber  selbst  wenn  es  dem 
Troilos  gehören  sollte,  so  wäre  damit,  wie  bemerkt,  die  Einwirkung 
der  Tragödie  nicht  erwiesen,  die  in  dieser  sfgn.  Hydria  zu  erkennen 
ich  Bedenken  trage. 

Auch  in  B  finde  ich  nichts,  wodurch  wir  eine  Abhängigkeit 
vom  Epos  zu  leugnen  irgendwie  genöthigt  würden.  Achilleus  hält 
den  nackten  Knaben  am  Beine  gefasst,  um  ihn  am  Altar,  auf  dem 
ein  mit  einer  Binde  geschmückter  Dreifuss  steht,  zu  zerschmettern. 
Hinter  ihm  sitzt  am  Erdboden  ein  Greis,  der  die  um  Troilos  Trauern- 
den vertritt,  gewiss  aber  nicht  als  Pädagoge  des  Troilos  zu  bezeichnen 
ist,  wie  Welcker  und  Jahn  wollen.  Klein  nennt  ihn  Priamos,  eine 
Benennung,  deren  Richtigkeit  fraglich  ist,  besonders  wenn  wir  den 
ganz  ähnlich  dasitzenden  Halimedes  bei  der  Ausfahrt  des  Amphiaraos 
man.  X,  4.  5  vergleichen.  Athena  steht  abgewandt  vor  den  Pferden 
eines  Viergespanns,  das  aus  dem  Stadtthore  fährt.  Neben  demselben 
sind  zwei  Krieger,  einer  mit  phrygischer  Mütze,  sichtbar. 

C.  Hektor,  Aineias,  Deiphobos')  und  ein  vierter  Troer,  von 
dessen  Namen  nicht  mehr  lesbare  Spuren  vorhanden  sind,  stehen  im 
Kampfe  gegen  Achilleus,  um  ihm  den  Leichnam  des  Troilos  zu  eni- 
reissen,  der  unten  neben  dem  Altar  liegt,  indess  sein  Kopf  zwischen 
den  Speeren  des  Achilleus  imd  Hektor  schwebt.  Hinter  Achilleus 
Athena  und  Hermes.    Das  Alter  der  Vase  gestattet  nicht,  an  den 


')  Vgl.  Neapel  EC.  205:  ein  Mann  umfasst  eine  fliehende  Fraa. 
Daneben  die  Vordertheile  von  vier  Pferden.  Vgl.  femer  im  Folgenden  D. 
—  ■)  Zu  diesem  Namen  vgl.  Arch.  Zeit.  1876,  p.  111. 


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Yerli.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  609 

Einfluss  des  Sophokles  zu  denken,  den  ich  auch  aus  demselben 
Grunde  bei  dem  folgenden  Bilde  zu  leugnen  nicht  anstehe. 

D.  Achilleus  steht  auf  den  Stufen  des  Altars;  eben  erst  hat  er 
die  blutige  That  vollbracht;  das  Haupt  des  Troilos  hat  er  noch  in 
der  Rechten,  um  es  den  Feinden  zuzuschleudem,  die  herbeigeeilt 
sind,  um  den  Leichnam  des  Troilos,  der  auf  dem  Altare  liegt,  zu 
retten.    Hinter  Achilleus  sein  Viergespann. 

Die  rfgn.  Vasenbilder  führen  uns  wieder  eine  frühere  Situation 
als  C  D  vor. 

E  und  F  sind  Aussen-  und  Innenbild  derselben  Schale  des 
Euphronios.  Während  wir  in  dem  anderen,  E  gegenüberstehenden 
Aussenbilde  der  Schale  die  Rüstung  der  Troer  vor  uns  sehen, 
schleppt  Achilleus  in  E  den  Troilos  zum  Altar,  auf  dem  ein  Drei- 
fuss  steht.  Zwei  Palmen  umgeben  den  Altar,  über  dem  ein  Lorber- 
zweig  sichtbar  ist.  Die  beiden  Bosse  des  Troilos  sprengen  davon. 
In  F  ist  Achill  im  Begriffe,  den  Troilos  niederzumachen,  üeber  dem 
Altar  auch  hier  ein  Lorberzweig.  Ob  in  E  F  Drama  oder  Epos 
Quelle  ist,  weiss  ich  nicht  zu  entscheiden.  Für  das  Epos  könnte, 
wie  wir  später  sehen  werden ,  ein  schwacher  Anhalt  in  den  beiden 
Rossen  liegen. 

Nur  ungenau  ist  der  Mythos  in  G  zum  Ausdruck  gekommen. 
Achilleus  stösst  dem  Troilos,  der  mit  dem  verwundeten  Rosse  ge- 
stürzt ist,  das  Schwert  in  die  Brust;  hinter  Achilleus  entflieht  be- 
stürzt ein  bärtiger  Fhrjger,  die  Streitaxt  in  der  Hand  tragend. 

Für  H  hat  Jahn  a.  0.  eine  besondere  Qualle  angenommen,  nach 
der  Troilos  im  Kampfe  als  Krieger  £el.  Denn  auf  dem  Bilde  ist 
Troilos  mit  Schwert,  Helm  und  Schild  bewaffnet.  Die  Lanze  Achills 
hat  ihn  zu  Fall  gebracht;  aber  noch  zuletzt  versucht  er,  sein  Schwert 
zu  ziehen.  Zu  seiner  Vertheidigung  eilt  Aineias  herbei.  Auf  dem 
Reverse  ist  ein  Viergespann  gezeichnet,  welches  von  Autobnlos  ge- 
lenkt wird,  vielleicht  das  des  Achilleus.  Die  Inschriften  sind  im 
attischen  Alphabete  verüisst.  Auf  die  besondere  Wendung  der  Sage, 
die  sich  bei  Vergil,  Seneca  und  Qu.  Smjmaeus  befindet,  hat  Jahn 
mehrere  Reliefs  zurückgeführt,  und  es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass 
auch  unser  Vasenbild  sehr  gut  derselben  folgen  könnte,  wenn  nur 
irgend  welcher  Anhalt  gegeben  wäre,  dass  dieselbe  schon  im  fünften 
Jahrhundert  v.  Chr.  entstanden  wäre.  Ganz  anders  urtheilt  Klein 
p.  85,  indem  er  glaubt,  dass  die  Inschriften  aus  einer  ganz  gewöhn- 
lichen Kampfscene  eine  Troilosdarstellung  machen.  Indessen  scheint 
mir  dies  zu  weit  gegriffen;  das  jugendliche  Aussehen  des  Troilos 
darf  doch  nicht  übersehen  werden.  Von  Wichtigkeit  erscheint  mir 
ferner,  dass  Troilos  nicht  wie  Achilleus  und  Aineias  mit  dem  Panzer 
gerüstet  ist,  da  eine  theilweise  Bewaffhung  des  Troilos  wenigstens 
in  den  meisten  Vasenbildem,  die  der  Tragödie  folgen,  vorhanden  ist. 
Indem  ich  daher  weder  Jahn  noch  Klein  beipflicht^i  möchte,  erkenne 
ich  vielmehr  eine  ungenaue  Wiedergabe  des  Mythos, 


Jahrb.  f.  oUm.  Phil.  Suppl.  Bd.  XI.  3U 

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610  H.  Luckenbach: 

Mit  einem  sehr  geringen  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  wird  I 
auf  Troilos  gedeutet:  auf  einem  Altare  sitzt  ein  Jüngling,  flehend 
die  Rechte  dem  ihm  gegenüberstehenden  Jünglinge  entgegenstreckend, 
der,  lorberbekränzt  und  mit  der  Chlamys  versehen,  ein  Schwert 
schwingt. 

Nach  Aufzählung  der  Bildwerke  füge  ich  zur  näheren  Erlftu- 
terung  der  obigen  Bückschlüsse  für  die  Gestaltung  des  Epos  folgen- 
des hinzu. 

Dass  Troilos  an  oder  auf  dem  Altare  flQlt,  zeigen  die  sfgn. 
Vasenbilder  A  — D,  ferner  die  rfgn.  E  P  I.  Da  ferner  in  B  (sfg.) 
und  E  (rfg.)  ein  Dreifuss  auf  dem  Altare  steht  und  in  £  F  (beide 
rfg.)  über  demselben  ein  Lorberzweig  sichtbar  wird,  so  fült  Troilos 
am  Altare  des  ApoUon.*)  Ob  dieser  Altar  mit  dem  Thymbrftischen 
Heiligthum  des  Apollon  identisch  ist,  lässt  sich  aus  den  Vasen  na- 
türlich nicht  bestimmen,  und  übergehe  ich  deshalb  diese  Frage.*) 

^Achillens  schlägt  dem  Troilos  das  Haupt  ab.'  Wir  werden 
nicht  irre  gehen,  wenn  wir  aus  C  und  D  diese  Folgerung  aufs  Epos 
machen.  Zeigten  die  beiden  Bilder  denselben  Typus,  so  würde  sie 
gewagt  sein,  jetzt  aber  ist  sie  unbedenklich,  da  die  Bilder  bei  dem- 
selben Gesammtinhalte  doch  in  allen  Einzelheiten  verschieden  sind. 
Denn  in  C  hat  Achilleus  den  Kopf  bereits  weggeschleudert,  in  D 
hält  er  ihn  noch  in  der  Hand,  schickt  sich  aber  gerade  an,  ihn  den 
Gegnern  zuzuwerfen.  In  0  kämpft  er  mit  den  Feinden,  in  D  hat 
er  noch  die  Speere  in  der  Linken.  Statt  der  Götter  dort,  das  Vier- 
gespann in  D.  Der  Altar  ist  ganz  verschieden  geformt;  in  C  sieht 
er  einem  Omphalos  ähnlich,  in  D  ist  er  mit  Stufen  versehen;  in  C 
liegt  Troilos  am  Boden,  in  D  auf  dem  Altar:  in  C  ist  derselbe  weiss 
gemalt,  um  die  Zartheit  des  Körpers  hervortreten  zu  lassen,  in  D 
ist  derselbe  nicht  besonders  durch  die  Farbe  hervorgehoben;  kurz 
die  Darstellungen  sind  in  allem  so  verschieden,  wie  sie  es  bei  dem- 
selben Inhalte  nur  sein  können.  Gehen  sie  aber  nicht  auf  einen  ein- 
mal gebildeten  Typus  zurück,  so  haben  sie  jedes  für  sich  beson- 
deren Werth  und  für  uns  doppelte  Geltung.  Wenn  nun  endlich  auch 
auf  etruskischen  Aschenkisten')  ebenfalls  Achilleus  dem  Troilos  das 
Haupt  abgeschlagen  hat,  so  geht  dies  zur  Evidenz  auf  die  gleiche 
Quelle,  d.  h.  auf  Stasinos,  zurück.  Leicht  könnte  man  geneigt  sein, 
noch  einen  Schritt  weiter  zu  gehen  und  vermuthen,  dass  auch  im 
Epos  Achilleus  den  Kopf  des  Troilos  den  Feinden  zuschleuderte: 
denn  in  einem  Bilde  hat  Achilleus  dies  bereits  gethan,  im  andern 
schickt  er  sich  dazu  an.    So  wahrscheinlich  indess  mir  es  ist,  dass 


*)  Auch  in  Nr.  7  und  19  (Klein)  war  ein  Altar,  in  19  auch  ein 
Lorberzweig.  —  ')  Vgl.  Welcker,  alte  Denkm.  V,  p.  448;  Weizsäcker, 
Rhein.  Mus.  1877,  p.  66  ff.  Die  von  letzterem  vorgebrachten  Gründe 
scheinen  mir  nicht  gleichwerthig,  z.  Th.  sogar  falsch  zu  sein.  —  *)  Schlie, 
etrusk.  Aschenumen,  p.  113,  führt  dieselben  aufs  Epos  zurück,  anders 
Schreiber  p.  206. 


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Verb.  d.  gr.  Yasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  611 

auch  schon  der  Dichter  diesen  Zug  kannte,  bestimmt  möchte  ich  es 
nicht  behaupten,  da  es  wenigstens '  denkbar  wäre^  dass  die  beiden 
Maler,  unabhängig  Ton  der  Dichtkunst,  jeder  für  sich  zu  ihrer  Dar- 
stellung gelangten.  Dass  in  B  Achilleus  den  Knaben  am  Beine  ge- 
fasst  hftlt,  um  ihn  am  Aljiare  zu  zerschmettern,  kann  nichts  gegen 
den  fest  normirten  Satz,  dass  Achilleus  dem  Troilos  das  Haupt  ab- 
schlug, beweisen. 

^  Troer  eilen  dem  Troilos  zu  Hülfe.'  Schon  in  Bildern,  welche 
den  Achilleus  im  Hinterhalte  zeigten,  glaubten  wir  eine  Andeutung 
der  Hülfe  zu  finden,  die  dem  Troilos  zu  spät  sollte  zu  Theil  werden 
(b  d  e  f  g  h).  In  g  war  der  Vertreter  der  Troer  <t>WK0C  benannt. 
Deutlicher  rücken  dann  in  der  Fran9oisyase  (Klein  Nr.  l)  Hektor 
und  Polites  aus,  um  ihrem  Bruder  Hülfe  zu  bringen.  In  A  B  D 
eilten  unbenannte  Troer  herbei;  in  H  Aineias;  in  C  kämpften  Hektor, 
Aineias  und  Deiphobos.  Trotz  dieser  Namen  glaube  ich  nicht,  dass 
wir  für  einen  Helden  bestimmt  seine  Theilnahme  am  Kampfe  er- 
weisen können.  Dass  die  Fran9oi8Yase  zunächst  ohne  jede  Autorität 
in  dieser  Beziehung  ist,  zeigt  der  Vergleich  mit  den  Namen,  die  auf 
derselben  Vase  den  Wettfahrem  bei  den  Leichenspielen  des  Patro- 
klos  beigeschrieben  sind.  Dass  Hektor,  der  auch  in  D  wiederkehrt, 
beim  Kampfe  betheiligt  war,  ist  ja  an  und  für  sich  ganz  glaubhaft, 
nur  kann  es  nicht  aus  den  Vasenbildem  gefolgert  werden:  wenn  die 
Vasenmaler  nicht  bestimmte  Personen  des  Epos  im  Kopfe  hatten, 
so  lag  ihnei}  keiner  näher  als  gerade  Hektor,  und  wir  wissen  zur 
Genüge,  wie  gerade  bei  Kampfesscenen  mit  Namen  verfahren  wurde. 
Auch  fffir  den  Aineias  scheint  das  doppelte  Zeugniss  in  C  und  H  zu 
sprechen.  Allein  selbst  wenn  H  dem  Epos  und  nicht  der  Tragödie 
oder  einer  anderen  Quelle  folgte,  könnte  auch  seine  Gegenwart  zu- 
fällig sein.  Wir  müssen  uns  damit  begnügen,  dass  Troer  dem 
Troilos  zu  Hülfe  eilen;  wer  dieselben  waren,  lässt  sich  mit  Sicher- 
heit nicht  bestimmen. 

Alles  weitere,  was  die  Vasenbilder  an  die  Hand  zu  geben 
scheinen,  kann  ebensowohl  mit  dem  Dichter  stimmen,  als  auch  ihm 
entgegen  sein.  Ob  z.  B.,  um  nur  eins  anzuführen,  Achilleus  den 
Troilos  an  den  Haaren  vom  Bosse  riss,  oder  ob  dieser  von  dem- 
selben herunterstürzte,  oder  ob  endlich  das  Boss  mit  ihm  zusammen- 
brach, lässt  sich  aus  den  Vasen  nicht  folgern. 

Wir  erwähnten  schon  oben,  dass  Troilos  bald  mit  einem  Bosse, 
bald  mit  zweien  ausgeritten  ist.  Ein  näheres  Zusehen  lehrt,  dass 
in  fast  allen  Bildern,  die  sich  mit  Sicherheit  aufs  ETpos  zurück- 
führen lassen,  mögen  sie  schwarz-  oder  rothfg.  sein,  zwei  Bosse  ge- 
malt sind^),  dagegen  in  allen,  die  mit  Sicherheit  oder  Wahrschein- 

^)  Ausffenommen  sind  nur  g  (cäretanisch).  16.  17.  Dem  Drama  fol- 
gen yielleicnt  5  (s»  München  313).  14,  deren  Beziehung  auf  Troilos  jedoch 
nicht  über  allen  Zweifel  erhaben  ist.  Das  Nähere  von  6.  18  ist  mir  un- 
bekumi 


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612  H.  Lnckenliach.* 

lichkeit  der  Tragödie  folgen,  nur  ein  Boss.^)  Schreiber  a.  O.  p.  203 
hat  geschlossen,  dass  Troilos  iift  Epos  die  Bosse  seines  Vaters  hin- 
ansftLhrte,  in  der  TragjSdie  dagegen  nur  mit  einem  Bosse  Troja  yerliess« 
um  mit  dem  letzteren  za  beginnen,  so  kann  ich  nnr  mit  Schreiber 
fibereinstimmen.  Wenn  der  Schol.  Dias  Q  257  berichtet  ^vreöOev 
Co90KXf)€  iv  TpoiXiji  qn^ctv  auröv  XoxTiOiTvai*)  uiro  *AxiXX^uk 
iTTTTOuc  TU|uiv6ZovTa  TTopa  To  Gu^ißpaiov  Kai  äiroOcrveiv  nnd 
Enstathias  sagt  6v  qMXCiv  fiiTTOuc  dv  tw  Oufxßpatui  Tu^vä2[ovTa 
XÖTX^  TT€C€iv  xmö  'AxtXXduic,  so  haben  wir  gewiss  nicht  das  Becht, 
den  Plural  besonders  zu  pressen  und  daraus  zu  entnehmen,  dass 
nach  Sophokles  Troilos  mit  zwei  Bossen  auszog;  die  Worte  sind 
ganz  allgemein  zu  nehmen:  Troilos  war  eben  der  ^Bossetnmmler'. 
In  den  übrigen  Vasen  finden  wir  meist  zwei  Bosse:  ist  deshalb  nun 
der  Schluss  Schreibers  gestattet?  Ganz  gewiss  nicht  Wenn  wir 
sehen,  wie  der  Künstler  nicht  das  homerische  Zweigespann,  sondern 
das  Viergespann  malte,  dann  wird  er  doch  auch  wohl  nach  seinem 
Belieben  dem  Troilos  ein  oder  mehrere  Bosse  gegeben  haben.  Ja 
wir  dürfen  sogar  sagen,  dass,  wenn  Troilos  im  Epos  mit  zwei  Bossen 
ausgeritten  wftre,  deshalb  der  Künstler  sich  nicht  im  mindesten 
gebunden  haben  würde,  ebensowenig  wie  er  es  uns  jemals  ver- 
anschaulicht hat,  dass  die  Geehrten  des  Odjsseus  jeder  unter  den 
mittelsten  dreier  Widder  angebunden  entrannen.  Aber  es  war  tarn 
einmal  korinthische  Sitte,  zwei  Bosse  zu  malen.  In  den  korin- 
thischen Kampfscenen  warten  die  Knappen  mit  zwei.  Bossen;  wo 
aber  ein  C&retanischer  Künstler  malt,  finden  wir  nur  eins;  und  auch 
in  g,  einer  in  Caere  gefundenen  Vase,  ist  Troilos  mit  einem  Bosse 
ausgeritten  (vgL  annal,  1866  p.  275  —  291).  Dass  aber  auch  in 
den  rfgn.  Vasen,  die  dem  Epos  folgen  (Nr.  18.  20.  21.  23),  zwei 
Bosse  sind,  rührt  daher,  dass  eben  den  Attikem  die  peloponnesischoi 
Typen  vorlagen.  Wo  dies  nicht  der  Fall  war,  und  sie  selbstftndig 
nach  dem  Drama  zeichneten,  wählten  sie  nur  ein  Boss.  An  und  für 
sich  sollte  man  doch  voraussetzen,  dass  Stasinos  den  Troilos  mit 
dem  Bosse  ausziehen  Hess,  auf  dem  er  eben  reitend  sass,  und  dies 
ist  denn  auch  meine  Ansicht«  Die  Vasenbilder  k{)nnen  jedenfieklls 
uns  nichts  lehren.  ErwShnt  sei  noch,  dass  auch  in  den  etruskischen 
Aschenkisten  immer  nur  ein  Boss  vorhanden  ist,  und  dass  es  beim 
SchoL  Q  267  hiess  o\  veurrepoi  (d.  L  Stasinos)  ^9'  Iirirou  biiUKÖ- 
|Ll€VOV  ktX. 

Bisher  habe  ich  es  yermieden,  von  der  Bewaffnung  des  Troilos 
zu  sprechen;  Schreiber  hat  es  p.  294  zu  Besultaten  gebracht,  die 
z.  Th.  Wahres  in  sich  schliessen,  in  ihrer  Uebertreibnng  jedoch 
falsch  sind«  Ausgehend  von  Nr.  23,  wo  Troilos  auf  der  Flucht  sich 
gegen  Achilleus  umwendend  mit  offenbarem  Ungeschick  in  beiden 


*)  a— €.  19.  22.  24.  26  (=-6««.  1870  p.  186,  18).  —  »)  So  Cavedoni. 
öxcuefivai  codd.    XorxcuOflvai  Welcker.    Xoxcuefjvai  (?)  Klein  p.  79,  2. 


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Yerh.  d.  gr.  Yasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  613 

Hftnden  zwei  Lanzen  führt,  mit  denen  er,  wie  es  scheint,  einen 
schwachen  Versach  zu  seiner  Yertheidigung  macht,  erblickt  Schreiber 
hierin  einen  neuen  Zug  der  Tragödie.  Auf  die  gleiche  Quelle  wer- 
den h.  k.  T-  2. 8  (=  Schreiber  Nr.  4  und  5).  15. 20.  de  Laborde,  vases 
Lamberg  I  96*)  zurtlckgeftthrt,  in  denen  Troilos  eine  oder  zwei 
Lanzen  führt,  femer  a,  wo  der  Sklave  die  Lanze  des  Herrn  häli 
Diesen  hätte  Schreiber  noch  €,  wo  der  Jüngling  mit  einer,  und  b, 
sowie  Nr.  25,  in  denen  er  mit  zwei  Lanzen  bewaffnet  ist,  beifügen 
können.  Da  im  Epos  nach  Schreibers  Ansicht,  die  ich  übrigens 
theile,  Troilos  unbewaffnet  auszog^  so  müssen  diese  Bilder  alle  we- 
nigstens in  Bezug  auf  die  Lanze,  aufs  Drama  zurückgehen.'  Zwei 
Consequenzen  zu  ziehen,  scheut  sich  Schreiber  nicht. 

1.  Dah.  k.  2.  8.  15.  vases  Lamberg  I  95  sfg.  sind,  so  müssen  sie 
archaisiren. 

2.  Da  h.  k.  2.  8. 15. 20.  23  im  übrigen  dem  Epos  folgen  —  denn 
weder  Polyxena  noch  der  Krug  fehlen*)  — ,  so  haben  die  Bemaler 
dieser  Yasen  zwar  den  alten  Typus  beibehalten  und  sind  dem  Epos 
gefolgt;  nur  den  einen  Zug,  dass  Troilos  eine  Lanze  trägt,  über- 
trugen sie  aus  der  Tragödie  in  die  Darstellung  hinein. 

Eine  weitläufige  Widerlegung  dieser  Ansichten  halte  ich  für 
unnöthig.  Yergebens  bemüht  sich  Schreiber,  zu  beweisen,  dass  die 
betreffenden  Yasen  bald  mit  mehr,  bald  mit  weniger  Glück  archai- 
sirt  haben.  Nicht  weniger  als  6  Yasen  sollen  ferner  den  neuen  Zug 
der  Tragödie  in  die  alten  Darstellungen  übertragen  haben,  da  man 
die  Poljxena  nicht  missen  wollte.  Und  welches  ist  der  neue  Zug 
des  Dramas?  Nun  Troilos  hält  die  Lanze  in  seinen  Händen.  Man 
wird  glauben,  dass  er  sich  muthig  vertheidigen  wird.  Allein  dies 
ist  keineswegs  der  Fall.  Er  hat  sie  bloss  in  Händen,  um  —  keinen 
Gebrauch  davon  zu  machen.  Weshalb  der  Künstler  dazu  des  Dra- 
mas bedurfte,  um  dem  Troilos  eine  Lanze  in  die  Hand  zu  geben, 
ist  schwer  einzusehen. 

Auffallender  dagegen  ist  es,  dass  in  den  Yasenbildem,  die  sicher 
aufs  Drama  zurückgehen  (^—e)^  Troilos  bewaffnet  ist;  da  er  in  t 
b  €  eine  oder  zwei  Lanzen  trägt/ in  a  sie  vom  Diener  tragen  lässt 
und  in  ß  mit  einem  Panzer  gerüstet  ist.  Auch  in  Nr.  25,  das  wahr- 
scheinlieh  dem  Drama  folgte,  trägt  Troilos  in  der  Linken  zwei  Lan.- 
zen,  und  endlich  war  er  in  H  mit  Helm,  Schild  und  Schwert  bewaff- 
net. Diese  Thatsache  legt  allerdings  den  Schluss  nahe,  dass  bei 
Sophokles  Troilos  bewaffnet  war,  d.  h.  dass  er  auszog,  um  sich  im 
Speerwerfen  zu  üben;  aber  den  stricten  Beweis  halte  ich  durch  diese 
Yasen  noch  nicht  für  erbracht. 


^)  Achilleus  liegt  verborgen  hinter  Beinern  Schilde.  Troilos  sitet 
bewaffnet  zu  Pferde.  Der  Brunnen  und  Polyxena  fehlen.  —  *)  In  Nr.  15 
auB  Miflsverständniss  statt  der  Polyzena  eine  Amazone. 


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614  H.  Lackenbach: 


%.  14.    Die  Aithiopis. 

Memnon. 

Ausser  Arktinos  hatten  Aischylos  und  Sophokles  die  Sage  vom 
AethiopenfÜrsten  Memnon  behandelt,  Aischylos  in  seinem  Memnon 
und  in  der  Psychostasie;  Sophokles  im  Memnon  und  in  den 
Aethiopen.*) 

Es  wird  wünschenswerth  sein,  das,  was  uns  die  literariscbe 
Ueberlieferung  für  das  Epos  an  die  Hand  giebt,  zusammenzustellen. 
Proklos  überliefert  xai  6^Tic  tuj  Traibi  xd  Kaxä  xöv  M^fivova  npo- 
X^Tcr  Kai  cu^ßoXnc  T€VO^i^VTic  'AvxiXoxoc  uirö  M€^vovoc  ävaipcirai, 
fTTCixa  'AxiXXeuc  M^^vova  xxeivei.  Kai  xouxip  ^kv  'Hüjc  ttopa  Aioc 
aixr)ca^^VTl  dOavaciav  bibuici.  Einen  Theil  dieses  Inhalts  giebt 
uns  auch  das  von  Jahn  (Bilderchroniken  Taf.  III,  D^)  publicirte 
Marmorfragment,  welches  nach  der  Dichtung  des  Arktinos  verfertig 
ist.  Es  heisst  daselbst  Md^vuiv  'AvxiXoxov  diroKxeivei.  'AxXXeuc 
M^livova  diTOKxeivei. 

Welcker  hat  diese  lückenhafte  Tradition  zu  ergänzen  gesucht 
(Ep.  Cycl.  U,  173  ff.)-  Die  Wahrsagung  der  Thetis  habe  sieb  ge- 
wiss nicht  auf  den  Memnon  beschränkt,  sondern  habe  das  Vordringen 
des  Achilleus  bis  in  das  Skäische  Thor  und  dessen  eigenen  Tod  um- 
fasst.  Deshalb  habe  sich  anfangs  Achilleus  ganz  vom  Kampfe  zu- 
rückgehalten und  sei  erst  nach  dem  Falle  des  Antüochos^  um  diesen 
zu  rächen,  in  den  Kampf  gezogen.  Der  Beweis  fUr  diese  Hypothese 
scheint  mir  nicht  erbracht.  Dass  Thetis  dem  Achilleus  auch  den 
eigenen  Tod  als  Folge  Ton  Memnons  Tode  darstellt,  liegt  keines- 
wegs so  auf  der  Hand,  wie  Welcher  meint.  Damit  hängt  zusammen^ 
dass  Achilleus  sich  gar  nicht  vom  Kampfe  zurückgehalten  zu  haben 
braucht;  auch  Qu.  Smyrnaeus  lässt  den  Achüleus  auf  der  anderen 
Seite  kämpfen  und  ihn  erst  später  zur  Vertheidigung  des  Sohnes 
gerufen  werden  (II,  388  ff.).  Die  Berufung  auf  Philostratos  Her.  3, 4 
ist  nicht  von  grossem  Gewichte^),  und  wenn  Welcker  glaubt,  Arkti- 
nos habe  nach  Analogie  des  Homer  gedichtet  und  an  die  Stelle  des 
Patroklos  den  Antilochos  gesetzt,  so  ist  diese  Annahme  durchaus 
unnöthig;  und  es  lässt  sich  nachweisen,  dass  die  Nachahmung 
Homers  seitens  der  Kykliker  bei  weitem  nicht  so  ausgedehnt  war, 
wie  Welcker  annimmt.  Wie  sich  indess  dies  verhalten  mag;  jeden- 
falls kämpft  Achilleus  mit  Memnon,  um  seinen  Freund  am  Feinde 
zu  rächen. 

Weiter  sagt  Welcker  a.  0.  p.  175:  ^Aus  Aischylos  und  llber- 
einstimmenden  alten  Kunstwerken  müssen  wir  femer  schliessen,  dass 


0  Vgl.  G.  Hermann  opusc.  VII,  343  ff.  Welcker,  Trilogie  p.  430; 
Tragödien  I,  136.  Kitzsch,  Sagenpoesie  p.  607.  —  *)  Dieser  könnte  z.  B. 
aus  Aischylos  geschöpft  haben,  wie  mir  wahrscheiiilich  ist 


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Verb.  d.  gr.  Vasenbilder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  615 

die  Psychostasie  vom  Kampf  des*  Acbilleus  mit  Hektor  auf  diesen 
andern  grossen  Entscheidungskampf  von  Arktinos  übertragen  war/ 
Dazu  bemerkt  er  in  einer  Note,  der  Granunatiker,  der  zu  Homer 
6  70  und  X  210  den  Aiscbylos  dies  aus  Homer  schöpfen  lasse,  habe 
des  Arktinos  uneingedenk  sein  können.  Allein  die  Annahme  Welckers, 
die  AnklaDg  gefanden  zu  haben  scheint^),  entbehrt  des  Beweises« 
.Es  hätte  doch  für  den  Scholiasten  nahe  gelegen,  die  Stelle  des 
Arktinos  herbeizuziehen  und  aus  ihm  direct  den  Aiscbylos,  dagegen 
nicht  aus  der  Hias  schöpfen  zu  lassen.  Entscheidend  jedoch  scheint 
mir  eine  Stelle  bei  Plutarch  de  audiendis  poetis  16  F,  die  ich  hier 
wörtlich  wiedergebe.  ToiaOia  TOp  ^CTiv,  S  TiXotTTOUciv  djcövTec  oi 
TToiTiTai.  TTXeiova  bi.  &  jif|  TiXaTTovrec  dXX*  olö|ievoi  Kai  boHot- 
Zovrec  aöroi  Trpocavaxpwvvuvrai  tö  HieOboc  f||iTv  olov  im  toö 
Aide  elpiiKÖTOC  'OjLxf^pou 

^v  b*  iTiGei  b\5o  Kflpe  xavriXeTeoc  GavdToio 

xfiV  \lkv  *AxiXXflOC  xflV  b '  "eKTOpOC  ITTTTObdliOlO, 

?XKe  bk  ixicca  Xaßiiv.    pi-ne  b*  *'eKTopoc  aTci|iov  fjjLiap 
uixero  b'  elc  'Atbao,  Xmcv  bl  ^  OoTßoc  'AttöXXuüv 

TpaTiüöiav  6  AtcxuXoc  8t<r\v  t(|>  jiü0iü  Trepi^GnKev  tmfp&\\fac  vpuxo- 
cxaciav  kqi  irapacrricac  raic  irXdcTiYHi  loO  Aiöc  fvOev  jixtv  ttjv 
G^Tiv  fvGev  bk  Tfjv  'Hw  beo|i^vac  vnkp  toiv  uWuüv  liaxoji^viüV  toöto 
bk  TravTi  bnXov  öxi  |iu0O7ToiTma  Kai  irXdcina  Trpöc  fibovfjv  f^  ^KTtXTigiv 
dKpoaToG  T^TOV€.  Es  wäre  doch  sehr  bedenklich,  anzunehmen^  dass 
Plutarch  sowie  die  Scholiasten  die  Stelle  des  Arktinos  übersehen  haben 
sollten,  an  dessen  Erzählung  sich  Aiscbylos  zunächst  halten  musste. 
Aus  den  Stellen  scheint  mir  die  Schlussfolgerung  unabweisbar,  dass 
Arktinos  die  Psychostasie  nicht  kannte*).  Aus  den  Worten  des 
Plutarch  aber  gewinnen  wir  über  die  Darstellung  des  Aiscbylos 
weiteren  Aufschluss :  um  Me  Wage  des  Zeus  treten  Thetis'*und  Eos 
und  bitten  für  ihre  Söhne. 

Nachdem  Memnon  gefallen,  heisst  es  bei  Proklos  weiter  Kai 
TOUTi})  \iky  'Hujc  Trapd  Aiöc  alxTicaiadvTi  dGavaciav  bibuici.  Diese 
Worte,  meint  Welcker,  Hessen  sich  nicht  anders  verstehen,  als  dass 
Eos  den  Sohn  an  einen  Ort  getragen  habe^  der  für  unsterbliches 
Dasein  bestimmt  war.  Allein  auch  hier  ist  der  Schluss  Welckers 
nicht  zwingend;  nichts  würde  im  Wege  stehen,  dass  andere  den 
Memnon  daTontrugen,  z.  B.  Titvoc  und  OdvaTOC  auf  Geheiss  des 
^Zeus  oder  Windgötter  auf  den  Befehl  der  Eos,  wie  Qu.  Smymaeus 
es  uns  schildert  (ü,  649). 

»)  Vgl.  E.  B.  annäi,  1867,  p.  118.  Preller,  Gr.  Mythol.  II,  p.  437  — 
')  Richtig  bemerkt  Welcker  in  seiner  Trilo^ie  p.  432 :  'die  vorzüglichste 
Erfindung  des  Aischylos  war  die  Psychostasie  nach  dem  Muster  derllias'. 
Dass  Qu.  SmymaeuB  die  PsychosiEusie  kennt  (II,  639),  kann  natürlich 
nichts  für  den  Arktinos  beweisen. 


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616  H.  Luckenbach: 

Die  Bosse  des  Memnon. 

Wie  aas  den  Fröschen  des  Aristophanes  (v.  963)  hervorgebc, 
hatte  Aischylos  auch  die  Bosse  des  Memnon  besungen.  Enripiaes 
wirft  an  der  betreffenden  Stelle  seinem  grossen  Gegner  vor,  dtLSS 
er  M^fLivovac  Kiübiüv09aXapOTTi{)Xouc  geschaffen  habe.  Menmons 
Bosse  trugen  also  bei  Aischylos  als  Bnistschmuck  Schellen.  Wenn 
Welcker,  ep.  Cjcl.  II,  p.  173,  von  einem  Beitpferde  des  Memnon 
spricht,  welches  Aischylos  und  yermuthlich  vor  diesem  Arktinos  be- 
sungen hätten,  so  ist  dies  eine  unbegründete  Annahme.  Für  das 
Epos  bin  ich  eher  geneigt,  eine  Schilderung  des  Bossegespannes 
als  des  Beitpferdes  vorauszusetzen.  Wie  in  der  Ilias  die  herrlichen 
Bosse  des  Bhesos  besungen  werden,  so  mögen  in  der  Aithiopis  die 
des  Memnon  als  schön  gepriesen  worden  sein.  Freilich  sehen  wir 
in  einem  rfgn.  Yasenbilde,  Overb.  XXI,  16,  den  Memnon  in  asiati- 
scher Tracht  auf  springendem  Bosse  dahinziehen;  ihm  voran  eilt  zn 
Fuss  in  gleicher  Tracht  ein  Genosse  die  Streitaxt  schwingend,  ein 
anderer  Krieger  in  gewöhnlicher  Tracht  folgt  ihm.  Aus  diesem 
Bilde  kann  jedoch  nichts  gefolgert  werden,  weder  fUr  das  Drama, 
noch  fürs  Epos.  Wenn  ferner  in  einem  andern  Bilde,  Overb.  515, 
37,  zwei  Beiter  mit  eingelegter  Lanze  auf  einander  eindringen,  so 
ist  es  Willkür,  darin  den  Zweikampf  des  Achilleus  und  Memnon  zu 
sehen.  Hätte  der  Künstler  einen  bestimmten  Kampf  im  Auge  ge- 
habt, so  würde  er  wie  auf  dem  Beverse  so  auch  hier  wohl  In- 
schriften verwandt  haben. 

Die  Bitte  der  beiden  Mütter  vor  Zeus 

führen  uns  mehrere  Kunstwerke  vor.^)  Da  in  der  Aithiopis  Thetis 
ihren  Sohn  vor  dem  Tode  des  Antilochos  von  der  Zukunft  unter- 
richtet, so  fällt  die  Bitte  der  Thetis  für  den  Arktinos  von 
selbst  weg. 

Der  Kampf  des  Achilleus  und  Memnon 

ist  in  einer  grossen  Anzahl  von  Yasenbildem  dargestellt.  Man  hat 
meist  jeden  Kampf  auf  diese  beiden  Helden  bezogen,  in  dem  zwei 
Frauen  zugegen  sind;  mit  welchem  Bechte  will  ich  hier  nicht  auf 
jedes  einzelne  Bildwerk  untersuchen.  Um  zunächst  bloss  von  den 
sfgn.  Bildwerken  zu  reden,  so  liegt  oftmals  der  Leichnam  des  Anti- 
lochos zu  den  Füssen  der  Kämpfenden,  z.  B.  Overb.  517,  43  —  45. 
520,  50.  51.  53.  München  328.  Neapel  2781.  buU.  1870  p.  187,  32; 
in  anderen  fehlt  derselbe,  ohne  dass  dadurch  die  Deutung  zweifel- 
haft wird.  Um  den  Antilochos  müssen  also  auch  im  Epos 
die  Helden  gekämpft  haben. 


*)  Paus.  V,  22,   2.    Overb.  626,  66.  XXXII,   10.     Overb.  629,   69. 
Gerhard,  Spiegel  396. 


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Verh.  d.  gr.  Vaaenbilder  a.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  617 

Oft  ahnen  wir  den  Ausgang  des  Kampfes  dnrch  die  Bewegung 
und  Haltung  der  dabeistehenden  Mütter.  Eos  wendet  sich  ab 
(Overb.  521,  58),  verhüllt  sich  (Neapel  SÄ.  120),  legt  bestürzt  die 
HSnde  aufs  Herz  (Overb.  520,  49),  stürzt  sich  zwischen  die  Käm- 
pfenden (Overb.  519,  48)  oder  äussert  irgendwie  ihren  Schmerz. 
Thetis  dagegen  treibt  oftmals  durch  ermunternde  Bewegungen  den 
Sohn  zur  Vollendung  des  Sieges  an.  Ohne  Zweifel  waren  auch  im 
Epos  die  beiden  Mütter  erwähnt,  in  welcher  Weise,  ist  nicht  zu 
sagen,  und  die  Vasenbilder  erlauben  uns  keinen  sicheren  Schluss 
aufs  Epos  zu  machen.  Es  sei  jedoch  gestattet,  die  Verse  des  Qu. 
Smjm.  anzufahren: 

i\iq>\  G^Tiv  Nnpnoc  uTrcpOuMOio  eurarpec 
ößpifiou  d|uiq)*  'AxiXfJoc  15'  äcTrera  b€l^alvovTo, 
beibie  b*  *HpiTev€ia  q)iXi}i  Trepi  traibi  Kai  aini\ 
iTmoic  d^ßeßauia  bi'-  alWpoc  (11,  498  ff.). 

Im  Unterschiede  von  den  sfgn.  Vasen  finden  wir  in  den  späteren 
Vasen  niemals  den  Antilochos;  wohl  deshalb,  weil  in  der  Psycho- 
stasie  des  Aischylos  nicht  um  den  Leichnam  des  Antilochos  ge- 
kämpft wurde.  Im  Memnon  des  Aischylos  wurde  der  Aethiopen- 
fürst  als  Sieger  über  den  Antilochos  gepriesen,  er  selbst  unterlag 
in  dem  zweiten  Drama,  der  Psychostasie,  dem  Achilleus.  Folgende 
rfge.  Darstellungen  sind  mir  bekannt  geworden: 

A  Overb.  523,  60.  XIX,  4.  Br.  M.  786* 

B        „       523,  61.  Br.  M.  836 

C        „       525,  63.  Br.  M.  811 

D  Arch.  Zeit.  1871  p.  11  und  168 

E  Overb.  524,  62.  XXII,  8 

P        „       526,  64 

G  Man,  VI,  5a.  armäl.  1857  p.  118. 

Von  diesen  weisen  uns  P  und  0  mit  Sicherheit  auf  das  Drama, 
da  in  ihnen  die  Psychostasie  mit  dem  Kampfe  verbunden  ist.  Die 
Psychostasie  geben  uns  dann  noch  zwei  weitere  Vasen: 

H  Overb.  527,  65.  XXII,  9  rfg. 

I    Bidl  1865  p.  144  sfg. 

Auch  in  der  letzteren  kämpfen  Achilleus  und  Memnon.  Wenn 
wir  vorhin  Becht  hatten,  dass  wir  die  Psychostasie  aufs  Drama  zu- 
rückfUhrten,  so  ist  I  eine  der  wenigen  sfgn.  Vasen,  die  das  Drama 
als  Quelle  benutzt  haben. 

Das  Innenbild  von  G  zeigt  uns  neben  einem  Altare  einen 
Jüngling  mit  einem  Gefässe  (Salbgefäss  ?)  in  der  Hand,  der  die 
linke  Hand  erhoben  und  in  den  Nacken  gelegt  hat  und  sich  mit 
einer  Frau  unterredet.  Der  Heransgeber  erinnert  an  die  Worte  des 
Proklos  Kttl  e^Tic  Ttf»  traibl  rd  Kaxd  töv  M^^ivova  TrpoX^Tei 
(L.  Schmidt,  amcd.  1857  p.  121  —  123).  Bezüglich  des  Altars  er- 
innert er  sodann  daran,  dass  kurz  vor  dem  Zweikampf  Achilleus  in 


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618  H.  Lnckenlmeb: 

Lesbos  von  dem  Morde  des  Thersiiee  gesfilmt  war.  Letzteres  be- 
darf keiner  Widerlegong;  dass  aber  der  Inhalt  des  Bildes  über- 
haupt nicht  das  gibt,  was  Schmidt  darin  sehen  will,  wUrde  mir  auch 
dann  gewiss  sein,  wenn  die  Anssenbüder  nicht  nach  der  Tragödie, 
sondern  nach  der  Aithiopis  gemalt  wären.^) 

Enffihrnng  der  Leiche  Memnons.*) 

Am  schwierigsten  bezüglich  ihrer  Quelle  ist  das  ürtheil  über 
die  Darstellungen,  die  xms  die  Entführung  der  Leiche  Memnons 
zeigen.  Für  Arktinos,  sahen  wir,  yerlSsst  uns  die  schriftliehe  Tra- 
dition; nach  einer  Tragödie,  wie  allgemein  angenommen  wird,  der 
des  Aischjlos,  hob  Eos  den  todten  Memnon  auf  und  flog  mit  ihm 
davon:  PoUux  IV,  130  f|  bk  T^pavoc  mx&vr\\ia  tcny  ix  ^eTCuipou 
KaTaq>€p6M€V0v  i(p*  äpiraTQ  cui^aToc,  &  loixPVf^^^  'Huic  äpnä- 
Ziouca  TÖ  cüj^a.  Nadi  Qxl  Smyinaeus  führen  auf  Geheiss  der 
Thetis  Winde  (diiTai)  den  Memnon  davon  und  tragen  ihn  zum 
Flusse  Asepos,  an  dem  die  Aethiopen  ihn  bestatten  (II,  549  ff. 
568  f.  580  ff.  586  ff.  642  f.). ')  Neben  diesen  Berichten  gibt  es  eine 
dritte  Nachricht,  der  zu  Folge  die  Aethiopen  sich  des  Leichnams  be- 
mächtigten, ihn  verbrannten  und  die  Asche  dem  Tithonos  zutrugen. 
So  erzfthlt  Diodor  11,  22,  5;  derselbe  nennt  jedoch  den  Memnon 
einen  König  der  Assyrier;  seine  Quelle  gibt  er  an  mit  den  Worten: 
trepi  M^v  ouv  toO  M^^vovoc  ToiaOr*  iv  xaic  ßaciXiKaic  dvorpa- 
q>aic  icTopcicOai  q>aciv  o\  ßdpßapoi.  An  diese  Version,  die  sich 
bei  Diodor  findet,  glaubt  Benndorf,  schliesse  sich  vielleicht  ein  Va- 
senbild mit  schwarzen  Figuren  an  (Benndorf,  Ghiech.  und  SiciL  Vas. 
n.  Tai  42,  2  p.  88):  zwei  Mohren  mühen  sich  ab,  den  Leichnam 
des  Memnon  aufzuheben,  über  dem  eine  geflügelte  Figur  schwebt, 
die  Benndorf  als  Ker  bezeichnet.  Es  fragt  sich  nur,  welche  Quelle 
dem  Vasenmaler  zu  Grunde  gelegen  hat  Fürs  Epos  wie  für  die 
Tragödie  nimmt  Benndorf  selbst  eine  andere  Version  an:  es  bliebe 
also  nur  Localsage  oder  etwa  eine  lyrische  Quelle:  denn  man  wird 
nicht  annehmen  wollen,  dass  der  Maler  etwa  nach  einem  historischen 
Vortrage  sein  Bild  angefertigt  habe.  Allein  es  ist  meiner  Ansicht 
nach  ganz  unthunlich,  hier  von  einer  besonderen  Version  reden  zu 
wollen.  Diodor  sowie  Dictys  IV,  8  und  Tzetzes,  Pi>sth(}m,  V,  345  ff., 
die  den  Memnon  von  den  Seinen  davongetragen  werden  lassen, 
müssen  hier  ganz  aus  dem  Spiele  bleiben.  Einer  schriftlichen  Ver- 
sion folgte  der  Maler  nicht;  dass  aber  Memnon  in  der  Schlacht  ge- 
fallen war,  wusste  er,  und  was  war  natürlicher,  als  dass  er  ihn 
von    zwei    Mohren    davontragen    Hess?      Für    die    Vasenmalerei 


*)  Achilleus  auf  dem  Seitenbilde  ist  blLrtig;  der  JüDgUng  im  Innern 
unbartig.  —  ")  8.  Seite  637,  Nachtrag.  —  »)  Qu.  Sm.  IV,  6  fahren  Wind- 
ffOtter  ('Avcfioi)  den  Glaukos  nach  Lykien.  AfUhol.  PcdaL  II,  775,  85S 
rahien  Zephyrlafte  die  Seligen  nach  Elysium. 


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YeriL  d.  gr.  Yasenbilder  e.  d.  Oed.  d.  ep.  Kyklos.  619 

war  dies  ein  günstiger  Gegenstand»  in  der  Poesie  war  eine  andere 
Scliildenmg.  Wie  beliebt  es  war,  den  Meninon  zwischen  Mohren 
darzustellen,  zeigen  zwei  httbsche  sfge.  Bildchen,  welche  uns  den 
Meninon  nmgeben  Ton  zwei  kransköpfigen  Mohren  vorführen.  ^)  Aat*h 
Polygnot  hatte  in  satner  Nekyia  den  Memnon  durch  einen  neUn- 
ihm  stehenden  Aithiopenknaben  charakterisirt  (Pausan.  X,  31,  \ 

Die  übrigen  Darstellungen  zerfallen  in  zwei  Gruppen;  in  de 
ersten  trfigt  Eos,  in  der  zweiten  tragen  zwei  geflügelte,  ganz  gerüstet 
Dämonen  den  Memnon  davon.    In  beiden  Gruppen  sind  schwarz-  un^ 
rothfge.  Bilder  zu  verzeichnen.  • 

I.   Eos  trägt  den  Memnon  davon: 
A  Overb.  532,  72.  XXU,  11. 
B  Heydemann,  Griech.  Yas.,  Hilfstaf.  1. 
C  Fröhner,  chaix  de  vases  grecs,  pl,  2,  musSes  de  France,  pl 
10.  Conze,  Yorlegebl.  YI,  7.*) 

A  ist  sfg.,  die  übrigen  rfg.  In  A  und  C  sind  Eos  und  Memnon 
durch  Inschriften  bezeichnet,  so  dass  an  der  Deutung  kein  Zweifel 
sein  kann. 

n.  Weniger  deutlich  sind  die  beiden  Yasenbilder,  in  denen  ein 
Leichnam  von  zwei  Dämonen  davongeführt  wird: 

D  Arch.  Anz.  1863,  p.  24*  Ö6.  hdl.  1864,  p.  175. 
E  Br.  M.  834.    Overb.  533,  75.  XXII,  14. 

D  ist  sfg.,  E  rfg.  In  E  umgeben  die  Mittelgruppe  zwei  Frauen, 
die  eine  durch  das  KiipuxeTov  als  Iris  charakterisirt,  die  andere  als 
Eos  gedeutet  Wer  aber  sind  jene  Dämonen?  etwa  Tirvoc  und 
OdvaTOC?  Dann  würde  man  in  D  ebensogut  mit  Heibig  den  Sarpedon 
erkennen  können;  für  E  könnte  die  Deutung  auf  Memnon  beibehalten 
werden,  und  man  würde  sagen,  dass  die  für  den  Sarpedon  ausgebildete 
Art  auf  den  Memnon  übertragen  sei;  vielleicht  aber  würde  auch 
£  auf  den  Sarpedon  zu  beziehen  sein;  Iris  wäre  an  ihrer  Stelle, 
und  mit  der  anderen  Frau  müssten  wir  uns  wohl  oder  übel  abfinden. 
Allein  ausser  dieser  letzten  Schwierigkeit  können  auch  die  Dämonen 
schwerlich  ''Ynvoc  und  6ävaT0C  sein.  In  zwei  rfgn.  Yasen  sehen 
wir  den  Hypnos  und  Thanatos,  geflügelte  Jünglinge,  die  nackte 
Leiche  des  Sarpedon  davontragen;  in  einer  derselben  ist  Hypnos 
durch  die  Inschrift  als  solcher  deutlich. 

a.  M<m.  YI,  21.  anncd.  1858,  p.  371. 

ß.  Beserve  är.  de  Luc.  Bonap,,  p.  13,  nro,  52.    Arch.  Zeit. 
1846,  p.  285,  17.   1853,  p.  109. 

Wenn  Brunn  in  a  wegen  des  auf  Achilleus  bezüglichen  Gegen- 
bildes hier  lieber  den  Memnon,  den  Gegner  des  Achilleus,  als  den 


>)  A  München  541. 

B  Overb.  613,  29.    Br.  M.  654*. 

')  Catai.  Pourtales-Crorgier  197  »  eatcd,  är.  nro.  70  ist  gleichfalls  auf 
EoB  und  Memnon  bezogen ;  eine  fliehende  Frau  weist  indess  eher  auf  den 
Eaub  des  Eephalos  lun. 

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620  H.  Lackenbach: 

Sarpedon  erkennt,  so  entbehrt  die  Deutung  jeden  Beweises  und,  wie 
ich  glaube,  jeglichen  Haltes.  Dass  Menmon  von  Schlaf  und  Tod  davon 
geführt  wird,  ist  weder  durch  schriftliche  Tradition  erzfthlt  uoch  bis 
ÄQtzt  in  Vasenbildem  nachgewiesen.  Zu  Gunsten  tou  Bronns  Er- 
soürong,  glaubt  Benndorf^),  lasse  sich  anftihren,  dass  das  Schema 
m  Hjpnos  und  Thanatos  auch  anderweitig  verwandt  und  in  gene- 
dll  poetischem  Sinn  auf  Bestattnngsscenen  fibertragen  worden  seL 
illein  dies  beweist  nichts  f&r  unser  Vasenbild;  die  Beziehung,  die 
3runn  zum  Beverse  sucht,  ist  dazu  eine  so  lockere,  dass  dadurch 
die  Deutung  nicht  als  erwiesen  gelten  kann.  Erst  muss  das  einzelne 
Vasenbild  aus  sich  gedeutet  werden,  und  dann  erst  mag  man  sehen, 
ob  irgend  ein  Ideenzusammenhang  mit  dem  Reverse  da  ist,  der  in 
den  meisten  Bildern  fehlen  wird.  Wahrscheinlich  also  beziehen  sich 
jene  beiden  Bilder  auf  Sarpedon  und  nicht  auf  Memnon.  Die  Jfing- 
linge  nun,  die  den  Sarpedon  davontragen,  sind  nicht  bewaffiiet  und 
unterscheiden  sich  dadurch  wesentlich  von  denen  in  D  E.  In  letzteren 
hat  zuerst  Birch^  Windgötter  erkennen  wollen^  Gerhard  und  Benn- 
dorf  sind  ihm  gefolgt,  wogegen  Overbeck  p.  534  sich  nicht  zu  ent- 
scheiden wagt.  Ist  diese  Deutung  richtig,  so  wfirden  wir  also  die 
Version  des  Qu.  Smymaeus  vor  uns  haben,  der  nach  alt«:  Poesie 
gedichtet  h&tte;  femer  aber  wfirde  sich  dann  zur  Erklftrung  der  ge- 
meinsamen Quelle  Arktinos  bieten,  der  abweichend  von  der  gewöhn- 
lichen Annahme  nicht  darch  Eos,  sondern  durch  Windgötter  den 
Memnon  davontragen  liess.  Nur  A  wfirde,  wie  es  scheint,  wider- 
sprechen.  Denn  es  ist  doch  wohl  ein  frfiharchaisches  Vasenbüd,  und 
ohne  Noth  wird  man  nicht  an  den  Einfluss  des  Tragikers  deaücen 
dfirfen;  allein  ich  glaube,  dies  würde  auch  nicht  nöthig  sein.  Wenn 
im  Epos  Eos  um  den  Memnon  Sorge  trug  und  den  Winden  befahl, 
ihn  davonzutragen,  so  war  es  für  den  Künstler  naheliegend,  statt 
dessen  Eos  selbst  darzustellen.  Dazu  fehlt  es  an  Analogien  nicht. 
So  holt  sich  z.  B.  man,  VI,  19  Agamemnon  selbst  die  Briseis;  Priamos 
naht  dem  AchiUeus  mit  einem  Geschenke^);  umgekehrt  wSgt  statt 
des  Zeus  Hermes  bei  der  Psychostasie,  und  andere  FSlle  dieser  Art 
werden  nicht  schwer  au&ufinden  sein.  Ich  sehe  demnach  keine 
Schwierigkeit  darin,  auch  die  Composition  in  A  dem  Vasenmaler 
zuzuschreiben.^)  Dass  dann  einer  der  Tragiker  spftter  den  Stoff 
gerade  so  behandelte,  kann  ja  weiter  auch  nicht  sonderlich  befrem- 
den. Es  ergibt  sich  also  als  wahrscheinliches  Endresultat,  dass,  wenn 
jene  D&nonen  Windgötter  sind,  Arktinos  den  Memnon  durch  Winde, 
einer  der  Tragiker  (Aischjlos?)  durch  Eos  davontragen  liess. 

Nicht  unerwShnt  darf  eine  andere  Möglichkeit  bleiben,  freilich 


»)  Giiech.  n.  Sicil.  Vaeenb.,  p.  89,  Anm.  446.  —  l  S.  Gerhard  AV. 
lU,  p.  137.  —  *)  S.  oben  p.  541,  Lösung  des  Hektor  E.  —  «)  Aehnlich 
die  archaische  Vaee,  in  der  Athena  in  beiden  H&nden  einen  Leichnam 
halt,  Arch.  Ans.  1866,  p.  296*,  4.  Die  gleiche  Darstellung  auf  einem 
Spiegel,  Gerhard  IV,  S61. 


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Yerh.  d.  gr.  Vasenbüder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eykloa.  621 

die  einzige,  die  sich  noch  bietet,  dass  nämlich  der  andere  Tragiker 
(Sophokles?)  die  Quelle  des  Qu.  Smymaeus  war.  D  müssie  in  diesem 
Falle  zu  den  letzten  Ausläufern  der  archaischen  Epoche  zählen, 
worCLber  natürlich  nur  der  Augenschein  belehren  kann;  A  würde 
dem  EpoB;  D  £  dem  einen,  B  C  dem  anderen  Tragiker  oder,  was  in- 
haltlich dasselbe  wäre,  dem  Epos  folgen. 

Todtenklage. 

Overb.  536,  77,  Mus.  Greg,  ü,  47,  2a.  Brunn,  Vorlegebl. 
Nro.  19.    Sfge.  Vase. 

unter  Bäumen  liegt  der  Leichnam  eines  Helden,  den  eine  Frau, 
schmerzbewegt  und  sich  das  Haar  raufend,  betrauert,  üeber  ihr 
sitzt  ein  Vogel  auf  dem  Zweige  eines  der  Bäume.  Hinter  ihr  liegen 
die  Waffen  des  Gestorbenen.  Man  hat  in  diesem  BUde  Eos  erkannt, 
die  den  todten  Memnon  betrauert.  Nach  Servius  zu  Vergils  Äen.  I, 
489  beweint  sie  jeden  Morgen  ihren  Sohn  und  ihre  Thränen  sind 
der  Morgenthau.    Bei  Qu.  Smymaeus  II,  609  klagt  Eos: 

dlXeo  jiGi,  q>\ke  xdKVOV,  d^  b*  fipa  juriidpi  tt^vGoc 
dpTaX^ov  TrepiGiiKac. 

Nach  der  Aithiopis  gab  Eos  dem  Memnon  die  Unsterblichkeit, 
und  man  würde  also  in  der  Vase  die  Trauer  der  Eos  erkennen  müssen, 
die  sie  anstellte,  bevor  sie  von  Zeus  Unsterblichkeit  für  ihren  Sohn 
erlangt  hatte. 

In  dem  Vogel  hat  man  einen  Bepräsentanten  der  trauernden 
Geehrten  Memnons  erkennen  wollen,  die  nach  Servius  zu  Vergils 
Äen.  I,  761  und  Qu.  Smymaeus  II,  642 ff.  in  Vögel  verwandelt 
wurdea  ^)  Wie  alt  diese  Sage  war,  weiss  ich  nicht  zu  sagen,  möchte 
ihre  Entstehung  jedoch  nicht  vor  die  alexandrinische  Epoche  setzen. 
Dagegen  mag  dem  Arktinos  die  weitverbreitete  Sage  von  Memnonischen 
Vögeln,  die  man  erst  später  aus  den  trauernden  Gefllhrten  Memnons 
entstehen  liess,  bekannt  gewesen  und  von  ihm  besungen  worden  sein. 
Schon  Polygnot  hatte  das  Gewand  des  Memnon  mit  Vögebi  geziert, 
in  denen  Pausanias  (X,  31,  2)  die  Memnoniden  erkennt,  indem  er 
ohne  Zweifel  die  Intention  des  Polygnot  uns  angibt  Allein  auf  dem 
Vasenbüde  ist  in  dem  Vogel  nur  ein  Bewohner  des  Waldes  zu  er- 
kennen. Denn  derselbe  gibt  durch  nichts  seine  höhere  Bedeutung 
kund,  er  wendet  sich  ab  von  Memnon,  und  endlich  würde  man  doch 
mehrere  Memnoniden  erwarten.  Verhältnissmässig  ebenso  grosse 
Vögel  finden  sich  auf  Bäumen  aller  Art  Mus.  Greg,  n,  95  =  mon. 
I,  32.  In  der  rfgn.  Vase  Neapel  3252  sitzen  ebenfalls  vier  Vögel 
auf  einem  Baume. 


^)  Vgl.  auch  Gramer,  anecdot.  Paris.  I,  p.  26.  Gleiches  Schicksal 
erleiden  die  Gefährten  des  Diomedes  nach  Lykophron  692  ff.  Ovid  mei, 
XIV,  497ff.    Vergil  ^cn.  XI,  272ff. 

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622  H.  Luckenbaoh: 

Hinter  Eos  liegen  die  Waffen  des  Todten.  Ob  in  der  Aithiopis 
Adiilleits  den  Memnon  spoliirte,  wissen  wir  nicht.  Bei  Qn.  Smyr- 
naeus  ü,  547  thnn  diee  die  Qefiüirten  des  Achillens;  IV,  457  heisst 
es,  dass  Aias  die  Waffen  des  MemnoB  von  Thetis  znm  Geschenk 
erhalten  hat.  Die  Erzfthlong  des  Qn.  Smyrnaons  kann  natürlich 
nichts  für  Arktinos  beweisen,  wohl  aber  dürfte  man  glauben,  dass 
sich  die  Beraubung  des  Memnon  von  selbst  ergab.  Freilich  darf 
man  dafür  nicht  geltend  machen,  dass  bei  der  WegfÜhrong  des 
Memnon  derselbe  immer  waffenlos  ist,  da  auch  Achilleus  oftmals 
ohne  Waffen  ist,  wenn  ihn  Aias  davonträgt,  wenigstens  in  allen 
Vasenbildem,  die  unzweifelhaft  durch  ihre  Inschriften  sich  auf 
Achilleus  und  Aias  beziehen.  ^)  Weitere  Schlüsse  auf  die  Aithiopis 
gestattet  die  Vase  nicht,  besonders  da  die  ganze  Deutung  nicht  über 
jeden  Zweifel  erhaben  ist.  Jedenfalls  könnte  sich  aus  ihr  auch  nur 
ergeben,  dass  Eos  den  todten  Sohn  beklagt 

Die  beiden  Yasenbilder,  Hejdemann,  Gr.  Yas.,  Hülfstafel  I  und 
Taf.  V,  2  =  Benndorf,  Gr.  Vas.  XXTTI,  2  —  CoUignon  380  müssen 
hier  bei  Seite  bleiben,  da  sie  keineswegs  mit  Sicherheit  die  Todten- 
ume  mit  der  Asche  des  Memnon  zeigen.  Auch  würde  man  die  Dar- 
stellungen der  Erfindung  des  Künstlers  zuschreiben  müssen. 

Kampf  um  des  Achilleus  Leiche. 

Overb.  540,  84.    XXm,  1.    Kirchhoff,  Alphabet*  p.  110,  2. 

Die  Vase  ist  chalkidisch,  der  Zeit  nach  ins  sechste  Jahrb.  zu 
setzen. 

Am  Boden  liegt  der  Leichnam  des  ganz  gerüsteten  Achillens. 
Ihm  hat  Glaukos  eine  Schlinge  um  das  linke  Bein  geworfen,  um  ihn 
zur  Troerseite  hinüberzuziehen.  Aber  seinen  Versuch  muss  er  mit 
dem  Leben  büssen.  Denn  die  Lanze  des  Aias,  hinter  dem  seine 
Helferin  Athena  steht,  hat  ihn  in  die  Seite  tödtlich  getroffen.  Nicht 
rettet  ihn  Paris,  der  selbst  entweichend  Pfeil  auf  Pfeil  gegen  den 
tapfe)*en  Sohn  des  Telamon  schiesst.  Hinter  Paris  eilen  noch  zwei 
Troer  zum  Kampfe,  Aineias  und  ein  anderer  unbenannter.  Ganz  zu 
verwerfen  ist  es^  wenn  man,  gestützt  auf  Qu.  Smymaeus  III,  214, 
daran  denkt,  ihn  Agenor  zu  nennen.  Hinter  diesem  sinkt  Leodokos, 
vom  Speere  des  Aias  tödtlich  getroffen,  nieder  zu  Boden.  Endlich 
eilt  noch  ein  letzter  Troer,  Echippos,  zum  Kampfe  hei-bei.  Auf  der 
anderen  Seite  hinter  Athena  verbindet  Sthenelos  dem  verwundeten 
Diomedes  den  Finger. 

Die  Zeichnung  ist  mit  grosser  Sorgfalt  angefertigt,  überall  tritt 
uns  das  Bemühen  des  Malers,  sein  Werk  möglichst  genau  und  prScise 
fertig  zu  stellen,  entgegen.  Gewiss  sind  wir  berechtigt  aus  diesem 
Bilde,  wenn  aus  irgend  einem  anderen  Bilde,  Schlüsse  aufs  Epos  tu 
machen.    Nicht  als  ob  Echippos,  Leodokos  und  Aineias  wirklich  nach 

^)  Die  doppelte  Darsteliung  auf  der  Fran9oi6vaBe.   Overb.  XXni,  S.  6. 

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Yerh.  d.  gr.  YasenbAder  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  623 

dem  Epos  gezeichnet  wSren;  denn  der  Name  Echippos  ist  gewiss 
dem  Künstler  zusnaehrabeB;  dasselbe  yennntbe  ich  von  Laodokos '), 
und  Aineias  war  als  der  hervorragendste  der  Troer  ganz  an  der 
Stelle.  Aber  die  Mittelgruppe  ist  so  charakteristisch,  dass  ich  nicht 
zweifle,  dass  dieselbe  dem  Epos  entnommen  ist.  Glaukos  ist  kein 
unbertthmter  Held,  und  er  ftUt  hier  durch  des  Aias  Hand  beim 
Kampfe  um  den  Achilleus.  Wollten  wir  hier  nicht  den  Zug  des  Epos 
erkennen,  so  müssten  wir  absichtlich  verlüiderte  Darstellung  an- 
nehmen. Aber  wir  dürfen  vielleicht  noch  weiter  gehen:  recht  gut 
könnte  der  Versuch  des  Glaukos,  den  Todten  zu  sich  herüberzu- 
ziehen, in  der  Dichtung  gesucht  werden,  besonders  da  der  Maler 
einen  solchen  Zug,  der  dem  Epos  wohl  ansteht,  aber  seiner  Zeit  fremd 
war,  nicht  leicht  erfindet:  derselbe  gehört  nicht  zum  Genrehaften. 
Freilich  hfttte  der  Maler  das  Vorbild  in  der  Ilias  finden  können. 
Denn  auch  hier  befestigt  ein  Troer  (Hippothoos)  einen  Strick  an 
des  Patroklos  Bein,  nm  ihn  zu  der  Troer  Reihen  hinüberzuziehen; 
auch  hier  bttsst  derselbe  seinen  kecken  Versuch  mit  dem  Tode,  und 
Aias  ist  es,  der  ihn  mit  dem  Speere  erlegt  Allein  dieselbe  Scene 
dem  Dichter  der  Aithiopis,  dem  Nachahmer  Homers,  absprechen  zu 
wollen^  liegt  kein  Grund  vor;  seltsam  jedoch  wäre  es,  wenn  der 
Maler  diesen  charakteristischen  Zug  aus  der  Ilias  entlehnt  und 
auf  den  Achilleus  übertragen  hStte.  Dagegen  muss  vor  weiteren  Fol- 
gerungen gewarnt  werden.  Allerdings  war  ja  die  Scene  der  Aithi- 
opis dem  Maler  noch  frisch  im  Gedächtnisse;  ob  aber  im  Epos  Aias 
den  Glaukos  in  die  Seite  traf  oder  an  einer  anderen  Stelle,  können 
wir  aus  dem  Bilde  schlechterdings  nicht  schliessen.  Wir  wissen, 
wie  ungenau  gerade  darin  die  Maler  verÜEihren  sind.  Dass  nun  Glaukos 
im  Kampfe  um  Achilleus  durch  Aias'  Hand  fiel,  erhält  einigermassen 
Bestätigung  durch  das  Zeugniss  des  Qu.  Smymaeus  HI,  278.'  Eben- 
derselbe nennt  als  die  wackersten  Kämpfer  auf  Seiten  der  Troer  den 
Glaukos,  Aineias  und  Agenor  HI,  214:  möglich  daher,  dass  auch 
der  Aineias  auf  der  Vase  direkt  nach  dem  Epos  gezeichnet  wurde. 
Paris  ist  im  Bilde  an  seiner  Stelle;  denn  durch  ihn  ist  Achilleus  ge- 
fallen. Gern  würden  wir  beim  Kampfe  um  Achilleus  den  Odjsseus 
sehen.  Sein  Fehlen  jedoch  darf  uns  nicht  befremden,  da  oftmals 
Personen  fehlen,  die  im  Epos  von  Bedeutung  waren.  Ich  erinnere 
an  Eris,  die  beim  Götterzuge  auf  der  Fran9oisvase  fehlt  und  doch 
dem  Epos  zufolge  eine  der  wichtigsten  Personen  ist  bei  der  Hoch- 
zeit des  Peleus. 

Auch  die  Nebengruppe,  in  der  Sthenelos  dem  Diomedes  den 
Finger  verbindet,  muss  unbedingt  auf  eine  Quelle,  d.  h.  aufs  Epos, 
zurückgeführt  werden.  Nur  darüber  könnte  man  zweifelhaft  sein, 
ob  die  uns  vorgeführte  Scene  beim  Kampf  um  Achilleus  stattfand 
oder  an  einer  anderen  Stelle,  vielleicht  sogar  in  einem  anderen  Epos. 


^)  So  auch  Jahn,  Münchener  Vasen,  p.  CXIX,  864. 

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624  H.  Lnckenback: 

Dass  Scenen  ganz  yerschiedener  Art  auf  einer  Vase  nebeneinander 
dargestellt  wurden,  zeigt  mon,  VI,  33,  eine  allerdings  in  Etmrien 
verfertigte  Yase^  in  der  Herakles  bei  Iphitos,  ein  Massenkampf  und 
daneben  der  Selbstmord  des  Aias  dargestellt  wird.  Sollten  wir  hier 
in  der  Nebengruppe  etwa  eine  allerdings  ungenaue  Darstellung  nach 
der  nias  (£  108  ff.)  haben,  wo  Sthenelos  dem  Diomedes  den  Pfeil 
aus  der  Schulter  zieht? 

8  16.  Kleine  lUas. 
Palladionraub. 
Die  Darstellungen  des  Palladionraubes  auf  ihre  Quellen  zurdck- 
zuführen,  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gelungen;  und  bei  der  mangel- 
haften üeberliefenmg  ist  nur  zu  einer  relativ  sicheren  Entscheidung 
zu  gelangen. 

Den  Inhalt  der  kleinen  Dias  gibt  uns  Proklos  mit  den  Worten: 
'ObucccOc . . .  KaTÄCKOTTOC   clc  "IXiov  TropaTivexai  Kai  dvatviüpi- 

CGCIC     Ö<p*    *eX^VllC     7T€pl     TI]C    äXuiC€U)C    Tl\C    TlÖXeUK    cuvT(e€Tai 

KT€(vac  T^  Tivac  Ttüv  Tpifiiüv  im  xdc  vaOc  dq)iKV€iTar  Kai  ix^rä 
TaCra  cuv  AioMif)b€i  tö  TTaXXdöiov  £KK0)ii2[ei  £k  tt^c  'IXiou.  Mit 
Helena  also  scheint  sich  Odysseus  ins  Einverst&ndniss  wegen  des 
Palladionraubes  gesetzt  zu  haben«  Was  ihn  bei  seinem  ersten  Aufent- 
halte in  Troja  an  der  Ausübung  der  That  hinderte,  ist  nicht  Über- 
lief ert.  Jedenfalls  stand  etwas  im  Wege,  was  eine  Bückkehr  mit 
Diomedes  nöthig  machte.  Wenn  es  heisst  cuv  AiO|üitib€i  dKK0^i2[€^ 
so  ist  damit  nicht  gesagt,  dass  dem  Odysseus  die  Hauptrolle  zufiel, 
sondern  die  Ausdrucksweise  ist  lediglich  dadurch  hervorgerufen,  daes 
Odysseus  im  vorigen  Satze  Subject  war.  Meist  ist  es  Diomedes,  der 
den  eigentlichen  Baub  vollfUhrt,  und  dass  so  auch  Lesches  dichtete, 
zeigt  nicht  allein  die  täbtda  Hiaca,  sondern  auch  die  weitere  Ueber- 
lieferung«^)  Hesychios  berichtet  nämlich  s.  v.  AiO|üifib€ioc  dvdrKii* 
napoinia  . . .  6  bfe  t^v  niKpdv  IXidbo  **  <priciv  in\  iflc  toO  TToX- 
Xabiou  KXoTrfic  T€V^c0ai.  Andere  Autoren  —  und  ihrer  sind  viele 
—  berichten  die  nttheren  Umstände;  sie  wissen,  dass  zwischen  Odys- 
seus und  Diomedes  nach  dem  Palladionraube  ein  heftiger  Streit  ent- 
stand. Als  Ursache  desselben  berichtet  der  Mythograph  Konon  (r. 
34),  dass  Diomedes  auf  den  Schultern  des  Odysseus  die  Mauer  er- 
stiegen, dann  denselben  nicht  nachgezogen,  sondern  das  Palladion 
allein  erbeutet  habe.  Da  er  jedoch  des  Odysseus  List  fürchtet,  ver- 
sucht er  denselben  zu  täuschen  und  gibt  vor,  sein  Palladium  sei 
nicht  das,  welches  der  Seher  Helenos  gemeint  habe,  sondern  ein 
anderes.  Aber  das  Bild  selbst  gibt  dem  Odysseus,  der  hinter  Dio- 
medes einhergeht,  ein  Zeichen  und  offenbart  ihm  den  Betrug  des 
Diomedes.    Odysseus  zieht  sein  Schwert,  und  da  Diomedes  sich  zu 


*)  Vgl  Klein,  Archftologisch-epigraphiache  Mittheilungen  aus  Oeater- 
reich  HI  (1879),  p.  86—40. 


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Verh.  d.  gr.  Yuenbilder  %.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  625 

veriheidigen  saöht,  treibt  er  denselben  vor  sich  her  mit  der  flachen 
Klinge  ihm  den  Bücken  schlagend.  Andere  Version  war,  dass 
Odysseus  auf  dem  Heimwege  das  Schwert  zog;  Diomedes  aber  am 
Schatten  des  gezückten  Schwertes  im  Mondenschein  das  Vorhaben 
des  OdjsseuB  erkennend,  kommt  ihm  zuvor,  bindet  ihm  die  Hftnde 
zusammen  und  treibt  ihn  vor  sich  her  ins  griechische  Lager.  Welches 
die  Veraion  des  Lesches  war,  weiss  ich  mit  W^lcker  (ep.  CjcL  II, 
p.  241)  und  Jahn  (Bilderchroniken,  p.  31,  64)  nicht  zu  sagen.  Wie 
weit  femer  Helena  bei  dem  eigentlichen  Baube,  ob  Theano,  die 
Priesterin  der  Pallas,  bei  demselben  betheiligt  war,  wird  bei  dem 
yorliegenden  Material  schwer  zu  bestimmen  sein. 

Ion  hatte  dann  in  den  Wfichiem,  Sophokles  in  den  Lakonerin- 
nen  den  PaUadionraub  behandelt  Der  Titel  des  sophokleischen 
Stückes,  der  die  Dienerinnen  der  Helena  als  Chor  aufweist,  zeigt, 
dass  die  That  im  Einverständnisse  mit  der  Helena  geschah. 

Die  zuletzt  von  Jahn  annal.  1858,  p.  228 — 264  zusammen- 
gestellten Vasenbilder  sind  sämmtlich  rfg.,  so  dass  also  aus  der 
Technik  allein  keins  dem  Epos  zugewiesen  werden  muss. 

Vollständig  xmerklärt  sind  zunächst  zwei  Vasenbiider,  in  denen 
jeder  der  Griechen  ein  Palladion  trägt. 

A  Overb.  586,  35.  XXIV,  20.    Arch.  Zeit.  1853,  399. 

B  Petersburg  830.  mm.  VI,  22.  annul  1858,  p.  256—259. 
buU.  1858,  p.  50. 

Das  erste  Vasenbüd  scheint  uns  nach  Troja  hinzuweisen;  denn 
die  beiden  Helden  sind  im  Begriffe  davonzueilen.  Eine  reichgekleidete 
Frau  hat  man  für  Helena  erklärt.  Die  Blicke  beider  Griechen  sind 
auf  Athena  gerichtet,  welche  die  Bechte  gebieterisch  ausstreckt. 
Indess  Odjsseus  ihren  Worten  aufmerksam  zu  folgen  scheint,  ent- 
fernt sich  eiligst  Diomedes  den  Kopf  allerdings  nach  der  Göttin 
umwendend. 

Das  andere  Büd  versetzt  uns  ins  Griechenlager.  Diomedes  und 
Odjsseus,  wiederum  jeder  ein  Palladion  tragend,  sind  willens,  auf 
einander  loszustürzen;  sie  werden  beschwichtigt  und  zurückgehidten 
von  Akamas  und  Demophon,  Agamemnon  und  Phoiniz. 

Zwei  Palladien  zeigen  sich  dann  auch  in  zwei  weiteren  Denk- 
mälern. In  einem  TerracottareUef  des  Berliner  Museums  (Overb. 
592,  44.  XXV,  2)  sehen  wir  die  beiden  Griechen  mit  den  Palladien 
davonziehen.  Ein  Streit  zwischen  ihnen  ist  hier  nicht  ausgedrückt, 
ebenso  wenig  wie  in  einer  etruskischen  Urne,  deren  Beschreibuxig 
Arch.  Anz.  1861,  p.  228*  ich  wörtlich  aufiiehme:  *Im  Centrum  An- 
deutung eines  Tempels,  zwei  männliche  Figuren  tragen  jeder  auf 
dem  Arme  eine  weibliche  Figur,  in  deren  Armen  ein  Wickelkind 
ruht^  und  schleichen  vorsichtig  über  zwei  am  Boden  liegende  und 
schlafende  Wächter  dem  Stadtthore  zu.  Hier  ist  einer  der  Wächter 
aufinerksam  geworden,  aber  der  vorderste  der  beiden  Diebe  hat 


JahTb.f.olMt.  Phü.  Sappl.  Bd.  XL  r.„^.u  GoOQIc 


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6S6  I 

benÜB  das  Sebwert  gesOekt  imd  flm  n  Bodoi  g6»U«ki\  OhoB 
Zweifel  werden  wir  andi  hier  auf  den  Friladiemanb  gewiesen,  ob- 
wiAl  die  Etmaker  das  ihre  dasn  geUian  haben.  I>ieee  Tier&ehe 
BanteUang  dnes  DoppelpaUadienianbes  auf  griediiaehen  und  ansser- 
grieehiaehen  Bildwerken  moas  einer  fesib^grttndeien  Sage  folgen; 
dem  Epos  kann  sie  aehon  nach  der  tätmla  lUaea  niefai  angdifiren: 
alao  werden  wir  auf  die  TiagOdie  hingewiesen;  ob  auf  die  Tragödie 
des  Sophokles  oder  eines  andern  ist  swei&IhalL  Ja  wir  kGnnen 
nicht  dnmal  sagen,  ob  diese  Kunstwerke  derselben  Quelle  folgen, 
da  B  gegenüber  den  3  anderen  Werken  einen  Streit  im  Griechen- 
lagar  zum  Vorwurfe  hat  In  einem  attischen  Drama  waren  aneh 
die  Helden  Demo^ion  nnd  Akamas  sehr  passend  aagebracht|  obwohl 
diese  beide  Personen  srJilieBsKrJi  auch  der  attiache  Maler  Maxogefllgt 
haben  kfinnte. 

Die  fibngen  Yasenbilder  sind  folgende: 

C  Neapel  179,  p^  7. 

D  Neapel  3235,  p.  535.    Overb.  583,  32  XXIV,  19. 

E  Neural  3231,  p.  529.  Oyerb.  585,  34.  nanoL  1858.  tev. 
}L,  p.  247— 249>=Overb.  585, 34a.  Vgl  ML  1858, 139. 

C  kenne  ich  nur  aas  der  Beschreibang  von  Hejdemann:  Dio- 
medes,  in  der  Rechten  daa  Schwert  (oder  eine  Fackel?),  in  der  Linken 
das  Palladion,  schleicht  behatsam  YorwSrts;  ihm  folgt  eilig  Odjsseos, 
in  der  Rechten  das  Schwert.  £s  steht  nichts  im  Wege,  dies  Kid 
anÜB  £po8  zorttckznfilhren. 

D.  Diomedes  mit  dem  Pslladion  wendet,  im  BegrüF  sich  sn  ent- 
fernen, daa  Haupt  za  Helena  um,  die  mit  entadiiedener  Bewegung 
der  rechten  Hand  sn  ihm  redet  nnd  ihm  einen  Befehl  sn  ertheOen 
scheint.  Hinter  ihr  steht  Odjsseos  Achtgebend  anf  das  waa  zwischen 
Hdena  nnd  Diomedes  vorgebl 

Aehnlich  in  Besng  anf  das  gegebene  Ereignias  ist  £.  Diomedes 
entfienit  sich  eQig  ans  einem  Ten^Ml,  in  der  Rechten  das  Sdiwert, 
in  der  Linken  das  geranbte  Palladian.  Vor  ihm  steht  rahig  eine 
Fran  (Helena),  die  mit  der  Rediten  den  ft*!««»*  mrUdschiebt  nnd 
in  der  Linken  eine  Schale  hilt  Anf  der  anderen  Seite  des  Tenq>els 
scheint  eben  Odjsseos  im  Lanfe  ang^ommen  zn  sein;  der  Ranb  ist 
schon  ToUlllhrt,  nnd  darftber  sehr  bekttanmert  wendet  er,  wenn  die 
Abbildung  genan  ist,  den  Blick  w^g,  ins  Leere  sehanend.  ffinter 
ihm  enteilt  die  Prieeterin  des  Ten^els  (Theano).  Im  oberen  Banme 
befinden  sich  Hermes,  l^ke  nnd  Atiiena,  ohne  thitigen  Antiieil  za 
ndimen.  Dass  aber  ein  Streit  zwischen  den  Oriechen  ansbrach,  da 
Od  jsaens  zn  qpit  kommend  den  Raab  von  Diomedes  sdion  ToUendet 
fond,  zeigen  zur  Eridens  ein  Marmomlief  im  Palast  S^iada,  Orerbu 
591,  42.  XXIV,  23.  Jahn  a.  O.  p.  23a  Areh.  Zeit  1859,  p.  93, 
ein  Stoekrelief  ML  1858,  p.  35.  mmmL  1858,  p.  238,  Anm.  2. 
Areh.  Ans.  1859,  p.  54^  und  eine  öhi^aste,  Brann,  12  Basrnüafe, 
Scfalnssrignette.    In  allen  drei  Kunstwerken  hat  Diomedes  sich  des 


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Verh.  d.  gr.  Yasenbflder  i.  d.  Ged.  d.  ep.  Kykloi.  627 

Palladions  bemSchtigt  und  wird  von  dem  zu  spät  koDomenden  Odyssens 
bedroht;  der  Ort  der  Handlnng  ist  in  Troja  selbst  am  Tempel  der 
Pallas.  Als  Grand  yoh  Odjssens'  zu  später  Ankunft  könnte  die  Sage 
dienen,  dass  Diomedes  auf  dem  Bücken  des  Odysseus  die  Stadtmauern 
erkletterte,  diesen  aber  nicht  nach  sich  zog.  Zwar  gelang  es,  so 
würde  dann  weiter  zu  schliessen  sein,  dem  Odjsseus  die  Mauer  zu 
erklimmen;  aber  die  That,  die  er  mit  Helena  eingeflldelt,  war  ge- 
schehen und  ihm  der  Ruhm  genommen.  Den  Streit,  der  zwischen 
ihnen  ausbrach,  muss  dann  nach  D  Helena  beizulegen  versucht  haben, 
woraus  sich  dann  auch  ihre  Anwesenheit  in  £  erkl&rt.  Ob  aber  das 
Epos  die  Quelle  von  D  und  E  ist,  wage  ich  nicht  zu  behaupten. 

Es  bleibt  noch  ein  Bildwerk  übrig,  das  bisher  xmerklttrt  ist; 
denn  die  gegebene  Erklftrung  ist  keine. 

Overb.  580,  31.  XXV,  1.    Jahn  a.  0.  p.  242. 

Auf  den  Stufen  eines  Orabdenkmals,  welches  mit  einer  Säule 
geschmückt  ist,  sitzt  eine  trauernde  Frau  über  eine  grosse  Urne  ge- 
beugt  Sie  umgeben  ein  Mann,  der  einen  Pilos  auf  dem  Haupte 
trägt  und  in  den  Händen  eine  Tänie  hält,  und  eine  Frau,  die  in  der 
Rechten  den  Tempelschlttssel  hält  und  auf  der  Linken  ein  Palladion 
trägt  Welcker^),  dem  Jahn  a.  0.  p.  243  folgt,  erkennt  an  der 
Tänie,  dass  Odjsseus  durch  Liebesvorspiegelungen  die  Priesterin 
Theano  zur  Auslieferung  des  Palladion  bewege.  Overbeck  hält  dafür, 
dass  die  Tänie  nur  Verlockung,  Gewinnung  ausdrücke,  dass  Odjs- 
seus durch  Vorspiegelungen,  die  wir  im  einzelnen  nicht  kennen 
könnten,  die  Theano  beschwatze.  Die  zwischen  ihnen  sitzende 
Frau  soK  Andromache  sein,  die  den  Verlust  ihres  Gatten  be- 
trauert. Als  Gegenbild  ihrer  ehelichen  Treue  soll  Theanos  Verrath 
hier  dargestellt  sein  und  dadurch  zugleich  an  Trojas  baldigen  Unter- 
gang erinnern. 

Gegen  diese  Erklärung,  die  seltsam  genug  erscheint,  muss  zu- 
nächst die  Bedeutung,  die  der  Tänie  beigelegt  wird,  bestritten  werden. 
Wenn  das  Palladion  und  der  Schlüssel  fehlten,  so  würden  wir  eine 
der  gewöhnlichen  Grabdarstellungen  haben.  Die  Hinterbliebenen 
trauern  am  Grabe  des  Todten ;  der  Jüngling  schmückt  die  Stele  mit 
einer  Binde.')  Odjsseus  brauchen  wir  gar  nicht  in  dem  Jünglinge 
zu  erkennen,  da  in  unteritalischen  Bildern  der  Pilos  beliebig  ver- 
wandt wird.  Hätten  wir  hier  die  üebergabe  des  Palladion  zu  er- 
kennen, so  müssten  wir  annehmen,  dass  Theano  nach  Verabredung 
den  Griechen  am  Grabmale  eines  berühmten  Troers  das  Palladions  über- 
reichte.^) Allein  die  ganze  Auffassung  ist  so  unwahrscheinlich,  die 
trauernde  Frau  am  Grabe,  die  auf  nichts  achtet^  wäre  so  merkwürdig,  dass 
die  Deutung  aufgegeben  werden  muss.  Ganz  in  derselben  Weise,  in 


>)  Ännäl.  1832,  p.  883— alte  Denkm.  UI,  p.  460.  —  *)  Vgl  z.  B. 
die  beiden  Tänien.  0?erb.  XXVIII,  5.  —  ')  Also  jedenfalla  eine  dritte 
Venion,  da  in  E  aie  Priesterin  daTonflüchtet. 

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628  H.  Lnckenbach: 

der  hier  das  Palladion  getragen  wird,  bringen  oftmals  Jongfrauen 
zum  Grabe  kleine  Lekythoi;  das  kurzgeschorene  Haar  bezeichnet 
auch  hier  diQ  Priesterm  als  Leidtragende.  -Wenn  ich  nun  auch 
keine  neue  Deutung  an  die  Stelle  zu  setzen  weiss,  so  kann  jeden- 
falls die  frühere  Erklärung  nicht  leicht  jemanden  befriedigen  und  ist 
daher  aufzugeben.^) 

8  16.     Biupersifl.  i 

Während  nur  eiüe  Gestalt  der  meisten  Sagen,  die  in  den  Epen 
niedergelegt  waren,  sich  im  Volke  herrschend  gemacht  hatte  und 
wuchtig  genug  war,  um  etwaige  Abweichungen  oder  locale  Tradi- 
tionen in  Vergessenheit  zu  bringen,  so  lagen  für  den  Theil  der  Sage, 
der  die  Zerstörung  Ilions  enthielt,  mehrere  Bearbeitungen  yor,  in 
Einzelheiten  vielfach  von  einander  abweichend.  Arktinos  und  Lesches 
hatten  eine  Iliupersis  in  epischem  Versmasse  gedichtet,  Stesichoros 
denselben  Stoff  lyrisch  behandelt.  Dieses  Schwanken  der  Tradition 
macht  sich  auch  in  den  Bildwerken  geltend;  und  manchmal  will  es 
scheinen,  als  ob  der  Maler  hier  noch  weniger  als  bei  vielen  anderen 
Bildwerken  einer  bestimmten  Version  gefolgt  sei,  sondern  vielmehr 
dem  allgemeinen  Eindrucke,  den  er  von  einer  Sage  bekommen  hatte. 
Manche  Vasenbilder  sind  nach  Lesches,  andere  nach  Arktinos  ge- 
fertigt, und  wenigstens  in  einigen  ist  man  versucht^  den  Einfluss  des 
Stesichoros  zu  constatiren;  wieder  andere  lassen  sich  dagegen  mit 
Sicherheit  auf  keinen  dieser  drei  Dichter  zurtickführen.  Nach  dem 
oben  aufgestellten  Grundsatze,  dass  nur  Epos  und  Drama  eingewirkt 
haben«  wird  man  freilich  erst  dann  ein  Bildwerk  auf  den  Stesichoros 
zurückführen,  wenn  es  weder  auf  einen  der  beiden  Epiker,  noch  auf 
eine  Tragödie  zurückgeführt  werden,  noch  endlich  durch  die  Intentionen 
des  Künstlers  hervorgerufen  sein  kann.  Zeigt  sich  übrigens  nach- 
weislich ein  Einfluss  des  Stesichoros,  so  würde  ich  den  Sa^  dass  die 
Lyrik  im  allgemeinen  nicht  auf  die  Vasenbilder  eingewirkt  hat, 
keineswegs  als  umgestossen  betrachten;  denn  dies  Gedicht  des 
Stesichoros  unterscheidet  sich  wesentlich  von  allen  anderen  Prodncten 
der  eigentlichen  Lyrik;  mehr  epischer  als  lyrischer  Natur,  lag  die 
grösste  Differenz  wohl  nur  im  Metrum.  Auch  ist  die  hohe  Stelltuig, 
die  es  im  Alterthum  ftinTiabm^  wohl  zu  beachten.  Polygnot^  der  bei 
der  Bemalung  der  Lesche  in  Delphi  in  seiner  Diupersis  hauptsfich- 
lich  der  Dichtung  des  Lesches  folgt,  kannte  audi  die  des  Stesichoros 
und  entnahm  ihr  einige  Personen,  und  noch  in  später  Zeit  Tutlim  die 
tabuia  Jliaca  die  Iliupersis  des  Stesichoros  in  ihren  Cydus  auf. 

Versucht  man  die  Bildwerke  auf  ihre  Quellen  zurückzuführen, 
80  macht  sich  hier  der  Mangel  der  schriftlichen  üeberlieferung  mehr 


')  Sine  Veimuthong  von  mir,  daas  gründücbe  Interpolaticm 
H«ge,  wurde  bei  der  Unierrachnng  der  Vase  nicht  betUUigt 

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Verh.  d.  gr.  Vaeenbilder  s.  d.  Ged.  d.  ep.  Ejklos.  629 

als  anderswo  fühlbar.  Den  Inhalt  der  Iliapersis  des  Arktinos  gibt 
uns  Proklos  an.^)  In  der  Handschrift  folgen  hinter  den  Worten: 
Kttl  q)9opäv  aÖTOic  i\  *A9iivä  Kaxd  tö  Tr^Xatoc  urixavaiai,  mit 
denen  der  Schluss  gegeben  zu  sein  scheint,  noch  einige  Sätze,  die 
ebenfalls  einer  Ilinpersis  angehören.  Tjchsen,  dem  Michaelis  folgt^ 
vermuthete,  dass  sie  den  Schluss  der  Dichtung  des  Stesichoros  gäben. 
Da  indess  diese  Annahme  trotz  hoher  Wahrscheinlichkeit')  nicht  als 
unbedingt  gesichert  gelten  darf^  so  müssen  die  fraglichen  Worte  bei 
unserer  Untersuchung  aus  dem  Spiele  bleiben.  Die  Darstellung  des 
Stesichoros  ist,  wie  schon  bemerkt,  auf  der  tabula  Hidca  wieder- 
gegeben. Aber  auch  hier  ist  wohl  zu  beachten,  dass  wir  keinen  ge- 
nauen Anschluss  an  Stesichoros  zu  erwarten  haben,  da  nicht  nach 
den  Dichtungen  selbst,  sondern  nach  Excerpten  aus  denselben  die 
tabula  Hiaca  angefertigt  wurde,  wodurch  hie  und  da  einzelne  Ab- 
weichungen von  der  Poesie  veranlasst  sind. 

Flucht  des  Aineias. 

Nach  Lesches  erhielt  Neoptolemos  den  Aineias  als  Kriegs- 
gefangenen und  fahrte  ihn  mit  in  seine  H^imath.^  Arktinos  lässt 
den  Aineias  frühzeitig  vor  der  Zerstörung  Trojas  ausziehen.  Nach- 
dem Proklos  das  Unglück  des  Laokoon  erzählt  hat,  föhrt  er  fort: 
^m  hi.  Tiü  idpan  ^uccpopiicayTec  oi  irepl  xöv  Alveiav  uneHfiXOov 
eic  Tf|V  ''l^iiv.  Aus  den  Worten  des  Dionjsios  v.  Hal.^)  hat  man 
geschlossen,  dass  bei  Arktinos  Aineias  mit  dem  Palladion  davonzog. 
Ist  diese  Folgerung  richtig,  so  haben  sich  die  Yasenbilder  in  diesem 
Punkte  nicht  an  den  Arktinos  gehalten.  Auf  der  tahuHa  lUaca,  die 
sich  an  die  Erzählung  des  Stesichoros  anschliesst,  trägt  Aineias  den 
Vater  auf  der  Schulter  davon,  den  Sohn  an  der  Hand  führend;  ihnen 
folgt  Ereusa.  Unter  dem  Geleite  des  Hermes  ziehen  sie  davon,  um 
im  Abendlande  eine  neue  Heimath  zu  gründen.  Anchises  hält,  so 
scheint  es,  in  beiden  Händen  ein  Kästchen  mit  den  sacra  arcana. 
Nur  noch  einmal  finden  wir  dieses  Kästchen,  und  zwar  auf  einem 
Broncehelm,  der  zuletzt  in  Hejdemanns  Iliupersis,  Taf.  in,  Isl,  ab- 
gebildet ist.  Indess  Aineias  den  Vater  davonträgt,  eilt  einer  seiner 
Genossen^)  mit  der  Cista  voraus.    Die  gewöhnliche  Darstellung  auf 


>)  Jahn,  Bilderchroniken,  p.  112.  Kinkel,  «p»c.  gr.  fr.  p.  49.  —  ■)  Vgl. 
Michaelifl,  Hermes  XIV,  481  ff.  —  »)  Tzetzes  zu  Lykophron  v.  1263. 
Kinkel,  p.  46, 18.  —  *)  1. 69.  Vgl.  Welcker,  ep.  Cycl.  II,  p.  183.  —  *)  Heyde- 
mami  p.  33  will  auch  in  diesem  Manne  den  Aineias  erkennen;  allein 
dass  zweimal  dicht  nebeneinander  derselbe  Mann  dargestellt  werden 
soll  und  zwar  das  eine  Mal  bärtig,  das  andere  Mal  unbärtig,  will  nicht 
recht  glaubhaft  erscheinen.  Nehmen  wir  den  Bärtigen  für  einen  Diener 
oder  Freund  des  Aineias,  so  erklärt  sich  auch  sehr  wohl  der  umstand, 
daes  Kreusa  ihn  verhindern  will,  den  Askanios  mitEonehmen.  Sie  will 
warten,  bis  ihr  Gatte  kommt,  sich  aber  nicht  dem  Fremden  anvertrauen. 


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630  H.  Lnckenbach: 

den  Vasenbildem ')  zeigt  den  Anchises  anf  dem  Bücken  des  SoIineB 
hockend;  nnr  einmal^)  sitzt  .derselbe  auf  der  Schulter  des  Sohnes; 
oftmals  begleitet  sie  das  Weib^)  und  ein  Sohn^)  des  Aineias.  Wenn 
Lesches  ganz  ausgeschlossen  ist,  so  fragt  es  sich,  ob  nach  Arktinos 
oder  Stesichoros  gemalt  wurde.  Wir  wissen  nun  aus  der  tabula 
Hiaca,  dass  Anchises  von  seinem  Sohne  nach  der  Dichtung  des  Ste- 
sichoros davongeti-agen  wurde,  wie  es  uns  auch  die  Vasenbilder  zei- 
gen. Leider  ist  uns  nicht  bekannt,  ob  dieser  Zug  nicht  von  Arkti- 
nos vorgebildet  war,  aber  um  so  mehr  möchte  man  ihn  der  Er- 
findung des  Stesichoros  zuschreiben,  als  die  Heldenthat  des  Sohnes 
doch  gerade  darin  bestand,  mitten  im  heissen  Eampfgewt&hl  den 
Vater  aus  der  brennenden  Stadt  zu  tragen.  Indessen  lässt  sich  hier 
über  Vermuthungen  nicht  hinauskommen.  Von  Gewicht  scheinen 
femer  die  Scenen,  in  denen  bei  der  Iliupersis  die  Flucht  stattfindet^ 
während  nach  Arktinos  schon  vor  dem  Falle  Trojas  Aineias  sich 
mit  den  Seinen  rettet.^)  Hier  ist  es  miBsUch  zu  sagen,  es  habe 
fOr  den  Maler  zu  nahe  gelegen,  die  Einzelnen,  die  von  den  Troja- 
nern übrig  blieben,  gerade  mit  Trojas  Fall  zu  verbinden,  sondern 
bei  der  üebereinstimmung  scheint  die  Einwirkung  der  Dichtung  auf 
den  Maler  unverkennbar.  Aber  freilich  könnte,  da  beide  Vasenbilder 
rfg.  sind,  die  Einwirkiibg  eine  indirecte  sein.  So  geneigt  ich  also 
auch  bin,  den  directen  Zusammenhang  zwischen  den  Bildern  und 
Stesichoros  anzunehmen,  den  stricten  Beweis  vermag  ich  nicht  zu 
bringen. 

Tod  des  Priamos  und  Astyanaz. 

In  dem  einen  Punkte  stimmen  die  drei  Dichter  überein,  dase 
Neoptolemos  den  Priamos  tödtet.  Von  Arktinos  erzählt  Proklos: 
Kttl  NeoTTTÖXcMOc  fifev  ÄTTOKTeivci  TTpiajiov  dm  tov  toO  Ai6c  toG 
'€pK€iou  ßuiMÖv  KaracpuTÖvroL  Was  Arktinos  über  den  Astjanax 
berichtete,  darüber  sind  wir  im  Unklaren.  Die  Version  des  Lesches 
gibt  uns  Pausanias  an  X,  27,  2:  TTpia|üU)V  ik  ouk  äTioGaveiv  £q>ii 
Adcx€U)c  im  Tfji  icx&fXf,  ToO  *epK€(ou,  dXXd  dirocTracOevTa  dirö 
ToG  ßui^oG  TidpcpTOV  Tiu  N€OiTToXd^(|i  7rp6c  TaTc  t?]C  olxiac 
T€vdc6ai  Oupmc.  Etwas  firüher,  X,  25,  9,  heisst  es  dann  bei  Pau- 
sanias: TouT({i  (sc.  'AcTudvaKTi)  Adcx€U)c  pKpiYTx  dnö  ToG  irupTOu 
cu^ßflvai  XdT€i  T^v  xeXeimfiv,  oö  |if|v  xmö  bÖTMaxöc  t€  *6XXrivuiv, 
dXX*  Iblq.  NcoTrTÖXcfiov  auT6x€ipa  dOeXficai  T^vdcOaL  Auch  die 
Verse,  in  denen  Lesches  den  Tod  des  Aslyanax  schilderte,  sind 
uns  erhalten,  Tzetzes  zu  Lykophron  v.  1263: 


')  Dieselben  sind  soletit  zaaammeDgestellt  Heydemaim,  Dinpeisis 
p.  31,  1.  Hinzasufügen  sind:  Neapel  SÄ.  181.  (Gerhard  AV.  III,  p.  1S9, 
16g,  bei  Overbeck  unter  Nr.  168  erw&hnt  —  ■)  Overb.  XXVII,  12. 
München  908.  —  »)  Euiydike.  —  *)  Askanios?  VgL  Arch.  Zeit  1879, 
p.  38—96.  —  *)  Heydemann,  Iliupersifl,  Taf.  II,  la;  Tielleicht  auch 
0?erb.  XXVI,  17.  .        r-      . 


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Yerh.  d.  gr.  Yaaenbilder  x.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  631 

iraiba  b'  Ikiby  Ik  köXttou  lOirXoKäMoio  Tierjvtic 
^iV€  TToböc  T€TaTU)v  dtrö  TTupTOu*  t6v  bk  TTCCÖvra 
IXXa߀  Trop<pup€0€  OävaToc  Kai  ^oipa  Kparaiif).^) 

Die  Worte  des  Pausanias,  dass  Neoptolemos  nicht  auf  den 
Volksbeschlnss  der  Hellenen,  sondern  ans  eigenem  Antriebe  den 
Astyanaz  getödtet  habe,  geben  einen  denüichen  Fingerzeig  fttr  die 
Darstellung  eines  anderen  Dichters.  Denn  wenn  bei  dem  allgemei- 
nen Oetümmel  Neoptolemos  den  Mord  beging,  was  war  Wunder- 
bares daran,  dass  er  es  that  ohne  den  Beschluss  des  Heeres?  Wenn 
dagegen  ein  anderer  gerade  den  Beschluss  des  Heeres,  auch  den 
letzten  der  Priamiden  zu  tödten,  erwtiinte,  dann  findet  die  Gegen- 
überstellung bei  Pausanias  ihre  volle  ErklSrung.  Schwieriger  da- 
gegen und  nicht  zu  entscheiden  ist  die  Frage^  bei  wem  wir  die  von 
Lesches  abweichende  Version  suchen  sollen,  bei  Arktinos  oder  Ste- 
sichoros  oder  bei  beiden.  Fttr  den  Stesichoros  scheint  zu  sprechen, 
dass  Pausanias  die  üiupersis  desselben  im  folgenden  mehrfach  er- 
wähnt und  der  des  Lesches  gegenüberstellt»  wfthrend  er  das  Gedicht 
des  Arktinos  mit  Stillschweigen  übergeht. 

Auf  der  tcibula  Iliaca  hat  Neoptolemos  gegen  Priamos  das 
Schwert  gezückt,  indem  er  ihn  zugleich  mit  der  Linken  vom  Altare 
wegzureissen  sucht  unten  am  Grabmale  des  Hektor  sitzt  Andro- 
mache;  man  hat  geglaubt,  dass  sie  auf  ihren  Armen  den  Astyanaz 
halte;  ob  mit  Recht,  Ittsst  sich  nach  der  Abbildung  nicht  entscheiden. 
Proklos  überliefert  uns  die  Worte:  xal  'Obu€€^u)C  'Acrudvaiaa 
dveXövTOC  N€oitt6X€^0€  'Avbpo^dxiiv  T^pac  Xa^ßdvei.  Diese  ge- 
ben wahrscheinlich  den  Lihalt  des  Stesichoros.') 

Zwei  Gruppen  von  Vasenbildem  lassen  sich  unterscheiden:  die 
erste  enthftlt  den  Tod  des  Priamos  allein,  die  zweite  verbindet  da- 
mit den  des  Astyanaz. 

Zur  ersten  Gruppe  gehören  folgende  Bildwerke:') 

Sckwarefigurig. 

a.  Overb.  62ö,  107.  XXV,  22.    Gerhard  AV.  m,  213. 

b.  Overb.  626,  108.    Br.M.  622. 

c   Arch.  Anz.  1853,  p.  401,  1  (sfg.?). 

Bothfigurig. 
d.  Bidl.  1845,  p.  85. 


')  Diese  Version  des  Lesches  war  die  gewöhnliche.    Schon  Dias  fi, 
736  ejiut  Andromache  das  Geschick  des  Sohnes: 
...  fi  TIC  *Axat<S»v 
Pi^ex  x^ip^  ^^  A^  müpTOu. 

Eurip.  Anärom.  10: 
^t<p^a  itupTW'v  'AcrudvaicT*  dir*  6pO{uiv  (sc.  ^cdbov) 
vgl.  Hevdemann,  lUnpersis  p.  7,  1.  —  *)  So  Michaelis  a.  0.;  nach  ande- 
ren bilden  sie  den  Inhalt  des  Arktinos.  —  ")  Bei  Seite  lasse  ich  die  Eo- 
mödienscene  Arch.  Zeit  1849,  Taf.  5,  2. 


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632  H.  Lackenbach: 

e.  Petersburg  2226. 

f.  Bidl.  Na^.  arch.  VI,  9.  Heydemann,  Iliupersis,  Taf.  II,  2  b. 

Zur  zweiten  Gruppe  gehören: 

Sdawarzfigurig. 

A  Overb.  622,  103.  XXV,  23.    Gerhard  AV.  IE,  214.    Arch. 
Anz.  1863,  p.  401,  1. 

B   Oyerb.  623,  104.  XXVI,  1.    Gerhard,  etr.  und  kamp  Vas., 
Taf.  21.  Br.M.  1642. 

C  Bull  1840,  p.  12Ö. 

D  Cot.  Or.  149,  p.  96. 

E  Br.  M.  607. 

Baihfigwig. 

F  Berlin  1748. 

G  Heydemann,  Iliupersis,  Taf.  L 

H  Overb.  617,   100.  XXV,    24.    Heydemann,   Taf.   11,    1  a. 
Neapel  2422. 

In  den  zuerst  aufgeführten  Vasenbildem  dringt  Neoptolemos 
auf  den  Priamos  ein,  der  am  Altare  des  Zeus  Schutz  gesucht  hat, 
oder  ersticht  denselben.  In  der  zweiten  Gruppe  naht  Neoptolemos 
dem  Priamos,  der  auf  dem  Altar  sitzt ,  indem  er  den  Astyanax  an 
Beine  oder  Fusse  ergriffen  hat,  und  stürmt  gegen  Priamos,  um  die- 
sen mit  dem  Leichname  des  Enkels  zu  yemichten;  nur  H  macht 
eine  Ausnahme,  insofern  Neoptolemos  auf  den  Priamos  eindringt, 
auf  dessen  Schoss  er  den  Astyanax  geworfen  hat 

um  mit  den  letzteren  zu  beginnen,  so  vermuthet  Heydemann 
p.  15,  dass  ein  grösseres  Gemälde  die  Quelle  für  diese  Darstellungen 
gewesen  sei,  ich  schreibe  dieselben  dem  Unvermögen  der  Vasen- 
maler  zu,  die  sich  bemühten,  mehrere  Momente  in  einen  zusammen- 
zuziehen,  und  dadurch  dieses  seltsame  Bild  schufen.  Man  denke  tu 
den  Besuch  des  Priamos  bei  Hektor,  an  die  Blendung  des  Polyphen : 
ganz  dasselbe  tritt  uns  hier  vor  Augen.  Den  Lesches  werden  wir 
als  die  indirecte  Quelle  dieser  Vasenbilder  ansehen  müssen.  Denn 
er  erzShlte,  dass  Neoptolemos  den  Astyanax  am  Fusse  ergriff  und 
vom  Thurme  schleuderte;  den  Priamos  riss  er  vom  Altare  und 
tödtete  ihn  dann  an  der  Schwelle  des  Hauses. 

Die  erste  Gruppe  der  Vasenbilder  hat  nur  den  Tod  des  Pria- 
mos an  oder  auf  dem  Altare  zum  Inhalt.  Will  man  in  diesen  Dar- 
lätellungen  eine  Abweichung  von  Lesches  finden,  so  steht  nichts  im 
Wege,  den  Arktinos  als  Quelle  anzunehmen.  An  Stesichoros  bratcht 
man  nicht  zu  denken,  besonders  da  es  den  Anschein  hat,  als  ob  auf 
der  tabula  Iliaca  Neoptolemos  den  Priamos  vom  Altare  reLest*) 

In  B  und  H  liegt  zu  den  Füssen  des  Priamos  'ein  gefallener 


^)  Heydemami  will  p.  36  die  Bildwerke  alle  mit  einer  Aasnahme  auf 
ArktinoB  sarückführen. 


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Verh.  d.  gr.  YasenbfldeT  z.  d.  Ged.  d.  ep.  Kyklos.  633 

Krieger.  Die  bisherigen  Herausgeber,  z.  B.  Overbeck  und  Heyde- 
inann (p.  34),  nennen  ihn  Polites.^)  Ich  glaube  nicht,  dass  derselbe 
zn  benennen  ist;  will  man  dies  aber  doch  thun,  so  liegt  es  viel 
nfther,  in  ihm  den  Agenor  zu  erkennen,  der  nach  Lesches  und  Ark- 
tinos')  von  des  Neoptolemos  Hand  fieL 

Begegnung  des  Menelaos  und  der  Helena. 

Die  Version,  die  am  meisten  unter  den  Athenern  verbreitet 
war,  findet  sich  bei  Euripides  Andir.  629:  dW  d)C  £c€ib€C  m<x<^töv, 
^KßaXd)v  Ei<poc  <piXim'  db^Su)  wird  daselbst  vom  Menelaos  gesagt 
Ganz  fthnlich  Aristoph.  lAfsistr.  16d: 

6  T^v  Mev^Xaoc  xfic  '€Xdvac  id  naXd  Tra 
Tunväc  Trapevibujv  dEdßaX*  oluj  xö  £iq)OC. 

Beide  betonen,  dass  Menelaos,  die  (entblösste)  Brust  der  Helena  er- 
blickend, das  Schwert  wegwarf,  und  dieser  Zug  muss  auf  einer  ge- 
meinsamen Tradition  beruhen;  der  Scholiast  zu  den  Worten  des 
Euripides  gibt  sie  uns  an:  d^eivov  (|iKOVÖ^TiTai  rd  kapd  IßuKifj* 
€ic  Tdp  'A<ppobiTTic  vaöv  KaTa<p€UT€i  f|  'exdvri  KdKeiOev  biaX^TCxai 
Tip  M€V€Xdi}J,  ö  b'  öyt'  fpuJTOC  dcpilici  TÖ  £(q>oc.  Die  gleiche  Quelle 
gibt  uns  der  Scholiast  zu  Aristophanes  an:  f|  IcTOpia  irapd  'IßuKip 
(xd  bk  auxd  xai  Adcxnc  TTuppaToc  ty  xfl  ^iKp^  IXidbi)  Kai  6öpi- 
iribiic  dXX'  übe  dc€ib€C  ^acxöv  ^KßaXuJv  Sicpoc  q)iXii)i'  ibilü).  Die 
in  Klammem  eingeschlossenen  Worte  fehlen  im  Bavennas;  es  liegt 
jedoch  kein  Orund  vor,  ihnen  deshalb  den  Glauben  zu  versagen. 

Ob  bei  Lesches  Helena  zu  einem  Gdtterbilde  ihre  Zuflucht 
nahm,  wird  nicht  überliefert;  Ibjkos  Hess  sie  in  den  Aphrodite- 
tempel flüchten,  wie  es  nach  der  tabtUa  Uiaca  scheint,  folgend  dem 
Beispiel  des  Stesichoros:  Menelaos  hat  die  Helena;  die  zum  Tempel 
der  Aphrodite  geflüchtet,  an  den  Haaren  ergriffen,  in  der  Bechten 
zückt  er  das  Schwert  Dir  Gewand  ist  während  der  Flucht  herunter- 
geglitten und  bedeckt  nur  noch  einen  Theil  der  Beine;  ihre  Linke 
streckt  sie  abwehrend  gegen  ihn  aus,  und  es  ist  der  Zeitpunkt  ge- 
kommen, in  dem  Menelaos  von  ihrer  Schönheit  ergriffen  auf  die 
Bache  verzichten  muss.  Wie  weit  in  Einzelheiten  das  Bild  sich  an 
Stesichoros  anschliesst,  ist  schwer  zu  sagen;  nur  möchte  man  ver- 
muthen,  dass  nach  ihm  Menelaos  das  Schwert  nicht  fallen  liess. 

Noch  weniger  erfahren  wir  von  Arktinos.  Froklos  sagt  bloss: 
Mev^Xaoc  bi.  dv€üpd)V  *€XdvTiv  iiA  xdc  vaOc  KaxdTCi.  Weitere  Pol- 
gerungen für  Arktinos  hat  Overbeck'),  gestützt  auf  die  Worte  des 


')  Mit  Berufung  auf  Yergil  Aeo.  II,  686,  Qu.  Smyrnaeus  XIII,  214, 
Apollodor  in,  12,  6.  —  ")  Paasanias  X,  27,  8.  Jahn,  Bilderchroniken 
III,  Dl.  —  *)  Arch.  Zeit.  1861,  p.-367f.  Troischer  Sagenkreis,  p.  626f. 
An  Overb.  BohliesBen  rioh  Heydemann,  Dinpersis  p.  6  und  Brunn,  troische 
MiBcellen  p.  228f.  an. 


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634  H.  Lackenbacsh: 

Proklos  und  auf  Yasenbilder,  gezogen.  Er  meint,  bei  Arktinos  sei 
die  Yersöhnmig  nicht  so  schnell  erfolgt,  sondern  Helena  znnSchst 
als  Gefangene  nach  dem  Lager  der  Griechen  geftthrt  worden.  In 
den  Yasenbildem  soll  diese  Version  sowie  anch  die  des  Lesches  sich 
finden.  Andere^)  haben  die  ünterscheidting  zweier  Versionen  in 
Vasenbildem  geleugnet. 

Es  sind  nun  eine  Anzahl  von  Vasenbildem  mit  Recht  auf  Mene- 
laos  und  Helena  bezogen  worden,  in  denen  eine  verschleierte  Frau 
Ton  Menelaos  am  Eredemnon  angefasst  und  darongeftthrt  wird. 
Menelaos  hat  das  Schwert  gezogen,  welches  bisweilen  auch  mit  dem 
Speere  vertauscht  ist.  In  anderen  ist  ein  früherer  Augenblick  ge- 
wählt: Menelaos  tritt  mit  gezücktem  Schwerte  auf  Heleoa  zu,  die 
ihn  ruhig  erwartet  (so  Overb.  628,  113.  114).  Hier  ist  es  nicht  die 
Helena,  die  auf  der  Flucht  von  dem  früheren  Gemahl  ergriffen  wird, 
dann  aber  noch  im  letzten  Momente  durch  ihre  Schönheit  den  Zornigen 
entwaffnet.  Wir  wissen  freilich,  dase  wir  gerade  bei  manchen  Siteren 
Typen  wenig  Abhängigkeit  vom  Epos  zu  erwarten  haben,  und  Klein 
hat  nachdrücklich  hervorgehoben  ^  dass  in  einer  Vase  die  Schönheit 
der  Helena  durch  das  überaus  prächtige  Gewand  wiedergegeben  ist, 
und  dass  also  auch  in  diesen  älteren  Bildern  Helena  durch  ihre 
Schönheit  den  Menelaos  versöhnte;  aber  so  viel  scheint  doch  mit 
Wahrscheinlichkeit  gesagt  werden  zu  können,  dass  eben  nicht  die 
Erzählung  des  Lesches  zu  diesen  Bildern  den  Anstoss  gab.  Dem- 
nach entschliesse  auch  ich  mich,  mit  Overbeck  eine  doppelte  Version 
in  den  Bildern  anzuerkennen. 

Die  Vasenbilder,  in  denen  ein  Krieger  eine  Frau  wegführt,  ihr 
mit  dem  Schwerte  vorangehend  und  nach  ihr,  die  mit  der  Linken 
den  Schleier  vom  Gesichte  hebt,  zurückschauend'),  möchte  ich  eben- 
falls auf  Arktinos  zurückführen.  Den  gleichen  Ursprung  vermuthe 
ich  für  Overb.  XXVI,  17:  Helena  sitzt  auf  dem  Altare  der  Athena; 
sie  wendet  sich  um  zu  Menelaos,  der  vor  Staunen  den  Schild  auf  die 
Erde  setzt  und  dadurch  sich  versöhnt  zeigt.  Dass  Helena  zur  Athena 
sich  geflüchtet  hat,  ist  Erfindung  der  Malers,  der  diese  Scene  mit 
der  Verfolgung  der  Kassandra  verband.') 

Am  meisten  schliessen  sich  an  die  bisher  aufgezählten  Bilder 
eine  Gruppe  anderer,  in  denen  Menelaos  mit  gezücktem  Schwerte 
die  Helena  verfolgt,  welche  sich  zurückwendet  und  um  Gnade  fieht.^) 
In  einem  derselben  (d)  flüchtet  sie  zur  Aphrodite.    Auf  wen  diese 

0  Dilthey,  Arch.  Zeit.  1873,  p.  77,  Anm.  1.  Klein,  ofmol.  1876, 
p.  262.  —  ")  So  die  rfjje.  Vase  Heydemann,  Griech.  Vas.,  p.  7,  Anm.  7. 
-—  ')  Der  abgewandte  Blick  der  Athena  zeigt  an,  dass  der  Greis  und 
der  Knabe,  cue  rechts  aus  dem  brennenden  Troja  ziehen,  anter  ihrem 
Schutze  dayongehen. 

*)  a.  Arch.  Anz.  1869,  141*,  136. 

b.  Overb.  926,  116. 

c.  Overb.  930,  117. 

d.  BttS.  Na^.  VI,  9.    Heydemann,  Uiupersis  11,  2. 


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Yerfa.  d.  gr.  Yasenbilder  z,  d.  Ged.  d.  ep.  Eyklos.  635 

Bilder  zurückgehen,  yermag  ich  nicht  zu  sagen;  um  so  sicherer  sind 
die  folgenden  auf  Lesches  zurückzuführen,  in  denen  Menelaos  schon 
das  Schwert  hat  fallen  lassen.  ^)  In  B  flieht  Helena  zu  Apollon,  dem 
Schutzgott  Trojas,  in  C  zu  Aphrodite,  in  D  zu  Athena.  Wie  weit 
indess  hierin  und  in  welchem  dieser  Yasenbilder  die  Tradition  des 
Lesches  am  genauesten  vorliegt,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Apollon 
ergab  sieht  leicht,  Aphrodite,  die  in  C  nicht  als  Standbild  sondern 
als  Göttin  zugegen  ist,  musste  ja  die  Besänftigung  des  Menelaos 
herbeiführen.  Wenn  endlich  in  D  Helena  zum  Palladion  flieht,  so 
liegt  auch  hier  kein  Grund  vor,  für  Lesches  die  Flucht  zum  Palladion 
vorauszusetzen,  besonders  da  für  den  Athener  dies  nahe  lag,  und 
dazu  noch  ein  grösseres  Werk  diesem  als  Yorlage  gedient  hat^)  Es 
ist  schwer,  jedem  dieser  vielen  Yasenbilder  eine  bestimmte  Quelle 
zuzuschreiben,  und  bei  manchen  wird  es  ganz  unthunlich  sein.  Der 
Künstler  brauchte  sich  ja  selbst  nicht  so  recht  klar  zu  sein  über  die 
betreffende  Stelle  des  Epos  oder  der  Epen.  Die  allgemeine  That- 
Sache  schwebte  ihm  vor,  und  er  entwarf  dann  nach  seinem  Gut- 
dünken. 

Einen  Einfluss  des  Lesches  sehen  wir  bestimmt  in  einigen  Bild- 
werken, in  anderen  waren  wir  geneigt,  den  des  Arktinos  anzunehmen. 
Eine  Einwirkung  des  Stesichoros  dagegen  Iftsst  sich  nicht  erweisen^ 
so  viel  Aehnlichkeit  auch  manche  Bildwerke  (z.  B.  d)  mit  der  Dar- 
stellung auf  der  tabula  lUaca  haben. 


Wir  stehen  am  Schlüsse  unserer  Arbeit,  das  YerhSltniss  der 
Yasenbilder  zu  den  Gedichten  des  epischen  Eyklos  zu  prüfen.  Denn 
alle  Bilder  in  den  Bereich  dieser  Arbeit  zu  ziehen  erscheint  un- 
nöthig,  da  sie  nur  die  gewonnenen  Besultate  bestätigen,  nicht  aber 
wesentlich  neue  Gesichtspunkte  ergeben  können.  Die  gegebene  Aus- 
tirahl  mag  genügen,  da  sie  die  wichtigsten  Bildwerke  umschliesst 
und  besonders  diejenigen  berücksichtigt  hat,  welche  anderen  zu  falschen 
Ergänzungen  der  Epen  Anlass  gegeben  hatten. 

Unsere  Yoraussetznng,  dass  die  Yasenmaler  die  verloren  ge- 
gangenen Epen  zu  ihren  Darstellungen  ebenso  benutzt  haben,  wie 


>)  A  Overb.  680,  118. 

B  annta.  1849,  ttw.  D. 

C  Arch.  Ans.  1869,  143*,  161. 

D  Overb.  681,  120. 
(Overb.  681, 119.  XXYI,  11  ist  nach  B  gefiUBoht,  vgl.  Bochette  mon.  ttied., 
p.  388,  not,  2.)  —  *)  Ygl.  Michaelis,  Parthenon,  p.  139.  Wenn  Klein 
annal.  1877,  p.  264  den  Phidias  deswegen  nicht  für  den  Erfinder  der 
Composition  halten  will,  weil  sie  aaf  2  Metopen  vertheilt  ist  und  daraus 
schliesBt,  dass  ein  schon  fertiger  Typns  den  Bedür&issen  des  Baumes 
angepasst  werden  musste,  so  ist  aas  ixrthQmlieh ,  da  oftmals  mehrere 
Metren  inhaltlich  zusammengehören. 


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636  H.  Lnckenbach: 

diejenigen,  welche  uns  noch  erhalten  sind,  hat  ihre  Bestfttigang  über- 
all gefanden,  soweit  die  fragmentarischen  Nachrichten  Aber  dieselben 
uns  den  Vergleich  ermöglichten.  Dieselben  Principien  gelten  dem- 
nach fOr  alle  Epen  bezüglich  der  Abhängigkeit  der  Vasenmalerei  Ton 
denselben.  Eine  Zusammenstellung  dieser  Principien  oder  Gesetze, 
die  sich  aus  den  gesammten  Bildwerken  eruiren  lassen,  soweit  sie 
Stoffe,  die  bereits  in  den  Epen  behandelt  waren,  darstellen,  ergibt  etwa 


1.  Das  Epos  ist  die  hauptsftchliche  Quelle  der  Vasenbilder 
yon  den  iütesten  Zeiten  bis  zn  denen  des  Veifalles^  diese  mit  ein- 
gerechnet. 

2.  Neben  dem  Epos  steht  die  Tragödie;  ihre  Einwirkungen 
sind  in  der  echtarchaischen  Periode  kaum  wahrzunehmen.  Die  sfgn. 
Vasen,  welche  Stoffe  aus  der  Tragödie  entnommen  haben,  scheinen 
zu  einer  Zeit  verfertigt  zu  sein,  da  schon  die  neue  Technik  die  alte 
in  den  Hintergrund  gedrängt  hatte.  Jedoch  kann  hier  nur  eine 
Untersuchung  aller  übrigen  Bildwerke  ''auf  diesen  Gesichtspunkt  hin 
abschliessende  Resultate  bringen. 

3.  Einfluss  anderer  Poesie  auf  die  Mythengestaltung  in  Vasen- 
bildem  hat  nicht  stattgefunden.^)  Lokalmythen  sind  nii^ends  auf- 
zufinden. 

4.  Die  Vasenbilder  sind  nie  Illustrationen  zu  den  Gedichten 
der  Epiker  wie  der  Dramatiker;  auch  lag  eine  möglichst  genaue 
Wiedergabe  der  Poesie  nicht  in  der  Absicht  der  Maler. 

5.  Daher  allenthalben  grosse  Abweichungen  von  der  Poesie, 
nur  selten  enger  Anschluss  an  dieselbe  bis  ^i  die  Einzelheiten. 

6.  Meist  sind  nur  die  wesentlichen  und  charakteristischen  Züge 
der  Poesie  beibehalten. 

7.  Häufig  finden  sich  Abweichungen  von  der  Poesie,  besonders 
in  der  Benennung  von  Personen,  die  theils  ans  ungenauer  Eenntniss 
der  Dichtung,  theils  aus  Willkür  entstanden  sind. 

8.  Erweiterungen  der  Scene  sind  sehr  häufig.  Vor  allem 
werden  gern  Personen,  die  im  Zusammenhange  mit  der  betreffenden 
Scene  stehen,  beigefügt. 

9.  In  der  archaischen  Periode  werden  manchmal  Personen 
ohne  jegliche  Bedeutung  hinzugefdgt. 

10.  Die  Sitten  der  Zeit  werden  oftmals  auf  die  Heroen  über- 
tragen. 

11.  Die  Büstungs-  und  Abschiedsscenen  sind  immer  vom  Maler 
frei  erfunden. 

12.  Allgemeine  Bilder  werden  oftmals  duich  Beifügung  von 
Heroennamen  indiyidualisirt  und  zur  heroischen  Scene  verwandelt 

13.  Die  Neigung  neuerer  Erklärer,  alle  oder  wenigstens  mög- 


^)  Für  Namen  und  Zahl  der  Gottheiten  ist  Hesiod  nicht  ohne  Ein- 
fluBB  geblieben. 


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Verb.  d.  gr.  Yasenbilder  k.  d.  Ged.  d.  ep.  Kjklos.  637 

liehst  yiele  Personen  zu  benennen,  ist  sehr  oft  unberechtigt,  da  die 
Malerei  oft  Personen  zeichnet,  ohne  individuelle  Gestalten  im  Sinne 
zu  haben. 

14.  Die  Verschmelzung  von  Zeitmomenten  findet  sich  sehr 
häufig  (in  der  archaischen  Periode  oft  sehr  naiv). 

15.  Der  Unterschied  der  Poesie  von  der  Malerei  zeigt  sich  am 
deutlichsten  in  Scenen,  die  nicht  auf  einen  bestimmten  Moment  zu 
deuten  sind. 

16.  Oftmals  bietet  ein  Yasenbild  nur  den  allgemeinen  Inhalt 
der  Poesie,  so  dass  von  der  Zurückführung  auf  eine  bestimmte  Quelle 
Abstand  genommen  werden  muss. 

17.  Züge  der  einen  Dichtung  werden  oft  in  die  Bilder  zu  Scenen 
einer  anderen  Dichtung  übertragen. 


Nachtrag  zu  S.  619  ff. 

Zu  spät,  um  bei  der  Arbeit  selbst  berücksichtigt  werden  zu  können, 
geht  mir  Roberts  Arbeit  über  Tbanatos  (Winckeknannsprogramm  der 
archäol.  GeBcUschaft  zu  Berlin,  1879)  zu.  Derselbe  erklärt  die  D&monen 
auf  D  E  als  nfirvoc  und  GdvaToc.  Somit  würden  s&mmüiche  Schwierig- 
keiten fortfallen,  und  Welckers  Ansicht,  dass  Arktinos  des  Dramatikers 
Vorbild  gewesen,  wftre  richtig. 


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Inhalt. 


Einleituig 

I.  Vasenbilder,  deren  epische  Quellen  erbalten  sind    .    .    .  496 — 559 

A.  §  1.    Arcbaiscbe  Vasen 496 — 507 

§  2.    Arcbaiscbe  nnd  rotbfigorige  attiscbe  Vasen 

mit  gleichen  Darstellungen 507 — 512 

§  8.    Botbfignrige  attiscbe  Vasen 512 — 522 

§  4.    Unteritaliscbe  Vasen 522— 5S4 

B.  §  5.    Irische  Eampfscenen 534 — 541 

§  6.    BOstnng,  Abschied,  Bückkebr 541 — 556 

§  7.    Kleidung,  Bewa&ung  u.  dgl 55^—569 

II.  Ausserepische  Dichtungen  und  Lokalsage 559 — 575 

§  8.    Tragödie 559—590 

§  9.    Hesiod 660—563 

§  10.  Lyrik 563--67S 

§  11.  Alexandriniscbe  Poesie 572 — 674 

§  12.  Lokalsage 574—575 

in.   Vasenbilder,  'deren  epische  Quellen  nur  in  Bruchstücken 

erhalten  sind 575—  635 

§  13.  Kyprien 575—613 

§  14.  Aithiopis 614—624 

§  15.  Kleine  Ilias 624—628 

§  16.  niupersis 628^635 

Resultate 635—637 


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ARES  UND  APHRODITE. 


EINE  UNTEESUCHÜNG 


UEBEB 


URSPEUNG  UND  BEDEUTUNG 
IHRER  VERBINDUNG. 


VON 


KARL  TÜMPEL. 


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„Combinationen  fiber  Entstelmiig  und  Uebesnahme  von  Mythen  werden 
auf  wiflsenBchaftliche  Bedeniong  und  dauernde  Geltung  nur  dann  An- 
spruch haben,  wenn  ue  —  nicht  zufrieden,  einsehie  heryozragende  Punkte 
Bcharf  XU  beleuchten,  wo  dann  dae  üebrige  um  so  dunkler  zu  werden 
pflegt,  —  oder  eine  ausgesuchte  Reihe  von  übereinstimmenden  That- 
Sachen  zu  vereinigen,  was  in  der  Regel  von  den  yerschiedensten  Stand- 
punkten aus  möglich  ist,  —  die  in  Frage  kommenden  Momente  toU- 
ständig  zusammenfiuBen  und  als  zu  einem  Resultat  flbereinstimmend 
nachweiseu,  oder  —  da  dies  in  Fragen  der  Alierttiumswissenscfaaft  selten 
gelingen  wird,  —  klar  darlegen,  wesshalb  die  widersprechenden  üeber- 
lieferungen  das  gefundene  Resultat  nicht  zu  beeinträchtigen  vermögen.*' 

0.  Jahn. 
(V.  d.  k.  Sachs.  G.  d.  W.  z.  Lpzg.  1866,  H.-Ph.  Cl.  VII 219.) 


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Einleitung. 


OeseUelite  der  Frage. 

§  1.  Die  wxturphüosaphisch'S^mbölische  Bichtu/ng,  Der  &lte  Irr- 
thum  des  römischen  Volkes,  dass  seine  Götter  einzeln  den  griechischen 
entsprächen^  hat  bekanntlich  bis  in  unser  Jahrhundert  unter  den 
Mjthologen  fortgelebt  und  manche  schädlichen  Yorurtheile  erzeugt, 
die  erst  mühsam  ausgerottet  werden  mussten.  —  Unter  diese  gehört 
auch  die  Ansicht  von  der  Wichtigkeit  der  Bolle,  welche  Mars  und 
Yenns  auch  in  der  Religion  der  alten  Griechen  gespielt  haben  sollten. 
Sie  beruht  auf  einer  stillschweigenden  Identificirung  dieser  beiden 
Götter  mit  den  griechischen  Ares  und  Aphrodite,  in  Folge  deren 
man  die  Gründe  für  die  hohe  staatliche  Bedeutung  des  römischen 
Paares,  als  der  Stammgötter  des  xäsarischen  Borns,  auf  griechischem 
Boden  finden  zu  wollen  versucht  war.  Von  dort  her  sollte  sich  die 
fortwirkende  Bedeutsamkeit  nach  Bom  übertragen  haben.  Die  Spuren, 
welche  die  üeberlieferung  an  die  Hand  gab,  schienen  zum  Theil  nach 
Samothrake  hinzuweisen  und  so  war  es  natürlich,  dass  man  in  den 
dunklen,  die  Phantasie  reizenden  Geheimnissen  der  dortigen  Mysterien 
und  ihrem  weithin  sich  verzweigendem  Einfluss  den  Schlüssel  für  die 
Bedeutung  unseres  Paares  in  der  Hand  zu  haben  vermeinte.  Es 
konnte  dabei  nicht  fehlen,  dass  man  auf  diesem  Besultat  fussend  im 
Anschluss  an  die  Ansichten  antiker  Philosophen  in  der  Verbindung 
von  Ares  und  Aphrodite  eine  mythische  Manifestation  tiefer  natur- 
philosophischer Gedanken  erkannte,  mit  denen  die  Weisheit  der  alten 
Pelasger  den  Abstractionen  der  späteren  Philosophen  vorausgegangen 
sei.  Eine  solche  alte  religiöse  kosmogonische  Allegorie  von  der  Ver- 
einigung streitender  Elemente  (Liebe  und  Hass,  Streit  und  Einigung) 
zur  Bildung  der  Weltordnung  (der  Tochter  Harmonia)  sahen  in  der 
Paarung  von  Ares  und  Aphrodite  z«  B. 

Gh.  G.  Heyne  (Antiquar.  Aufs.  I  160 ff.  —  1778)  und 

Mart.  G.  Hermann  (Myth.  d.  Griechen,  p.  452 — 1801),  dem 
„die  Ordnung,  in  welcher  die  Kinder  aus  der  Ehe  entspringen,  Deimos 
und  Phobos  (Furcht  und  Schrecken)  und  dann  Harmonia  (Vereinigrmg), 
ein  Symbol  der  empörten  und  zuletzt  beruhigten  Elemente'^  ist.  Am 
nachhaltigsten  wirkte 

Fr.  Grenze r.  Seine  mit  den  vorigen  identischen  Ansichten 
(Symbolik  11  294—1810)  fanden  einen  WiderhaU  bei 

Jahrb.  f.  «IM..  PbüoL  Sappl.  Bd.  XL  ^^||^^  ^^  GoOglc 


642  K.  Tümpel: 

0.  Malier,  der  ebenMls  noch  die  Mysterien  für  den  ^Mittel- 
punkt  der  griechischeB  ürreligion*  hält,  und  Ares  und  Aphrodite 
sowohl ,  wie  Hephaistos  und  Aphrodite  für  die  Principien  derselben, 
Eersos  und  Eersa,  *an  welche  sich  Harmonia  in  symbolischer  Lehre 
anschliesst'  (Orchomenos  u.  d.  Minyer  ü*  443.  447.  445.  212  — 
1820  u.  1844).  So  ist  also  diesem  Götterpaar  seine  Betonung  der 
Stammcnlte  nicht  zu  Statten  gekommen.  Ein  weiterer  Nachfolger 
von  Creuzer  war*) 

W.  H.  Engel,  welcher  in  seiner  noch  immer  unentbehrlichen 
Monographie  über  den  Cult  der  Aphrodite,  ziemlich  den  ganzen  zweiten 
Theil  seines  Buches  über  ^Eypros'  ( — 1841)  auBftÜlend,  jene  An- 
sicht bis  zur  ftussersten  Consequenz  führte.  Aach  ihm  sind  Ares 
und  Aphrodite  grosse  pelasgische  Potenzen,  deren  Sitze  besonders 
die  Eabirenmysterien  zu  Theben  und  Samothrake  seien.  Unter  dem 
Eindruck  dieser  bedeutungsvollen  Stellung  wittert  er  auch  da  Be- 
ziehungen der  Aphrodite  zu  Ares,  wo  sich  in  der  That  feste  Anhalts- 
punkte nicht  finden,  z.  B.  in  Thrakien,  so  bereitwillig  er  auch  sonst 
allen  Verhältnissen  dieser  Oöttin  Rechnung  trägt.  Diese  pelasgische 
Götterehe  von  weiter  Verbreitung  und  tiefgreifender  Bedeutung  zieht 
sich  nach  ihm  in  gleichmftssiger  Entwickelimg  und  ohne  AbschwSehung 
von  den  ältesten  Zeiten  durch  alle  Perioden  der  griechischen  Ge- 
schichte bis  in  die  römische  Epoche  der  antiken  Cultur  hinein.  Der 
Umstand  aber,  welcher  trotz  all  seiner  Gründlichkeit  diese  Ueber- 
Schätzung  verursachte,  war  ein  nothgedrungener  Verzicht  auf  die 
Benutzung  der  Eunstdenkmäler,  den  er  selbst  beklagt  (Eypros  11, 
p.  IX).  So  konnte  denn  ein  Bückschlag  von  dieser  Seite  her  nicht 
ausbleiben,  und  er  erfolgte  aus  dem  Lager  der  Greuzerianer  selbst. 

E.  Gerhard  warnte  in  seinem  berflhmten  ^Rapporte  intomo 
i  vasi  Volcenti'  (No.  234)  in  den  Annali  dell*  instituto  arch.  (IQ. 
141  u.  38  —  1831)**)  davor,  Ares  und  Aphrodite  allzuvoreilig  auf 
Vasenbildem  erkennen  zu  wollen,  da  ihr  Vorkommen  äusserst  sel- 
ten sei;  und  wenn  auch  Welcker  noch  1860  in  seiner  ^Oriechi- 
schen  Götterlehre'  (ü  708)  sagt,  *in  Bildwerken  sei  nichts  häufiger 
als  unser  Paar',  so  war  jnan  doch  darauf  aufinerksam  geworden, 
dass  die  Bolle,  welche  Ares  und  Aphrodite  in  der  Eunstdarstellnng 
spielen,  bei  weitem  nicht  entspreche  der  phantastischen  Würde, 
welche  man  dieser  Götterverbindung  im  Bereich  des  griechischen 
Beligionsglaubens  zuertheilt  hatte.  Ein  anderer  Gnmdirrthum  der 
Creuzerischen  Richtung,  deren  mythologische  Anschauungen  eher 
den  letzten  Abschluss  der  antiken  philosophirenden  Mythologie,  als 
die  ersten  Anfänge  der  neueren  bilden,  war^  dass  die  naturphilo- 
sophische Allegorie  den  Inhalt  des  Mythos  ausmache,  also  eine  nach 

*)  F.  Lajardsim  gleichen  Sinne  geschriebenes  Werk:  'Becherches 
aar  le  culte,  les  symboles,  les  attribnts  et  les  monumentB  figor^  de 
Venus  en  Orient  et  en  Occident  1887— 1S48'  war  mir  nicht  so^biglich. 

•*)  Hinck  (A.  d.  I.  1866,  p.  100»)  dtirt  falsch. 


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Ares  und  Aphrodite.  643 

dieser  Richtimg  mögliche  Deutong  das  KriteriTun  ftlr  die  Echtheit 
eines  Mythos  sei.  Mit  dem  durch  J.  H.  Voss  (z.  B.  Antisymbolik 
I  168,  1824—1826)  jedoch  gemachten  Einwand,  dass  ein  solches 
Verfahren  eine  anachronistische  Anwendung  neuplatonischer  Ideen 
auf  eine  ganz  vorphilosophische  Epoche  sei,  war  auch  nach  dieser 
Seite  hin  der  Yerbindung  von  Ares  und  Aphrodite  die  bisherige  Stütze 
der  Echtheit  entzogon;  und  seitdem  ist  keine  neue  Richtung  des 
mythologischen  Forschens  aufgekommen,  in  deren  Systemen  nicht 
letzthin  dieses  Paar  immer  als  eine  von  aller  Naturreligion  seitab 
liegende  Combination  der  dichterischen  Phantasie  hingestellt  wäre. 
Den  Anfang  mit  dieser  Auffiassung  hat  selbstverständlich,  da  sie  in 
seinem  ganzen  System  herrschend  war,  Yoss  selbst  gemacht,  wenn 
auch  keine  Aeusserung  sich  speciell  auf  die  Paarung  von  Ares  und 
Aphrodite  bezieht.  Die  erste  solche  finden  wir  im  Bereich  dieser 
Richtung;  welche  keinen  natursymbolischen,  sondern  nur  einen 
ethischen  Inhalt  den  Mythen  zuerkennen  will,  bei  Götüing. 

§  2.  Die  eiMsche  tmd  natursyinbalische  Richtung.  K.  W.  öött- 
ling  behauptet  in  seinem  ^System  d.  alten  Mjrthologie  d.  Griechen' 
—  1827  (=  (Jesammelte  Abhandlungen,  p.  197  — 1851),  *der  Aphro- 
dite sei  Ares  deswegen  zugesellt,  weil,  nach  Piatons  Bemerkung, 
sinnliche  Weiber  martialische  Männer  am  liebsten  haben'.  Neuer- 
dings hat  auf  diesen  Standpunkt 

E.  Lehrs  zurückgegriffen.  Er  sagt  in  dem  Aufsatz  über  *Gott, 
Qötter  und  D&monen'  (in  der  zweiten  Auflage  seiner  ^Populären 
Aufsätze  aus  dem  Alterthum*,  p.  161.  165  ff.  —  1875)  *der  Grieche 
konnte  einen  Gott  wohl  begreifen;  aber  seine  geistige  Organi- 
sation und  Bedürfniss  verabscheute  es,  ihn  zu  ergreifen.  Selbst  den 
allgenügsamen  Zeus  mochte  er  nicht  allein  denken',  und  so  ^treten 
ihm  zunächst  bei  Apollon  und  Artemis,  beide  erÜEtöst  als  herrlichster 
Typus  eben  gereifter  männlicher  und  weiblicher  Jugendlichkeit',  . . . 
femer  ^rückstrahlend  seine  ruhige  Weisheit  auch  eine  Tochter  Pallas- 
Athene'.  Allein  ^diese  Zahl  der  drei  Kinder  muss  der  Phantasie 
der  Griechen  noch  nicht  voll  genug  erschienen  sein:  noch  einen  Sohn 
und  eine  Tochter  sich  entsprechend  ordnete  man  bei,  Ares  und  Aphro- 
dite, diesmal  sich  entsprechend  im  Gegensatz  als  des  Krieges  Wildig- 
keit  und  der  Liebe  Holdigkeit',...  worauf  als  ein  weiteres  ^merk- 
würdiges Beispiel  solcher  im  Gegensatz  zu  einander  fortwachsenden 
Gestalten  und  Gestaltungen  noch  Herakles  und  Dionysos'  sich  an- 
Bchliessen; . . .  eine  sonderbare  Yerkennung  der  Aufgaben  historischer 
Forschung,  der  mit  Recht  R.  Förster  (in  Fleckeisens  Jahrb.  113, 
p.  806)  entgegengetreten  ist 

Eine  dritte  Richtung,  welche  durch  Festhaltung  der  symbolischen 
Deutung  sich  mehr  an  die  Creuzerische  anschliesst,  aber  sich  von 
dieser  doch  darin  unterscheidet,  dass  sie  in  der  Mythologie  nicht 
kosmogonische  Allegorien,  sondern  solche  des  Naturlebens,  in  den 
Göttern  Personificationen  von  Naturerscheinungen  erblickt,  glaubt 

>i*dby  Google 


644  K.  Tömpel: 

in  Ares  tuad  Aphrodite  die  beiden  himmlischen  Lichter,  Sonne  ncd 
Mond,  personifioirt;  so 

J.  A.  Kanne  schon  1808  in  der  ^Allgemeinen  Mythologie' 
(I  249).  Seinen  etwas  confnsen  Vergleichen  des  Paares  mit  Delik 
und  Simson,  Omphale  und  Herakles  liegt  der  Gedanke  zu  Orunde, 
dass  die  Mondgöttin  dem  Sonnengott  das  Licht  raubt,  und  nach 
seiner  Bezwingung  während  der  Nacht  die  Erde  beherrscht.  —  Als 
Sonne  und  Mond  erklärt  das  Paar  auch 

E.  Schwenck  in  den  ^Etymologisch -Mythologischen  Andeu- 
tungen' (p.  243  —  1823),  wobei  er  hinter  der  Aphrodite  eine  ur- 
sprüngliche thrakische  Bendis  vermuthet  als  oberste  Oöttin  neben 
dem  obersten  Gott  der  Thraker,  Ares.  Später  änderte  er  seine  An- 
sicht, die  sich  noch  vertreten  findet  von 

J.  N.  Uschold:  ^Vorhalle  der  griechischen  Geschichte  und 
Mythologie'  (ü  202.  301).  Auch  Hephaistos  und  Aphrodite  sind 
ihm  ^ Sonne  und  Mond',  wie  überhaupt  fast  alle  Gottheiten  des 
griechischen  Götterhimmels.  Eine  ganz  verschiedene  Auffassung  bietet 

J.  F.  Lauer  (System  der  griechischen  Mythologie, «p.  242  — 
1853).  Nach  ihm  ^buhlt  Ares  als  Herr  der  Wolken  mit  Aphrodite, 
der  Göttin  des  sprossenden  Erdenlebens,  das  von  der  thauigen  Wolke 
befruchtet  wird'. 

Die  beiden  getrennten  Methoden  der  natursymbolischen  and  der 
ethischen  Deutung  vereinigte  zu  höherer  Einheit 

L.  Preller,  indem  er  der  ersteren  die  Nothwendigkeit  zuge- 
stand, hinter  den  anthropomorphischen  Göttern  des  Epos  Potenzen 
des  Naturlebens  zu  suchen,  die  später  nur  ethisch  umgedeutet 
wurden,  —  und  von  der  zweiten  das  Hilfsmittel  der  litterarischen 
Kritik  mit  Homer  als  unbedingtem  Ausgangspunkt  der  Forschung 
acceptirte.  In  der  ersten  Auflage  seiner  ^Griechischen  Mythologie' 
denkt  er  sich  (p.  206  f.  —  1854)  den  Bund  von  Ares  und  Aphrodite 
^eigentlich  gewiss  kosmogonisch  gemeint'  und  sieht  darin  eine  Ver- 
einigung des  ^streitbaren  Sonnengottes'  mit  der  schlechthin  'himm- 
lischen' Aphrodite.  Da  diese  Erklärung  ihn  offenbar  selbst  nicht 
befriedigte,  so  lesen  wir  in  der  zweiten  Auflage  (I  267):  *Als 
eine  Göttin  des  Gewitters  und  Blitzes  wurde  Aphrodite  Urania  ge- 
wohnlich  bewehrt  und  kriegerisch  gedacht,  wodurch  sich  zugleich 
der  alte  Bund  zwischen  Ares  und  Aphrodite  zu  Theben  und  in  anderen 
örtlichen  Culten  und  Sagen  erklärt,  daher  sie  hin  und  wieder  auch 
den  Beinamen  Areia  führt'.  Eine  scdiwer  zu  beweisende  Behauptung, 
welche  nur 

W.  Schwartz  in  seinem  Buche  ^Ursprung  der  Mythologie'  von 
neuem  zu  vertreten  gewagt  hat  (p.  116.  162.  178.  212.  215  — 
1878).    Dagegen  hat 

F.  G.  Welcker,  der  mit  Ausnahme  seiner  sonst  nicht  stören- 
den Ansicht  vom  urgriechischen  Zeusmonotheismus  mit  den  vorher- 
gehenden Gelehrten  auf  gleichem  Boden  steht^  wie  wir  weiter  sehen 

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Ares  and  Aphrodite.  645 

werden,  aas  den  bieberigen  Erklärongaversachen  das  negative  Resul- 
tat gezogen  y  dass  von  einer  religiösen  Bedeutung  der  Combination 
Ton  Ares  und  Aphrodite  keine  Bede  sein  könne.    Während 

P.  F.  Btuhr  (^Beligionssjsteme  der  Hellenen'  etc.  «»  der  'Allg. 
Gesch.  der  Beligionsformen  der  heidnischen  Völker'  zweiter  Theil, 
d84f.  —  1888)  wenigstens  nur  *die  homerische  Sage  von  dem 
Ehebruch  des  Ares  und  der  Aphrodite'  im  Oesang  des  Demodokos 
(Od.  e.  267—866)  als  dichterische  Erfindung  hinstellte  (von  der 
^Vermfthlung  der  Schönheit  und  der  Kraft'  und  der  Bändigung  der 
letzteren  durch  die  erstere),  die  ^thebische  Sage  aber,  derzufolge 
Ares  als  Gemahl  der  Aphrodite  genannt  wird'  (flesiod  Theog. 
987),  doch  auf  ^alte  Vorstellungen  von  Natursymbolik'  zurückgeführt 
wissen  möchte,  nimmt  Welcker  auch  fOr  den  thebischen  Cult,  und 
nicht  nur  fOr  diesen,  sondern  auch  fOr  die  Paarung  im  Z wölfgötter- 
sjstem  dichterische  Willkür  und  Zu£bJ1  an,  ganz  im  Gegensatz  zu 
den  sonst  überall  gegebenen  natursymbolisehen  Deutungen.  Seine 
diesbezüglichen  Aeusserungen  werden  wir  seines  Orts  zusammen- 
stellen. Vorläufig  genügt  es  zu  constatiren,  dass  diese  Richtung  mit 
einem  negativen  Resultat  geendet  hat  und  in  dem  einen  Falle  an- 
nimmt, was  die  Voss'sche  in  allen:  eine  Dichtererfindung. 

Um  die  Stellung  der  Frage  noch  eigenthümlicher  zu  machen, 
muss  auch  von  der  Methode  des  Verfassers  der  ^Stammmythologie', 

H.  D.  Müllers,  welche  mit  den  anderen  im  nämlichen  Gegen- 
sats  sich  befindet,  wie  diese  untereinander,  das  Gleiche  gemeldet 
werden.  Das  Bedürfiüss,  ein  bestimmtes  Lokal  nachzuweisen,  in 
welchem  der  Doppelcult  sich  urächt  beftnde,  und  ihm  durch  An- 
knüpfung an  einen  bestimmten  Volksstamm  Leben  einzuflössen,  hatte 
schon  früher 

K.  Schwenck  (a.  a.  0.)  an  Thrakien  denken  lassen,  wo  die 
Bendis  ^»>  Yenus'  mit  Ares  verbunden  sein  sollte.    Auch 

M.  W.  Heffter  (Religion  der  Griechen  und  Römer;  p.  189  f. 
—  1846),  bei  dem  rein  ethische  und  natursymbolische  Deutungen 
neben  einander  hergehen,  suchte,  freilich  unbestimmt  genug,  den  Ur- 
sprung dieser  von  ihm  nach  Voss'scher  Weise  aufge&ssten  theo- 
gonischen  Dichtung  oder  vielmehr  ^Fabelei'  *in  irgend  einem  Theile 
von  Griechenland,  dessen  Bewohner  kriegerischer  Natur  waren'.  Als 
aber  dnroh 

F.  G.  Movers  (Phoenizier  1841)  das  Studium  des  Orients 
und  seines  Einflusses  auf  Griechenland  neue  Anregung  erhielt, 
glaubte  auch  Schwenck  in  der  ^Mythologie'  (I  244  —  1848)  sein 
conjecturales  thi*aki8ches  Ehepaar  besser  stützen  zu  können  durch  einen 
Verweis  auf  den  Orient.  Der  Patäke  Melkarth  mit  der  Aphrodite 
der  Semiten  sollte  auf  Lemnos  mit  Hephaistos,  in  Thrakien  mit  Ares 
zusammengeflossen  sein,  welche  nun  im  Streit  um  die  Aphrodite  der 
eine  zum  Gemahl,  der  andere  zimi  Buhlen  derselben  gemacht  worden 
wären  (IV  217  —  1846).    Aber  zu  begründen  ist  diese  Hypothese 


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646  K.  Tümpel: 

nicht;  und  es  spricht  aus  ihr  nur  die  Yerzweiflung,  auf  griechischem 
Boden  die  Wurzeln  der  Verbindung  zu  erweisen. 

H.  D.  Müller  hielt  an  dieser  Hofihung  noch  fest,  als  er  in 
seinem  ^Ares'  (p.  34  —  1848)  von  dem  Mythos  des  Demodokos- 
gesanges  sagte,  ^er  sei  keineswegs  eine  müssige  Erfindung  des  Homer 
oder  eines  älteren  Dichters,  der  seine  Zuschauer  habe  belustigen  wollen; 
er  habe  vielmehr  seinen  letzten  Grund  in  derselben  chthonisohen  Auf- 
fassung des  Ares,  welche  sich  in  seiner  Fesselung  ausspricht'.  Aber 
nichtsdestoweniger  haben  er  wie 

H.  W.  Stell  (üeber  d«  ursprüngliche  Bedeutung  d.  Ares. 
1853),  also  gerade  die  beiden  einzigen  Verfasser  von  Monographien 
über  diesen  Gott,  ganz  auf  die  Behandlung  seiner  Beziehungen  zu  Aphro- 
dite verzichtet.  Diese  rechnet  H.  D.  Müller  (p.  91)  ^zu  dem  geringen 
Reste  des  Materials,  das  er  zurücklftsst,  weil  es  nach  dem  dermaligen 
Standpunkt  der  Wissenschaft  sich  der  mythologischen  Forschung 
noch  nicht  fügen  zu  wdllen  scheine'.  Bei  seiner  Beschränkung  auf 
rein  griechische  Religionskreise  fand  sich  aber  die  erwartete  Auf- 
klärung nicht  in  dem  Bereich  der  Studien  dieses  Gelehrten;  und  so 
lesen  wir  in  seiner  *  Mythologie  der  griechischen  Stämme' 
(n  369) 

*Homer  scheut  sich  bisweilen  nicht^  z.  B.  in  der  Erzählung  von 
der  Fesselung  des  Ares  und  der  Aphrodite,  Scherzhaftes  von  den 
Göttern  zu  berichten;  allein  niemand,  der  tiefer  einzudringen  ver- 
mag, wird  verkennen,  dass  der  Dichter  in  solchen  Fällen  nicht  alte 
üeberlieferung  verfolgt,  sondern  sich  der  freien  Erfindung  überläset'. 

Und  betreffs  des  thebischen  Cultes  heisst  es  (II  319): 

^Aphrodite  wird  nur  als  Mutter  der  Harmonia  genannt,  wie  es 
scheint,  aus  keinem  anderen  Grunde,  als  weil  man  schon  den  Gott 
Ares  als  ihren  Vater  angegeben  fand,  und  für  diesen  keine  andere 
Gemahlin  ausfindig  zu  machen  wusste,  als  die  schon  in  der  Odyssee 
mit  ihm  buhlende  Göttin'.  —  Dieser  Cult  —  und  das  war  er,  wie 
wir  sehen  werden,  verdankt  also  nach  ihm  seinen  Ursprung  einer 
jener  ^Erzählungen,  die  eher  den  Namen  einer  Romandicfatung  ver* 
dienen,  und  in  der  Zeit  entstanden  sind,  als  die  epische  Poesie 
Griechenlands  in  der  Blüthe  stand'  (EL  2),  was  sich  bedenklich  zu 
seiner  Warnung  verhält,  nicht  *zu  der  Krücke  zu  greifen,  dass  man 
eine  Dichterfiction  annimmt'  (Ares  119).  Man  wird  vielmehr  ge- 
stehen müssen,  dass  mit  einem  so  gewaltsamen,  wenn  auch  noch  so 
allseitigen  Abbruch  der  Forschung  eine  Befriedigung  nicht  erreicht 
ist,  und  dass,  trotzdem  von  dreifiEicher  Seite  die  Acten  in  der  Frage 
nach  der  mythischen  Echtheit  oder  Unechtheit  der  Beziehungen  von 
Ares  und  Aphrodite  geschlossen  sind,  die  Frage  selbst  doch  noch 
inuner  zu  den  ^Problemen'  gehört,  die  ^als  Gegenstand  der  Forschung 
immer  aufs  neue  wieder  hingestellt  werden  müssen,  und  nicht,  weil 
sie  bisher  ungelöst  sind,  durch  eine  negative  Kritik  unbequemer  Weise 
bei  Seite  geschoben  werden  dtirfen'.  Es  wird  erlaubt  sein,  diese  Worte 


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Ares  imd  Aphrodite.  647 

J.  Oyerbecks  (Oriech.  Plastik  I'  65.)  mit  seiner  Stellang  zu 
unserer  Frage  in  ZusammenhaDg  zu  bringen,  da  er  allein  den  Glau- 
ben an  eine  gute  religiöse  Bedeutung  der  Paarung  aufrecht  gehalten 
hat  in  einer  gelegentlichen  Bemerkung  bei  Anlass  der  Besprechung 
des  Erg&nzungsproblems  der  Aphrodite  von  Melos  (a.  a.  0.  II' 
326).  In  seinen  Worten:  ^man  habe  sich  das  Götterpaar  in  seiner 
heiligen,  ehelichen  Verbindung  als  Tempelgruppe  aufge- 
stellt zu  denken',  ist  mittels  Betonung  des  Cultes  und  der  religiösen 
Echtheit  eines  Hieros-Gamos  jene  *piu  antica  idea'  prftcisirt;  welche 

A.  Hinck  (*due  pitture  pompejane  riferibili  al  mite  di  Marte 
e  Venere',  Ann.  d.  Inst.  1866,  p.  98.  100)  nur  oBbestimmt  vor- 
aussetzte. Obgleich  nun  erst  kürzlich  Goeler  v.  Ravensburg 
(die  Yenus  von  Milo  p.  73  —  1879)  wieder  bezweifelt,  ob  bei 
Ares  und  Aphrodite  überhaupt  von  einer  ^heiligen'  Verbindung  die 
Bede  sein  könne,  Ma  eine  solche  Anffassung  bei  den  Griechen  im 
Colt  und  in  der  Kunst  nur  in  schwachen  Spuren  hervortrete'  (wört- 
lich wie  BernouUi:  Aphrodite  p.  145  —  1878),  so  ist  damit  doch 
von  Overbeck  ein  heilsamer  Hinweis  auf  erneute  Untersuchung  des 
Gegenstandes  und  eine  Aufmunterung  gegeben,  die  bei  dem  grossen 
Einfluss  der  Welcker' sehen  *  Götterlehre'  um  so  weniger  zu  unter- 
schfttzen  ist.  Da  die  Ansicht  dieses  grossen  Gelehrten,  die  im  System- 
zusammenhang noch  in  der  Götterlehre  festgehalten,  als  letztes  ehr- 
würdiges Vermftchtniss  in  den  Wissensschatz  der  Aiterthumskunde 
übergegangen  ist,  die  am  ausführlichsten  begründete  von  allen  ist, 
so  erscheint  es  rathsam,  sie  zu  Grunde  zu  legen.  Denn  wie  wir  sahen,- 
kann  sie  zugleich  als  Ausdruck  der  jetzt  herrschenden  Ansicht  dienen. 

§.  3.  Wacheres  Ansicht.  Die  am  weitesten  gehende  Aeusserung 
Welckers  findet  sich  in  den 

Alten  Denkmälern  (I  439  —  1849):  'Die  Gruppirung 
des  Ares  mit  der  Aphrodite  scheint  römischen  Ursprungs  zu  sein, 
da  von  einer  solchen  Gruppe  aus  der  guten  Zeit  (welcher  die  Aphro- 
dite von  Melos  angehört)  nirgends  Erwähnung  gethan  wird,  während 
Mars  und  Venus,  frühzeitig  schon  von  den  Dichtem  gepaut,  für  die 
Bömer  eine  besondere  Bedeutung  erhielten  durch  die  zufUlige  Be- 
gegnung in  der  Stammsage'.  Dieser  Passus  darf  nicht,  wie  Ber- 
nouUi (Aphrodite  p.  144)  thut,  von  der  'Verbindung'  der  beiden 
Götter  überhaupt,  was  allerdings  verwunderlich  wäre,  sondern 
nur  von  statuarischen  'Gruppen'  verstanden  werden,  wobei 
symbomische  Vereinigung  von  Einzelstatuen  also  durchaus  nicht 
aJs  der  Ueberlieferung  entgegen  geleugnet  ist.  Dies  geht  aus  der 
Natiyr  des  behandelten  Gegenstandes  (Aphrodite  von  Melos),  wie  aus 

Götterlehre  11  371  —  1860  klar  hervor;  dort  heisst 
es:  'Für  die  Bömer  hatte  die  Verbindung  ihres  Mars  mit  der  Ahn- 
mutter der  Aeneaden,  Aphrodite,  besonderen  Beiz,  und  durch  sie 
ist  wahrscheinlich  der  gemeinsame  Cult  in  Griechenland  gehoben 
woxden'. 


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648  K-  Tümpel: 

In  diesen  Worten  zeigt  sich  zugleich  seine  Geringsclifttznng  des 
griechischen  Paares,  die  noch  deatlicher  zu  Tage  tritt  in  seiner  Ab- 
handlung 

*üeber  eine  kretische  Colonie  in  Theben'  (p.  40  — 
1824):  ^Die  Göttin  von  Askalon  und  Eittion,  in  eine  Allegorie  der 
Schönheit  und  Liebe  verwandelt,  war  von  den  thrakischen  Musen, 
welche  für  immer  den  Oötterverein  des  Olymp  geordnet  haben,  dem 
Ares  zugeführt.  —  Haben  doch  die  Dichter  auch  allein,  wie  es  scheint, 
die  Veranlassung  gegeben,  dass  in  Theben  Harmonias  Mutter  Aphro- 
dite Verehrung  geweiht  ward'.  —  Hieran  ändert  wenig,  dass   er 

Götterlehre  I  286  diese  Verbindung  unter  die  ^Producte 
systematisirender  Theogonie'  und 

ebenda  H  707  unter  ^die  Gombinationen  der  ältesten  Mytho- 
logen'  rechnet,  ^die  nicht  selten  volksmSssig  geworden  sind,  ohne 
Rücksicht  auf  die  Motive,  aus  denen  sie  hervorgegangen  waren'. 
Denn  gleich  der  weitere  Verlauf  dieser  Stelle  charakterisirt  diese 
Motive  als  sehr  äusserlich  von  Natur,  weil  angeblich  in  einer  miss- 
verstftndüchen  Auffassung  der  bewaffneten  Aphrodite  als  einer  Areia 
(Ares-Gattin)  beruhend.    Femer  heisst  es  in  der 

Götterlehre  (I  669  —  1867):  *Die  von  aussen  eingedrungene 
Göttin  Aphrodite  wird  mit  dem  ebenfEÜls  auf  einen  allegorisehen 
Dämon  heruntergebrachten,  auf  seinem  eigenen  Boden  sehr  um&s- 
senden  Gott  (Ares)  vermählt.  Dass  hierbei  nur  an  das  VerhSltniss 
zu  der  Schönheit,  des  Helden  zu  der  Schönen,  gedacht  worden  sei, 
wird  niemand  leicht  glauben.  Vielleicht  lag  der  Anlass  darin,  dass 
Aphrodite,  wie  Astarte,  bewaffiiet  war.  Wenn  nun  Aphrodite  mit 
Ares  zusammentraf,  wie  in  Theben,  so  konnte  der  Schein,  dass  sie 
eine  Areia  sei,  da  die  Symbole  auf  viele  Ideen  zufällig  geleitet 
haben,  zu  einer  wirklichen  Verbindung  zwischen  ihr  und  Ares 
fdhren'. 

Gerade  die  hier  ausgeschlossene  Möglichk^t  eines  rein  ethischen 
Grundgedankens  ninunt  aber  Welcker  fttr  einen  anderen  Fall  in  An- 
spruch, wo  Ares  und  Aphrodite  mythisch  verknüpft  erscheinen,  näm- 
lich für  den  Gesang  des  Demodokos  im  Vin.  Buch  der  Odyssee.  Hat 
er  schon  in  der 

Götterlehre  (I  86)  Ares  und  Aphrodite  unter  Homers  alle- 
gorischen Personen  zusammen  aufgeführt,  letztere  namentlich  in 
ihrem  Verhältniss  zu  Ares  (und  Helena)',  so  ist 

ebenda  H  731  in  dem  scherzhaft  ausgesponnenen  Mythos  bei 
Demodokos  ^das  einzig  schaffende  Subject  die  Schalkheit  des  Hörnen- 
den, der  den  Ares  zum  Buhlen  der  Aphrodite  macht'.  Dies  erseheint 
ihm  natürlich  selbst  ^unerwartet:  bei  der  ernsthaften  Zusammen- 
stellung', die  er  bei  der  Besprechung  der  Aphrodite  bemerkt  habe. 
Allein  er  hilft  sich  durch  eben  jenes  Mittel,  das  en:  oben  bei  der 
thebischen  Verbindung  verschmähte;  er  sagt 

(n  707):  ^Die  Beziehung  der  Aphrodite  zu  Hephaistos  und  die  su 


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Arefl  und  Aphrodite.  649 

Ares  scheint  bei  Homer  gleich  znfftllig  nnd  ftusserlich,  nur  ein  poe- 
tischer Ghedanke  zu  sein' ;  gleidi  der  weitere  Verlanf  erklftrt,  wie  er 
dies  meist,  und  gibt  zugleich  die  £rlftnterang  zu  seiner  Bezeichnung 
^allegorisch'.    Er  sagt: 

*Mit  Hephaistos  scheint  Aphrodite  nicht  bloss  durch  den  Beiz 
der  Ooldschmiedearbeit,  wie  auch  Gharis,  verbunden,  sondern  auch 
als  der  am  wenigsten  Schöne  mit  der  Schönsten,  um  neckisch  den 
Handarbeiter  zum  Hahnrei  zu  machen'. 

Wenn  also  das  VerhOltniss  des  Ares  zur  Aphrodite  ein  ^gleich 
ftusserliches'  ist,  wie  das  des  Hephaistos  zu  dieser  Göttin,  so  kann 
man  hier  nicht  umhin,  an  eben  jenes  ^Verhtitniss  der  Kraft  zur 
Schönheit,  des  Helden  zur  Schönen'  zu  denken,  das  er  für  die  Er^ 
klärung  der  thebischen  Paarung  nicht  gelten  lassen  wollte:  Also 
soll  die  poetische  Verbindung  bei  Homer  andere  Ursachen  haben, 
als  die  religiös-dogmatische  zu  Theben :  eine  sehr  missliche  Annahme. 
Doppelt  bedenklich  wird  sie  durch  ihre  starke  Inanspruchnahme  des 
Zufolls  und  der  ftusserlichen  Analogie  zur  Erklibrung  eines  Cultes, 
der  unbedingt  echte  Wurzeln  im  Glauben  des  Volkes  verlangt  und 
nicht,  selbst  in  homerischer  Zeit,  erst  durch  die  Dichter  veranlasst 
sein  kann,  unerträglich  aber  wird  diese  AufB&ssung,  wenn  wir 
sehen,  dass  zur  ErklSrong  der  Combination  unseres  Paares  im  XII- 
Götter-System  eine  dritte,  gleich  äusserliche  Veranlassung  suppo- 
nirt  wird.    Jene  ist  ihm 

(G^^tterlehre  H  70)  *  weiter  nichts  als  eine  Verbindung  zweier 
Götter,  fOr  welche  beide  unter  den  echt  griechischen  (Göttern)  keine 
(andere  Verbindung)  zu  finden  war'.  Den  Gegensatz  dieser  dritten 
angenommenen  Ursache  zu  derjenigen,  die  er  für  die  homerische  in 
Anspruch  nimmi,  drückt  möglichst  scharf  eine  Stelle  seiner 

*Aischyleisohen  Trilogie  Prometheus'  (p.  96  —  1824) 
aus:  *Die  Vereinigung  des  von  anderen  St&mmen  unter  den  Hel- 
lenen zurückgebliebenen  Ares  mit  der  phönikischen  Aphrodite  hat- 
ten sie  (die  beiden  Gottheiten)  nicht  etwa  dichterischer  Weise,  inso- 
fern Schönheit  dem  Helden  zu  Theil  wird,  sondern  darum  geechlosseu, 
weil  für  Beide  in  echt  griechischen  Beligionssjstemen  keine  Unter- 
kunft war';  ^zurnothdürftigen  Ausfüllung',  sagtGerhard  (Grie- 
chische Myih.  §  353,  2)  diesen  Satz  zusammenfassend. 

Drftngt  sich  nicht  unwillkürlich,  wenn  man  die  Dreiheit  von 
verschiedenen  Motiven  vernimmt,  welche  denselben  Effect  gehabt 
haben  sollen  in  Cult,  Poesie  und  nationalem  System,  das  Bedür&iss 
nach  einer  gemeinsamen  Ableitung  verschiedener  Phasen  derselben 
Erscheinung  aus  einer  Quelle  auf?  Und  wenn  wir  bedenken,  dass 
diese  dr^  Zeugnisse  fOr  die  Verbindung  der  beiden  Götter  (thebischer 
Gült,  Odysseegeeang  und  Zwölfgöttersystem)  gerade  alt  sind,  der 
Mangel  an  solchen  aber  nur  für  eine  jüngere  Epoche  Geltung  hat: 
müssen  wir  da  nicht  annehmen,  je  weiter  rückwärts  wir  unser  Paar 
in  die  dttmmemde  Vorzeit  zu  verfolgen  im  Stande  wttren,  desto 


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.650  K.  Tfimpel: 

lebendiger  müsste  es  werden?  Freilich  früher  schloss  man  hieraus: 
desto  yerschwonunener  müsste  es  vielleicht  erscheinen,  aber  auch 
um  so  grösser  über  sich  hinauswachsen;  und  so  kam  man  auf  die 
pelasgischen  Eabirenmjsterien.  Das  war  falsch;  aber  nicht  minder 
der  Schluss  der  späteren:  was  in  historischer  Zeit  kein  rechtes  Leben 
mehr  gehabt,  kann  es  überhaupt  nicht,  oder  doch  nur  in  einer  Dichter- 
phantasie oder  im  Beich  des  Zn&lls  gehabt  haben. 

Suchen  wir  aber  nach  dem  Onmde,  der  Welcker  verhinderte, 
die  dritte  Möglichkeit:  nftmlich  ein  lokales  Stammpaar,  dem  unter 
der  üppig  wuchernden  Fülle  der  Nationalmjthologie  Licht  und  Luft 
zur  Entwickelung  fehlte,  zu  berücksichtigen,  so  ergibt  sich  uns 
derselbe  in  seiner  Verkenaung  der  einheimischen  griechischen  Elemente, 
die  in  der  Aphrodite  untergingen.  Was  an  derselben  griechisch  ist, 
bewundert  er  als  Meisterstück  der  aneignenden  und  grftcisirenden 
Dichterphantasie  des  griechischen  Volkes:  im  Grunde  ist  es  inuner 
bloss  die  semitische  Göttin,  um  die  es  sich  bei  ihm  handelt,  mag  er 
nun  Yon  ihrer  Bewaffnung  reden,  wie  in  Theben,  oder  ihrem 
Barbarenthum,  das  ihr  im  Zw  ölfgött  er  System  zur  Verbindung  mit 
Ares  yerhilft,  oder  ihrer  allegorischen  Natur,  die  sich  bei  ihr,  wie 
bei  Ares,  als  fremden  Göttern  rascher  ausbilden  musste,  als  bei  den 
echt  griechischen,  und  somit  bei  Homer  zur  Verbindung  der  Kraft 
mit  der  Schönheit  etc.  führte. 

Aber,  könnte  man  einwenden,  er  hat  ja  in  seinem  Artikel  *Dione' 
in  der  Gr.  Götterlehre  eine  einheimische  Tochter  der  dodonSiflchen 
Dione  in  der  fremden  Aphrodite  untergehen  lassen,  und  somit  dem 
einheimischen  Elemente  die  Mitwirkung  zugestanden,  die  sich  in  der 
Homerischen  Scene  (€  371)  zwischen  Aphrodite  und  ihrer  Mutter 
Dione  ausspricht;  allein  wie  er  davon  denkt,  zeigt  11  707  der  Götter- 
lehre:  ^die  Genealogie  und  alle  mythischen  Verhältnisse  der  Aphro- 
dite sind  so  schwankend,  dass  man  auch  darin  eine  Bestätigung  ihrer 
ausländischen  Herkunft,  yermöge  deren  darin  nichts  Feststehendes 
und  uraltes  sein  konnte,  erblicken  darf'. 

§.  4.  Principien.  Haben  wir  nun  hiermit,  wie  wir  glauben 
dürfen,  den  springenden  Punkt  in  Welckers  Ansicht  gefunden,  so 
empfiehlt  es  sich,  gerade  von  ihm  aus  eine  neue  Analyse  der  Frage 
zu  unternehmen:  und  so  würden  wir  uns  (im  Wesentlichen  über- 
einstinunend)  mit 

B.  Förster*)  (in  Fleckeisens  Jahrb.  113,  806  f.)  als  Aufgabe 
hinstellen  müssen,  zu  untersuchen,  ob 

1.  Der  Mjrthos  von  der  Verbindung  des  Ares  und  der  Aphro- 
dite ein  specifisch  griechischer  ist,  oder  ob  orientalischer 
Einfluss  zu  erkennen  sei;  d.  h.  wenn  wir  unsem  obigen 
Vorsatz  ausführen  wollen,  zu  fragen:  Ist  die  mit  Ares  Ter - 


*)  Er  hofft,  abweichend  Ton  uns,  Alles  von  der  vergleichenden 
Mythologie,  wie  seine  übrigen,  hier  nnterdrflckten,  Furagen  seigen. 


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Ares  und  Aphrodite.  651 

bundene  Aphrodite  nothwendig  eine  fremde?  Die 
folgenden  Fragen  würden  mit  demselben  Gelehrten  so  zu 
formnliren  sein: 

2.  Lflsst  sich  Yielleicht  sogar  die  Heimath  des  Mythos  in  einem 

bestimmten  Stamm  und  seine  allm&hliche  Verbreitung 
nachweisen?  und 

3.  Was  ist  seine  Bedeutung  und  Inhalt?  welchen  Fragen 

die  drei  Theile  unserer  Untersuchung  entsprechen  sollen. 

Damit  haben  wir  das  Gebiet  der  Principien  gestreift,  das  nur 
betreffs  der  dritten  Frage  ein  streitiges  sein  kann.  Denn  durch  die 
zweite  haben  wir  uns  zu  0.  Müllers  Methode  der  Zurückführung  der 
Mjthenmasse  auf  Landschaften  und  Stämme  bekannt,  womit  wir  uns 
nur  einem  heutigen  Tags^  abgesehen  von  der  reactionären  Eichtung 
der  Lehrs'schen  Schule,  allgemein  anerkannten  Axiom  unterwerfen. 
Sollte  aber  hierbei  eine  cultmSssige  Echtheit  und  gemeinsame  Ver- 
ehrung des  Paares  in  einem  bestimmten  Stamm  sich  ergeben,  so 
werden  wir  nicht  umhin  könneUi  des  weiteren  uns  an 

H.  D.  Müllers  Methode  anzuschliessen,  dessen  vielfach  bewähr- 
ter, und  durch  praktische  Untersuchungen  gewonnener  Grundsatz, 
dass  der  griechische  Polytheismus  ein  durch  die  Mischung  separat 
einwandernder,  aus  einer  üreinheit  sich  herleitender  Stämme  erst 
auf  griechischem  Boden  erwachsener  sei,  sich  hier  von  neuem  be- 
stätigt haben  würde.  Der  Werth  seiner  Methode,  die  in  seinem 
*Ares'  (1848)  und  in  der  ^Mythologie  der  griechischen 
Stämme'  (I,  1857,  11,  1,  1861,  II,  2,  1869)  niedergelegt  ist,  liegt 
in  der  logischen  Consequenz  der  Grundsätze,  in  ihrer  mit  Nothwendig- 
keit  sich  vollziehenden  Entwickelung  aus  den  Methoden  der  Vor- 
gänger, und  in  der  schliesslichen  Gewähr  einer  organischen,  weil 
historischen  Anknüpfung  der  griechischen  Mythologie  an  diejenige 
der  arischen  Urzeit,  wie  sie  aus  den  in  Asien  fortlebenden  Tradi- 
tionen der  in  der  Heimath  zurückgebliebenen  verwandten  indischen 
Stämme  gewonnen  wird,  —  also  in  der  naturgemässen  Ausfüllung 
einer  Kluft,  welche  die  Vergleichende  Mythologie  in  voreiliger  Ge- 
waltsamkeit überspringen  will.  Indem  wir  uns  der  praktischen  Winke 
dieses  Gelehrten,  die  übrigens  viel  mehr  Allgemeingut  geworden  sind, 
als  meist  anerkannt  wird*),  seines  Ortes  unter  gewissenhafter  Be- 


'^  Freilich  unter  Ablehnung  der  destructiven  Consequenzen  seiner 
Methode.  Doch  auch  diese  werden  Eingang  finden,  wenn  es  sich  einmal 
herausgestellt  haben  wird,  dass  nicht  die  abstrusen  indischen  Mythen, 
sondern  die  germanische  Mythologie  mit  ihrer  leicht  controUirbaren 
Mythenverschmelznng  und  symbolischen  Durchsichtigkeit  die  einzig  rich- 
tige Vorschale  zur  Erkenntniss  des  mythischen  Denkens  ist.  Hier  trägt 
noch  jeder  Gott  und  Held  die  Spuren  seiner  ursprünglichen  mythischen 
Universalität  an  sich:  von  ziemlich  jedem  wird  •  derselbe  Jahresmythos 
erzShlt;  jeder  hat  seine  ergänzende  ätlfföttin;  und  doch  bat  jeder  wohl 
oder  übel  sein  beschränktes  Ressort  in  der  Natur  zugewiesen  bekommen, 
an  das  er  von  Anfang  an  nicht  gebunden  gewese^i  sein  kann,    und  sind 


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652  K.  TtUnpel: 

mfung  auf  den  Wortlaut  seines  Textes  dankbar  bedienen  werden, 
hoffen  wir,  dass  aacb  da,  wo  die  Spitze  sich  gegen  ihn  selbst  kehren 
muss,  uns  seine  schliessliche  Anerkennung  nicht  fehlen  wird;  denn 
der  scheinbar  zerstörende  Eingriff  wird  nnr  zu  einer  Erweiterung 
und  Abrnndung  seines  Gebftndes  führen. 

Wenn  wir  nns  jetzt  zur  Beantwortung  tmserer  ersten  Frage 
nach  dem  National  der  mit  Ares  verbundenen  Aphrodite  wenden^ 
wfirde  von  geringem  Nutzen  sein  eine  nur  unsichere  Ergebnisse 
liefernde  Analyse  der  Dichter,  welche  Tielmehr,  sowie  die  Schöpfun- 
gen der  bildenden  Kunst,  nachtrSglioh  als  Gontrolle  für  das  dienen 
mögen,  was  sich  aus  einer  Musterung  der  Culte  ergab,  —  zu  der 
wir  jetet  schreiten. 


auch  die  Namen  yerachieden,  so  sind  deren  Trftger  doch  alleeammt 
Doppelgänger:  ZerBplitteron^ren  desselben  Wesens,  das  nur  in  yersohia- 
denen  Religionsgemeinden  sich  verschieden  entwickelte.  Mit  der  Zu- 
sammenschmelzmig  der  Stämme  zu  einem  Gesammtvolke  vereinigt  ein 
nationales  System  alle  die  gebrochenen  Strahlen  des  ein&chen  ürliehte 
za  einem  bnnt&rbigen  GewimmeL  Diese  Ansicht  als  festen  GFrundsatE 
für  die  deutsche  M^^ologie  zuerst  und  allein  hingestellt  zu  haben,  ist 
das  unvergängliche,  aber  nicht  gewürdigte  Verdienst  K.  Simrocks  (Hand- 
buch d.  deutschen  Mytholo^^e,  p.  188  f.  —  1856).  Eine  ethnographische 
Repartition  freilich  wird  im  Germanen th um  durch  den  Mai^gel  an 
historischen  Nachrichten  verhindert  Ein  solcher  stört  uns  zwar  nicht 
bei  der  griechischen  Mythologie,  wohl  aber  die  Mannigfaltigkeit  und 
starke  Ueberarbeitxmg.  Ein  Culturvolk  lebt  eben  intensiver,  als  eine  |(e- 
bundene  Volkskrafb,  und  je  gei&tvoUer  es  ist,  desto  rascher  wird  es  seme 
Lebens*  und  Anschauungsformen  abnutzen.  Was  dabei  an  Durchsichtigkeit 
der  UrverhSltniBse  verloren  geht,  muss  eine  günstige  Wahl  der  aufhellenden 
Gesichtspunkte  ausgleichen.  Diese  würde  aber  am  ungezwungensten  eben 
die  durch  Ineinanderarbeitung  weniger  getrübte  germamsche  Mvthologie 
bieten.  Und  wirklich  spiegeln  sich  in  dieser  die  von  H,  D.  Müller  auf 
griechischem  Ghabiete  mühsam  errungenen  religiösen  Urformen  so  har- 
monisch und  klar  wieder >  dass  man  vermuthen  könnte,  dieselbe  sei 
seine  Lehrmeisterin  gewesen:  —  v^böte  dies  nicht  sein  aurchgfiagiger 
Verzicht  auf  diese  Erkenntnissquelle,  die  auch  seine  Entwickelungen  auf 
ffegnerischer  Seite  wohl  nur  noch  mehr  discreditirt  haben  würde.  Aus 
derselben  Bücksicht  wird  auch  die  folgende  Untersuchung  sich  auf  das 
griechische  Gebiet  beschränken,  zumal  durch  ihn  ein  fester  Gmnd  in 
soweit  gelegt  ist,  um  ohne  die  fremde  Stütze  einer  vergleichenden  Mytho- 
logie Fuss  fassen  zu  können. 


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Erster  Theil. 

Aplirodite  Areia  (Urania)  und  Ares,  das  epigrammatiselie 
Paar  des  Hellenlffliins. 

AbBOlmitt  L    Die  Gölte. 

§  6.  Thebm  und  Megäl^pöds.  Am  wichtigsten  muse  uns  der 
Colt  von  Theben  sein,  weil  derselbe  zugleich  eine  mythische  Be- 
grttndnng  hat.  Er  geht  hervor  aus  den  Versen,  welche  wir  in  den 
Septem  adv.  Thebas  (y.  125—129  Ktschl)  des  mit  thebischem 
Cult  wohlbekannten  Aischjlos  lesen: 

*cij  T*,  "Apnc,  <p€0,  qpcO,  K&bMOu  dTri&vufiov 

TTÖXiv  <puXaSov  K/jb€cai  t*  ivaptCk, 

Kol  Kiiirpic,  äre  t^vouc  1^po^äTUlp, 

dX€ucov.    c^eev  top  ^^  at/üiaTOC 

T6TÖva^6V•'  ktX. 
Mit  diesen  Worten  wendet  sich  der  Jungfrauenchor  zu  zwei 
zusammenstehenden  Bildsäulen  von  Ares  und  Aphrodite,  unter  einem 
Örtlichen  OOttercomplez  von  7  (8)  Oottheiten,  Zeus  (Hera?),  Apol- 
lon  und  Artemis,  Poseidon  und  Athene.  Wfthrend  Axes  als  altein- 
heimisch  bekannt  ist  (cf.  v.  106:  't(  ^^Eeic,  iraXaixOuiV  ''Apiic,  Tf|v 
Tcov  Tov;'),  findet  die  ^Kuirpic  t^vouc  irpO)iidTU>p'  ihre  Erklärung 
in  Hesiods  Theogonie  v.  933  ff.  (E(5chly-Einkel): 
^  . . .  aördp  "Apiii 

^ivoT6pi{j  Kue^p€ia  [Oößov  Ka\  Ae?MOv]  £tikt€ 


'ApMOvinv  0',  f)v  Kdö^oc  uTr^peu^oc  8<t'  Skoitiv'. 
Weitergehend  sofort  eine  Bewa&ung  anzunehmen^  ist  misslich;  aus 
dem  Vorhandensein  phönikischer  Elemente  in  Theben  eine  solche 
zu'schliessen,  nicht  erlaubt^  da  die  Bewafhung  durchaus  kein  noth- 
wendiges  Kriterium  der    semitischen  Aphrodite  ist.    Die  einzige 
Klarheit  ist  zu  gewinnen  durch  einen  Analogieschluss  von  der  Oe- 
sammtheit  der  anderen  Culte  auf  Theben;  ein   kurzer  üeberblick 
aber  soll  uns  Qewissheit  geben,  ob  die  bewaffiaete  Aphrodite  wirk- 
lieh irgendwo  mit  Ares  oultmässig  verbunden  erscheint,  und  ob 
andererseits  in  deiyenigen  Culten,  die  sicheren  Anschluss  der  Aphro- 
dite an  Ares  aufweisen,  eine  Bewaffiiung  derselben  zu  erweisen  ist. 
Was  den  erstearen  Fall  betrifft,  so  sind  die  Culte,  wo  Aphrodite 
in  Waffen  nachweislich  verehrt  wurde,  voUständig  die  folgenden: 
Kythera  (Paus.  HI  23, 1:  ^Oäpaviac  £öavov  dinXiCjLi^vov') 
Sparta  (P.  III  15,  8:  '  *AcppQ5CTT)C  Eöavov  dbTrXicin^vnc') 

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654  K.  Tfimpel: 

Korinth  (P.  11  5,  1:  'fiTaX^a  *A9pobiTiic  djTrXiCfi^viic') 
femer,  wieder  in  Sparta,  eine  inscbriftlich  bezeugte  (C.  I.  Gr.  I  3, 
p.  683,  Nr.  1444)  ^^AcppobiTT]  dvÖTrXioc'  mit  Moiren,  und  auf  Meloß 
die  bewaffnete  Aphrodite  Doritis  [der  Münzen]  (Mionnet  m 
231—233).  Nirgends  eine  Spur  von  einer  Cultverbindung  mit  Ares; 
ebenso  wenig  aber  in  den  Cnlten  der  Urania,  die  wir  hier  sSmmtlich 
aufzählen,  ohne  eine  umständliche  Scheidung  der  Liebesg5ttiii  ethi- 
scher Bedeutung  von  der  kosmischen  Waffenträgerin  zu  versuchen. 
Es  finden  sich  in  der  langen  Liste  bei  Pausanias  in  Athen  (I 
14,  7)  und  ebenda  (I  19,  2),  Argos  (H  23,  8),  Olympia  (VI  20, 3), 
Korkyra  (VI  25,  2),  Aigina  (VII  26,  3),  in  Pantikapaion 
(C.  L  Gr.  2120)  und  Uranopolis  (Engel,  Kypros  11  470)  eher 
alle  anderen  Combinationen,  als  eine  solche  mit  Ares;  eine  Aus- 
nahme macht  nur  Megalepolis,  wo  nach  Paus.  (VUi  32,  2)  zwei 
Tempel  von  Ares  und  Aphrodite  neben  einander  standen,  —  er  selbst 
sah  von  dem  Heiligthum  des  Ares  nur  noch  einen  Altar  übrig.  In 
dem  Aphroditetempel  aber  stand  die  Urania  nicht  allein,  sondern 
mit  einer  Aphrodite  Pandemos  und  einer  andren  unbenannten 
Aphrodite  zu  einer  Dreiheit  verbunden.  Ebenso  ist  es  in  Theben 
(Paus.  IX  16,  4),  wo  dieselben  drei  Aphroditebilder,  angeblich  von 
Harmonia  gestiftet,  zusammenstanden ,  zweifelhaft,  ob  wirklich  die 
Urania  alleinige  Ansprüche  an  Combinaldon  mit  Ares  hat,  und  nicht 
ebenso  gut  die  Pandemos  oder  die  dritte,  hier  deutlich  Apostiophia 
benannte,  Aphrodite,  welche  beide  mit  jener  vollständig  gleichberech- 
tigt erscheinen.  Vielmehr  wird  sich  die  Wagschale  eher  zu  Gunsten 
der  letzteren  Beiden  senken,  nach  den  geringen  Chancen,  die  sich 
oben  (aus  der  Betrachtung  ihrer  Culte)  für  die  bewaffnete  Urania 
ergaben.    Doch  suchen  wir  hierfür  weitere  Anhaltspunkte! 

§  6.  Argos  und  Athen,  Es  begegnet  ^s  zuerst  der  Doppel- 
tempel von  Ares  und  Aphrodite  zwischen  Argos  und  Mantineia, 
dessen  einzige  Erwähnung  sich  wieder  bei  Pausanias  findet  (TL  25, 1). 
In  seiner  östlichen  Hälfte  stand  ein  Söavov  der  Aphrodite,  das  nicht 
näher  beschrieben  wird,  in  der  westlichen  ein  solches  des  Ares. 
Statt  von  hier  aus  Belehrung  über  die  Natur  der  thebischen  Ares- 
gattin zu  erlangen,  dürfen  wir  vielmehr  umgekehrt  erst  von  Theben 
aus  Licht  über  diesen  argivischen  Cnlt  zu  erlangen  hoffen.  Die  Be- 
gründung hierfür  liegt  in  der  ausdrücklichen  ZurückfQhmng  dieses 
Heiligthums  auf  Polyneikes  als  Stifter  desselben,  einer  Legende,  die 
zugleich  das  hohe  Alter  dieses  Gultes  und  dessen  Herkunft  von 
Theben  sehr  wahrscheinlich  macht  Ein  wirkliches  Beweismittel  aber 
scheint  in  Welckers  Hand  auf  den  ersten  Blick  sein  zu  sollen  der 
Gült  zu  Athen.  Daselbst  befanden  sich  in  dem  Tempel  des  AreSi 
welchen  Boss  (Theseion  p.  52)  fälschlich  in  dem  jetzt  erhaltenen 
sogenannten  Theseion  wiederfijiden  wollte  (cf.  Bnrsian,  Oeographie 
von  Griechenland  I  285)^):  ^drö^Mcrra  buo  }ikv  'A<ppobiTnc,  rd  b% 
TOO  "Apeiüc  ino(iic€v  *AXKa#ji^vnc, /rtiv  bk  ^AOnväv  dW|p  TTdpioc, 


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Area  und  Apbiodite.  655 

6vo^a  bk  aÖTi^  AÖKpoc'  (Pans.  I  8,  5).  Da  aasserdem  noch  eine 
Enjo  in  dieser  Gesellschaft  erwShnt  wird,  so  scheint  ans  dem  Zn- 
sammentrefFen  der  yielen  kriegerischen  Gottheiten  anch  ftlr  die 
beiden  Aphroditen  eine  Bewafihnng  mit  Nothwendigkeit  gefolgert 
werden  zu  müssen.  Aber  vorerst  ist  die  Enjo,  als  nicht  direct  mit 
den  übrigen  Göttinnen  verbunden,  sondern  lediglich  auf  den  Be- 
sitzer des  Tempels,  Ares,  sich  beziehend,  abzutrennen,  da  sie  nach 
dem  Wortlaut  des  Pausanias  einen  abgesonderten  Standort  gehabt 
haben  muss;  denn  er  knüpft  nach  obiger  Au&fthlung  wieder  an: 
*dvTa08a  Kai  *6vuo0c  draXjLid  icn*  ktX.  Und  so  bleibt  als  wahr- 
scheinlich zusammengruppirt  übrig  eine  Athene  mit  zwei  Aphroditen. 
Die  letzteren  seheinen  alte  Eöava  gewesen  zu  sein,  denn  für  sie 
allein  hat  Pausanias  keinen  Künstlernamen  in  Bereitschaft,  offenbar 
weil  ihm  keiner  gemeldet  werden  konnte.  Anch  nennt  der  Perieget 
sie  an  erster  Stelle,  was  bei  dem  religiösen  Sinn  desselben  entweder 
auf  ein  hohes  Alter  oder  auf  eine  Bevorzugung  im  Gült  schliessen 
l&sst  Es  liegt  nahe,  hier  eine  Corruption  jener  Aphroditendreizahl 
zu  vermuthen,  die  uns  zu  Theben  und  Megalepolis  begegnete.  Auch 
Engel  (Eypros  11  209)  hat  diese  Bemerkung  ausgesprochen,  aber 
hinzugefügt:  „nur  fehlt  die  dritte".  —  Nun,  ich  glaube,  wir  dürfen 
sie  hinter  der  Athene  vermuthen.  Auf  diese  Vermuthung  fuhrt  uns 
noch  eine  andere  Beobachtung,  nämlich  die  ganz  ausserordentliche 
Seltenheit  von  Beziehungen  zwischen  Aphrodite  und  Athene  in  grie- 
chischen Gülten*),  die  uns  auch  in  diesem  Falle  ganz  ausser- 


*)  Es  liesse  sich  nur  vorbriaffen  eine  von  L.  Ross  im  Rhein.  Mus. 
(N.  F.  Vn  621—626)  mitgetheilte  Inschrift  aus  Neo-Paphos  (ef.  auch 
Kai  bei,  Epigiammata  ^raeca  ex  lapid.  collecta  p.  82S,  No.  794).  Sie 
lautet  mit  den  wahrscheinlichen  Ergänzungen: 


'dcirf|6a  xal  vcCktiv  TTdXXac  x^pi  e[öc]a  .  .  . 
öir]Xuiv  oi)  xpi\t\i)  xrpöc  KOirpiv  Ipxofi^n'. 


'  K€Kpo]ir(6iic  fi*  dv^6iiK€  irarpöc  dit6  iruTpib*  ic  ÖXKr\v 
9€]iöÖ0T0C  TTcupioic  0€t6tdKiiv  xdpiTu'. 

Welcker  erblickt  hier  das  Cultbild  einer  bewafiEneten  Aphrodite,  der 
eine  waffenlose  Athene  (vielleicht  kXi]6oOxoc)  geweiht  war,  mdem  er  statt 
des  trdpci^t,  mit  welchem  Ross  die  Lücke  des  ersten  Hexameters  aus- 
füllen will,  liest:  ^e^c*  M  dXXrii'  (in  den  begleitenden  Worten  zu  Ross' 
Brief  a.  a.  O.).  Allein  die  Voraussetzung  ist,  wenn  auch  nicht  sprach- 
lich, so  doch  sachlich  unzul&ssig,  da  wir  uns  wohl  Speer,  Helm  oder 
Schüd  in  der  Hand  der  Kypris  zur  Noth  denken  können,  nicht  aber  eine 
N{kii,  wenn  man  nicht  die  ^Niicnq>6poc'  zu  Ar^os  und  Pergamos  (Polybios 
XYH  8)  wörtlich  verstehen  will.  Die  arsivische  aber  wenigstens  war 
ein  XoanonI  (Paus.  II  19,  6).  Mit  der  Möglichkeit,  in  der  x^lp  dXXn 
diejenige  der  ijphrodite  zu  sehen,  verschwindet  aber  auch  die  Anwend- 
barkeit dieses  Falls  als  belehrender  Analogie  fflr  den  unsriffen.  Auch 
kommt,  um  die  Beweisf&higkeit  g&nzlich  zu  entkr&ften,  noch  ninzu,  dass 
nach  Ross  das  Alphabet  der  Inschrift  dieselbe  einer  „späten  Zeit,  we- 
nigstens der  Ptolemäischen^*  zuschreibt;  abgesehen  davon,  dass  aus  dem 
zweiten  Distichon  der  ganz  subjective  Charakter   der  Stiftung  erhellt, 


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656  K.  Tüsqiel: 

ordentliche,  yorliegende  VerhSltniBse  veimuth^  Iftsst  Wir  sohlieBsen 
daraus,  daes  die  Athene  in  Gesellschaft  dieser  beiden  Aphroditen 
unorganisch  und  zu  emendiren  ist.   Fragen  wir  uns  aber,  weiche  der 
drei  Aphroditen  ihre  Stelle  ursprünglich  eingenommen  haben  kann 
so  ist,  da  in  den  beiden  offenbar  friedlichen  Aphroditen  nur  Fan- 
demos  und  Apostrophia  stecken   kann,   die  einzige  Antwort:    die 
Urania.    Und  wirklich  hat  die  Athene  alle  Anlagen,  um  an  Stelle 
eines  bewa&eten  Aphroditeidols  zu  tret^  oder  sich  selbst  von  einer 
solchen  yertreten  zu  lassen.    Bleiben  wir  zunflchst  bei  der  ersten, 
nftherliegenden  Möglichkeit  stehen,  so  hat  der  Credanke,  dass  nsidi 
dem  Verlust  eines  Uraniaidols  ¥on  yielleicht  starker  Verwittemng 
und  dadurch  unkenntlich  gewordener  Gestalt,  dasselbe  bei  Gelten- 
heit  der  starken  Verheerungen,  die  namentlich  Athen  beim  dritten 
Perserein&ll  trafen,  durch  eine  Athene  ersetzt  worden  sei,  nichte  Be- 
denkliches, namentlich  für  Athen,  wo  man  gern  überall  die  Stadt- 
göttin erkennen  mochte.  *)    Eine  indirecte  Bestätigung  liegt  eben  noch 
darin,  dass  nach  dem  Bericht  des  Pausanias  eine  Urania  unter  den 
beiden  von  ihm  als  Aphroditen  bestimmt  bezeichneten  Holzbildem 
nicht  gewesen  sein  kann.    Denn  sonst  würde  er  dies  entweder  durch 
einen  Beinamen  oder  durch  ein  beschreibendes  Attribut,  wie  „be- 
waffnet" u.  dgL  zu  vermelden  nicht  verfehlt  haben.    Also  ein  Hinder- 
niss  liegt  für  unsere  Hypothese  nicht  vor,  ob  aber  eine  directe  Ver- 
anlassung?   Diese  fehlt  nicht    Hatten  wir  nämlich  in  Megalepolis 

die  uns  nicht  hindern  kann,  bei  der  athenischen  Combination  von  Aphro- 
dite und  Athene  eine  tiefer  liegende  Begründung  zu  erforschen.  —  Ein 
anderer  noch  zweifelhafterer  Fall  ist  ein  erst  ckiroh  Coigeotor  geschaf- 
fener. Gerhard  (Gr.  Myth.  §  264,  8)  hat  aus  Paus.  (1  27,  4)  eine  Cult- 
verbindung  zwischen  der  Athene  Polias  und  der  Crarten-Aphrodite  zn 
Athen  vennuthen  zu  dürfen  geglaubt.  Aber  C.  A.  Böttiger  selbst,  anf 
dessen  Autorität  er  sich  beruft,  drückt  sich  in  der  Tektonik  (H  1,  214, 
Anm.  392)  sehr  vorsichtig  aus:  „Schliesslich  möchte  noch  die  Bemer- 
kung, dass  man  auch  der  Aphrodite  ein  Sühnsch weinchen  opferte,  eine 
Andeutung  sein,  die  vielleicht  mit  bei  der  Erklärung  der  Gegenstände 
zu  nutaen  wäre,  welche  die  'AppT)q>öpoi  nach  dem  unterirdischen  Gange 
der  (sie)  Aphrodite  in  den  Gftrten  trugen*'.  In  Wirklichkeit  sagt  Fans. 
(a.  a.  0.)  weiter  nichts,  als  dass  die  Mündung  jenes  unterirdischen  Gangs, 
durch  welchen  die  Arrhephoren  zu  bestimmten  Colthandlungen  sich  von 
der  Burg  hinab  in  die  Stadt  begaben,  mündete  '  biä  irepißöXou ',  welcher 
sich  findet  ^oO  iröppuj  tt^c  KaXou^dvr)c  tv  KtyKoic  *A9poMtt)c*.  Ans 
dieser  Ortsangabe  mehr  schliessen  zu  wollen  ist  mindestens  kühn. 
Gleichwohl  haben  wieder  A  Mommsen  (Heortologie  447)  und  mit  ihm 
C.  Wachsmuth  rStadt  Athen  im  Alterthum  1  413)  diesen  ncpCßoXoc 
für  den  umhegten  Bezirk  der  Aphrodite  ^ly  KT)iro1c'  gehalten  und  dar- 
auf weitere  Combinationen  aufgebaut.  Jedenüälls  kann  ein  so  unsicherer 
Fall  an  unserer  Behauptung  nicht  rüttein. 

*)  Wie  leicht  derartige  Yerwechselungien  vor  sich  gehen  konnten, 
zeigt  die  troische  Barggöttin,  die,  obgleich  eigentlich  eine  Analtü 
(Maury^  Historie  des  räigions  d.  1.  Gr^ce  lU  168)  und  ausser  dem 
Speer  mit  dem  Attribut  der  Spindel  versehen  (Apollodor.  BibL  HI  12,  3), 
doch  auf  Grund  ihres  Erscheinens  als  Palladions,  m  Athen  fttr  eine  PaUas- 
Athene  erklärt  wurde. 


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Ares  und  Aphrodite.  657 

unbedingte  Abhängigkeit  von  Theben  anzuerkennen,  dessen  starke 
beeinflussende  Mitwirkung  bei  der  Gründung  dieser  künstlichen  Stadt 
sich  auch  auf  die  Culte  erstreckte  (cf.  den  aegidisch-gephjrftischen 
Zeus  Amnion  daselbst,  Paus.  YIII  32,  l),  so  sind  auch  bei  dem 
athenischen  Heiligthum  des  Ares  mit  den  „drei  Aphroditen^'  the- 
bische  Beminiscenzen  nachweisbar.  Denn  vor  dem  Tempel  stand  eine 
Statue  des  thebischen  Dichters  Pindaros  *äXXa  T€  €up6jLi€Voc  irapoi 
*A0nva(u)v  Kttl  -rtiv  elKÖva,  öti  C9äc  dTrtfjvecev  äcjna  iroiTJcac'  (Paus. 
I  8;  5),  und  die  Aufstellung  derselben  gerade  an  dieser  Stelle  er- 
klärt sich  bequem  durch  unsere  Annahme.  Und  als  weiteres  Moment 
kommt  hinzu  die  von  Pausanias  in  gleichem  Zusammenhang  er- 
wähnte und  jedenfalls  nicht  weit  entfernte*)  statuarische  Gruppe  des 
Harmodios  und  Aristogeiton,  jener  beiden  Jünglinge,  welche  aus- 
drücklich als  Abkömmlinge  des  alten  tanagräisch-eretrisch- thebi- 
schen Geschlechts  der  Gephyräer  bezeichnet  wurden  (Herodoi 
Y  55) 9  welches  mit  dem-  Geschlechte  Pin  dar  s  zusanmien,  den 
Aigiden  (Pyth.  Y  71),  thebische  Gülte  und  Anschauungen 
nach  Attika  und  dem  Peloponnes  verbreitete.  Wir  constatiren  also 
also  hier  auf  Grund  der  beiden  aegidisch-gephyräischen  Denkmäler 
im  Umkreis  des  Aresheiligthums,  das  ja  selbst  schwerlich  autochthon 
ist,  ein  Stückchen  Böotien,  und  speciell  Theben,  wofür  wir  im  Laufe 
der  Untersuchung  an  dem  damit  verbundenen  Heiligthum  der  Erinyen 
einen  weiteren  Anhaltspunkt  gewinnen  werden.  In  demselben  Masse 
aber,  in  welchem  die  Wahrscheinlichkeit  wächst,  dass  sich  an  diesen 
Ares  wieder  die  thebische  Aphrodite -Dreizahl  anschloss  („Urania, 
Pandemos,  Apostrophia"),  schwindet  die  Aussicht,  eine  bewaffiiete 
Aphrodite  im  GuU  neben  Ares  zu  erweisen,  auch  auf  diesem  Punkte. 
§  7.  Bxirae  und  Äkäkemn.  Schliesslich  bleiben  noch  zwei 
zweifelhafbe  Fälle  zu  besprechen,  die  Gerhard  in  seiner  Aufzählung 
der  Gultverbindungen  von  Ares  und  Aphrodite  nicht  aufgenommen 
hat.  Der  eine  ist  Patrae,  die  uralte  Phönikerfaktorei,  wo  Pau- 
sanias (YII  21,  4)  zwei  am  Hafen  liegende  Aphroditetempel  er- 
wähnt, die  wir  wohl  unbedingt  als  phönikische  anerkennen  müssen. 
Zwischen  deren  Erwähnung  schiebt  er  zwei  Erzstatuen  des  Ares  und 
des  Apollon  ein,  welch  letzterer  am  gleichen  Orte  ein  gemeinsames 
äXcoc  ebenfalls  mit  Aphrodite  zusammen  bewohnte.  Eine  Beziehung 
zwischen  der  Aresstatue  und  dem  Aphroditetempel  ist  hier  von  Pau- 
sanias gar  nicht  angedeutet.  Nun  haben  wir  freilich  in  anderen 
Fällen,  z.  B.  Megalepolis,  auch  ohne  dies  aus  einer  blossen  Nachbar- 
lichkeit der  Heüigthümer  auf  eine  Cultverbindung  der  betreffenden 
Gottheiten  zu  schliessen  uns  nicht  gescheut;  aber  hier  liegt  der  Fall 
anders,  da  hier  nicht,  wie  dort  ein  unzweifelhaft  thebischer  Pflanz- 

*)  Auf  eine  Beziehung  der  beid^i  Gephyräer  zum  Arestempel  weist 
auch  der  Umstand  hin,  dass  der  Opferpriester  des  Ares  derselbe  Archon- 
Polemarchos  war,  der  auch  den  neugestifteten  Cult  von  Harmodios  und 
Aristogeitbn  besorgte  (Pollnx,  YIII  91,  Bekker). 


Jahrb.  f.  oUm.  PhUoL  Snppl.  Bd.  XI.  ^  „  .4?.  .  GoOQIc 


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658  K.  Tampel: 

cult  vorliegt-.  Ausserdem  haben  wir  es  nicht  mit  zwei  wirklichen 
Cnltsttttten  zn  thrm,  wie  in  Argos  bei  dem  Doppeltempel,  oder  zu 
Megalepolis,  wo  wenigstens  vor  Pftnsanias'  Zeit  zwei  Tempel  neben 
einander  standen,  deren  einer  anch  nach  seinem  Verschwinden  in 
einem  Altar  fortlebte,  —  oder  zn  Athen,  wo  die  Bilder  der  einen 
Gottheit  ausdrücklich  in  den  vaöc  der  anderen  gestiftet  sind,  — 
nein,  hier  wird  nur  eine  Statue,  nicht  Tempel  oder  Altar,  des  Ares, 
und  nur  in  der  Nähe  des  Aphroditetempels  erwShni  Wie  wenig 
Oewicht  hierauf  von  dem  religiös-dogmatischen  Standpunkt  aus  zu 
legen  ist,  ruft  uns  noch  eindringlich  in  das  GedSchtniss  das  Lokal, 
ein  Hafen;  es  leuchtet  ein,  dass  an  einer  solchen  HauptcentralsteUe 
des  Verkehrs  tausend  zufUlige  Umstände  der  verschiedensten  Art 
die  Stiftung  eines  Votivbildes  veranlassen  konnten,  die  gleichwohl 
zu  der  Frage  nach  den  mythologischen  Beziehungen  der  betreffenden 
Gottheit  ganz  ausser  Beziehung  stehen.  Dazu  kommt  noch,  dass  das 
Erzmaterial  unserer  Statue  dieselbe  einer  Zeit  zuweist,  in  welcher 
von  einer  strengen  Unterscheidung  verschiedener  Aphroditen  ohne- 
hin nicht  wohl  mehr  die  Rede  war.  —  Wollte  man  ja  ein  solches 
Bewussts^in  voraussetzen,  so  w&re  es  eher  denkbar,  öbsb  der  Apolion 
zu  dem  einen,  der  Ares  zu  dem  anderen  Aphroditetempel  gehört 
habe,  und  wir  hfttten  dann  wohl  gar  den  Gegensatz  zwischen  einer 
mit  Apolion  ja  öfters  verbundenen  üraniar(z.  B.  in  Eorinth),  mid 
einer  anderen  dem  Ares  zugehörigen,  natOrlioh  unbewa&eten 
Aphrodite.  Allein  es  wtirde  eine  solche  Unterscheidung  nach  dem 
oben  Gesagten  dem  Vorwurf  der  Spitzfindigkeit  nicht  ausweichen 
können.  Soviel  ist  klar,  dass  aus  dem  Fall  Patrae  kein  Beweis  fftr 
die  Verbindung  des  Ares  mit  einer  bewa&eten  Urania  abgeleitet 
werden  kann,  da  auch  bloss  schlechthin  von  einer  Aphrodite  die 
Rede  ist;  und  so  bleibt  noch  als  letzter  Punkt  zu  betrachten  übrig: 
Akakesion,  in  demselben  Arkadien,  wo  schon  Megalepolis  die  the- 
bische  Dreizahl  bot  Pausanias  sagt  (VIU  37,  9):  *dvTaö9a  (auf 
dem  HUgel,  den  das  Upöv  TTovoc  krönt)  dcri  ^^v  ßui^&c  *Ap€uic, 
icxi  bt  dT^M<^<'  ^AippobiTTic  iv  vaij),  Xi9ou  tö  Ercpov  Xcukoö,  tö 
bi  dpxaiÖTepov  EuXou*  dicauruic  bi  xai  *Air6XXuivöc  t€  koi  'AOnväc 
Söavä  icxv  Tg  bi  'A6iiv$  Kai  vaöc  TrcTroiirrai'.  Die  Stelle  ist  sehr 
unklar,  da  die  Beziehung  der  Statuen  zu  den  Tempeln  nicht  recht  zu 
Tage  tritt  Am  wahrscheinlichsten  ist  noch  die  Annahme  von 
£.  Curtius  (Peloponnes.  I  279),  dass  „sie  auf  derselben  FlSehe  lagen, 
und  dass  das  neben  dem  Apollonzoanon  erw&hnte  Holzbild  der 
Athene  in  dem  Tempel  dieser  Göttin  aufgestellt  war'^  Dann  gehört 
Apoüon  deutlich  zur  Athena,  und  seine  Anwesenheit  auf  demselben 
Plateau  mit  den  beiden  Aphroditen  kann  uns  nicht  veranlassen,  in 
den  letzteren  zwei  Uranien  zu  sehen.  Damit  ist  aber  auch  der  Ver- 
muthung,  Ares  sei  hier  mit  einer  bewaffneten  Urania  verbunden,  der 
Boden  entzogen,  denn  nun  kann  auch  aus  demselben  Grande  die 
Athene  nicht  mit  in  die  Gruppe  der  beiden  Aphroditen  neben  Ares 


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Ares  und  Aphrodite.  659 

hineinfiprecheiL  Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  in  der  letzteren  eine 
Cormption  der  thebischen  Dreiheit  unter  Führung  des  Ares  zu  er- 
kennen sei.  Wirklich  scheinen  gut  böotische  Vorstellungen  hier 
herrschend  gewesen  zn  sein:  denn  gerade  die  Verbindung  zwischen 
Athene  und  Apollon  erinnert  stark  an  die  ziemlich  singulare,  aber 
alte  Verknüpfung  der  Athene  als  Pronaia  mit  dem  apollinischen 
Ismenion  zu  Theben,  und  mit  Apollon  zu  Delphi  Auch  der  ^  ßuifiöc 
'A6t|vSc  Kttl  *AiröXXu)voc  xai  *ApT^)iiboc  xal  At)toOc'  im  atti- 
schen Demos  Zoster  stammt  wohl  von  Delphi  ab.  (Man  yergleiche 
die  auch  nach  Böotien  zurückweisende  Verbindung  von  Apollon 
Onkaios  und  Athene  Onka  am  Onkeion  zu  Thelpusa  in  Arkadien.) 
—  Wir  werden  also  gleichwohl  gut  thun,  uns  die  Constellation  von 
Akakesion  wenigstens  zu  notiren,  wenn  auch  die  beiden  Aphrodite- 
bilder mehr  im  Verhftltniss  eines  neugestifteten  Cultbildes  zu  einem 
alten  zu  stehen  scheinen:  vielleicht  dass  gerade  die  Anwesenheit  der 
Athene,  die  wir  schon  in  Athen  bemerkten,  einiges  Licht  in  den  Ur- 
sprung der  Aphroditetrias  bringt.  Als  sicheres  Besultat  dürfen  wir 
unbedingt  mitnehmen  das  Fehlen  von  Anhaltspunkten  für  die  be- 
waffiiete  Natur  der  Ares-Aphrodite  auch  zu  Akakesion. 

§  8.  Sparta.  Durch  eine  Zusammenstellung  mit  den  früher 
gegebenen  Nachweisen  eines  völligen  Mangels  an  Beziehungen  zu 
Ares  bei  der  bewaffiieten  Urania  erhalten  wir  so  eine  Bestätigung 
unserer  obigen  Behauptung,  dass  auch  die  thebische  Aresgattin  keine 
bewaffnete  Urania  gewesen  sein  könne.  Doch  bleibt  noch  ein  Posten 
zn  erledigen,  an  welchem  unsere  Beweisführung  scheitern  zu  sollen 
scheint:  die  Aphrodite  Areia  zu  Sparta,  bei  deren  Tempel  Pau- 
sanias  erwfthnt:  *Tä  bk  Söava  &pxaici,  etncp  ti  äXXo  iv  "CXXiici' 
(m  17,  5).  Dies  Hesse  sich  bequem  aJs  von  zwei  Xoana  des  Ares 
und  der  Aphrodite  verstehen,  wie  wir  sie  in  Argos  auf  zwei  Gellen 
vertheilt  sahen;  aber  ehe  wir  hier  wirklich  eine  Ausnahme  von  un- 
serer sich  ergebenden  Begel  anerkennen  können,  müsste  erst  erwie- 
sen werden,  dass  die  Argumentation,  welche  diese  Ausnahme  sta- 
tuiren  möchte,  eine  zwingende  ist.  Jene  würde  sich  stützen  müssen 
auf  die  Analogie  der  bewaffneten  Aphrodite  von  Stadt  Argos,  deren 
Stiftung  durch  eine  ganz  ähnliche  Legende  erklärt  wurde,  wie  die- 
jenige zu  Sparta,  und  zeitlich  mit  der  Errichtung  einer  Aresstatue 
bei  derselben  Gelegenheit  zusammengehangen  haben  soll.  Während 
man  die  (Gründung  des  lakedämonischen  Areiaheiligthums  auf  eine 
Heldenthat  der  spartanischen  Frauen  in  den  Kämpfen  gegen  die 
Messenier  zurückführte  (Lactant.  de  falsa  religione  I  20),  so  knüpfte 
man  in  Argos  das  [nicht  mit  dem  des  Polyneikes  zu  verwechselnde] 
Heiligthum  an  einen  Sieg  der  einheimischen  Frauen  unter  der  Füh- 
rung der  hochberühmten  Dichterin  Telesilla  über  die  Lakedämonier 
aiL  Ein  Bild  dieser  Heldin  glaubte  man  zu  haben  in  einer  vor 
dem  Tempel  der  [bewaffiieten]  Aphrodite  stehenden  Statue  einer 
gerüsteten  Frau,  die  einen  in  der  Hand  gehaltenen  Helm  aufzusetzen 

42*„„.  -- Jgle 


660  K.  Tümpel: 

im  Begriff  stand  (Paus.  II  20,  7).   Also  hier  wie  dort  die  anfiEallende 
Erscheinung  der  bewaffneten,  kriegerischen  Weiblichkeit,  die   man 
sich  erklftren  wollte,  wobei  es  gleichgUtig  ist,  ob  zu  Sparta  mythische 
Verhältnisse,  zu  Argos  vielleicht  ein  historisches  Ereigniss  zu  Grunde 
liegt  (cf.  Neue,  Telesillae  reliquiae,  Dorpat  1843,  Progr.).      Von 
Ares  ist  in  beiden  Legenden  keine  Bede,  seine  Anwesenheit  auch 
gar  nicht  nöthig,  und  ersetzt  durch  die  bewa&ete  Aphrodite,   die 
man  als  kriegerisch  auf&sste.    Nichtsdestoweniger  führt  Plntarch 
(mulierum  virtutes  V)  eine  Bildsftule  des  Ares  zu  Argos  auf   das 
nämliche  Ereigniss  zurück.    Allein  wer  yerbttrgt  denn,  dass  diese 
Verknüpfung  nicht  eine  erst  sp&ter  gemachte  ist   Bei  der  grossen 
Berühmtheit,  welcher  sich  der  Sieg  der  Telesilla  im  Alterthma  er- 
freute (cf.  Engel,  Ejpros  II  212)^),  liegt  nichts  näher,  alB  eine 
solche  Yermuthung.    Ausserdem  folgt  aus  Plutarch  noch   keines- 
wegs, dass  diese  Aresstatue  wirklich  mit  dem  Tempel  der  bewaff- 
neten Aphrodite  in  Znsammenhang  stand.     Ein  Bückschluss  auf 
Sparta  aber  ist  um  so  misslicher,  als  in  demselben  Argos  (Paus.  U 
19,  6)  eine  ganz  nahe  verwandte  Aphrodite  Nikephoros  mit  Hermes 
verbunden  war,   und   nicht  mit  Ares.     Diese  Nikephoros-    und 
Hermes-Xoana  aber  waren  mindestens  so  alt,  wie  die  im  Areiatempel 
stehenden,  denn  sie  wurden  auf  Hjpermnestra  als  Stifterin  zurück- 
geführt  Wir  leugnen  also  bestimmt  die  Nothwendigkeit,  sowie  die 
Wahrscheinlichkeit,  dass  nach  der  argivischen  Analogie,  der  einzigen 
erreichbaren,  auch  in  Sparta  ein  Ares  neben  der  Areia  anzunehmen 
sei,  und  fassen  demnach  letzteren  Namen  in  seiner  sdlegoriechen  Be- 
deutung, wie  sich  diese  schon  bei  Homer  (SpHC  »=  1T6X€^oc)  findet 
Der  Plural  ^Ta  bk  £6ava'  bedeutet  also  dann  zwei  hlilzeme  Aphro- 
diten.   Als  einen  positiven  Umstand  aber,  der  ausdrücklich  gegen 
eine  Cultzusammenstellung  mit  Ares  spricht,  fEÜiren  wir,  vorläufig 
nur  kurz,  an,  dass  da  wo  Ares  zur  Erklärung  der  Bewaffiiung  und 
des  Namens  der  spartanischen  Aphrodite  beigezogen  wird,  in  den 
§  13  aufeuführenden  Epigrammen,  gerade  die  Art  seiner  Verwen- 
dung die  Möglichkeit  ausschliesst,  dass  er  wirklich  neben  dieser  ge- 
standen haben  könne.   Denn  entweder  heisst  es,  Aphrodite  habe  die 
Waffen  des  Ares  angethan,  so  dass  also  ein  Ares,  wenn  er  daneben 
gestanden  hätte,  nur  yu^vöc,  ohne  diese  Waffen,  hätte  erscheinen 
müssen  —  was  gar  nicht  möglich  ist  — ;  oder:  sie  trage  sie  als 
Gattin  des  Ares;  und  dann  soll  die  Herbeiziehung  des  Ares  als  geist- 
reicher Einfall  erscheinen  und  die  Pointe  des  Epigramms  bilden. 
Diese  Wirkung  wäre  ganz  unmöglich,   wezm  man  wirklich  selbst- 
verständlicher Weise  mit  der  Aphrodite  Areia  immer  zugleich  den 
Ares  zu  sehen  und  zu  denken  gewohnt  gewesen  wäre«    Dazu  konmit, 
dass  die  Berufung  auf  Ares  nicht  das  einzige  Mittel  war,  mit  dem  man 
die  Bewaffnung  der  spartanischen  Aphrodite  Areia  zu  erklären  liebte, 
sondern  ebenso  oft  zog  man  den  kriegerischen  Sinn  der  Lakedämonier 
als  angebliche  Veranlassung  herbei  (Plutarch,  de  Bomanorum  For- 

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Ares  tmd  Aphrodite.  661 

tuns  IV.  id.,  Instituta  Laconica  XXVn.  Antipater  Sidon.,  Epigr.  in 
Anth.  Palat.  XVI  176  ed.  Dübner),  woraus  zur  Gronüge  hervorgeht, 
dasB  es  sich  bloss  um  Erklftrung  einer  alleinstehende^  Aphro- 
dite handelte.  —  Gleichwohl  sagt  Engel  (Kypros  11  211):  „Aphro- 
dite habe,  namentlich  in  Sparta,  nach  dem  Vorgang  des  Ares  Waffen 
angelegt*',  und  denkt  sich  die  Bewa&ung  der  Eythereia  „als  muth- 
masslich  durch  Einwirkungen  von  Sparta  her  auf  diesen  Cult  ent- 
standen" (II  214).  Erst  Movers  hat  diese  Attribute  als  phönikisch 
erkannt  (im  gleichen  Jahre  1841),  und  Welcker  sagt  darum  mit 
Becht:  „Nicht  jede  Aphrodite  Areia  ist  als  verbunden  mit  Ares  zu 
denken,  sondern  Areia  kami  auch  bloss  eine  Bewaf&iete  bedeuten, 
nach  phönikischem  Ursprung'*  (Gr.  Götterlehre  11  708).  Freilich 
seiuer  Beurtheilung  des  spartanischen  Cults  ist  diese  Erkenntniss 
nicht  zu  statten  gekommen.  Da  somit  auch  der  spartanische  Cult 
die  von  uns  zerrissenen  Beziehungen  der  Urania  zu  Ares  nicht  anzu- 
knüpfen vermag,  so  wird  die  echte  Gattin  des  Ares  in  der  Pan- 
demos  oder  der  Apostrophia  vermuthet  werden  müssen.  Was  aber 
die  Frage  nach  dem  Local  des  Muttercults  betrifft,  so  nehmen  vrir 
als  positives  Resultat  aus  der  Betrachtung  der  Culte  mit  hinweg 
die  Bestätigung  dei^ngeFschen  Vermuthung  (11  209):  „Es  ist  gar 
nicht  unmöglich,  dass  überall,  wo  Ares  und  Aphrodite  vereint  vor- 
kommen, nach  einer  uralten  thebischen  Quelle  gesucht  werden  muss*'. 
Denn  in  Athen  wie  in  Argos  und  Arkadien  scheinen  deutliche 
Spuren  auf  Theben  als  Sitz  des  Muttercults  hinzuweisen. 

Absolmitt  IL    Foeede  imd  Kunst  vor  Alezander. 

§  9.  Bas  Epos,  Da,  wie  ans  dem  Gesagten  hervorgeht,  die 
Vertreter  einer  bewaffneten  Aresgattin  sich  auf  gewisse  Zeug- 
nisse der  Alten  berufen,  so  ist  es  nöthig  die  Entwickelung  der  Auf- 
feussung,  für  die  sich  aus  undatirten  Cultverhtitnissen  nichts  gewin- 
nen liess,  an  der  Hand  der  Dichtung  chronologisch  zu  fixiren.  Es 
sei  dabei  gestattet,  flir  die  älteren  Zeiten  die  Eunstdenkmttler  als 
ergänzendes  Material  beizuziehen,  während  umgekehrt  die  Epoche 
der  Kunst,  welche  nach  langer  Pause  sich  wieder  mit  unserem  Paar 
beschäftigt,  zur  Erläuterung  der  Epigrammenpoesie  bedarf. 

Was  zuerst  Homer  anlangt,  so  ist  in  dem  Gesang  des  Demo- 
dokos  in  der  Odyssee  (6  266 — 866),  der  einzig  und  allein  eine 
erotische  Beziehung  zwischen  Ares  und  Aphrodite  überliefert,  keine 
Spur  von  kriegerisch-gewappneter  Natur  der  Göttin  zu  erkennen, 
geschweige  denn,. dass  eine  solche  die  Liebesbeziehung  zu  Ares  ver- 
anlasst hätte.  Gleichwohl  wäre  das  die  nothwendige  Voraussetzung, 
wenn  wir  mit  Welcker  das  „Demodokos- Märchen'^  als  die  letzte 
Blüthe  «iner  Entwickelung  betrachten  würden,  deren  Anfänge  in 
den  gemeinschaftlichen  Eriegsabenteuem  beider  Gottheiten  in  der 
Hias  vorlägen.   Allerdings  werden  in  demselben  Buch  (€  428 — 430 


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662  K.  Tümpel: 

und  888—898)  Beide  als  unterliegend  dargestellt,  Beide  beklagen 
sie  sich  im  Olymp,  —  Aphrodite  bei  ihrer  Mutter  Dione,  Ares  bei 
seinem  Vater  Zeus,  —  und  Beide  werden  sie  dann  sarkastiscb  ajb- 
gefertigt.  Wirklich  gemeinsam  ist  aber  ihr  Schicksal  bloss  <l>  416, 
wo  Aphrodite 

^fjXOev  "Apci  dTriKOupoc*. 
Beide  werden  dann  arg  zugerichtet,  und  zuletzt  heisst  es  (426): 

*Td)  [XkV  dp*  fi^CpUJ  K€lVTO  ^TTl  X^OVi  1T0uXußOT€ipq  *. 

Allein  in  allen  diesen  Scenen  zeigt  sich  von  erotischen  Beziehnngen 
zwischen  beiden  Oöttem  keine  Spur.  Ihr  gemeinsames  ünglttck  ist^ 
wie  Welcker  selbst  richtig  bemerkt,  die  Folge  ihrer  fremdlfindischen 
Abkunft,  gegen  welche  sich  der  Nationalstolz  der  ihrer  Zuaammoi- 
gehörigkeit  sich  bewusst  werdenden  Hellenen  zu  wahren  beginnt 
Denn  in  den  Homerischen  Gedichten  gilt  Ares  als  Thraker,  so  wie 
Aphrodite  als  kyprische  Oöttin.  Fehlt  demnach  in  der  Dias  jede 
Andeutung  des  Liebes verhftltnisses  im  Demodokosgesang,  so  wird 
der  Zusammenhang  zwischen  beiden  Gedichten  noch  vollends  zer- 
rissen dadurch,  dass  in  der  Dias  Aphrodite  sogar  ausdrückliek  die 
S'ch wester  des  Ares  heissi  Sie  nennt  ihn  ^iXi  KaciTvriTe'  mit 
einem  Ausdruck,  der  sogar  an  dieser  Stelle  noch  einmal  wiederholt 
wird  (£  359).  Ihr  Gemahl  aber  ist  nicht  Hephaistos,  dessen  Graitin 
Charis  heisst  (C  382),  sondern  Anchises,  mit  dem  sie  den  Aineias 
zeugt,  wie  sie  selbst  Tochter  des  Zeus  (Aiöc  OirfOtTrip  sehr  häufig) 
und  der  Dione  heisst  (£  370  ff.).  Dürfen  wir  bei  diesen  bedeutenden 
Verschiedenheiten  also  in  der  Aresgeliebten  des  Demodokos  nicht  die 
Waffenträgerin  der  Dias  yermuthen,  der  doch  nur  von  der  spielenden 
Phantasie  eines  Rhapsoden  ein  kriegerisches  Abenteuer  angedichtet 
ist,  so  doch  noch  viel  weniger  in  der  thebischen  Aphrodite.  Welcker 
selbst  hat  aus  den  Diasscenen  kein  Argument  fttr  die  Bewaffiiung 
der  letzteren  herzuleiten  gewagt.  Sie  sind  auch  der  Erinnerung  der 
Späteren  ganz  entschwunden*  denn  so  viel  bei  unserer  mangelhaften 
Eenntniss  der  älteren  nachhomerischen  Poesie  zu  entscheiden  mög- 
lich ist,  findet  sich,  sowie  in  der  Kunst,  kein  Nachhall  an  jene 
kriegerischen  Erlel^nisse  der  Dias-Aphrodite  mit  ihrem  Bruder  Ares. 
Was  femer  Hesiod  betrifft,  so  ergibt  sich  aus  den  oben  ange- 
führten Versen,  welche  die  Genealogie  der  Harmonia  geben,  nichts 
was  ftlr  die  kriegerische  Natur  der  Aphrodite  spräche.  Höchstens 
aus  dem  umstand,  dass  Deimos  und  Phobos,  die  schreckliehen  Be- 
gleiter des  Ares  in  der  Dias,  nach  derselben  Stelle  (Theogon. 
934  ff.)  Kinder  der  *Kue^p€ia'  (diTrXiC)i^VTi  Paus.  HI  23,  1)  seien, 
Uesse  sich  eine  kriegerische  Aphrodite  schliessen,  wobei  es  eine  will- 
kommene Bestätigung  sein  würde,  dass  dieselbe  ^KuO^peia'  auch 
Mutter  der  Harmonia  von  Ares  heisst  (v.  937).  Allein  ein  Ver- 
gleich mit  der  bertthmten  Schaumgeburt  der  Aphrodite  (Theog. 
191  ff.)  zeigt,   dass  der  Dichter  von  der  bewafineten  Natur    der 


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Ares  und  Aphrodite.  663 

Eyihereia  keine  Eunde  hatte:  Eythereia  ist  ihm  bloss  ein  episches 
Beiwort,  und  zwar  ein  von  ihm  mit  besonderer  Vorliebe  gebrauchtes. 
Denn  ^ETpris'  kommt  bei  Hesiod  gar  nicht,  ^Ejprogeneia'  bloss 
in  einem  imechten  Vers  (199)  und  Ejpros  nur  einmal  (a.  a.  0. 193) 
Yor,  und  hier  gerade  in  einer  derartigen  Verschmelzung  mit  der 
Eythereia,  dass  man  deutlich  sieht:  Hesiod  war  der  starke  Unter- 
schied, welcher  Beide  trennt^  und  den  wir  im  §  16  auseinander- 
setzen werden,  gftnzlich  unbekannt. 

Den  gleichen  tendenzlosen  Gebrauch  des  Wortes  ^KuO^peia' 
werden  wir  also  auch  gelegentlich  der  Genealogie  von  Deimos  und 
und  Phobos  anzunehmen  haben. 

§  10.  Lyrik  und  Drannk  ^Nel  ciclo  epico,  per  quanto  ne 
cognosciamo  Targomento,  non  si  fa  parola  di  un'  amore  tra  Marte 
e  Venere'  sagt  Hinck,  der  sich  eine  Musterung  des  dichterischen 
Materials  hat  angelegen  sein  lassen  (Ann.  d.  J.  1866,  p.  98),  und 
so  können  wir  uns  direct  zur  Lyrik  wenden.  Bei  Pin  dar  os  kommt 
die  Stelle  Pythia  IV  155  in  Betracht,  weil  sie  uns  durch  die  Be- 
nennung des  Ares  als  ^  x^^^^dpfiiaToc  iröcic  'Aq)pobiTT]C '  die  gut  ehe- 
liche Echtheit  der  Liebesverbindung  beider  Gottheiten  im  Galt  ver- 
bürgt. Für  kriegerische  Natur  dieser  Aphrodite  findei^  sich  bei  ihm 
ebensowenig  eine  Andeutung,  wie  in  dem  Fragment  des  Alkaios 
(Nr.  11,  Bergk,  Poei  lyr.  graec.  IIP  934):  '&ct€  mt^Wv*  'OXu^- 
TTiwv  XOcai  fiT€p  F^Oev',  oder  in  jener  Genealogie  des  Simonides 
vom  Eros,  welche  uns  der  Schol.  Apoll.  Bh.  IIl  26  bewahrt:  „Cijuiü- 
vibiic  bk  [töv  ''€purra  TtveaXoTcT]  *A(ppobiTTic  Kai  "Apeujc  'cx^xXie 
iraT,  boX6|LniTic  'Acppoblra  töv  "Apei  boXo|Lnix6vqj  t^k€v'"  (frg.  43, 
Bergk,  Poet.  lyr.  gr.  IQ*  1134).  Das  Drama  liefert  ausser  der 
oben  (§  5)  citirten  Stelle  des  Aischylos  (VII  a.  Th.  125  ff.)  nur 
die  Verse  in  den  Supplices  desselben  Dichters  (637  ff.): 

*f^ßaC  b*  fivOoC  fiTpCTTTOV 

JcTU),  \ir\h*  ^AcppoMxac 
cövdruip  ßpoToXoiTÖc  "A- 

pilC  K^pC€l€V  ÄUJTOV*. 

Man  könnte  hier  zweifeln,  ob  der  Wortlaut  'euvdTUJp'  den  allge- 
meineren Sinn  des  Epos,  der  auch  das  eheliche  Verhftltniss  nicht 
ausschliesst,  habe,  oder  nicht  vielmehr  den  aus  der  Odyssee  be- 
kannten Beigeschmack  des  Buhlerischen.  Aber  da  es  sich  um  the- 
bische  Verhältnisse  handelt,  so  empfiehlt  sich  unstreitig  die  üeber- 
setzung  mit  „Gatte'^  Da  hier  die  Ausbeute  so  gering  war,  so  sind 
wir  von  selbst  auf  das  Gebiet  hingewiesen,  das  auch  in  unserem 
Falle  die  Lücke  unserer  litterarischen  üeberlieferung  auszufüllen  im 
Stande  ist,  die  Kunst. 

§  11.  Die  Kunstdenhmäler.  Die  erhaltenen  Monumente  finden 
sich  zusammengestellt  bei  Baoul-Bochette,  Choix  de  Peintures 
1867  (p.  225.  237);  bei  Hinck  (a.  a.  0.);  cf.  W.  Heibig,  Bh«  Mus. 


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664  K.  Tfimpel: 

N.  F.  XXrV  520  ff.  und  neuerdings  bei  BernouUi,  Aphrodite. 
(1879,  p.  394.  162  ff.).  Echt  archaisch  findet  sich  nnser  Paar  nur 
auf  einigen  Yasenbildem,  vorerst  aof  der 

1.  Fran^oisyase  (Mon.  d.  Inst  IV,  56^57),  zu  Wagen»  neben- 
einanderstehend, im  Zuge  der  Oötter,  welche  zur  Hochzeit  yon  Pe- 
lens  und  Thetis  &hren.  Sie  sind  zwar  beide  nur  in  den  unteren, 
langbekleideten  Schenkelpartieen  erhalten  und  attribatlos,  aber  in- 
schriftHch  yerbttrgt  als  'APEC  und  'A0POAITe'.  An  dieses 
schwarzfigurige  Geftss  reihen  sich  mehrere  rothfigurige  des  strengen 
Stils,  zunfichst  zwei  Darstellungen  der  Athenegeburt,  die  Q.  Löschke 
in  der  Arch.  Ztg.  (1876,  p.  110)  bespricht.    Die  eine 

2.  in  Paris,  Mon.  d.  Inst.  VI  56,  3,  zeigt  wieder  den  b&r- 
tigen  *ap€c'  mit  Schild  und  Speer  bei  einer  attributlosen  *A<t>PO- 
AIT€'.    Die  andere,  auf  einer 

3.  Blacas'schen  Schale  (L6normant-de  Witte:  Elite  c6ramogr. 
I  63),  Ifisst  Zweifel  über  die  Benennung  der  Figuren  zu,  da  die  bei- 
geschriebenen  Buchstaben  unleserlich  sind,  und  yon  dem  („etruski- 
sehen*')  Copisten  nicht  einmal  der  Zahl  nach  so  allgemein  richtig 
wiedergegeben  sind,  dass  man,  wie  die  Herausgeber  thun,  hierauf 
Vermuthungen  gründen  könnte.  Während  Ares  nfimüch  durch  den 
Hebn  hinreichend  charakterisirt  ist,  scheint  die  angebliche  Aphro- 
dite-beischrifb  eher  zu  der  hinter  dieser  Göttin  stehenden  ^Peitho' 
zu  gehören,  die  ihrerseits  wohl  eher  eine  Leto  ist  (wie  M.  d.  L 
VI  56,  3).  Aber  yorausgesetzt,  dass  diese  ,,spftte  Nachahmung" 
(Löschke  a.  a.  0.  117)  von  der  suppositiyen  Aphrodite  neben  Ares 
wirklich  echte  Züge  bewahrt  habey  so  fehlt  bei  ihr  jede  Andeutung 
einer  kriegerischen  Natur.  Bei  Hinck  und  BemouUi  noch  nicht  auf- 
geführt ist  die 

4.  Vase  des  Euzitheos  und  Oltos  (M.  d.  I.  XI  23/24) 
mit  einer  Darstellung,  welche  Hejdemann  (A«  d.  L  1875,  p.  257) 
auf  einen  Auszug  des  Dionysos  yom  Oljmp  zur  Einholung  des  He- 
phaistos  gedeutet  hat.  In  der  Götteryersammlung,  welche  die  eine 
Seite  einnimmt,  erscheinen  auch  ^AP€C'  und  ^A0POAIT€'  hinter 
einander  sitzend,  ersterer  bärtig  und  bekränzt,  mit  Helm  und  Schild 
in  der  Hand,  letztere  wieder  friedlich  in  Haube,  mit  Lilie  und  Taube, 
und  zum  Zeichen  ihrer  weichlichen  Natur  mit  Bundschuhen  beklei- 
det, w&hrend  alle  übrigen  zwölf  Personen  (selbstverständlich  Her- 
mes ausgenommen)  keine  Fussbeklädung  haben.  Dass  beide  als  zu> 
sammengehörig  gedacht  sind,  zeigen  die  auf  dem  anderen  Flügel 
entsprechenden  Hermes  und  Hebe,  die  Ephebengötter.  Durch  gleich 
MedseHge  Charakterisirung  ausgezeichnet  ist  die  neben  'Apcc' 
sitzende  'A4>pobtT€' 

5.  der  Sosiasschale;  denn  sie  htit  ebenfisJls  eine  Blume  in 
der  Hand.  Die  sichere  Benennung  im  Oegensatz  zu  der  bis  jetzt 
immer  noch  mannigfieush  sehwankenden  ist  gewonnen  durch  eine 
erneute  Vergleichung  des  Originals,  deren  Exgetaiss  im  Schluas- 


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Ares  und  Apbiodite.  665 

Exours  aiiBf&brlicher  mitgetheilt  ist.  Die  jüngste  Dantellting  des 
Paares  innerhalb  der  guten  Zeit  findet  sich  unter  der  Ol^tterver- 
sammlong  einer 

6.  Volcenter  Vase  des  Brittischen  Museums  (Gerhard, 
Trinkschalen  und  Gefltsse  T.  H),  welche  auf  der  Grenze  des  strengen 
Stils  steht.  ^  A0POAIT6'  reicht  stehend  dem  vor  ihr  sitzenden  bär- 
tigen *AP€C'  ein  tassenartiges  Trinkgefttss,  in  ihrer  Süsseren  Er- 
scheinung kaum  unterschieden  von  den  übrigen  ganz  friedlich  sitzen- 
den Göttinen  Hera,  Persephone,  Ariadne  und  Amphitrite.  üeber- 
gehen  wir  schliesslich 

7.  noch  ein,  nach  dem  Citat  *EL  Cer.  T.  ü*  (bei  Welcker,  Gr. 
GötterL  m  708)  unauffindbares  Vasenbild  mit  *APAC,  Aphrodite 
und  drei  Musen',  so  scheiden  wir  yon  der  Vasenkunst  der  guten  Zeit 
mit  dem  negativen  Ergebniss,  dass  eine  Bewaffnung  der  Aphrodite*) 
neben  Ares  sich  hier  nicht  nachweisen  liess.  Ebenfalls  auf  archaische 
Vorbilder  lassen  schliessen  die  erhaltenen  Reliefs,  welche  unser  Paar 
in  nachgeahmt  alterthümlichem  Stil  unter  den  Zwölfgöttem  auf  dem 
Borghesischen  Altar  und  in  einer  freieren  Yersammlung  auf  dem 
Capitolinischen  Puteal  bringen  (Müller -Wieseler,  D.  d.  a.  E. 
II  197).  Aphrodite  ist  mit  Ares  gruppirt  und  hält  das  eine  Mal 
eine  Blume,  das  andre  Mal  eine  Taube.  Von  Bewaffiiung  keine  Spur! 
Ebensowenig  bei  den  beiden  von  Bemoulli  (Aphrodite  p.  47)  aaf- 


*)  Trotzdem  hat  Panofka  (A.  d.  L  IV  p.  867)  ein  Hapax  Eiremenon 
conjiciren  wollen  auf  einem  ihm  selbst  nicht  zu  Augen  gekommenen 
schwarzfigurigen  Vasenbild  einer  korinthischen  Hydria,  die  yon  BrOnd- 
sted  in  der  'Desoription  des  XXXTI  vases  d^couverts  k  Canino  dans 
Tancienne  Vnlcia  et  appartenant  i  Monsieur  Gampanari'  (mir  leider 
nicht  zugftnglich)  ungenügend  beschrieben  war.  Das  eine  Bild  zeigt  7 
flitMode  Gottheiien:  'Ares,  Artemis  ou  Bellone  (I),  Dionysos,  Athene, 
Zeus,  Hera,  Hephaistos.  Parmi  ces  divüiitäs  (Wart  Panofka  fort)  je 
m'^nne  de  yoir  „une  d^esse  arec  une  lance  d.  c6t^  d'Aräs**  appeläe  par 
M.  Bröndsted  Diane  ou  Bellone.  Comment  pouvait-il  oublier  la  y^ritable 
^oose  d*Arte,  l'Aphrodite  arm^e!'  Dieser  Ausruf  ist  ganz  ungereoht- 
fertigfc,  da  offenbar  Bröndsted  seine  Grflnde  haben  musste,  wenn  er  hier 
nicht  Aphrodite  erkannte.  Vielleicht  ist  auch  in  der  „Lanze**  nur  ein 
Scepter  zu  yermuthen,  um  so  eher,  als  über  echten  oder  nachgeahmten 
Archaismus  bei  diesem  merkwürdigen  Vasenbild  keine  Notiz  yorliegt. 
deswegen  ist  es  rathsam,  bis  zu  einer  Ermöglichung  erneuter  Unter- 
suchung mit  weiteren  Vermuthnngen  zurückzuhalten.  Leider  ist  der  Ver- 
bleib der  82  Vasen  nicht  bekannt;  einen  Wink  ^bt  nur  eine  Bemerkung 
ai^  dem  anderen  mir  ebenfalls  unerreichbaren,  raisonnirenden  Katalog  der- 
selben Sammlung,  welche  Panofka  bei  seiner  yollst&ndi£[  sein  sollenden 
Titelan^be  der  Srochüre  gerade  übersieht:  'A  brief  description  of  thirty- 
two  ancient  greek  painted  yases  lately  found  in  exoayations  made  ad  Vuloi 
in  the  Roman  territory  by  M  CampanarL  London.  Printed  by  A.  J.  Valpy 
M.  A  188S'.  Die  fehlende  Notiz  aber  findet  sich  bei  Welcker  (Kleine 
Schriften  V  145):  'and  now  ezhibited  by  him  in  London'.  Also 
ist  England  als  derzeitiger  Aufenthaltsort  zu  yermuthen.  (Gerhard  (Bapp. 
Volc.  No.  10)  kennt  die  Sammlung  noch  nicht,  die  im  Britt  Mus.  sidi 
jedenfalls  nicht  befindet  (cf.  den  Katalog  yon  Hawkins  und  NewtonO* 


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666  E.  Tümpel: 

gefiüirien  kleinen  Bronzegruppen,  die  ihrem  Stil  znfolg^e  anf 
griechisch -archaiBche  Vorbilder  zorttckgehen  mttfisen.  Da  hiermit 
unser  Denkm&leryorrath  aus  guter  Zeit  erschöpft  ist,  und  das  Prob- 
lem der  Aphrodite  von  Melos  besser  auf  einen  Punkt  verspart  wird, 
von  dem  aus  ein  üeberblick  über  die  gesammte  Eunstentwicklong 
möglich  ist,  so  wenden  wir  uns  jetzt  zu  den  uns  nur  aus  den  Schrift- 
quellen bekannten  Kunstwerken. 

§12.  Nicht  erhaltene  KimstwerJce,  Was  zuerst  den  Am  jklaei- 
sehen  Thron  des  Bathjkles  betrifft,  so  steht  durch  die  Analogie 
der  Fran9oisyase  so  gut  wie  fest,  dass  seine  Darstellung  der  Hoch- 
zeit des  Eadmos  mit  der  Harmonia*)  auch  die  Eltern  der  letsteren, 
Ares  und  Aphrodite  enthalten  habe,  wenn  uns  auch  das  ^Wie?'  frei- 
lich ganz  verhüllt  ist    Etwas  besser  sind  wir  unterrichtet  Yon  dem 

Kasten  des  Kjpselos  zu  Olympia,  dessen  Beschreibung  sich 
bei  Pausanias  (Y  18,  1)  findet**).  Der  uns  angehende  Passus  der 
Beschreibung  lautet:  ^^CTi  bk  Kai  ''Apiic  ön\a  dvbebuKUJC  'Aq>pobiTT|v 
äfü)V'  imfpaiiixa  bk  "EvudXiöc  icTiv  aÖTi|i'.  Dass  eine  Beischrift 
^'Aq)pobiTii'  hier  nicht  ausdrücklich  aufgeführt  wird,  darf  uns  xiicht 
verleiten  zu  glauben,  sie  sei  an  sich  schon  deutlich  charakterisiit 
gewesen  —  was  eine  Bewaffnung  selbstverständlich  ausschliessen 
würde.  Vielmehr  dürfen  wir  nach  Analogie  der  übrigen  Felder  der 
^beuT^pa  X^pci'  auch  für  die  Aphrodite  eine  Namensbeischrift  vor- 
aussetzen. Aber  gleichwohl  kann  sie  nicht  bewaffnet  gewesen  sein, 
weil  bei  der  Natur  der  dargestellten  Handlung  das  MissverstSndniss 
zum  Beispiel  einer  Kriegsgefangenschaft  nicht  ausser  Sicht  gelegen 
hfitte.  Diese  Führung,  jedenfalls  unter  schwachem  Widerstände  er- 
folgend, sollte  aber  einen  Theil  der  Vermfthlungsceremonien,  die 
Entführung  versinnbildlichen  (cf.  0.  Jahn,  Arch.  Aufsätze  §  10,  20; 
Welcker,  Kretische  Colonie  Theben,  p.  69)***),  und  bildet  also  eine 


*)  Paus.  III  18,  12:  '^c  TÖv  f&nov  töv  'Ap^ov(ac  Mpa  KopdCouay 
Ol  eeoC. 

**)  Gh.  Petersen  (ZwOlfgOttersystem  U  10)  scheint  ihn  ffir  jünger  da- 
tiren  zu  wollen,  als  die  Francoisvase;  er  sagt:  „Zu  der  Aehnlichkeit  [der 
letzteren]  mit  dem  Kasten  aes  Kypselos  kömmt  noch  als  Zeichen  hö- 
heren Alters,  dass  Dionysos  nocht  nicht  im  Zuge  der  Olympischen  Götter 
erscheint**.  Das  thut  er  aber  hier  auch  nicht,  und  so  bleibt^  nach  die- 
sem Gesichtspunkt,  wie  auch  nach  allen  übrigen  Aneeichen,  der  Kypselos- 
kasten  älter  als  die  Fran9oiBva8e  (cf.  Overbeck,  Plastik  I'  64). 

***)  Da  die  Führung  nach  zahlreichen  Analogien  schwaczfigariger 
Yasenbilder  in  einer  T^fassnng  des  Handgelenk  (dem  sogenannten 
'X^P*  ^^l  Kapirilp')  bestanden  haben  muss,  wie  es  nach  Jahn  (a.  a.  0.), 
Overbeck  in  seinem  bildlichen  Beconstmctionsversach  (Abh.  d.  k.  S&chs. 
G.  d.  W.  IV^  1865.  Ph.-Hist.  Gl.)  auch  wiedergegeben  hat,  und  da  femer 
B.  Förster  in  seinem  Breslauer  Winckelmannprognunm  1867  („Die 
Hochzeit  des  Zeus  und  der  Hera"  p.  16)  auf  Grmid  einer  erneuten  Be- 
vision  des  Materials  dieses  Motiv  als  eine  Formel  des  ehelichen  Ver- 
mähluDgsactes,  wie  die  blosse  Handreichung  (cf.  Stephani,  CR.  1861, 
p.  70  ff.)  alü  Symbol  der  Verlobung  erwiesen  hat,  so  nehmen  wir  keinen 
Anstand,  auch  hier  einen  Hieros- Games,  wie  Förster  auf  den  Dantel- 


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Ares  und  Aphrodite.  667 

Liebesscene,  wie  auch  die  DarsteUnngen  der  Nachbarfelder:  Peleus 
mid  Thetis,  Apollon  und  Marpessa,  Zeus  und  Alkmene,  Menelaos  und 
Helena,  Jason  und  Medeia.  Daraus  erfolgt,  dass  Aphrodite  ganz 
deutlich  die  Bolle  des  schwachen^  unter  sanftem  Widerstreben  nach- 
gebenden Weibes  spielen  muss,  also  den  reinen  Gegensatz  zu  ihrer 
spftteren,  als  Siegerin  über  Ares.  Hierin  liegt  ein  prindpieller  Gegen- 
satz der  Auffassung;  der  auch  nach  den  Zeitepochen  näher  bestimmt 
zu  werden  verdient.  Sollte  es  uns  gelingen,  die  pikantere  Zusammen- 
stellung des  Ares  mit  der  Aphrodite  in  Waffen  ausschliesslich  dem 
hellenistischen  Zeitalter  zuzuweisen,  so  würde  die  Verwendung,  die 
Welcker  yon  derselben  Behufs  der  alterthümlichen  Cultpaarung  in 
Theben  machte,  als  ein  Anachronismus  dastehen,  und  wir  hätten  die 
Vermuthung  dieses  Gelehrten,  dass  schon  in  ältester  Zeit  die  miss- 
yerständliche  Auffassung  der  Areia  als  Aresgattin  zur  thebischen 
Ehe  geführt  habe,  nicht  bloss  aus  formellen  Gründen  angefochten  — 
durch  den  Nachweis  völligen  Mangels  an  stichhaltigen  massgebenden 
Parallelen,  sondern  auch  mit  sachlichen  Gründen  widerlegt.  Wir 
versuchen  den  Nachweis  durch  Betrachtung  des  Hellenismus,  da 
auch  die  kunstmässige  Malerei  unseres  eben  besprochenen  Zeitraums 
von  dessen  Charakter  nicht  abgewichen  sein  wird.  Wenigstens  fin- 
det sich  die  eiuzige  uns  sicher  überlieferte  Gruppirung  von  Ares  und 
Aphrodite  auf  einem  Bild  der  Zwülfgötter  von  Euphranor 
(Overbeck,  8.  Q.  1790.  1792  f.)  und  kaui  nach  den  obigen  Analo- 
gien nur  eine  friedliche  Aphrodite  geboten  haben.  Auf  dem  Bild 
des  Zeuxis:  'Jupiter  adstantibus  Diis'  (Plin.  XXXY  63)  ist  das 
Paar  unsicher,*) 

Abschnitt  IIL    ITrania  neben  Ares  seit  Alexander. 

§  13.  Die  IHchhmg.  Wie  fem  der  obige  Gedanke  einer  Ver- 
werthung  der  sieghaften,  kriegerisch  überlegenen  Natur  der  Aphro- 
dite Urania  fOr  das  Verhältniss  zu  Ares  noch  der  Zeit  des  freien 
Griechenthums  lag,  zeigt  besonders  deutlich  eine  Stelle  des  Sopho- 
kles in  den  Trachinierinnen  (v.  497).    Dort  singt  der  Chor: 


langen  von  Zeus  und  Hera,  HephaistoB  und  Aphrodite,  Menelaos  und 
Helene,  Peleus  und  Thetis,  su  erblicken.  Wir  schliessen  daraus  aus- 
drücklich auf  eine  dichterieche,  wohl  epische,  Tradition  von  der  ehe- 
lichen Verbindung  beider  Gottheiten^  wie  sie  in  beiden  SteUen  bei  Pindar 
und  AischyloB,  sowie  im  thebischen  Colt  sich  erhielt  und  im  Demodokos- 
gesang  wohl  nur  in  entstellter  Form  vorliegen  mag.  Wie  wäre  es  auch 
sonst  möglich,  dass  in  der  conserrativen  Vasenmalerei  bei  freien  Gütter- 
ver Bammlungen  Aphrodite  wohl  mit  Ares,  nie  aber  mit  Hephaistos 
vereint  sich  zeigt  I  Von  der  Unrechtmässigkeit  ihrer  Beziehungen  zu 
Ersterem  haben  sich  die  Vasenmaler,  wie  es  scheint,  nicht  überzeugen 
können. 

*)  Die  Pliniusconjectnr,  durch  welche  Stark  eine  Ares-  und  Aphro- 
ditegruppe von  Skopas  gewinnen  wollte  (Nat.  Hist  XXVI  426),  ist  von 
ihm  Belbst  wieder  zurückgezogen  worden  (PhiloL  XXI  436). 


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668  K.  Tümpel: 

*|Li^T«  Ti  cO^voc  d  KÜTTpic  dKqp^pcTat  vIkoc  ÄeC. 
Aber  so  nahe  der  Gedanke  an  Ares  dem  Dichter  liegen  müsste,  so 
ist  er  doch  weit  davon  entfernt,  ihn  zu  nutzen,  wie  dies  der  weitere 
Verlauf  zeigt: 

*Kal  TOI  fitv  Geoiv  Ttap^ßav,  xai  Sttwc  Kpovibav  ÄTtdraccv,  ou  X^t«> 

oöbfe  TÖv  ^vvuxiov  "Aibav 

f{  TJoceibduiva  TivdKxopa  TCtiac  .  .* 
Man  sieht,  das  Wirken  der  Aphrodite,  die  bei  Sophokles  ausdrück- 
lich ^d)Liaxoc'  heisst  (Antig.  800),  bezieht  sich  hier,  wie  im  home- 
rischen Hjmnos  auf  Aphrodite,  bloss  auf  ihre  Einwirkung  als  Prindp 
auf  fremder  Leute  Angelegenheiten;  zu  eigenen  Gunsten  macht  sie 
keinen  Gebrauch  von  ihrer  Liebesgewalt.  An  Ares  denkt  auch 
Euripides  wohl  noch  nicht  im  Hippolytos  (1268): 

^cu  Tujv  6€tuv  dKajutTTTOV  qpp^va  xd  ßpoTuiv  dyctc  Kuirpi. .' 

Auch  einige  Epigramme  haben  yon  einem  solchen  Einfluss  noch 
nichts;  z.  B.  Anth.  Palat.  E^  39  (Dübner)   mit  der  üeberschrift 
^MouciKiou*,  sagen  die  *MoOcai  ttoti  Kuirpiv* 
\ . .  "Apei  xd  CTiO|LiuXa  Taura* 

fJlLllV  b*  DU  7T^T€Tai  TOUTO  TÖ  TTaiftdplOV' 

oder  Anth.  Planud.  (ibid.  XYI  160): 

^TTpa£tT^Xiic  oÖK  elbev,  S  |if|  Qlixxc  dXX'  6  dbnpoc 
Kcc*  "Apnc  o?av  fiOeXe  ifjv  TTacpinv' 

von  „Platon^^  (junior?).  Ein  Bewusstsein  yon  der  eigenthümlichen 
üeberlegenheit  jener  zarten  Göttin ,  die  den  wildesten  der  Götter  in 
ihren  Banden  zu  fesseln  wusste,  dämmert  auf  in  den  Versen  des 
Makedon  (Anth.  V  238  Düb.),  der  sein  Schwert  mit  Aree  ver- 
gleicht: 

^  . .  TÖV  "ApTi  Kai  dZaX^ov  Ttep  ^övra 

beiSui  t1}  MaXaicQ  Kunpiöi  7T€i6Ö|li6VOv'. 

Aber  das  üebergewicht  zeigt  sich  nur  in  holder  Ueberrednng  des 
Spröden  und  geht  nicht  über  Homers  Charakteristik  hinaus.  Frucht- 
bar wird  der  Gedanke  erst  durch  das  Hineinziehen  der  kytherischen 
Urania,  aber  nicht  rttcksichtlich  ihrer  hesiodischen  Wassergeburt,  die 
z.  B.  Demokritos  (Dübner  XYI  180)  für  die  Beziehung  zu  Ai«s, 
freilich  ohne  weitere  Consequenzen  verwerthet  hatte,  —  sondern 
wegen  ihrer  Bewa&ung,  von  welcher  noch  Hesiod  bei  seinem  Ver- 
such Kjpris  und  Kythereia  zu  verschmelzen,  geschwiegen  hatte.  Die 
Aresliebschaft  der  ersteren  und  die  BewafGaung  der  letzteren  finden 
wir  in  den  folgenden  Distichen  zuerst  in  Beziehung  gesetzt: 

*  Tinte,  ILIÖ0UIV  ÄrXirroc,  'CvuaXioio  XdXöTXac 
Kuirpi;  TIC  6  ipeiicTac  CTurvd  KaOäipe  jidniv« 

?VT€a;  cd  ydp  ''Gpurrcc  dq)i|üiepoi  Stc  kut*  eüvdv 
T<pi|iic  Kai  KpoTdXuJV  OnXu^aveic  fiTo^ou 


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Ares  und  Aphrodite. 

öoüpara  b*  atjaoröevra  kaO^c  TpiTuivlbi  biqi 
TttOxa-  cu  b"  €uxaiTav  elc  uji^vaiov  XBi\  (Düb.  IX  321), 
Die  Pointe  liegt  hier  in  der  Gegenüberstellung  der  zarten  Liebes- 
gCttin,  wie  sie  die  Poesie  schildert,  und  der  Bewaf&iung  des  Cult- 
bildes  (denn  dieses  wie  die  folgoiden  Epigramme  beziehen  sich,  znm 
Theil  ausdrücklich,  auf  die  Oupavia  u)ttXic|üi^vii  Lakoniens).  Und 
dieser  Gegensatz  spricht  sich  aus  in  der  V<^^^v  ärXirroc'  (der 
Poesie),  die  trotzdem  ^"GvuaXioio  X^XotX^'  (im  Cult),  woraus  her- 
vorgeht, dass  '€vudXioc  nur  ein  anderer  Ausdruck  für  die  jiöOoi  ist 
und  darum  füglich  ebenso  wohl  wie  äpnc  „der  Krieg'^,  klein  ge- 
schrieben seia  könnte.  Diese  unpersönliche  Bedeutung  geht  auch 
aus  dem  Gebrauch  von  XaYX<S^vui  hervor;  mit  ganz  besonderer  Deut- 
lichkeit aus  der  Frage:  *Tic  Ka6ai|i6  ktX.',  die  ganz  störend  und 
überflüssig  wSre,  wenn  mit  dem  Worte  ivudXioc  des  vorhergehenden 
Verses  wirklich  der  Eriegsgott  in  Person  gemeint  wäre.  —  Bald 
genügte  die  Pointe,  welche  die  Seele  dieser  drei  Distichen  ist,  nicht 
mehr,  denn  sie  war  im  Grunde  bloss  eine  ziemlich  getreue  Umge- 
staltung eines  schon  bei  Homer  (€  428  ff.)  angedeuteten  Gedankens; 
un^so  geht  schon  einen  Schritt  weiter  das  Epignunm  des  Philip- 
pos  (Dübner,  XYI  177),  das  mit  der  gleichen  Frage  beginnt,  die 
oben  vorkam: 

*KuiTpi  <plXo|Ll^e(bT^c,  6aXa|Lii^7ToX€,  rtc  C€,  iicXixpflv 

öai)Liova,  toic  kcX^iiiüv  dcT€<pdvuic€v  öttXoic; 
col  Trat&v  q)(Xoc  fjv  kqI  ö  xp^cokÖ)lit]c  tjji^vatoc 

Ktti  XiYupiBv  aöXdrv  fibujieXeTc  x^pixec* 
^c  Ti  bk  TaOr*  ivibvc  dvbpoKTÖva;  |üif|  epacuv  "Apn 
cuXficac*  aöxeic,  Kunpic  öcov  bövarai;* 
Hier  ist  ausgesprochen,  was  Sophokles  und  dem  vorigen  Epigram- 
matiker auf  der  Zunge  lag  und  liegen  blieb.    Es  sind  die  Waffen 
des  Ares,  des  durch  Liebe  besiegten,  mit  denen  sich  die  zarte  Sie- 
gerin geschmückt  hat,  sagt  witzig  der  Dichter.  —  Deutlich  wird  die 
Aresgattin  aus  der  ^vokXoc  erst  gefolgert  in  dem  schon  oben  citir- 
ten  Epigramme  des  Antipater  *elc  Tf|V  iv  CirdpTij  fvoKXov  'Aq)po- 
Wttiv'  (a.  a.  0.  176) 

*Ka\  Kuirpic  Cirdprac  otinc  äcxeciv  otd  t*  dv  dXXoic 

fbpurai  jaaXaK&c  iccayiiva  CToXibac, 
dXXd  Kaxd  Kparöc  }xly  ix^i  xöpuv  dvrl  KaXüirrpac 

dvrl  bk  xpvc€(u)v  dKp€|Li6vu)v  KdfüiaKa' 
DU  xdp  xpf\  Tcux^iüv  etvai  b(xa  rdv  TiopdKoiTiv 
epifKÖc  'EvuaXCou  Ka\  AaKeöai^oviav'. 
Was  hier  noch  als  Pointe  überraschend  wirken  will,  gilt  in  einem 
anderen  Epigramm  schon  als  überwundener  Standpunkt  und  wird 
als  selbstverständlich  vorausgesetzt,  um  einem  neuen  Witzspiel  zur 
Grundlage  zu  dienen. 

Leonidas  dichtet  (a.  a.  0.  XYI  171): 


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670  K.  Tümpel: 

**'Ap€OC  fvrea  raOra  tivoc  x&piv,  (b  KuO^peto, 
dvWbucai,  K€V€Öv  TOÖTO  (p^pouca  ßdpoc; 

aÖTÖv  "Apii  TW|Livf|  fäp  dq)u)7TXicac'  d  bk  X^XciTtrai 
Kai  Geöc,  dvGpiiiTToic  önXa  jndniv  dTTayeic'. 
Wir  haben  in  der  Yorfdhrung  dieser  Gedichte  eine  gewisse  Anord- 
nung nach  der  Entwickelung  des  Gedankens  zu  geben  yersucht,  die 
sich  durch  die  Beobachtung  rechtfertigt,  dass  immer  der  Folgende 
den  Vorgänger  durch  eine  neue  Pointe  zu  überbieten  sucht  und  doch 
gewissermassen  auf  seinen  Schultern  steht.  Eins  ist  aber  klar,  dass 
sie  alle  yon  der  widerspruchsvollen  Sonderbarkeit  der  „Liebesgöttin 
in  Waffen^'  ausgehen  und  mittels  dieser  Eigenthümlichkeit  eine  An- 
knüpfung an  die  landläufigen  Vorstellungen  versuchen,  bei  denen 
sich  die  alte  Zusammenstellung  mit  Ares  als  bequeme  Handhabe 
bot.  Die  Zeit  aber,  in  welcher,  und  die  Dichtgattung,  durch  welche 
dies  geschieht,  zeigt,  dass  damit  eine  Neuerung  geschaffen  ward, 
die  nur  darin  liegen  kann,  dass  früher  eine  friedfertige  Aphro- 
dite an  der  Seite  des  Ares  stand  und  nun  auch  eine  bewaffnete  in 
den  Bereich  dieses  Vorstellungskreises  gezogen  wurde.  Dass  diese 
letztere  die  spartanische  (also  kjtherische)  war,  geht  aus  ein^fon 
ausdrücklich  dies  sagenden  Ueberschriften  hervor;  und  dass  damit 
der  Doppelsinn  des  Namens  Areia  zusammenhängen  möge,  liegt 
nahe  zu  vermuthen.  Jenes  ältere  Paar  aber,  dessen  Aphrodite  un- 
bewaffnet gewesen  sein  muss,  kann  nur  eben  das  thebische  des 
Aischjlos  in  den  ^Septem'  gewesen  sein,  das  sich  angeblich  durch 
Polyneikes  nach  Argos  und  —  zu  einer  Dreiheit  erweitert  —  nach 
Attika  und  Arkadien  verbreitete. 

§  14.  Die  hellenistische  Ku/nst,  Es  wird  jetzt  Zeit,  dass  wir  uns 
die  gleichzeitige  Kunst  vor  Augen  rufen.  Wir  fanden  oben,  dass 
die  Darstellung  unseres  Paares  durch  die  Kunst  sich  auf  die  Periode 
des  Archaismus  und  dessen  üebergangszeit  beschränkte,  während 
die  Hauptblüthezeit  wenigstens  nach  unseren  knapp  bemessenen 
Hilfsmitteln  zu  uftheilen,  kaum  von  ihm  Notiz  genommen  zu  haben 
scheint,  ausser  einer  mehr  oder  weniger  schematischen  Vorführung 
der  Zwölfgötter.  In  dieser  Periode  ändert  sich  das;  die  Darstellun- 
gen werden  häufiger,  wenn  auch  zumeist  noch  die  Entwickelung  nur 
den  schon  von  Homer  gewiesenen  P&den  folgt  Um  ein  Bild  des 
Atheners  Asklepiodoros:  die  Zwölfgötter,  nur  zu  erwähnen  (Plin. 
XXXV  107)  und  bei  einem  merkwürdigen,  durch  Stilsynkretismus 
ausgezeichneten  Vasenbild  (Monuments  grecs  Nr.  4,  1875),  wel- 
ches Ares  und  Aphrodite,  letztere  die  Bosse  lenkend,  zu  Wagen  auf 
einer  Gigantomachie  zeigt,  bloss  an  ein  spätes  Gedicht  des  älteren 
Claudian  (bei  Claudian,  ed.  Jeep,  p.  LXXIX)  zu  erinnern,  das  auf- 
fallenderweise  mit  jenem  Bild  allein  die  Aphrodite  bei  dieser  Ge- 
legenheit aufweist*),  so  zeigt  die  Hauptmasse  des  aus  dieser  Zeit 


*)  ^liic  ''Apcujc  aixMfl  Tfl  Ki5irpi6oc  ÖXXuro  m^P^I^'« 

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Ares  und  Aplirodite.  671 

Bekannten  doch  das  Liebespaar.  Yermuthlich  bat  eine  selbstfindige 
dichterische  Behandlung  durch  einen  alexandrinischen  Poeten  vor- 
gelegen, wenn  anfeinem  Terracottarelief  (Stepbani  C.  R.  1870/1, 
Vignette,  p.  194)*  vgl.  Premier  in  Bnrsians  Jahresb.  Vn  1876,  p.  49) 
nnd  einem  Spiegelrelief*),  pnblicirt  von  Förster  (Die  Hochzeit 
des  Zeus  und  der  Hera  1867,  Winckelm«  Frogr.  Breslau,  p.  14)  als 
^Zeus  und  Hera',  sich  Ares  und  Aphrodite  gegenübersitzen  (nach 
Furtwfingler:  Fleckeisen,  Jahrb.  UI  1875,  p.  592  &).  Da  Ares 
hier  die  Aphrodite,  faUs  die  Deutung  der  attributlosen  Figuren 
richtig  ist,  am  Handgelenk  fasst  (x^ip'  ^tt\  KapTTiip),  so  kann  hier 
sehr  wohl  ein  Ausläufer  jener  schon  am  Ejpseloskasten  bemerkten 
Vorstellung  von  der  ehelichen  Beziehung  zwischen  beiden  Göttern 
vorliegen  (trotz  Furtwänglers  Verdächtigung,  als  sei  die  Förster^sche 
Zeichnung  der  allerdings  fragmentirten  Berührungsstelle  beider  Hfinde 
durch  die  Deutung  beeinflusst).  Auch  das  Lüpfen  des  Schleiers, 
vielleicht  des  bräuÜichen,  durch  Aphrodite  erinnert  hinreichend  an 
die  Darstellung  des  Hieros-Oamos  von  Zeus  und  Hera,  z.  B.  auf  der 
bekannten  Selinuntischen  Metope.  Eine  speciell  dem  Hellenismus 
angehörende  Weiterentwicklung  ist  die  in  den  zahlreichen  Producten 
der  Pornographie  (Baoul-Bochette,  Choix  de  Peintures  p.  225  ff.) 
vorliegende,  während  das  Terracottarelief  Campana  (Opgre  in 
plastica  11  104)  und  die  Wandgemälde  (bei  Heibig  Nr.  314—328) 
eine  decente  Auffassung  repräsentiren.  Ebenfalls  nachalexandrisch 
ist  die  von  Hinck  (A.  d.  I.  1866,  p.  98)  aus  einigen  dieser  Bilder 
gewonnene  Tradition  eines  Liebeszwistes  zwischen  beiden  Göttern. 
Wichtiger  als  diese  Weiterbildungen  sind  uns  die  Spuren  eines 
Einwirkens  der  epigranunatischen  Poesie  auf  die  gleichzeitige  Kunst, 
dessen  Vorboten  schon  die  Eroten  sind,  welche  auf  den  meisten  der 
Wandgemälde  (Nr.  316.  318.  319.  320.  324)  sich  mit  den  Waffen 
des  Ares  beschäftigen,  den  Helm  aufsetzen  und  sich  das  Schwert 
umhängen.  Der  Grundgedanke  ist,  dass  diese  Trabanten  der  Aphro- 
dite mit  den  Waffen  des  Eriegsgottes  spielend,  ganz  wie  mit  denen 
Alexanders  auf  A^tions  bekannter  Darstellung  von  dessen  Hochzeit 
mit  Boxane,  ihm,  zum  Zeichen  seiner  sanften  üeberwindung,  die 
letzten  Symbole  seiner  kriegerischen  Mannheit  entfremden,  wie  dem 
Herakles  des  Lysippos  (Overbeck,  Plast.  11'  93).  Diese  Eroten  mit 
den  Waffen  des  Ares  sind  ein  Beweis  dafür,  dass  man  auch  bei  einem 
Helm  oder  einem  Schild  in  der  Hand  der  Aphrodite  Urania  an  eine 
Trophäe  ihres  Triumphes  über  den  Eriegsgott  gedacht  haben  wird. 
Der  ersten  hierauf  basirenden  Eunstdarstellung  begegnen  wir  wie- 
der in  der  Schilderung  eines  Alexandriners,  des  Apollonios  Rhodios. 
Während  dieser  an  einer  Stelle  (Arg.  III  568)**)  noch  ganz  mit 


*)  Die  bisher  angeführten  Tier  Monumente  fehlen  bei  BemouUi. 
**)     ^Cj  icörrot,  fj  ^a  ywaiBv  6fjiöcToXoi  ^6ab'  £ßr)|ui€v 
ol  KOirpiv  KoX^ouav  iiHppoeov  ä}i\i\  ir^ccOai,  ' 


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672  K.  Tümpel: 

den  homerischen  Anschauungen  sich  begnügt,  hat  er  an  einer  andern 
(I  743)  zuerst  die  pikante  Umdrehung  des  natürlichen  YerhfiltnisseB 
von  Stfirke  und  Schw&che.  Er  schildert  das  Gewand  des  Jason,  auf 
welchem  gestickt  zu  schauen  war  Aphrodite,  die  sich  im  Schild  des 
Ares  spiegelt: 

^iiür\c  b*  ficKTiTO  ßaOuirXöxaMoc  KuOepehi 
*Ap€OC  öxMÄouca  Oodv  cdKOC  ktX. 
.  .  .  TÖ  ö'  ävtCov  dipcKfec  aÖTUIC 
XaXKciij  öciKcXov  £v  dciribt  (paiver'  ib^cOai'. 

Bemerkens werth  ist,  dass  wie  hier  die  neue  Idee  sich  nur  an  einer 
Einzelfigur  zeigt,  so  es  auch  immer  geblieben  ist:  kein  Wunder, 
da  jene  Idee  auch  von  einer  Einzelfigur,  der  bewaffneten  Urania, 
ausgegangen  war.  Die  einzige  Ausnahme  macht  ein  von  den  Heraus- 
gebern, wie  auch  von  Heibig  (Untersuchungen  über  Camp.  Wand- 
malerei p.  236)  auf  Ares  und  Aphrodite  gedeutetes  Yasenbild 
schlechter  Arbeit  in  L6normant-  de  Wittes  Elite  C^ramogr. 
IV,  T.  96.  Hier  ist  ein  völliger  Attributtausch  eingetreten ,  indem 
die  Göttin,  den  Speer  des  Ares  in  der  Linken,  sich  in  dessen  Helm 
spiegelt,  und  Ares  mit  dem  Schild  am  linken  Arm  sich  im  Spiegel 
der  Aphrodite  betrachtet.  Von  Einzelstatuen  des  Ares  dagegen  sind, 
um  der  weiteren  plastischen  Yerkörperungen  dieses  Gedankens  in 
Aphrodite  zu  geschweigen,  besonders  hierher  gehörig  der  Ares 
Ludovisi.  Dieser  zeigt' nicht  mehr  die  Frische  und  das  Selbst- 
bewusstsein,  wie  der  ebenfalls  dem  jüngeren  unbärtigen  Ideal  an- 
gehörige  Ares  des  Parthenonfrieses,  der  nur  mühsam  durch  die  um 
das  Knie  geschlungenen  Hände  seine  Ungeduld  und  seinen  Eraft- 
äussenmgstrieb  in  der  ceremoniell  thronenden  Götterversammlung 
zu  bezähmen  scheint;  sondern  die  IJeberlegenheit  ist  an  Aphrodite 
übergegangen,  die  auch  in  der  Abwesenheit  seine  sehnsüchtigen  Ge- 
danken gefangen  hält:  ein  doppelt  pikanter  Gedanke  bei  dem  rauhen 
und  etwas  ungeschlachten  Eriegsgott.  Geistreiche  Antithesen  sind 
aber  so  recht  das  Element  des  hellenistischen  Zeitalters,  in  welches 
auch  nach  Aller  IJebereinstimmung  das  Werk  gesetzt  werden  muss, 
selbst  wenn  nicht  der,  oder  (nach  Overbeck)  die  Eroten  als  Ver- 
treter der  Aphrodite  functionirten,  wie  auf  dem  Gemälde  A^tions 
und  bei  dem  Heraklös  des  Lysippos.  —  Noch  stärker  ist  jener  Ge- 
danke ausgedrückt  bei  dem  Ares  Borghese,  jener  früher  wegen 
seines  Fussrings  fälschlich  für  Achill  gehaltenen  römischen  Copie 
eines  griechischen  Originals.  Die  Fessel,  welcher  wir  cultmSssig 
beim  spartanischen  Ares  Enjalios  begegnen  (Paus.  HI  15,  5),  ist 
hier  erotisch  verstanden,  und  der  Gesichtsausdruck  des  geneigten 
Hauptes  geradezu  melancholisch  und  traurig  geworden,    so    dass 


oi^K  £t'  '€vuaX{oio  fi^a  c04voc  ... 
Sppere*  |ui^'  öfiiuiiv  iroXc^^i'ia  fyya  m^oito, 
iTopOcvnc&c  bk  Xir^av  dvdXiaöac  f|ir€poircu4iv'. 


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Ares  und  Aphrodite.  673 

Friederichs  (Bausteine  721)  und  Dilthej  (Rhein.  Jahrb.  53 — 54, 
1873,  p.  35)  mit  Recht  hier  einen  ^trionfo  d'amore'  über  den  von 
Eroten  gefesselten  Eriegsgott  sehen.  —  Schliesslich  sei  noch  zur 
Prüfung  unserer  These  von  der  Alexanderepoche  als  dem  Wende- 
punkt in  dem  Bedentungswechsel  der  Beziehung  von  Aphrodite  zu 
Ares  ein  Blick  auf  die  Meli  sehe  Aphrodite  geworfen,  deren  Da- 
tirung  noch  streitig  ist.  Als  überwunden  kann  der  von  0.  Müller- 
Wiesel  er  gemachte  Vorschlag  einer  Ergänzung  mit  Lanze  oder 
Helm  gelten,  welche  ohnehin  den  Gedanken  an  Trophäen  des  Ares 
nicht  noth wendig  einschHessen  würde.  Wäre  ein  Schild  zu  suppli- 
ren,  so  könnte  sie,  um  von  einigen  wenig  genügenden  Hypothesen*) 
zu  schweigen,  entweder  als  sich  in  demselben  spiegelnd  gedacht  sein, 
wie  auf  der  Stickerei  bei  Apollonios  (Braun).  Der  Schild  würde 
dann  sicher  dem  Ares  gehören,  da  uns  im  Cult  einer  Urania  kein 
ähnliches  Schema  bekannt  ist.  Aber  die  Physiognomie  der  Oöttin 
schliesst  das  Motiv  des  Spiegeins  aus.  Die  andre  Möglichkeit,  dass 
Aphrodite  den  Schild  des  Ares  als  Trophäe  bloss  in  der  Hand  hält 
(Millingen,  Jahn,  Welcker,  Preller),  würde  eine  Ansetzung 
des  Werkes  nach  Alexander  voraussetzen,  mit  der  sie  steht  und  fällt. 
Eine  Unterstützung  für  diese  Datirung  würde  nach  dem  von  uns  ge- 
wonnenen Gesichtspunkt  sein,  wenn  unter  dem  linken  Fuss  ein 
Helm  zu  suppliren  wäre,  wie  bei  der  capuanischen  Replik  (0 ver- 
beck, Gr.  Plastik  H^  23)  und  dem  Smymenser  Torso  (Bernoulli, 
162.  Nr.  4);  doch  ist  hierzu  der  Raum  zu  klein.  Es  bleibt  also 
diese  Zeitansetzung  auf  die  bisherigen  Argumente  angewiesen.  Um 
die  von  Clarac,  Fröhner,  Tarral  und  Goeler  v.  Ravensburg 
verlangte  Ergänzung  mit  dem  Apfel  des  Paris  oder  der  Insel  Melos, 
deren  Grundlagen  noch  immer  eine  Nachprüfung  nicht  entbehren 
können,  als  für  unseren  Gesichtspunkt  irrelevant  zu  übergehen,  so 
wird  ein  Ergänzungsversuch,  der  nicht  bloss  eine  schon  antike  Re- 
stauration der  Statue  reconstruiren  will,  wie  es  vielleicht  die  Apfel- 
hypothese schliesslich  thun  wird,  von  der  Datirung  des  Torso  rück- 
sichtlich seines  Stils  abhängig  sein.  Sollte  sich  nun  aber,  wie  es 
den  Anschein  hat,  die  von  Waagen,  Welcker,  Jahn,  Schnaase, 
Eugler,  Wieseler  befürwortete  Ansetzung  in  das  Zeitalter  des 
Skopas  bewähren,  so  wird  man  der  Aphrodite  von  Melos  nicht  etwa 
die  Trophäen  des  Ares  in  die  Hand  geben. können,  sondern  nur  den 
Ares  selbst,  und  zwar  nicht  so,  dass  die  Göttin  seinen  Zorn  beschwich- 
tigen will,  wie  Quatremdre  de  Quincy  vorschlug,  denn  dazu  stimmt 
wieder  weder  Gesichtsausdruck  noch  Haltung;  auch  nicht,  indem  die 
Göttin  einen  Angriff  auf  ihre  Keuschheit  abweist  (Y.  Valentin),  da  die 
angebliche  dramatische  Aufregung  in  Zug  und  Bewegung  der  unteren 


*)  Reber,  Keller:  Yenns  victrix  auf  den  Schild  schreibend; 
Rydberg:  Schild  mit  Inschrift  über  den  Persersieg  der  Griechen 
zeigend. 

Jahrb.  f.  ol«afl.  Phüol.  Suppl.  Bd.  XI.  43      r^^^^T^  / 

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674  K.  Tümpel: 

Gliedmassen  und  ihrer  Grewandnng  eine  Tänschnng  ist.  Möglich 
scheint,  wenn  man  ja  eine  ,,dramatische  Gruppe"  annehmen  will,  der 
Gedanke  an  eine  herrschende  Ueberlegenheit  der  Aphrodite  Aber 
Ares  nur  rdcksichtlich  ihres  königlichen  Stolzes  in  Blick  und  Hal- 
tung, etwa  so,  dass  ^e  Bernoulli  will  (p.  163)  „Aphrodite  nicht 
mehr  die  Waffen  des  Eriegsgottes,  sondern  diesen  selbst  (als  über- 
wunden) in  den  Armen  hftlt^'.  Aber  dieser  Btolz  brauchte  darum 
noch  nicht  gerade  jenem  vorauszusetzenden  Ares  gegenüber  zur  Gel- 
tung gebracht  worden  zu  sein:  ja  die  umfassende  Bewegung  des 
linken  Armes  würde  sogar  vielmehr  als  ein  Stützen  des  schwächeren 
Weibes  auf  die  Eraffc  des  etwas  höher  gewachsenen  Mannes  ver- 
standen werden  müssen.  Dies  würde  aber  der  naturgemässen  ehe* 
liehen  Beziehung  zwischen  dem  Götterpaar  entsprechen,  wie  wir  sie 
auf  dem  Eypseloskasten  im  Archaismus  und  auf  einigen  Darstellungen 
der  Nachblüthe,  nicht  aber  bis  dahin  in  der  zwiscl^n  beiden  Perio- 
den liegenden  Hauptblüthe  der  Kunst  nachzuweisen  vermochten.  — 
Diese  Kluft  füllt  die  Hypothese  0  verbecks  (PL  H*  326)  aus,  welche 
die  melische  Statue  zu  einer  Tempelgruppe  beider  Götter  in  ihrer 
heiligen  ehelichen  Verbindung  ergänzt,  zur  vollen  Wahrscheinlichkeit 
aber  dennoch  eine  Datirung  in  voralexandrische  Zeit  erheischen  würde. 
—  Mag  sich  nun  die  Entscheidung  neigen,  auf  welche  Seite  sie  will 
so  werden  wir  doch  von  unserem  gefundenen  Anfangstermin  des  dra- 
matischen Unterliegens  des  Ares  unter  die  Aphrodite,  der  Alexander- 
epoche  nicht  abzugehen  haben;  wir  formuliren  also  den  Unterschied 
zvdschen  der  früheren  und  der  späteren  Auffassung  des  Paares  so, 
dass  wir  jenes  als  echtes  Cultpaar  bezeichnen,  bei  dem  das  Weib 
sich  gebührend  der  Ueberlegenheit  des  Mannes  unterordnet;  dieses 
ein  epigrammatisches,  bei  dem  die  Umkehrung  der  natürlichen  Ver- 
hältnisse die  Grundlage  bildet:  der  Mann  bezwungen  vom  Weibe, 
der  stürmisch-gewaltthätige  Kriegsgott  von  der  zarten  Göttin  der 
Liebe;  die  Trophäe  des  Starken  in  der  Hand  der  Schwachen:  ein 
Oxymoron,  das  den  Stempel  seiner  jüngeren  Entstehung  an  der 
Stime  trägt. 

§  15.  Die  Philosophie,  Noch  ein  ganz  heterogener  Factor  hat 
ausser  der  bildenden  und  Dichtkunst  an  der  Umbildung  unseres 
Paares  Antheil  gehabt:  die  Philosophie,  welche  sich  nicht  mit  der 
Antithese  der  anthropomorphischen  Eigenschaften  der  beiden  Gott- 
heiten, Stärke  und  Schwäche,  begnügt,  sondern  direct  flCn  die  schon 
bei  Homer  mit  beiden  Namen  verbundenen  allegorischen  Begriffe 
von  Krieg  und  Liebe  anknüpft.  Durch  eine  leichte  Verschiebung 
wird  daraus  der  durch  ein  Bündniss  aufgehobene  Gegensatz  von 
Streit  und  Einigung.  Auf  diese  Principien  war  Herakleitos  ohne 
mythologisches  Gängelband  gekommen;  und  Empedokles  hatte 
dessen  ttöX€)lioc  und  qpiXia  als  veiKOC  und  qpiXia  in  sein  System  her- 
über genommen,  zugleich  aber  auch  zu  einer  mythologischen  Paral- 
lelisirung  den  ersten  Anstoss  dadurch  gegeben,  dass  er   für  den 


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Ares  und  Aphrodite.  675 

Ausdruck  qpiXia  auch  'AqppobiTTi  (und  'Ap^ovia)  gebrauchte.  Dasß 
er  fllr  vcTkoc  auch  "ApTic  gebraucht  habe,  lässt  sich  nicht  erweisen 
und  wird  ihm  nur  fälschlich  von  Eustathios  ad  Od.  VIII  (p.  1597. 
53)  und  dem  Autor  der  vita  Homeri  untergeschoben.  Denn  erst 
Herakleides  von  Pontos  verknüpft  offenbar  auf  eigne  Faust  die 
Empedoklischen  Principien  mit  dem  homerischen  Paar  (AUegoriae 
homer.  LXIX):  ^Tci  fäp  CikcXikci  böyiiaTa  kqI  Tf|V  'G^TTcWKXeiav 
TViö)Lir|v  foiK€V  "OiüiTipoc  ÄTTÖ  TouTiuv  ßeßaioöv,  "ApTiv  iLifev  övojidcac 
TÖ  veiKoc,  Tf|v  b*  'AqppobiTTiv  9iX{av  (sie),  toijtouc  oöv,  bi- 
ecTTiKÖTac  ^v  dpxQ,  TrapeicrjTaTev  *'OjLiTipoc  Ik  ttjc  TidXai  qpiXovei- 
K(ac  €k  jiiav  öjyiövoiav  Kipvajuevouc*  öGev  eöXoTOC  ti  (i|Li<potv  *Ap- 
luovia  T^T^VTiTai  toO  TTavrdc  dcaXeuTiuc  kqI  kot'  ^mn^Xeiav  dpjiiQ- 
cG^VTOc'  —  und  schafft  so  jene  Grundanschauung,  die  wir  noch 
bei  den  Siteren  Mythologen  unseres  Jahrhunderts  herrschend  fin- 
den. Also  in  die  frühe  Zeit  des  Empedokles  kann  diese  Auffassung 
unseres  Paares  nicht  zurückdatiren;  sie  musste  auch  gerade  dem 
Empedokles  femer  liegen  wegen  des  neutralen  Geschlechts  von  vcikgc. 
(Freilich  Engel  (Kypros  II  395)  sagt:  „Empedokles  stellte  der  91X10 
den  (sie)  veiKOC  gegenüber",  während  doch  von  einer  an  sich  auch 
unwahrscheinlichen  Personification  ^NcTkoc'  uns  keine  Kunde  er- 
halten ist.)  Den  gleichen  Gedanken  gibt  wieder  wenigstens  an- 
nähernd 

Plutarch  (Pelopidas  XIX).  Er  sagt  ^'OpeiüC  bfe  TTpöc  toOto 
[ol  6r|ßaToi]  Kai  rfjv  tl  "Apeujc  Kai  'AqppobiTnc  t^TOV^vai  Xeyo- 
|LidvT]V  0€Öv  [*Ap|ioviav]  Tq  iröXei  cuv4)K€iu)cav,  ibc,  Sttou  tö  |iaxr|- 
TiKÖv  Kai  TToXeiiiKdv  lidXicTa  tüj  ineT^xovri  TreiGoOc  Kai  x^PiTUiv 
bixiKex  Kai  cüvecTiv,  elc  Tf|V  iix^ekecc&Tr\v  Ka\  Koc|aiuüT<iTTiv  ttoXi- 
Tciav  bi*  *ApjLioviac  KaGicra^^vuJV  dirdviiüv'.  Wenn  also  hier  auch 
von  einem  Uebergewicht  der  Aphrodite  über  den  Ares  keine  Rede 
ist,  sondern  die  Gleicbberechtigung  beider  Elemente  als  Harmonie 
ausgegeben  wird,  so  ist  doch  deutlich  zu  erkennen  die  philosophische 
AufÜEissung,  die  eine  Anwendung  des  mythologischen  Paares  auf  die 
politischen  Verhältnisse  erhielt  —  zunächst  nur  in  Rom  und  dann 
eben  auch  durch  üebertragung  auf  Theben.  Es  wäre  natürlich  gleich 
spitzfindig,  aus  dieser  späten  Nachricht  für  Theben  eine  „kosmische*' 
Urania  mit  Bewaffnung  oder  eine  friedliche  Pandemos  schliessen  zu 
wollen.  In  der  Anwendung  des  mythischen  Paares  auf  die  Politik 
war  Plutarchs  Vorgänger 

Aristoteles  (Politikall  6,  6).  An  der  Stelle,  wo  er  die  spar- 
tanische Verfassung  bespricht,  tadelt  er  die  Theilnahme  der  Frauen  an 
der  Regierung,  die  er  Lykurgos  zur  Last  legt,  und  begründet  diesen 
behaupteten  Einfiuss  durch  den  Hinweis  auf  die  Herrschaft  der  lake- 
dämonischen Frauen  in  der  Familie.*)    Er  nennt  darum  die  Lake- 


*)  Kaixoi  t(  bia<p^p€i  T^vcüKac  dpxetv  f\  toOc  dpxovrac  imö  tiöv  t"- 
vaiKdrv  Äpx€c9ai;  TaÖTÖ  T^p  cufAßaivei. 

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676  K.  Tümpel: 

dämonier  ^T^vaiKOKpaTOU|Li€VOi'  und  erklärt  seine  Beobachtung  durcli 
einen  allgemein  giltigen  Satz,  dass  nämlich  gerade  die  streitliebend- 
sten  und  kriegstUchtigsten  (areYschen)  Völkerschaften  einer  aphro- 
disischen Pantoffelherrschaft  unterlägen.  Hierzu  folgt  nun  eine  my- 
thologische Parallele  von  Ares  und  Aphrodite;  dieser  hat  er  scbon 
den  Boden  bereitet,  wenn  er  den  Begriff  der  häuslichen  und  staat- 
lichen Weiberherrschaft  (*YWVaiKOKpaTOU|i€VOi*)  verschiebt  in  den 
verwandten,  jenen  erst  erklärenden,  des  Unterliegens  unter  die  sinn- 
liche Liebe  (^  KaTaKüaxi|iOC  irpöc  ö^iXiav'),  die  dann  unorganisch 
specificirt  wird  in  Weiber-  und  Knabe n(!)liebe  (nämlich  der  Kelten, 
die  er  schon  vorher  wegen  dieser  Yerirrung  von  den  frauenbe- 
herrschten Kriegsvölkem  ausgenommen  hatte).  Die  Stelle  lautet: 
^''eoiKe  fAp  6  jiuGoXoYi^cac  Trpurroc  ouk  dXÖTU)C  cvleviai   töv 

"ApTl    TTpÖC    Tf|V    'AqppoblTTlV*     f\    fOlp    ^^pÖC    Tf|V    TÖV    dpp€ViUV 

öjiiXiav,  f\  Trpöc  xfjv  tujv  tv^vaiKiöv  qpaivovrai  KaxaKijüxiMoi  iravtec 

oi  TOIOÖTOI  [sc.  TÄ  CTpaTlWTlKCl  T^Vr|].     AlÖ  TTapd  TOiC  AdKUiCt  TOUT* 

ÖTTTipxc'  ktX.  Die  Art,  wie  dieses  Beispiel  von  Aristoteles  angeführt 
wird  (Ares  erscheint  auch  als  an  die  Aphrodite  gefesselt,  nicht 
umgekehrt),  lässt  erkennen,  was  auch  aus  den  AdKU)V€C  T^vaiKOKpa- 
T0ujLt€V0i  folgte,  dass  Aristoteles,  der  Hauptvertreter  der  Wissen- 
schaft in  der  Alexanderepoche,  schon  von  dem  Unterliegen  des  Ares 
unter  die  sieghafte  Aphrodite  überzeugt  war.  Eine  Verlegung  des 
Mythos  nach  Sparta  lag,  wenn  er  vielleicht  auch  gerade  an  die  dor- 
tige Urania  gedacht  haben  mochte,  doch  nicht  in  seiner  Absicht^ 
so  dass  an  eine  örtliche  Vereinigung  der,  so  viel  uns  bekannt,  ge- 
trennten Culte  des  Enjalios  oder  des  Thereitas  und  der  Urania 
Kythereia  zu  Sparta  nicht  gedacht  werden  darf.  Durch  jenen  datirten 
Originalgedanken  hat  sich  unsere  obige  Zeitansetzung  wieder  be- 
stätigt. 

Von  weitestgreifender  Bedeutung  aber  wurde  diese  politisch* 
philosophische  Idee,  die  man  in  dem  Paar  Ares  und  Aphrodite  ver- 
körpert fand,  für  Born,  wo  Ares  in  Mars  und  die  hellenistische  Herr- 
scherin Aphrodite  in  der  aeneadisch-julischen  Venus  Victrix  auf- 
ging. Schon  vorher  waren  zwei  griechische  Meisterwerke,  der  Ares 
und  die  Aphrodite  des  Skopas  im  Marstempel  des  Brutus  Oallaecus 
zusammengestellt  worden  (Overbeck,  Plastik  TP  288).  Später  erhielt 
die  Paarung  der  Beiden  durch  das  Hervortreten  des  julischen  Ge- 
schlechts noch  ein  kräftigeres  Belief  in  dem  Venus-Sprössling  Caesar 
als  Vertreter  der  Mavortia  proles,  des  römischen  Volks.  Aber  noch 
weit  früher  hatte  unser  Paar  eine  staatliche  Sanktion  erfahren:  durch 
das  Lectisternium  der  Zwölfgötter  und  die  Einführung  der 
Venus  Erycina  in  Rom  nach  dem  trasimenischen  Unglück  217  a.  Ch. 
Wir  können  uns  im  Wesentlichen  an  die  Ansicht  von  Klausen 
(Aeneas  und  die  Penaten  282  [und  746])  anschliessen:  „Im  Lecti- 
sternium wird  Mars  mit  Venus  verbunden,  offenbar  in  dem  Sinne, 
wie  Lucrez  (I  31 — 40)  sie  sohüdert,"  (der  bei  diesem  Ereigniss 


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Ares  and  Aphrodite.  677 

22  Jahre  zählte),  „wenn  sie  den  Gott  in  ihren  Umarmungen  einkost, 
um  den  Römern  Frieden  auszuwirken.*)  Denn  die  Xviri  leiteten 
nach  Einsicht  der  (Sibyllinischen)  Bücher  das  Unglück  von  einem 
unrichtig  vollzogenen  Gelübde  her,  welches  Mars  für  diesen  Krieg  ge- 
leistet worden  war  (Livius  XXII 9.  Gegen  seinen  Zorn  bedurfte  es  also 
der  Vermittlung,  und  diese  ward  in  der  Venus  gewährt."  Von  einem 
wirklichen  Uebergewicht  der  Venus  über  Mars  im  Sinne  der  helle- 
nistischen Kunst  und  Dichtung  kann  freilich  hierbei  keine  Bede  sein ; 
doch  ist  eine  Beeinflussung  durch  Venus  sichtbar  und  wird  später 
verstärkt  durch  die  Gewalt,  welche  die  Caesaren- Venus  über  die 
römischen  Marskinder  ausübte.**)  Wir  glauben  den  principiellen 
Gegensatz  zwischen  dem  vol^Jexandrischen  und  dem  späteren  Paar 
scharf  genug  fixirt  zu  haben,  um  eine  Verwechselung  und  Verquickung 
als  unberechtigt  zurückweisen  zu  können:  correcturbedürftig  erscheint 
vor  Allem  die  Ansicht  Welckers,  welcher  wie  Herakleides  und  Plu- 
tarch  auch  thaten,  ganz  späte  Verhältnisse  in  eine  sehr  frühe  Zeit 
fälschlich  hinüberträgt.  Zugleich  erledigt  sich,  nachdem  wir  das 
ganze  Gebiet  unserer  lückenhaften  und  zerstreuten  Ueberlieferung 
durchmessen  haben,  die  Frage  nach  der  Bewafi&iung  der  thebischen 
Aresgattin.  Wir  können  als  bestimmt  hinstellen,  dass  eine  solche 
zu  den  Unmöglichkeiten  gehört  Irrthümlich  sind  also  Ansichten, 
wie  die  von  Engel  (Kjpros  11  211)  ausgesprochene,  dass  „man  für 
die  Bewaldung  der  spartanischen  Aphrodite  sonst  keinen  genügen- 
den Grund  ausfindig  machen  könne,  wenn  man  sie  nicht  auf  ihre 
pelasgisch-kabirische  Verbindung  mit  Ares  zurückführe"  (nämlich  die 
thebische  meint  er,  wo  er  sich  die  Aphrodite  als  waffentragend  vorstellt). 
Bewafhung  nehmen  für  diese  noch  an  Gerhard  (Gr.  Myth.  §  360)* 
Text)  und  Bernoulli  (Aphrodite  p.  424);  den  sonderbarsten  Irrthum 
macht  Duncker  in  der  ersten  (bis  jetzt  einzigen)  Auflage  seiner 
Geschichte  der  Hellenen  (III.  Band  der  Geschichte  des  Alterthums, 
1856).  Er  beruft  sich  auf  eine  ganz  unfindbare  Pausaniasstelle  und 
sagt  (p.  305  und  106):  „Pausanias  braucht  [von  der  kytherischen 
Aphrodite]  denselben  Namen  [Urania],  setzt  aber  hinzu,  dass  sie 
in  Kythera,  wie  auf  der  Kadmea  zu  Theben  mit  der  Lanze  in 


*)     'Nam  tu  sola  potes  tranquilla  pace  iuvare 
mortaJeis,  qnoniam  belli  fera  moenera  Mavors 
armipotens  regit,  in  greminm  qui  aaepe  tuum  se 
reiicit  aeterno  devictus  volnere  amoris'. 

Cf.  Hinck,  A.  d.  I.  1866,  p.  101  ff. 
**)  Die  jolische  Venus  victrix  des  Caesar  auf  Siibermüxizen  des 
Augustus  (Müller- Wieseler,  D.  d.  a.  K.  11  272)  blickt  auf  den  Helm  in 
der  Hand,  wie  die  analoge  der  Gemmen  (ebenda  272^  272^),  wie  die  vor 
dem  argiviBchen  Aphroditetempel  stehende  Telesilla,  wahrscheinlich  nur 
eine  umgetaufte  Statue  dieser  Göttin,  und  die  nackte  Schildträgerin  auf 
der  späten  Vase  Elite  Cäramogr.  IV,  pl.  XXXI.  Das  Schema  ist  von 
Bernoulli  nicht  berücksichtigt. 


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678  K.  Tümpel: 

der  Hand  dargestellt  sei  als  kriegerische  Aphrodite,  d.  h.  als  AJBtarte 
der  Phönicier".  Aber  auch  der  Preller -Schwärt  z'schen  ErkläroBg 
der  Bedeutung  unseres  Paares,  welche  sich  auf  die  Bewaffnung  beider 
Gött-er  stützt,  ist  somit  der  Boden  entzogen,  so  dass  wir  künftig  bei 
Aufstellung  einer  neuen  Ansicht  uns  wirklich  nur  mit  der  H.  D. 
Müller,  Lehrs,  Welcker  gemeinsamen  Annahme  einer  rein  poetischen 
Fiction  auseinanderzusetzen  haben  werden. 

§  16.  Aphrodite  Kypris  imd  Urania  Kyßereia.  Wir  sehen  uns 
jetzt  auf  den  Punkt  hingedrängt,  wo  es  sich  nicht  mehr  fragt,  ob 
ein  so  äusserlicher  umstand  wie  die  Bewaffnung  der  Aphrodite  die 
Veranlassung  hergegeben  habe  zu  der  Paarung  mit  Ares,  sondern 
ob  überhaupt  die  Verbindung  selbst  oinen  oiientalischen  Ursprung 
hat.  Dabei  ist  es  zuerst  nothwendig,  dass  wir  uns  die  Einfühnmgswege 
der  Semitin  vergegenwärtigen:  über  Kypros  und  Kythera.  Wir 
werden  sehen,  dass  die  Göttinnen  dieser  beiden  Inseln  zu  principiell 
verschieden  sind,  als  dass  sie  im  Ernst  als  gleichbedeutend  confun- 
dirt  werden  dürften;  da  dies  aber  der  Dichter  des  Demodokosgesangs 
zu  thun  sich  nicht  scheut,  so  werden  wir  nut  vollem  Becht  seine 
nichtgriechische  Nationalisirung  der  Aphrodite  in  ihrer  Verbindung 
mit  Ares  als  für  uns  irrelevant  bezeichnen  müssen.  Er  nennt  sie  Kj- 
thereia  (8  288)  und  lässt  sie  v.  361 — 362  nach  Kypros  gehen.  Die 
Unterscheidung  beider  Culte,  welche  bei  weitem  nicht  nach  Gebühr 
gewürdigt  und  ausgebeutet  ist,  verdanken  wir  Stark,  Gaza  und  die 
Philistäische  Küste,  1852.  Er  hat  (p.  290)  zuerst  Gewicht  auf  die 
Tradition  des  Herodot  (I  165)  und  Pausanias  (I  14,  6)  gelegt, 
welche  beide  trotz  eines  für  uns  gleichgiltigen  Widerspruchs  über 
die  Priorität  des  assyrischen  (Baaltis-)  und  des  phönikischen  (aska- 
lonischen)  Astartedienstes  übereinstimmend  betonen,  dass  die  Ky- 
theräer  den  Uraniacult  dixect  aus  Askalon  von  den  Phönikem 
übernommen  haben  und  nicht  über  Kypros.*)  Die  Kythereia  geht 
direct  auf  Askalon  zurück,  während  „in  der  Kypris  das  Zusammen- 
treffen des  syrischen,  zunächst  aus  Byblos  kommenden  Baaltiscultes 
mit  dem  der  kriegerischen,  strengen  Urania  ausgesprochen  ist*^ 
Daher  „erlaubt  der  Dienst  der  paphischen  Aphrodite  keinen  Bück- 
schluss  auf  den  der  Urania  zu  Askalon"  (313)  oder  den  der  Kythereia. 
Ebensowenig  darf  man  natürlich  umgekehrt  von  der  Urania  ohne 
Weiteres  auf  eine  Bewaffiiung  auch  der  Kypris  schliessen,  wenngleich 
diese  bei  einer  Mischgöttin  in  dem  einen  oder  dem  andern  Oult  nicht 


*)  Herodot:  '^cri  bk  toOto  tö  [ttic  oöpav(r)c  'Acppobirric  iv  *AcKd- 
huvx]  Ipöv  TidvTiuv  dpxaiÖTaTov  Ipaiv,  öca  toOttic  Tfjc  0€oO.  Kai  t^P  tö 
^v  KOirpiü  Ipöv  ^v6€ÖT€v  ^y^v€TO  ilbc  aÖTol  X^touciv  Kuirpioi,  Kai  tö  iv 
KuOfipoici  <t>o{yiK^c  clciv  ol  (öpucd)ji€voi  ^k  TaOTrjc  tt^c  Cupi^c  ^öv- 
T6c'.  —  Pausanias:  'TTpiOroic  bk  dvOpiinnjjv  *Accup(oic  KaT^crn  c^߀c0at 
Tf|v  OöpavCav,  yi€iä  ö^  *Accup(ouc  KuirpCujv  TTa<p(oic  Kai  <t>oiv(Kiuv  toU 
*AcKdXiüva  ^xowciv  ^v  xq  TTaXaiCTivi^-  irapct  bi  <t)oiv(Kiuy  Ku6f|pioi 
Ha6dvT€C  cißouciv'. 


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Ares  und  Aphrodite.  679 

aasgeschlossen  ist.  Die  Glosse  des  Hesjchios  ^''EtX^ioc'  'AqppobiTr)' 
Kutrpioi'  steht  gleichwohl  vereinzelt,  da  der  zweifelhafte  Fall  der 
Boss*8chen  Inschrift  nichts  beweist  and  Aldenhoven  (A.  d.  J.  1869, 
p.  109)  der  paphischen  Aphrodite  ohne  Grand  ein  bewaffnetes  Idol 
vindicirt.  Ein  nothwendiges  Ingredienz  der  kyprischen  Göttin  ist 
die  Bewafihong,  wie  aas  vielen  Nachrichten  hervorgeht,  jedenfalls 
nicht.  Schliesst  sie  sich  somit  enger  an  die  assyrische  als  an  die 
phUistSische  Göttin  an,  so  ist  es  von  Wichtigkeit,  die  Stark'sche 
ünterscheidang  beider  Dienste  zu  hören.  „Die  Urania  scheidet  sich 
scharf  von  der  Aschera,  Baaltis  oder  der  babylonischen  Mylitta,  die 
znm  Theil  von  einer  anderen  Nataraaffassang  von  der  empfangenden, 
gebärenden  Erde  oder  dem  feuchten  Element  ausgegangen, . . .  einen 
so  sittenlosen  und  entsittlichenden  Colt  so  frühzeitig  erhielten'^ 
(312  ff.).  —  Dagegen  „widerspiicht  der  ganze  Charakter  der  von 
Askalon  direct  nach  Eythera  and  Lakonika  gebrachten  bewaffneten 
Aphrodite  Urania  durchaus  einem  entsittlichenden,  verweichlichen- 
den Gült,  obgleich  auch  hier  diese  Urania,  ebenfalls  zu  Askalon,  nicht 
als  Jungfrau,  sondern  als  herrschendes  Weib  erscheint^'  (313).  „Sie 
tritt  bald  ganz  jungfräulich  auf,  wie  zu  Sidou,  oder  als  der  Liebe 
unterworfen  und  Liebe  gebend,  wie  zu  Askalon,  aber  auch  hier 
nicht  in  weichlicher,  ausschweifender  Weise,  sondern  als  mächtige 
bezwingende  Leidenschaft^^  (259).  Denn  „sie  hatte  in  Philistäa, 
wahrscheinlich  durch  den  philistäischen  Stamm  selbst,  eine  eigen- 
thümliche  Ausbildung  erhalten,  nämlich  jene  Vereinigung  des  Astra- 
len mit  einer  heroischen  kriegerischen,  aber  nicht  jungfräulichen 
Weiblichkeit*^  (265).  Wir  haben  somit  die  Erklärung  zu  jenem 
merkwürdigen  Umschwung  in  den  Händen,  der  sich  vor  unseren 
Augen  im  alexandrischen  Zeitalter  vollzog  und  können  den  Unter- 
schied zwischen  dem  alten  und  neuen  Paar  auf  die  Verschiedenheit 
der  betheiligten  Aphroditen  zurückfahren.*)  Die  Veranlassung  aber 
liegt  in  dem  Hereintreten  der  kytherischeu  Urania  in  ein  Verhält- 
nies,  das  von  Natur  nur  einer  über  Eypros  überlieferten  Göttin  zu- 
kam, einerlei,  ob  dieser  selbst  wieder  die  Verbindung  angeboren  war 
oder  nur  übertragen.    Die  Herrschematur  und  das  etwas  spröde, 


*)  Bestechend  sagt  in  den  Sitsungsber.  d.  s&chs.  G.  d.  W.  (Ph.-H. 
Gl.  p.  19)  Stark  und  mit  ihm  C.  Dilthey  (Rhein.  Jahrb.  1872.  Nr.  68, 
54;  p.  42  f.)  dasB  die  „bewölkte  Physiognomie  und  das  melancholische 
Wesen  des  Ares  aus  dem  Grund  seiner  mythologischen  Naturbedeutung 
hervorgeht  und  erst  in  jüngerer  Vorstellung  und  Kunst  auf  das  Liebes- 
schmähten  des  Gottes  und  die  Wechselfälle  seines  Verkehrs  mit  Aphro- 
dite bezogen  wird*';  weim  wir  uns  auch  nicht  seine  AufßMsun^  des  Ares 
als  eines  Gewittergottes  ku  eigen  machen  können.  Freilich  die  buschi- 
gen Wimpern  des  Ares  der  Sosiasschale  (cf.  die  Mittheilungen  Prof. 
Roberts  im  ExcursI),  die  einen  düsteren  Gesichtsausdruck  hervorbringen 
zu  wollen  seheinen,  würden  dieses  jüngere  Eonstideal  einigermassen  an 
den  unwirschen,  widerspänstig  unzufriedenen  Charakter  dieses  Gottes  in 
der  älteren  Poesie  anknüpfen.    Doch  fehlt  nur  leider  mit  dem  Ares  des 


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680  K.  Tümpel: 

stolze  Wesen  der  Eythereia  erkläii  die  tiefere  Stellung,  die  Ares 
einnehmen  muss  als  der  Unterliegende.  Unter  dem  erotisclien  Ge- 
sichtspunkt des  Hellenismus  wird  die  Niederlage  eine  moralische, 
und  die  Energie  das  von  dem  stolzen  Weihe  Geknechtete,  so  dass 
wir  das  Schauspiel  erleben:  Ares  wird  wie  Herakles  zu  einem 
schmachtenden  Liebhaber  zu  den  Füssen  seiner  Omphale  Aphrodite, 
die  einen  Adonis  aus  ihm  machen  will. 

Wir  hatten  bei  unserer  Hypothese  vorausgesetzt  ein  langes 
separates  Fortleben  der  Urania,  getrennt  von  der  Eypns-Dionaia, 
und  dieses  ist  auch  unschwer  nachzuweisen.  Denn  wenn  auch  früher 
schon  in  einem  dunklen  Bewusststein  von  der  ursprünglich  beid^i 
Göttinnen  gemeinsamen  semitischen  Abstammung  Urania  mit  unter 
dem  Namen  Aphrodite  begriffen  wurde,  so  geschah  dies  doch  nur 
in  einer  oberflächlichen  Weise  und  ohne  dass  man  sogleich  auch  die 
Liebesverbindung  mit  Ares  organisch  auf  die  Urania  übertragen 
hätte.  Nur  die  Namen  gebrauchte  man  wechselnd  und  als  gleich- 
bedeutend, was  gerade  die  Unkenntniss  der  charakteristischen  Ab- 
weichungen im  Wesen  der  Ejthereia  beweist.  Den  Anfang  machte 
hiermit  Hesiod,  der  auf  Grund  der  Namen  und  der  angeblichen 
Wassergeburt  der  Ejthereia  eine  Verknüpfung  versuchte.  Dem  Homer 
war  die  Ejthereia  mit  Ausnahme  des  späteren  Demodokosgesanges 
imbekannt,  denn  den  Ausdruck  ^KuGrjpoic  2;a9^oici'  (0  432)  kann 
man  nicht  rechnen.*)  Der  Name  ^Oupavia'  kommt  überhaupt  nicht 
vor.  Dagegen  hat  Homer  ausser  dem  geographischen  Beiwort  Kypris 
(Paphos  kommt  ebenfalls  nur  in  dem  Demodokosgesang  vor)  die 
Benennung  'AcppobiTii,  ein  Wort,  dessen  semitischen  Ursprung  schon 
Völcker  (Rhein.  Mus.  1833,  Ausländische  Götterculte  bei  Homer), 
Scheiffele  (Pauly  R-E.  Venus)  und  Schwenck  (Myth.  IV  211, 
1846)  vertheidigt  haben  unter  ZurückfÜhrung  auf  die  Wurzel  TH^ 
mit  der  Bedeutung  der  Fruchtbarkeit,**)  und  mit  Becht  Denn  der 
Einwand  der  Gegner,  dass  ein  solcher  Name  in  semitischen  Beli- 
gionen  sich  nicht  nachweisen  lasse,  wird  erledigt  durch  die  Bemer- 
kung, dass  eben  eine  Eypris  in  ihrer  eigenthümlichen  Mischfoim 
Baaltis- Astarte  auf  dem  asiatischen  Continent  gar  nicht  voranszu- 


Skopas  eine  ganxe  wichtige  vermittelnde  Zwischenperiode.  Eine  inter- 
essante Parallele  sa  dieser  typischen  Stimmung,  ndls  die  gewünschte 
Continuitftt  der  Entwicklung  iMifrecht  erhalten  wird,  ist  die  Umwand- 
lung, welche  das  ursprünglich  ebenfaUs  mythische  Symbol  der  Fesselung 
nach  der  erotischen  Seite  beim  Area  Borgheae  er&hren  eu  haben  scheint 
*)  Schon  Geppert  (Ueber  den  Ursprung  der  homerischen  Gesänge 
I  184)  8^,  in  der  Ilias  sei  Eypros  das  Land  der  Aphrodite,  in  der 
Odyssee  nythera  (freilich  etwas  angenan). 

**)  Sowie  Roth  (Geschichte  der  Philosophie  I  258,  Kote)  und  Prel- 
ler (Gr.  Myth.  P  263)  unter  Berufang  Bxd  das  assyrische  Tjm^  (phdni- 
kisch  mit  Artikel  n'i^'^^9)  „die  Taube**,  was  vielleicht  vorsuuehen  wäre, 
wenn  nicht  eine  Einführung  der  lahmen  weissen  Taube  der  Semiramis  in 
den  vorderasiatischen  Cultä  der  Natorgütiin  vor  600  a.  Chr.  selbst  no- 
wahncheinlich  wäre  (Hehn,  Cultuipfl.'  296  f.). 


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Ares  und  Aphrodite.  681 

setzen  ist  Wenn  aber  die  verschiedenen  semitischen  Volkselemente, 
die  auf  Ejpros  zusammentreffen,  sich  über  einen  gemeinsamen  Na- 
men ihrer  höchsten  Göttin  einigen  wollten,  so  liegt  es  nahe,  dass 
hierbei  ein  neuer  Name  ohne  specielle  Beminiscenzen  an  das  Mutter- 
land den  Vorzug  erhielt.  Dieser  lebte  aber  natürlich  lediglich  in  der 
griechischen  volksetymologisch  zugestutzten  Form  fort,  da  das  grie- 
chische Element  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  die  vorhandenen 
phönikischen  völlig  absorbirte,  worüber  zusammenfassend  Engel 
(Kypros  11  6).  Dass  aber  die  **Aq)po-biTii'  als  „Schaumgeborne" 
nur  einer  Volksetymologie  ihren  Ursprung  verdankt,  geht  aus  dem 
unverhohlen  tendenziösen  Explicativ-Mythos  Hesiods  hervor,  der  die 
griechisch-kyprische  Aphrodite  mit  der  Urania  von  Ejthera  in  Ein- 
klang zu  bringen  sucht.  Die  äq)po-T^V€ta  passt  zu  der  wasser- 
geborenen (weil  astralen)  Urania;  und  in  letzterem,  wohl  alten  Bei- 
namen liegt  eine  Handhabe  zur  genealogischen  Anknüpfung  des  ge- 
wonnenen Doppelwesens  Eypris-Eythereia  an  das  ältere  Geschlecht 
der  griechischen  Götterwelt.  Dass  Hesiod  dadurch  mit  der  homeri- 
schen Genealogie  von  Zeus-Dione  in  Widerspruch  geräth,  hat  nichts 
Auffälliges,  wenn  wir  an  die  Athene  denken,  die  zugleich  Tritogeneia 
und  Hauptentsprossene  ist.  Der  Hesiodische  Versuch  konnte  nicht 
hindern^  dass  durch  die  Zähigkeit  der  Culte  die  Trennung  der  Urania 
und  der  Ejpris  (Pandemos)  bestehen  blieb,  trotz  des  ganz  homeri- 
schen Charakters,  den  er  der  Urania  au&uprSgen  versucht  hatte. 
Nur  auf  das  ethische  Gebiet  übertrug  man,  wie  wir  sehen  werden^ 
den  einmal  vorhandenen  Gegensatz  als  „himmlische  und  irdische 
Liebe^';  im  Uebrigen  aber  dachte  man  sich  Beide  doch  als  gleich- 
artige Wesen,  wie  z.  B.  die  ^eÜKapiroc  Ku6dp€ta'  des  Sophokles 
(frg.  879  Dindorf)  zeigt  Es  wird  wohl  kaum  nöthig  sein,  ausdrück- 
lich hervorzuheben,  dass  Welcker  ganz  vom- Wege  irrt,  wenn  er 
(Götterl.  I  667)  „die  Hesiodische  Erklärung  des  Namens  Eythereia 
falsch  nennt,  weil  Sappho  und  Pindar,  Selon  und  Theognis  die 
Göttin  Ejprogeneia  nennen'^  Dieser  Umstand  beweist  höchstens, 
dass  Dichter  und  Eünstler  des  Hellenismus  wirklich  eine  Lücke  aus- 
ftlllten,  wenn  sie  auf  dem  von  Hesiod  eingeschlagenen  Wege  fort- 
fuhren und  die  Urania,  diesmal  mit  ausdrücklicher  Berücksichtigung 
ihres  Wesens,  dem  griechischen  Vorstellungskreise  näher  zu  bringen 
versuchten^  ausgehend  von  der  Bewaffnung  einerseits  und  der  Ehe 
mit  Ares  andererseits.  Ganz  verkehrt  sind  selbstverständlich  die 
Versuche  der  AJten,  KuWpeia  von  kuticic  (Engel,  Eypros  II  29)®) 
oder  von  KeuGo^ai  abzuleiten  (at^  0.  11  40),  und  erst  recht  die 
Etymologie  Leo  Mejers,  der  in  den  „Bemerkungen  zur  ältesten 
Geschichte  der  griechischen  Mythologie*'  (p.  37)  den  Namen  aus 
dem  Sanskrit  als  ein  Epitheton  der  Aphrodite  „cde  Leuchtende"  ab- 
leitet (!). 

Aus  dieser  Betrachtung  ergibt  sich  mit  Noth wendigkeit,  dass 
ein  Dichter^    der  so  unbedenklich    die  kyprische  und  kytherische 

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682  £.  Tümpel: 

Göttb  zusammenwirft,  wie  der  mythische  Demodokos  [and  Hesiod 
(Theog.  934)],  sich  auch  nicht  gescheut  haben  wird,  einen  griechi- 
schen Mythos  von  der  Semitin  zu  erzSlden.*)  Es  handelt  sich  jetzt 
nur  darum,  ob  aus  einer  Paarung  der  letzteren  ndt  einem  pböni- 
kischen  Gott  etwa  die  Ehe  Ares  und  Aphrodite  entsttmden  sein  kann. 
§  17.  Baal  und  Area.  Sollte  dies  nachzuweisen  nicht  möglich 
sein,  so  wird  ohne  Widerrede  auf  griechischem  Boden  die  Wurzel 
gesucht  werden  müssen.  Und  dann  erst,  wenn  auch  diepe  Hoffiiung 
fehlschlagen  sollte,  wären  wir  berechtigt  mit  Lehrs,  Welcker  und 
H.  D.  Müller  die  Dichtkunst  als  Stifterin  dieses  Liebesbundes  fttr 
überführt  zu  halten.  Auf  dem  Einßihrungsweg  über  Eythera,  der 
eigentlich  nach  unseren  obigen  chronologischen  Anseizungen  für  das 
alte  echte  Paar  gar  nicht  in  Betracht  kommen  kann,  fehlt  natürlich 
ein  männlicher  Gott  neben  der  phönikisohen  Göttin;  was  nicht  Wun- 
der nehmen  kann,  seitdem  wir  wissen,  dass  die  phönikisohen  Götter- 
dienste einzeln,  meist  mit  Bezug  auf  die  zugehörigen  Metalle  über 
den  Occident  verbreitet  wurden  (Brandis,  VII  Thore  Thebens;  Her- 
mes n  273).  Ein  Heros  Kytheros,  Sohn  des  Phoinix  (Steph.  Byz. 
8.  Y.  Ki;6^p€ia)  ist  das  einzige  göttliche  männliche  Wesen,  das  auf 
der  Insel  erwähnt  wird.  Was  dagegen  Eypros  betrifiFt,  so  läset  sich 
erwarten,  dass  Aphrodite  von  ihrer  Abstammung  aus  Byblos  her 
mit  Baal  verbunden  gewesen  sei,  als  Baaltis.  Aber  Engel  (Kypros 
II  67),  der  hierin  gewiss  competente  Kenner  kyprischer  Culte,  sagt: 
„üeber  das  Vorhandensein  des  männlichen  Gottes  der  Phöniker,  des 
Baal,  Gemahls  der  Astarte  auf  Eypros,  gibt  es  zwar  nur  wenige 
Anzeichen,  doch  kann  er  nicht  gefehlt  haben^^  Ersterer  Satz  ist  für 
uns  wichtiger,  als  der  zweite.  Diese  „wenigen  Zeichen^*  aber  an- 
langend, so  bdehrt  uns  über  deren  Natur  die  folgende  Stelle:  ,J)m 
scheint  wenigstens  sicher  zu  sein,  dass  unter  phönikischen  Eypriem 
Baal  unter  dem  Namen  Adonis  bekannt  gewesen  ist,  welchen  die 
Griechen  aufiiahmen  und  für  ihren  griechischen  Mythos  des  Adonis 
benutzten.  Das  ist  aber  auch  fast  Alles,  was  sich  mit  einiger  Sicher- 
heit über  den  Baal  vorbringen  lässt".  Es  müsste  idso  aus  Aden 
Ares  geworden  sein:  eine  sehr  bedenkliche  Annahme,  die  auf  ihre 
Haltbarkeit  geprüft  werden  muss.  Späte  Schriftsteller,  wie  Proklos 
(paraph.  'elc  Tf|v  toö  TTToXe^atou  TeTpdßißXov'  [1664]  B,  HI  p.  98), 
vermengen  zwar,  wie  es  scheint  auf  Grund  nordkleinasiattscher 
Beligionsvorstellungen,   beide   Götier:   ^c^ßouci  jüi^v    [ol  BiOuvioi] 

Tfiv  'A<ppobiTT|V Kai  TÖv  TOÖ  "Apcwc  [sc.  dcrfipa  tiXavi^Tr^v] 

KaXoOvT€C  auTÖv  ''Abu*viv\   Aber  sonst  waren  sie  im  ganzen  Alter- 


*)  Die  eigenthümliche  Stellung,  welche  überhaupt  der  Demodokos- 
geaang  durch  seine  Eenntnisa  der  nythereia  dem  übrigen  Homer  gegen- 
über einnimmt^  und  die  ihn  eher  an  Hesiod  annähert,  bestätigt  von 
Neuem  die  seit  Nitzsch  allgemeiae  Annahme,  dass  er  zu  den  jüngsten 
und  inierpolirten  Theilen  der  Odyssee  geirrt.  —  Man  bemerke  auch  die 
merkwürdige  runde  Zahl  von  100  Yersen,  aus  denen  der  Gesang  bestehtl 


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Ares  und  Aphrodite.  683 

thum  bekaxmtlich  grundverschieden.  Die  einzige  Möglichkeit,  sie  an- 
einander anzuknüpfen,  wäre,  dasB  man  annähme,  ihre  WefiensTer- 
schiedenheit  sei  nur  die  Folge  einer  zeitlichen  Differenz  zwischen  der 
Einführung  des  kjprischen  Baal  als  Axes  (neben  Aphrodite)  und  als 
Adonis.  Denn  der  letztere  hat  erst  gegen  das  Jahr  600  y.  Chr.  in 
Griechenland  Eingang  gefunden  (Maurj,  hist.  des  religions  de  la 
Gr^ce  ni  220,  1859).  Aber  wir  haben  zum  Glück  ein  mit  Ares 
gleichzeitiges  Beispiel  von  der  ethnographischen  Treue,  mit  der 
Homer  seine  nichtgriechischen  Göttergestalten  zeichnet,  in  PariS; 
dem  adonisartigen  Aphroditeliebling,  der  eigentlich  nur  eine  Art  von 
kleinasiatiscHem  Attys  ist.  Wir  werden  also  Härtung  unsere  Zu- 
stimmung versagen  müssen,  wenn  er  (Beiigion  u.  Myth.  der  Griechen 
ni  102)  sagt:  ;,Ares,  dieser  Schlächter  und  Mörder ;  scheint  wenig 
mit  dem  Zärtling  Adonis  gemein  zu  haben,  und  dennoch  ist  er  mit 
ihm  eins :  denn  auch  Adonis  ist  ein  Jäger  und  Erieger^^  Der  augen- 
scheinlichste Beweis  gegen  die  Berechtigung  zu  einer  solchen  Yer- 
quickung  ist  die  Rolle,  die  Ares  auf  Kypros  gewiss  schon  ziemlich 
früh,  als  Bivale  des  Adonis  um  die  Gunst  der  Aphrodite  spielt. 
Hierin  mag  zum  Theil  ein  Cultgegensatz  ausgedrückt  sein  zwischen 
einem  griechischen  Cult  der  mit  Ares  verbundenen  Aphrodite  und 
dem  kjprischen  Adonis -Aphroditedienste.  Bei  der  Collision  über- 
nahm Ares  die  Bolle  des  den  buhlerischen  Adonis  tödtenden  Ehe- 
manns. Seine  Ebergestalt  (Preller,  Gr.  M.  I*  272  f.)  hängt  offenbar 
mit  den  ganz  unsemitischen  Schweineopfem  zusammen,  welche  gerade 
am  Todestag  des  Adonis  (2.  April)  zur  Sühne  geleistet  wurden 
(Engel,  Ejpros  11  156),  und  findet  ihre  Erklärung  in  der  Ansiede- 
lung argivischer  Chronisten.  „Der  Ursprung  der  Sauopfer  der  Aphro- 
dite muss  Argos  gewesen  sein,  denn  überall,  wo  sich  solche  befinden, 
sind  argivische  Colonien  vorhanden"  (ebenda,  p.  157).  Das  Aphro- 
ditefest der  „Hysterien"  (von  {}c)  erwähnt  Zenodot  bei  Athenaios 
(m  96)  in  demselben  ArgoS;  wo  wir  auch  das  polyneikische  Heilig- 
thum  der  mit  Ares  verbundenen  Göttin  hatten. 

So  bliebe  nur  noch  die  eine  Möglichkeit,  dass  unser  Paar  nicht 
über  Ejpros,  sondern  direct  eingeführt  sei;  und  von  Melkarth  und 
und  Astarte  stammt;  aber  Melkarth  ist  im  thebischen  Herakles  er- 
halten, so  dass  er  nicht  im  Ares  stecken  kann^  und  Astarte  ist,  wenn 
nicht  Alles  trügt,  in  die  ogjgische  Athene  übergegangen,  worauf 
wir  zurückkommen  werden«*)  Die  Vermittlung  Thrakiens  aber,  die 
Schwenck  (Mjth.  IV  217)  in  Vorschlag  brachte,  ist  zurückzuweisen, 


*)  Brandis  a.  a.  0.,  Hermes  II  280.  Es  erklärt  sich  hieraus  die  auf- 
fallende Intimiiät  von  Herakles  und  Athen»  auf  Kunstwerken.  Welcker 
(Alte  Denkmäler  III  38  ff.)  nennt  die  „nicht  immer  ehelichen  Beziehun- 
gen des  einen  Gottes  zum  andern",  wie  sie  in  der  [albanischen]  Pallas 
mit  der  Löwenhaut  [des  Herakles],  der  Aphrodite  Areia  u.  a.  aus- 
gedrückt sind,  ein  „noch  nicht  geschriebenes  Capitel  der  griechischen 
MJthologie*^ 


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684  K.  Tümpel: 

80  lange  nicht  erwiesen  wird;  dass  die  thrakisclie  Bendis  in  Theben 
verehrt  und  mit  Aphrodite  verschmolzen  worden  ist  Das  ist  mundg- 
lich,  und  die  Abenteuerlichkeit  der  Hjrpothese  ISsst  die  ganze  Me- 
thode semitischer  Ableitung  für  unser  Paar  in  möglichst  sehlechtem 
Licht  erscheinen.  Schliesslich  wird  der  Gedanke  an  eine  EinftOuning 
auf  dem  von  Welcker  (Kret  CoL  in  Theben)  hervorgehobenen  Ver- 
bindungsweg über  Kreta  ausgeschlossen  durch  die  Thatsache,  dass 
der  dortige  Gott  den  Griechen  als  Eronos  zukam. 

Wir  können  also  die  Frage  nach  den  nationalen  Wurzeln  der 
Verbindung  von  Ares  und  Aphrodite  jetzt  schon  wenigstens  negativ 
dahin  beantworten,  dass  sie  im  semitischen  Element  wie  noch  Scbwenck 
wollte,  nicht  zu  suchen  sind. 

Wir  stehen  somit  vor  der  Aufgabe,  in  den  griechischen  Beligionen 
zu  suchen,  was  wir  in  der  semitischen  ausfindig  zu  machen  nicht  im 
Stande  waren,  und  fragen  uns  nach  Anleitung  unseres  Programms 
weiter:  Lässt  sich  unser  Paar  vielleicht  in  einem  bestimm- 
ten griechischen  Stammcult  nachweisen? 

Während  wir  also  bisher  von  Homer  aus  vorwärts  gehend  Ares 
und  Aphrodite  bis  an  die  Schwelle  des  römischen  Alterthums  ver- 
folgten, wollen  wir  jetzt  in  umgekehrter  Richtung  von  Homer  ans 
rückwärts  einen  Blick  hinter  den  Ausgangspunkt  unserer  vorigen 
Betrachtung  zu  werfen  suchen  in  die  vorhistorische  Zeit  Dabei 
wird  uns  ein  fester  Anhaltspunkt  die  mythische  Geschichte  Thebens 
und  die  Verbreitung  seiner  ältesten  Gottheiten  sein;  denn  nicht  allein, 
dass  die  combinirten  Cxdte  von  Ares  und  Aphrodite  auf  diese  Stadt 
deuteten  —  schon  Ares,  der  alteinheimische  Stadtgott,  weist  uns 
darauf  hin,  die  Urgestalt  seiner  Gefährtin  unter  den  alten  Göttinnen 
Thebens  zu  suchen,  welches  die  irdTpa  "'Apeuic  hei8st(Soph.  OR.  192). 
Vielleicht,  dass  eine  derselben  in  der  Hypris  untergegangen  und  die 
Zusammenstellung  dieser  mit  Ares  veranlasst  hat  Dabei  kommt 
uns  £^t  zu  Statten  der  Eadmosmjthos,  der  älteste  thebische.  Ausser 
dem  uns  hier  besonders  wichtigen  Ares  spielen  hier  eine  Bolle 
(abgesehen  vom  Titelhelden  Eadmos  selbst  und  Harmonia,  seiner 
Gattin)  nur 

Demeter  Thesmophoros  als  Beschützerin  des  nengebildeien 
Gemeindewesens, 

Athene  mit  einer  mehr  neutralen  Bolle,   und 

Erinjs  Tilphossa;  letztere  allerdings  ausdrücklich  nur  in  einer 
Nachricht;  doch  ist  ihr  alter  Cult  in  Böotien  zu  gut  bezeugt,  als  dass  das 
Alleinstehen  dieses  Zeugnisses  einen  Zweifel  an  seiner  Authenticitat 
motiviren  könnte.  Das  Verdienst,  das  Zusammengehen  dieser  Culte  der 
drei  böotisch-thebischen  Göttinnen,  in  Abhängigkeit  von  Böotien,  nach- 
gewiesen zu  haben,  gebührt  0.  Müller  in  seiner  Zusammenstellung  des 
Tilphossischen  Mjthencomplezes  in  dem  Commentar  zu  den  Eume- 
niden  des  Aischylos,  p.  168 ff.    Eine  übersichtliche  Zusammen- 


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Ares  und  Aphrodite.  685 

steUmig  imter  yerftnäertem  Gesichtspunkt  gibt  W.  Stoll  in  seiner 
Abhandlung:  üeber  die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Ares 
1855,  zu  der  wir  uns  jetzt  wenden. 


IL  Theü. 


ApliroiUte-Erbiys  (ApostropUa)  und  Ares,  das  religiSse  Paar 
des  thebisehen  Loealevlts. 

Absohnitt  I:  TritonJa»  Thesmophoros,  SSrinys, 

§  18.  AusserÜiebische  Cülte.  Wir  beschränken  uns  darauf,  kurz 
die  Hauptmomente  nach  der  dortigen  Zusammenstellung  und  unter 
Verzicht  auf  den  gegebenen  ErklSrungsversuch  wiederzugeben  und 
nur  zu  motiviren,  weswegen  wir,  abweichend  von  ihm,  nicht  überall 
eine  enge  Beziehung  der  Dreiheit  zu  Ares  anzuerkennen  yermögen. 
um  eine  feste  Grundlage  zu  gewinnen^  beginnen  wir  mit  den  Wieder- 
holungen des  Cultcomplexes  ausserhalb  Thebens,  in  zwangloser  Ord- 
nung.   Zu 

Pheneos  in  Arkadien  befand  sich  ein  Heiligthum  der  Athene 
Tritonia  (Paus.  VIII  14.  4),  von  dem  Pausanias  nur  noch  Trüm- 
mer vorfand;  femer  ein  Tempel  der  Demeter  Thesmia  und  ein 
Heiligthum  der  Demeter  Eleusinia  mit  einem  V^Tpujjia',  bei  dem 
die  Pheneaten  ^ÖTT^p  |i€TicTU)v'  schwuren  (a.  a.  0.  15.  1).  Dahinter 
ist,  wie  Stoll,  Preller  (Demeter  und  Persephone,  p»  147)  und 
H.  D.  Müller  (Mjth.  d.  griech.  Stftmme  II  147)  erkannt  haben,  wie 
hinter  den  meisten  Eleusinischen  Culten,  wofür  wir  noch  Argu- 
mente beibringen  werden,  ein  älterer  Cnlt,  und  zwar  der  Er  inj  s 
zu  vermuthen.  Denn  nach  Photios  (bibl.  148  ed.  Bekker)  lebten 
noch  die  Vorstellungen  von  Erinys  und  Lusia  («»  Thesmia)  am  Orte 
(cf.  Preller  a.  a.  0.  170**).    Derselbe  Cxdtkreis  findet  sich  zu 

Eolonos  Hippies,  jenem  durch  die  Oidipussage  deutlich  mit 
Böotien  verknüpften  Gau.  Die  Athene  Hippia,  die  hier  erscheint 
(Paus.  I  30,  4)  ist  durch  das  Bosssjmbol  als  die  Wasser- Athene  be- 
zeichnet, die  auch  im  Namen  Tritogeneia  ausgedrückt  ist  (wie  z.  B. 
Amphitrite,  Triton,  cf.  0.  Müller^  Pallas -Athene  in  der  Hallischen 
Allg.  Encykl.  §  40).  Verbunden  ist  sie  mit  Poseidon  Hip- 
pies*), der  auch  zu  Pheneos  neben  der  Tritonia  alt  erschien;  denn 
sein  Standbild  galt  als  von  Odjsseus  gestiftet.  Femer  zieht  Stoll 
in  diesen  Bereich  die  Demeter  Euchloos  oder  Chlo^,  deren 
irdtTOC  vom  koXuivÖc  \rcmoc  sichtbar  war  (Soph.  OC.  1600).  Sie 
steht  in  der  Oidipussage  als  freundliche  versöhnte  Erdgöttin  zu  der 


*)  Paus.  a.  a.  0.  cf.  Soph.  00.  889,  wo  er  '£incTdTT)c  KoXuivoO' 
heisst;  cf.  v.  64,  1494  etc. 


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686  K.  Tümpel: 

im  attischen  Cult  yemelÜEUiliteii  Erinjs  in  demselben  Verlilltniss, 
wie  zu  Pheneos  die  Thesmia-Lnsia  zor  Erinys.  Die  Yerscbieden- 
heit  in  der  mTthologischen  Beofatfertignng  der  Namen  ist  gleich- 
giltig.    In  einem  anderen  attischen  Demos 

Phlya  findet  sich  Tithrone  Athene  im  Anschluss  an  die  Sem- 
nai  (Paus.  I  31,  2).  Der  Elensinische  Colt  hat  sich  ebenfalls  festge- 
setzt: Demeter-Anesidora  and  Eora  Protogeneia  entsprechen 
den  erechtheischen  Jong&aaen  Protogeneia  nnd  Pandora,  die  zu 
Athen  mit  Athene  yerbnnden  sind.  Ais  m&nnliche  Gottheit  eradieint 
hier  nicht,  wie  zu  Athen,  Poseidon,  dessen  firtther  eheliches  Verhftlt- 
niss  zu  Athene  bei  der  strengen  Durchführung  von  deren  Jung- 
fräulichkeit zur  Eivalitftt  umgebildet  ward,  sondern  ein  Zens  Krt^ctoc, 
ein  chthonisches  Wesen. 

AmTilphossion  in  Böotien  heisst  Poseidon  der  Gatte  der  Til- 
phossa  Erinys  (HesycK  s.  v.  Areiou;  SchoL  IL  V  346),  mit  der  er 
das  Boss  Areion  erzeugt  haben  soll,  wie  auch  zu  Thelpusa  in  Arka- 
dien; ein  Mythos,  dessen  ünechtheit  Bosenberg  (Erinyen)  dar- 
gethan  hat.  In  dem  naheliegenden  Haliartos  finden  wir  einen 
hochheiligen  Tempel  der  Prazidikai,  yon  dem  Paus.  (IX  33.  2) 
bemerkt:  *dvTaO0a  djivuouci  ji^v,  Troiouvrai  b*  ouk  ^iiibpofiov 
TÖv  5pK0v'.  Ihre  Namen  nennt  Suidas  (s.  t.  Praxidikai):  Alalko- 
menia,  Thelxinoia,  Aulis.  Die  erstere  Göttin  ist  unstreitig  eine 
Erscheinungsform  der  wassergeborenen  Athene,  die  in  der  Dias 
(A  8,  €  908)  *'AXaXKOfievr|ic'  heisst;  denn  sie  ist  Hauptgötiän  zn 
Alalkomenai  (Paus.  IX  33,  4),  wo  sie  Tochter  des  Ogyges  heisst: 
wieder  nur  eine  'Genealogie,  wdche  den  Beinamen  Ogygia  erklären 
soll,  der  gleichbedeutend  ist  mit  ^Tritonia'  (aus  der  man  in  gleicher 
Weise  einen  Vater  Triton  construirte).  Vielmehr  scheint  Ogyges 
eher  ein  Cultusname  des  Poseidon  zu  sein,  der  mit  dieser  Athene 
uralt  verbunden  ist  Die  Thelxinoia  ist  eine  bloss  ethisch  über- 
tragene Euchloos,  eine  menschenfreundliche  Demeter  Thesmia;  und 
in  dem  Namen  Aulis,  der  vielleicht  corrumpirt  ist,  muss  eine  Art 
Erinys  gesteckt  haben.    Zu 

Thelpusa  in  Arkadien  (auch  Telphusa,  Steph.  Byz.  s.  v.  Der 
Name  entspricht  nach  dem  übereinstimmenden  ürtheil  Aller  mit  ver- 
tauschter Aspiration  genau  der  Tilphossa)  ist  die  Erinys  durch  einen 
widerwärtigen  Mythos  an  die'Eleusinische  Demeter  roh  angeknüpft. 
Ihr  steht  wieder  eine  Demeter  Lusia-Themis  gegenüber,  w&hrend 
die  Anwesenheit  des  Athenecultes  durch  das  Onkeion  verbürgt  ist, 
weldies  an  die  Athene  Onka  zu  Theben  erinnert  (Paus.  VIU  25, 
4).  Preller  will  hier  die  Erinys  Thelpusa  eliminiren,  indem  er  sich 
auf  die  Hesychische  Glosse  stützt,  dass  Vi<x  tüüv  'Gpivuuiv'  von 
Poseidon  hier  Mutter  des  Areion  geworden  sei  (Demeter  und 
Persephone,  p.  153).  Stell  nennt  die  Glosse  mit  Recht  schlecht 
(Ares  6)  ");  die  Fassung  dieser  Notiz  ffllt  aUein  dem  Berichterstatter 
zur  Last,  welcher  die  Mehrzahl  der  Erinyen  seiner  Zeit  im  Ge- 


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AreB  und  Aphrodite.  687 

dftehiniss  hatte.  Noch  Kaiamis  stellte  nur  eine  Erinjs  dar  (Over- 
beck  SQ.  115,  5.  6)  und  erst  Skopas  setzte  noch  zwei  andere  da- 
neben, nachdem  wohl  Euripides  zur  Befestigung  der  Dreizahl  als 
Dogma  beigetragen  hatte  (cf.  ürlichs^  Skopas  48  und  Rosenberg, 
Brinyen  p.  36^  und  85*). 

§  19.  Ares  und  Poseidon.  In  den  letzten  beiden  FftUen  will  StoU 
den  Poseidon  als  unorganisch  an  die  Stelle  des  Ares  gerückt  zurück- 
weisen und  diesen  dafür  als  echt  ursprünglich  substituiren.  Dabei 
hat  er  allerdings  die  Wahrheit  gerathen,  aber  auf  einem,  wie  uns 
scheint ,  falschen  Wege.  Er  stützt  sich  auf  den  Namen  des  Bosses 
Areion,  den  er  von  Ares  ableitet,  und  sieht  darin  einen  Nachhall 
eines  früheren  Hereinspielens  von  Ares.  Aber  dieser  Gleichklang 
ist  zufiülig*):  'Ap€iu)V  durch  sein  kurzes  a  von  "Apiic  unterschieden 
ist  ein  comparativisch  gebildetes  Adjektiv,  das  mit  äptcroc  und  dem 
bei  Homer  erhaltenen  Yocaüv  &pic  zusammenhängt  (^''Apec  dp^c, 
ßpOToXoiT^'  ktX.  Ilias  €  81)  cf.  G.  Curtius,  Grundzüge*^  p.  340. 
In  demselben  Maasse,  wie  so  der  Zusammenhang  mit  Ares  sich  lockert, 
schliesst  sich  dieses  Boss  schon  durch  seine  Symbolik,  die  Ton  den 
mythologischen  Verhältnissen  des  Ares  ganz  abweicht,  an  Poseidon 
an  durch  das  Beiden  gemeinsame  alte  Beiwort  VuavoxotTTa',  das 
Poseidon  bei  Homer,  und  Areion  in  der  kyklischen  Thebals  (bei 
Paus.  Vni  25,  5)  und  bei  Hesiod  (Scut.  Herc.  120)  führt  Ist 
doch  der  Beiter  dieses  Bosses,  Adrastos,  Dank  seinem  Beinamen 
*KudvmiT0c',  den  er  auch  selbst  oder  sein  Sohn  als  Appellativ  trug, 
nur  eben  wieder  derselbe  Poseidon  (0.  Müller,  Eum.  p.  174)  und 
das  Bosssymbol  überhaupt  rein  poseidonisch;  vgl.  den  ^ApcTiv 
T^0Ta^6€  bei  Thelpusa  (Pftus.  VIU  25,  1)  und  den  Fluss  Areion 
nördlich  des  Eeraunischen  Gebirgs  (0.  Müller,  Orchomenos' p.  227). 
Bei  mit  tmroc  zusammengesetzten  mythischen  Namen  wird  man  des- 
wegen immer  an  Poseidon  und  nicht  an  Ares  zu  denken  haben.  Um 
an  letzterem  festhalten  zu  können,  hätte  sich  also  StoU  nicht  darauf 
berufen  sollen,  dass  in  Athen  Alkippe  eine  Tochter  des  Ares  (von 
der  Aglauros)  heisst.  Statt  an  eine  Art  Veiblichen  'Apeiuiv'  (!)  zu 
denken,  muss  man  hierin  vielmehr  eine  heroische  Metamorphose 
der  Athene  Alalkomenels-Hippia  erkennen,  [wenn  wir  nicht  ganz 
oberflächlich  mit  Welcker  (Götterlehre  I  418)  —  wohl  in  Er- 
innerung an  Aristophanes  (Nubes  64)  glauben  wollen,  *dass  dieser 
Name  bloss  etwas  Vornehmes  bedeuten  solle^].  Diese  Ansicht  erhält 
ihre  Bestätigung  durch  den  Mythos  selbst,  der  uns  von  Apollo- 
doros  (in  14,  2  ed.  Heyne)  aufbewahrt  ist:  Alkippe  sei  den  Ge- 
lüjsten  des  Halirrhothios  (Meeresranscher),  eines  Poseidonsprösslings, 
hinter  dem  offenbar  Poseidon  selbst  steckt^  zum  Opfer  ge&Uen;  und 


*)  So  auch  schon  H.  D.  Müller,  Ares  81^*,  freilich  im  Widerspruch 
mit  seiner  eigenen  bedenklichen  Ansicht,  dass  Areion  doch  zn  Ares  und 
nicht  zu  Poseidon  gehöre  (a.  a.  0.  p.  24). 


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688  K.  Tfimpel: 

Ares,  der  aeine  Tochter  gerScht,  sei  wegen  dieser  Blotschiild  von 
dem  ZwölfgOttergericht  am  HOgel  des  Arestempels  zur  Verantwortung 
gezogen,  schliesslich  aber  freigesprochen  worden;  und  nach  diesem 
ersten  CriminalfaU  sei  der  Name  Areiospagos  gegeben  (Paus.  I  21, 
7;  28,  5;  Apollodor  V  14,  1).    Die  £rkl2&nmg  des  letzteren  Namens 
ist  der  Zweck  dieses  Mythologems,  das  an  die  Handhabung   der 
Blntgerichtsbarkeit  an  diesem  Hügel  ankntipft,  nnd  eben  dadurch 
seinen  spftten  Ursprung  verräthy  da  in  heroischer  Zeit  jene  durch 
Blutrache  vertreten  ward.    Ares  sei  hier  verurtheilt  worden: 
daher  rtthre  der  Name.    Um  verortheilt  werden  zu  können,  muss 
er  jemand  get5dtet  haben;  dazu  werden  vorhandene  Thatsachen  ba- 
nntet: der  Streit  mit  Poseidon-Halirrhothios  umdie  Athene,  die  Schutz- 
göttin derselben  Stadt,  um  welche  nach  dem  SchoL  Aristides  Panathen. 
p.  183,  19  (Dindorf)  sich  einst  Ares  nnd  Poseidon  stritten  (^tö  ^picai 
TToceibÜJ  Kai  'Apr)  uTt^p  rfic  iröXeuic') ;  und  ferner  die  Beziehnng^on  des 
Ares  zur  Aglauros,  die  sich  auch  in  ihrem  gemeinsamen  Vorkommen 
im  attischen  Ephebeneid  zeigt.    Natürlich  muss  das  echte  VerhlUtniss 
zwischen  Poseidon  und  AlJdppe-Athene  als  Gewaltthat  hingestellt 
werden,  um  als  strafwürdig  zu  erscheinen;  nnd  das  ri&chende  Ein- 
greifen des  Ares  wird  durch  die  Blutsverwandtschaft  mit  der  Athene 
motivirt,  eine  künstliche  Genealogie  die  durch  die  nahen  Beziehungen 
derselben  zu  der  Gattin  des  Ares,  Aglauros,  noch  ausdrücklich  befür- 
wortet wurde  (0.  Müller,  Pallas  Athene  a.  a.  0.  §  9).     Ebenso  wie 
Halirrhothios  heroisirt  und  von  Poseidon  im  Mythos  losgetrennt  er- 
scheint, da  dieser  als  Gottheit  doch  nicht  getödtet  werden  kann,  so 
die  Alkippe  von  der  Pallas,  um  die  Keuschheit  der  obersten  attischen 
Landesgöttin  unverletzt  zu  bewahren.  —  Basirt  nun  die  Herbeiziehung 
des  Ares  zur  Erkl&rung  des  Namens  ^''Apeioc  irdTOc'  auf  thatsSch- 
liehen  Verhältnissen  oder  ist  sie  eine  etymologische  Spielerei?  Köhler 
(Hermes  VI  104)  und  C.  Wachsmnth  (Stadt  Athen  I  428)  behaup> 
ten  das  letztere.    Areiopag  bedeute  Fluohhügel  (von  dpdl),  der  Ares- 
tempel an  seinem  Fusse  sei  Velativ  jungen  Datums',  und  der  Name 
des  Hügels  stamme  vielmehr  von  der  Athene  ^'Apeia'^  die  auf  dem- 
selben einen  Altar  hatte  (Paus.  I  28,  5).    Allein  es  ist  uimi5glich 
^äpeioc'  von  ^dpd'  abzuleiten  (zu  dpa  gehört  dpaioc,  wie  zu  *ApT)C 
—  dp€ioc  und  zu  dprjc  — dpeiujv).    Düntzer  (Fleckeisens  Jahrb. 
56,  p.  64)  vermeidet  diese  Schwierigkeit  durch  Ableitung  vom  Stamm 
dp€-uj,  -CKUi,  -ct/|P,  -ctöc  und  gewinnt  die  Bedeutung  'SühnhOgel'. 
Aber  ein  Adjectivum  ^dpeioc'  dieses  Stamms  und  Sinns   ist  sonst 
nirgends  verbürgt,  üeberhaupt  führt  diese,  wie  die  vorige  Aufihs- 
sung  zu  der  möglichst  unwahrscheinlichen  Consequenz,  dass  der  Ares- 
tempel  an  diesem  ^Sühn'-  oder  ^Fluch-' Hügel  auf  Grund  eines  (an  sich 
schon  precftren)Missverstftndni886S  desselben  als  eines  ^Hügels  des  Ares' 
gegründet  sein  müsste ;  ganz  im  Widerspruch  mit  unserem  obigen  Nach- 
weis einer  so  uralten  Beziehung  dieses  Orts  zu  der  Aresstadt  Theben,  die 
sich  hier  noch  speciell  bewährt  durch  den  berühmten,  ebenfalls  an 


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Ares  und  Aphrodite.  689 

den  Areiopag  örüich  und  religiös  angeknüpften,  aus  Theben  stammen- 
den ^Semnen-'  oder  Erinyendienst  Der  fernere  Einwand,  dass 
Athene  in  historischer  Zeit  als  Oberrichterin  galt.  Dank  ihrer  Stel- 
lung als  oberster  Stadtgöttin,  beweist  nichts  gegen  den  ^Ares-^Httgel, 
dessen  Name  sehr  wohl  hinter  die  Stiftung  des  Blutgerichts  zurück- 
reichen kann.  Für  uns  ist  jedenfalls  am  wichtigsten  das  Factum 
einer  alten  Cultvereinigung  von  Ares  und  Erinjs  (resp.  Mer  Erinyen') 
am  Areiopag,  die  in  den  Traditionen  des  Blutsgerichts  noch  mehr 
oder  weniger  klar  zu  Tage  tritt.  Wir  notiren  uns  diese  Thatsache 
zur  Verwendung,  wie  zur  Erklärung  an  anderem  Orte.  An  der  Be- 
deutung des  Areiopags  als  Ares-Hügels  halten  auch  fest  0.  Müller 
(Eumen.  p.  154)  und  H.  D.  Müller  (Ares  p.  83),  der  sich  freilich 
mit  Unrecht  auf  die  einmalige  Benennung  des  vor  dem  Areiopag 
abzuurtheilenden  Verbrechens  bei  Aischylos  (Eum.  851  f.)  als 
**Apilc  £)ui(puXioc'  stützt.  Doch  hat  er  sich  wohl  nur  durch  0. 
Müller  (a.  a.  0.)  täuschen  lassen,  wenn  er  diesem  dichterischen 
Ausdruck  den  Werth  eines  terminus  technicus  an  diesem  Gerichts- 
hofe Yindicirt 

Aehnlich  treffen  Poseidon  und  Ares  zusammen  in  einer  Stadt- 
grttndungslegende  der  ursprünglich  arkadischen  Stadt  Tritaia,  ohne 
dass  man  auch  hier  wieder  behaupten  könnte,  die  Ehe  des  Ares  mit 
Tritaia,  einer  Tochter  Tritons  und  Priesterin  der  Athene,  sei  wirk- 
lich ficht.  Denn  der  Sohn  dieses  Paares  ist  Melanippos,  der  angeb- 
liche Gründer  der  Stadt  (Paus.  VII  22,  5).  Stoll  sieht  hier  freilich 
wieder  mit  0.  Müller  (Eum.  173)  den  *Sohn  des  Ares,  Areion'; 
nfther  liegt  es  offenbar,  direct  an  die  Quelle  zu  gehen  und  den 
*Kuavoxci!Tiic  iTTTTioc'  Poseidou  selbst  in  heroischer  Metamorphose 
als  Melanippos  zu  erkennen,  wie  ja  auch  eine  Melanippe  als  Ge- 
mahlin des  Poseidon  in  Boiotien  genannt  wird  (Diodoros,  Bibl.  XIX 
53,  6).  Der  Umstand  aber,  dass  hier  ein  Poseidon  an  Ares  ange- 
kindet  wird,  beweist  genugsam  die  gedankenlose  und  künstliche 
Mache  dieser  Genealogie,  so  dass  dieses  auffällige  Hapax-Eiremenon 
einer  Verbindung  des  Ares  mit  der  Wasser-Athene  als  beseitigt  an- 
gesehen werden  kann.  Diese  gehört  vielmehr  ebenso  constant  zu 
Poseidon,  wie  Ares  zu  Enjo  und  ähnlichen  Gottheiten,  wie  wir  zeigen 
werden. 

um  unseren  Faden  wieder  aufzunehmen:  so  fehlen  zu  Tritaia 
auch  nicht  die  ^^Ticrai  Geai,  ähnlich  den  fuieTOiXal  Oeai  Demeter 
und  Persephone  (Stoll  p.  11),  die  an  die  höchsten  Schwurgottheiten 
der  Haliaxtier,  die  Praxidiken,  an  dl^  Eatharoi  der  Pallantier  er- 
innern, bei  denen  sie  ihre  heiligsten  Schwüre  schwuren  (Paus.  VO 
44,  1),  sowie  an  die  Semnai.  Wir  brechen  hier  ab,  indem  wir  einige 
unsichere  Punkte,  die  Stoll  noch  anfahrt,  bei  Seite  lassen,  und 
constatiren  ein  Vorkommen  jener  drei  böotischen  Göttinnen  in 
Attika,  Argos  und  Arkadien:  denselben  Landschafken,  in  denen 
wir  auch  Ares  und  Aphrodite,  resp.  den  drei  Aphroditen  be- 

J»hrb.  f.  olAM.  PhUol.  Suppl.  Bd.  XI.  „^^ed  by  C^OOQIc 


690  K.  Tümpel: 

gegneten.  Jene  Dreiheit  aber  trafen  wir  unter  wechselnder  FOhnrng 
des  Poseidon,  des  Ares  und  eines  ^Ünterwelts-Zeus',  der  vielleicht 
nicht  ursprünglich  ist.  Wenden  wir  uns  jetzt  zn  dem  Orte,  der  für 
uns  central  ist,  nach  Theben. 

§  20.  Die  thebische  Kadmossage.  Hier  finden  wir  die  Bestand- 
theile  des  Dreigöttinnencultes  am  unverfälschtesten,  und  zwar  zuerst 
die  tritonische  Athene  in  der 

Athene  Onka.  Wir  wollen  den  alten  Streit  um  den  phöni- 
kischen  oder  griechischen  Ursprung  dieses  Namens  nicht  wieder  auf- 
rühren. Es  genügt,  dass  der  ursprüngliche  Dienst  als  nichtphönikisch 
sich  erweist,  so  kann,  selbst  wenn  die  phönikische  Etymologie  von 
'Onka',  wie  sie  Valckenaer  (bei  Dindorf  Schol.  Eur.  III  282)  und 
mit  ihm  Movers  (p.  642)  versucht  hat,  sich  best&tigen  sollte,  doch 
das  phönikische  Element  sich  erst  nachträglich  an  eine  einheimische 
Athene  Ogygia  angeschlossen  haben,  denn  die  Sage,  Velche  sehr 
genau  den  Bau  der  Burg  durch  Eadmos  •  von  der  späteren  Ehrrich- 
tung  der  Mauern  durch  Amphion  und  Zethos  unterscheidet'  (Bran- 
dis,  VII  Thore  Thebens:  Hermes  IL  282)*),  gibt  unverwerfliche 
Beweise  für  sogar  vorkadmisches  Autochlhonenthum  des  Athene- 
dienstes in  der  thebischen  Landschaft.  Das  ist  freilich  auch  Brandis 
entgangen,  der  für  den  rein  phönikischen  Ursprung  der  Onka,  sowie 
auch  des  Kadmos  und  der  Europa  mit  E.  Curtius  plaidirt  gegen 
Welcker,  Preller  und  H.  D.  Müller.  Dass  die  Athene  Onka  auch 
Ogygia  geheissen  haben  muss,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  denn  das  Thor, 
vor  dem  ihr  Heiligthum  lag,  führte  beide  Namen  gleichmSssig.  Die 
Athene  Alalkomenia  zu  Alalkomenai  aber  hiess  Tochter  des  Ogyges 
(Paus.  IX  33,  4)  und  Ogygia  hiess  wieder  die  Athene,  welche  nach 
SchoL  Pindar.  Ol.  II  39  und  Tzetzes  (zu  Lykophron  1225)  in 
dem  vor  dem  onkftischen  Thor  gelegenen  Flecken  Onkai  verehrt 
worden  sein  soll;  und  diese  ist  wahrscheinlich  wieder  identisch  mit 
jenem  Holzbild  der  Athene  AlalkomeneYs,  das  Ailianos  (Tact.  XII  57) 
zu  Theben  erwähnt.  Vielleicht  ist  also  wirklich  der  Prellor'sche 
Vorschlag  (Griech.  Myth.  I*  148  f.),  Onka  und  Ogygia  auf  eine 
gemeinsame  Wurzel  zurückzuführen,  nicht  abzuweisen.  Jedenfalls 
muss  StoUs  Anknüpfung  an  öifKGC  in  der  Bedeutung:  *Berg'  (p.  15) 
mit  Misstrauen  aufgenommen  werden.  Fragen  wir  mm  nach  dem 
Stamm,  an  den  der  Dienst  dieser  Athene  sich  knüpfte,  so  ist  uns 
von  grossem  Werth  die  Angabe  des  Pausanias  (IX  5,  l)  über  die 
vorkadmische  Bevölkerung  der  thebischen  Landschaft  und  deren 
Schicksale.  Er  berichtet:  Tijv  bk  Tf|V  Gnßatba  oiicf)cai  irpuira 
XcTOuciv  "CKTTivac-  ßaciX^a  bk  elvai  tujv 'Ciöi^viüv  ävbpa  auröxOo- 
va  "Qtutov,  kqI  dTTÖ  toutou  toTc  ttoAXoTc  tuiv  ttoiiitujv  dtriicXiicic 
ic  TCic  ©fjßac  dcTlv  'QTUTiai-  kqI  tovc  \xly  dTroX^cOai  Xoi^uibet 

*)  Wenn  auch  gerade  die  Fusion  beider  Gründungen  das  Phüniker- 
thum  des  Kadmos  mit  veranlasst  zu  haben  scheint. 


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Ares  und  Aphrodite.  691 

vöcuj  q)aciv'.  Eine  Nachricht,  die  eben  so  wichtig  als  zuverlässig 
scheint.  Wir  lernen  aus  ihr,  dass  die  Ektenen,  oder  wie  Bursian 
(Geogr.  I  202)  nach  dem  Etymologicum  Magnmn  zu  schreiben 
vorechlftgt,  die  Enktenen  (fTKTTivec:  AnsÄssige)  den  später  zum 
Stammheros  degradirten  Gott  Ogjges  verehrten,  und  neben  ihm,  wie 
wir  bestimmt  hinzusetzen  dürfen,  die  Ogjgia  oder  Onka,  ein  Paar, 
das  dem  andern,  Poseidon  und  Tritonia  oder  Alalkomenels,  ziemlich 
genau  zu  entsprechen  scheint  *)  Die  Bolle  der  Athene  in  dem 
Eadmosmythos,  dem  ehrwürdigen  Bepositorium  für  älteste  thebische 
Geschichte,  ist  eine  nahezu  neutrale;  ihre  Anwesenheit  wird  so  ver- 
schieden motivirt,  dass  man  sieht,  eine  einmal  vorhandene  Persön- 
lichkeit sollte  mit  in  die  Handlung  gezogen  werden.**)  In  gleicher 
Weise  wird  die  Haltung  der  Ektenen  gewesen  sein,  die  sich  in  dem 
Benehmen  ihrer  Göttin  spiegelt:  und  in  der  That  werden  sie  nicht 
von  den  argivischen  Eadmeionen  besiegt,  wie  die  Äonen  (Paus.  a.  a. 
O.),  oder  vernichtet,  wie  die  Hyanten,  sondern  sie  sterben  an  einer 
Hungerseuche,  ohne  wie  es  scheint  mit  den  Einwanderern  in  starken 
Gegensatz  gekommen  zu  sein.  Wir  treten  durch  diese  Anf&ssung 
in  bewussten  Widerspruch  zu  H.  D.   Müller,  welcher    (Myth.  H, 


*)  Sollte  man  einen  mehr  historischen  Namen  hinter  dem  etwas 
conjectural  klingenden  der  ^Ansässigen'  suchen  wollen,  so  müssen  die 
Tremiler  oder  Termerer  es  nach  einigen  von  Unger  (Theb.  Parad. 
p.  257 ff.)  gegebenen  Genealogien  gewesen  sein,  welche  einen  Ogyges 
(*B  Poseidon)  und  eine  Alistra-Prazidike  («i  Athene)  verehrten  und  mit 
Ljkien  in  Verknüpfong  gestanden  haben.  Als  Bestäügung  dient  der 
Parallelismus  von  'T^pjiicpa  KOKd'  und  ^  'Qpüina  Kaxd'.  Wenn  andererseits 
bei  Pausanias  als  Ureinwohner  Böotiens  ausser  Äonen  und  Hyanten  die 
Ektenen  genannt  werden  (4cotK(cac6ai  bi  ptetä  toOc  '€KTiivac  ^c  Tf|v  x^P^v 
'Tavrac  Kai  "Aovac' :  IX  6,  1),  so  erscheinen  bei  Strabon  in  dem  gleichen 
Bericht  statt  der  Ektenen  die  ^Temmiker' :  'aOri^v  bi  Tf\y  Boiwriav  [£q(ov] 
"Aovcc  Kul  T^|Ui|LitK€C  Kai  *TavT€c'  (Vn,  p.  321).  Für  die  Identität  dieser 
Temmiker  mit  den  Tremilem  oder  Termerem,  welche  ja  ebenfiälls  den 
Ektenen  gleichgesetst  werden,  spricht  ausser  der  Namensähnlichkeit  noch 
die  von  Strabon  überlieferte  Einwanderung  der  Ersteren  über  Sanion 
('Tcjüi^iKiuv  ^K  Couvtou  iTeiiXavr)fi£vu>v',  XI  401)^  also  vielleicht  eben  aas 
Lykien.  Der  Widerspruch  mit  der  Wortbedeutung  von  Ektenes  als  'An- 
sässige' entscheidet  sieh  zu  Ungunsten  letzterer  Uebersetsnng  durch  Ver- 
gleichung  einer  Nachricht  bei  Theognost  (p.  27,  12):  '''Eyktt^vcc  bä 
^^TOVTO  [ol]  fi€TäTo(ic  *TavTac  Ti^v  Boiuiriav  olK/|cavT€c'),  die  also 
eine  Zuwanderung  der  Ektenen  voraussetzt.  Die  Benennungen  Thebens  als 
ogygisch  und  aJs  'T^fAmKov  dcru*  bei  Steph.  Byz.  (p.  410,  20)  würden 
also  zusammenfallen  und  der  'Eadmeia'  zeitlich  vorausgehen. 

**)  1.     Stesichoros    bei    Schol.    Eur.  Phoen.    670:   'ti^v    'AOnvftv 
^cirapK^vai  toOc  ööövrac  [toO  öpdKOvroc]'  (Dindorf  111  188,  3). 

2.  Demagoras   (ibid.  v.  7):  'töv  K&bpiov  irpovoiqi  'AeTjvüc  &p- 
irdcai  aÖTf|v  t^v  'Apfioviav*  (a.  a.  0.  III  36,  6). 

3.  Eur.  Phoen.  y.667:  'TTaXXdöoc  (ppaöalci  foner^Xc  bxtaSjv  ööovrac 
[KdöjiiGc]'. 

4.  ibid.  1062:   'TTdXXac,  &  bpdKOVTOc  al^a  XiOößoXov  KareipTdou'. 
Am  merkwürdigsten  ist  die  Abweichung  von  Nr.  3  zu  den  Uebrigen, 

und  dann  der  Gregensats  zwischen  (1)  3  und  4.  /-^  i 

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692  .     K.  Tümpel: 

319)  behauptet,  Athene  sei  bloss  allgemein  ^als  Beschützerin  der 
Helden'  in  die  Eadmossage  eingetreten.  Dass  eine  engere  Beziehung 
vorgewaltet  haben  muss,  zeigt  der  Titeln  welcher  ihr  von  dem  Jung- 
frauenchor in  den  Septem  des  Aischylos  gegeben  wird  (v.  121) 
^^uciTToXic  T^voO,  TTaXXdc',  [womit  zu  vergleichen  ist  v.  149  t 
*cu  le,  jidKaip'  fivacc'  "'OyKa,  uTitp  ttöX€U)c  inTCuwkov  ?boc 
diTippuou'],  femer  jene  Genealogie,  welche  den  Eadmos  gar  dem 
Ogjges  zum  Sohn  gibt  (Suidas:  s.  v.  **QTUYia  KttKd'),  und  die  Notiz 
des  Pausanias  von  der  angeblichen  Stiftung  des  Onkaions  durch 
Eadmos,  auf  dessen  Namen  man  später  alle  Erinnerungen  zu 
häufen  liebte,  namentlich  die  Beminiscenzen  der  fremden  Coloni- 
satiozL  Wir  wenden  uns  nun  zu  der  zweiten  Göttin  des  Eadmos- 
mjthos,  zu 

Demeter  Thesmophoros.  Sie  ist  die  Göttin  des  argivischen 
Stamms  der  Eadmeionen,  und  die  alte  Gemahlin  des  zu  einem  Stamm- 
heros degradirten  Eadmos-Hermes,  wie  H.  D.  Müller  in  dem  IL 
Buch  des  U.  Theils  seiner  Myth.  d.  griech.  Stämme  (Hermes  und 
Demeter,  1869)  überzeugend  dargethan  hat.  Sie  ist  mit  der 
Europa- Jo  identisch,  der  später  an  die  egyptische  Isis  angeschlossenen 
Naturgöttin,  die  im  Frühjahr  gesucht  wird.  Sie  allein  ist  also  in 
dem  Eadmosmythos  echt^  während  Athene  und  Erinys,  zu  der  wir 
uns  jetzt  wenden,  nur  durch  historische  Verhältnisse  hineingekommen 
sein  können.  Wie  dies  bei  der  letzteren  geschehen  sei,  ist  erst  zu 
ermitteln,  wenn  wir  über  ihren  Charakter  zu  urtheilen  im  Stande  sind. 

§  21.  Fortseteung:  Erinys  Tilphossa.  Ihre  Bedeutung  steht 
nicht  fest,  wie  die  der  beiden  anderen  Göttinnen,  und  muss  gegen 
die  allgemeine  Ansicht  von  ihrer  lediglich  ethischen  Bedeutung  als 
Personification  des  schuldbeladenen  strafenden  Gewissens  dnreb  Unter- 
suchung gewonnen  werden.  Wir  benutzen  hierzu  zui^hst  den  Namen 
Tilphossa,  der  von  ihr  in  ihrer  echten  Phase  untrennbar  ist. 

Welcker  (Eret.  Col.  Theben  p.  41)  hat  ihn  mit  Telepba&% 
TelephaSssa  identisch  erklärt,  die  bei  Apollodoros  (HI  1,  1,  cf. 
4,  1)  Gattin  des  Eadmos  heisst,  und  kommt  somit  zu  einer  Bedeu- 
tung ^die  Femleuchtende',  also  einer  Mondgöttin.  Dabei  scheint  ihm 
der  Gedanke  an  Elektra  als  Gattin  des  Eadmos  vorgeschwebt  zu 
haben  (Schol.  Eur.  Phoen.  5,  Dindf.  HI  34,  18),  die  er  als 
^Nachts -nichtschlafende'  (Mondgöttin)  ebenfalls  erklärt  Aber  ein- 
mal kann  letztere  Etymologie  als  durch  G.  Curtius  (Grundzüge* 
137)  gründlich  beseitigt  gelten*),  und  dann  kann  die  Analogie 
einer  Gattin  des  Eadmos  (Telepha^)  nicht  massgebend  sein  für 
ein  Wesen,  das  gerade  als  dessen  bitterste  Feindin  gilt.  Dazu  kommt, 
dass  Preller  (Dem.  u.  Pers.  166)  erkannt  hat,  ^dass  die  Verbindung 
der  Tilphossa  in  den  verschiedensten  Gegenden  von  Griechenland  mit 
einer  Stadt  und  Quelle  oder  einem  Berg  und  Quelle  auf  eine  Be- 

*)  Es  wäre  wegen  /jX^icTuip  eher  an  die  Sonne  zu  denken. 

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Ares  nnd  Aphrodite.  693 

Zeichnung  der  Oertlichkeit  dieses  Namens  schliessen  lasse,  wie  Ida, 
Pamass,  Samos'.  Wir  schliessen  uns  dem  an  mit  der  Modification, 
dass  nicht  die  Quelle  selbst,  sondern  die  besonderen  Umstände,  unter 
denen  diese  erscheint,  das  Massgebende  gewesen  sein  müssen:  nSm- 
lieh  eine  Erdöffhung,  eine  Schlucht,  aus  der  die  Quelle  hervorbricht, 
wie  Stoll  (a.  a.  0.  p.  16)  mit  Glück  nachgewiesen  hat;  so  in 
Kolonos  der  ^x^^'^oöc  dböc',  durch  welchen  Oidipus  in  die  Unter- 
welt hinabstieg  (Soph.  Oed.  Col.  1590:  *TÖv  KarappoKTTiv  dbdv — 
XoXkoic  ßd0poici  Tflöev  ^ppiZu))Lievov'),  femer  am  Areiopag  in 
dem  Heiligthum  der  Semnai  (Eurip.  Elektra  1272,  E.  Curtius, 
Vn  Karten  zur  Topographie  von  Athen,  Text  p.  26:  ^tiefer 
Wassei-spalt  mit  daraus  hervordringendem  Wasser',  der  nach  Euri- 
pides  [a.  a.  0.]  als  Eingang  in  die  Unterwelt  galt).  —  Am  Til- 
phossion  war  ebenfaUs  ein  X^^^M^?  ^  das  die  Quelle  sich  ver- 
lor (Hom.  hym,  Apollon.  Pyth.  234  ff.,  377  ff.),  angeblich,  indem 
Apollon  einen  Felsblock  darüber  gedeckt  hatte,  unter  dem  sie  also 
anch  wohl  wieder  hervorsprang;  ähnlich  war  die  Localität  der  A^X- 
(pouca  zu  Delphoi,  die  nach  Bursian  (Geogr.  II 259^)  unter  einem 
Fels  hervorsprudelte.  Dass  Delphusa  aber  nur  eine  andere  Form 
von  Tilphossa  etc.  ist,  hat  0.  Müller  (Orchom.^  142*)  und  Eume- 
niden  176)^^)  unter  Verweis  auf  die  delphischen  Formen  ßiKpöc  und 
Bucioc  für  TTikpöc  und  TTuGioc  mit  Recht  hervorgehoben;  auch 
Welcker  (Kr.  Col.  Theb.  45),  wenn  auch  zu  anderem  Gebrauche.*) 
—  Zu  Telphusa  in  Arkadien  vermuthete  Stoll  (p.  16)  eine  Quell- 
schlucht auf  Grund  der  Cultverbindung  mit  Phigaleia,  wo  Demeter 
Melaina  eine  Höhle  mit  kaltem  Quell  hatte  (Paus.  VIII  42,  6) 
und  mit  dem  an  die  Delphusa  erinnernden  Delphinsymbol  ausgerüstet 
war.  Wirklich  findet  sich  angeknüpft  an  den  Rossmythos  von  Demeter 
und  Poseidon  eiü  ^dv  'Apxabiqi  Ctutöc  öbwp'  bei  Ptolemaios 
(Hephaistions  Sohn,  Nov.  Hist.  lib.  III,  in  Westermanns 
^MuöOTa^oi'  186,  7).  Wir  behaupten  nun,  dass  für  diese  Erschei- 
nung eben  der  Beiname  Telphusa  bezeichnend  sei,  und  gehen  bei 
der  Etymologie  von  der  Form  AAcpcuca  aus,  dem  Namen  der  delphi- 
schen Quelle;  sie  ist  leicht  zurückzuführen  auf  die  Wurzel,  welche 
G.  Curtius  (GZ^  p.  479)  als  dem  Worte  AeX(pöc,  beXcpic  (Bauch- 
fisch), b€Xq)OC  Uterus,  Sb€Xq)OC  zu  Grunde  liegend  erkannt  hat,  mit 
der  Bedeutung  ^hohl'.**)  Für  Delphi  erklärt  er  den  Namen  als  Vohl 


*)  Freilich  Bursian  (a.  a.  0.)  wül  den  Zusammenhang  zerreissen. 
Ihm  ist  A^X(pouca  bloss  ^der  Stadtbnmnen  der  Delphier',  während  er 
B^Xirouca  in  Arkadien  (G€A  der  Münzen),  Telphusa  (Paus.,  Diodor,  Lyko- 
phron,  Steph.  Byz.)  nnd  Tilphossa  gemeinschaffclich  auf  edXiru)  zurück- 
führt, ob^eich  nur  eine  Form  dieses  Wortes  GdAtrouca  (einmal  bei 
Stephan.  Byz.)  an  die  Etymologie  erinnert.  Diese  Erklärung  kann  nicht 
genüf^en;  wir  fassen  die  analogen  Erscheinungen  zusammen. 

**)  unabhängig  von  Bernhardy  (in  Dionya.  Perieget.  442;  p.  637), 
der  im  Anschlnss  an  eine  frühere  Bemerkung  des  Salmasins  (Plinian. 
Exercitat.  p.  238  £.)  auf  Grund  der  'sicula  glossa  'Ö€X<pOa'  »■  utems' 


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694  K.  Tümpel: 

wegen  seiner  Lage  in  einer  tiefen  Schlucht'  gegeben.  Der  wichtigste 
aber  unter  jeuen  Erdrissen,  die  schon  in  der  ^TTuOüb  nerpriecca'  der 
llias  (B  519)  anklingen  (der  *Y^aXa  Ooißou'  des  Euripideß,  Phoen. 
23)  ist  jenes  X^^\^^i  welches  schon  den  vorapollinischen  Caltmittel- 
punkt  ausmachte.  Hier  war  es,  wo  der  Drache  der  Themis,  Del- 
phine (cf.  die  Themis  neben  der  Erinjs  in  Thelpusa)  wohnte,  den 
Apollon  vernichten  musste,  um  sich  als  AeXq)ivioc  an  der  Stfttte 
festzusetzen.  Aber  auch  den  Namen  Tilphossios  fahrte  er,  angeblich 
wegen  der  üeberwindung  der  Tilphossa  (Hom.  Hym.  ApolL  PytiL 
387),  wodurch  die  Identität  der  Themis  Delphusa  und  der  Erinjs 
Tilphossa  wahrscheinlich  genug  wird.  Auch  den  anderen  Nam^ 
des  Delphjs  (Delphine)  oder  des  Themisdrachens:  Python  vnrd  man 
nicht  mit  G.  Curtius  (GZ^  286)  nach  dem  so  absichtlich  etymologi- 
sirenden  homerischen  Hymnos  (Apollon.  Pyth.)  auf  ^ttuOciv'  «=  'faulen 
machen'  zurückführen,  sondern  am  besten  mit  Pape-Benseler  (Eigen- 
namen 11^  1284),  neben  nuO-^rjv,  ßu6oc  (cf.  den  delphischen  Monat 
Bucioc!)  stellen  und  auf  den  nftmlichen  Erdschluud  deuten.  Bevor 
Apollon 

*ö  AoEiac,  .6  TTapvdcioc 

\ii-iav  fxwJV  jiiüxov  xöovöc' 

ward  (Aisch.  Choeph.  947  f.),  und  bevor  Eadmos  in  Theben  seine 
Besidenz  aufschlug,  muss  iu  Boiotien,  wie  an  den  attischen  und  arka- 
dischen Cultstellen,  die  wir  oben  besprachen,  der  Cult  einer  Erd- 
göttin geherrscht  haben,  der  local  an  eine  als  ünterweltseingang 
gefasste  Schlucht  oder  Höhle  mit  einer  damit  verbundenen  Quelle 
sich  anschlods.*)  Auf  das  Symbol  des  Drachens  werden  wir  noch 
zurückkommen.  Für  jetzt  ist  es  nur  nöthig,  darauf  hinzuweisen, 
dass  in  diesen  örtlichen  Verhältnissen  die  Erklärung  des  so  häufigen 
üebergangs  des  Erinyscults  in  den  der  Persephone  liegt.  Auch 
diese  Göttin  hatte  zu  Eleusis  ihren  Unterweltseingang,  durch  den  sie 
von  Hades  entführt  sein  sollte  (Erineos,  Paus.  I  38,  15),  und  liebte 
besonders  *  Gegenden,  in  deren  Nähe  sie  Gewässer  mit  bodenlosem 
Abgrunde  oder  zerklüftetes  Gebirge  mit  scheinbaren  Eingängen  in 
die  dunkle  Tiefe  der  Erde  fand'  (Preller,  Griech.  Myth.  V 
624).  Der  üebergang  in  den  eleusinischen  Cult  wurde  noch  be- 
sonders erleichtert  durch   das  schon  beobachtete  Zusammengehen 


die  AeXcpOvr)  mit  dem  ^aanctus  terrarum  hiatus,   cui  Pythone  deiecto 

Senetralia  templi  superstructa  sunt',  in  Verbindung  gebracht  hatte,  wegen 
er  ^natura  T^dXujv'.  Siehe  Ünger  (Theb.  Paradoxa  1  116),  der,  wie 
ich  erst  nach  Fertigstellung  der  üntersachun^  sah,  schon  früher  diet^e 
Etymologie  für  die  Aufhellung  des  Namens  Tilphossa  benutzt  hatte. 

*)  Wit  treten  also  in  Widersprach  zu  0.  Müller,  weldier  im  Ge- 
danken an  die  spätere  Bedeutung  von  6^90C  nnd  d6€Xq>6c  den  Namen 
AeXcpOc  oder  -Ovii  auf  die  'prolifike'  Naturkraft  im  Drachensymbol  deutet 
(Dorer  I'  319),  die  sachlich  unerweisbar  nnd  auch  schon  von  Bem- 
hardy  zu  Dionys.  Perieg.  442  (p.  637)  zurückgewiesen  ist 


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Ares  und  Aphrodite.  695 

der  Erinys  mit  der  Demeter  Thesmophoros,  welches  sogar  zu  der  Ent- 
stehung einer  Demeter-Erinjs  führte.  H.  D.  Müller  (Ares  23.  26) 
und  Kuhn  (Z.-S.  I  461)  haben  in  gleicher  Weise  vermuthet,  auf 
Grund  des  Namens  Erineos,  dass  hier  ^zuerst  eine  Erinjs  geraubt 
wurde,  und  nicht  die  Persephone'.  Noch  ein  Haupteinwand  muss  be- 
seitigt werden,  der  sich  uns  von  Welckers  Seite  betreffs  unserer 
Etymologie  der  Tilphossa  (denn  diejenige  der  Erinys  versparen  wir 
uns  für  einen  gelegeneren  Ort)  entgegenstellt.  In  dem  Verse  nttm- 
lieh  des  Hom.  Hym.  auf  ApoUon  Pythios  (p.  496),  wo  der  Altar  des 
delphischen  Gottes  genannt  wird: 

"...  6  ßwjiöc 
auTÖc  bdXcpeioc  xai  ^Tiö^itoc  fccerai  aiet', 
fasst  Welcker  (Er.  Col.  Theb.  45^^^)  das  zweite  Epitheton  als 
Epexegese  ziun  veralteten  ersten  Ausdruck  und  erhält  somit  biX- 
q>€ioc  =  TyjXeq)OC  im  Einklang  mit  seiner  obigen  Ableitung;  aber 
die  Stelle  ist  nach  Baumeister  corrupt,  und  bei  Welcker  bleibt  das 
auTÖc  unerkl&rt,  das  vielmehr  einen  Gegensatz  zwischen  den  beiden 
mit  Kai  verbundenen  Attributen  einzuleiten  scheint.  Wollte  man  ja 
eine  Erklärung  auf  Grund  des  schlechten  Textes  versuchen,  so  hätte 
man  an  ein  Oxymoron  zu  denken  von  dem  ^in  der  Schlucht  gelegenen 
und  doch  weitberühmten  (Veithin  sichtbai^en')  Altar  des  Apollon; 
auf  diese  Weise  würde  eine  immerhin  ziemlich  augenfällige  Tauto- 
logie vermieden  und  die  Schwierigkeit  umgangen,  zu  erklären,  wie 
b^X-(p€i-oc  aus  der  Wurzel  OA-  hervorgegangen  sei.  An  den  Om- 
phalos  zu  denken,  der  ja  auch  zur  Noth  ^bauchig'  genannt  werden 
könnte,  verbietet  der  Mangel  an  Nachweisen,  dass  dieses  Caltobjekt 
als  *Altar'  bezeichnet  worden  ist. 

Was  nun  die  Anwesenheit  der  Erinys  in  Theben  betrifft,  so  wird 
sich  uns  dieselbe  aus  örtlichen  Verhältnissen  als  unzweifelhaft  ergeben. 
Vorläufig  sei  bemerkt,  dass  sie  in  dem  grossen  thebischen  Mythen- 
kreise von  Oidipus,  den  Belagerungssagen,  eine  viel  zu  grosse  Rolle 
spielt,  als  dass  sie  gefehlt  haben  könnte,  und  auch  in  dem  Eadmos- 
mythos  ist  sie  verbürgt  durch  ein  Scholion  zu  Soph.  Ant.  126 
(Elmsl.),  welches  sie  als  Mutter  des  Aresdrachens  imd  Gattin  des 
Ares  nennt:  ^^t^TÖvei  6  bpaKiüV  ii  "Apeiüc  Kai  TiXqpiiccric 
*€pivuoc'.  üeberraschend  wäre  aber  eine  Erscheinung,  wenn  sie  sich 
bestätigen  sollte:  dass  nämlich  die  drei  grossen  böotischen  Göttinnen 
wohl  in  und  um  Theben  zerstreut  sitzen,  aber  nicht  den  Trieb  zu 
einer  symbomischen  Vereinigung  geäussert  haben  sollten,  der  sich 
in  den  Praxidiken  zu  Haliartos  ausspricht  und  vielleicht  in  den  Tp€ic 
iräpOcvoi  zu  Eleon,  einem  Flecken  bei  Tanagra  (wenn  diese  nicht,  wie 
Bursian  (Geogr.  I  223)  möchte,  die  orchomenischen  Chariten  sind, 
bei  denen  freilich  die  Dreizahl  nicht  feststeht).  Und  zwar  würden 
wir  an  ihrer  Spitze  nicht  den  Poseidon  (oder  einen  Zeus  ktiicigc)  zu 
erwarten  haben,  sondern  Ares,  den  alteinheimischen  Gott,  mit  dem 
sie  auch  im  Eadmosmythos  erscheinen.    Aus  diesem  Grunde  können 


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696  K.  Tumpd: 

wir  uns  nicht  mit  den  Homololsohen  Göttinnen  zofrieden  gehen, 
Athene,  Demeter  und  Enjo,  da  sie  unter  der  Aigide  des  Zeus  Homo- 
lotos  erscheinen.  Zeus  aber  ist  in  Theben  und  Umgegend  erst  spSt 
eingeführt  (R  D.  Müller  I  234).*)  Auch  Ifisst  sich  eine  Enyo  in 
Theben  nicht  nachweisen.  Wir  wagen  darum  die  Vermuthnng'  aus- 
zusprechen, dass  die  dreifache  Aphrodite  der  Harmonia  mit  ihrer 
Beziehung  zu  Ares  uns  in  bloss  yerftnderter  Gestalt  die  drei  alten  Gr^t- 
tinnen  erhalten  hat.  Hierauf  bringt  ims  die  aufföllige  Thatsache, 
dass  die  drei  Aphroditen  in/denselben  Landschaften:  Theben,  Argos, 
Attika  und  Arkadien  erscheinen,  wo  auch  die  drei  alten  Qöttiimen 
sich  fanden,  was  auf  eine  Gleichartigkeit  der  Bevölkerung  hinweist: 
devi  beide  Dreiheiten  hatten  ihre  letzte  Wurzel  in  Boiotien  oder 
speciell  Theben.  Um  einen  Beweis  für  diese  Hypothese  anzutreten, 
müssen  wir  aus  inneren  Gründen  durch  den  Nachweis  der  Gleichartigkeit 
der  sich  entsprechenden  Göttinnen,  paarweis  genommen,  die  Möglich- 
keit eines  üebergangs  der  Tritonia  in  die  Urania,  der  Thesmophoros 
in  die  Fandemos  und  der  Ei*&js  in  die  Apostrophia  darthun. 

n.  Abschnitt:    Die  drei  Aphroditen. 

§  22.  Urania.  Hierbei  ist  selbstverständlich  abzusehen  von 
der  erotischen  Beziehung,  welche  man  später  jenen  drei  Eoava  ge- 
geben hat;  nämlich:  ^Oupaviav  im  ^piUTt  KaOapijj  Kai  diniXXaT- 
jLi^vip  TTÖGou  cw^dTiüv,  TTcivbTijLiov  be  ^iri  /niHeci,  Tpixa  be  ^Attoc- 
Tpoq)iav,  iva  ^TriGujLiiac  t€  dvö^ou  kui  ?pyujv  dvociwv  dTTOcrp^qpri 
TÖ  T^voc  TUJV  dvGpiiiruJv'  (Paus.  IX  16,  2).  Denn  einmal  wird  die 
Unterscheidung  zwischen  himmlischer  und  irdischer  Liebe  erst  den 
Philosophen  des  V.  Jahrhunderts  verdankt,  und  dann  waren  die 
Holzbilder  der  Urania  bewaffnet,  was  mit  der  Liebe  nichts  zu  thun 
hat.  Die  einzige  Ausnahme  würde  die  Aphrodite  von  Sikjon  sein, 
die  Gerhard  (Abb.  der  BerL  Akad.  der  W.  1843.  —  Gesammelte 
Akad.  Abh.  I  262)  und  Preller  (Gr.  Myth.  P  268)  Urania  be- 
nannt haben.  Aber  sie  hat  Mohn,  Polos  und  Apfel  statt  der  Waffen, 
und  Aldenhoven  (A.  d.  Inst.  1869,  p.  110*)  hat  deshalb  die  Be- 
rechtigung zu  dieser  Benennung  Gerhard  mit  gutehi  Grund  bestrit- 
ten.**) Auch  die  ^Oupavia  Moipiwv  TrpecßuTdni*  zu  Athen  (Paus, 
I  19,  2)  wird  nach  Analogie  der  mit  den  Moiren  verbundenen 
'AcppobiTTi  dvoirXioc  zu  Sparta  (C.  I.  Gr.  1444)  bewaffnet  gewesen 
sein.  Vor  Pheidias  ist  überhaupt  kein  Beispiel  einer  Urania  mit 
erotischer  Bedeutung  nachweisbar,  und  selbst  bei  seinem  Werke, 
der  elischen  Urania  (Paus.  VI  26,  2),  ist  noch  der  Zweifel  sehr 
berechtigt,  ob  das  Attribut  der  Schildkröte,  auf  welche  sie  den  Fuss 


*)  'Es  findet  eich  daselbst  kein  Cult,  der  mit  Sicherheit  ak  alt 
bezeichnet  werden  könnte;  doch  ist  der  Eintritt  des  Zeus  in  alte  Stamm- 
sagen  desto  deutlicher  wahrzunehmen!' 

**)  Ein  neues  Argument  wird  der  §  33  bringen. 


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Ares  und  Aphrodite.  697 

setzt,  wirklich  mit  Plutarch  (Graec.  coniug.  XXXII)  ethisch  auf 
die  ^olKOupia'  züchtiger  Ehefirauen  gedeutet  werden  müsse,  oder 
oh  nicht  viehnehr  an  die  Himmelsgöttin  zu  denken  sei,  welche  sich 
über  das  Himmelsgewölbe  erhebt.  Letzteres  ist  die  weit  ansprechen- 
dere Ansicht  Overbecks  (Plastik  I*  233).  Jedenfalls  wird  statua- 
risch eine  Pandemos  mit  hetftrischer  Bedeutung  der  elischen  Urania 
des  Pheidias  erst  im  lY.  Jahrhundert  durch  Skopas  zur  Seite  gesetzt. 
In  der  Zwischenzeit  wird  der  ethische  Gegensatz  geschaffen  worden 
sein,  zuerst  durch  Piaton  (Xenoph.  Sympos.  Vlll  9;  Plato.  Symp. 
180,  D  ff.  Gleichwohl  gibt  sich  Welcker  bei  den  thebischen  Holz- 
bildem  mit  der  Pausanias'schen  Erklärung  zufrieden  (Götterlehre 
I  672)  obgleich  er  für  den  Namen  Pandemos  auch  erst  eine  Ent- 
stehung unter  Selon  annimmt:  Die  Holzbilder,  die  man  auf  Harmonia 
zurückführte,  müssen  aber  älter  sein  als  Selon. 

§  23.  Pcmdemos.  Mit  dem  Namen  dieses  Mannes  ist  der  der 
Pandemos  yerbunden,  da  yon  ihm  aus  socialen  Gründen  im  An- 
schluss  an  diese  Aphrodite  ein  staatlich  concessionirtes  HetSrenthum 
geschaffen  ward.  Trotzdem  wird  yon  diesem  Cultnamen  eine  frühere 
politische  Bedeutung  behauptet(Pr  eil  er ,  Gr.M.I*  265).  DennTheseus 
soll  nach  Paus.  (I  22,  3)  den  Pandemostempel  gestiftet  haben  als 
Symbol  des  Synoikismos  der  sSmmtlichen  Demen ;  Apollodoros  scheint 
diese  Behauptung  zu  unterstützen,  wenn  er  bei  Harpokration  (s.  y. 
Pandemos  Aphrodite)  den  Namen  auf  die  Nachbarschaft  der  Ekklesia 
zurückführt,  des  VersanMnlungsplatzes  von  ^ircic  6  bfijioc'.  Aber 
gerade  die  Verschiedenheit  in  der  Begründung  durch  die  beiden 
Schriftsteller  hebt  die  Wahrscheinlichkeit  ihres  Grundgedankens  auf, 
wie  Hug  (zu  Plato.  Symp.  a.  a.  0.)  gut  bemerkt;  und  wir  halten 
deshalb  mit  Welcker  (G.6L.  I  672)  und  C.  Wachsmuth  (Athen 
I  485  f.)  die  theseische  Pandemos  für  eine  haltlose  Gelehrtencom- 
bination.  Aber  gleichwohl  kann  die  Hetären -Aphrodite  von  Selon 
nicht  aus  der  Luft  gegriffen  worden  sein^  sondern  seine  Institution 
ist  jedenfiBklls  an  ein  vorhandenes  Heiligthtun  bloss  angeknüpft  worden. 
Es  fragt  sich  nur,  welcher  Gestalt  die  Aphrodite  gewesen  sei,  die  es 
inne  hatte;  Hug  antwortet:  eine  Urania,  von  der  die  Pandemos  nur 
eine  Abzweigung  sei.  —  Wir  glauben  mit  grösster  Bestimmtheit 
sagen  zu  dürfen:  nicht  eine  Urania  von  Askalon-Sidon-Eythera, 
sondern  eine  kyprische  ^Aphrodite'  (=»  Astarte-Baaltis).  Nur  daraus 
erklärt  sich,  dass  Mie  Pandemos  mit  der  durch  Homer  und  andere, 
mehr  profeme,  Schriftsteller  bekannten  Aphrodite ,  Tochter  des  Zeus 
und'  der  Dione  identificirt,  und  mit  dieser  dem  jüngeren  Götter- 
geschlecht zugewiesen  wurde'  (Hug  a.  a.  0.).  Denn  die  achäische 
Dionaia  stammt,  wie  der  Beiname  Eypris  und  das  Fehlen  der  Ey- 
thereia  bei  Homer  beweist,  in  ihren  semitischen  Bestandtheilen  eben- 
falls aus  Eypros  und  ist  mythologisch  als  Zeustochter  an  das  jüngere 
Göttergeschlecht  angeknüpft,  während  die  kytherische  Urania  im 
theogonischen  System  durch  Uranos,  und  als  *  älteste  der  Moiren*  zu 

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698  K.  Tftmpel: 

dem  ttlteren  Göttergesohlecht  gehört,  Nor  in  dem  fortwirkenden 
Gegensatz  von  Ejpris  und  Kythereia  liegt  die  Erklärung  für  die 
Scheidung  der  Philosophen,  welche  sich  auf  die  Beobachtung  gründet, 
dass  Waoi  kqi  Buciai  elciv  xQ  fui^v  TTavbrj^if)  ^abioupTÖrepai,  rq  bi 
Oupaviiji  dYVÖT€pai'  (Xenophon.  Symposion  VIII  9).*)  Denn  nach 
der  bisher  beliebten  Scheidung  einer  orientalischen  unzüditigen  Aphro- 
dite-ürania  und  einer  griechischen  mütterlich- ehrwürdigen  Gemeinde- 
göttin Aphrodite -Pandemos  musste  die  vollständige  Umdrehung  des 
Verhältnisses  durch  die  Philosophen  ein  Räthsel  bleiben  und  zu  den 
künstlichsten  Erklärungsversuchen  (bei  Gerhard,  Preller)  führen.  Zu 
diesen  gehört  Welckers  von  Wachsmuth  (Athen  I  412)  acceptdrte 
Annahme  einer  griechisch-eingeborenen  Aphrodite-Ürania,  welche  mit 
dem  sittlich  intacten  Theil  der  Semitin  zusammengeflossen  sein  und 
den  üebergang  zu  der  Ansicht  der  Philosophen  in  der  nämlichen 
Weise  gebildet  haben  sollte,  wie  Solons  Name  die  umgekehrte  Meta- 
morphose der  alten  politischen  Pandemos  in  die  ethische  unsittliche 
bezeichne  (Gr.  Götterl.  I  673).  Dagegen  hat  Hug  (a.  a.  0.)  schon 
gut  den  Einwurf  gemacht^  dass  wir  von  einer  autochthonen  Aphro- 
dite-ürania  keine  Meldung  hätten.  Wenn  also  der  Name  Pandemos 
von  Natur  nur  die  Bedeutung  ^irdTKOivoc^  (Hug)  hatte,  so  ist  damit 
nicht  ausgeschlossen,  dass  trotzdem  die  Eypris  bei  den  lonern  nicht 
bloss  eine  Göttin  des  Familienlebens,  sondern  auch  der  Geschlechts- 
und Gemeindeverbindung  gewesen  sein  könne,  wie  Wachsmuth 
(Athen I  413)  nach  Preller  (Gr.  M.  I*  286  ff.)  vermuthete.  Daraus 
würde  sich  die  Entstehung  der  Legende  von  Theseus  erklären.  — 
Dass  umgekehrt  zu  Phanagoria  (C.  I.  Gr.  II  2109^)  eine  Widmung 
an  ^Geql  'AqppobiTij  Oupavi(ji  'AiraTOupij*  vorkommt,  würde  uns 
darin  nicht  irre  machen  können.  Denn  sie  liegt  an  den  äussersten 
örtlichen  und  zeitlichen  Grenzen  desGriechenthums(^CaXa  toC  irpiT- 
KiTTOc').  —  Zweifelhafter  ist  das  Alter  des  Namens  der  dritten 
Aphrodite: 

^  §.  24.  Äposlrophia.  Jedenfalls  ist  die  erotische  Bedeutung, 
die  er  haben  soll,  eine  sehr  künstliche;  denn  der  Gegensatz,  wel- 
cher die  Anreihung  neben  die  beiden  anderen  Aphroditen  moti- 
viren  soll,  ist  ein  so  pretiöser,  dass  er  nur  als  eine  Abfindung 
mit  einer  einmal  vorhandenen  Thatsache  gelten  kann;  oder  ist  die 
Thätigkeit  einer  Göttin,  welche  das  Gute  schafft  (^die  reine  himm- 
lische Liebe')  und  einer  anderen ,  welche  das  Schlimme  fern  hält  (^die 
Blutschande')  so  natürlich  und  noth wendig,  dass  man  diese  Thätig> 
keiten  auf  zwei  verschiedene  Gottheiten^  Urania  und  Apostrophia, 


*)  Die  korinthische  Urania  ist  erst  durch  eine  Yerfchmelsong  mit 
kjprischen  Gebräuchen  zum  Hierodulenthum  gekommen.  Denn  mit  Aus- 
nahme einer  einzigen  Stelle  ^ukianOB,  Hetärengespräche  p.  7)  findet 
sich  kein  Beispiel,  dass  eine  Hetäre  der  Urania  geopfert  hätte;  und  ge- 
rade hier  geschient  es  durch  ein  junges  unerfahmeB  Mädchen,  (Engel, 
Kypros  II  371). 


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Ares  und  Aphrodite.  699 

vertheilen  müsste?  Sie  fallen  Beide  unter  den  gemeinsadnen  Gesichtfi- 
ponkt  eines  guten  Princips,  zu  welchem  die  Pandemos  als  Vertreterin 
der  gemeinsinnlichen  Liebe  den  Gegensatz  bilden  würde.  Sinn  hätte 
die  Apostrophia  nur,  wenn  sie  eine  göttliche  Vertreterin  jener 
ävöcia  ipfa  wäre;  aber  das  steht  mit  der  Ueberlieferung  im  Wider- 
spruch. Wir  schlieseen  hieraus,  dass  die  drei  Aphroditen  einmal  da 
waren,  und  dass  erst  später  in  nothdürftiger  üebereinstimmung  mit 
der  echten  Grundbedeutung  eine  Beziehung  zu  dem  schon  bei  Homer 
in  solcher  Plasticität  hervortretenden  Frincip  der  Liebe  in  ihren  ver- 
schiedenen Erscheinungsformen  gesucht  wurde. 

Was  war  aber  die  eigentliche  Bedeutung  jenes  Namens?  Er 
ist  nicht  wie  derjenige  der  Pandemos  und  Urania  auch  ausser  Theben 
bezeugt,  sondern  hat  sich  nur  hier  erhalten.  Aufschluss  kann  uns 
nur  geben  die  Aphrodite  Epistrophia  zu  Megara,  deren  Heüig- 
thum  Pausanias  (I  40,  5)  zusammen  mit  einem  Tempel  des  Dionysos 
Nyktelios,  einer  Orakelstätte  der  Njx  und  einem  unbedachten*)  Tempel 
des  Zeus  Kövioc  nennt.  Das  Nächstliegende  wäre,  hier  eine  Art  Pan- 
demos zu  vermuthen,  etwa  in  der  Bedeutung,  wie  sie  z.  B.  Aisoh. 
Suppl.  972  (Overdick)  in  der  Bezeichnung  der  KOÖpai  als  ^&pa  ^1TI- 
CTp€iTTOC  ßpoTOic'  (zur  Liebe  anlockend)  anklingt.  Dann  würde  die 
Nachbarschaft  des  nächtlichen  Dionysos  einen  Zusammenhang  mit  den 
nächtlichen  Orgien  des  trieteriscben  Zagreus  Bromios  vermuthen  lassen 
und  der  Zeus  KÖvioc  einen  sonderbaren  Anklang  an  KOViZciv.  Aber 
mehr  empfiehlt  es  sich  unstreitig,  den  Zusammenhang  dieses  Cult- 
complexes  ernst  zu  nehmen,  wegen  des  Nyx-orakels,  und  wir  haben 
dann  in  der  Epistrophia  einen  Euphemismus  für  Apostrophia,  also 
ein  sich  abwendendes,  unfreundliches,  zürnendes,  der  Versöhnung 
bedürftiges,  mit  einem  Wort:  chthonisches  Wesen,  wozu  der  ^Aschen- 
Zeus'  (Engel:  Eypros  II  363)  und  der  chthonische  Dionysos  gut 
stimmen,  letzterer  als  Mer  in  die  Unterwelt  gebannte,  gequälte  Gott, 
eine  Allegorie  der  Wandelbarkeit  des  irdischen  Naturlebens'  (Preller, 
Gr.  M.  I^  537).  Wir  kommen  so  zu  einer  gleichen  Bedeutung, 
wie  sie  Gerhard  (Venusidole:  Abb.  d.  BerL  Akad.  d.  Wissensch.  1843 
p.  312.  Gesammelte  Ak.  Abhandl.  I  264)  für  die  Apostrophia 
in  Anspruch  genommen  hat:  als  einer  sühnbedürffcigen  Todesgöttin. 
Zur  Erklärung  lässt  sich  passend  das  Beiwort  beiziehen,  welches 
Sophokles  einmal  (Aias,  608  Chor)  dem  Hades  gibt,  wenn  er  ihn 
nennt  *TÖv  diTÖTpOTTOV  dibT]Xov  "Aibiiv*.  Denn  dirÖTpoiroc  und 
d7rocTp6q)ioc  sind  ausser  völliger  Bedeutungsgleichheit  auch  nahezu 
stammverwandt.  Gerade  in  Boiotien  aber  war  eine  solche  Erdgöttin 
Aphrodite  häufiger:  so  hiess  sie  zu  Thespiai,  wo  der  alteinheimische 
Eros  sich  an  sie  angeschlossen  zu  haben  scheint,  Melainis,  mit 
einem  allen  Unterweltswesen  gemeinsamen  Beiwort.  Aehnlich  ist 
die  Aphrodite  Epitymbia  zu  Delphoi  (Plut.   Quaest.   Rom.  XX) 


*)  Aehnlich  P.  IX  33,  2. 

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700  K.  Tümpel: 

and  die  Höhlen -Aphrodite  za  Naupaktos  (Engel,  Eypros  11  473), 
um  von  anderen  nordgriechischen  Gülten  zu  schweigen.  Doch  alle 
diese  Beispiele  aus  der  Umgegend  würden  für  Theben  nichts  be- 
weisen, wenn  wir  nicht  auch  bei  der  dortigen  Aphrodite  zwingende 
Argumente  für  eine  chthonische  Natur  ins  Feld  zu  führen  vermöchten. 
Und  diese  Lücke  wird  glücklich  ausgefällt  durch  eine  Notiz,  die  uns 
von  den  Berichterstattern  über  die  IJeberrumpelung  der  Eadmeia  und 
die  Vertreibung  der  Spartaner  379  a.  Chr.  vermittelt  wird:  dass  nSm- 
lich  die  Einnahme  der  Eadmeia  durch  die  Sorglosigkeit  und  Featlaone 
der  Befehlshaber  begünstigt  worden  sei,  welche  an  dem  Aphrodisien- 
feste  sich  betheiligt  hStten  (Folyainos,  Strategemata  11  4,  3:  *i)V 
^AcppobiT^c  ^opTirj ').'*')  Dieses  fiel  mit  dem  Amtswechsel  der  the- 
bischen  Polemarchen  zusammen  (Xenophon  über  das  nSmliche  E^reig- 
niss:  Hellenika  V  4,  4:  *TToX^jui«PXOi  ScfOYttc  'Acppobicia  dir*  Ö- 
öbifi  Tf^c  dpxnc')*  I>dr  Amtswechsel  wird  aber  auf  den  Jahresanfang 
festgesetzt  gewesen  sein,  der  in  Boiotien  auf  die  Wintersonnenwende 
fiel  (Böckh.  C.I.  Qr.p.  732:  ^ Boeotici  civilis  anni  cardo  est  noTilanimn 
solstitio  hibemo  prozimo  succedens').  Wenigstens  wurden  auch  die 
Boiotarchen  an  diesem  Tag  von  ihren  Nachfolgern  abgelöst  (Flu- 
tarch^  Pelopidas  XXIV:  x^iM^voc  ^kv  fjcav  a\  iT€pi  rpon&c  dK^at, 
^Tivöc  bk  Tou  T€X€UTaiou  qiOivovToc  öXitai  ircpificav  fm^pai  xai  tfjv 
Äpxf|V  fb€i  TrapaXo|Lißdv€iv  irlpovc  euOuc  icTa^^vou  toö  irpuiTou 
pt^vöc'  KT^.).  Damit  stimmt  auch  der  zweite  umstand  wohl  zu- 
sammen, welcher  den  Verschworenen  Vorschub  leistete,  nftmlich  ein 
starker  Schneefall,  der  in  dieselbe  Jahreszeit  weist  (Plut.  a.  a.  O.  IX). 

Eine  Gottheit,  der  winterliche  Feste  gefeiert  werden,  muss  mit 
dem  Tod  in  Natur-  und  Menschenleben  in  engster  Beziehung  stehen, 
eine  chthonische  sein;  was  zu  der  oben  eruirten  Bedeutung  der  Apo- 
strophia  stimmt.  Unbestreitbar  ist  die  Allgemeinheit  dieser  Benen- 
nung, welche  durch  die  Eustomie  einer  weniger  schneidigen  Be- 
zeichnung einen  ftlteren,  kr&fligeren  Cultnamen  verbergen  zu  wollen 
scheint,  wie  man  anderweit  sogar  in  dem  Bestreben,  die  düsteren 
Züge  ganz  zu  verwischen,  eine  Epistrophia  schuf.  Und  diesen  ur- 
sprünglichen Namen  glauben  wir  in  einer  wichtigen  Glosse  des  He- 
sych  erhalten,  die  uns  jetzt  beschäftigen  soll. 

§  26.  Vergleichung  heider  Gntppen.  Diese  Glosse  heisst:  *'€pi- 
vuc*  bai|Liu)v  KaTax8övioc'  f|  'Acppobirri  f\  elbwXov',  (M.  Schmidt; 
*f|'  delevit  Musurus)  und  erhalt  durch  den  von  uns  gegebenen  Zu- 
sammenhang erst  ihren  Werth  und*  ihre  Erklärung.     Denn   bisher 


*)  Die  Aphrodisia  mit  Schneider  und  Breitenbach  (zu  Xenophon  1.  c.*^ 
^metaphorice'  als  comisatio,  epulae  zu  nehmen  analog  den  ^'A9po5(aa' 
der  'nautae  ex  longo  itinere  reduces'  auf  dem  Festland,  verbietet  ausser 
der  Parallelstelle  des  PolyainoB  der  genügend  verbürgte  Cult  der  Aphro- 
dite zu  Theben  neben  Ares  (§  6),  sowie  Piutarch  (Quaesi  Born.  112): 
'oÖT€  iv    Hpac  [lepotc]   'AeV^viiav  oöre  OifjßTiciv  iv  'A<ppo&(TTic  töoi 

TIC  dv   KITTÖV'. 


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Ares  nnd  Aphrodite.  701 

haben  so  ziemlich  s&mmtliche  uns  angehenden  Worte  dwselben  wegen 
ihrer  Bäthselhaftigkeit  Anstoss  gegeben,  hanptsfichlich  wegen  des 
jeden  möglichen  Sinn  zerreissenden  zweiten  ^f\%  dem  zu  Liebe  Triller 
(Observ.  critic  346)  statt  ^f\  'A-iic*  —  i^epo<poiTic  lesen  wollte, 
viel  zu  willkürlich  und  kühn.  Nicht  besser  ist  die  Conjectur  Küsters, 
der  ^'€pi^VTOC  (cognomen)  'Aq)pobiTT)c'  lesen  wilL  So  behält  denn 
neuerdings  A.  Bosenberg  (Erinyen  p.  20)^)  das  fi  wieder  bei  und 
erinnert  an  Nonnos  (Dionys.  XVI  294): 

*elci  Kttl  IjieipovTGC  '€pivu€c  . ,  / 
Doch  abgesehen  davon,  dass  wir  damit  die  glossirte  Stelle  doch  nicht 
in  Händen  haben,  ist  der  Gedanke  so  gesucht,  dass  wir  ihn  kaum 
ausserhalb  Nonnos  vermuthen  können.  Wir  erblicken  deshalb  hier, 
mag  nun  ^f\  'A(ppobiTr)C  (sc  cognomen)  f|  elbuiXov'  oder  besser  ^1^ 
'Aq>pobiTT)C  elbwXov'  zu  lesen  sein,  einen  Beleg  für  die  Aphrodite- 
Erinys,  wie  sie  in  Theben^  aus  dem  Uebergang  der  Tilphossa  in  die 
Eypris  entstanden  sein  muss  und  später  rein  erotisch  in  der  Apo- 
strophia  fortlebte.  eibuiXov  ist  kaum  anders  möglich,  denn  als  *=» 
•  äxaXfia  zu  ÜBLssen;  dieser  etwas  späte  Sprachgebrauch  kann  für  die 
Zeit  des  Commentators,  aber  nicht  für  die  commentirte  Stelle  etwas 
beweisen.  Doch  noch  für  eine  weitere  Glosse  müssen  wir  Hesych 
dankbar  sein,  in  welcher  ^Gu^ev^c'  als  ein  Beiname  der  ^'Aqppo' 
(-biTTi  Husums)  erwähnt  wird.  Die  Analogie  der  Eumeniden  legt 
eine  Aphrodite-Erinys  nahe  genug  und  auch  der  Euphemismus  in 
der  Epistrophia  erhält  eine  dankenswerthe  Parallele.  Dieser  umkleidet 
überhaupt  nur  das  Streben,  die  bei  der  chthoniachen  Präcisirung  ver- 
loren gegangene  naturmythische  Universalität  ins  ethische  Gebiet  zu 
retten.  Auf  eine  Aphrodite-Erinys  hat  schon  Engel  (Eypros  11 
254)  Gewicht  gelegt,  aber  ohne  einen  richtigen  Gebrauch  von  ihr 
zu  machen;  er  bringt  sie  als  ^thrakische  Hekate'  über  Areion  und 
Demeter-Ennys  ndt  Ares  zusammen,  und  dabei  entgeht  ihm  das 
Wichtigste,  jenes  winterliche  Aphroditefest.  Er  wundert  sich  zwar, 
dass  Während  der  Aphrodite,  der  Göttin  alles  blühenden  Lebens, 
der  Frühling  und  vorzugsweise  der  April  geweiht  zu  sein  pflege,  als 
diejenige  Jahreszeit,  in  welcher  das  Leben  der  Natur  neu  erregt 
wird,  und  die  ganze  Schöpfung  von  Zeugungslust  und  dem  Tnebe, 
Leben  zu  schaffen  erfüllt  ist^  hiervon  nur  das  Fest  der  thebischen 
Aphrodite  eine  Ausnahme  zu  machen  scheine'.  Aber  eine  Verknüpfang 
mit  der  Erinys -Tilphossa  über  die  Aphrodite- Erinys -Apostrophia 
liegt  ihm  fem.  Er  denkt  nicht  daran,  dass,  wie  dieses  Fest,  auch 
der  Name  Apostrophia  nur  in  Theben  erscheint,  sondern  hilft  sich, 
indem  er  sagt:  ^Diese  Einrichtung  muss  aus  Begriffen  hervorgegangen 
sein,  welche  dem  alten  thebanischen  Eabirencult  zu  Grunde  lagen' 
(n  160). 

Die  aufE&llige  Singularität  des  winterlichen  Aphroditefestes  zu 
Theben  weist  uns  noch  mit  besonderem  Nachdruck  auf  die  nicht- 
semitischen Wurzeln  dieses  Cultes  hin,  da  wirklich  mit  dieser  ein- 


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702  K.  Tümpel: 

zigen  Aasnahme  in  der  ganzen  antiken  Welt  die  Aphrodisien  za  An- 
fang April  begangen  wurden  und  nach  altphönikischer  Sitte  das  Jahr 
begannen.  Die  thebische  Aphrodite  aber  feiert  ihr  Fest  an  der 
Wintersonnenwende,  die  überall  in  Boiotien  den  Jahresanfang  bildet, 
und  beweist  dadurch  hinlänglich,  dass  sie  ihren  Namen  an  eine  auto- 
chthone  Göttin  verloren  hat^nfimlich  die  Erinys-Tilphossa,  wie  wir 
jetzt  schon  yermuthen  dürfen  in  Erwartung  weiterer  BestStigungen. 
Wir  schreiten  nun  zur'  Vergleichung  des  anderen  Paares:  der 
Demeter  Thesmophoros  und  der  Aphrodite  Pandemos,  bei  der  wir 
aus  den  Namen  der  ersteren  schon  zur  Noth  eine  Brücke  zur  Aphro- 
dite bilden  können:  Euchloos  und  Thelxinoia,  um  von  anderen  in 
unseren  Zusammenhang  nicht  hineinspielenden  zu  schweigen.  Beide 
haben  eine  enge  Beziehung  zum  Naturleben  in  seiner  heiteren  Seite 
allmählich  herausgebildet,  freilich  imter  ganz  verschiedenen  Ein- 
flüssen: Demeter  unter  dem  Druck  der  Zusammenstellung  mit  Perse- 
phone  und  Erlnys,  welche  die  unterweltliche  Seite  ihres  Wesens  an 
sich  zogen,*)  —  die  Aphrodite  Pandemos  durch  äusserliche  Trennung 
von  der  Apostrophia,  während  sie  früher  als  Eypris  beide  Seiten, 
Lust  und  Trauer,  des  Naturlebens  gleichmSssig  in  sich  vereinigte. 
Die  nächtlich' winterliche  Phase  der  Kypris  als  Göttin  des  ersterben- 
den Naturlebens,  wie  es  sich  in  ihrem  Grab  auf  Kjpros  z.  B.**)  zeigt, 
steckt  in  der  Apostrophia;  in  der  etwas  zu  specialisirten  Benennung 
Pandemos  ihre  Beziehung  zu  sommerlicher  Fruchtbarkeit,  Heiterkeit 
und  Frieden  im  Naturleben.  Die  Peitho,  die  von  Theseus  mit  der 
Pandemos  zugleich  eingeführt  worden  sein  sollte  zu  Athen  (Paus. 
I  22,  3),  ist  im  Grunde  selbst  nur  eine  Pandemos,  denn  zu  Megara 
nahm  ein  Standbild  des  Peitho,  wie  Paus.  (I  43,  6)  sagt,  den  Ehren- 
platz im  Tempel  der  Aphrodite  ein.  Sie  entspricht  fast  wörtlich,  wie 
schon  Welcker  sah  (Aisch.  Tril.  Prom.  189),  der  Thelxinoia,  die  zu 
Athen  als  *Here'  und  nicht  als  Demeter  verehrt  wurde  (Hesych  s.  v.). 
Nebenbei  ist  es  sehr  gut  denkbar,  dass  jene  Meinung:  die  athenische 
Pandemos  habe  wirklich  die  politische  Beziehung  zu  Theseus,  still- 
schweigend mitgewirkt  hat  bei  der  üebertragimg  des  athenischen 
Aphrodite-Namens  auf  die  thebanische  ^Aphrodite-Thesmophoros*,  wie 
wir  als  ursprünglichen  Namen  des  mittleren  Aphroditebildes  voraus- 
setzen dürfen,  analog  der  Aphrodite-Erinjs.  Der  Vergleich  zwischen 
Eadmos,  der  unter  den  Anspielen  der  Demeter  die  Eadmeia  gründete, 
mit  Theseus  lag  nahe  genug.  Wir  haben  jetzt  noch  einem  Einwand 
zu  begegnen,  dass  nämlich  nicht  in  der  Aphrodite  Apostrophia  die 
Erinys  stecken  könne,  sondern  eben  in  der  Persephone,  welche  später 


*)  Reste  noch  in  ihrer  Entfernung  vom  Olymp,  während  welcher 
sie  schwach,  nicht  sprechend,  nicht  lachend,  nicht  essend  noch  trinkend 
war,  gleich  den  Schatten,  ins  Todtenreich  hinabfahrend;  femer  in  der 
Benennung  der  Todten  als  'ATmiup^oi*. 

♦•)  Clemens  Alex.  Recognitfc.  XIII  24:  'A9P0&{ttjc  ö  Td<poc  öcficyxrrai 
£v  TTdtptp. 


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Ares  und  Aphrodite.  703 

an  die  Seite  der  Bnrggöttm  Demeter  trat  bei  Einführung  des  eleu- 
sinischen  Cultes.  Denn  wirklich  nennt  Euripides  (Fhoen.  684  Nauck) 
Demeter  und  Persephone  als  älteste  Götter  Thebens,  die  es  sogar 
gegründet  hätten.  Aber  bedenklich  muss  uns  zweierlei  machen: 
erstens,  dass  als  dritte  im  Bunde  die  Oaia  genannt  wird: 

*co(  viv  ^KTOVoi  ktIcov, 

Sv  biibvu^oi  Oeai 

TTepc^ipacca  ical  cpiXä 

Aa^driip  Bca 

TTdvTiuv  ävacca,  Trdvruiv  bfe  fä  Tp6<poc 

^KTT^CaVTC/ 

Denn  es  ist  klar,  dass  in  der  Quelle,  der  hier  Euripides  folgte,  mit 
der  Gküa  die  Erinjs  gemeint  war,  die  ja  auch  als  Mutter  des  thebi- 
schen  Drachens,  wie  des  Areionrosses  in  dieser  kosmogonischen  Potenz 
aufging.  Dann  wäre  Erinjs  in  der  Persephassa  noch  einmal,  also 
doppelt  da.  Die  letztere  hat  aber  selbständig  und  an  der  Hand  des 
Zeus,  also  spät  (cf.  oben  p.  696*))  ihren  Einzug  in  Theben  gehalten. 
Denn  es  heisst  im  Schol.  zu  Eur.  Phoen.  687  (Dind.  III,  195,  11  ff.) 
'KaxdjKOuv  bt  ^v  enßaic  Ar\\if\V!]p  kqi  TTepcetpövr]  ibc  \ily  tiv^c  qpaciv, 
bid  TÖ  bu)pi^cac9ai  9nßac  TTepceqpövij  töv  Aia  xdpiTOC  tivöc  ?V€Ka 
TTpouTtapEdaic  auTiö  Tiapd  rflcbe*'  (ebenso  Schol.  v,  682,  p.  190, 18  ff. 
a.  a.  0.).  Zum  Ueberfluss  muss  die  Beobachtung,  dass  vielmehr  eine 
Demeter-Erinjs  sich  bildete,  die  Möglichkeit  einer  Persephone-Erinys 
ausschliessen. 

Wir  denken  also  den  üebergang  der  Erinjs  in  die  Apostrophia 
und  der  Thesmophoros  in  die  Pandemos  als  möglich  erwiesen  zu 
haben,  und  auch  bei  der  Tritonia  und  Urania  kann  es  nicht  schwer 
halten.  Beide  haben  sich  zu  Göttinnen  des  Himmels  entwickelt  oder 
werden  wenigstens  als  solche  verstanden,  wobei  wir  uns  nicht  einmal 
darauf  zu  berufen  brauchen,  dass  Athene  häufig  Sterne  am  Helm  oder 
an  der  Aigis  trägt,  und  die  Volksetymologie  aus  Astarte  andererseits 
Asteria  machte.  Beide  haben  einen  strengen,  etwas  kalten  Charakter, 
wenn  derselbe  auch  bei  der  Urania  nicht,  wie  bei  der  Athene,  in 
seinem  weiteren  Verlauf  zur  strengen  Durchführung  der  Jungfräulich- 
keit führte.  Bei  Beiden  hat  ihre  Natur  die  gleiche  Symbolik  der 
Bewafhung  ergeben,  mit  Schild,  Speer  und  Helm,  so  dass  ein  Üeber- 
gang der  einen  Göttin  in  die  andere  durchaus  nicht  ausser  dem  Be- 
reich der  Möglichkeit  liegt. 

Wenn  wir  nun  aber  nach  der  Veranlassung  zu  dem  Üebergang 
der  drei  verschiedenen  Göttinnen  in  die  eine  Aphrodite  forschen,  so 
muss  ein  bedeutendes  Mittel  gewesen  sein  der  enge  Zusammenhang,  in 
welchen  die  drei  boiotisch-thebischen  Göttinnen  zu  einander  traten. 
Es  fragt  sich  nur,  welchergestalt  das  verbindende  Band  gewesen  sein 
möge.     Etwa  ein  physischer  Gedanke?  wie  Engel  (II  363)  ver- 

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704  K.  Tümpel: 

muthen  möchte.*)    Wirklich  denkt  anch    Gerhard   an  eine  pan- 
the^istische  Aphrodite  mit  Herrschaft  im  Himmel  (Urania),  Erde  (Pande- 
mos)  und  Unterwelt  (Apostrophia).  Aber  diese  für  3  Holzbilder  olmehin 
etwas  preeftre  Auffassung  ist  ganz  undenkbar  für  die  Dreiheit  Athene, 
Thesmophoros,  Erinys,  die  durch  eine  äusserliche,  historisch -poli- 
tische Veranlassung  zusammengekommen  sein  muss.   Und  diese  £Liiden 
wir  in  der  Gründung  der  Kadmeia  durch  die  argivischen  Kadmos- 
diener,  welche  die  Göttinnen  zweier  absorbirter  Autochthonensiänune 
an  die  ihre  anschlössen.  Eine  völlige  Zusammenschliessung  an  einander 
geschah  aber  erst  mit  dem  Aufgehen  in  der  phönikischen  Göttin,  das 
durch  das  enge  Zusammengehen  dieses  Gultes  mit  dem  Bilderdienst 
den  Uebergang  noch  mehr  erleichtem  mosste.    Der  Nachweis  eines 
Verkehrsweges   zwischen  Theben  und  Kjpros,  auf  dem  der  Ueber- 
gang der  Erinjs  und  Thesmophoros  ermittelt  worden  wäre,  scheint 
schwer;  wenigstens  ist  das  Vorhandensein  eines  Halsbandes  der  Har- 
monia,  das  doch  zu  Theben  gezeigt  ward,  auch  zu  Amathus  (Paus. 
IX  41^  2)  kein  rechter  Anhaltspunkt.    Dagegen  scheint  ein  solcher 
für  die  Urania  yorhanden  zu  sein.    Die  athenische  Urania  *iv  icr|Troic' 
nämlich,  dieselbe  welche  ^pecßuTaTT]  Moipujv'  heisst^  ist  die  angeb- 
lich von  A  ige  US  gestiftete  ^  dessen  Wohnhaus  in  der  Nähe  gezeigt 
ward  (nicht  die  rein  phönikische  im  Gau  Melite,  von  welcher  Pau- 
sanias  (I  14,  7)  irrthümlich  diese  Nachricht  erzählt:  Wachsmuth^ 
Stadt  Athen  I  411).    Aigeus   aber   ist  ein  Beiname  des  Poseidon 
(0.  Müller,  Orch.  p.  272.  Derer  I  238  und  H.  D.  Müller  I  146), 
der  als  solcher  der  Heros  Eponjmos  der  Aigiden  ist  (H.  D.  Müller 
a.  a.  0.).    Diese  aber  sind  bei  ihrer  Umsiedelung  nach  Lakonika  und 
Thera  jedenfalls  mit  der  kjthenschen  Urania  in  Berührung  gekom- 
men und  haben  auf  diese  Weise  die  Verschmelzung  yeranlasst.    So 
findet  sich  zu  „Aigion^*  am  Hafen  ein  Tempel  des  Poseidon  und 
—  der  Urania  statt  der  Tritonia^Hippia  (Paus.  VH  24,  l).  Insofern 
haben  also  Welcker  (G.  GL.  I  671)  und  Wachsmuth   (Athen 
I  412)  einen  richtigen  Grundgedanken  gehabt,  wenn  sie  auf  einer 
echt  hellenischen  Aphrodite  Urania  bestanden;  nur  ist  diese  eben 
nicht  eine  Aphrodite,  sondern  eine  Pallas  Tritogeneia  der  Aigiden, 
eine  alte  Gattin  des  Aigeus,  die  für  gewöhnlich  sich  an  die  attieehe 
Athene  anschloss.**)    Zu  einer  besonderen  Genugthuung  muss  es 
uns  gereichen,  von  einer  ganz  yerschiedenen  Seite  her  mit  Brandis 

*)  Freilich  p.  56  denkt  er  anders;  hier  rückt  er  die  flolsbilder  mit- 
sammt  ihrer  ethischen  Bedeutung  „in  das  höchste  Alterthum"  und 
wundert  sich  dann  über  die  Consequenzen  seiner  Ansetzung.  „In  der 
Bedeutung,  welche  diese  drei  Holzbilder  der  Aphrodite  OOpavta,  der 
himmlischen,  TTdvöimoc,  der  irdischen,  imd  'Airocrpoqpfa,  der  die  Blut- ' 
schände  abwehrenden,  beigelegt  war,  müssen  wir  ein  bedeutendes  Merk- 
mal der  Geistesbildung  erkennen,  weil  sie  schon  den  Gegensatz  der  reinen 
und  unreinen  oder  erlaubten  und  nicht  erlaubten  Liebe  ausdrücken^*. 

**)  Hängt  das  redende  Symbol  der  ^Aigis'  mit  dieser  Stammver- 
ehnmg  zusammen? 


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Ares  und  Aphrodite.  705 

lusammenzustimmen,  der  in  seinem  mehrfach  citirten  Aufsatz  ^Ueber 
die  Bedeutung  der  7  Thore  zu  Theben'  im  Hermes  II  280  schon 
1867  es  ausgesprochen  hat,  dass  ^  unter  den  drei  uralten  Schnitz- 
bildem  der  Aphrodite  zu  Theben  das  Bild  der  Urania  diejenige  Oöttin 
darstellt,  der  das  ongkfiische  Thor  geweiht  war'«  Wir  beriefen  uns, 
um  das  Aufgehen  der  drei  yerschiedenen  Göttinnen  in  Aphrodite  zu 
erklftren,  auf  die  ursprüngliche  Zusammengehörigkeit  der  Eypris  und 
Eythereia,  sowie  auf  die  politische  Thätigkeit  der  Eadmeionen,  die 
auch  eine  Art  cuvoiKtc^öc  in  ihrer  Weise  war.  Aber  ein  paar  wich- 
tige Parallelen  werden  die  Thatsache  noch  erklärlicher  erscheinen 
lassen. 

m.  Absohnitt:    Aphrodite  und  Ares  als  Metamorphose  des 
aoxÜBChen  Gtötterpaars  Erinys  und  Ares. 

§  26.  JSnifo  und  die  Homoloioi.  Wir  wollen  nicht  nfther  ein- 
gehen auf  die  Prazidiken,  die  ^Tpetc  Träp6€V0i',  die  wir  schon  er- 
wähnten, und  die  KaOapoi  zu  PaUantion,  sondern  an  eine  gut  boio- 
tische  Vereinigung,  die  schon  oben  erwähnten  Homolotschen  Oötter, 
anknüpfen.  Von  den  weiblichen  Gottheiten  sind  sicher  wieder  eine 
Athene  Homolols  und  eine  Demeter  Homolola.  Die  dritte,  Enjo 
Homolots  hat  0.  Müller  (Orchom.'p.  229  undmit  ihm  Gerhard, 
Gr.  Mjth.  §  604)  erst  aus  der  Legende  (Suidas  s.  v.  *0|lioXu)ioc  Zeuc 
und  SchoL  Theokr.  VII 103)  herausgeschält:  HomoloKs,  eine  Prieste- 
rin der  Enjo,  habe  den  Dienst  des  Zeus  HomololCos  gestiftet  Hier- 
durch soll  nur  die  HomoloYsche  Cultyariante  des  Zeus,  der  dieser 
Göttinnendreiheit  präsidirte,  und  das  ünicum  einer  daraus  resulti- 
renden  Cultverbindung  mit  Enyo  erklärt  werden.  Die  Enjo  Homo- 
lo"is  darf  man  durch  ein  solches  Mythologem  sich  nicht  zerstören 
lassen,  wie  es  bei  Welcker  geschieht.  Dieser  denkt  durch  die  Be- 
aeichnung:  ^etymologische  Fiction'  den  allerdings  entstellten  Kern 
des  Mythos,  und  somit  das  ^Versehen'  0.  Müllers  abthun  zu  können 
(Gr.  G.  L.  I  706;  11  208).  Ja,  man  hätte  ein  erinysartiges  Wesen 
nach  unseren  obigen  Analogien  yermuthen  dürfen  als  dritte  im  Bunde 
der  Athene  und  Demeter,  auch  wenn  jene  Legende  von  der  HomoloY- 
Bchen  Enyo  uns  verloren  gegangen  wäre.  Der  Anschluss  an  Zeus  kann 
uns  bei  der  offenbar  jüngeren  nachepisohen  Stiftung  des  HomoloY- 
schen  Dienstes  nicht  gross  Wunder  nehmen.  Fanden  wir  doch  eine 
ganz  analoge  Gesellschaft  unter  Poseidon  vereinigt.  Es  sprechen 
alle  Anzeichen  dafür,  dass  die  Erinys,  welche  hier  den  Platz  mit 
Enyo  wechselt,  mit  dieser  ursprünglich  identisch  sei.*)  Einen  ge- 
.  wissen  Parallelismus  der  Entwickelung  weisen  sie  Beide  auf,  indem 
sie  sich  zu  Mehrheiten  von  furchterregendem,  hässlichem  und  ält- 
lichem Aussehen  entwickelten,  den  Grasten  und  Erinyen.    Vielleicht 


*)  Dass  Enyo  nicht  mit  der  kleinasiatischen  Anattis  identisch  ist, 
wie  Schwenck  (Myth.  1  226)*)  wollte,  ist  klar. 


Jahrb.  f.  olass.  Philol.  Soppl.  Bd.  XI.  45 

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706  K.  Tümpel: 

liegt  auch  schon  im  Namen  eine  Gleichheit*)  atisgedrückt.  Am  wich- 
tigsten für  imsere  Frage  aher  ist,  dass  Beide  in  einer  engen  Be- 
ziehung zu  Ares  stehen,  der  nach  der  einen  yon  ihnen  sogar  Enja* 
lies  heisst.  Es  befestigt  sich  hierdurch  unser  Vertrauen  in  die  An- 
gabe des  Sophoklesscholions  (Ant  126),  welches  von  einer  ehe- 
lichen Verbindung  derselben  beiden  Gottheiten  berichtet,  die  wir  auch 
zu  Athen  am  Areiopag  in  uralter  Cultvereinigung  getroffen  hatten, 
von  Ares  und  Erinjs.  Freilich  darf  die  Analogie  der  Enyo  nicht 
dazu  verleiten,  etwa  die  Erinys  ftlr  eine  bewaffnete  Göttin  zu  halten, 
wofür  sich  nur  mit  grüsster  Bedingtheit  der  Beiname  ^irroXiiropOoc' 
der  Ersteren  in  der  Ilias  (£  333)  geltend  machen  liesse.  Es  war  also 
etwas  unbedacht  von  Härtung,  dass  er  (Religion  und  Myth.  d. 
Griechen  III  102)  sagte:  ^Aphrodite  bei  aller  ihrer  Weichlichkeit 
verleugnet  doch  ihre  Amazonennatur  nicht,  wenn  sie  mit  einem  Har- 
nisch angethan  inGesellschaft  des  AreSy  als  Enyo  mit  Enyalios,  auf- 
tritt'. Schliesslich  sei  noch  als  überraschende  Thatsache  hervorgehoben, 
dass  in  Athen  sich  fast  alle  oben  vergleichsweise  zusammengest-ellten 
Dreizahlen  wenigstens  in  einzelnen  Fragmenten  zusammengefunden 
haben,  Dass  jene  2  Aphroditen  ein  Best  der  thebischen  Aphrodite- 
dreizahl sei,  vermutheten  wir  aus  der  dabeistehenden  Athene,  die 
wir  nun,  sei  es  als  Ueberlebsel  oder  als  Rückfall  in  das  Syatem  der 
drei  älteren  boiotischen  Gottheiten  bezeichnen  dürfen.  Drittens 
fehlen  aber  auch  dieHomololoi  nicht;  denn  sie  sind  vertreten  durch 
Enyo;  so  dass  sich  die  von  uns  oben  (p.  657)  aus  anderen  Gründen 
vermuthete  boiotische  Cultstätte  in  und  um  jenen  Arestempel, 
in  dem  diese  Statuen  sich  befinden,  in  umfafisender  Weise  bestätigt. 
Die  Erscheinung  aber,  dass  um  Ares  sich  diese  verschiedenartigen  Er- 
innerungen schaaren,  mahnt  uns  an  die  Verbindung  dieses  Gottes 
mit  der  uns  vor  Allen  wichtigen  Erinys  zu  denken. 

§  27.  Erinys  TUphossa  und  Ares,  Die  Analogie  der  Cultver- 
bindung  des  Ares  mit  der  Erinys  am  Areiopag,  sowie  die  Beziehungen 
zur  identischen  Enyo  genügen  eigentlich  schon,  um  das  Scholion 
zu  S  0  p  h.  An  ti  g.  1 2  6  von  der  ehemaligen  Verbindung  des  Ares  mit  der 


*)  Etwa  *€plvuc  aus  '€p'i-€vd-c  von  '€vö-i£i  (=  lat.  änu-s  ■-»  TP<röc; 
of.  H,  D.  Müller,  Ares  p.  76).  Tpatai  (die  Dreiheit  der  Enyo)  —  „Die 
Alten,  Ehrwürdigen*^  «=  Semnai  (Mehrheit  der  Erinyv).  Eine  bestimmte 
Vermathung  soll  nicht  ausgesprochen  sein,  wenngleich  wir  die  Etymo- 
logie von  Erinys,  auch  nach  der  von  Kuhn  (Zsch.  I  439  ff.)  versuditeii 
Deutunff,  der  Natur  seiner  mythologischen  Gombination  halber,  noch  für 
ein  Problem  halten  müssen.  Doch  schon  dturch  ihren  Beinamen  Til- 
phossa  stellt  sich  Erinys  mit  der  Enyo  auf  gleiche  Linie.  Denn  wenn 
in  diesem  Wort  die  Beziehung  sn  einer  Quellschlucht  angedeutet  lag,  so 
hat,  was  Enyo  betrifft,  schon  länger  von  ganz  selbst&ndigem  Gesichts- 
punkt aus  Bergk  es  ausgesprochen,  dass  diese  weiblichen  Appellative  auf 
-\b,  Quellnamen  sind,  und  Enyo  sich  also,  wie  Trito  u.  A.  auf  eine  klaf- 
fende Quellschlucht  bezieht;  wie  ich  erst  nachträglich  ersehe  aus  Fleck- 
eisen, Jahrb.  81  (1860)  p.  806"  pass.  ('Geburt  der  Athene»). 


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Ares  imd  Aphrodite.  707 

Erinys  Tilphossa  von  aussen  her  zu  bestfttigen.  AJlein  es  ist  noth- 
wendig,  dass  sieh  auch  ans  inneren  Gründen  seine  Echtheit  erweise. 
Der  scheinbare  Mangel  an  solchen  yerführte  H.  D.  Müller  (Myth.  11 
325)  zu  sagen:  ^Der  Ares  der  Thraker  wird  Vater  des  Drachen,  weil 
Beide  IJnterweltswesen  sind;  Erinys  Tilphossa  die  Mntter,  weil  sie 
anf  die  fEb:  die  Lösnng  des  Drachens  nöthige  MordsCLhne  hinweisen 
soll;  der  Name  Tilphossa,  an  sich  die  Benennung  einer  Quelle,  ist 
nur  eine  Variation  der  Areia  (mi-^r)),  welche  der  Drache  angeblich 
bewacht  haben  soll'.  Doch  dies  kann  uns  von  einer  erneuten  Unter- 
suchung nicht  zurückschrecken,  zumal  er  selber  früher  an  dem  my- 
thologischen Werth  jenes  Scholions  festhielt  (Ares  p.  22  ff.)  und  erst 
im  Philologus  (XIV  127)  im  Gegensatz  zu  Stoll  dieses  Urtheil  zurück- 
zog. Mit  seinen  neuerdings  in  der  Stammmythologie  ausgesproche- 
nen Ansichten  scheint  aber  dieser  Widerruf  in  Gegensatz  zu  stehen, 
wie  wir  nachzuweisen  gedenken.*) 

Insoweit  befinden  wir  uns  mit  H.  D.  Müller  im  Eiuverständniss, 
dass  das  Symbol  der  Schlange  die  Macht  bezeichnet,  welche  den 
uniyersalen  Naturgott  im  Winter  bannt>  oder  ihm  beim  Eintritt  des 


*)  VorauBzuBchicken  ist,  dass  wir  betreffs  der  Wesensbedeutang  des 
Ares  uns  an  H.  D.  Müllers  Entwickelung  anschlieasen ,  zumal  sie  allein 
die  scheinbaren  Widersprüche  seines  mythologischen  Charakters  zu  er- 
klären yermag,  welche  die  neueren  Mythologen  zu  ganz  diyergirenden 
AuffosBungen  yeranlaBst  haben  (cf.  Preuner  in  BursianB  Jahresber. 
1876  Vn  108).  Wenngleich  wir  uns  des  Elechtes  der  Nachprünfng  nicht 
begeben  werden,  so  müssen  wir  doch  bekemien,  dass  die-  mannigfach 
verdammenden  Becenaionen  des  ^Ares'  trotz  einzelner  berechtigter  Aas- 
Stellungen  die  Richtigkeit  des  Grundgedankens  in  unserem  Bewusstsein 
nicht  zu  erschüttern  vermocht  haben.  An  H.  D.  Müllers  Hanptgegner 
Welcker  selbst  hat  sich  sein  Sträuben  gegen  die  neue  AuffaBsang  ge- 
rächt. Während  er  in  der  Gr.  Götterlehre  (f  422)  jenen  Gelehrten  wegen 
seines  ehthomschen  resp.  univeraalen  Naturgottes  Ares  herb  abgefertigt 
zu  haben  meint,  kommt  er  ein  paar  Seiten  weiter  selbst  darauf,  für 
Ares  eine  urspr Angliche  universale  Bedeutung  anzunehmen,  in  die  er  sich 
mit  einer  anderen  Phase  seines  eignen  Wesens  theilt.  Der  thrakisch- 
griechische  Dopi>elcult  eines  dualirtiBchen  Sonnen-  (oder  Natur-)GotteB 
Ares-Dionysos  sei  früh  in  zwei  sich  feindlich  gegenüberstehende  Personen 
zerfallen,  welche  die  Nacht-  und  Lichtseite  des  Naturlebens  vertiilten; 
bald  sei  er  durch  eine  Person  mit  Doppelgesicht  und  Wechsel  des  Schlafs 
und  der  Blindheit,  der  Verwundung  u.  s.  w.  wie  des  Todes  und  des 
Lebens  ausgedrückt  worden.  Er  vergisst  nur  zu  erwähnen:  'der  Freiheit', 
die  er  doch  in  der  asiatischen  Parallele  der  Anmerkung  sich  selbst  nahe 
legte:  so  stimmt  er  im  Wesentlichen  mit  H.  D.  Müllers  Principien  über- 
ein; nicht  aber  im  Uebriffen.  Denn  Welcker,  wie  er  den  thrakischen 
DionyBOs  als  einen  ausscmiesslich  'leidenden'  hinstellen  will,  übersieht 
in  demselben  Masse  die  chthonischen  Charakterzüge  im  Ares,  die  gerade 
H.  D.^  Müller  hervorhebt  und  an  die  Spitze  stellt.  Zodem  können  Ares 
und  Dionysos  überhaupt  niemals  eins  gewesen  sein,  da  sie  in  Theben, 
wo  Beide  ziemlich  alt  sind,  sich  sogar  gegenseitig  ausweichen,  —  niemals 
aber  in  Griechenland  wirklich  dergestalt  in  gegensätzlicher  Eonheit  stehen, 
dass  der  eine  'Wasser  und  Leben',  der  andre  'Erstarrung  und  Winter' 
wSre  (G.  GL.  II  688). 

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708  K.  Tfimpel: 

Frühlings  unterliegt;  und  dass  bei  einer  Zweitheilung  dieses  Gottes 
die  Schlange  zum  Thiersymbol  seiner  chthonischen  Phase  wird,  wie 
auch  der  Wolf,  der  Hund  u.  s.  w.    Diese  Thatsache  ist  von  H.  D. 
Müller  selbst  theoretisch  begründet  und  praktisch  gehandhabt  wor- 
den (Myth.  IT  321).   Es  fragt  sich  nur,  zu  welchem  Gott  das  Dracben- 
sjmbol  zu  Theben  in  jenem  Verhältniss  gegensätzlicher  Einheit  steht 
Müller  antwortet:  ^zuEadmos',  also  der  Argiverreligion;  und  gründet 
darauf  eine  rein  mythisch-symbolische  Deutung  der  gesammten  an 
Eadmos  angeknüpften  Drachensage,  welche  ihn  zu  den  gewagtesten 
Voraussetzungen  von  Cultgebrfiuchen  nöthigt,  und  doch  selbst  nicht 
recht  befriedigt.    Oder  sollte,  da  er  den  Stier  (und  die  Kuh)  als 
das  durchgehende  Thiersymbol  der  argivischen  Eadmos-  (Hermes- 
Argos-)  und  Demeter-  (Europa-  lo-  Pasipha6-)Religion  nachgewiesen 
hat  (Myth.  II,  Band  2),  nicht  der  Drache  daneben  sehr  aaffällig 
erscheinen?*)  Zumal  dieser  nur  in  den  beiden  Mythen  yon  Eadmos 
und  lason  vorkommt,  die  gerade  starke  Elemente  des  fremden  Ares- 
dienstes aufgenommen  haben  nach  seinem  eigenen  Gestftndniss  ?   Ja, 
im  lason-Hermesmythos  ist  er  sogar  ganz  deutlich  störend  and 
überflüssig:  denn  hier  kreuzt  sich  das  chthonische  Thiersymbol  des 
Ares,  der  Drache,  mit  demjenigen  der  lason-Hermesreligion ,    den 
'raöpoi  xciXKÖnobec*)  cuv  ttgXXuj  nupl  öpjirjcavTec'  (Apollodoros  1 
9,  23),  *o1  qpXöt'  dird  Havöäv  T€Vuu)V  Tivtov  Kaio^i^voio  nupöc*  ktX. 
(Pindar  Pyth.  225  (Christ);  cf.  ApoUonios  Rh.  Arg.  10  420),  welche 
zugleich  mit  jenem  das  goldene  Vliess  bewachen  und  vertheidigen. 
Und  in  diesem  Falle  erblickt  H.  D.  MüUer  selbst  eine  Verschmelzung 
der  argivischen  Unterwelt  Aia  (Myth.  11  342 ff.)  mit  dem  chtho- 
nischen Jenseits  der  Aresreügion,  der  *vficoc  *ApT]Tidc',  welche  mit 
dem  %€biov  'Aprjiov'  und  *V€iov'  oder  ^fiXcoc  ''Aprioc'  identisch  ist, 
nur  dass  sie  nicht,  wie  die  Letzteren,  spielend  auf  Grund  der  gleichen 
Bedeutung   mit  Aia  zusammengeworfen  ist  (Ares  114).    Dass  auf 
der  Insel  Aretias,  die  im  Mythos  noch  deutlich  von  Aia  local  ge- 
trennt erscheint,  kein  Drache  erwähnt  wird,  will  nichts  bedeuten. 
Er  ist  hier  vertreten  durch  den  die  Insel  nach  aussen  abschliessen- 
den Wasserring,  der,  wie  die  stygische  Flut  den  Tartaros  umschlingt, 
so  hier  das  Todesreich  als  Eiland  yom  Erdenleben  trennt  (fi.  D. 
Müller,  Myth.  II  49),  Ein-  und  Ausgang  vertheidigend;  die  Insel 
vom  Wasserarm  umflossen  entspricht  allein  schon  dem  Hain  oder 
Gefilde  mit  Schlange.     Eine  mythische  Bestätigung  der  Identität 
von  sich  schlängelndem  Wasserarm  und  Schlange  (Laden)  wird  uns 
noch  begegnen.   Wie  nun  aber  im  Argonautenmythos  Aresinsel  und 
Land  Aia  als  zwei  verschiedene  Lokalitäten  erscheinen,  so  sind  auch 


*)  Den  Schlangenstab  hat  Henues  erst  sp&t  in  der  Kunst  (Preller, 
G.  M.  I«  819). 

**)  Cf.  den  'öpdiojjv  KardxoXKOc'  (Eurip.  Iph.  Taur.  1210)  und  die 
ehernen  'edXajJioi'  unten  p.  711*). 


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Ares  und  Aphrodite.  709 

Ares  und  Aietes,  der  Drache  des  Ares  und  die  Stiere,  welche  aus- 
drücklich als  Besitzthum  des  Aietes  gelten,  sich  parallel  laufende 
Elemente  zweier  verschiedenen  Religionen.  —  Ebenso  verhält  es  sich 
mit  dem  Drachen  der  Eadmossage,  der  nach  H.  D.  Müller  eben- 
ÜEdls  nicht  der  Aresreligion,  sondern  der  argivischen  des  Eadmos- 
Hermes  angehören  solL  Hierüber  urtheilt  er  selbst:  „Auffallen  kann 
es  hierbei  nur,  dass  Eadmos  in  dem  Mythos  in  gar  keine  nähere 
Beziehung  zum  Drachen  gesetzt  wird  . . .  Aber  (fährt  er  fort)  es  hat 
sich  doch  eine  Spur  erhalten,  aus  welcher  hervorgeht,  dass  der  Drache 
den  Personen  des  Mythos  näher  steht,  als  die  gewöhnliche  Erzählung 
vermuthen  lässt"  (H  322).  Er  meint  die  Angabe  des  Derkylos 
beim  Scholiast  zu  Eurip.  Phoen.  7  (Ddf.  IH  35,  18  flF.):  'AepKuXoc 
Gilßaiou  Tivöc  ApdKOVToc  Toövojia,  ßaciX^iwc  bk  Orjßaiiwv,  cpnciv 
etvai  Tnv  *Apfioviav  dutat^pa,  8v  q)oveücac  Kdbfioc  lT*m€v 
'ApjLioviav'.  Aber  dieser  euhemeristische  Bericht  zerreisst  gerade 
den  Zusammenhang  zwischen  Eadmos  und  dem  vermenschlichten 
bpaKU)Vy  der  hier  als  Yater  der  Harmonia  deutlich  genug  den  Ares 
vertritt,  nicht  aber  den  Eadmos;  denn  dieser  heisst  nie  Vater,  son- 
dern stets  Gatte  der  Harmonia.  Werden  hier  Ares  und  der  Drache  in 
unbewusst  richtiger  Erkenntniss  identificirt,  so  tritt  die  urechte  Zu- 
sammengehörigkeit Beider  in  einem  anderen  euhemeristischen  Bericht 
von  Palaiphatos  (c.  YL  Westermann,  Mythographi  p.  276,  4),  wo 
ein  ^ApdKiuv  ""Apewc  iraic'  von  SLadmos  getödtet  wird,  nicht  minder 
deutlich  zu  Tage.  Denn  genealogische  Verknüpfung  in  directer  Linie 
ist  ja  nach  H.  D.  Müller  (Myth.  H  95)  eine  beliebte  mythische  Um- 
schreibung der  Identität  zweier  Wesen.  Schliesst  sich  somit  der 
Drache  eng  an  Ares  an,  so  kann  auch  der  Drachenkampf,  als  ein 
unstreitig  natursymbolischer  Mythos,  nicht  zum  £[admos  gehören. 
Erst  durch  den  Hinzutritt  eines  historischen  Ereignisses,  die  Occupi- 
rung  der  Arescultstätten  durch  siegreich  eindringende  Eadmeionen, 
deren  Gott  in  die  sommerlich-herrliche  Phase  der  alten  eingeborenen 
Gottheit  einrückt,  erleidet  der  Mythos  eine  TTmdeutung  im  historischen 
Sinne.  Ein  alljährlich  sich  wiederholendes  Naturereigniss  verdichtet 
sich  zu  einem  einmaligen  historischen,  dessen  Gedächtnissfeier  zu 
begehen  man  sich  einbildet,  wie  aus  dem  Deukalionmythos  von  dem 
allwinterlich  hereinbrechenden  *X€iMiajv'*)  die  Sage  von  einer  grossen 
historischen  Sinflut  wurde:  und  so  wird  aus  dem  Sommergott,  der 
den  Wintergott  zu  Frühlingsanfang  besiegt,  ein  Culturheros  als 
Repräsentant  des  einen  Stammes,  der  in  dem  anderen  die  Schrecken 
der  Wildniss  und  eines  rauhen  Zeitalters  vernichtet.  Der  Gott  der 
Besiegten  aber  lebt  nur  als  böses  Princip  fort  und  Vird  zxu:  Erinne- 
rung an  das  denkwürdige  Ereigniss  al^'ährlich  in  seinem  Thiersymbol 
vernichtet,  nachdem  seine  sommerlichen  Functionen  an  den  sieg- 
reichen Eindringling  übergegangen  sind.  —   Bevor  wir  uns  zum 


*)  H.  D.  Müller,  Myth.  I  192;  Preller,  Dem.  u.  Per»,  p.  229. 

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710  K.  Tümpel: 

EadmosmythoB  zurückwenden,  ist  es  nöthig,  dass  wir  das'areYsche 
Drachensymbol  weiter  verfolgen. 

Wir  haben  oben  gesehen,  wie  die  Erinys  dnrch  ihren  Namen 
Tilphossa  sich  an  Erdschluchten,  Höhlen  und  Klüfte  ansohliesst, 
die  mit  einer  Quelle  in  Verbindung  zu  stehen  pflegen.  Die  letztere 
wird  zuweilen  mit  dem  Namen  der  Göttin  benannt,  also:  Delpbusa 
oder  Tilphossa;  ebenso  hftufig  aber  führt  das  Wasser,  an  dem  sich 
ihre  Verehrung  festgesetzt  hat,  einen  anderen  Namen,  den  Bursian, 
bei  seiner  Aufzählung  der  in  Boiotien  und  Arkadien  gleichmSssig 
vorkommenden  Localnamen  übersehen  hat  (Or.  Geogr.  II  259^), 
nttmlich  Ladon,  wie  StoU  (Ares  p.  5)  gezeigt  hat.  Denn  za  Thel- 
pusa  in  Arkadien  sprang  unweit  des  Onkeions,  auf  dem  das  Heiüg- 
thum  der  ^Demeter-Erinys'  lag,  der  Ladon  wieder  hervor,  der  sich 
an  einer  anderen  Stelle  in  der  Erde  verloren  hatte  (Paus.  VIII  20,  l), 
und  als  Vater  der  Telphusa  («»  Thelpusa)  galt,  nach  Stephanus  Byz. 
(s.  V.  T^Xq>ouca);  und  zu  Theben  soll  nach  Tansanias  (IX  10,  5) 
derselbe  Ismen osfluss  früher  Ladon  geheissen  haben,  der  nach 
derselben  Stelle  an  seinem  Quellenursprung  auch  'Api^Tidc  SchoL 
zu  Aisch.  Septem  adv.  Theb.  106.  ApolL  Ehod.  HI  1179). 
oder  'Apeia  TiiiTn  (Schol.  Eur.  Phoen.  660.  Ddf.  HI  185,  13)  ge- 
heissen haben  muss.*)  Wie  wir  nun  hiemach  in  Theben  eine  An- 
wesenheit der  Tilphossa-Erinys  vermuthen  müssen,  so  dürfen  wir 
doch  den  Ladon  nicht  mit  ihr  allein  in  Verbindung  bringen;  viel- 
mehr musB,  wie  schon  H.  D.  Müller  (Ares  p«  25)  erkannt  hat,  nach 
Analogie  des  Drachen  Ladon,  der  die  goldenen  Heeperidenäpfel  be- 
wachte (wie  der  Aresdrache  das  goldene  Vliess),  auch  in  unserem 
Ladon  ein  Drache  stecken,  und  zwar  der  des  Ares,  mit  dessen 

*)  Ismenos  ist  ein  erst  aus  der  semitischen  Colonisation  stammen- 
der Name,  wie  seine  genealogische  Verknüpf ang  mit  Amphion  nnd 
Niobe  (Unger,  Parad.  182  f.)  und  das  durch  astronomische  Symbolik 
orientalische  Daphnephorieiäest  des  ApoUon  Ismenios  zeigt  (0.  Müller, 
Orch.'  216).  So  ist  auch  in  Arkadien  jene  die  semitische  Colonisation 
voranssetzende  (Hehn)  Daphne  (Unger  135  a.  a.  0.)  an  die  aJteinheimi- 
Bchen  Ladon  und  Qaia  (=»  Erinys?)  angekindet,  also  das  Spätere.  Mit 
der  Angabe  des  Paueanias,  welche  Areia  und  Laden  deutlich  als  Quellen 
desselben  Flusses  bezeichnet,  stimmt  nicht  überein  Euripides.  Doch  sucht 
Unger  auf  Gmnd  und  nach  Art  der  einseitig  hermeneutisch  verfahren- 
den Scholiasten  (zu  Eurip.)  die  widersprechenden  Angaben  zu  vereinigen 
(p.  103  ff.  138 ff.),  indem  er  sich  eine  Topographie  constmirt,  die  in  Wirk- 
lichkeit nach  dem  Terrain  unmöglich  ist  (Ismenos  xmd  Dirke  ans  einer 
Quelle  Dirke  entspringend).  Auf  eine  Vereinigung  von  Pausanias  und 
Euripides  mnss  verzichtet  werden.  Ulrichs  (Reise  1840,  mir  nicht 
zuglGiglich)  verwirft;  darum  lieber  Paasanias,  wie  es  scheint,  resp.  inter- 
pretirt  ihn  künstlich^  indem  er  die  Areia  in  die  Dirke  münden  lässt, 
statfc  in  den  Ismenos  (cf.  Plan  in  Hermes  II).  Bursian  dagegen  (C^eogr. 
V.  Griech.  I  226*  cf.  Taf.  IV)  l&sst  zwar  die  Controverse  unentscldeden. 
gibt  aber  zu  verstehen,  dass  er  sich  lieber  an  die  von  Pausanias  gegebene 
Ueberlieferauff  halte,  was  auch  wir  thmi  müssen,  wenn  uns  nicht  %  ran - 
dis'  Vorwurf  treffen  soll,  dass  ¥rir  'den  Dichter  (Euripides)  als  Perie- 
geten,  den  Periegeten  aber  als  Dichter  behandeln'. 


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Ares  und  Aphrodite.  711 

Quelle  er  identisch  war.  Wir  würden  also  hier  das  oben  gewünschte 
Zusanunentrefifen  von  Fluss  (Ladon  »=  Areia)  und  Drache  (Ladon  = 
''Apcwc  bpäKU)v)  haben,  vorausgesetzt,  dass  sich  eine  gemeinsame 
Beziehung  Beider  zu  einer  Unterwelt  nachweisen  Hesse,  die  hier, 
etwa  wie  in  Thelpusa  an  einer  Erdschlucht  localisirt  sein  piüsste. 
Und  hierfür  fehlt  der  Kachweis  nicht.  Denn  dass  man  sich  die  Ajres- 
quelle  als  mit  einem  X^^c^a  in  Verbindung  stehend  dachte,  wie  wir  es 
als  Lieblingsst&tte  der  Erinys  kennen  lernten,  zeigt  die  Beschreibung 
des  Teiresias  bei  Euripides  (Phoen.  930),  wo  sie  genannt  wird: 
*0dXa^ai,  oö  bpciKUJV  6  T1T€vf|C 
dfeveTO  AipKTic  vajidTUiV  iTricKOTioc'. 

Denn  OaXdjiii  bezeichnet  wie  OdXojLioc  eine  dunkle,  licht- 
leere Kammer,  ein  Yerliess'^),  und  gilt  in  mythischer  Symbolik 
als  beliebter  Ausdruck  für  die  Unterwelt.  Auch  in  den  Kunstdar- 
stellungen mit  dem  Drachenkampf  des  Kadmos  ist  die  Grotte  stets 
stark  hervorgehoben  (Welcker,  Alte  Denkm&ler  III  388),  die  doch 
unbedingt  als  Unterweltseingang  gedacht  ist.  Als  selbstverständlich 
erscheint  nun  eine  Genealogie,  wie  die  des  Hesiod  (Theog.  333), 
welche  den  Ladon  mit  lauter  chthonischen  Wesen :  Gorgonen,  Graben 
(Enyo  ?);  nach  Euphorien  (Frg.  52)  auch  Ehnyen  von  Phorkys  abstam- 
men lässt,  dem  ctutvov  ubwp  der  Unterwelt  (Joh.  Stobaios  62  p.  399. 
cf.  0.  Müller,  Ordiom.*  149)^).  Fragen  wir  aber  nun,  zu  welchem 
Gott  dieses  Draohensymbol  des  Ladon  gehört  habe,  das  sich  bei  der 
Erinys  •  Thelpusa  Arkadiens  und  der  Drachenschlucht  in  Theben 
findet  —  denn  zu  einer  mftnnlichen  Gottheit  muss  auch  das  männ- 
liche Thiersymbol  gehört  haben**)  , —  so  braucht  der  Name  kaum 
mehr  genannt  zu  werden:  es  ist  Ares:  und  die  chthonische  Natur 
seines  Cultortes  wird  wohl  in  dem  bis  jetzt  (wie  derjenige  Letos 
und  Lethes)  unerklärlichen  Namen  seines  Draehens  einen  Ausdruck 
erhalten  haben.  In  dieser  thebischen  Localisirung  der  Unterwelt 
Aretias  mit  Schlange  und  Quelle  liegt  also  die  Bürgschaft  für  eine 
höhere  Einheit  der  beiden  in  der  Argonautik  erhaltenen  Phasen  der 
ideellen  Unierwelt  des  Mythos,  der  wass  er  umflossenen  Ins  el  Aretias 
und  des  schlangenbewachten  Areshaines. 

Was  nun  aber  das  Wichtigste  ist:  es  hat  sich  auf  diesem  Um- 
wege die  Echtheit  des  Sophoklesscholions,  welches  Ares  und  Erinys 


*)  Z.  B.  aus  Soph.  (Antig.  946)  geht  die  unterirdische  Natur  dieses 
Locals  schon  hervor:  ' x<*^»^c6eTolc  aöXottc  Kpuirro|üi^a  ö'  iv  TUfißfj- 
p€i  eaXd|i4J  KareJcüxOii '  [cf.  *edXa|iov  uoiö  xc^»<cOv  Karä  yflc':  Phere- 
kydes.  'öttö  yflv  9dXa|üiov  KaracKCudcai  xciXkoCv*  :  ApollodorOB  Aisch.  Pers. 
916:  'OaXdjiOUC  öirö  Tflc'-  Verfl^.  Aen.  VI280:  'ferreique  Eamenidum  tha- 
lami'].  So  hat  auch  H.  D.  Müller,  dem  wir  diesen  Hinweis  TCrdanken, 
schon  im  Ares  (46)  den  OdXa^oc,  in  dem  Dana3  gefangen  gesetzt  und 
yergraben  wird,  als  einen  chthonischen  Aufenthaltsort  erkannt,  der  die 
Unterwelt  selbst  bezeichnet. 

**)  Aus  demselben  Grunde  gehört  Areion  echt  nur  zu  Poseidon, 
nicht  zu  Erinys. 


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712  K.  Tümpel: 

als  Götierpaar  und  den  Drachen  als  ihren  Sprössling  hinstellt,  yon 
neuem  bewährt  Diese  Genealogie  yerknüpft  nur  durch  Blutsbande, 
was  mythologisch  echt  zusammengehört^  und  ist  noch  einmal  er- 
halten in  dem  Scholion:  ^dTTCibfJTrep  Ik  ffic  Kai  ''Apeuic  ö  bpäxuiv 
?iv'  (Dindorf  III  255,  14),  mit  welchem  sonderbarer  Weise  das  rein 
poetische  Beiwort  ^TflT^vrjc'  des  Aresdrachens  bei  Euripides  (Phoen. 
937)  erklärt  wird.  Vielleicht  ist  auch  nur  die  begriffliche  Potenz 
der  Gaia  an  Stelle  der  Erinjs  getreten,  wie  bei  Antimachos  (Paus. 
Vin  25 ,  9) ,  der  auch  als  Mutter  der  Poseidonischen  Areion  statt 
der  Erinys  (SchoL  IL  Y  346)  die  Ge  nennt  —  Aus  der  nun  erwie- 
senen Zusammengehörigkeit  des  Ares-  und  des  Erinyscultes  er- 
klärt sich  nun  auch,  wie  der  Granatapfelbaum,  welcher  nach  Pausa- 
nias  (IX  251)  auf  dem  Grabmal  des  dem  Ares  geopferten  Menoikeus*) 
stand,  nach  Philostratos  (Imaginesp.  432)  Angabe  fOr  von  den  Eriny  en 
gepflanzt  gelten  konnte.  Der  the bische  Muttercult  des  athenischen 
am  Areiopag  bestehenden  hat  sich  somit,  wie  erwartet,  gefunden. 
Freilich  fehlte  dort  der  Drache;  doch  lebte  er  fort  in  den  ^bpaKOVT- 
uibcic  KÖpai'  (Erinyen)  z.  B.  des  Euripides,  die  man  seit  Aischylos 
mit  Schlangenhaar  zu  denken  gewohnt  war  (Pans.  I  29,  6). 

§  28.  Die  aonische  CuUgememde,  Es  ist  jetzt  an  der  Zeit,  zu 
fragen,  welchem  Stamme  der  Aresdienst  angehört  habe.  Eadmisch 
ist  er  nicht  (wie  nur  StoU  annimmt).  Dagegen  muss  er  einem  Volks- 
Clement  angehören,  mit  dem  die  Kadmeionen  in  Gegensatz  treten, 
und  das  doch  in  das  neue  Gemeindewesen  mit  hinüberging:  denn 
sonst  wäre  der  Arescult  zu  Theben  nicht  chthonisirt  und  doch  bis 
in  so  späte  Zeit  erhalten  worden.  Hier  that  uns  gute  Dienste  ein 
Bericht  des  Pausanias.  Er  fiKhrt  an  der  schon  oben  zum  Theil 
citirten  Stelle  fort  (IX  5,  1):  ^^coiKicacBai  öfe  juetd  touc  "EKTTivac 
U  Tf|v  x^pav  Tavrac  Kai  *Aovac,  BoiuiTia  ijLioi  boxeiv  t^vii,  xai 
ouK  ^TTTiXObuiv  dvGptwTTUiv.    Kdb|iou  bfe  Ktti  Tflc  0oiv(kiuv  crpccTiac 

dTTCXGcOcnC  jüldxij  JLlfeV  VlKTl9^VT€C  ol  )Lltv*TaVT€C  iC  Tf|V  VUKra  Tf|V 

dTr€pxo)Li^viiv ^KbibpdcKOuci,  ToucWAovac  ö  Kdbjioc  t€VO|üI€Vouc 
iK^Tttc  KQTa^civai  Kai  dva|iix9fivai'.  Es  ist  klar,  dass  das 
*viKii9evT€c'  sich  auf  die  Äonen  mitbezieht,  da  ja  auch  die  lK€da 
sich  sonst  nicht  recht  begreifen  liesse.  Wenn  wir  das  PhOnikerthum 
des  Kadmos  und  das  nicht  massgebliche  ^^juoi  boKCiv'  mit  Gefolge 
abrechnen ;  haben  wir  hier  eine  vortreffliche  historische  Notiz.  Die 
Äonen  und  Hyanten  sitzen  im  Land,  als  Kadmos  ankommt;  die  letz- 
teren werden  besiegt  imd  verschwinden,  offenbar  ohn^  einen  Einfiass 
auf  die  Kadmeionen  und  ihre  Beligion  ausüben  zu  können;  die  Äonen 
aber,  die  ebenfalls  unterliegen,  werden  in  ihren  übriggebliebenen 
Besten  auf  ihre  Bitte  verschont**)  und  in  das  neue  Gemeindeweeen 

*)  Philostrat  a.  a.  0.  nennt,  wohl  nur  aus  Versehen,  den  EteoUes. 

**)  ÜebereinstimmeDd  damit  sagt  der  sonst  mit  Misstrauen  anlku- 
nehmeode  Nonnos  (Dionys.  V 48):  'koI  crparöc  dvrißiuiv  Ik^tiic  ^kXC- 
v€To   Kdbfjiqj'y  n&mlich   der  Äonen:    'Kdö^oc  —  'Aovi  Hdpvaro  Xa4) 


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Ares  und  Aphrodite.  713 

hertlbergenommen ,  womit  eine  nur  einschränkende  Anerkeniiung 
ihrer  Gottheiten  bei  dem  toleranten  und  pietStvoUen  Sinn  der  Hellenen 
selbstverstftndlich  verbunden  ist.  Die  beiden  Beligionssyeteme  wer- 
den in  Einklang  gebracht  und  zwar  mythologisch. 

Diesen  Vorgang  nun  können  wir  deutlich  yerfolgen  am  Eadmos- 
mythos,  der  uns  hier  besonders  interessant  wird,  da  er  eine  yoU- 
stftndige  mythologische  Parallele  zu  dem  eben  besprochenen  hi- 
storischen Zeugniss  bildet,  und  die  gleiche  Thatsache,  die  dort 
nackt  thatsSchlich  erzfthlt  wurde,  durch  eine  in  mythologische  Bilder- 
sprache gehtOlte  Wiedergabe  bestätigt:  Kadmos,  als  heroltscher  oder 
göttlicher  Vertreter  der  Kadmeionen,  vernichtet  die  Selbständigkeit 
des  einheimisch  vorgefundenen  Stammes  der  Aresverehrer,  indem  er 
deren  sterbliches  religiöses  Symbol,  den  Aresdrachen,  überwindet 
Soweit  ist  der  Mythos  noch  Dogma,  freilich  ein  geschichtlich  ver- 
wandeltes. Historischer  Mythos  aber  ist,  dass  die  Söhne  dieses 
Drachens  in  Folge  jenes  Ereignisses  aufgerieben  werden,  dass  5  von 
ihnen  üebriggebliebene  sich  unterwerfen  und  in  die  neue  Gemeinde 
mit  aufgenommen  werden,  ganz  wie  die  Äonen  (^T€VO)li^vouc 
iK^Tttc  KarajicTvai  —  dva)Liix6f]vai'). 

Als  Name  dieser  Drachensöhne  erscheint  ^CTrapToi' *(die 
Leute  'von  Geburt';  cireipeiv  «=  T^vvav);  er  wird  durch  einen  ety- 
mologischen Mythos,  unter  Anknüpfung  an  den  Drachen,  erklärt: 
als  ob  sie  aus  den  gesäeten  Zähnen  des  Drachens  als  wehrhafte 
Mannen  entsprossen  seien,  und  dieses  selbständige  Element  mit  in 
die  Eadmossage  hineingearbeitet,  so  dass  Kadmos  derjenige  ist,  der 
die  Zähne  sät.  Man  könnte  (wie  H.  D.  Müller  gethan  hat)  aus 
dem  umstand,  dass  dieses  ganze  Ereigniss  sich  bei  lasen  wiederholt, 
den  Schluss  machen:  es  müssten  hier  mythisch -symbolische  An- 
schauungen und  nicht  historische  zu  Grunde  liegen.  Aber  dort  er- 
scheint dieser  Tbeil  als  ein  fremdes  Flickstttck:  durch  Auslassung 
des  Namens  der  Sparten  für  die  ans  den  Zähnen  aufspriessenden 
Männer  ist  die  im  Eadmosmythos  so  klar  liegende  etymologische 
Grundtendenz  in  der  Argonautik  verwischt.  Auch  rühren  die  Zähne 
nicht,  wie  es  natürlich  wäre,  von  dem  kolchischen  Drachen  her, 
mit  dem  sie  auffallend  genug  ganz  ausser  Beziehung  stehen;  selbst 
von  Herodoros,  der  den  kolchischen  Drachen  von  lason  getödtet 
werden  lässt  (Schol.  Apoll.  Bh.  FV  87)  wird  nicht  gesagt,  dass  er 
die  Zähne  von  diesem  hergeleitet  habe,  —  dies  wäre  auch  aus  dem 
Grunde  äusserst  unwahrscheinlich ,  weil  die  IJeberwindung  des  das 
Vliess  bewachenden  Drachens  inmier  als  letzte  Arbeit  dem  Einackern 
der  Drachensaat  folgt.  Vielmehr  sagen  ApoUodoros  sowohl  (1 9, 23), 
vrie  Apollonios  Bhod.  (IQ  11 77 ff.),  die  beiden  ältesten  Quellen  hier- 


Bdpßapov  d|!iti[iuiv  crdxviv  "Apcoc..'.  Er  hat  offenbar,  wie  sich  des 
weiteren  zeigen  wird,  hier  nach  seiner  sonstigen  Gewohnheit  alezandri- 
nische  Muster  benutit. 


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714  K.  Tümpel: 

für,  ausdrücklich,  dass  diese  Zfthne  voii  dem  thebiBchen  Drachen 
des  Ares  stammen  (was  schon  Pherekjdes  so  ausgleicht,  dass  er 
sagt,  sie  seien  Eadmos  und  Aietes  zu  gleichen  Theilen  von  Ares  ge- 
schenkt worden).  Es  gab  eben  Sparten  nur  zu  Theben,  wo  sie  histo- 
risch sind,  vielleicht  das  Bild  des  Drachen  tätowirt  auf  der  Brust 
trugen  (nach  Euripides  [Antig.]  bei  Hygin)  und  noch  in  spftterer 
Zeit  dem  Ares  Menschenopfer  bringen.  Wenigstens  wird  Menoi- 
keus*),  der  sich  beim  Zug  der  Sieben  gegen  Theben  als  Opfer  des 
Ares  in  dessen  Drachenschlucht  stürzt,  ausdrücklich  aus  dem  Ge- 
schlecht der  Sparten  ausgewählt.  Sein  Vater  oder  (nach  Paus.  IX 
5,  6)  Sohn  Kreon  (Philostr.  Imag.  p.  383)  erscheint  bei  Hjgin 
(Fab.  VI)  sogar  als  sechster  Sparte**)  neben  den  Udaios,  Pelor, 
Uyperainor,  Chthonios  und  Echion;  und  mit  Kreons  Sohn  Haimon 
soll  der  letzte  (mit  Kadmeionenblut)  unyermischte  Spross  des  Spar- 
tengeschlechtes ausgestorben  sein,  woraus  sich  ihr  Nichtyorkommen 
in  historischer  Zeit  erklärt  So  werden  sie  deutlich  von  den  Kad- 
meionen  geschieden,  mit  denen  sie  erst  Euripides  confundirt  hatl 
Diodor  gibt  noch  richtig,  wenn  auch  unter  Schwanken  über  die  An- 
sässigkeit der  in  Frage  kommenden  Stämme  den  historischen  Gehalt 
des  Kadmosmythos  wieder,  wenn  er  (Bibl.  XIX  53,  4)  sagt:  ^ojv- 
f\\Bev  in*  auTf|v  (Kab^eiav)  Xdoc,  5v  xivfec  jutv  CitapTÖv  irpoc- 
rjYÖpeucav  b\ä  xö  TravraxöGev  cuvaxOfivai,  xivfec  bk  6nßaT6vfi 
biet  xö  xf|v  dpxnv  ^K  rf\c  Tipoeipim^vnc  TiöXeuic  övxa ...  ^xireceiv 
KxX.^  Hier  steht  Cnapxoi  gradezu  an  Statt  der  "'Aovec,  so  dass  wir 
beide  Namen  als  Bezeichnungen  desselben  Stammes  in  Anspruch 
nehmen,  der  nach  der  historischer  üeberlieferung  als  Äonen,  nach 
mythischer  als  Spartenvolk  mit  den  Kadmeionen  in  einen  unglück- 
lichen £[ampf  terwickelt  wird.  Vielleicht  ist  eine  Spur  von  der 
Identität  der  Äonen  und  Sparten  noch  erhalten  in  dem  Bericht  des 
Pausanias  ^xoTc  ji^v ''Aoci  Kaxä  Kub^ac  £xi  fjcav a\ olKrjceic' (a.&0.), 
wozu  man  vergleiche  Herakleitos  (de  incredibilibus  XIX  p.  75) 
^Kab^ioc  xouc  CTTopdbiiv  olKoOvxac  eic  hf  cv}ff\faf€V%  was  ganz 
den  Eindruck  einer  versuchten  Etymologie  von  ^Cira-pxoi'  macht, 
aber  doch  auch  auf  thatsächliche  Verhältnisse  zurückgehen  kann 
(Thukyd.  I  5).  Wäre  noch  eine  Bestätigung  dafür  nöthig,  dass  der 
Ares-  und  somit  auch  der  Erinyscult  den  Äonen  angehörte,  so  würde 
diese  in  der  häufigen  und,  wie  es  scheint,  typischen  Bezeidmung  des 
Aresdrachens  als  ^aonisch'  liegen.  Apollonios  Rh.  nennt  an  der 
oben  citirten  Stelle  (Arg.  III  1178)  die  öbövxac 

**Aovioio  bpdKovxoc,  8v 'OrurtiT  ivi  Gripq 
KdbjLioc,  dx'  6öpuiTniv  biHrjfüievoc  €icaq)iKav€, 
TT^<pv€V  *ApTixidbi  Kpt^vq  dmoupov  Wvxa' 

*)  Ein  mythisches  Prototyp  iener  O^fer,  wie  O.  Müller  (Eume- 
niden  p.  174^)  gezeigt  hat;  und  vielleicht  eme  Herolsknng  dftr  sommer- 
lichen Phase  des  sonst  winterlich-chthonischen  Ares. 
**)  cf.  Timagoras  bei  SchoL  Eur.  Phoen.  670  (042). 


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Ares  und  Aphrodite.  715 

Da  Apollomos  dieses  Ethnikon  sonst  nirgends  in  Oebrauch  hat,  so 
mnss  es  an  dieser  Stelle  seine  «gute  Begründung  haben  und  auf  ge- 
lehrter Quellenkeontniss  basiren«  Das  möglicherweise  sehr  spttte 
Schollen  zu  dieser  Stelle:  ^'Aöviov  bi  q>r)Ci  bpäKOvra  töv  ßoiWTiKÖv' 
rechnet  mit  Anschauungen,  wie  sie  erst  bei  römischen  Dichtem  auf- 
treten; oder  aber  —  was  wahrscheinlicher  ist  —  es  will  bei  seiner 
Erklärung  gar  nicht  einmal  Identität  des  Inhalts  beider  Begriffe  be- 
haupten. Denn  die  aonische  Ebene  (*äöviov  ttebiov')  lag  zwar  spe- 
cieU  bei  Theben  (Strabon  IX  p.  412),  aber  doch  immerhin  in  Boi* 
otien.  Offenbar  im  Anschluss  an  Apollonios  nennt  femer  Nonnos 
(Dionys.  II  673)  den  Kadmos:  *'Aovioio  bpdKOVTOC  dvavriov 
6)Li)Lia  TiT/jvac'.*)  Ebenfalls  hierher  gehörig  ist  das  Fragment  des 
Kallimachos  436:  ^äpOTOC  Ku^aroc  äoviou',  das  man  mit  ^Durch- 
furcher  der  aonischen  Woge'  zu  übersetzen  liebt.  Was  soll  das  für 
ein  Gewässer  sein,  auch  wenn  man  gar  wieder  ^Boiotien'  zu  Hilfe 
nehmen  wollte?  Und  dies  wird  nicht  erlaubt  sein,  da  die  einzige 
sonstige  Spur  dieses  Wortes  bei  Kallimachos  ganz  specieU  thebische 
Gesichtskreise  angeht.  Denn  die  im  Hymnos  auf  Dolos  (25  ff.)  er- 
wähnte Quelle  ^Aonie'  erscheint  in  engstem  Zusammenhang  mit  den 
ganz  thebischen  Bächen  Dirke,  Ismenos  und  Strophie.  Davon  ist 
aber  keiner  schiffbar.  Wir  yerstehen  also  ^dpOTrjp'  eigentlich  und 
denken  an  lason,  der  den  Namen  ^Pflflger'  sehr  wohl  tragen  konnte, 
—  vorausgesetzt,  dass  man  *KÖ^a'  nicht  mit  *Woge'  übersetzt, 
sondern  mit  ^Brut'  (wie  ^cräxuc  ''Apewc').  Dann  ist  die  ^aonische 
Bmt',  welche  lason  ackernd  erzeugt,  das  erzgepanzerte  Geschlecht 
des  *dövioc  bpdKWv',  die  Sparten.**) 

§  29.  Hannoma,  Wir  machten  oben  Aussicht,  dass  die  Ver- 
schmelzung des  aonischen  und  kadmisohen  Beligionssystems  sich 
noch  verfolgen  lassen  werde.  Suchen  wir  den  springenden  Punkt. 
H.  D.  Müller  hat  uns  gelehrt  (St.-Myth.  I  145),  dass  *in  solchen 
Fällen  (wo  eine  Berührung  zweier  verschiedener  Stämme  eintritt) 
gewöhnlich  weibliche  Mittelglieder  einzutreten  pflegen',  natürlich  um 
die  Stammgottheiten  genealogisch  zu  verknüpfen.  ^Soll  z.B.  gesagt 
werden,  dass  ein  Yolk  mit  einem  andern  zu  einem  Ganzen  Ver- 
schmilzt, so  fasst  der  Mythos  dies  sjrmbolisch  als  Yerheirathung 
eines  männlichen  und  eines  weiblichen  Individuums'  (II  11  vgl.  I 
221  f.).  So  fragen  wir  auch  hier  nach  dem  weiblichen  Mittelglied 
in  der  Genealogie,  welche  Ares-  und  Eadmosreligion  verknüpft  Dies 
ist  Harmonia,  welche  als  Gattin  des  siegreich  eindringenden  kad- 
mischen  Stammheros  Kadmos  doch  zugleich  rückwärts  als  Tochter 
an  den  Gott  der  unterliegenden  Äonen  angeknüpft  ist,  den  Ares. 


*)  So  liest  mit  Recht  Valckenaer  (zu  Eur.  Phoen.  646;  p.  247) 
statt  der  ganz  widerBinnigen  Vulgata  ^Oi}pavio\o'  (^övioio'  misBverständ- 
lich  als  Compendium  gefasat,  cf.  Uoger,  Th.  Parad.  p.  419). 

**)  Im  übrigen  vergleiche  über  die  Äonen  in  Theben  den  b weiten 
Ezcurs! 


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716  K.  Tümpel: 

Aber  auch  eine  Mutter  muss  sie  gehabt  haben,  nattlrlich  die  Gattin 
des  Ares;  aber  hier  erscheint  statt  der  Erinys  plötzlich  unerwartet 
die  Aphrodite  und  bestätigt  so  ausdrücklich,  dass  diese  nur  eine 
Metamorphose  der  Erinjs  ist:  eine  Aphrodite-Erinjs,  "die  dem 
letzteren  Theil  ihres  Namens  ihre  eheliche  Verbindung  mit  Areb 
verdankt.  Die  Aphrodite-Erinjs  selbst  konnte  nicht  mit  EladmoB  yerhei- 
rathet  werden,  da  sie  dem  Ares  yerbleiben  musste,  und  so  schuf  der 
Mythos  an  ihrer  Statt  die  heirathsflihige  Hannonia  ihr  zum  Bilde 
(cf.  die  Aphrodite  Harma  in  Delphi;  Plut.  Amator.  XXTTI).  Die  Freude 
aber,  welche  sogar  die  Götter  über  das  gelungene  Einigungswerk  em- 
pfinden, spricht  sich  aus  in  ihrem  Besuch  auf  der  Hochzeit  der  Hannonia 
mit  Eadmos,  welche  als  die  Friedensfeier  nach  dem  historisch  Terwen- 
deten  blutigen  Drachenkampf  dargestellt  wird,  und  die  Versöhnung 
mit  den  Drachensöhnen  symbolisirt.  Dieses  selbe  Verh^tniss  scheint 
auch  ihr  versöhnlich  klingender  Name  auszudrücken,  mögen  wir  uvl 
an  die  eheliche  Vereinigung,  welche  das  Mittel  zu  jenem  Zweck  war, 
oder  an  die  politische  üebereinkunfi;  denken,  oder  daran,  dass  ihr 
Wesen  mit  Demeter  Thesmophoros  und  Aphrodite  gleichmSssig  An- 
knüpfungspunkte darbietet.  Somit  hat  sich  bestätigt,  was  Engel 
ahnte,  dass  *die  beiden  göttlichen  Herrscherpaare  in  Theben  Ter- 
schiedenen  Volksstftmmen  angehörten  und  die  Sage  Beide  wieder  acf 
die  Weise  verbunden  habe,  dass  die  Gemahlin  des  Eadmos  eine 
Tochter  des  filteren  Paares,  des  Ares  und  der  Aphrodite,  wird* 
(Eypros  11  54). '^)  Und  wie  vor  Eadmos  Ares,  so  muss  vor  Demeter 
sich  Erinys  auf  die  chthonische  Seite  beschrftnken,  welche  dann 
in  der  kyprischen  Aphrodite  wiedergefunden  wird.  Denn  auch  diese 
wird  ja  im  Pygmalionmythos  in  ganz  ohthonischer  Weise  gebannt 
(Ovid.  Met.  X  243  ff.)  und  verfiLlIt  einer  richtigen  winterlichen  Erstar- 
rung. Und  erst  im  Frühling  erw&rmt  Baal-Pygmalion  (als  Bild- 
hauer) die  versteinerte  Aphrodite  (als  Natur)  zum  Hieros  Games 
(Preller,  6r.  Myth.  I'  275).  Wegen  unserer  Deutung  vergleiche  man 
die  Erstarrung  des  Daphnis  zu  Stein,  die  bei  ihm  mit  unbedingt 
ohthonischer  Blendung  wechselt  (Schol.  Theokr.  VIII  93.  Servias 
und  Philargyrus  zu  Verg.  EcL  V  20).  Wir  glauben  nun  auch  bei 
der  Aphrodite  die  tieferen  Beziehungen  aufgefunden  zu  haben,  die 
sie  mit  der  £[admossage  verbinden,  und  die  H.  D.  MüUer  (II  319), 
wie  für  die  Athene,  leugnete.  —  Sind  aber  auch  topische  Anknüpfungen 
der  Aphrodite-Erinys  in  Theben  nachweisbar?  Schwerlich;  wenigstens 
scheinen  sie  bei  dem  sich  vervielfachenden  Namen  der  Erinys  verblie- 
ben zu  sein.  Das  Soholionbei  Hesych:  ^AaöuJT€vf|C  f)  *A9pobiTii, 
ÖTi  ^m  xqj  iy  'Apnabiqi  noTami»  Adbuivi  ifivvijßrf  (M.  Schmidt  mit 

*)  An  bcBtimmte  vorkadmische  Stamnmamen  knüpfte  auch  versuchB- 
weise  Stell  (Ares  p.  28)"^)  die  Aresreligion  an;  doch  warf  er  die  Äonen 
mit  Hektenen,  Hyanten  u.  s.  w.  zusammen  und  hielt  die  Sparten  gar 
für  einen  dem  Ares  feindlichen,  Werhassten'  (p.  21),  mit  den  udmeionen 
einwandernden  (p.  28),  also  jüngeren  Stamm. 


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Are«  und  Aphrodite.  717 

Mnsnras  statt  ^y^wncev)  bezieht  sich  wirklich  auf  den  arkadischen 
Ladon  Paus.  VIII  25,  1).  Auch  die  Quelle  Strophie^  welche  EaUi- 
machos  (hym.  in  Delum  76)  mit  Dirke,  Ismenos,  Asopos  und  Aonie, 
also  thebischen  Flüssen,  erwfthnt,  wird  mit  Apostrophia  keinen  Zu- 
sammenhang haben.  Machen  wir  nun  kurz  die  Probe  auf  unser 
Exempel,  so  mttssten  sich,  wenn  Ares-  und  Erinjsdienst  an  den 
aonischen  Stamm  angeknüpft  ist,  in  Attika  Spuren  dieses  Stam- 
mes nachweisen  lassen,  und  wirklich  sind  nach  Philochoros  (bei 
Strabon  IX  397)  Äonen  aus  Böotien  in  Attika  einge£Etllen  (%op6ou- 
^lyn\c  Ti\c  xuipac  ix  yf^c  \mö  Boiuitujv,  oBc  ^k&Xouv  "Aovac*); 
angeblich  unter  Kekrops,  also  in  vorhistorischer  Zeit  Wir  können 
also  getrost  voraussetzen,  dass  solcher  Zug  in  der  Wanderzeit  der 
Stftmme,  wo  es  sich  um  Landbesitz  handelte,  nicht  vorübergegangen 
ist,  ohne  in  Ansiedelungen  Spuren  zu  hinterlassen,  namentlich  wenn 
er  so  siegreich  verlftuft,  wie  allem  Anschein  nach  dieser  aonisohe. 
Suchen  wir  unsere  Kenntniss  von  den  Äonen  durch  weitere  Notizen 
noch  etwas  zu  vervollständigen,  so  finden  wir  eine  solche  in  dem 
Bericht  des  Antoninus  Liberalis  (Transformationes  XXV)  nach  Nikan- 
dros  (**6t€P010u^^vujv  b")  und  Eorinna  (^drcpoiwv  a")  (Wester- 
mann, Mjthographi  p.  224  ff.).  Lassen  wir  die  Ausschmückungen 
der  Legende  beiseite,  so  erscheinen  als  Stifter  eines  Cults  der  beiden 
^Eriounioi'*)  die  Äonen.  Mit  jenen  Gottheiten  fallen  offenbar  so 
oder  so  zusammen  die  ^Eoronides',  welche  anlttsslich  dieses  Er- 
eignisses, der  Cultstiftung  zur  Rettung  aus  Pestnoth,  göttlich  ver- 
ehrt sein  sollen,  weil  sie  sich  freiwillig  zum  Opfer  geboten.  Als  in- 
tellectueller  Urheber  fungirt  ein  Apollon  Oortynios,  offenbar,  wie 
auch  0.  Müller  zu  diesem  Mythos  bemerkt  (Orchom.'  p.  195),  ein 
Asklepios,  wie  der  Gortynios  zu  Titane  bei  Sikyon  (Paus.  II  11,  8), 
der  sich  zu  der  gedoppelten  Eoronis  in  bekannter  Weise  als  Par- 
hedros  stellt.  Asklepios  aber,  wie  Eoronis  haben  Schlangen- 
symbol und  wohnen  in  ^\iifapa*  und  ^ßöGpoi',  unterirdischen  Höhlen 
mit  kalten  Quellen,  genau  wie  Ares  und  Tilphossa-Erinys  in  den 
Quellschluohten.  Asklepios  war  selbstverständlich  nicht  immer 
Heilgott)  wie  Ares  auch  nicht  Eriegsgott;  nur  die  Cultstätten  bleiben 
unverändert  und  bezeugen  Stammverwandtschafb.  Nach  0.  Müller 
ist  Asklepios  Stammgott  der  Phlegyer  (Orchom.'  p.  194),  als  deren 
Stammvater  aber  auch  Ares  erscheint  (mit  Chryse  Paus.  IX  36,  l). 
Des  weiteren  schliesst  sich  dieser  Gruppe  an  das  Paar  Trophonios 
und  Herkyna.  An  ersteren  sind  die  ^^pfiai'  als  Opferknaben  erst 
durch  die  Verschmelzung  mit  argivischem  Hermesdienst  gekonunen: 
denn  mit  Hermes  hat  das  Schlangensymbol  nichts  zu  thun:  sogar 
der  Schlangenstab  ist  erst  eiue  spätere  Modification  der  ursprüng- 
lichen Wünschelruthe  *Tpnr^TTiXoc*  (Preller  Gr.  Myth,  P  319).  Die 


*)  Schneide wia  in  der  zweiten  Auflage  von  0.  Müllers  Orcho- 
menos  p.  195  (cf.  1.  Aufl.  p.  200)  schreibt  fälschlich  „Eiinyen". 


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718  K.  Tümpel: 

Herkjna  aber,  deren  Name  von  ^^pKOc'  (=  GefUngniss  =»  OdXcxMOc 
etc.)  herkommt,  mit  q>öpKOC,  dem  8tyxai*tigen  ünterweltsgewftsser 
identisch  ist  und  aasserdem  einen  FlnsB  bei  Lebadeia  bezeichnet, 
entspricht  fast  genau  der  Tilphossa  («»  Delphusa).  Drachensymbol 
und  Quellschlucht  fehlen  nicht  Sogar  demselben  historischen  £2r- 
eigniss  sind  Ares-Erinyscult  und  Trophonios-Herkynadienst  zum 
Opfer  gefallen;  denn  wie  Ares  von  Eadmos-Hermes  ins  Chthonisclie 
herabgedrttckt  ward  und  Erinys  an  Demeter  angeschlossen  als  De- 
meter-Erinys,  so  heisst  sp&ter  Trophonios  der  unterirdische  Her- 
mes (Cic.  d.  Nai  Deor.  HI  22,  cf.  0.  Müller,  Orch.*  149f.)  und  Her- 
kyna  hiesB  die  erste  Priesterin  der  Demeter  zu  Lebadeia,  der 
Demeter-Herkyna  (Tzetzes  zu  Lykophr.  163  p.  414).*) 

Die  Vermuthung  liegt  somit  ni^e,  dass  die  Wichtigkeit,  welche 
in  späteren  gelehrten  Zeitaltem  dem  aonischen  Namen  beigemessen 
wird,  und  sogar  zur  Gleichsetzung  mit  dem  Namen  Boiotien  führte, 
auf  der  Thatsache  eines  weit  yerzweigten  Sehlangen-  und  Quellgrotten- 
dienstes mit  wechselndem  Namen  der  leitend«!  Gottheiten  beruhte, 
welcher  jenen  alten  unterdrückten  Landesbewohnem  angehörte. 

Noch  harrt  eine  Frage  der  Erledigung:  wie  kam  Ares  zu 
seinem  bis  heute  noch  unbezweifelten  Thrakerthum?  Die  eine 
Stütze  desselben  ist  Homer.  Dieser  aber  trennt,  wie  A.  Biese 
(Fleckeisen  Jb.  115, 225  ff.)  überzeugend  dargethan  hat,  ausdrücklich 
das  östlich  vom  StrymoU;  nordwestlich  von  Ilion  gelegene  Land  Thrake 
von  Pierien  am  Olympos  erst  spät,  welches  höchst  walirsoheinlich 
durch  eine  uns  berichtete  Auswanderung  der  Pierer  nach  Thrakien 
um  und  vor  500,  mit  diesem  in  Verbindung  gesetzt  wurde,  wflhrend 
^ pierische  Thraker'  in  Böotien  bei  Daulis  auf  einer  noch  erkenn- 
baren Gombination  des  Thukydides  beruhen.  Die  Verknüpfung  des 
Ares  mit  dem  kriegerischen  Barbarenvolk  des  Nordens ,  den  Thra> 
kern,  auf  deren  Rechnung  spSter  mancher  nach  Süden  gerichtete 
Einfall  nördlicher  Stämme  gesetzt  ist,  kann  also  nur  eine  dichterische 
sein.  Südliche  Thraker  gibt  es  erst  besonders  seit  Euripides  und 
Strabon.  Was  das  andere  Argument,  nftmlich  die  angebliche  thra- 
kische  Herkunft  der  mit  Ares  mythologisch  verbundenen  Alolden 
betrifft,  so  liegt  Alo1[on,  das  H.  D.  Müller  (Ares  p.  87)  sonst  mit 
Recht  beizieht,  nicht  etwa  in  Thrake,  sondern  höchstens  in  Pierien, 
eigentlich  freilich  nur  in  Thessalien.  Wir  müssen  also  annehmen, 
dass  bloss  unorganisch  durch  historische  Verhältnisse  die  Alolden 
eine  ihnen  angemessene  Function  in  der  Aresreligion  übernommen 
haben,  wofür  auch  ihre  Doppelung  spricht,  sovde  das  Fehlen  von 
Arescult  in  dem  durch  die  Alolden  gestifteten  Askra  (Paus.  IX  2  9,  l), 
sowie  zu  Anthedon,  wo  ihre  Gräber  gezeigt  wurden  (IX  22,  5). 

*)  Dass  die  ganz  ähnliche  Caltstötte  zu  D  e  1  p  h  o  i ,  die  vorapoUinisch 
ist,  jedenfalls  ihr  eigenes  Drachensymbol  hatte,  würde  erst  dnrch  eine 
eigne  Untersnchong,  und  nach  den  oben  gewonnenen  Anhaltspunkten 
vielleicht  nicht  nnscliwer,  festgestellt  werden  können. 


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Ares  und  Aphrodite.  719 

Fragen  wir  aber,  welehe  Beziehtmgen  bei  Homer  den  Ares  zum 
Schntzgott  der  Thraker  gemacht  haben  mögen,  so  ist  offenbar  der 
oft  hervorgehobene  kriegerisch  rauhe  Sinn  der  Letzteren,  welcher 
sich  auch  in  ihrem  Namen  ausspricht,  die  Veranlassung  gewesen 
(cf.  V.  Hehn,  Culturpflanzen  etc.*  p.  66:  *9p^  von  Tpaxwc  mit 
vertauschter  Aspirata').  Von  ihnen  geht  der  Krieg,  *äpT)c',  aus 
und  der  Sehrecken  ^fpöpoc*  (H.  N  3Ö1);  als  Thraker  erscheint  der 
Kriegsgott  (6  462),  und  so  kehrt  er  dann  auch  in  der  Odyssee 
(0  301)  nach  seinem  Abenteuer  mit  der  Aphrodite  dahin  zurück, 
von  wannen  man  ihn  kommen  zu  sehen  gewohnt  war.  Ebenso  wer- 
den auch  spftter  Bhesos,  Diomedes,  Lykurgos  gern  als  Söhne  des 
Ares  nach  Thrakien  versetzt  (A.  Eiese  a.  a.  0.  p.  231). 

§  30.  Chronologie.  Wir  glauben  die  Echtheit  der  .Verbindung 
von  Ares  und  Aphrodite  so  gut  wie  bewiesen  zu  haben,  womit,  wie 
wir  hoffen,  fOr  einen  unbefangenen  Beurtheiler  sich  das  Axiom  H.  D. 
Müllers  von  der  nothwendigen  ZurückfÜhrung  der  einzelnen  Mit- 
glieder der  griechischen  Götterfamilie  auf  bestimmte  St&mme  von 
neuem  bewährt  haben  wird.  Bevor  wir  jedoch  den  Aufbau  unserer 
Argumentation  abschliessen,  wozu  wir  uns  des  öfter  erwähnten  De- 
modokosgesanges  bedienen  werden,  sind  die  chronologischen  Daten 
wenigstens  versuchsweise  zurecht  zu  rücken.  Für  den  üebergang  der 
Erinys  in  die  Aphrodite  haben  wir  als  ftusserstes  Datum  rückwärts 
die  Stiftung  der  Kadmeia.  Sogar  der  Mythos  hat  die  Weihung  der 
Aphroditebilder  nicht  über  Harmonia  hinaus,  zurückdatiren  mögen 
und  —  köimen,  aus  begreifliehen  Gründen.  Ein  terminus  ad  quem 
fehlt  leider,  wenn  wir  uns  nicht  auf  das  Epos  berufen  wollen.  Wir 
müssen  also  fragen  nach  den  Beeinflussungen,  die  Theben  vom  Orient 
aus  erfahren  hat.  Der  nächste  Gedanke  ist  hier  an  jenes  semitische 
Volkselement,  dem  durch  Brandis  (Hermes  II 259  ff.)  die  Ummauerung 
zugeschrieben  wird  wegen  des  Bezugs  der  sieben  Thore  zu  den  Ea- 
biren.  Aber  hier  ist  noch  Alles  dunkel ;  nur  dass  die  Astarte,  welche 
diese  Golonisten  mitbrachten,  nicht  unsere  Aphrodite  sein  kann,  steht 
fest;  denn  jene  ging  in  der  Onka  auf.  So  bleibt  eine  andre  Mög- 
lichkeit. Jene  Eabirenverehrer  nämlich,  welche  nach  0.  Müller 
(Prolegomena  p.  155)  von  Boiotien  nach  Samothrake  auswanderten 
imd,  wie  H.  D.  Müller  (St.-Myth.  I  295)  vermuthet,  die  Harmonia 
und  den  Eadmos  von  den  Kadmeionen  annahmen  und  ebenfalls  mit 
verpflanzten,  die  auch  den  ir^irXoc  und  das  Halsband  der  Harmonia 
aus  Phönikien  importirten,  haben  auch  die  Aphrodite  einführen  und 
gewissermassen  als  Gegenleistung  in  Theben  zurücklassen  können, 
denn  sie  waren  naturgemäss  Semiten.  Dass  Müller  sie  vor  die 
Kadmeionen  ansetzt  und  sie  von  diesen  erst  vertrieben  werden  lässt, 
scheint  ohnehin  nicht  plausibel,  da  die  Harmonia  sich  doch  erst  in 
Theben  abgesondert  haben  muss.  Vielmehr  scheint  gerade  einer  der 
späteren  Kämpfe  die  Vertreibung  derselben  veranlasst  zu  haben, 
wenn  wir  auf  Pausanias'  Bericht  etwas  Werth  legen  wollen  (IX  26,  7: 

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720  K.  Tflmpel: 

Vaxd  bk  Tf|V  'eniTÖvoJV  CTpareiav  Kai  &Xu)civ  tuiv  Orißujv  dv- 
^cnicav  M^v  önö  täv  *ApT€iu*v  ol  Kaßeipöi'.  Waren  wirklich  die 
frisch  von  Norden  einwandernden  Eadmeionen  die  Veranlassnng  ge- 
wesen, so  würden  nicht  die  argivischen  Epigonen  genannt  sein.  Auch 
die  Thatsache,  dass  die  Erinys  trotz  der  Aphrodite,  z.  B.  in  der  Oidi- 
pussage,  noch  kräftig  fortlebte,  wtlrde  nichts  für  ein  viel  sp&teres 
Datum  des  üebergangs  beweisto.  Denn  da  ja  auch  in  spätester  Zeit 
das  Tilphossion  noch  fortbestand,  so  konnten  sich  an  dem  dortigen 
Cultusort  parallel  der  thebischen  Aphrodite  noch  alle  die  älteren 
Vorstellungen  erhalten  haben,  und  so  in  unsere  Quellen  übergeben. 
Aber  zur  Eridenz  Iftsst  sich  mit  unseren  Mitteln  diese  Vermuthung 
nicht  bringen.  Die  Aufgabe,  Mythologie,  soweit  sie  historische  Ele- 
mente in  sich  aufgenommen  hat,  in  Geschichte  umzusetzen,  ist  so 
schwer,  dass  noch  der  grosse  Grote  sich  derselben  überhaupt  be- 
schied, indem  er  die  mythologische  Urgeschichte  von  Hellas  mit  dem 
gemalten  Vorhang  des  Parrhasios  verglich.  *Der  Vorhang  ist  das 
Gemälde  selbst,  er  verdeckt  nichts,  und  es  kann  durch  keinen  Scharf- 
sinn weggezogen  werden'  Gesch.  Griech.  I  p.  VIII  (übs.  v.  Meissner). 
Wir  fragen  uns  weiter:  welcher  Zeit  die  Aphrodite-Dreiheit 
zuzuschreiben  sei.  Wenn  unsere  Vermuthung,  dass  die  Aigiden  erst 
die  Verschmelzung  der  Athene  mit  Urania  veranlaset  haben,  richtig 
ist,  was  wir  bis  auf  weiteres  annehmen,  so  können  die  drei  Xoana 
frühestens  nach  der  Vollendung  der  dorischen  Wanderung  sich  con- 
stituirt  haben,  da  eine  Rückwanderung  von  Aigiden  noth wendige 
Voraussetzung  wäi*e.  Viel  jünger  herab  müsste  unser  Datum  für 
dieselben  fedlen,  wenn  0.  Müllers  Aeusserung  (Orch.'  114)  Yon 
*dem  Holzbild  der  Aphrodite  zu  Theben'  begründet  wäre.  An  das 
Agalma  neben  Ares,  das  Aischylos  in  den  ^Septem'  erwähnt,  hat  er 
nicht  gedacht,  denn  er  spricht  von  Mem  Bild,  das  Harmonia  aus 
phönikischen  Schiffsschnäbeln  habe  schnitzen  lassen'.  Er  stellte  sich 
also  wahrscheinlich  jene  drei  Aphroditen  als  mit  dem  Bücken  an- 
einanderstehend  vor,  und  aus  einem  Holzstamm  geschnitzt,  wie  z.  B. 
die  Hekatebilder.  Doch  verbietet  der  siebenmalige  Plural  der  betreffen- 
den Stelle  des  Augenzeugen  Pausanias  solche  Annahme.*)  Etwas 
Positives  lässt  sich  aber  nicht  beibringen;  auch  mit  den  Zahlen, 
welche  die  Einführung  des  Aphroditedienstes  in  Griechenland  zeit- 
lich umschränken  woUen,  1200  (Duncker,  Gesch.  d.  Alterth.  11^42) 
und  1600—1100  (E.   Curtius,  Gr.  Gesch.  I*^  öl)  ist  nichts  ge- 


*)  Noch  eine  andre  Vermuthung,  die  wenn  sie  richtig  wäre,  einen 
gleich  späten  Ursprung  involviren  würde,  braucht  nur  erwähnt  zu  werden, 
um  ab^ethan  zu  sein.  Länormant-de  Witte  (£l.  C^.  IV28)  schreiben 
über  die  3  Xoana:  ^Une  Venus  Apostrophia,  unie  ä  deux  autresVänuB, 
nous  rappelle  la  disposition  ordinaire  du  groupe  des  trois  Gräces  et  se 
r^duit  tout  simplement  ä  mie  Vänus  callipy ge '(!}..  Drei hocharchaische 
Bilder,  die  man  auf  Harmonia  zurückffihrtel  und  die  aussahen,  als  wären 
sie  phönikiBche  Akrostolial 


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Ares  und  Aphrodite.  721 

Wonnen.  Nor  soviel  ISsst  sich  festhalten,  dass  Harmonia  bloss  my- 
thisch als  Stifterin  der  drei  Aphroditebilder  gelten  kann;  vielleicht 
ist  sie  es  geworden  in  Erinnerung  an  die  Vereinigung  der  drei  ver- 
schiedenen Göttercnlte  der  Athene,  Demeter  nnd  Erinys,  die  sich 
gewissermassen  unter  ihren  Auspicien  vollzog. 

Was  femer  die  Verbreitung  des  Aphroditedienstes  betrifft, 
80  fUlt  sie  natürlich  weit  später  als  die  Zeit,  in  welche  wir  die 
Verbreitung  der  Erinys-Tilphossa  und  ihrer  Begleitung  ansetzen 
können.  Die  letztere  ffSUt  in  eine  uns  ganz  unerreichbare  Zeit,  die 
erstere  in  eine  jüngere,  wie  die  späte  Treibhausstadt  Megalepolis 
vermuthen  lässt;  zwischen  beiden  Gruppen  liegt  jene  wichtige  Epoche 
des  üebergangs  vom  anikonischen  in  den  ikonischen  Dienst,  dessen 
Chronologie,  so  wichtig  sie  für  uns  wäre,  doch  nicht  durchaus  klar 
ist.  An  eins  der  berühmten  Wandergeschlechter  von  Theben,  die 
Aigiden  oder  Gtephyräer,  können  wir  die  Verbreitung  der  Aphrodite- 
Dreiheit  mit  Ares  nicht  anknüpfen,  da  die  Oertlichkeiten  des  Vor- 
kommens nicht  übereinstimmen  (vgl.  Preller,  Dem.  u.  Pers.  392ff. 
0.  Müller,  Orch.  112ff.  Overbeck,  Kunstmyth.  U  273).  Wenn 
sie  wirklich  bei  der  Verbreitung  jener  Trias  von  Göttinnen  bethei- 
ligt gewesen  sind,  so  kann  es  nur  bei  der  älteren  Phase  derselben 
der  Fall  gewesen  sein,  in  welcher  sie  ja,  wie  wir  vermutheten,  die 
Verschmelzung  der  Tritonia  mit  der  Urania  veranlassten.  In  diese 
Richtung  weist  uns  auch  eine  merkwürdige,  aber  ziemlich  räthsel- 
hafte  Inschrift  unbekannten  Fundortes,  über  deren  Verbleib  nichts 
bekannt  ist  Sie  wird  von  Welcker  (G.  GL.  II 166)  angeführt  und 
lautet:  ^dpiii  |i r^rpa et  xai  bioacopoic'.  Der  Dual,  welcher  sich 
hinter  der  Pluralform  öiocKÖpoic  versteckt,  kann  uns  nicht  veran- 
lassen, an  der  Dreizahl  der  ^Mütter'  zu  zweifeln,  die  auch  Welcker 
wahrscheinlich  ist;  und  es  wäre  also  denkbar,  dass  mit  den  ixryziQeQ 
die  drei  boiotischen  Göttinnen,  hier  unter  der  Führung  des  Ares, 
steckten.  An  die  Aigiden  als  Stifter  der  Urkunde  zu  denken,  liegt 
nahe,  weil  diese  mit  ihren  einheimischen  Gülten  leicht  die  berühmten 
Götter  ihrer  langjährigen  Durchgangsstation  nach  Thera,  die  amy- 
kläischen  Dioskuren,  vereinigen  konnten.*)  Der  Name  Thera  der 
Insel  aber,  welcher  übereinstimmend  auf  diese  boiotischen  Wanderer 
zurückgeführt  wird,  hat  eine  sonst  alleinstehende  Parallele  in  der 
später  unverständlich  gewordenen  Localbenennung  der  ^sogenannten 
Thera'  bei  Lebadeia  in  Boiotien  (Paus.  IX  39,  4).  Ebendaher  muss 
der  Ares  Thereitas  stammen,  der  in  Sparta  (Paus.  HI  19,  8)  nicht 
alteinheimisch  sein  kann.  Sehr  wahrscheinlich  verhält  sich  dann 
Thereitas  zu  Thera  wie  Enyalios  zu  Enyo,  und  Thera  gehört 
zur  Areereligion.  (So  auch  H. D. Müller,  Ares 89 und Dilthey,  Rhein. 


*)  Doch  wäre  auch  nicht  unmöfflich,  dass  die  Mütter  einem  ganz 
verschiedenartigen  Gült  lu  Kreta  und  Engyon  auf  Sikelien  angehörten, 
was  die  Ansicht  Welckers  ist 

Jahrb.  /.  elats.  Phil.  Suppl.  Bd.  XI.  46 

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722  K.  Ttimpel: 

JB.  53/4  [1873]  p.  42).  Dazu  stimmt,  dass  an  dem  bolotischen  Thera 
ein  Persephonedienst  localisirt  war,  wie  sonst  an  den  Stfttten  der 
alten  Erinys  (cf.  oben  p.  685,  694),  und  dass  vermuthlich  wie  bei 
den  im  gleichen  Capitel  von  Paasanias  beschriebenen  Trophonios- 
Herkjna-Heiligthümem,  ein  X^^M^^  °^t  Zubehör  im  Spiele  war.  Die 
üebermitüer  nach  Lakonika  aber  würden  nur  die  Aigiden  sein  können, 
die  dann  die  Tritonia  und  Demeter  mit  der  Aresgefthrtin  zusammen 
als  Vn^^pcc'  einführten.  Sollten  jedoch  unter  den  ^biocKÖpoi'  hier, 
wie  bei  Eur.  (Phoen.  609)  die  thebischen  Brüder  Amphion  und  Zethos 
zu  verstehen  sein,  so  würde  man  erst  recht  an  die  Aigiden  zu  denken 
haben. 

Schliesslich  darf  ein  eigeuthümliches  Moment  wenigstens  nidit 
übersehen  werden,  nttmlich  die  Einzahl  der  Aphrodite  neben  Ares  in 
dem  polyneikischen  Heiligthum  zwischen  Argos  und  Mantineia. 
Vielleicht  irren  wir  nicht,  wenn  wir  wegen  des  ganz  singulftren  Holz- 
materials der  Aresstatue  dasselbe  für  früher  halten  als  die  anderen 
Ares-  und  Aphroditetempel,  in  denen  uns  die  Dreizahl  der  Aphro- 
dite entgegentrat.  Man  wende  nicht  ein,  die  von  Aischylos  erwfthnte 
spätere  Ares-  und  Aphrodite-Gruppe  zu  Theben  zeige  auch  nur  eine 
Aphrodite:  denn  diese  steht  in  einer  Achtzahl  der  grossen  thebischen 
Götter,  welche  den  Anstrich  eines  einheimischen  Systems  hat,  und 
jene  ganze  Zeit,  in  welcher  sich  die  Yölkerschichtungen  in  jener  Stadt 
häuften,  als  vergangen  voraussetzt  Auch  bürgt  die  Notiz  von  der 
Stiftung  der  Bilder  durch  Polyneikes  und  vielleicht  auch  die  eigen- 
thümliche  Doppelanlage  des  Heiligthums  für  ein  hohes  Alter,  und 
wir  scheuen  uns  deshalb  nicht,  die  Vermuthung  auszusprechen,  dieser 
Tempel  stamme  aus  einer  früheren  Zeit,  in  welcher  deutlich  noch 
eine,  specialisirte  Aphrodite,  die  aus  der  Erinys  hervorgegangene, 
spftter  zur  Unterscheidung  von  den  anderen  ^  Apostrophia'  genannt, 
mit  Ares  zusammen  als  ftltestes  Götterpaar  zu  Theben  residirte. 


Dritter  TheiL 


Aphrodite-Dionaia  (Pandemos)  und  Ares,  das  poetische  Paar 
der  hellenischen  Nationalmythologie. 

L   Der  Gtosang  des  Demodokos. 

§  31.  KriHk  des  Mythos,  Wir  haben  im  Vorstehenden  den  lo< 
calen  Cult  des  Paares  Ares  und  Aphrodite  aufzuhellen  gesucht  durch 
ZurückfÜhrung  auf  ein  metamorphosirtes  G5tterpaar  eines  einzelnen 
Stammes ,  und  hoffen  somit  einen  Verweis  auf  die  Dichter  als  allei- 
nige Erfinder  dieser  Buhlschaft  überflüssig  gemacht  zu  haben.  Da- 
mit ist  im  Wesentlichen  unsere  Aufgabe  erftült.  Doch  kann  verlangt 


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Ares  and  Aphrodite.  723 

werden,  dass  das,  was  die  epische  Poesie  aus  unserem  Paar  gemacht 
bat,  als  wenigstens  nicht  mit  unserer  Darstellung  collidirend  sich 
erweise.  Erst  durch  die  Betrachtung  dieser  mehr  continuirlichen 
üeberlieferung  kann  die  dritte  und  schwierigste  Frage  unseres  Pro- 
gramms: nach  der  Bedeutung  des  Paares,  für  welche  uns  bis- 
her nur  das  lückenhafteste  Material  zu  Oebote  stand,  eiuigermassen 
erschöpfend  beantwortet  werden.  Wenn  wir  demnach  wieder  vor- 
wärts schreitend  unser  Paar  aus  der  Beschränkung  des  Cantonlebens 
in  die  freiere  Atmosphäre  des  nationalen  G5tterhimmels  verfolgen, 
so  ist  die  nächstliegende  Frage,  wie  sich  die  localen  Charakterzüge 
im  Spiegel  der  weiten  hellenischen  Dichtkunst  reflectiren,  was  neu 
hinzugekommen,  und  was  das  Ursprüngliche  ist.  Dies  führt  uns  zu 
einer  langgescheuten  Crux  gewissenhafter  Mjthologen,  dem  Gesang 
des  Demodokos  in  dem  VIII.  Buch  der  Odyssee. 

Die  einzige  Deutung,  um  von  den  blossen  Andeutungen  H.  D. 
Müllers  hier  abzusehen,  hat  W.  Schwartz  gegeben  an  den  5  oben 
(p. 644)  citirten  Stellen  seines  Buches  (Ursprung  der  My  thologie). 
Die  Buhlscbaft  des  Ares  mit  der  Aphrodite  in  den  Banden  des  hinter- 
gangenen  Gatten  Hephaistos  ist  ihm  ein  Bild  des  Gewitters:  der 
''Gewittergott  Ares  buhlt  mit  der  Gattin  des  Gewitterschmiedes: 
Aphrodite',  die  selber  als  Uranostochter  eine  *  Gewittergeburt'  ist. 
Ihr  Gürtel,  wie  der  des  Ares  ist  ein  Gewittersymbol,  nämlich  der 
^Begenbogen',  der  wie  ein  ^goldenes  Geschmeide'  aussieht  (noch  heute 
heisse  derselbe  in  Griechenland  ^f|  l\jjyi\  rffc  TTavaTiac');  *die  böse 
Fessel  ist  der  BlitzesfEiden ',  das  ^unendliche  Gelächter  der  Götter 
as  der  Donner'.  Der  Hahn,  den  wir  auf  einigen  Sarkophagen  bei 
dieser  Scene  finden,  ist  als  ^der  ursprüngliche  Lanzenträger  des  Got- 
tes' und  als  Mer  Gewittervogel  anwesend  (cf.  die  Hähne  der  Thurm- 
spitzen)';  und  ^Eros,  der  Spröseling  dieser  Gewitterbuhlschaft,  ist  in 
Beziehung  auf  diese  mit  dem  Pfeil  ausgestattet'.  Man  ist  enttäuscht, 
nicht  auch  den  tiefsinnigen  Dialog  zwischen  Hermes  und  Poseidon 
meteorologisch  gedeutet  zu  finden. 

Wir  unterscheiden  zuerst  zwischen. echtem  Kern  und  Agglo- 
meraten.  Zu  den  letzteren  gehört  vor  allen  Dingen  das  zuschauende 
olympische  Publicum.  Das  muss  selbst  deijenige  zugeben,  der  nicht, 
wie  wir  thun,  in  der  olympischen  Götter&milie  und  überhaupt  dem 
griechischen  Polytheismus  ein  erst  historisch  Gewordenes  sieht.  Aus- 
zuscheiden ist  femer  die  Schmückung  der  Aphrodite  durch  die  Cha- 
riten am  Schlnss  des  Gesangs;  denn  die  Chariten  waren  ursprünglich 
der  Mittelpunkt  eines  selbständigen  grossen  Dienstes  zu  Orchomenos, 
der  die  Aphrodite  nichts  angeht  Das  damit  verbundene  Bad  ist  im 
besten  Fall  ein  prototypischer  Mjrthos,  denn  die  %dp6€V0C  Upocu- 
vnv  diT^T€iov  ^xouca'  der  sikyonischen  Aphrodite  wurde  XouTpo- 
qnSpoc  genannt  (Paus.  U  10,  4)  und  in  Bom  wurde  noch  zu  Ovids 
Zeiten  das  Bild  der  Venus  (Yerticordia)  am  1.  April  gebadet: 
et  FastilV  136  ff.: 

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724  K.  Tflmpel: 

*Aiirea  marmoreo  redimicula  solvite  coUo, 
Demite  dmtias.  tota  layanda  dea  esl 

Aurea  siccato  redünicula  reddite  collo'  etc.  etc. 
Wir  h&tten  ein  hochzeitliches  Bad  zu  erkennen,  wie  bei  der  Palkä. 
der   Hera  Lygodesma,   der  Demeter  Lnsia,  Europa  (Ant  Earya 
179)  und  Leto  (Zoster  bei  Steph.  Byz.  p.  196,  2). 

Auszuscheiden  ist  femer,  wie  schon  Welcker  (G.  GL.  I  lOB^ 
erkacnt  hat,  das  Oesprttch  zwischen  Hermes  und  Poseidon,  als  imicr 
den  Gesichtspunkt  des  MSrchens  fallend;    wir  dürfen  hinzusetzen 
auch  das  Hereinspielen  des  Helios,  als  Personification  der  Sonne^  die 
Alles  sieht.  Wir  kommen  jetzt  zu  Hephaistos.  Dass  er  als  Gatte, 
Ares  nur  als  Buhle  der  Aphrodite  erscheint ,  kann  uns  nicht  ▼eraB- 
lassen,   aus  der  socialen  Rechtmässigkeit  seiner  dichterischen  Be- 
ziehungen zu  Aphrodite  auch  auf  eine  mythologische  Echtheit  dieses 
Yerhftltnisses  zu  schliessen  und  einem  echten  irdpebpoc  Hephaistos 
zu  Liehe  etwa  den  Ares  als  po^ischen  Eindringling  zu  behandeln, 
wie  Raoul-Rochette  thui    Er  will  (Point.  in6d.  Artikel  ^  Venus  et 
Mars')  alles  Ernstes  beweisen,  dass  die  Bande,  welche  Aphrodite  an 
Ares   knüpfen,  nie  andere,  als  die  des  Ehebruchs  gewesen  seien. 
Jedenfalls  weiss  weder  die  griechische  Cult-,  noch  Kunst^^eechicbte 
von  einem  Paar  Aphrodite  und  Hephaistos,  wenn  auch  die  Möglich- 
keit nicht  ausgschlossen  scheint,  dass,  nach  der  beliebten  Annahme, 
auf  der  Hephaistos-Insel  Lemnos  die  Anwesenheit  eines  Aphrodite- 
cultes  zu  einer  mythischen  Verknüpfung  heider  Götter  geftlhrt  habe. 
Wenigstens  wird  das  dortige,  zur  Erinnerung  an  die  berühmte  ^buc- 
0C|iia  T^vaiKoiv'  gefeierte  Fest  von  den  Dichtem  ziemlich  allge- 
mein  mit  der  Aphrodite  in  Verbindutig  gehracht,  so  dass  die  Annahme, 
es  sei  ein  Aphroditefestcult  gewesen,  nicht  allzufem  liegt.    Freilich 
dem  Hephaistos  begegnen  wir  in  diesem  Zusammenhang  erst  hei 
Yalerius  Flaccus  (II 315)  und  dem  Scholiasten  zu  Apollon.  Rh.  (I  860\ 
der  auch  offenhar  nur  an  Homer  denkt.    Doch  seihst  angenommen, 
es  hahe  zu  Lemnos  oder  auch  zu  Athen,  wo  im  Gau  Melite  zwei 
Tempel  des  Hephaistos  und  der  Urania  benachbart  standen  (Pans. 
I  14,  7),  ein  mythisches  Gattenyerhftltniss  zwischen  beiden  ezistirt, 
so  kann  darum  immer  noch  keine  reale  Cultrivalitttt  zwischen  Ares 
und  Hephaistos  um  Aphrodite  die  Gegenüberstellung  heider  Neben- 
buhler bei  Demodokos  veranlasst  haben«    Denn  auf  Lemnos  gab  es, 
wenn  nicht  Alles  trügt,  einen  mit  Ares  combinirten  Aphroditecnlt 
ebensowenig,  wie  zu  Theben  einen  solchen  von  Aphrodite  und  He- 
phaistos.   In  Beziehung  zu  einander  könnten  also  beide  Paare  nur 
durch  die  Dichtkunst  gesetzt  sein.  Diese  Sachlage  würde  auch  durch 
eine  Berufung  auf  Athen  nicht  geändert  werden,  wo  in  zwei  verschiede- 
nen Regionen  sich  beide  Cultpaare  finden.  Denn  Athene  gewinnt  auch 
erst  in  nachepischer  2^it  Bedeutung,  wo  von  Cultstreiten  innerhalb 
der  Stadt,  ähnlich  solchen,  die  auf  Kypros  den  cultmässigen  Gegen- 
satz zwischen  Ares  und  Adonis  veranlassten  (cf.  oben  p.  683),  nic^t 


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Ares  und  Aphrodite.  725 

wohl  mehr  die  Bede  sein  kann.  Sind  wir  demnach  auf  die  Dichter 
als  Schöpfer  des  Gegensatzes  zwischen  Ares  and  Hephaistos  an- 
gewiesen, so  Wli  dieses  ganze  Yerhftltniss  anter  den  Gesichtspankt 
der  spielenden  Motivirong,  welche  nach  H.  D.  MfiUer  (St.-M7th.  II 
91)  ^in  einem  religiös-symbolischen  Mythos  in  der  Begel  sp&teren 
Ursprang s  za  sein  pflegt',  also  vom  eigentlichen  Kern  (hier  Ares 
und  Aphrodite)  zu  trennen  ist.  Hephaistos  ist  also  hochwahrschein- 
lich (cf.  unten  p.  7dl*))  bloss  anorganisch  als  der  Yerfertiger 
der  mancherlei  Fesseln,  Schmuck-  und  anderer  Geräthe,  deren  sich 
die  griechische  Mythologie  bedient,  in  den  vorliegenden  Mythos 
hineingezogen  worden,  wie  ja  auch  sein  Fehlen  im  Aloldenmythos 
beweist  War  er  nun  einmal  der  Künstler  dieses  Fangnetzes, 
so  konnte  der  Dichter  leicht  in  Erinnerung,  sei  es  nun  an  Lemnos 
oder  vielleicht  auch  nur  an  die  Ehe  des  Hephaistos  mit  Charis 
in  der  Dias,  wie  Maury  (Histoire  etc.  III  296)  will,  demselben 
die  Aphrodite  zum  Gatten  geben.  Indem  nun  Hephaistos  als  be- 
leidigter Ehemann  sich  rächen  musste,  gewann  der  Dichter  einer- 
seits eine  vollkommene  Motivirung  für  die  Fesselung  des  glücklichen 
erhörten  Liebhabers  Ares,  die  ursprünglich  naturmythische  Gründe 
gehabt  haben  muss,  andererseits  einen  hübschen  Gegensatz  zwischen 
dem  hinkenden,  schmutzigen  fiLandwerks-  und  dem  sti:ahlenden,  ju- 
gendlichen Kriegsgott,  der  seinen  Nebenbuhler  aussticht  und  hinter- 
geht Dieser  Gegensatz  zwischen  den  rein  anthropomorphischen  Cha- 
rakteren ist  zu  vorzüglich,  als  dass  man  die  Ehre,  ihn  geschaffen  zu 
haben,  dem  feinsinnigen  Dichter  absprechen  könnte  zu  Gunsten  einer 
unbewusst  bildenden,  rein  religiös-symboUschen  Mythenepoche. 

§  32.  Deutung  des  Mythos,  Nachdem  wir  somit  auch  Hephaistos 
ausgeschieden  haben,  bleibt  nur  der  *\epöc  t^^I^oc'  (so  auch  H.  D. 
Müller,  Ares  p.  61^  ^mit  Anderen')  in  Fesseln  als  religiös -symbo- 
lischer Kern  des  Märchens  übrig,  und  wir  haben,  um  zur  Deutung 
des  religiösen  Gehalts  schreiten  zu  könne,  nurnoch  das  Symbol  der 
Fessel  zu  erklären.  An  ein  Bild  des  Blitzes  zu  denken,  fehlt  die 
nothwendigste  Voraussetzung,  das  Epitheton  ^golden'.  —  Wir  suchen 
deshalb  nach  Anhaltspunkten  in  der  übrigen  Mythologie  beider  Götter. 
Zunächst  kommt  uns  dabei  die  Erinnerung  an  die  gefesselten  Sta- 
tuen des  Ares  Enyalios  und  der  Aphrodite  Morpho  zu  Sparta 
(Paus,  in  15,  11),  bei  denen  gleiche  Grundanschauungen  vorliegen 
können.  Aber  hier  herrscht  grosse  Unklarheit  Welcker,  um  bei 
der  Letzteren  zu  beginnen,  sieht  in  der  gefesselten  Aphrodite  Morpho 
eine  Göttin  der  himmlischen  Liebe,  stützt  sich  aber  auf  eine  falsche 
Voraussetzung.  Er  confnndirt  missverständlich  die  beiden  in  diesem 
Heiligthum  in  getrennten  Zellen  hausenden  Cultbilder  l)  die  *'Aq>po- 
biTT)  dinXiCjLi^vii '  im  unteren  und  2)  die  Aphrodite  in  dem  *Mop- 
q)OÖc  lepöv'  im  oberen  Stockwerk,  eine  ^KaXuirrpdv  re  Ixouca  kqi 
TT^bac  TTcpi  ToTc  TTOci',  und  erhält  so  eine  bewaffiiete  Urania,  die 
zugleich  durch  die  Fesselung  als  ^olKOupöc'  (an  das  Haus  gebunden) 


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726  K.  Tümpel: 

bezeichnet  wird,  und  ^als  Göttin  züchtiger  Gattenliebe  mit  dem  un- 
geflllligen  Zeichen  der  häuslichen  Kalyptra^  ausgestattet  ist  (vergl. 
hierzu  oben  p.  698).  —  Die  Beiden  sind  unbedingt  auseinander  zu  hal- 
ten, wenn  auch  nicht  in  der  Weise^  wie  L6normant  und  de  Witte 
(^1.  C6r.  lY  27)  thun,  welche  die  bewaffnete  Urania,  weil  sie  im 
Unterstock  sitzt,  ftbr  eine  ^V^nus  infernale',  die  Morpho  der  oberen 
Cella  aber  für  eine  ^V6nus  Celeste'  halten;  letztere  soll  gar  nackt 
sein,  wohl  weil  Tansanias  nur  Schleier  und  Fesseln  erwfthnt  (IV  63 
a.  a.  0.).  —  Was  bedeuten  hier  die  Fesseln?  E.  Curtius  (in  den 
*Nuove  memorie  dell'  instituto*  I  (1866)  p.  374  ff.),  und  mit  ihm  Ber- 
noulli  (Aphrodite  p.  37),  hält  sie  fOr  missYerstandenen  phöniki- 
schen  Beinschmuck  (Jesaias  III)  und  zieht  zur  Unterstützung  die 
Bemerkung  des  Plutarchos  (Quae8t.Bom.61)  bei-.dassdas  Anschliessen 
der  Götterbilder  phönildsche  Sitte  sei.  Aber  wenn  man  nicht  um 
ein  Missverständniss  (des  Pausanias)  zu  erklären,  ein  anderes  (des 
Plutarchos)  annehmen  will,  das  doch  erst  erwiesen  werden  mfisste, 
werden  beide  Zeugnisse  als  sich  gegenseitig  ausschliessend  gelten 
müssen,  da  nach  dem  einen  (Jesaias)  die  Fesseln  ideal,  zum  Bilde 
gehörig  sein  müssten,  im  andern  (Plutarch)  real.  Zudem  müsste  dann 
Tor  allen  Dingen  wenigstens  der  Name  deutlich  semitisch  sein;  aber  die 
Versuche  in  dieser  Eichtung  zu  etymologisiren(Moyers,  Phoenizierl 
586)  müssen  als  fehlgeschlagen  gelten.  So  werden  wir  denn  im 
Bereich  des  Griechenthums  den  Schlüssel  fQr  die  Erklärung  suchen 
müssen.  Wichtig  ist,  dass  Hera  in  der  bekannten  Erzählung  von 
Hephaistos  gleichfalls  gefesselt  wird  (Preller,  G.  M.  I'  139)  und 
zwar  auch  in  einem  Sessel.  Heras  Bedeutung  als  einer  Erd-  oder 
besser  Natur-  und  Fruchtbarkeitsgöttin  kann  durch  die  neusten  Ver- 
suche, sie  zu  einer  Mondgöttin  zu  machen,  nicht  als  widerlegt  gelten. 
Dann  bedeutet  die  Fesselung  derselben  aber  offenbar  die  winter- 
liche Bannung,  wie  wir  sie  bei  fast  allen  Wesen  dieser  Art  als 
gleichbedeutend  mit  dem  Aufenthalt  im  Todesreich  finden.  Wenden 
wir  diese  Erklärung  auf  die  Aphrodite  Morpho  an,  so  stimmt  danoit 
yortxefflioh  der  Schleier,  den  sie  mit  Eronos  (»s  dem  chthonisclien 
Zeus  nach  H.  D.  Müller)  und  den  Eidola,  den  Schatten  der  Verstorbenen 
theilt,  sowie  der  Name.  Dieser  geht  nicht  auf  die  Schönheit,  etwa 
wegen  der  Nacktheit,  oder  gar  ironisch  auf  die  Hässliohkeit  des  alten 
Holzbildes,  sondern  hängt  zusammen  mit  |iiop<pv6c  (dunkel)  und  Mop- 
q)€uc,  ist  also  ein  treuer  Ausdruck  des  Schleier-  und  Fesselsjmbols. 
Die  gleiche  mythische  Deutung  hat  für  Ares,  der  zu  Sparta  in 
seinem  Tempel  ebenfalls  gefesselt  dargestellt  ist  (Paus,  m  15,  5), 
H.  D.  Müller  aus  dem  Parallelmythos  von  der  Fesselung  des  Ares 
durch  die  AloYden  gegeben  (Ares  33  ff.),  die  wir  nun  nicht  nur  kunst- 
mythologisch  auf  den  Ares  Borghese  anwenden  können,  bei  dem  der 
Fussring  offenbar  nur  ein  ethisch  umgedeutetes,  ursprünglich  mythi- 
sches Symbol  ist,  sondern  auch  auf  den  Demodokosgesang. 

Der  Naturgott^  der  im  Sommer  Segen  und  Fruchtbarkeit  spen- 


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Ares  und  Aphrodite.  727 

dety  gilt  im  Winter  als  von  einer  bösen  Macht  gebannt;  der  Eintritt 
der  bösen  Jahreszeit  ist  seine  Niederfahrt  zur  Unterwelt,  wo  er  in 
Fesseln  nnd  Banden  ausharren  muss,  bis  zum  Frü^jahrsanfang  seine 
Erlösungsstunde  schlSgt,  und  mit  ihm  neues  Leben  und  Freudigkeit 
in  die  Natur  einzieht.  Durch  einen  weiteren  Schritt  wird  wohl  auch 
die  chthonische  Phase  des  Naturgottes  abgetrennt  von  der  oberwelt- 
lichen, sommerlichen,  und  in  persönlichen  Gegensatz  zu  dieser  ge- 
setzt, wie  wir  schon  an  anderer  Stelle  zu  erw&hnen  Gelegenheit  hatten. 
Diese  Weiterentwickelung  durch  Scheidung  l&sst  sich  dagegen  nicht 
nachweisen  bei  der  Natnrgöttin,  bei  welcher  der  Jahreswechsel  nur  in 
einem  Umschwung  des  Schicks^s,  des  Zustandes  derselben  Göttin  zu 
Tage  tritt.  Scheinbare  Ausnahmen,  wie  Demeter  und  Persephone,  sind 
erst  Aphrodite  jeden&lls  als  eine  rein  passivisch  von  aussen  her  ge- 
fesselte durch  Ustorische  Yerhttltnisse  geschaffen.  So  muss  in  unserem 
Fall  erscheinen,  w&hrend  dies  bei  Ares  nicht  so  durchaus  feststeht.  Er 
könnte^  wie  in  fast  allen  seinen  mythischen  Yerhftltnissen,  prägnant 
chthonisch  sein  und  hfttte  die  Aphrodite  in  seinen  Todesfesseln 
gefangen;  und  hiergegen  würde  nichts  bedeuten,  dass  er  im  Demo- 
dokosgesang  der  vorzugsweise  xmd  allein  Gestrafte  zu  sein  scheint. 
Denn  wir  haben  gelernt,  dass  ^der  Sinn,  der  sich  gleich  auf  den 
ersten  Blick  darbietet,  sich  mit  einer  gewissen  Absichtlichkeit  auf- 
drängt, nicht  als  schöpferische  Idee  des  Mythos  gelten  darf'  (H.  D. 
Müller,  Si-Myth.  11  24,  cf.  22).  Gleichwohl  kann  hier  nicht  ohne 
Bedeutung  sein,  dass  beide  Götter  gleichmässig  und  gemeinschaft- 
lich in  dem  Fesselnetz  gebannt  sind.  Wir  müssen  darum  dieses^ 
zumal  es  fast  eine  Räumlichkeit  bildet,  auf  seine  allgemeine  topische 
Bedeutung  zurückzufahren.  Diese  wird  uns  zur  Evidenz  klar  durch 
das  Epitheton  der  ^ünsichtbarkeit',  dessen  dichterische  Motivi- 
rung  uns  aber  nicht  irre  machen  darf.  Denn  nicht  darum,  weil  es 
*wie  Spinnefäden  fein'  ist,  bleibt  das  Netz  für  Jedermann  un- 
sichtbar, sondern  weil  es  in  dem  für  aUes  Lebendige  unerreichbaren 
Jenseits  liegt  —  ja  es  selber  vorstellt,  ^das  Land,  von  dess  Bezirk 
kein  Wandrer  wiederkehrt'  (daher  ^bec^ol  —  äppiiKTOi  fiXuTOi  Kpa- 
TcpoC.  Wird  doch  der  Unterweltsgott  des  polytheistischen  Systems 
als  ^'AibTic'  der  Unsichtbare  verstanden.  Deshalb  heissen  die  Banden: 

*i^Ot*  dpdxvm  XcTTrd,  tat'  oö  k^  Tic  oitoi  tboiTO, 

ofire  Oeüjv  ^aKdpu)v' 
(nämlich  der  olympischen),  also  ganz  wie  die  ^ä<paveic  becjuct'  der 
Hera.  Die  Eigenschaft  der  Unsichtbarkeit  ist  nur  eine  Consequenz 
jener  Vorstellungen,  nach  denen  das  Todesreich  fem  von  Göttern 
und  Menschen,  unnahbar,  verborgen  und  Tersteckt  im  nächtlichen 
Dunkel  gedacht  wird;  der  Herrscher  desselben,  welcher  durch  den 
Tod  das  Leben  aus  Natur  und  Menschheit  entführt,  und  darum  ^dt- 
briXoc'  heisst  [so  nicht  nur  Hades  (Soph.  Aias  608),  sondern  auch 
Ares  gerade  an  unserer  Stelle  (0  309)],  ist  doch  selbst  als  Bewohner 
dieses  Orts  der  Oberwelt  entrückt  und  unsichtbar,  und  zwar  Ursprung- 


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728  K.  Tflmpel: 

lieh  in  seiner  ürexistenz  als  einiger  Jahresgoti,  dorob  Zwang,  indem 
er  wShrend  der  Winterszeit  dem  Erdenleben  entzogen  wird.  Als  er 
aber  bei  der  Doalisining  ans  einem  Gefangenen  znm  Herrscher  jener 
Regionen  wurde,  mnsste  durch  andre  MoÜTinrng  das,  was  er  in  Wirklich- 
keit widerwillig  erleidet,  zn  einer  freiwillig  gehandhabten  fWiigkeit 
omgestempelt  werden;  nnd  es  heisst  nnn,  Hades  kann  sieh  mittels 
seiner  ^Kuv^n'  unsichtbar  machen,  w  enn  er  w  ill;  als  wenn  diese  Haube 
nicht  gerade  so  wie  der  Schleier  des  Kronoe  ein  Symbol  seiner  unver- 
meidlichen chthoniBchen  Winterphase  wftre.  Bei  Ares  ist  der  alte  Zog 
nicht  verwischt:  der  Zwang  tritt  deutlich  zu  Tage.  Wider  seinen 
Willen  wird  er  als  ein  passivischer  (spfiter  medialer,  jedenfitdls  aber 
zugleich  sich  auch  activisch  bethStigender)  ^&iTÖTpoiTOc'  mitsammt 
seiner  ^dirocTp6q>ia'  Aphrodite  in  das  ferne  unsichtbare  Todes- 
gebiet entrückt,  dem  er  noch  in  späterer  Zeit,  freiüeh  missverstfind- 
licher  Weise  als  Ejiegsgott,  neue  Bewohner  zuführt*)  ALs  eine 
Süssere  Bestätigung  fttr  das  Attribut  der  Unsichtbarkeit  als  chtho- 
nisches  Symbol  (es  ist  H.  D.  Müller  (Ares  33)  trotz  seiner  bedeu- 
tenden Spürkraft  entgangen)  sei  noch  Folgendes  angeführt:  auch 
die  Gorgonlschen  Gefilde,  welche  derselbe  Gelehrte  (Ares  p.  69) 
als  unterweltliche  Parallele  zum  Tartaros^  Hades,  Aia,  Areüas,  etc. 
nachgewiesen  hat,  werden  von  Aischylos  (Prometh.  795)  beschrieben 
als  Gebiete, 

^Sc  oöO'  i^Xtoc  irpocb^CTai 
dicTiciv  0Ö8'  f|  vuKTcpoc  ^r\vt\  nori* 
ganz  wie  das  Fesselnetz.  Da  es  somit  bis  zur  Gewissheit  erhoben  ifii, 
dass  dieses  in  seiner  Unsichtbarkeit  und  Unentfliehbarkeit  weiter  nidits 
ist,  als  eine  Bezeichnung  für  die  Unterwelt,  wie  OdXa^O€,  K^pa^oc, 
der  Styzumflossene  Tartaros,  der  von  Drachen  bewachte  Areshain,  die 
XOroc-Bande  der  Hera  eta  etc.,  so  haben  wir  nun  auch  das  Jkfittel 
in  der  Hand,  die  übrigen  Symbole  der  Aresreligion  in  Einklang  zu 
bringen.  Das  Fesselsystem  soll  dieselbe  Anschauung  des  Todes- 
reiches als  eines  Gefängnisses  ausdrücken,  wie  das  ferne  Eiland 
Aretias,  welches  der  in  sich  zurückfliessende  Meeresarm  von  der 
irdischen  Welt  trennt.    Ist  doch  in  gleicher  Weise  Odysseus  auf  der 


^  Diese  objective  UnBichtbarkeit  trifft  von  anderer  Seite  her 
zufällig  zusammen  mit  der  subjectiven  Eigenschaft  der  Blindheit, 
oder  richtiger  der  Blendung  des  chthonischen  Hemchers  (des  ursprüng- 
lich winterlichen  JahresffoUes)  in  ^rmanischen,  kleinasiatitchen,  grie- 
chischen Religionen  (Lyknrgos,  Oidipus).  Sie  fällt  zugleich  mit  der 
ebenfalls  allgemein  indogermanischen  Frohne  (Ennaetens  i.  B.),  der 
Fesselung  und  Verstdmmelang,  namentlich  Sehnendurchschneidnng  (Oidi- 
pus, Zeus:  Apollodoros  1  6,  3),  unter  den  gemeinsamen  Grundbegriff  der 
Gefangenschaft  bei  Besiegung,  unter  deren  Symbolik  sich  die  alteNaior- 
religion  die  ünthätigkeit  des  Gottes  im  Winter  vergeffenw^rtigte.  Ver- 
stümmelung, Sehnendurchschneidung  war  auch  in  späterer  Zeit  noch  das 
Schicksal  der  G^fauffenen  bei  den  Skythen  und  anderen  auf  niedrigerer 
Cultnrstufe  zurückgebliebenen  indoeuropäischen  Mitbrüdem  der  Griechen. 


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Ares  und  Aphrodite.  729 

Insel  Aiaie,  die  mit  Aia  identiscb  ist,  der  Oefiuigene  der  Höhlen- 
bewohnenn  Eärke,  einer  chthonischen  Göttin!  (H.  D.  Müller,  Ares 
102  ff.).  Die  Schlange,  welche  sich  um  den  Areshain  schlingt,  yer- 
httlt  sich  als  Beschützerin  des  Yliesses,  der  Hesperischen  Aepfel 
(Ladon),  der  Grotte,  in  welche  sich  Menoikeus  stürzt,  wie  das 
stjgisdie  GewSsser,  das  den  Eintritt  in  die  Unterwelt  und  den  Aus- 
tritt aus  ihr  verwehrt;  und  der  K^pa|iOC  der  Alotden  functionirt,  wie 
der  KerberoB,  der  Alles  hinein,  Nichts  wieder  herauslSssi  Der  Sinn 
des  Urmythos  aber,  den  wir  aus  den  zersprengten  Trümmern  und 
Bepliken  von  Drachen-,  Alol'den-  und  Demodokossage  zu  reconstruiren 
haben,  ist  der,  dass  der  Sommergott  bei  Eintritt  der  schönen  Jahres- 
zeit durch  den  Bruch  der  winterlichen  Fesseln  (den  Drachenmord) 
entweder  die  Erdgöttin  allein,  oder  besser  sich  und  die  Erdgöttin 
zum  neuen  Hieros-Gamos  des  Naturlebens  aus  der  Gewalt  des  Win- 
ters befreit,  in  welche  Beide  beim  Eintritt  der  schlimmen  Jahreszeit 
mitten  im  Höhepunkt  ihres  fruchtbaren  Wirkens  gefiekllen  waren.  — 
Gegen  unsere  Herbeiziehung  des  Demodokosgesangs  zur  Aufhellung 
der  Aresreligion  aber  wird  man  nicht  den  Einwand  erheben  können, 
dass  das  are^ische  Drachensjmbol  fehle;  denn  es  fehlt  auch  im  AloY- 
denmjthos  und  würde  im  Demodokosmjthos  neben  dem  Netz  eine 
Tautologie  sein,  wie  dort  neben  dem  Keramos.  Der  Wechsel  des 
symbolischen  Ausdrucks  beweist  nichts  gegen  die  Einheitlichkeit  des 
wiedergegebenen  Grundgedankens. 

§  33.  Fest.  Es  muss  von  vornherein  angenommen  werden,  wie 
H.  D.  Müller  häu£g  betont  hat,  dass  jeder  echt  religiös-symbolische 
Mythos,  da  er  einen  bestimmten  Wendepunkt  im  jährlich  wieder- 
kehrenden Wechsel  des  Naturlebens  bildlich  festhält,  auch  in  einem 
Festcult  seinen  Ausdruck  gefunden  haben  muss.  Wir  werden  also 
untersuchet!  müssen,  welche  wichtige  Jahresepoche  der  Symbolik 
unseres  Mythos  entspricht  Vor  allen  Dingen  ist  kein  Zweifel, 
dass  der  Jahresumlauf  auch  als  die  Lebensdauer  der  lebenden  und 
sterbenden,  und  wieder  auferstehenden,  der  freien  und  gebundenen 
Naturgottheit  galt,  welche  nach  der  natven  Auffassung  des  Natur- 
menachen  die  Ereignisse  des  Jahreswechsels  an  sich  erlebt  So  war 
in  ursprünglicher  Einfachheit  des  Gedankens  das  Jahresleben  ein 
einziges  grosses  mythisches  Drama,  dessen  einzelne  Phasen  nur  durch 
den  Bezug  auf  einander  Bedeutung  haben,  und  in  welchem  die 
Fesselung  mit  der  Befreiung,  die  Hochzeit  mit  der  Verwittwung, 
die  Geburt  mit  dem  Toä,  und  dieser  mit  der  Wiederauferstehung, 
der  Neuvermählung  u.  s.  w.  correspondirt.  Die  entsprechenden  Wende- 
punkte des  Jahres  sind  nicht  die  Aequiuoctien,  die  nichts  Charakte- 
ristisches haben^  sondern  die  Sonnenwenden,  nach  denen  (abgesehen 
von  den  Zugvögeln)  noch  Hesiod  ('€.  k.  *H.  477,  562,  661)  allein 
den  Jahreslauf  astronomisch  bestimmt  Am  Wintersolstitium  begeg- 
net sich  die  höchste  Macht  des  Winters  mit  der  sich  vorbereitenden 
neuen  Herrschaft  des  Sommers:  die  Tage   sind  die  kürzesten  im 


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730  K.  Tümpel: 

ganzen  Jahre  geworden  und  die  Sonne  scheint  ihre  Geltung  verloren 
zu  haben.  Da  tritt  die  Wendung  ein;  die  Nacht  mues  allm&hlich 
weichen,  und  der  Anbruch  des  Frühlings  bereitet  sich  vor.  Die  Macht 
des  Winters  ist  gebrochen,  die  Gottheit  lebt  neu  auf  und  gewinnt 
ihre  Selbstftndigkeit,  ihre  segensyolle  Wirkungskraft  wieder.  Das 
Gegenstück  hierzu  ist  die  Sommersonnenwende.  Hier  ist  die  Herr- 
Schaft  zu  ihrer  Vollreife  gediehen,  und  wird  zugleich  in  der  Ernte- 
zeit gebrochen.  Denn  mit  dem  Hochsommer  beginnt  sowohl  in  den 
Bumpfreichen  Urwäldern  des  prähistorischen,  als  auf  den  urbaren 
Fruchtgeländen  des  historischen  Südens  die  pest-  und  fieberreiche 
Zeit,  welche  die  zerstörende  Herrschaft  des  chthonischen  Princips 
ankündigt  und  in  die  Schrecken  der  neuen  Jahreszeit  hinüberleitet, 
bis  zum  Anbruch  neuen  Lebens  am  winterlichen  Sonnenwendepnnkt 
(cf.  Ares  den  Pestgott,  Soph.  0.  ß.  290). 

Der  Einwand,  dass  der  astronomische  Moment  des  Solstitiums 
der  am  schwersten  aufzufindende  sei,  kann  hiergegen  nichts  bedeuten: 
je  älter  die  Zeit,  je  länger  die  Feste  (cf.  die  *30-Nächte').  Nun  müssen 
wir  aber  annehmen,  dass  auf  dem  Lande  sich  gerade  die  ältesten  Cult- 
gebrauche  am  längsten  erhalten  haben,  welche  das  neuerungssüchtige 
Stadtleben  perhorrescirte,  wie  ja  auch  bei  den  conservativen  Italikem 
die  ältesten  Feste  agrarische  waren  (Bemhardy,  Römische  Litt-Gesch. 
p.  393).  Von  diesen  aber  sagt  A.  Mommsen  (Delphika  p.  26)  gut: 
^IxL  der  Winterszeit,  der  genialis  hiems,  die  in  der  ganzen  Welt  am 
reichsten  ist  an  geselligen  Freuden,  blieben  die  Bauern  zu  Haus, 
feierten  und  schmausten  bei  dem,  was  die  Vorräthe  des  Gehöftes 
vermochten',  worin  ohne  Zweifel  auch  der  Vorzug  der  winter- 
lichen vor  der  sommerlichen  Sonnenwende  begründet  liegt,  welcher 
im  Jahresanfang  seinen  Ausdruck  erhl^t.*)  Da  die  erstere  als  Be- 
wiUkommnungsfest  der  schönen  Jahreszeit  zugleich  eine  echte  Freuden- 
feier ist,  so  erklärt  sich  uns  schon  hieraus  die  Lage  des  boiotischen 
Neujahrs,  das  ja  wie  das  alte  attische  (Boeckh.  a.  a.  0)  an  den 
ersten  Neumond  nach  dem  Wintersolstitium  ^Ült  (cf.  oben p.  700). 
An  letzteres  würde  denn  auch  die  Erlösung  von  Ares  und  Aphro- 
dite aus  den  Winterfesseln  sich  anschliessend*),  während  die  Yon 


*)  In  der  achäischen  Zensreligion,  z.  B.  wie  im  neuattisohen  und 
olympischen  Jahr  (Boeckh,  C.  1.  Gr.  I  p.  782  A,  cf.  734  A)  freilich  die  sommer- 
liche (H.  D.  Müller,  Si-Myth.  II  192),  aber  in  der  dionysischen  vor  dem 
Einflnes  der  Weincoltur,  welche  aus  dem  stemeknndigen  Orient  die  städti- 
schen grossen  Dionysien  des  Frühlings ae quin octi ums  (des  semitischen 
Jahresanfangs)  einführte,  offenbar  das  Wintersolstitium  mit  seinen 
später  freilich  auch  in  diesem  Sinne  umgestalteten  ländlichen  Festen. 
Aeqninoctien  zum  Jahresanfang  haben  nur  das  dorische,  phokische  und 
makedonische  Jahr  (Boeckh,  (J.  1.  Gr.  a.  a.  0.),  also  die  jfUigeren  Aeren 

**)  Auch  der  Saturnus  der  ItaJiker,  dessen  Bild  sonst  mit  wollenen 
Binden  um  die  Füsse  gefesselt  zu  sein  pflegte,  wie  Ares  und  Morpho, 
wurde  an  seinem  Fest,  das  yom  17.  December  an  in  der  um  die  Winter- 
sonnenwende gelegenen  Woche  gefeiert  wurde,  entfesselt  nun  Zeichen 


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Ares  und  Aphrodite.  731 

Demodokos  in  den  Vordergrund  gerückte  Fesselung  eigentlicb  an 
das  Sommersolstitium  gehört*)  Da  aber  der  Mythos  uns  in  seiner 
das  ganze  Jahr  umfassenden  Gesammtheit  erhalten  ist,  so  steht  zu 
erwarten,  dass  ihm  ein  einziges,  den  Jahresanfang  bildendes  Fest 
entsprochen  habe,  das  wir  auf  die  Wintersonnenwende  vermuthungs- 
weise  festsetzen  könnten,  auch  wenn  es  sich  nicht  um  einen  boioti- 
sehen  Cultmythos  handelte.  Dass  dies  aber  wirklich  der  Fall  ist, 
dafür  spricht  das  die  Handlung  zunächst  erweiternde  Personal;  Po- 
seidon und  Hermes.  Denn  um  von  Poseidon  zu  schweigen,  dem 
Hauptgott  des  östlichen  Boiotiens,  so  sind  ^sagenhafte  Spuren  älterer 
Verehrung  des  Hermes,  und  Culte  desselben,  welche  wirklich  auf 
höheres  Alter  Anspruch  machen  dürfen,  grade  in  Boiotien,  Attika, 
Argolis  und  Arkadien  zu  finden'  H.  D.  Müller,  St.-Myth.  II 402), 
also  genau  in  den  Landschaften,  in  welchen  wir  die  ältesten  Be- 
standtheile  und  die  spätere  Phase  des  combinirten  Ares -Aphrodite - 
cults  antrafen.  Mit  der  Berechtigung,  den  Odysseegesang  mit  Theben 
zu  Terknüpfen,  ist  aber  zugleich  die  Möglichkeit  gegeben,  die  Brücke 
vom  Mythos  zu  dem  dazu  gehörigen  Cult  zu  'schlagen.  Denn  die 
Aphrodisia  fielen  zu  Theben  an  das  Wintersolstitium  und 
bildeten  daselbst  den  Jahresanfang,  an  dem  die  Beamten  wechsel- 
ten (cf.oben  p.  700):  also  eine  genaue  Bestätigung  der  Consequenzen, 
die  sich  aus  unserer  Deutung  des  Demodokosgesanges  ergaben. 

Und  auch  Ares  kann  dabei  nicht  gefehlt  haben.  Es  ist  keine 
allzukühne  Vermuthung,  dass  die  Polemarchen  zu  Theben,  die 
ein  mit  den  spartanischen  Polemarchen  nicht  zu  verwechselnder  echt 
thebischer  Magistrat  sind  (Grote,  Gesch.  v.  Griechenland  V35ö^**) 
(Meissner);  Boeckh^  C.  I.  Gr.  I  p.  730  AB),  auch  während  der  Be- 
setzung der  Eadmeia  durch  die  Spartaner,  ihre  Amtsniederlegung 
und  ihren  Amtsantritt  nicht  ohne  Opfer  und  feierliche  Handlungen 
für  Ares**)  begangen  haben  werden,  der  sehr  wahrscheinlich  bei 
der  Stiftung  dieses  nicht  allzualten  Magistrats  schon  seine  jüngere 
Bedeutung  als  Eriegsgott  angenommen  hatte.  Denn  auch  zu  Athen 
waren  die  iroX^jiiapxot  Opferpriester  des  Enyalios  (Schoemann,  Gr. 
Staatsalterth.  U  395).  Das  Fest  auf  der  Burg  war  also  wahrschein- 


der  Wiederkehr  den  'goldenen  Zeitalters'  im  JahrescycluB,  der  sommer- 
lichen Fruchtbarkeit  (cf.  Preller,  Rom.  Myth.'  412  ff.). 

*)  Möglicherweise  ist  der  Fenergott  Hephaistos  grade  mit  Bezug 
aAif  die  den  Winter  einleitende  Hoehsommerhitse  ausgewählt,  um  das 
Paar  mitten  in  reinem  Segenswirken  sn  bannen. 

♦*)  0.  Müller  (Droh.«  224 f.)  möchte  dieses  Amt  freilich,  wohl 
wesen  der  Dreizahl,  an  Amphion  und  Zethos  anknüpfen;  allein  die  Zwei- 
lam  dieser  Beamten,  die  auch  ausser  Theben  vorkommen,  ist  im  übrigen 
Boiotien  nicht  constant;  dass  der  Oheim  Lykos  der  Brüder  einmal 
(ApoUod.  UI  5,  6,  4)  Polemarch  genannt  wird,  kann  für  die  Neffen  nichts 
beweisen,  und  der  von  ihm  bei  dem  lydisohen  Brüderpaar  yoraasgesetzte 
kriegerische  Charakter  im  Gegensatz  zu  den  rein  priesterlichen  Ead- 
meionen  beruht  auf  einer  Täuschung;  (cf.  Excurs  II). 


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732  K.  Tümpel: 

lieh  nur  der  Abschluss  der  Aresfeier,  die  in  den  Händen  der  Pole- 
marchen  lag.  Am  gleichen  Tage  feierten  (nnten  in  der  Stadt)  die 
Frauen  das  Fest  der  Aphrodite  (PolTainos  ^^v  'Aq)pobiTT)C  ^opTri'  ai 
jLi^v  TuvaiK€C  liraiZov  t^  Oeifi')*  ^^^  ^^  ^^^  ^^^^  ^^  Gastmahl, 
bei  dem  die  lakonisirenden  Polemarchen  ermordet  werden,  einen  offi- 
ciellen  Charakter  gehabt  haben*),  da  auch  der  Orammateus  der 
beiden  Polemarchen  zugegen  war  und  das  Local  das  ^TajiicTov  toC 
TToXejüiapxeiou'  war  (Xenophon,  Hell  V  4.  6).  Unter  der  Voraus- 
Setzung  eines  amtlich  religiösen  Festmahls  würde  sich  auch  erklären 
lassen,  dass  die  Polemarchen  bei  Xenophon  (cf.  oben  p.  700)  geradezu  als 
( Aphrodite-)fe8tfeiemd  bezeichnet  werden,  was  selbst  in  der  schlechten 
üeberlieferung  bei  Poljainos  (9poupdpxHi  [sc.  cppoupac  AaKUi  vik^c  statt 
iToXejidpxoic]  Iboie  TijLif)cai  Tf|V  Oeöv)  noch  durchblickt  üeber  die 
ConstatiruDg  eines  zeitlichen  Zusammenhangs  zwischen  Aphrodite- 
fest und  Aresfestmahl  dürfen  wir  bei  der  Verworrenheit  der  üeber- 
lieferung eigentlich  kaum  hinausgehen.  Und  doch  drängt  Alles  zu 
der  Vermuthung,  dass  wirklich  eine  gemeinsame  Culthandlon^r^ 
und  sei  es  auch  nui*ein  Festmahl,  die  Opferpriester  des  Ares  und 
die  Festdamen  der  Aphrodite  am  Abend  zu  yereinigen  pflegte.  Wie 
würde  sonst  so  lange  vorher  Phyllidas,  der  Schreiber  der  Polemarchen 
und  heimliche  Mitverschworene  der  yerbannten  Patrioten,  den  Vater- 
landsverräthem  haben  Aussicht  auf  diesen  schönen  und  yomehmen 
Besuch  machen  ( VdXat  uiricxvoujüievoc'  Xenophon;  *^k  iraXaioö  kccttiT' 
TcXkuic'  Plutarchos)  und  den  Plan  vorbereiten  können,  unter  deren 
Verkleidung  die  Bächer  des  Vaterlandes  einzuführen?  Wie  wäre  es 
denkbar,  dass  gerade  die  Vornehmsten  der  Thebanerinnen,  von  denen 
doch  Plutarchos  insgemein  (de  G.  Socr.  598  C)  sagt,  dass  sie  selbst  am 
Tage  und  verschleiert  so  selten  das  Haus  zu  verlassen  pflegten,  sich  zur 
Nachtzeit  zu  einem  Gelage  solcher  Willkürherrscher  begeben  hätten? 
Freilich  Plutarchos  hat  statt  der  ^Y^vaiKCC  KäXXicrat  Ka\  cejLivÖTaTai' 
des  Zeitgenossen  Xenophon  nur  ^t^vaia  tüjv  öndvbpuiv'  (Pelop.  IX). 
Aber  kann  man  glauben,  dass  die  sich  so  misstrauisch  geberdenden 
Polemarchen  sich  so  grob  durch  *itötoc'  und  gemeine  ^cuvoucta'  würden 
haben  übertölpeln  lassen?  Das  überreiche,  wohl  aus  looaler  Tradi- 
tion geschöpfte  Detail,  mit  dem  der  558  Jahre  später  lebende  Boioter 
Plutarchos  seine  Erzählung  ausschmückt^  kann  uns  um  so  weniger 


*)  Für  einen  privaten  Charakter  desselben  dürfte  nicht  die  Abwesen- 
heit aes  Leontidas  geltend  gemacht  werden;  denn  dieser  war  wohl  frei- 
lich mit  Archias  der  bedeutendste  Mann  der  spartafrenndlichen  Partei 
(Plut.  d.  G.  Socr.  p.  677)  und  vielleicht  auch  gewesener  Polemarch,  ge- 
hörte aber  nicht  zu  den  Beamten  des  Jahres  379.  Zu  diesen  rechet  ihn 
nur  Plutarchos  einmal  (Agesil.  XXIV),  wo  er  im  Widerspruch  mit  seinen 
BonaÜKen  Angaben  (Pelop.  VII,  IX,  X;  d.  G.  Soor.  698,  677,  694,  696, 
697)  'Archias  und  Leontidas'  als  Polemarchen  bezeichnet,  aber  bloss  in 
einer  gelegentlichen  Bemerkunff  und  o£Eenbar  nur  einem  hübschen  Gegen- 
satz zu  Liebe:  '€pTH*  M^v  Tupdvvouc,  XÖTip  b^  iroXcMdpxouc'  nennt  er  die 
Beiden.    Die  historische  Wahrheit  ist  hier  Nebensache. 


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Area  tmd  Aphrodite.  733 

Yeriaituen  einfi^Sssen,  als  er  in  seinem  anderen  Bericht  von  der  Be- 
freiung der  Eadmeia  (de  G.  Soor.  577)  yielmehr  von  *tu)v  iv  dEitl)- 
^ari  TUvatKÜüv'  redet  und  somit  in  die  Xenophontisch-Poljainische 
Tradition  einlenkt  Wenn  wir  somit  die  Yermuthung  wagen,  dass 
jene  einmalig  bezeugte  gemeinsame  Mahlzeit  von  Polemarchen  imd 
Patricierinnen  am  Aphroditefest,  der  wir  einen  Bezug  zum  Arescult 
yindicirten,  ein  jfthrlich  wiederkehrender  Gebrauch  war,  so  ist  damit 
noch  keineswegs  gefolgert,  was  Engel  (Kjpr.  II 149)  schloss:  dass 
auch  die  sinnlich  üppige  Ausartung  des  Weibergelages,  wie  sie  in 
dem  einen  Falle  wirklich  beabsichtigt  war,  ein  bleibender  Cultbrauch 
sei.  Freilich  verlockend  genug  wSre  eine  solche  Hypothese,  die  zum 
Hieros-Gamos  von  Ares  und  Aphrodite  im  Mythos  die  genau  ent- 
sprechende Passion  in  der  symbolisch-dramatischen  Culthandlung  der 
beiderseitigen  Priester  liefern  würde.  Aber  eine  solche  Ausartung 
würde  immer  nur  dem  importirten^Aphroditecult,  nicht  aber  dem 
ursprünglichen  Ares-Erinysdienst  angehören  können,  auch  wenn  die 
übermüthigen  Polemarchen  nur  einen  symbolischen  Act  durch  wört- 
liche Auffassung  zu  travestiren  beabsichtigt  hätten. 

Prüfen  wir  nun  noch  unser  Resultat  auf  seine  Haltbarkeit,  so  ist 
das  vollstSndige  Fehlen  jeder  Nachricht  von  einem  dem  Ares  geheiligten 
Festtag  zu  Theben  unserer  Annahme,  dass  er  mit  demjenigen  seiner 
Gattin  zusammenfalle,  nur  günstig.  Was  sollte  auch  anders  die 
Aphrodite  veranlassen,  ihr  Fest,  das  sie  sonst  ausnahmslos  am  1.  April 
begeht,  hier  merkwürdigerweise  am  Wintersolstitium  zu  feiern?  Wie 
gerade  Ares  seinen  Namensantheil  am  gemeinsamen  Fest  verlieren 
konnte  auf  Kosten  der  Aphrodite,  erklärt  die  einfache  üeberlegung, 
dass  in  demselben  Maasse,  wie  Ares  durch  seine  Wesensbeschrftnkung 
seitens  des  Eadmos  in  den  Hintergrund  gedrängt  ward,  der  Dienst 
seiner  Genossin  Erinys  durch  Verschmelzung  mit  dem  wirkungs- 
vollen fremden  Bilderdienst  der  Aphrodite  sich  wieder  hob  und  frisches 
Leben  bekauL  Und  während  Ares  durch  den  Anschluss  an  einen 
bestimmten  Magistrat  seinen  Wirkungskreis  verengert  sehen  musste, 
80  erhielt  sich  Aphrodite-Erinys  ihre  vollständige  Popularität*);  das 
Aresopfer  trat  in  den  Hintergrund,  diejenigen  der  Aphrodite  erhiel- 
ten sieh  lebendig  und  blieben  Bis  Bezeichnung  des  ursprünglich  ge- 


*^  Nicht  unmöglich,  dass  der  fremde  jüngere  Name  sein  schlieasHch 
fl^Lnzkches  üebergewicht  der  kyklischen  Thebals  verdankt,  welche 
aen  Querschnitt  eines  relativ  späten  Zustande  gebend  und  festhaltend, 
unter  dem  Einfluss  des  Homer  und  im  Bestreben,  die  Fühlung  mit  diesem 
zu  wahren,  manchen  älter  lurückführenden  Zug  verwischte,  manchen 
weniger  charakteristischen  Zug  für  immer  in  den  Vordergrund  rfickte 
und  so  die  Auf&ssnng  des  Demodokos  schuf,  der  jedenfEiIls  jünger  ist^ 
als  jenes  von  manchen  Alten  noch  dem  Homer  selbst  zugeschriebenen 
Epos.  Der  Demodokosgesang  fällt  durch  seinen  frivolen  Ton  aus  dem 
Gesammtcharakter  der  Odyssee,  die  sonst  im  Gegensatz  zur  Ilias 
eine  durchaus  würdige  Vorstellung  von  den  Göttern  gibt,  vollstöndig 
heraus. 


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734  K.  Tümpel: 

meinsamen  Festtages  bestehen,  der  doch  als  Nenjahrstag  der  Ares- 
stadt und  als  Antritts-  und  Abscheidetermin  der  obersten  Eri^rs- 
beamten  die  Kehrseite  seiner  Bedeutung  nicht  verleugnen  kann.  — 
So  hat  sich  uns  auf  dem  Umwege  einer  Betrachtung  der  Beziehungen 
des  Ares  zur  Aphrodite  bewährt,  was  H.  D.  Müller  bloss  von 
Ares  allein  aus  in  seiner  Monographie  bemerkt  (p.  77):  dass  jeden- 
foUs  Theben  ein  Hauptpunkt  für  den  Cnlt  des  chthonischen  Ares 
vor  Alters  gewesen  sein  müsse,  und  man  es  deshalb  nur  natürlich 
finden  könne,  dass  in  einer  thebischen  Sage  die  alte  Bedeutung 
des  Ares  noch  so  stark  durchschimmere. 

§  34.  Opfer.  Was  nun  das  Opferwesen  betrifft,  so  kann  der 
umstand,  dass  die  Polemarchen  bei  der  oben  beigezogenen  Gelegen* 
heit,  nach  Plutarch  Wein  trinken,  ebensowenig  gegen,  als  für  einen 
bestimmten  Cultgebrauch  beweisen,  zumal  jedes  anderweitige  Zeng- 
niss  fehlt,  und  Engel,  Kjpros  II  269  mit  Becht  vielmehr  nepha- 
lische  Opfer  für  Ares  in  Anspruch  genommen  hat,  also  weinlose. 
Denn  Polemon  stellt  (beim  Schol.  zu  Sophokles  00.  v.  100)  die  'vn- 
<pdXia  kpd'  den  ^olvöcTrovba'  scharf  gegenüber.  Dasselbe  thut  Por- 
phyrion (Ant  nymph.  XIX),  der  sie  als  VcXiKpnTtt'  erklärt*),  weil 
Honig  der  integrirende  Bestandtheil  derselben  war.  Honig  ist  aber 
nicht  nur  die  typische  Opferkost  der  Schlangen  (0.  Jahn,  ArchSoL 
Beiträge  223^^),  z.B.  der  Trophoniosschlange,  sondern  auch  speciell 
des  Aresdrachens,  dessen  Cult  doch  mit  dem  des  Ares  selbst  zu- 
sammenflLlli  So  heisst  es  mit  Bezug  auf  den  sp&ter  zum  WSchter 
der  goldenen  Hesperidenäpfel  gemachten  Ladondrachen,  dass  die 

^sacerdos 
Hesperidum  templi  custos  epulasque  draconi 
quae  dabat  et  sacros  servabat  in  arbore  ramos', 
dies  besorgte  ^spargens  humida  mella  soporiferumque  papaver'. 
Der  schon  dem  Servius  (zu  dieser  Stelle)  aufföllige  Widerspruch 
zwischen  der  bezweckten  W  ach  samkeit  des  Drachen  und  der  schlaf- 
bringenden Kraft  des  angeblich  als  Mittel  zu  diesem  Zweck  ver- 
wandten Mohns  zeigt  deutlich,  dass  nur  ein  bestehender  Opferbrauch 
mit  in  die  Erzählung  schlecht  und  recht  verflochten  ist.  Besser  in  den 
Zusammenhang  verarbeitet  ist  der  Mohntrank  bei  ApoUonios  Rhodios, 
wo  der  Aresdrache  (hier  als  Wächter  des  goldenen  Yüesses)  einge- 
schläfert wird  durch  die  ^q>dp|LiaKa'  (Argon.  157)  der  Medeia  (qxtp- 
fidKUi  £v|iiiX€  Onpöc  Kdpr)'  164,  ApoUodoros:  ^bpäKOvra  KaTaKOl^äcac 
TOic  qpapjLidKOic'  (Bibl.  I  9,  23,  11).  Denn  dass  es  sich  hierbei  wieder 
um  Mohn  gehandelt  haben  wird,  lehrt  das  genau  entsprechende 
^somniferum  venenum'  als  Schlangenspeise  bei  Ovid  (Metanu  IX 
693).  Das  ^q>ap|idcc€iv'  betrifft  eben  die  nothwendige  Würze,  die 
beim  Honigtrank  nicht  fehlen  kann  (cf.  Plutarch.  Symp.  IV  6,  2 
=  Beiske  Vm  672,  3),  V^XiTCiov  Ttivouciv  uiroipap^dccov- 


*)  'vii<pdXioi  cirovbai  ai  6id  ^^itoc' 

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Ares  nnd  Aphrodite.  735 

T€C  "rtiv  T^wwirr^Ta  olvujbcci  ^iCaic  Kai  aucrnpaic.  ''6XXiiV€C  hk 
vnqpAXia  raOra  koi  ficXiCTTOvba  Ououciv'). 

Diesen  ^nephalischeii'  Honig-Mohn-Trank  bekam  aber  nicht  nur 
Ares  und  sein  Drache,  sondern  anch  Erinjs,  wenn  wir  vom  athe- 
nischen Semnendienst  auf  den  thebischen  Muttercult  schliessen 
dürfen.  Bei  Sophokles  (0.  C.  461)  soll  Ismene  den  Erinjen  opfern 
^ubari  ^€XiccTlC*  iir]hk  npocfpipexv  jn^Ou'  (Wein}  und  v.  100  heisst 
der  ihnen  Opfernde  ^vfJ9U>v  doivoic',  was  Polemon  (beim  Scho- 
liast  zu  dieser  Stelle)  erklärt:  *oö  T^p  cir^vöcrai  olvoc  auraic  ('Cpi- 
vuci),  &XX'  8bu)p,  Kai  vr)9dXiai  KaXoCvrat  a\  CTrovbai  auTUJv'.  In 
den  Eumeniden  des  Aischylos  (108)  erhalten  sie  ^xoac  t^  doivouc, 
V  T)  q>  d  X  i  a  ^eiXiTMara'^  womit  zu  vergleichen  ist  Apollonios  Rh.  (Argon. 
IV  712),  wo  Eirke  den  Erinjen  darbringt:  *TT€Xdvouc  MciXiKTpd 
T€  vii<paXir)Civ  . .  dir*  cux^Xflciv  (Preller,  Polemon  frg.  p.  74). 

Ueberall  wird  hier  der  Gegensatz  zu  den  weinigen  Opfern 
als  charakteristisch  für  die  Nephalia  hervorgehoben  und  Plutarch 
sagt  an  der  vorigen  Stelle,  wo  von  dem  nephalischen  Honigtrank 
die  Rede  ist,  ausdrücklich:  *Kai  toöto  fjv  ciTOvbfi  Kai  |Ltd0u  irplv 
äMTreXov  q>avf\yai\  Damit  hat  der  Gegensatz  zwischen  nephalischen 
und  weinigen  Opfern  die  Bedeutung  als  Charakteristiken  zweier  ver- 
schiedenen Zeitepochen  erhalten,  das  noch  eine  genauere  Bestim- 
mung erh&lt  durch  Philochoros  (bei  Hesych.  und  Photius  (lex.)  s.  v. 
^vii9dXia  l\)\a\  cf.  Schol.  Soph.  0.  C.  100).  Dieser  nennt  als  von 
den  Nephalia  principiell  verschieden  noch  Feige  und  Myrthe  unter 
den  ^olvöcncyba*  (*viiq)dXia  HtiXa*  xd  \xi\  djuir^Xiva,  |Lt?iTe  cuKiva, 
MTJTe  jLiupiva-  dKcTva  x^p  olvöcTTOVba  X^xcTai)'.  Nun  hat  aber  Hehn 
(Culturpflanzen  und  Hausthiere  etc.^ p.  83ff.,  191ff.)  nachgewiesen, 
dass  Feige  und  Myrthe  erst  von  den  semitischen  Colonisten  aus  dem 
Orient  nach  Griechenland  herübergebracht  worden  sind,  und  hat  das- 
selbe auch  für  den  Wein  hoch  wahrscheinlich  gemacht,  unter  zwar 
heftigem^  aber  durchaus  nicht  entscheidendem  Widerspruch  A.  M  ü  1 1  e  r's 
vom  rein  sprachlichen  Standpunkte  (Bezzenberger,  Beiträge  p.  294). 
Somit  reducirt  sich  der  zeitliche  Gegensatz  beider  Opfer  auf  einen 
Gegensatz  zweier  Culturen,  der  orientalischen  semitischer  Colo- 
nisten, welche  Wein,  Feigen  und  Myrthen  brachten,  und  einer  ur- 
griechischen, also  indoeuropäischen,  welcher  die  Nephalien  eigen- 
thümlich  gewesen  sein  müssen.  Und  wirklich  wurde  der  Honig 
schon  lange,  bevor  man  von  den  Semiten  Bienenkörbe  anlegen  lernte, 
in  den  Wäldern  Europas  von  wilden  Bienen  gesammelt  (Hehn  a.  a.  0. 
117,  134  ff.)  und  der  Mohn  ist,  wie  sein  griechischer  Wortlaut 
^ifJKU)V  (cf.  G.  Curtius,  GZ^  162)  gegenüber  der  semitischen, 
von  der  Kopfform  übertragenen  Benennung  (hehr.  V1l)  zeigt,  wenig- 
stens nicht  über  Phönikien  eingeführt,  sondern  ^wahrscheinlich  ein 
uraltes,  mit  dem  Getreide  als  Unkraut  aus  Asien  gekommenes  Ge- 
wächs' Hehn  a.  a.  0.  270).  Sikyon,  die  semitische  ^ Gurkenstadt', 
existirte  schon  längst  vorher  als  griechische  ^Mohnstadt'  Mekone 


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736  K.  Tflmpel: 

(Hesiod.  Theog.  536)  und  zur  Erinnerung  an  jene  yorsemitische 
Epoche,  in  welcher  es  noch  keine  *  Aphrodite'  in  GriQchenland  gab, 
trttgt  die  grosse  sikjonische  Göttin  noch  im  Bilde  des  Eanachos 
ausser  dem  orientalischen  Granatapfel  —  den  Mohn  (Paus.  11 10, 4) .*) 
Was  endlich  die  Milch  betrifft,  mit  welcher  bei  Enripides  (Orest. 
115)  und  nach  Porphyrion  (Ant  Nymph.  XXVIII),  vielleicht  auch 
bei  Homer  (k  519j  X  27)  namentlich  das  den  Todten  gesp^idete 
^füi6A(KpiiT0v',  offenbar  nach  uraltem  Brauch,  gemischt  war,  so  ist  ihre 
Verwendung  bei  den  Nephalien  von  einem  viehzüchtenden  Volk  auch 
in  vorsemitischer  Epoche  begreiflich.**)  Sie  wird  übrigens  aacb 
bei  den  Kuchen,  welche  die  Drachen  (Paos.  IX  39, 5)  nnd  die  Erinyen 
erhielten  (Apollon.  Rh.  Arg.  IV  712)  nicht  wohl  gefehlt  haben. 
Auch  die  Pappelblätter  und  der  Fenchel,  welche  bei  Bekker 
(Anekdota  p.  279,  cf.  Gerhard,  Akad.  Abh.  11  44),  als  Schlangen- 
kost  vorkommen,  sind  indoeuropäisches  Ureigen thum  (Hehn270^).  — 
Ein  weiteres  Licht  föllt  auf  diese  Verhältoisse  durch  die  Bück- 
schlüsse, welche  die  Berichte  späterer  Hellenen  über  das  gleichsei^e 
Barbarenthum  ihrer  von  orientalischem  Einfluss  unberührt  gebliebe- 
nen nordischen  Stammverwandten  gestatten.  Denn  solche  sind  be- 
stimmt zu  verstehen  unter  den  V^  Trivovrec  oTvov  ßcipßapoi',  welche 
zur  Zeit  Plutarchs  noch  (*Ka\  |Lt^xpi  vOv',  Sympos.  IV  6,  2)  ^cXi- 
xeiov  TTivouciv  uTTO(pap)üi<iccovT€C  KTd,  (siehe  p.73ö  oben).  Er  combinirt 
richtig:  *'£XXr^v€c  viiqpÄXia  raOra  Kai  jieXicirovba  Ououciv,  die 
ÄVTiecTOV  <puciv  lidXicTa  ToO  fi^XiTOc  irpdc  töv  oTvov  Jxovtoc*. 
Diese  Barbaren  hielten  eben  den  Griechen  nur  die  Verhältnisse  ihrer 
eigenen  Vorzeit  als  eine  Art  „antiquit6  contemporaine^'  vor,  um  einen 
treffenden  Ausdruck  Max  Müll  er 's  zu  gebrauchen.  Als  drittes  Argu- 
ment für  den  vorsemitischen,  autochthon  griechischen  Charakter  der 
Nephalien  vermögen  wir  den  umstand  anzuführen,  dass  die  übrigen 
Gottheiten^  ausser  Ares  und  Erinys,  welche  nach  Polemon  (a.  a.  O.) 
zu  Athen  NephaHa  erhalten,  durchgehends  rein  griechische  sind: 
^TToXdjLiujv  b^  dv  Tij!»  Trpdc  Ti^aiov  xal  dXXoic  ticI  Oeoic  vticpaXtouc 
qpaci  euciac  x^v^cOai  fp&qiwy  oötwc  *A6iivaToi  T€  t^  •  •  •  •  vt|- 
9dXia  ixkv  Wpd  eüouci  Mviijiocüvij  Moiicij  (Preller),  *Hoi,  'HXii|i,  Cc- 
X^VT),  Nu|iq>aic,  'AcppobiTq  Oupav(<f'.  Denn  die  Letztere  haben  wir 
schon  oben  (p.  704)  als  eine  nur  semitisirte  griechische  Göttin  erkannt, 


*)  Cf.  p.  696**);  so  war  auch  DionysoB  nicht  von  Anfang  an  spedell  der 
Weingott,  sondern  erhielt  Nephalia,  wie  alle  anderen  Griechengötter  vor 
£infahnii]|f  der  semitischen  Cultur  (cf.  Preller,  Polemon  a.  a.  0.). 

*^  Milch  und  Honi^  als  Haaptingredientien  der  Phantasievorstellang 
von  einem  seligen  Jenseits  oder  Schlanraffenland  (cf.  Poes  che  1  bei  Pam 
und  Braune,  Beiträge  V  897  nnd  überhaupt  891  ff.)  harren  noch  einer 
Specialontersuchnng.  Material  aus  dem  Griechenthum  (Nektar  >»  Am- 
brosia) hat,  wie  ich  erst  nachträglich  ersehe,  Bergk  (Athenegebart: 
Fleckeisens  Jahrb.  81  (1860)  877—884),  der  in  erfreulicher  Weise  mit  dem 
oben  Gegebenen  übereinstimmt,  auf  die  ethnologische  Bedentang  des 
Honigtranks  aber  nicht  aufmerksam  geworden  ist. 


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Ares  tmd  Aphrodite.  737 

was  sich  hier  durch  die  Nachbarachaft,  in  der  sie  erscheint,  bestfttigt. 
Eben  so  wird  aber  jede  andere  Aphrodite,  bei  der  sich  Nephalia  nach- 
weisen lassen,  als  nicht. genuin  phönikisch  gelten  müssen. 

Dies  ist  der  Fall  bei  einer  Venus  in  Born,  derselben,  deren 
Bild ,  wie  wir  oben  zu  erwähnen  Gelegenheit  hatten,  genau  wie  die 
Aphrodite  des  Demodokosfesangs  ein  hochzeitliches  Bad  erhielt,  nttm- 
lieh  die  Venus  Verticordia.  Von  ihrem  Opfercult  heisst  es  bei 
dem  durchaus  authentischen  Oyid  in  den  Fasti  (IV  151): 

*Nec  pigeat  tritum  niveo  cum  lacte  papayer 
Sumere  et  ezpressis  mella  liquata  fayis. 

•         »         * 
Supplicibus  yerbis  eam  placate;  sub  illa 

Et  forma  et  mores  et  bona  fieuna  manet 
Roma  pudicitia  proavorum  tempore  lapsa  est: 

Cymaeam  yeteres  consuluistis  anum. 
Templa  iubet  fieri  Veneri,  quibus  ordine  faotis 

Inde  Venus  yerso  nomina  corde  tenet'. 

Der  Name  Verticordia  ist ,  wie  auch  aus  ihrer  auf  gleich  ethischem 
Grundgedanken  basirenden  Stiftungssage  (Valerius  Max.  Memorab. 
Vin  15,  12)  heryorgeht,  eine  genaue  üebersetzung  der  ethischen 
Apostrophia.  und  da  wir  die  Wurzeln  ihres  Dienstes,  der  erst 
114  a.  Ch.  (Preller,  Böm.  Myth.  P  393)  auf  Geheiss  der  sibyllini- 
sehen  Bücher  eingeführt  wurde,  mit  Allem,  was  damit  zusammen- 
hängt, auf  griechischem  Boden  suchen  müssen  (Klausen,  Aeneas  etc. 
p.  285,  Aum.  411  p.),  so  sind  wir  somit  berechtigt,  wirklich  bei  der 
thebischen  Aphrodite  den  Ursprung  jener  nephalischen  Opfer  zu  suchen. 
Barg  diese  doch  thatsächlich,  wie  uns  aus  allen  anderen  Symptomen 
feststand,  einen  alten  griechischen  Cult  hinter  ihrer  semitischen  Aussen- 
seite.  Wir  haben  also  jetzt  nicht  nur  Aufschluss  über  den  Opfer - 
dienst  der  Letzteren  erhalten,  wie  schon  yorher  über  die  Festzeit*), 
sondern  finden  auch  das  Henrorgehen  der  thebischen  Aphrodite  aus 
der  Erinys  bestätigt,  da  diese  yon  den  bei  Polemon  als  nepha- 
liache  Opfer  erhaltend  aufgezählten  Göttinnen  einzig  und  allein  in 
Betracht  kommen  kann. 

Aber  noch  nach  einer  anderen  Seite  hin  müssen  wir  Oyid  für  seine 
Nachricht  dankbar  sein,  nämlich  dass  er  uns  noch  einmal  unwider- 
stehlich den  Ares  als  Gatten  der  Apostrophia  und  also  auch  der 
Erinys  erweist.  Denn  ßogar  bei  der  ganz  ethisch  modificirten  Verti- 
cordia haben  sich,  und  darum  um  so  auffälUger,  Erinnerungen  an 
diesen  Optt  erhalten,  die  der  Art  ihrer  Erwähnung  nach  nicht  der 
neuen  Heimath  angehören,  sondern  bestimmt  in  Verknüpfung  mit 
den  Nephalien  aus  Griechenland  herübergekommen  sind.  In  der  oben 


*)  Dass  Oyid  das  römische  Fest  der  Verticordia  am  1.  April  erwähnt, 
dam  allgemeinen  Festtag  der  reinen  semitischen  Culte,  ist  für  das  üiebi- 
8che  Winterfest  irreleyant 

Jahrb.  t  olMt.  Pha  SuppL  Bd.  XL  47         C^  r^r^n\o 

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738  K.  Tümpel: 

frei  gelassenen  Lücke  unseres  Citats  ans  Ovid  steht  nSmlich  nocb 
das  Distichon: 

^Cmn  primnm  cnpido  Venus  est  deducta  marito, 
Hoc  bibit:  ex  illo  tempore  nupta  fuit'. 
Hierin  liegt  der  ausdrücklichste  Hinweis,  dass  nicht  jede  beliebige; 
Aphrodite,  sondern  eben  nur  die  Verticoriia-Apostrophia,  welche 
aus  der  Erinys  zu  Theben  hervorging,  diese  aber  eben  darum  be- 
stimmt, eheliche  Ansprüche  auf  Ares  besitzt 

Der  Schlussstein  unserer  Argumentation  ist  somit  eingesetzt, 
und  unsere  Beweiskette  geschlossen;  um  jedoch  die  Bedeutungsfrage 
unseres  Programms  erschöpfend  beantworten  zu  können,  bleibt  noch 
die  Frage  zu  erledigen,  ob  nicht  aus  Winterfest  und  nephalischen 
Opfern  eine  unbedingt  chthonische  Bedeutung  von  Ares,  Aphrodite 
und  Erinys  zu  folgern  seL  Aber,  was  die  Letzteren  betrifft,  so  wurde 
ja  Musen,  Chariten  und  Nymphen,  dem  Mond,  der  Sonne  und  der 
Morgenröthe  mit  denselben  Stoffen  gespendet  (offenbar  ursprünglich 
nur  im  Winter  zum  Emp&ng  der  Sommergötter,  zu  deren  Abschied 
im  Sommer  man  Feldfrüchte  hatte).  Und  auch  das  Winterfest  hat 
erst  spSter  sein  ergänzendes  sommerliches  Gegenstück  verloren,  als 
die  beiden  Götter  in  Folge  von  historischen  Ereignissen  in  ihrer 
Machtvollkommenheit  auf  die  chthonische  SphSre  beschränkt  wurden.*) 

Dies  ist  aber,  wie  wir  schon  oben  erkannten,  unter  dem  Ein- 
fluss  der  eindringenden  Kadmos-Demeter-Keligion  geschehen,  welche 
das  ältere  Götterpaar  zu  einem  unterweltlichen,  wenn  nicht  gehass- 
ten,  so  doch  gefdrchteten  stempelte,  zugleich  aber  durch  die  Macht 
und  das  Ansehen  des  kadmischen  Stamms  bewirkte,  dass  trotz  dieser 
Degradation  Ares  als  Ejriegsgott  in  den  olympischen  Himmel  des 
polytheistischen  Systems  einging.  Eine  Spur  der  früheren  Universa- 
lität scheint  sich  noch  erhalten  zu  haben  in  dem  athenischen  Ares- 
hügel, aus  dem  sich  ungezwungen  ein  Bergcult  des  Ares  ergibt; 
dadurch  käme  die  Preller'sche  Beobachtung  zur  Geltung,  dass  die 
Erinys,  neben  der  wir  einen  alten  Aresdienst  immer  vorauszusetzen 
haben,  sich  überall  an  Berg  und  Quellschlucht  anschliesse.  Ist 
nun  letztere  weiter  nichts,  als  eine  Localisirung  des  rein  mythisch- 
ideellen Gebiets  des  chthonischen  Jenseits,  so  wird  die  demffimmel 
benachbarte  Bergspitze  ungezwungen  als  Wohnung  des  Himmels- 
gottes, also  als  Localisirung  eines  oberweltlichen  Diesseits  gelten, 
ähnlich  wie  ausser  anderen  Bergen  namentlich  der  Olympos.  Berg 
und  Quellschlucht  entsprechen  also  in  ihrer  sich  ergänzenden 
Gegensätzlichkeit  von  Seiten  des  Cultes  der  mythischen  Doppelphase 
des  Gottes  im  Sommer  und  Winter.  Mit  der  Unterdrückung  der 
sommerlichen  Lichtseite  des  Ares  verschvrinden  auch  seine  H5hen- 
culte,  von  denen  sich  nur  zu  Theben  in  der  Wintersonnwend-Berg- 

*)  Weni|;8tenB^  scheint  der  Rest  eines  Mythos  und  Festcnltes  am 
Sommersolstitium  in  dem  Opfer  des  Menoikeus  erhalten  va  sein,  dessen 
treffende  Besprechung  durch  0.  Müller  wir  p.  714  citirten. 


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Ares  und  Aphrodite.  739 

feier  auf  der  Akropolis  ein  üeberbleibsel  erhalten  haben  mag.*) 
Wurde  also  schon  in  der  Ilias  Aphrodite  als  Ausländerin  von  den 
hellenischen  Yollblutgöttem  gehöhnt  und  gescholten,  so  haben  diese 
als  Olympier  in  der  Odyssee  bei  der  chthonisch  auftretenden  Eypris 
doppelten  Grund.  Das  HohngelSchter  und  die  Schadenfreude  der- 
selben empflbigt  die  ungewohnte  Verfassung,  in  welcher  die  längst 
gekannte  Aphrodite  Eypris  der  Ilias  in  dem  Odysseegesang  über 
Theben  her  einen  neuen  £inzug  in  die  griechische  Götterwelt  hält. 
Hinter  der  Motivirung  des  ionischen  Bhapsoden  lag  vielleicht  eine 
aiolische  Tradition,  welche  an  die  chthonische  Bedeutung  des  Mythos 
noch  bewusste  oder  unbewusste  Beminiscenzen  bewahrte.  Wenig- 
stens bleibt  die  Erweiterung,  welche  Demodokos  seinem  Stoff  durch 
das  Götterpublicum  angedeihen  liess,  dem  alten  echten  Charakter  treu. 
Denn  der  Hass  der  üranionen,  welcher  so  überraschend  gegen  die 
^dv^pTcpot'  zum  Durchbruch  kommt,  ist  der  beste  Commentar  zu  den 
Epitheten  *CTUT€p6c'  und  'fxöiCTOC  ßpoTiuv',  welche  Ai-es  (IL  B  479, 
C  209;  €  890,  897  ff.)  mit  vielen  anderen  chthonischen  Wesen  theilt 
(H.  D.  Müller,  Ares  p.  60)*).  Diese  Vermuthung  wird  genährt  durch 
die  Genealogie  des  mit  boiotischen  Culten  wohl  vertrauten  Hesiodos, 
welcher  den  beiden  fürchterlichen  Gesellen  Deimos  und  Phobos, 
die  doch  eigentlich  nur  den  Ares  angehen,  die  Aphrodite  zur  Mutter 
zu  geben  wagt;  worüber  sich  schon  Welcker  (G.  GL.  I  420)  und 
Schwenck  (I  244)  gewundert  haben.  Die  Sonderbarkeit  schwindet, 
wenn  man  annimmt,  dass  noch  eine  Erinnerung  sich  erhalten  hatte 
an  die  chthonische  Natur  der  Aphrodite-Erinys  im  Localcult,  an  welche 
sich  solche  ungeschlachte  Wesen  gern  anschliessen  mochten. 

*)  Wie  ich  nachträglich  sehe,  stimmt  diese  Beobachtung  überein 
mit  den  Nachweisen,  welche  Bergk  in  seiner  vortrefflichen  Abhandlung 
„Geburt  der  Athene''  (in  Fleckeisens  Jahrb.  81  (1861)  p.  28;»— 319; 
377—424)  für  eine  urgiiechische  Vorstellung  vom  flimmelsberg  mit 
daselbst  aus  Felsspalte  hervordringendem  Götterquell  (Ladon,  Styx, 
Acheron,  Lethe,  Acneloos,  Okeanos)  gegeben  hat.  Wenngleich  bei  gänz- 
lich abweichendem  Auegangspunct  jegliche  Berührung  mit  H.  D.  Müllers 
Forschungen  fehlt,  so  arbeiten  sich  doch  beide  Gelehrte  entgegen  und 
treffen  zusammen :  nur  dass,  was  letzterem  als  ausschliesslich  chthonisches 
Jenseits  erscheint,  von  Bergk  als  ein  olympisches  gefasst  wird.  Da  aber 
bei  dem  ursprünglichen  geocentrischen  Standpnncte  jenes  Gewässer  auch 
nach  Bergk  nar  das  Erdenrund  vom  äusseren  Jenseits  trennen  sollte,  als 
dessen  Localisirung  der  Felsspalt  feststeht,  so  kann  die  Bergspitze  bloss 
als  irdischer  Cultmittelpunct  verstanden  werden:  als  Aufentiialtsort  der 
Gottheit  während  ihres  irdisch- präsenten  Segenswirkens  im  Sommer, 
also  ihrer  olympischen  Diesseitigkeit.  Das  Jenseits  bleibt  folglich  mit 
H.  D.  Müller  prägnant  chthonisch  (Die  Vorstellung  vom  reinen  Zenith 
(unserem  'Himmel')  als  ursprünglicher  Wohnang  des  Naturgottes  setzt 
ohnehin  eme  für  die  älteste  Zeit  undenkbare  Abstraotion  voraus).  ~-  Da 
übrigens  Bergk  in  den  verschiedensten  Ausdrucksformen  immer  den  gleichen 
Urtypns  nachweist  (so  p.  393),  so  bedürfte  es  nur  einer  Vertheilang  dieser 
parallelen  Vorstellnngscomplexe  vom  GOtterheim  an  die  entsprechenden 
Stammmythologien,  um  beide  heterogenen  Forschungen  wechselseitig  zu 
befruchten  und  nach  gemeinsamem  Ziel  zu  richten. 

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740  K  Tümpel: 

Wir  haben  uns  schon  länger  um  die  Schwelle  bewegt,  über 
welche  hinweg  der  Weg  ans  dem  loealen  in  den  nationalen  Beli- 
gionskreis  führt;  bevor  wir  aber  betrachten,  was  aus. dem  Mythen- 
Stoff  in  der  Behandlung  durch  die  Panhellenen  geworden  ist,  sei 
noch  der  Möglichkeit  gedacht,  dass  in  einer  herolfschen  Metamorphose 
sich  UQser  Paar  anderweit  erhalten  habe.  Ohne  andere  Möglichkeiten 
ansschliessen  zu  wollen,  sei  kurz  bemerkt^  dass  Preller  (G.  M.  n~ 
384  ff.)  in  Oinomaos  und  Hippodameia  unser  Paar  wiederzuerkennen 
glaubt:  Oinomaos  heisst  Sohn  des  Ares  und  der  ^'Apiriva,  was  an 
Harpje  erinnert;  Hippodameia  geniesst  die  Gunst  der  Aphrodite, 
trägt  sogar  ein  Epitheton  derselben  als  Namen;  sie  wird  Ton  den 
Eleiem  als  Stifterin  eines  Wettlaufs  der  Mädchen  zu  Ehren  der  Ehe- 
göttin Hera  erwähnt.  —  Daraus  wttrde  immer  nur  folgen,  dass  sie 
Tochter  des  *Oinomaos-Ares'  wäre.  Eine  Zurückweisung  hat  schon 
gegeben  H.  D.  Müller  (Myth.  I  108)^),  auf  die  wir  verweisen. 

Absohnitt  U.    Die  Träger  der  Verbindimg. 

§  35.  Die  IHonaia  der  Ächaier.  Wir  haben  im  Vorstehenden 
zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt,  wie  sich  im  Epos  der  locale 
Charakter  des  thebischen  Paares  veränderte.  Aber  wir  haben  uns 
nicht  gefragt,  q,us  welcher  Quelle  dieser  veränderte  Charakter  fliesst. 
Die  Antwort  ist  leicht.  Die  Aphrodite  Homers,  die  uns  in  der  Ilias 
begegnet,  zeigt  ein  ganz  entgegengesetztes  Wesen,  und  dieses  ist 
auch  bei  der  Wiedergabe  eines  heterogenen  Mythos  das  Ausschlag- 
gebende gewesen.  Die  ins  System  aufgenommene  ^Atoc  GuYarnp' 
ist  theils  dardanischen  Ursprungs:  Gattin  des  Anchises  und  Mutter 
des  Aineias,  theils  achäischen,  als  Tochter  der  Dione  von  Zeus.  Es 
ist  ziemlich  gleich  giltig,  ob  die  Aphrodite  mit  der  Dione  selbst 
zusammengeflossen  ist*);  wie  Gerhard,  oder  bloss  mit  einer  Toch- 
ter, wie  Welcker  will.  Zurückzuweisen  ist  nur,  was  E.  Gurtins 
(Gr.  Gesck,  P  94)  sagt:  ^Der  pelasgische  Zeus  blieb  auch  in 
Dodona  nicht  allein,  sondern  ihm  wurde  die  aus  fernem  Morgenland 
herüberverpflanzte  Göttin  der  schaffenden  Naturkraft  unter  dem 
Kamen  Dione  verbunden'.**)  Das  Richtige  hat  wahrscheinlicher  Weise 


*)  Wofür  man  nicht  die  heiligen  Tauben  der  Dione  anffihxen  darf; 
denn  diese  gehören  zu  der  dunklen  aütochthonen  Wildlingsart,  welche 
mit  den  erat  Anfang  des  6.  Jahrh.  nach  Griechenland  kommenden  weissen 
zahmen,  ursprünglich  centralasiatischen,  dann  palästinensischen  Cult- 
tauben  der  Semiramis  (Astarte,  Baaltis)  nichts  zu  thun  hat  (Hehn,  Cal- 
turpflanzen  etc.  298' ff.). 

**)  Mit  Berufung  auf  Welcker,  der  ja  aber  Aphrodite  mit  einer 
Tochter  der  Dione  zusammengeflossen  denkt  (I  362).  Seine  Ansicht 
entspricht  eher  dem  Gedanken  Schwencks  (Myth.  lY  218^,  „die  Himmels- 
königin sei  aus  dem  semitischen  Lande  zu  dem  griechischen  Himmela- 
künig  nach  Dodona  gebracht  worden,  von  wo  sich  der  Cult  aber  nicht 
unter  dem  Namen  der  Dione  verbreitete,  sondern  unter  dem  der  Aphro- 


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Ares  und  Aphrodite.  741 

H.  D.  Müller  getroffen  (Mjth.  11  208),  welcher  annimmt,  die  Ver- 
schmelzung Bei  auf  Ejpros  vor  sich  gegangen  durch  Vermittlang 
der  ach&ischen  Colonie  von  Zeus-Dipnedienem  unter  Teukros  Tela- 
monios  zu  Salamis. 

Aus  diesen  Elementen  setzt  sich  die  dichterische  Aphrodite  des 
achäisch-aiolisch-ionischen  Epos  zusammen;  und  es  erklärt  sich,  wie 
gerade  bei  den  leichtlebigen  lonern  Aphrodite  jenen  bestrickenden, 
liebreizenden,  aber  auch  moralisch  unbedenklichen  Charakter  ent- 
wickeln konnte,  den  sie  auch  bei  ihrem  Verhfiltniss  zu  Ares  zeigt; 
denn  die  Eleinasiate«  hatten  nichts  yon  dem  schwerblütigen  Wesen 
der  Thebaier,  yon  denen  sie  die  Verbindung  einer  düsteren  Aphro- 
dite mit  Ares  überkamen,  um  sie  auf  ihre  heitere  Olympierin  zu 
übertragen.  Verlor  jene  dadurch  ihren  eigenthümlichen  Charakter, 
so  tauschte  sie  dagegen  die  Unsterblichkeit  ein;  büsste  das  Paar 
auch  seine  Würde  ein,  so  empfing  es  doch  als  Ersatz  eine  Verbrei- 
tung durch  Dichtermund  über  ganz  Hellas  und  über  dessen  Grenzen 
hinaus.  Ist  es  doch  ebenso  gegangen  mit  Eros'  Verhältniss  zu  Aphro- 
dite, einer  Verbindung,  die  eigentlich  nur  die  Aphrodite  Melainis 
(eine  chthonische)  zu  Thespiai  angegangen  zu  haben  scheint,  wäh- 
rend später  dayon  nichts  zu  bemerken  ist. 

Hatte  schon  der  Dichter  des  Demodokosgesangs  den  düsteren 
Grundton  des  chthonischen  Mythos  unter  den  heiteren  Farben  der 
homerischen  LiebesgOttin  verdeckt,  wie  viel  mehr  der  Nachdichter, 
und  gar  der  Künstler,  der  sich  an  religiöse  Dogmatik  ohnehin  nicht 
kehrt,  und  im  Sinne  des  poetischen  Natdonalschatzes  operirt.  So  er- 
scheint auf  dem  archaistischen  borghesischen  Zwölfg5tteraltar,  der 
doch  auf  ein  altes  Original  zurückgehen  wird,  Aphrodite  schon  mit 
der  Taube  in  der  Hand,  dem  Lieblingsthier  der  Eypris-Dionaia.  Ja 
sogar  im  Cult  gerieth,  wie  es  scheint,  der  ältere  chthonische  Cha- 
rakter der  Aphrodite  in  Vergessenheit;  wenigstens  ist  in  Megale- 
polis  zu  Fausanias*  Zeit  gerade  der  Name  der  ^Apostrophia'  in  Ver- 
gessenheit gerathen,  trotzdem  ihr  Xoanon  so  gut  erhalten  war ,  wie 
zu  Theben.  Vermuthlich  hielt  man  die  Fandemos  für  die  Gattin  des 
Ares,  wdcher  seinen  Tempel  gleich  daneben  hatte,  oder  gar  die  Ura- 
nia, was  zu  dem  Zeitpunct  der  Gründung  von  Megalepolis  (370  a.  Ch.) 
freilich  noch  nicht  der  Fall  gewesen  sein  kann,  in  der  späteren  Zeit  aber 
bei  solch  künstlich  geschaffenem  Cult  nicht  zu  den  Unmöglichkeiten 
gehört.  Ein  religiöses  gemeinsames  Fortleben  von  A.  u.  A.  in  der 
orphischen  Mystik  hat  willkürlich  Creuzer  (Symb.H  297)  angenom- 
men, und  Engel  (Kypr.  II  208)  hat  es  ihm  nachgesprochen;  allein 
ohne  Grund,  wie  ein  Blick  in  Lobecks  Aglaophamus  lehrt:  die  Be- 
hauptung schwebt  völlig  in  der  LufL  In  einer  anderen  Form  da- 
gegen hat  sich  die  Nationalreligion  des  Paares  bemächtigt,  um  es 


dite  von  Kythere  und  Eypris*'.    [Eine  Abfertigung  dieser  Meinung  bei 
Müllenhotf,  deutsche  Alterthumskunde  (p.  71)  ohne  Namennennung.] 


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742  K.  Tfimpel: 

der  Gefahr  des  Vergessenwerdens  zu  enireissen,  nämlich  im  Zwölf- 
göttersystem. 

§  35.  D<is  ZwölfgöUersystem.  Dieses  hat  an  der  Gruppining 
von  Ares  und  Aphrodite  auch  in  solchen  Zeiten  festgehalten,  wo  die 
Erinnerung  an  dasselbe  fast  ans  dem  Gedftchtniss  der  Zeitgenossen 
geschwunden  zu  sein  schien.  Zugleich  reicht  es  in  eine  wenig  be- 
kannte Zeit  zurück,  so  dass  man  es  geradezu  als  Beweis  ftkr  die  alte 
Bedeutung  und  Würde  unseres  Paares  beiziehen  kann.  Denn  seine 
erste  Erwähnung  findet  sich  im  Anfang  des  8.  Jahrhunderts,  wie 
Ch.  Petersen  (Zwölfgöttersjstem  II,  1868,  Hanburg.  Progr.)  nach- 
gewiesen hat,  nicht  Ende  des  sechsten,  wie  noch  1876  Flasch  (Par- 
thenonfries p.  25)  schreibt.  Die  Paarung  von  Ares  und  Aphrodite 
unter  den  Zwölfgöttem  ist  aber  zu  allen  Zeiten  so  constant,  dass 
wir  sie  auch  flir  jene  frühe  Zeit  annehmen  müssen,  gegen  Gerhard, 
welcher  (G.  M.  §  353,  2)  es  für  möglich  hält,  'dass  Ares  mit  der 
Aphrodite  zugleich  erst  spät  in  die  hellenische  ZwöLfgötterzahl  auf- 
genommen sei,  und  dass  sie  daselbst  möglicherweise  wegen  des  haupt- 
sächlich aus  italischem  Brauch  bekannten  Alters  dies^  Paarung  ver- 
bunden worden  seien'.  Denn  die  Königszeit  Bioms  hatte  noch  keine 
VenuS;  und  der  späteren  Paarung  derselben  mit  Mars  ist  erst  nach- 
träglich rückwirkende  Kraft  gegeben. 

Zugleich  muss  gegen  die  Aufißeissung  Welckers,  der  Ares  und 
Aphrodite  im  Zwölfgöttersystem  nur  zur  nothdttrffcigen  Baumaus- 
füUung  ein-  und  nebeneinander  treten  lässt,  Verwahrung  eingelegt 
werden,  da  gerade  das  System  durch  die  Constanz  seiner  Paarung 
merkwürdig  abweicht  von  der  Freiheit,  mit  der  sonst  in  Gülten  und  unter 
den  freien  Götterversammlungen  der  Kunstwerke  sich  Aphrodite  an 
alle  möglichen  anderen  Götter  anschliesst.  War  es  z.  B.  nicht  möglich, 
dass  Poseidon,  der  seinen  Platz  neben  Demeter  und  Athene  wechselt, 
einmal  neben  Aphrodite,  und  Ares  neben  Athene  trat?  und  doch 
kommt  dies  nie  vor!*)  —  Wenn  man  bedenkt,  welch'  weite  Verbrei- 
tung die  Zwölfgötter  hatten,  so  begreift  man,  was  für  eine  kräftige 


*)  Die  einzige  Ausnahme  bildet  die  Anordnung  der  ZwGlfgötter, 
welchen  der  Argonautenaltar  am  Pontos  ^stiftet  sein  sollte.  Sie  heissen 
in  der  von  H.  Keil  yerglichenen  Mediceischen  HaDdschrift  der  Scholien 
zu  ApoUonios  Bhodios  (Argon.  II  632),  anders  als  in  den  gedruckten  Texten, 
folgendermassen  (cf.  Gerhard,  Ges.  Ak.  Abh.  1 209) '*) :  ' Zeus ,  Poseidon, 
Hades  —  Hermes,  Hephaistos,  Apollon —  Demeter,  Hestia,  Ares(!),  Aphro- 
dite, Athene'.  Ahrens  bat  (Phil.-Vers.,  Haunover  1864,  p.  3—24)  statt 
'"Apiic'  gesetzt  '"Hpa,  *ApT€|uiic',  und  so  zwei  regelmässige  Gruppen  su 
sechs  Göttern  nnd  Göttinnen  hergestellt,  die  unter  sich  wieder  nach  der 
Anciennetät  getheilt  sind.  Hier  erscheint  also  Aphrodite  nicht  neben 
Ares  7  aber  dieser  fehlt  dafür  auch  gänslich.  An  seiner  Statt  ersdieint 
Hades,  —  ob  in  einem  dunklen  Bewusstsein  ihrer  gleichen  Bedeutung? 
Zorn  mindesten  ein  sehr  merkwürdiger  „Zufall"  gerade  bei  dem  Ar^- 
nautenmythos,  in  welchem  sich  die  Erinnerungen  an  die  chthonische  Natnr 
des  Ares  und  seiner  Unterwelt  Aretias  im  Gedächtniss  der  Aigeier  so 
kräftig  erhalten  hatten  I 


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Ares  and  Aphrodite.  743 

Stütze  unser  Paar  aD  ihnen  hatte.  Ist  es  doch  den  Bömern  erst  of&- 
ciell  bekannt  geworden  durch  jenes  Lectistemium  der  Zwölfgötter, 
welches  die  sibjUinischen  Bücher  aus  dem  aiolischen  Kymai  an- 
empfehlen. 

Ein  dritter  berufener  Trftger  aber  sollte  Athen  werden;  und 
was  diese  Stütze  für  unser  Paar  leistete,  war  nicht  eine  formelhaft 
starre  Conserrirung ,  wie  sie  dem  Zwölfgötter^ystem  verdankt  wird, 
noch  eine  sinnlich  würdelose  Weiterbildung  der  epischen  Leicht- 
fertigkeiten, sondern  eine  lebendige  Fortführung  durch  die  Kunst, 
welche  die  diyergirenden  Fttden  des  poljtheltstischen  Systems  und  der 
epischen  Poesie  nüt  einander  verknüpfte. 

§  37.  Die  atHscJte  Sunst.  Auch  in  diesem  Fall  bewährt  sich 
die  gerühmte  Theoxenie  Athens,  wie  eine  kurze  Musterung  der  Monu- 
mente guter  Zeit  beweist.  So  treten  uns  gleich  die  Merkmale  atti- 
scher Werkstatt  entgegen  an  der  Fran9ois-Yase  (§  11  Nr.  l),  wo 
die  Aspiration  von  ^HAct>POAIT€'  (auf  einem  anderen  Felde,  als 
dem  oben  §  11  berührten)  den  Athener  verräth  (cf.  Kühner,  Gramm, 
d«  griech.  Sprache  p.  101  ff.  §  22,  10).    Die  volcenter  Schale  des 

Brittischen  Museums  (Nr.  6)  hat  einen  deutlichen  Atticis- 
mus  in  der  Legende  *€PP€ct>A',  die  nur  zu  0€pp^(paTTa  ergänzt  werden 
kann,  einer  Namensform,  die  durch  Demosthenes  (Konon  §  8,  p.  470; 
c£  1259,  5)  und  Piaton  (E^ratylos  404)  als  eine  speciell  im  attischen 
Munde  beliebte  Eustomie  verbürgt  ist    Ebenfalls  als  attisch  gibt 

die  Euxytheos-Oltos-Yase  (Nr.  4)  sich  zu  erkennen  durch 
die  Legende:  *A6€NAIA',  welche  die  stehende  Namensform  dieser 
Oöttin  auf  attischen  Inschriften  vor  Eukleides  gibt  —  Für  die  beiden 

Athenegeburten  (Nr.  2,  3)  hat  Löschke  peloponnesischen 
Ursprung  der  Erfindung  des  Sujets  nachgewiesen  (A.  Z.  1 8  7  6 ,  p.  108  ff.). 
Seine  Argumente  sind  sprachliche  Missverstftndnisse  des  archa;isti- 
schen  Copisten,  der  also  jedenfalls  einem  anderen  Dialekt  angehört, 
tun  wahrscheinlichsten,  wie  Löschke  sagt  (p.  110),  dem  attischen. 
Auf  gleiche  Vermuthung  führt  auch  die  auf  anderen  rothfigurigen 
Vasen  (C.  I.  Gr.  IV  7402,  7403)  wiederkehrende  Beischi-ift  der 

Pariser  Vase  (Nr.  5):  HIAeieYlA  (statt 'eiAeieYlA'),  die  am 
besten  sich  durch  den  Hinweis  auf  die  schon  beider  Lesung  ^HA0PO- 
AIT6'  bemerkte  Neigung  der  Athener,  vocalischen  Anlaut  zu  aspi- 
riren,  erklärt.  Henzen  (A.  d.  I.  XIV  p.  94  f.)  will  zwar  behaupten, 
dass  diese  aspirirte  Form  einen  selbständigen  Ursprung  vom  Stamm 
MAA-Q',  attisch  \X^O|iai,  tXeuüC  etc.  habe,  mit  der  Bedeutung  ^die  Huld- 
reiche'. Allein  diese  Ableitung  würde,  da  eine  von  Henzen  noch  nicht 
gekannte  Vase  (M.  d.  I.  IX,  T,  55)  auch  'HEAeiGYA'  als  lebende  Form 
bezeugt,  immer  nur  den  Werth  einer  Volksetymologie  besitzen,  durch 
welche  das  Idiom  seine  Abweichung  zu  rechtfertigen  sucht  Dieses  selbe 
eigenmächtige  Verfahren  nun,  das  der  Copist  bei  der  Uebertragung  der 
Inschriften,  wohl  mehr  unwillkürlich,  einschlug,  sind  wir  auch  da  voraus- 
zusetzen berechtigt,  wo  sich  Abweichungen  vom  Per  sonal  des  gemein- 


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744  K.  Tümpel: 

samen  peloponnesiBchen  Typus  zeigen.  Dieser  Fall  tritt  ein  bei  unseres 
Paar.  W&hrend  die  auf  attischen  Darstellungen  (nach  LGschke)  nie 
Yorkomxnende  Aphrodite  auf  den  Copien  des  abweichenden  pelopon- 
nesischen  Schemas  beide  Male  vorhanden  ist,  erscheint  auf  der  einen 
dieser  Nachbildungen,  dem  Pariser  Bild,  auch  Ares,  der  sonst  nur 
auf  attischen  rothfigurigen  Athenegeburten  zugegen  zu  sein  pfl^t 
Und  er  erscheint  offenbar  in  Erinnerung  an  die  alte  Verbindung  beider 
G5tter:  denn  sie  stehen  neben  einander.    Für  die 

Blacas'sche  (Nr.  3)  und  die  Sosias-Schale  (Nr.  5)*)  ist 
attischer  Ursprung  wieder  nahegelegt  durch  die  Verbindung  von 
Herakles  mit  Athene,  und  aus  dem  gleichen  Grunde  fOr  das  archaY- 
sche  Original  des  capitolinischen  Puteais. 

Wenn  wir  von  der  aus  korinthischer  Eunstttbung  hervorgehenden 
Kypseloslade  und  den  Darstellungen  des  Zwölfgöttersystems  absehen, 
sind  also  in  gut  griechischer  Zeit  Ares  und  Aphrodite  nur  von  der  atti- 
schen Kunst,  und  zwar  immer  in  ehrbarer  Weise,  sehr  wahrscheinlich 
als  Ehegatten,  wiedergegeben  worden  (auf  dem  Bild  des  Herakleioten 
Zeuxis  sind  sie  zum  mindesten  sehr  zweifelhaft);  und  wollen  wir  die 
Zwölfgötterdarstellungen  mit  einrechnen,  so  sind  wieder  die  beiden 
einzigen  Kunstmaler,  die  in  Betracht  kommen,  Euphranor  und 
Asklepiodoros,  nach  Plutarch  (de  gloria  Athenienium  11  «»=  Over- 
beck,  S.  Q.  1109)  Athener.  Die  monumentale  Kunst  freilich  verhSit 
sich  sonst  zurückhaltend.  Was  den  plastischen  Fries  des  Athene- 
Niketempels  betrifft,  so  braucht  wohl  kaum  erwähnt  zu  werden, 
dass  der  Gerhard'sche  Beconstructionsversuch ,  auf  welchem  A.  u. 
A.  auch  vorhanden  sind,  auf  zu  schwachen  Füssen  steht,  um  auf 
mehr  als  das  PrSdicat  der  Möglichkeit  Anspruch  machen  zu  können 
(Abh.  d.  Berl.  A.  d.  W.  1840:  T.  IV  2  —  Ak.  Abh.  T.  XVm  2). 
In  der  Götterversammlung  bei  der  Aphroditegeburt,  welche  das  Bathron 
des  Olympischen  Zeus  von  Pheidias  zierte,  fehlt  Ares  (Paus.  V 
11,  3).  War  hier  vielleicht  Hephaistos  der  Bevorzugte?  Gerhard 
behauptet  es  (Ak.  Abh.  I  199)*^,  indem  er  meint,  die  Absicht  des 
Künstlers  war,  die  Aphrodite  als  zwölfte  Gottheit  in  den  Kreis  der 
Olympier  aufisunehmen,  was  er  erreiche  nicht  durch  ihre  Verbindung 


*)  Gerhard  sieht  hier  eine  Einmischung  desBelben  unter  die  Zwölf- 
götter, die  ihm  selbst  'befremdlich'  erscheint  (Ak.  Abh.  I  198  ff.).  Das 
Auffällige  schwindet,  wenn  man,  wie  billig,  auf  eine  Annahme  des 
Zwölfgöttersystems  hier  verzichtet.  In  Wahtheit  ist  Herakles  hier  der 
elfte  oder  der  siebzehnte,  nicht  aber  der  zwölfte.  Denn  Athene  nuioirt 
Tollständig  mit  Artemis  (oder  'ApoUon'  Robert)  und  Hermes,  und 
Hephaistos  sollte  ganz  unter  der  'athenischen'  ZwölfgÖttensahl  fehlen? 
Nimmermehr!  Die  Zusammenstellunff  ist  eben  zwanglos,  von  jenem  Systeim 
unabhängig:  ein  Canon  nicht  beabsichtigt.  Om  bo  lebendiger  tritt  uns 
somit  Ares  und  Aphrodite  hier  entgegen.  —  Zugleich  ein  Beweis  ffegen 
Welckers  Ansicht  vom  attischen  Ursprung  des  Zwölfgöttersystems:  hätte 
er  Eecht,  so  dürfte  darunter  das  Paar  Herakles  -  Athene  unter  keinen 
Umständen  fehlen. 


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Ares  and  Aplirodite.  745 

mit  Eros,  sondern  darob  ihre  Paamng  mit  Hephaistos.  Dieser  ist 
in  den  Text  sehr  gat  hinein  oonjicirt  von  Brunn  (E.  Qt.  I  175)  auf 
Grund  der  symmetrisolien  Ei^tsprechung  der  beiden  Flügel  der  Dar- 
stellung: 

Helioa  Sroi  Peitho  Selene 

Zew      [Hephaistoi]    Hennei  Aphrodite  ApoUon      Hcrftklea      Powidon 

Hars      Oharis  HMtU  ArtoniU      Athene         Amphitclte. 

Dann  ist  aber  auch  Charis  die  Genossin  des  Hephaistos,  wie  auf  dem 
anderen  Flügel  Athene  die  des  Herakles,  und  an  einen  Bezug  des 
Hephaistos  auf  Aphrodite  kann  gerade  nicht  gedacht  werden,  da 
Charis  die  Gattin  desselben  in  der  Hias  ist  (C  382).  Vielmehr 
war  es  gerade  die  Absicht  des  Künstlers,  die  erotischen  Beziehungen 
der  Aphrodite  bei  ihrer  Geburt  fern  zu  halten.  Sonst  würde  er 
einen  so  seltenen  und  offenbar  wenig  anerkannten  Mythos  (wenn 
man  es  wirklich  Mythos  nennen  darf),  wie  der  von  Charis  als  Gattin 
des  Hephaistos,  nicht  hervorgezogen  haben,  um  diesen  Gott  ander* 
weit  zu  binden.  Gleiche  Mittel  standen  ihm  für  Ares  nicht  zu  Ge- 
bote ,  und  deshalb  Hess  er  ihn  weg:  Beweis  genug,  dass  im  Volks- 
bewusstsein  seine  eigentliche  echte  Gefmurtin  Aphrodite  war,  und 
dass  dieses  Bewusstsein  lebhaft  genug  war,  um  mit  ihm  rechnen  zu 
müssen.  Besser  konnte  Ares  seine  alten  Ansprüche  auf  Aphrodite 
gar  nicht  behaupten,  als  dadurch,  dass  er  bei  ihrer  Gebart  fehlt.*) 
Nicht  unwahrscheinlich  ist  eine  Anwesenheit  von  Ares  und 
Aphrodite  unter  den  zwölf  Göttern  der  Pandorageburt  am  Sockel  der 
Athene  Farthenos  von  PheidiaS;  obgleich  gerade  dieser  grosse 
Künstler  die  combinirte  Darstellung  unseres  Paars  absichtlich  ver- 
mieden zu  haben  scheint^  wohl  aus  dem  Grunde,  den  F lasch  (Par- 
thenonfiies  p.  33)  geltend  macht:  ^Ares  muss  von  seiner  Geliebten 
getrennt  werden.  Ihr  buhlerisches  Wesen  soll  nicht  durch  diesen 
Zug  hervortreten'.  Und  wirklich  ist  es  ansprechend  zu  vermuthen, 
dass  in  Athen  wenigstens  das  Bewusstsein  von  der  religiösen,  ernsten 
Bedeutung  dieser  Paarung,  wie  sie  noch  den  archaischen  Vasen- 
malern  vorschwebte,  schon  damals  im  Schwinden  war**),  und  die  Er- 


*)  Doch  vielleicht  hatte  Gerhard  Recht,  wenn  er  trotidem  wegen 
der  3  flankirenden  GOtterpaare  ein  ZwÖli^Ottersystem  individuell  atti- 
scher Modification  erkannte?  Denn  wirkhoh  sind  Peitho  und  Eros,  so- 
wie Helios  und  Selene  seeundftr;  auch  Amphitrite  ist  wieder  da,  und 
Aphrodite  ist  ja  &oti8ch  die  dreiiehmte.  Aber  —  Demeter  fehlt,  und 
da  Charis  rein'  episch  ist,  und  die  Veränderungen  im  Personal  lediglich 
der  Aphrodite  zu  Liebe  vorgenommen  sein  können,  so  lässt  sich  bestimmt 
vermuthen,  dass  die  Zwölfzahl  hier  nur  als  eine  aus  der  symmetrischen 
Composition  heraus  sich  empfehlende  gewählt  war,  vielleicht  in  Erinne- 
rung an  das  ilteire  S^st^n,  dessen  Integrität  aber  durch  solch'  freie 
Copie  nicht  alterixt  wurd. 

**)  Damit  ist  selbstverständlich  die  Möglichkeit,  dass  zu  Caltzwecken 
eittfe  emstreligiöse  Gruppirung  beider  GöUer  beliebt  sein  k^nne,  ganz 
nach  Weise  der  arofaa'isohen  Darstellmigen,  durchtfüs  nicht  beschiftutt. 


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746  K.  Tümpel: 

innemmg  an  dieselbe  nur  mehr  in  der  Skandalficene  des  Odyssee- 
gesangs  wurzelte.  Aus  solchem  tiefem  Verfall  musste  Hellenismus 
und  Rom  unser  Paar  retten  und  emporziehen! 


Schlusswort. 


Recapitnlation  der  Resnltate. 

§  38.  Historischer  Überblick,  Blicken  wir  jetzt  auf  die  Er- 
gebnisse unserer  Untersuchung,  so  dr&igt  sich  uns  die  grosse  Be- 
deutung auf,  welche  die  verschiedenen  Entwickelungsphasen  der  Aphro- 
dite fOr  den  Charakter  ihres  Verhältnisses  zu  Ares  gehabt  haben, 
während  an  Ares  mit  Ausnahme  seiner  nicht  mehr  verfolgbaren  Er- 
hebung zum  Eriegsgott  die  Zeiten  ziemlich  spurlos  vorübergegangen 
sind.  Wir  sahen  aber  auch  die  üebergänge,  welche  die  Gattin  des 
Ares  erlebt,  ziemlich  eng  mit  den  grossen  Periodenwendepuncten  der 
griechischen  Geschichte  verknüpft.  Nur  in  unbestimmten  Umrissen 
schauten  wir  in  dem  Dunkel  vorhistorischer  Zeit  in  dem  spftteren  *Boio- 
tien'  einen  Stamm,  den  der  Äonen,  mit  Schlangensymbol  und  Höhlen- 
cult  ihres  Götterpaares,  in  dem  Augenblicke  auftauchend,  wo  er  seine 
Selbständigkeit  an  einen  von  Norden  her  schiebenden  und  gescho- 
benen mächtigeren  Stamm,  die  kadmischen  Argiver,  verliert,  und  in 
seinen  überbleibenden  Resten  ein  neues  G^meindewesen  mit  gründen 
hilft.  Die  beiden  obersten  Gottheiten,  die  er  verehrte,  Ares  und 
Erinys,  werden  unter  dem  Druck  der  Eadmos  (Hermes) -Demeter- 
Religion  in  eine  chthonische,  niedrigere  Werthstufe  hinabgedrückt, 
treten  aber  durch  eine  genealogische  Verknüpfung  in  die  neue  Re- 
ligion mit  hinüber.  Durch  eine  Wandlung,  die  sich  unseren  Blicken 
entzieht,  aber  überall  ihre  Spuren  hinterlässt,  geht  an  einem 
uns  nicht  erkennbaren  Zeitpunct,  wohl  durch  eine  Berührung  mit 
semitischen  Einwanderern,  welche  den  Bilderdienst  brachten,  aus  der 
Erinys  eine  Aphrodite-Erinys  an  der  Seite  des  Ares  hervor  und  tritt 
mit  diesem  an  die  Spitze  des  zu  einer  Stadt  sich  verdichtenden  Ge- 
mein de  lebens  Theben.  Etwas  mehr  lichtet  sich  das  Dunkel,  das 
über  diesen  Anfängen  ruht,  in  jener  glücklichen  Epoche,  welche  nach 
dem  unstäten  Wanderleben  voll  Kampf  und  Blut  den  segensreichen 
Frieden  des  homerischen  Zeitalters  brachte.  Die  olympische  Götter- 
familie übt  ihre  ausgleichende  und  verschmelzende  Kraft,  der  auch 
das  alte  thebische  Paar  auf  die  Dauer  sich  nicht  entziehen  kann.  Der 
Gott  des  Krieges  und  die  Göttin  der  Liebe,  die  in  der  Dias  noch 
unverbunden  neben  einander  hergingen,  bloss  durch  ein  geschwister- 
liches Verhältniss  und  als  Fremdlinge  vom  frei  werdenden  National- 
stolz der  Panhellenen  verbunden,  die  sich  ihrer  uralten  Volkszusam- 
mengehörigkeit bewusst  werden  und  auf  die  fremden  Eindringlinge 


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Ares  nnd  Aphrodite..  747 

mit  Verachtung  und  Hass  herabsehen:  sie  erscheinen  in  der  jün- 
geren Odyssee,  in  einem  ihrer  spätesten  Theile,  in  Liebe  verbun- 
den. Dieselbe  Zeit  also,  welche  den  ersten  Versuch  machte,  die 
kriegerische  Urania  von  Eythera  mit  der  weichlichen  Aphrodite  von 
Kjpros  za  verschmelzen,  die  Zeit  Hesiods  und  des  homerischen 
Bhapsoden  des  Demodokosliedes ,  zieht  die  beiden  thebischen,  als 
Qatten  vereinten  Götter  aus  ihrer  localen  Verborgenheit  ans  Licht: 
der  eine  durch  einen  trockenen  Bericht,  der  durch  genealogische 
Verknüpfungen  (Harmonia,  Deimos  und  Phobos)  noch  dankenswerthen 
Localton  trug,  der  andere  mit  der  ganzen  naiven  Heiterkeit  und  Phan- 
tasiefülle des  ionischen  Epikers.  Angesichts  des  parteiisch  gef&rbten 
Vorurtheils  der  übermüthigen  Olympier  verwandelt  sich  der  ehr- 
würdige, aber  verlegene  Localmythos  auf  Orund  der  fremden  (se- 
mitischen) Maske,  welche  die  echtgriechische  Oattin  des  Ares  vor- 
genommen hatte,  in  eine  ehebrecherische  Skandalscene  zweier 
Barbarengötter  voll  Spott  und  Demüthigung,  nach  welcher  sie  Beide 
zur  Genugthuung  der  seligen  Griechengötter  beschämt  in  ihre  Hei- 
mathen, nach  Norden  und  Süden,  abziehen. 

Aber  Grosses  wird  damit  erreicht:  ganz  Hellas  nimmt  nun 
Antheil  an  unserem  Paar,  nicht  bloss  einige  wenige  Töchterculte  von 
Theben.  Bildende  Kunst  und  Handelsverkehr  (im  Zwölfgöttersystem) 
vereinigen  sich  mit  der  Poesie,  um  dem  Paar  seinen  Platz  in  dem 
Anschauungsbereich  von  Hellas  zu  sichern.  Aber  bald  erlahmt  das 
Interesse,  und  erst  die  erneute  Belebung  der  antiken  Welt  durch 
die  Aufschliessung  des  Orients  erweckt  auch  hier  neue  Lebenskraft. 
Das  kosmopolitische  Streben  jener  erweiterten  Weltanschauung  zieht 
jetzt  die  orientalisch  conservirten  Culte  der  bewaffneten  Kythereia  in 
den  Kreis  seiner  Betrachtung.  Bei  seiner  Rührigkeit  und  Gewandt- 
heit war  es  dem  Alles  nivellirenden  und  namentlich  Fremdartiges 
mit  Leidenschaft  aufgreifenden  Hellenismus  ein  Leichtes,  die  pi- 
kanten Beziehungen,  welche  die  Bewaf&mng  dieser  Aphrodite  zu 
jener  Verbindung  mit  Ares  darbot,  ausfindig  zu  machen  und  zu  ver- 
werthen.  Auf  der  breiten  Basis  der  über  das  Griechenthum  hinaus- 
wachsenden Cultur  der  antiken  Welt  fällt  nun  das  mehr  und  mehr 
orientalisirte  Paar  nach  dieser  dritten  Metamorphose,  getragen  von 
den  Fittichen  eines  philosophischen  Gedankens  und  verherrlicht  von 
der  Kunst,  seinen  Einzug  in  das  jung  aufstrebende  Bom,  das  ihm 
eine  zweite  Nachblüthe  bereitet.  Der  jugendfrische  neue  Träger  der 
antiken  Cultur  empföngt  die  Ankömmlinge  mit  immer  wachsender 
Begeisterung.  Wird  es  doch  auch  wie  eine  Prophezeiung  für  die 
Republik,  die  sich  auf  das  Caesarenreich  vorbereitet,  wenn  Mars- 
Ares,  der  Stammgott  des  römischen  Volkes  mit  der  Venus  Victrix 
des  julischen  Geschlechts  nun  als  schon  seit  uralter  Zeit  eng  ver- 
bunden gelten  kann! 

Als  Eltempaar  des  kaiserlichen  Roms  erlebt  in  seiner  letzten 
Umwandlung  unser  Paar  eine  politische  Bedeutung,  die  ihm  auf 


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748  E.  Tämpel: 

griechischem  Boden  nicht  beachieden  war.  Denn  wenn  auch  in  der 
späten  Zeit  seiner  Hegemonie  Theben  den  Versuch  madite,  seine 
Gälte  seinen  Schützlingen  (z.  B.  in  MegalepoUs)  aufzudringen,  so  hat 
doch  die  Entwickelung  der  Stamm götter  zu  Gemeinde-  und  Stadt- 
gottheiten nicht  durch  eine  letzte  Steigerung  die  nationale  Weihe 
in  einem  griechischen  Einheitsstaat  unter  thebischer  Aegide  ge- 
funden. 

Der  Wendepunct  aber,  an  welchem  das  Schicksal  unseres 
Paares  zum  Besseren  umschlug,  ist  das  alexandrische  Zeitalter;  das 
Geheimniss,  aus  dem  es  sich  erklfirt,  wie  an  die  Stelle  einer  schiefen 
Ebene  eine  Klimax  treten,  wie  eine  consequent  fortschreitende  Ver- 
kümmerung in  einen  Aufschwung  umschlagen  konnte,  der  in  seinem 
Zielpunct  den  ursprünglichen  Ausgangspunct  überragt:  dieses  Ge- 
heimniss liegt  in  der  Stellvertretung,  welche  die  sinnlich  yerweich- 
lichte  kyprische  Bastardgöttin  sich  geMlen  lassen  muss  seitens  der 
rein  erhaltenen,  stolzemsten  Göttin  von  Askalon.  Sie  fesselt  nach 
gut  orientalischer  Weise  herrschsüchtig  den  Ares  in  ihren  weichen  Ban- 
den. Was  der  Ejpris  nicht  gelungen  war,  den  Ares  zu  einem  Adonis 
zu  machen,  das  vollbringt  jetzt  die  Eythereia.  Sie  zwingt  ihn  zu 
ihren  Füssen  als  schmachtenden  Liebhaber,  und  das  Wunderbare 
begiebt  sich:  Ares,  der  mit  Ausnahme  seines  üebergangs  in  den 
Eriegsgott  unverändert  geblieben  war  ah  der  Seite  der  proteusartigen 
Aphrodite,  er  verändert  jetzt  sein  Wesen  von  innen  heraus,  und  trägt 
in  seinen  Zügen  jene  Melancholie  und  Sentimentalität,  die  weiter 
nichts  ist,  als  das  Stempelzeichen  seines  Verhältnisses  zu  der  orien- 
talischen Göttin. 

Wir  haben  den  Ereis  durchlaufen  und  schliessen  mit  den  letzten 
Worten  jener  vortre£Elichen  Stelle  aus  dem  Jahn'schen  Aufisatz,  die 
wir  an  die  Spitze  dieser  Arbeit  setzten:  „Jedenfalls  nimmt  die  üntei^ 
suchung  kein  geringeres  Interesse  in  Anspruch:  auf  welche  Weise 
die  gegebenen  Züge  eines  Mythos  im  Wechsel  der  geistigen  Anf- 
fiEUSsung  unter  verschiedenen  Zeitveiiiältnisstti  im  Detail  durcl^bildet 
worden  sind,  worin  der  eigenthümliche  h^lenische  Charakter  des- 
selben begründet  ist:  eine  Richtung  der  Forschung,  welche  gegen- 
wärtig auf  mythologischem  Gebiete  der  über  den  üra|MTing  des 
Mythos  sowohl  dem  Süm,  als  dem  Local  nach  häufig  allzusehr  nadi- 
gesetzt  wird." 

Excurs  I  (zu  p.  664). 
lieber  „Ares  nnd  Aphrodite^'  anf  der  Sosiassehale. 

Die  beiden  von  Gerhard  1831  (A.  d.i.  in 426^  £Ür  1832  ver- 
sprochenen  Fragmente  der  Schale,  welche  bekanntikdi  eine  Versamm- 
lung von  4  sitzenden  und  18  stehenden  Göttern  dafsteUt,  wurden 
mit  dem  gesammten  Gefäss  und  einem  Bestaurationsversuch  des  Ver- 


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Ares  and  Aphrodite.  749 

lorenen  in  den  ^TriDkschalen  und  Oefttssen  des  kgL  Museoms  zu 
Berlin',  T.  VI.  VE,  gegeben.  Die  von  Gerhard  letzthin  im  Text 
hierzu  p.  63  ^  vorgeschlagene  Lesung  A(P€C)  und  A0(POArT€) 
[linkslftufig]  wurde  von  den  Nachfolgenden:  Welcker  (Alte  Denkm. 
I  412),  Hinck  (A.  d.  L  1866,  p.  100),  Aldenhoven  (A.  d.  L  1869, 
p.  118),  Bernoulli  (Aphrodite)  angenommen,  ohne  dass  nach  der 
allen  übrigen  zu  Grunde  liegenden  Gerhard^schen  Publication  selbst 
diese  Lesung  berechtigt  gewesen  wäre.  Die  Namensangabe  aber 
bildeten  3  Buchstaben:  eine  Art  flaches  TT;  ein  P  oder  A  und  ein  O, 
derartig  gesperrt  über  den  leeren  Baum  vertheilt,  dass  über  die 
Art  ihrer  Zusammengehörigkeit,  und  namentlich  über  die  Möglich- 
keit einer  Continuität  der  Legende  die  stärksten  Zweifel  blieben. 
Denn  zwischen  ^TT'  und  A(P)  hatten  ein,  und  zwischen  A  und  0 
zwei  Buchstaben  bequem  Platz,  deren  Ausfall  schwer  erklärbar 
schien.  —  Nur  eine  erneute  Revision  konnte  dieses  Missverhältniss 
entscheiden,  und  entweder  der  Abbildung  Recht  geben  —  so  war 
obige  Lesung  so  gut  wie  unmöglich  — ,  oder  die  Letztere  bestätigen: 
dann  ward  die  Zeichnung  correcturbedürftig.  Letzteres  ist  das  Re- 
sultat der  neusten  sorgföltigen  Collation,  welche  Herr  Prof.  Dr. 
C.  Robert  zu  Ber^,  der  schon  1877  gelegentlich  seiner  Abhand- 
lung: de  Gratiis  atticis  (in  den  Oommentationes  philoL  in  hono- 
rem Th.  Mommsenii  p.  143  ff.)  dieses  Monument  behandelt  hatte,  an 
Ort  und  Stelle  b^ufs  einer  neuen,  besseren  Publication  des  Bildes 
vornahm,  und  von  der  er,  so  weit  sie  unser  Paar  betrifft,  auf  eine 
diesbezügliche  Anfrage  durch  gütige  Vermittlung  des  Herrn  Prof. 
Dr.  Overbeck  die  folgenden  Daten  mitzutheilen  mit  ausserordentlicher 
Freundlichkeit  bereit  war.  Indem  ich  beiden  Herren  für  ihre  Unter- 
stützung Dank  sage,  lasse  ich  die  Angaben  des  Ersteren  hier  folgen: 


^Den  Buchstaben,  den  Gerhard  in  der  Mitte  gibt,  habe  ich  nicht 
^itdecken  können.  Weitere  Buchstaben  haben  nie  dagestanden'. 
Somit  ist  die  eine  Möglichkeit,  Hephaistos  und  Aphrodite  zu  lesen, 
welche  nach  Gerhards  früherer  Ansicht  (Trinkechaleu  des  kgl.  Mu- 
seums T.  IV,  Vn)  Brunn  (Gesch.  d.  gr.  K.  11  733/4),  Welcker 
(Ann.  d.  L  III  425)  und  Boeckh  (C.  L  Gr.  TV  8291)  und  Preuner 
(Hestia-Vesta  p.  172)  als  die  eiuaige  gelten  lassen  wollen,  aus- 
geschlossen; denn  es  müssten  l)  6— 7  Buchstaben  von  der  erhalte- 
nen Fläche  abgsjnrungen  sein;  2)  würde  rechtsläufige  Lesung  im 


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750  K.  Tümpel: 

Widerspruch  zu  den  Übrigen  Beischriften  stehen,  die  sänunüich  links- 
läufig  sind;  3)  ist  die  Lage  des  Querstrichs  beim  A  die  auf  Vasen- 
inschhften  bei  Linkslftufigkeit  bei  Weitem  bevorzugte;  4)  würden 
auch  die  Namen  zu  den  falschen  Personen  beigeschrieben  sein,  denn: 
*die  obere  Beischrift  bezieht  sich  auf  die  hinten  sitzende  weibliche, 
die  untere  auf  die  vom  sitzende  mfinnliche  Gottheit'  (Robert). 
Gegen  Hephaistos  und  für  Ares  spricht  femer  der  Mangel  an  Ana- 
logien, welche  Hephaistos  und  Aphrodite  verbunden  zeigen;  und  die 
rothfigurige  Yolcenter  Vase  des  Britt  Mus.,  die  wir  oben  §  11  Nr. 
6  und  §  35  aufführten.  (Cf.  Gerhard,  Trinkschalen  und  Gefi&sse 
p.  53^  zu  Taf.  H:  ^Die  Erklärung  des  berühmten  Kunstwerks  des 
Sosias  gewinnt  durch  Vergleichung  des  gegenwärtigen  Bildes  an  Wahr- 
scheinlichkeit für  die  bisher  zweifelhafte  (!)  Gruppe  von  Ares  und  Aphro- 
dite'.) Hören  wir  noch  Prof  Bobert!  ^Zu  Gunsten  der  letzteren  Benen- 
nung' (Ares  und  Aphrodite)  ^muss  ich  mich  darauf  berufen,  dass 
dieser  Gott  (Ares)  allein  den  ärmellosen  Chiton  trägt,  während  die 
übrigen  Götter  sämmtlich  mit  dem  ionischen  Chiton  bekleidet  sind.  Ent- 
scheidend  aber  und  sehr  charakteristisch  ist  die  Bildung  des  Auges  ; 
es  allein,  von  allen  Augen  der  Aussenseite,  steht  im  Profil,  und  ist 
von  buschigen  Wimpern  umgeben.  Kein  grösserer  Gegensatz,  als 
zwischen  diesem  Auge  und  dem  des  Dionysos !  Die  durchweg  schlech- 
ten Publicationen  geben  davon  auch  keine  entfernte  Vorstellung'. 
Durch  dieselbe  freundliche  Mittheilung  erhalten  wir  auch  Kunde  von 
der  Existenz  eines  dritten  ^kleinen  Fragments',  das  bei  Gerhard 
weder  erwähnt,  noch  abgebildet  ist:  ^Es  enthält  den  rechten  Ell- 
bogen des  Ares  und  die  Brust  der  Aphrodite,  unter  ersterem  ist 
die  linke  Hand  der  Aphrodite  theilweise  erhalten:  sie  hält  einen 
Gegenstand,  dessen  Bestimmung  mir  noch  nicht  gelungen  ist,  keines- 
falls eine  Schale!'  Das  ist  des  Neuen  so  viel,  dass  man  einer  exacten 
Beproduction  des  Ganzen  mit  Spannung  entgegen  sehen  muss. 


ExcuTS  II  (zu  p.  715). 
Die  Äonen  in  Theben. 

Es  ist  unsere  Pflicht,  das  mythologische  Material  nicht  bloss 
einseitig  auf  religionssystematischen  Gewinn  auszubeuten,  sondern 
auch  den  bei  der  Ausscheidung  des  echt  Mythischen  sich  ergebenden 
Bückstand  an  historischen  Elementen,  mit  denen  jenes  eine  Ver- 
schmelzung eingegangen  war,  möglichst  zu  verwerthen.  So  muss 
Einspruch  erhoben  werden  gegen  0.  Müllers  Behauptung  (Qrch.' 
231),  dass  ^Theben  aus  den  Heiligthümem  des  Eadmos  und  der 
Demeter  entstanden  und  früh  ein  Sitz  alter  Priesterschaften,  anfäng- 
lich ohne  alle  politische  Bedeutung  gewesen  sei,  und  erst  dadurch, 
dass  es  kriegerischen  Stämmen  unterworfen  wurde,  Macht  imd  An 


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Area  nsd  Aphrodite.  751 

sehen  erlangt  habe'.  Er  bedenkt  nicht,  dass  solche  (häufig  nach 
ihrer  Gottheit  benannte)  Geschlechter,  wie  die  Asklepiaden,  Tropho- 
niaden  und  eben  auch  Kadmeionen,  erst  in  Folge  der  mannigfachen 
Eriegsschicksale,  welche  ein  griechisches  Gemeindewesen  durch  Sjn* 
oikismos  aus  der  Mischung  der  verschiedensten  Elemente  hervor- 
gehen zu  lassen  pflegen,  zu  blossen  religiösen  Opfergenossenschaften 
erst  herabsinken  unter  Verlust  ihrer  ursprünglichen  politischen 
Bedeutung,  welche  sie  in  heroischer  Zeit  unter  autonomen  gottent- 
sprossenen Königen  besassen.  Die  ^priesterlichen  Adelsgeschlechter', 
welche  in  historischer  Zeit  ihren  Partikularismus  nur  auf  religiösem 
Gebiet  noch  Msten,  sind  blosse  Trttmmer  alter  selbstherrlicher  Stämme 
mit  separatem  Cult;  an  den  sie  sich  nur  um  zäher  hängen ,  je  mehr 
sie  von  ihrer  politischen  Bedeutung  einbüssen.  —  Die  Kadmeionen 
waren  also  ebensowenig  bloss  eine  Priesterkaste,  wie  die  Lydier  des 
Amphion  und  Zethos  blosse  ^kriegerische  Stämme'  xar*  dHoxriv. 

Wie  0.  Müller  zuerst  diese  Erbauer  der  Stadt  Theben  von  den 
ältesten  Gründern  der  Burg  Kadmeia  scharf  trennte  (a.  a.  0.),  so 
versuchten  wir  eine  Scheidung  der  letzteren  von  den  noch  älteren 
Äonen,  deren  Einfluss  wir  hier  noch  etwas  nachgehen  wollen. 
Die  auffoJlende  Erscheinung,  dass  die  einwandernden  Sieger  die 
vorgefundene  staatsrechtliche  Ordnung  annehmen,  wiederholt  sich 
auch  ausser  Theben,  wo  ja  die  vornehmen  Kadmeionen  sich,  wie  es 
scheint,  den  Namen  Sparten  (von  cireipeiv  =  T^vväv,  wie  in  Biom 
ingenuus,  patricius,  und  das  nie  von  der  Plebs  gebrauchte  gens), 
gern  gefallen  Hessen.*)  Auch  zu  Athen  wird  der  Eupatridenname 
als  Ehrenname  der  einsässigen  Geschlechter  durch  die  einwandernden 
Neliden  übernommen,  die  doch  als  Kodriden  und  Medontiden,  später 
Alkmaioniden  fast  5  Jahrhunderte  lang  die  oberste  Herrschaft  des 
Königthums  und  Archontats  allein  in  den  Händen  hielten.  —  Wenn 
Ares  der  oberste  Stadtgott,  sein  Drache  das  Stadtwappen,  die  Pole- 
marchen  als  seine  wahrscheinlichen  Opferpriester  der  zweithöchste 
Magistrat  zu  Theben  auch  in  historischer  Zeit  blieben,  abgesehen 
von  der  grossen  Bedeutung  der  Erinys,  so  müssen  in  der  That  die 
aonischen  Sparten  auch  in  der  Kadmeionenstadt  eine  grosse  Bedeu- 
tung gehabt  haben;  ja  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  sie  sogar  die 
Könige  aus  ihrer  Mitte  stellten,  in  ähnlicher  Weise,  wie  in  Lakedai- 
mon  die  achäischen  Ureinwohner  den  dorischen  Eroberem  die  Königs- 
djnastien  der  Ägiden  und  Eurypontiden  lieferten.  Denn  wenn  Pau- 
sanias  berichtet:  ^im  ^kv  bi\  Kdbjiou  (sc.  ßactXeuovroc)  fi^TiCTov, 


*)  Gelehrte  Spielerei  ist  es  freilich  wohl  nur,  wenn  Hadrian,  der 
Stifter  des  EpameinondasdenkmalB  auf  dem  Schlachtfeld  von  Mantineia, 
dieseB  Erinner angszeichen  schmückt  mit  einer  'dciric  ..bpdKovTa  ^xouca 
iireipTac^dvov ',  welcher  'bpdKwv  kQikei  omaivciv,  f^vouc  tüiv  CirapTiIiv 
KoXou^^uJv  clvai  TÖv  '6ira^£tvü[ivöav '  (Paus.  Vlli  11,  6).  Glaubwürdiger 
ist  der  Drache  als  Stadtwappen  und  Schiffszeichen  der  Thebaier 
bei  Eniipides  Iph.  AuL  266. 


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752  InhaltBabersieht. 

jüietä  T€  ainöv  Kdb^ov,  i^büvavro  ol  CnapToC  (XI  5, 1),  so  iat  as 
klar,  dass  er  den  Spalten  die  absolut  höcb^te  Macht  im  kadmischen 
Theben  zuzuschreiben  sich  nicht  gescheut  haben  würde,  wenn  nicht 
Eadmos  als  Gottheit  ^natürlich^  eine  noch  höhere  hätte  zugestanden 
werden  müssen,  und  da  ausserdem  schon  länger  die  genealogische 
Anknüpfung  der  LabdaJdden  an  Eadmos  durch  den  Poljdoros  als 
eine  oberflttchliche  erkannt  ist,  so  scheue  ich  mich  nicht,  das  Königs- 
geschlecht  der  Labdakiden  yermuthungsweise  für  die  aonischen  Spar- 
ten, die  Ares-Erinjsverehrer,  in  Anspruch  zu  nehmen.  Oder  sollte 
es  nicht  aufG&llig  sein,  dass  der  Labdakide  Oidipus,  der  im  sparta- 
nischen  Aigidenheiligthum  und  auf  dem  Kolonos  Hippies  und  Areiofl- 
Pagos  zu  Athen,  wie  in  Theben  selbst,  so  eng  mit  der  Erinjs  my- 
thisch verknüpffc  ist,  seinen  Namen  derselben  mythisch-symbolischen 
Fussfesselimg  verdankt,  die  wir  am  Ares-Enyalios  zu  Sparta  und 
dem  späteren  Ares-Borghese  erblicken,  in  der  Mythologie  des  Ead- 
mos-Hermes  aber  yergeblich  suchen?  Man  vergleiche  hier  die  weit- 
gehenden Vermuthungen  von  Oerhard  (6r«  M.  §  744). 


Inhaltsübersicht. 


Sdto 

Einleitung.    Geschichte  der  Frage 641—652 

§  1.    Die  naturphiloBophiBch-symboliflche  Richtung. 
§  2.    Die  ethieche  und  natursymboliBche  Richtung. 
§  S.    Weldkers  Ansicht 
§  4.    Piincipien. 

Erster  Theil. 

Aphrodite   Areia  (Urania^  und  Ares,    das  epigramma» 
tische  Paar  des  Hellenismug. 

Abschnitt  I:   Die  Gülte 668—661 

§  5.    Theben  und  Megalepolis. 
§  6.    Arges  und  Athen. 
§  7.    Patrai  und  Akakesion. 
§  8.    Sparta. 

Abschnitt  11:   PoSsie  und  Kunst  yor  Alexander  .    .    661 — 667 

§  9.    Epos. 

§  10.  Lyrik  und  Drama. 

%  11.  SunstdeiaDn&LBr. 

§  12.  Nicht  erhaltene  Kunstwerke. 

Abschnitt  HI:  Urania  die  Genossin  des  Ares  seit 
Alexander 667—686 


I  11  SS^h  ^«Uemsmu.. 
§  16.  Philosophie. 
§  16.  Kypris  und  Kythereia. 
§  17.  Baal  und  Ares. 


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Inhaltsabersicht.  753 

Saite 

Zweiter  Theil. 

Aphrodite -£ r in y 8    (Apostrophia)  und    Ares,    das    reli- 
giöse Paar  des  thebischen  Localcalts. 

Abschnitt  I:  Tritonia,  Thesmia,  Erinys 686—696. 

§  18.  Ansserthebische  Gälte. 
§  19.  Poseidon  und  Ares. 
§  20.  Thebische  Eadmossage. 
§  21.  Tilphossa  Erinys. 

Abschnitt  II:   Urania,  Pi^ndemos,  Apostrophia  .     .    696-705 
§  22.  Urania. 
§  23.  PandemosL 
§  24.  Apostrophia. 
§  26.  Yergleichmig  beider  Gruppen. 

Abschnitt  III:  Aphrodite  Apostrophia  und  Ares  als 
Metamorphose  des  aonischen  GOtterpaars  Eri- 
nys und  Ares 705—722 

§  26.  Enyo  nnd  die  Homololoi. 

§  27.  Erinys  Tilphossa  und  Ares. 

§  28.  Die  aomscäie  Cultgemeinde. 

§  29.  Harmonia. 

§  80.  Chronologie. 

Dritter  Tiieil. 

Aphrodite  Dionaia  (Pandemos)  und  Ares,  das  poetische 
Paar  der  hellenischen  Nationalmythologie. 

Abschnitt  I:   Der  Gesang  des  Demodokos    ....    722—740 
§  31.  Kritik. 
§  32.  Dentnng. 
i  33.  Fest. 
§  34.  Opfer. 

AbBchnitt  11:   Die  Träger  der  Verbindung  ....    740—746 
§  35.  Die  Dionaia  der  Achaier. 
§  36.  Das  ZwOlfgöttersystem. 
§  37.  Die  attische  Kunst 

Schlusswort:  Recapitulation  der  Resultate 746—748 

§  38.  Historischer  TJeberblick. 

* 
Excors  I:  'Ares  und  Aphrodite'  auf  der  Sosiasschale  .     748—750 
Excurs  II:  Die  Äonen  in  Theben 750 — 752 


Jahrb.  f.  d^i.  Phil.  Sappl.  Bd.  XI.  48 

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Hilfsmaterien. 


Aeqainoctien  729  f. 

Aia  708  f. 

Aigeus,  -iden  704.  721  f. 

Alalkomenai  686 

Alkippe  687. 

Aloiden  718. 

Äonen*),  AoniS  691.  716  ff. 

Aphrodisien  700.  702.  732  ff. 

Areia,  -etias  708  ff. 

Areion  687.  689.  711**). 

Areiopag  S88.  693. 

AsklepioB  717. 

Bergealt  789. 

Delphoi,  -usa  693  f. 

Demeter  Herkyna  718. 

—  Thesmophoroa  692. 

Drache  696.  707  ff.  715.  729.  751)*. 

Ektenen  690.  712. 

EroB  741. 

Fesselung  725  ff. 

Gaia  708.  712. 

Haliartos  686. 

Halirrhothios  687. 

Harmonia  709. 

HephaistoB  724  ff. 

Herkyna  717  f. 

Hermes  781. 

Honig,  cf.  Nephalien! 

Hyanten  691.  712.  716. 

'IXcieuKX  748. 

Kabeirendiener  719  f. 

Eolonos  Hippios  685.  693. 

Eoronis  717. 


Ladon  710  f.  716. 

Melanippe,  -ob  689. 

Menoikeus  714.  738)*. 

Milch,  Mohn,  cf.  Nephalien! 

Moira,  cf.  Urania! 

Morpho  726  f. 

Nephalien  784  ff. 

Neujahr  730  f. 

Onka  690. 

Persephone  686.  694.  708. 

Pheneos  685. 

Phlya  686. 

Polemarchen  781. 

Praxidikai  686. 

äluellschlacht  698  ff.  789. 
ikyon;  Aphrodite  696.  735  f. 
Sparten  718.  751. 
Solstitien  729  f. 
Temmiker,  Tennerer  691. 
Thelpnsa  686. 
Thera,  -eitaa  721. 
Thrakien  718  f. 
Tüphossa  686.  693. 
Tritaia  691. 
Trophonios  717  f. 
XJnterweltseingang,  cf.  Qnell- 

Schlucht! 
Urania  Moira  ^v  ia|iro1c  696. 
—  nnd  Aigeos  704.  786. 
Venns  Yerticordia  787. 
Weinlose  Opfer,  cf.  Nephalien! 
Wintersolsttt  700.  702.  729  f. 
Zeus  in  Theben  696. 


*)  Zu  p.  717,  dem  historischen  Bericht  von  Kämpfen  der  Äonen  mit 
den  Einwohnern  von  Attika,  cf.  die  mythischen  Parallelzeugnisse  Tom 
Streit  des  Ares  mit  Poseidon  p.  687  f. 


Berichtigung: 

p.  6»6**)  Uea  ■tatt  „j  83":  „p.  736  f.  |  34«. 


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Inhalt. 


iteite 

1.  De  Soidae  biographicorom  origine  et  fide.    Scripsit 

Ä.  Daub 401-490 

2.  Das  Verhältniss  der  griechischen  Vasenbilder  zu  den 
Gedichten  des  epischen  Kyklofl.  Von  H.  Luckenbach    491—638 

3.  Ares    und    Aphrodite.      Eine    Untersuchung    über 
Ursprung  und  Bedeutung  ihrer  Verbindung.     Von 

Karl  Tümpel 639—752 


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